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August / Oktober 2013 - Evangelische Kirchengemeinde Schönow ...

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4<br />

Beim Betrachten<br />

des Antependiums<br />

Foto: W.Kästner<br />

Eritis sicut Deus, scientes bonum et<br />

malum.<br />

Diesen Satz (auf Deutsch: Ihr werdet<br />

sein wie Gott und wissen, was gut<br />

und böse ist.) aus 1. Mose 3,5 schreibt<br />

(in Goethes Faust, Verse 2048 ff.) der<br />

Teufel, der sich Mephistopheles nennt<br />

und gerade einen mit allen aufgeklärten<br />

Wassern gewaschenen Professor mimt,<br />

einem Studenten ins Stammbuch und<br />

brummt ihm selbstgefällig hinterher:<br />

„Folg‘ nur dem alten Spruch und meiner<br />

Muhme, der Schlange,<br />

Dir wird gewiss einmal bei deiner Gottähnlichkeit<br />

bange!“<br />

Warum sollte ihm bange werden?<br />

Dazu sagt später Jean Paul noch was,<br />

zunächst aber zum Antependium.<br />

In den gegenwärtigen, nach altem<br />

liturgischen Brauch grünen Altarbehang<br />

(=Antependium) unserer Kirche warf die<br />

Künstlerin Hanna Hoeft ein Bild wie ein<br />

lächelndes Gesicht. Der Heilige Geist ist<br />

in Gestalt einer Taube (siehe Titelbild)<br />

auch mit von der Partie: „Und Gott sah,<br />

dass es gut war“ – könnte einem in den<br />

Sinn kommen.<br />

Aber den stattlichen Baumstamm empor<br />

windet sich rotgleißend die Schlange.<br />

Sie gehört nicht zum harmlosen<br />

Tierbestand des Gartens Eden, sondern<br />

züngelt Eva in Versuchung: Warum befolgst<br />

du alles, was der Chef des Gartens<br />

anordnet? Der meint wohl, er sei etwas<br />

Besseres als du und Adam und behält die<br />

saftigsten Früchte für sich. Was bildet<br />

der sich ein? Eritis sicut Deus usw.<br />

Mit anderen Worten: Der Teufel stellt<br />

die Machtfrage, und Adam und Eva sind<br />

es, die sich sogleich etwas einbilden und<br />

dementsprechend handeln, nämlich in<br />

die verbotene Frucht beißen. Die Anmaßung,<br />

Gott gleich sein zu wollen, letztlich<br />

also die Machtgier ist der Urtrieb, die<br />

Urversuchung, altertümlich gesagt: die<br />

Ursünde. Ihretwegen wurden wir aus<br />

dem Paradies gescheucht, ihr hängen<br />

wir an im familiären Kleinen wie im<br />

staatlich-politischen Großen. Noch<br />

einmal sei im Wagner-Jahr in Herz und<br />

Sinn gelegt: Richard Wagner hat dieses<br />

krankhafte Menschheits-Erbstück im<br />

„Ring des Nibelungen“ auf mythische<br />

Weise gestaltet (vgl. Gemeindeblatt 72).<br />

Der Mensch kann sich machtlüstern<br />

einbilden – und er hat es im Laufe der<br />

Geschichte aufs Regelmäßigste getan –,<br />

selbst Gott zu sein. Dadurch schrumpft<br />

Gott in der Vorstellung der Menschen<br />

ein, bis er schließlich ganz überflüssig<br />

ist. „Gott ist tot!“, rief Nietzsche.<br />

Die zentrale Macht Gottes wurde<br />

– so recht „mit Volldampf“ im Laufe<br />

der letzten 300 Säkularisierungs-Jahre<br />

– zerbröselt in persönliche oder auch<br />

nationale Machtbereiche der kleinen<br />

Götter der Welt. Und es wurden und<br />

werden selbstgebastelte innerweltliche<br />

Paradiese versprochen, in denen jedoch,<br />

wie Thomas Hobbes es ausdrückte, der<br />

Mensch dem Menschen ein Wolf ist<br />

(„Homo homini lupus“).<br />

Zu der Zeit, als dieser Zweig geistiger<br />

Aufklärung so recht am Aufblühen<br />

war – zu Beginn des 19. Jahrhunderts –,<br />

schrieb der Dichter Jean Paul: „Wo einer<br />

Zeit Gott, wie die Sonne, untergehet; da<br />

tritt bald darauf auch die Welt in das<br />

Dunkel; der Verächter des All achtet<br />

nichts weiter als sich und fürchtet sich<br />

in der Nacht vor nichts weiter als seinen<br />

Geschöpfen.“ Die Vernunft (Mephisto:<br />

„Schein des Himmelslichts“) muss wach<br />

sein, sie darf weder ins Schlafen noch ins<br />

trügerische Träumen fallen - dem würde<br />

Francisco de Goya wohl beipflichten.<br />

Wie wesentlich es für Jesus ist, dass<br />

wir Menschen aus diesem fast schon<br />

zwanghaften Denken und Handeln wieder<br />

herausfinden, zeigt doch auch der<br />

Rahmen, den er in das Vaterunser gelegt<br />

hat, in das Gebet also, das er seine Jünger<br />

lehrte (Matthäus 6, 9-13): „Dein Reich<br />

komme. Dein Wille geschehe“ heißt`s am<br />

Anfang, und das Gebet wird beschlossen<br />

durch „Denn dein ist das Reich und die<br />

Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.<br />

Amen.“ Was heißt das anders als „Dein<br />

ist die Macht!“? Diese Worte bergen<br />

auch das tiefe Bewusstsein, dass die<br />

so betenden Menschen den Sündenfall<br />

bereuen. Sie wollen eben nicht mehr<br />

eigenes Reich, eigene Kraft und eigene<br />

Herrlichkeit.<br />

Bemerkenswerterweise geht es nach<br />

der Bitte „Und führe uns nicht in Versuchung“<br />

weiter mit „Denn dein ist ...“. Es<br />

besteht eine kausale Verknüpfung, die<br />

man vielleicht so verstehen könnte: Weil<br />

wir Menschen wissen, dass Gott allein<br />

die Macht gebührt, die Adam und Eva<br />

und wir für uns beanspruchten, bitten<br />

wir darum, dass uns die Schlange der<br />

Versuchung fern bleibe. Es hat nichts<br />

Kriecherisches an sich, sondern ist demütig,<br />

aber frei, wenn bekannt wird:<br />

Dein ist die Macht!<br />

| Wolfgang Kästner<br />

Francisco de Goya (1746–1828): Der Traum<br />

der Vernunft gebiert Ungeheuer (El sueño<br />

de la razón produce monstruos). Die Bildinschrift<br />

könnte jedoch auch mit „Der Schlaf der<br />

Vernunft ...“ übersetzt werden, was zwei ganz<br />

gegensätzliche Deutungsmöglichkeiten eröffnet.

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