Ausgabe 2003 - Pfarrer- und Pfarrerinnenverein
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en zu opfern, um eine größere Zahl von<br />
anderen Leben zu erhalten. Deshalb<br />
sind die einzigen wirklichen moralischen<br />
Regeln diejenigen, die zum ›Lebenskalkül‹<br />
führen: das Privateigentum<br />
<strong>und</strong> der Vertrag.« Hier werde also, so<br />
Duchrow, das Privateigentum zum einzigen<br />
Richter über Leben <strong>und</strong> Tod gemacht.<br />
Menschliche Opfer würden bewußt<br />
einkalkuliert. Diese Ideologie erinnere<br />
an biblische Bekenntnissituationen<br />
wie in Daniel 3: Dort symbolisiert<br />
die von »Nebukadnezar« bzw.<br />
Antiochus IV. aufgestellte goldene Statue,<br />
die alle Völker anbeten sollen, den<br />
verabsolutierten König <strong>und</strong> mit ihm das<br />
verabsolutierte, auf den Tauschwert<br />
zielende Herrschaftseigentum im Unterschied<br />
zum Gebrauchswert von Privateigentum,<br />
der auf die Lebensbedürfnisse<br />
bezogen sei. Die von allen anzubetende<br />
goldene Statue stehe für einen<br />
ideologischen Schein des Geldes; hier<br />
werde Allmacht <strong>und</strong> grenzenloses Leben<br />
vorgaukelt <strong>und</strong> gerade dadurch die<br />
konkrete Gemeinschaft der Menschen<br />
zerstört. Gr<strong>und</strong>text der biblischen Ökonomie<br />
sei dagegen die Mannageschichte<br />
in Exodus 16: Niemand soll<br />
mehr sammeln, als er zum Leben<br />
braucht. Wohlstand ist nur Segen <strong>und</strong><br />
dient dem Leben, wenn alle daran teilhaben<br />
können. Tritt ein System dazu in<br />
eindeutigen Gegensatz, können sich jüdische<br />
Menschen nur verweigern. Das<br />
Gleiche gilt für Christinnen <strong>und</strong> Christen,<br />
wie Offb. 13 zeigt. Auch im römischen<br />
Reich konnten Menschen nur<br />
kaufen <strong>und</strong> verkaufen, wenn sie das<br />
Kennzeichen des absoluten Systems<br />
trugen.<br />
Der aktuelle Kairos-Prozess wird mittlerweile<br />
auch vom Ökumenischen Rat<br />
der Kirchen <strong>und</strong> vom Lutherischen<br />
Weltb<strong>und</strong> mit getragen.<br />
Für die Kirchen <strong>und</strong> ihre Glieder in<br />
Westeuropa soll es hierbei vor allem um<br />
folgende Fragen gehen: Wie verhalten<br />
wir uns zu Geist, Logik <strong>und</strong> Praxis der<br />
neoliberalen Globalisierung <strong>und</strong> ihren<br />
zerstörerischen Folgen? Wie glaubwürdig<br />
sind wir in unserem eigenen Wirtschaften<br />
(Geldanlagen usw.)? Warum<br />
machen unsere Kirchen zwar die Armut<br />
zum Thema, zögern jedoch, sich mit<br />
Reichtum <strong>und</strong> Wohlstand auseinander<br />
zu setzen? Wie können die Kirchen die<br />
biblische Option für die Armen im Bündnis<br />
mit anderen zivilgesellschaftlichen<br />
Aktionsgruppen in die Politik einbringen?<br />
Frieder Jehnes, <strong>Pfarrer</strong> in Bayreuth-<br />
St. Georgen<br />
Bücher<br />
Evangelisch zwischen Spessart <strong>und</strong><br />
Rhön. Dekanat Lohr a. Main, herausgegeben<br />
vom Evang.-Luth. Dekanatsbezirk<br />
Lohr a. Main. Erlanger Verlag für<br />
Mission <strong>und</strong> Ökumene, Neuendettelsau<br />
<strong>2003</strong>, ISBN 3-87214-800-1 ,176<br />
Seiten mit vielen farbigen Fotos. Geb<strong>und</strong>en,<br />
EUR 12,80.<br />
Nachdem ich Mitte der 90er Jahre<br />
»meine erste Liebe« in den Kirchengemeinden<br />
Höllrich, Heßdorf <strong>und</strong> Weickersgrüben<br />
im Dekanatsbezirk Lohr a.<br />
Main entdeckt habe, hat es mich besonders<br />
gefreut, in dem vorliegenden Büchlein<br />
eine sehr gut gelungene Neuauflage<br />
des alten Dekanatsbuches aus den<br />
70er Jahren in Händen zu halten.<br />
Liebe Leserin, lieber Leser!<br />
Noch nie konnten wir so schnell <strong>und</strong><br />
(im Prinzip) problemlos kommunizieren.<br />
Man muß sich nicht einmal aus<br />
seinem Sessel erheben, ist nicht darauf<br />
angewiesen, dass der andere neben<br />
dem Telefon sitzt: Das Fax erreicht<br />
sie, per Mail kann ich ihm meine Frage<br />
vorlegen, auf dem Anrufbeantworter<br />
meine Frage hinterlassen.<br />
Vielleicht waren unsere Ansprüche an<br />
Kommunikation auch noch nie so<br />
hoch – wir bekommen sie alle zu spüren.<br />
Dass die <strong>Pfarrer</strong>in nicht immer<br />
gleich erreichbar ist – auch nicht,<br />
wenn die Oma gestorben ist -, war für<br />
Gemeinde früher selbstverständlich.<br />
Vielleicht war damals das Vertrauen<br />
größer, dass sie etwas Nützliches tut,<br />
wenn sie nicht zu Hause ist <strong>und</strong> heute<br />
haben wir es mit immer mehr Menschen<br />
zu tun, die nicht wissen, was der<br />
<strong>Pfarrer</strong> tut, wenn nicht gerade Sonntag<br />
<strong>und</strong> Gottesdienstzeit ist. (Wer sich<br />
darüber ärgert: von wievielen unserer<br />
Gemeindemitglieder wissen wir denn,<br />
was sie jeden Tag so bei ihrer Arbeit<br />
tun? Auch wir klagen oft nur, dass<br />
man sie kaum mehr besuchen kann,<br />
weil sie so selten anzutreffen <strong>und</strong> ansprechbar<br />
sind!).<br />
Heute erwarten viele Menschen ständige<br />
Erreichbarkeit: mein Anliegen ist<br />
einfach immer so wichtig, dass alles<br />
andere unwichtig scheint. Die Verkäufer<br />
der Handies machen gute Geschäfte<br />
damit. Der Unmut ist groß, wenn man<br />
es zweimal vergeblich versucht hat –<br />
auch bei uns, wenn wir die in München<br />
»wieder einmal« nicht erreicht haben.<br />
Wir wollen auch, mehr als früher gefragt<br />
<strong>und</strong> beteiligt sein vor Entscheidungen,<br />
auch wir nehmen eine Entscheidung<br />
im LKA nicht mehr einfach<br />
hin wie ein Urteil von oben. Ebenso erwarten<br />
Gremien Beteiligung, Information,<br />
Mitentscheidungsmöglichkeiten.<br />
Über die vielen Sitzungen, das viele Papier<br />
klagen sie ebenso wie wir.<br />
Ich denke: wir müssen es alle noch<br />
üben: Rechtzeitig <strong>und</strong> umfassend informieren.<br />
Auch unsere Kirchenleitung<br />
muß es immer noch üben. Der Brief zu<br />
den Einsatzmöglichkeiten der <strong>Pfarrer</strong>Innen<br />
z.A. ist ein Beispiel dafür: Mindestens<br />
zwei Informationen haben gefehlt:<br />
Dass die Alternative zum (teil-)<br />
fremdfinanzierten Einsatz der Einstellungsstop<br />
gewesen wäre <strong>und</strong> ein<br />
Wort des Mitgefühls an die Gemeinden,<br />
denen ein z.A. schon länger versprochen<br />
wurde bzw. eines an die Kolleg/innen,<br />
die dort nun weiter vertreten.<br />
Ich frage mich auch, warum man die<br />
Betroffenen nicht direkt über die Predigerseminare<br />
hätte informieren können<br />
– dann auch gleich mit Informationen,<br />
welche Unterstützungsmaßnahmen<br />
man ihnen zu geben gedenkt.<br />
(Da hätte man im Vorfeld auch gleich<br />
RPZ <strong>und</strong> hauptamtliche Schulbeauftragte<br />
einbeziehen können).<br />
Mißlungene Kommunikation macht<br />
Ärger <strong>und</strong> Angst <strong>und</strong> schürt Gerüchte.<br />
Schade <strong>und</strong> schlecht in unseren Zeiten!<br />
Aber, wie gesagt: wir stehen vor<br />
der gleichen Aufgabe <strong>und</strong> auch wir<br />
scheitern immer wieder daran. Das<br />
hilft, nicht gar so »g’scheit« zu sein<br />
<strong>und</strong> (hinterher) besser zu wissen, wie<br />
man es hätte machen können....<br />
Ihr<br />
Martin Ost<br />
S. 142 KORRESPONDENZBLATT<br />
Nr. 8/9 Aug./Sept. <strong>2003</strong>