FMH Services - Schweizerische Ãrztezeitung
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S chweizerische Ärztezeitung<br />
Bollettino dei medici svizzeri<br />
13<br />
28. 3. 2012<br />
Bulletin des médecins suisses<br />
Editorial 479<br />
eHealth und Medizin<br />
SGIM 491<br />
Messung der Patientenzufriedenheit in der Arztpraxis<br />
– ein zentraler Baustein der Qualitätssicherung<br />
SAMW 493<br />
Vom Umgang mit Sterbewünschen: «Ich möchte<br />
sterben» heisst nicht «Ich will mich umbringen»<br />
Tribüne 510<br />
Risikoselektion in der Grundversicherung<br />
Begegnung mit Jonathan Spycher 517<br />
Ja, ich bin ein Knochenschlosser<br />
«Zu guter Letzt» von Rouven Porz 520<br />
Die Wahrheit an der Wand<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
Offizielles Organ der <strong>FMH</strong> und der <strong>FMH</strong> <strong>Services</strong> www.saez.ch<br />
Organe officiel de la <strong>FMH</strong> et de <strong>FMH</strong> <strong>Services</strong> www.bullmed.ch<br />
Bollettino ufficiale della <strong>FMH</strong> e del <strong>FMH</strong> <strong>Services</strong>
INHALT<br />
<strong>FMH</strong><br />
Editorial<br />
479 eHealth und Medizin<br />
Monique Gauthey<br />
DDQ<br />
481 Q-Monitoring startet in<br />
eine neue Runde (3)<br />
Varja Nikolic<br />
Q-Monitoring will Qualitätsaktivitäten ambulant tätiger<br />
Ärzte aufzeigen. In dieser Folge berichten Vertreter der<br />
neu ins Projekt integrierten Fachbereiche Gynäkologie,<br />
Pneumologie, Anästhesiologie, Radiologie sowie ORL,<br />
Hals- und Gesichtschirurgie, was sie zur Teilnahme<br />
m otiviert hat und was sie sich davon versprechen.<br />
Weitere Organisationen und Institutionen<br />
SAMW<br />
493 Vom Umgang mit Sterbewünschen:<br />
«Ich möchte sterben» heisst nicht<br />
«Ich will mich umbringen»<br />
<strong>Schweizerische</strong> Akademie der Medizinischen<br />
Wissenschaften<br />
483 <strong>FMH</strong> flash<br />
Neues aus den Abteilungen der <strong>FMH</strong>: Ein Corporate-Design-Fachmann<br />
hat die <strong>FMH</strong> beraten und erklärt im Interview,<br />
warum ein einheitlicher Auftritt nach aussen wichtig<br />
ist. Doch es gibt auch Neues zu Inhalten, z.B. zu<br />
SwissDRG-Fortbildungsseminaren, Tarifen und Gruppenpraxen.<br />
487 Personalien<br />
Organisationen der Ärzteschaft<br />
Hausärzte Schweiz<br />
489 Rechnung ohne Wirt – immense Kosten<br />
Heinz Bhend, Gerhard Schilling<br />
Eine Sichtweise zur Einführung des elektronischen Patientendossiers,<br />
geprägt von der praktischen Umsetzbarkeit<br />
in den Arztpraxen. Eine Frage der Autoren lautet:<br />
«Wie können wir die bis an die Grenzen belasteten Hausärzte<br />
motivieren, einen zusätzlichen Zusatzaufwand zu<br />
treiben?» Eine Anschubfinanzierung sei nötig.<br />
SGIM<br />
491 Messung der Patientenzufriedenheit in<br />
der Arztpraxis – ein zentraler Baustein<br />
Ihrer Qualitätssicherung<br />
Jean-Michel Gaspoz, Romeo Providoli<br />
Die SGIM bietet Ärzten einen Fragebogen,<br />
der in sechs Themenblöcke gegliedert<br />
ist: Arzt-Patienten-Beziehung, fachliche<br />
Beurteilung des Arztes und Praxispersonals,<br />
Kommunikation, Therapien,<br />
Untersuchungen sowie Dienstleistungen,<br />
Organisation und Räumlichkeiten.<br />
Der Beitrag informiert detailliert über<br />
Ablauf und Auswertung der Befragung.<br />
Die SAMW hat 2004 Richtlinien zur «Betreuung von<br />
Patientinnen und Patienten am Lebensende» veröffentlicht.<br />
Anfragen an die Zentrale Ethikkommission der<br />
SAMW haben gezeigt, dass in Einzelfällen eine nicht<br />
vertretbare Praxis der Suizidhilfe besteht. In der SÄZ erscheinen<br />
nun kurze «Standpunkte», welche die Thematik<br />
aus einer individuell-fachlichen Perspektive beleuchten.<br />
SÄZ-Podiumsdiskussion<br />
495 Von der Hierarchie zum Team?<br />
Interprofessionalität im Schweizer<br />
Gesundheitswesen<br />
Am Donnerstag, dem 19. April, ist es wieder so weit:<br />
Beim SÄZ-Podiumsgespräch diskutieren Podiumsgäste<br />
und Publikum aktuelle Fragen unseres Gesundheitssystems:<br />
Was sind Stärken und Schwächen der interprofessionellen<br />
Zusammenarbeit? Welche neuen Formen der<br />
Kooperation sind gefragt? Krankt unser Gesundheitswesen<br />
wirklich an einer zu ausgeprägten Arztzentriertheit?<br />
Diskutieren Sie mit!<br />
Briefe / Mitteilungen<br />
496 Briefe an die SÄZ<br />
498 Facharztprüfungen /<br />
Mitteilungen
INHALT<br />
<strong>FMH</strong> <strong>Services</strong><br />
500 Elargissement du réseau de nos sociétés<br />
fiduciaires partenaires dans le canton<br />
de Genève<br />
<strong>FMH</strong> Fiduciaire <strong>Services</strong><br />
501 Ihre Experten<br />
<strong>FMH</strong> Insurance <strong>Services</strong><br />
502 Stellen und Praxen<br />
Tribüne<br />
Standpunkt<br />
510 Risikoselektion in der Grundversicherung<br />
Christian Baumgartner, André Busato<br />
Über die «Jagd nach guten Risiken» wird viel geredet<br />
und geschrieben, empirische Daten hierzu gab es bisher<br />
jedoch nicht. Jetzt wurden sie mit einer Anfrage an verschiedene<br />
Versicherer erhoben: 5 Männer zwischen<br />
23 und 26 Jahren mit hohen Franchisen waren die guten<br />
Risiken, 4 Frauen und 1 Mann zwischen 72 und 92<br />
mit Minimalfranchise die schlechten. Die Daten belegen<br />
signifikante Unterschiede im Versichererverhalten.<br />
Horizonte<br />
Begegnung mit …<br />
517 Ja, ich bin ein Knochenschlosser<br />
Daniel Lüthi<br />
Besonders in dieser Jahreszeit ein gefragter Mann:<br />
J onathan Spycher, Chefarzt Orthopädie am Spital Interlaken,<br />
das sich auch «Alpines Notfallzentrum» nennt. Nicht<br />
selten landen junge Adrenalin-Junkies in seinem OP.<br />
Doch Spycher kennt auch eine andere Welt. Die ersten<br />
15 Jahre seines Lebens verbrachte er in Papua-Neuguinea,<br />
wo seine Eltern als Missionare arbeiteten.<br />
Zu guter Letzt<br />
520 Die Wahrheit an der Wand<br />
Rouven Porz<br />
Medical Education<br />
514 Medizinstudium über das Internet<br />
R. Ster, A. Pril<br />
Die gute Nachricht für alle, die in einigen Jahren einen<br />
Nachfolger für ihre Praxis suchen: Die Fernuniversität<br />
Frauenfeld sorgt für 250 neue Studienplätze. Der<br />
Schwerpunkt liegt dabei auf der Hausarztmedizin. Die<br />
Möglichkeiten moderner Medien werden bei diesem Studiengang<br />
optimal genutzt.<br />
Siebzehn Power-Point-Präsentationen in fünf Stunden.<br />
Sie können sich denken, wie man sich da fühlt. Nicht gut<br />
jedenfalls fühlte sich unser Autor. Und warum kam ihm<br />
bei all diesen Projektionen Platons Höhlengleichnis in<br />
den Sinn?<br />
516 Spectrum<br />
Anna<br />
IMPRESSUM<br />
Redaktion<br />
Dr. med. et lic. phil. Bruno Kesseli<br />
(Chefredaktor)<br />
Dr. med. Werner Bauer<br />
Dr. med. Jacques de Haller (<strong>FMH</strong>)<br />
PD Dr. med. Jean Martin<br />
Anna Sax, lic. oec. publ., MHA<br />
Prof. Dr. med. Hans Stalder<br />
Dr. med. Erhard Taverna<br />
lic. phil. Jacqueline Wettstein (<strong>FMH</strong>)<br />
Redaktion Ethik<br />
PD Dr. theol. Christina Aus der Au<br />
Prof. Dr. med. Lazare Benaroyo<br />
Dr. phil., dipl. biol. Rouven Porz<br />
Redaktion Medizingeschichte<br />
PD Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann<br />
PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff<br />
Redaktion Ökonomie<br />
Anna Sax, lic. oec. publ., MHA<br />
Redaktion Recht<br />
Fürsprecher Hanspeter Kuhn (<strong>FMH</strong>)<br />
Managing Editor<br />
Annette Eichholtz M.A.<br />
Redaktionssekretariat<br />
Elisa Jaun<br />
Redaktion und Verlag<br />
EMH <strong>Schweizerische</strong>r Ärzteverlag AG<br />
Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz<br />
Tel. 061 467 85 55, Fax 061 467 85 56<br />
E-Mail: redaktion.saez@emh.ch<br />
Internet: www.saez.ch, www.emh.ch<br />
Herausgeber<br />
<strong>FMH</strong>, Verbindung der Schweizer<br />
Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18,<br />
Postfach 170, 3000 Bern 15<br />
Tel. 031 359 11 11, Fax 031 359 11 12<br />
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Internet: www.fmh.ch<br />
Herstellung<br />
Schwabe AG, Muttenz<br />
Marketing EMH<br />
Thomas Gierl M.A.<br />
Leiter Marketing und Kommunikation<br />
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Inserate<br />
Werbung<br />
Sabine Landleiter<br />
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Matteo Domeniconi, Inserateannahme<br />
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<strong>FMH</strong>-Mitglieder<br />
<strong>FMH</strong> Verbindung der Schweizer<br />
Ärztinnen und Ärzte<br />
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Jahresabonnement: CHF 320.–,<br />
zuzüglich Porto<br />
© 2012 by EMH <strong>Schweizerische</strong>r<br />
Ärzteverlag AG, Basel. Alle Rechte vorbehalten.<br />
Nachdruck, elektronische<br />
Wiedergabe und Übersetzung, auch<br />
auszugsweise, nur mit schriftlicher<br />
Genehmigung des Verlages gestattet.<br />
Erscheint jeden Mittwoch<br />
ISSN 0036-7486<br />
ISSN 1424-4004 (Elektronische Ausg.)
Editorial<br />
<strong>FMH</strong><br />
eHealth und Medizin<br />
Vor 16 Jahren wurde auf Initiative<br />
der <strong>FMH</strong> und der Ärztekasse<br />
mit einer innovativen<br />
Vision «Health Info Net»<br />
(HIN) aufgebaut: Ziel war<br />
es, den sicheren Austausch<br />
von elektronischen medizinischen<br />
Daten zu fördern.<br />
Rasch verzeichnete HIN einen<br />
starken Aufschwung: Mit über<br />
13 500 Einzelkunden deckt sie<br />
knapp 80 Prozent der Schweizer<br />
Arztpraxen und über 260 weitere Akteure des Gesundheitssystems<br />
wie Spitäler und Spitexorganisationen ab.<br />
2012 schliesst HIN seine Migration auf eine neue technische<br />
Plattform mit offenen Standards ab. Neu können zukunftsgerichtete<br />
Identifikations und Authentifizierungsinstrumente<br />
mit modernen Tools wie Computern, TabletPCs,<br />
der Health Professional Card (<strong>FMH</strong>HPC) und Smartphones<br />
verwendet werden. HIN stellt damit allen Partnern des<br />
Schweizer Gesundheitswesens eine offene und geschützte ExtranetPlattform<br />
für den Austausch von EMails und Dokumenten<br />
sowie anderen Anwendungen zur Verfügung. Dies erfolgt<br />
mit Hilfe eines soliden und bewährten Systems, das den<br />
Leistungserbringern bekannt ist. Mit der neuen Plattform<br />
wird das robuste System auch noch einfacher.<br />
Vor 16 Jahren wurde auf Initiative<br />
der <strong>FMH</strong> und der Ärztekasse mit einer<br />
innovativen Vision HIN geschaffen.<br />
HIN ist also ein solides und einfaches System, das aus einer<br />
innovativen Vision entstanden ist, im Gesundheitswesen auf<br />
grossen Zuspruch stösst, auf offenen Standards beruht und<br />
mit neuen Technologien kompatibel ist. Ein System, dessen<br />
Grundidee von Anfang an immer der Schutz der Privatsphäre<br />
war, der zweifellos die Prämisse für den Austausch von medizinischen<br />
Daten bildet. In der heutigen Zeit, in welcher der<br />
Zugriff auf persönliche Daten alltäglich ist, ist ein solches<br />
Netz eine unerlässliche Voraussetzung, damit eHealth sich<br />
verbreitet, Ärzte und Patienten sich auf die Sicherheit des<br />
Datenaustausches verlassen können und die Wahrung des<br />
Arztgeheimnisses gewährleistet ist. Dies ist seit der Antike ein<br />
zentrales Element der Versorgungsqualität!<br />
In den letzten Jahren sind zahlreiche eHealthProjekte<br />
aus unterschiedlichen Initiativen entstanden. Unabhängig<br />
davon, ob es sich dabei um grosse kantonale Projekte wie etwa<br />
das Genfer Projekt eToile, Projekte der Kantone Basel oder<br />
St. Gallen, um gemeinsame kommerzielle oder private Vorhaben<br />
oder um Initiativen von Ärzte oder Versicherungsgruppen<br />
handelt, werden unterschiedliche Schutz und Authentifizierungsmethoden<br />
angewandt. Diese Systeme sind zwar<br />
sicher/stabil und qualitativ überzeugend, doch ihre Uneinheitlichkeit<br />
führt zu einer Komplexität, die sich nur unzureichend<br />
mit den alltäglichen Bedürfnissen der Ärztinnen und<br />
Ärzte in Einklang bringen lässt.<br />
Ein solches Netz ist unerlässlich,<br />
damit die Ärzte und Patienten auf<br />
die Sicherheit des Datenaustausches<br />
vertrauen können.<br />
Wäre es deshalb nicht wünschenswert, dass HIN generell<br />
bei Schweizer eHealthProjekten verwendet würde? Das System<br />
ist sicher, verfügbar, und der Bedarf ist offensichtlich!<br />
eHealthInstrumente können uns das Leben vereinfachen<br />
und die Qualität der Gesundheitsversorgung steigern. Wir<br />
müssen jedoch den Behörden und allen Initianten von<br />
eHealthProjekten aufzeigen, dass dies nur gilt, wenn diese<br />
Instrumente in die tägliche Praxis integriert und bereits vorhandene<br />
Systeme genutzt werden. eHealthLösungen werden<br />
nicht angewandt, wenn sie die täglichen Aufgaben noch<br />
komplexer machen. Wir Ärztinnen und Ärzte müssen uns dafür<br />
einsetzen, dass eine überzeugende, sichere Lösung wie HIN<br />
breiten Einsatz im schweizerischen eHealthSystem findet!<br />
Dr. med. Monique Gauthey, Fachärztin <strong>FMH</strong>,<br />
Mitglied des Zentralvorstands der <strong>FMH</strong>,<br />
Verantwortliche für das Ressort eHealth Sicherheitsinfrastruktur<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
479
DDQ<br />
<strong>FMH</strong><br />
Q-Monitoring startet in eine neue Runde – Teil 3<br />
Ärztinnen und Ärzte wollen ihre Patienten optimal versorgen – sie engagieren sich bei<br />
ihrer Arbeit daher täglich für die Qualitätsentwicklung: mittels Fallbesprechungen, in<br />
Fortbildungen, durch die Überprüfung von Behandlungsstandards usw. Das Projekt<br />
Q-Monitoring will anhand von Zahlen das Spektrum an Qualitätsaktivitäten aufzeigen,<br />
die ambulant tätige Ärztinnen und Ärzte bereits heute leisten. Nach der erfolgreichen<br />
Pilotphase im Jahr 2010 beteiligen sich neu insgesamt zehn Fachgesellschaften an<br />
Q-Monitoring – und damit rund zwei Drittel der ambulant tätigen Ärzteschaft.<br />
Varja Nikolic<br />
Die Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften ist<br />
der <strong>FMH</strong> beim Projekt Q-Monitoring ambulante<br />
Medizin CH besonders wichtig. Denn nur die Fachgesellschaften<br />
sind in der Lage, ihre fachspezifischen<br />
Qualitätsaktivitäten adäquat zu definieren. Deshalb<br />
möchte die Projektleitung auch die am Projekt beteiligten<br />
Fachgesellschaften zu Wort kommen lassen.<br />
Lesen Sie heute, was die Vertreter der neu ins<br />
Projekt integrierten Fachbereiche Gynäkologie und<br />
G eburts hilfe, Pneumologie, Anästhesiologie und<br />
Reanimation, Radiologie sowie ORL, Hals- und<br />
Gesichts chirurgie zur Teilnahme am Q-Monitoring<br />
motiviert hat und was sie sich davon versprechen. In<br />
der <strong>Schweizerische</strong>n Ärztezeitung Nr. 10 vom 7. März<br />
2012 haben bereits Vertreter aus den Bereichen<br />
Psychiatrie und Hausarztmedizin, die Q-Monitoring<br />
2010 bereits in der Pilotphase unterstützten, Stellung<br />
zum Projekt genommen.<br />
heute in welcher Häufigkeit durchgeführt werden.<br />
Solche Informationen dienen einerseits der fachinternen<br />
Weiterentwicklung der Qualitätsstrategie,<br />
aber auch dem notwendigen Diskurs mit unseren<br />
Partnern im Gesundheitswesen und der Politik. Darum<br />
bitte ich alle ambulant tätigen Gynäkologinnen<br />
und Gynäkologen sowie die ambulant tätigen Kolleginnen<br />
und Kollegen der übrigen bei Q-Monitoring<br />
engagierten Fachgesellschaften, sich an der Umfrage<br />
zu beteiligen!»<br />
Thomas Böhm<br />
Verantwortlicher Ressort<br />
Qualität <strong>Schweizerische</strong><br />
Gesellschaft für Radiologie<br />
SGR<br />
Korrespondenz:<br />
<strong>FMH</strong>, Abteilung DDQ<br />
Elfenstrasse 18<br />
CH-3000 Bern 15<br />
Tel. 031 359 11 11<br />
Fax 031 359 11 12<br />
ddq[at]fmh.ch<br />
Jacques Seydoux<br />
Präsident <strong>Schweizerische</strong><br />
Gesellschaft für Gynäkologie<br />
und Geburtshilfe SGGG<br />
«Wie in allen medizinischen Fachbereichen ist auch<br />
für die Gynäkologie und Geburtshilfe eine fachspezifische<br />
Qualitätsentwicklung wichtig. Mit dem Projekt<br />
Q-Monitoring erhalten wir als Vorstand der<br />
SGGG die Möglichkeit, eine wichtige Basis für diese<br />
Entwicklung im ambulanten Bereich zu schaffen:<br />
nämlich eine Bestandesaufnahme darüber, welche<br />
Qualitätsaktivitäten in unserem Fachbereich bereits<br />
«Die <strong>Schweizerische</strong> Gesellschaft für Radiologie beteiligt<br />
sich am Q-Monitoring, weil das Projekt für die<br />
ambulante Medizin ein Schritt in die richtige Richtung<br />
ist. Denn auch in der ambulanten Arbeit mit<br />
Patienten muss der Einsatz für Qualität sichtbarer<br />
werden! Gemeinsam mit neun weiteren Fachgesellschaften<br />
erhoffen wir uns repräsentative, starke<br />
Daten – ein wichtiges Instrument, um uns Gehör zu<br />
verschaffen! Gleichzeitig können wir uns dank<br />
Q-Monitoring in Qualitätsfragen fachübergreifend<br />
stärker vernetzen: Die Zusammenarbeit im Projektteam<br />
hat aufgezeigt, dass viele Qualitätsaktivitäten<br />
nicht nur von einer Fachrichtung praktiziert, sondern<br />
häufig von den verschiedensten Spezialistinnen<br />
und Spezialisten ausgeübt werden.»<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
481
DDQ<br />
<strong>FMH</strong><br />
Peter Wiederkehr<br />
Verantwortlicher Ressort<br />
Qualität <strong>Schweizerische</strong><br />
Gesellschaft für<br />
Anästhesiologie und<br />
Reanimation SGAR<br />
«Gerade für einen Fachbereich wie Anästhesiologie<br />
und Reanimation, in der nur knapp ein Drittel der<br />
Fachärztinnen und Fachärzte im ambulanten Bereich<br />
tätig ist, bedeutet die Teilnahme am Q-Monitoring<br />
eine wertvolle Ergänzung zu Projekten im<br />
stationären Bereich. Denn mit Q-Monitoring erhalten<br />
auch die ambulant tätigen Anästhesistinnen<br />
und Anästhesisten die Möglichkeit, ihr Engagement<br />
für Qualität in ihrer täglichen Praxis sichtbarer zu<br />
machen. Gleichzeitig kann der SGAR-Vorstand seine<br />
Qualitätsstrategie auch für den ambulanten Bereich<br />
adäquat ausrichten. Deshalb laden wir Sie herzlich<br />
ein, bei der Umfrage mitzumachen!»<br />
Jürg Häggi<br />
Verantwortlicher Ressort<br />
Qualität <strong>Schweizerische</strong><br />
Gesellschaft für<br />
P neumologie SGP<br />
«Q-Monitoring ist nicht nur für die <strong>Schweizerische</strong><br />
Gesellschaft für Pneumologie ein wichtiges Instrument,<br />
sondern primär auch für die einzelnen ambulant<br />
tätigen Kolleginnen und Kollegen. Die Datenauswertung<br />
gibt nämlich jedem Teilnehmer eine in-<br />
dividuelle Rückmeldung darüber, in welchen<br />
Bereichen der Qualitätssicherung er oder sie bereits<br />
heute viel leistet und in welchen eventuell noch ein<br />
Verbesserungspotential vorhanden ist. Somit dient<br />
Q-Monitoring für die Teilnehmenden sowie für die<br />
beim Projekt engagierten Fachgesellschaften als solides<br />
Fundament für die weitere Planung der praxisorientierten<br />
Qualitätssicherung.»<br />
Florian Lang<br />
Verantwortlicher Ressort<br />
Qualität <strong>Schweizerische</strong><br />
Gesellschaft für<br />
Oto-Rhino-Laryngologie,<br />
Hals- und Gesichts chirurgie<br />
SGORL<br />
«Das Projekt Q-Monitoring ist kein geheimes Werkzeug,<br />
das der <strong>FMH</strong> etwa dienen sollte, die medizinische<br />
Aktivität der niedergelassenen Ärztinnen und<br />
Ärzte zu kontrollieren, zu beurteilen oder zu verurteilen.<br />
Es soll auch nicht unsere Behandlungsqualität<br />
in der Praxis abbilden. Das Projekt dient dazu, einen<br />
Überblick zu erhalten, in welchen Bereichen die<br />
ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte bereits viel an<br />
Qualitätsaktivitäten leisten, mit dem Ziel, wie man<br />
diese besser zur Geltung bringen könnte. Das Projekt<br />
soll aber auch aufzeigen, wo allenfalls noch sinnvolle<br />
Qualitätsinitiativen existieren würden, deren<br />
Potential bisher noch nicht ausgeschöpft wurde.<br />
Nur mit einer zahlenfundierten Argumentation wird<br />
die SGORL in der Lage sein, intern eine adäquate<br />
Situationsanalyse durchzuführen, um so ihren Mitgliedern<br />
zu ermöglichen, über eventuelle neue sinnvolle<br />
Qualitätsmassnahmen demokratisch zu entscheiden.<br />
Auch ein Vergleich mit anderen Fachgesellschaften<br />
oder standespolitische Diskussionen<br />
können nur zahlenfundiert durchgeführt werden.»<br />
Teilnahme an der Datenerfassung<br />
Besitzen Sie einen der folgenden Facharzttitel?<br />
– Allgemeine Innere Medizin*<br />
– Anästhesiologie*<br />
– Gynäkologie und Geburtshilfe*<br />
– Kinder und Jugendmedizin*<br />
– K inder und Jugendpsychiatrie<br />
und psychotherapie**<br />
– OtoRhinoLaryngologie*<br />
– Pneumologie**<br />
– Psychiatrie und Psychotherapie**<br />
– Radiologie*<br />
* Umfrage läuft noch bis zum 4. April 2012<br />
** Umfrage läuft noch bis zum 2. Mai 2012<br />
Dann bitten wir Sie, Ihre bereits heute geleisteten<br />
Qualitätsaktivitäten zu erfassen, selbstverständlich<br />
via freiwillige und vertrauliche<br />
Selbstdeklaration. Damit helfen Sie Ihrer<br />
Fachgesellschaft, die internen Qualitätsstrategien<br />
aufzubauen und weiterzuentwickeln.<br />
Gleichzeitig erhalten Sie die Möglichkeit, die<br />
von Ihnen geleisteten Qualitätsaktivitäten<br />
mit jenen des Gesamts ihrer Fachkolleginnen<br />
und kollegen zu vergleichen. Mit Ihrer Teilnahme<br />
unterstützen Sie die Glaubwürdigkeit<br />
des ärztlichen Engagements für Qualitätsentwicklung<br />
und verbessern deren Transparenz<br />
entscheidend und nachhaltig!<br />
Den Fragebogen finden Sie unter<br />
www.myfmh.ch. Falls Sie Fragen zum Projekt<br />
QMonitoring oder zum Fragebogen haben,<br />
geben wir gerne Auskunft: per EMail<br />
ddq[at]fmh.ch oder unter der Telefonnummer<br />
031 359 11 11. Bei Fragen zu unserer<br />
Mitgliederplattform my<strong>FMH</strong>, insbesondere<br />
zur Registrierung, ist die Abteilung Dienstleistungen<br />
Mitglieder für Sie da: Telefon 031<br />
359 12 59, EMail: myfmh[at]fmh.ch. Weitere<br />
Informationen zum Projekt QMonitoring<br />
finden Sie unter: www.fmh.ch → Qualität<br />
→ QMonitoring.<br />
Die beteiligten Fachgesellschaften und die<br />
<strong>FMH</strong> danken Ihnen herzlich für Ihre Teilnahme!<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13 482
MÄrz 2012<br />
Blitzlicht<br />
Profil zeigen – und gewinnen<br />
Das sogenannte Corporate Design bezeichnet<br />
das äussere Erscheinungsbild eines Unternehmens<br />
oder einer Organisation – das<br />
Logo ist für gewöhnlich der sichtbarste Teil<br />
davon. Wie nützlich ein einheitlicher Auftritt<br />
nach aussen ist und weshalb das Logo<br />
der <strong>FMH</strong> Tradition ausdrückt, erklärt Corporate<br />
Design-Fachmann Daniel Felder. Er<br />
ist Mitinhaber der Kommunikationsagentur<br />
FelderVogel (www.feldervogel.ch) in Luzern,<br />
die unter anderem für den Geschäftsbericht<br />
mit der <strong>FMH</strong> zusammenarbeitet.<br />
Daniel Felder, wie würden Sie Corporate<br />
Design (CD) einem Kind erklären? Und<br />
einem Erwachsenen?<br />
Einem Kind würde ich sagen: Rotkäppchen<br />
ist nur dann Rotkäppchen, wenn<br />
es ein rotes Käppchen trägt. Einem Erwachsenen<br />
gegenüber würde ich CD als<br />
das Selbstbild einer Organisation oder<br />
eines Unternehmens beschreiben, als<br />
das Zusammenspiel des Logos mit Farben,<br />
Formen und Bildern sowie der Typographie.<br />
Welche Kriterien machen aus Ihrer Sicht<br />
ein gelungenes CD aus?<br />
Idealerweise stimmt das Selbstbild<br />
einer Organisation mit ihrem Fremdbild<br />
überein. Das CD erfüllt für eine<br />
Organisation eine doppelte Aufgabe:<br />
Kommunikationsprofi Daniel Felder weiss, wie Es muss ihre Identifikation nach innen<br />
Unternehmen zu einem charakteristischen<br />
und ihre Akzeptanz nach aussen fördern.<br />
Am meisten überzeugen mich<br />
Auftritt kommen.<br />
Erscheinungsbilder, die auf den ersten Blick<br />
etwas über die Funktion der Marke auszudrükken<br />
scheinen, wie Nike mit dem Zeichen der<br />
Rennbahn.<br />
Wie wichtig ist CD für den Erfolg eines Unternehmens?<br />
Was ist der Nutzen?<br />
Tagtäglich werden wir mit einer riesigen Menge<br />
an Informationen konfrontiert, die wir einordnen<br />
und auf die wir reagieren müssen. Mit<br />
einem konsequent angewandten CD profitiert<br />
ein Unternehmen nicht nur von einem klaren,<br />
im Vergleich zur Konkurrenz unverwechselbaren<br />
Profil, sondern es macht dadurch seine<br />
Werte und Haltung nach aussen sichtbar. Als<br />
weiterer positiver Effekt stärkt es seine Glaubwürdigkeit.<br />
Welche Rolle spielt CD in der täglichen Arbeit?<br />
CD wird oft unterschätzt – ein gutes Design<br />
und ein professioneller Auftritt können das<br />
Wohlbefinden und die Identifikation der Mitarbeitenden<br />
mit dem Unternehmen steigern.<br />
Wie gehen Sie vor, um ein CD für einen Kunden<br />
zu definieren?<br />
Für diesen Prozess setzen wir das Unternehmen<br />
einem Menschen gleich. Zuerst bestimmen<br />
wir in einem Workshop seine «Persönlichkeit»<br />
mit Hilfe von OVREA Corporate Personality<br />
® , einem von uns speziell entwickelten<br />
Werkzeug. In einem zweiten Schritt legen wir<br />
konkrete Elemente fest, wie beispielsweise<br />
Struktur, Farben oder Bilder. Erst wenn diese<br />
Grundzüge definiert sind, beginnen wir mit<br />
dem tatsächlichen Design der Marke.<br />
Wie schätzen Sie das CD der <strong>FMH</strong> ein?<br />
Durch die klassischen Farben und Schriftzüge<br />
sowie typische Zeichen wie den Äskulapstab<br />
vermittelt es den Eindruck von Tradition und<br />
Reputation. Da wichtige Begriffe wie Gemeinschaft<br />
oder Service die <strong>FMH</strong> ebenso kennzeichnen,<br />
würde ich versuchen, auch diese im Design<br />
zu integrieren.<br />
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<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 13 483
MÄrz 2012<br />
Aus den Abteilungen<br />
Kommunikation<br />
Telefon ade, welcome UCC!<br />
Die bisherige Telefonanlage hat ausgedient –<br />
neu kommuniziert das Generalsekretariat<br />
ab April 2012 mit Unified Communications<br />
and Collaboration (UCC). Kommunikationsmöglichkeiten<br />
wie Telefonie, EMail, Instant<br />
Messaging, Audio und Videokonferenzen,<br />
Präsenzstatus, Fax und Application Sharing<br />
sind mit UCC auf einer einzigen Plattform<br />
zusammengeführt. Damit werden die Kommunikation<br />
und der Informationsaustausch mit<br />
den Kommissionen und Arbeitsgruppen, mit<br />
den Aussenstandorten des Generalsekretariates<br />
sowie den HomeOfficeWorkern erleichtert.<br />
«Wir haben im Vorfeld die unterschiedlichen<br />
Bedürfnisse erhoben und evaluiert. Daraus hat<br />
sich klar ergeben, dass UCC die optimale Lösung<br />
ist und der sich verändernden Arbeitsumgebung<br />
am besten entspricht», führt Jürg Jau,<br />
ICTVerantwortlicher und Projektleiter, aus.<br />
Als nächster Schritt steht nun die Schulung<br />
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an.<br />
Daten, Demographie, Qualität<br />
Transparentes Engagement<br />
Das Projekt Q-Monitoring ambulante Medizin<br />
CH will anhand von Zahlen das Spektrum an<br />
Qualitätsaktivitäten aufzeigen, welche ambulant<br />
tätige Ärztinnen und Ärzte bereits heute<br />
leisten. Diese Bestandesaufnahme wird den<br />
beteiligten Fachgesellschaften als gute Entscheidungsgrundlage<br />
etwa für zielgerichtete<br />
Fortbildungsangebote oder die Entwicklung<br />
der fachinternen Qualitätsstrategien dienen.<br />
Aber auch Sie als teilnehmende Ärztinnen und<br />
Ärzte erhalten ein wertvolles Feedback und<br />
einen Überblick im Dschungel der Qualitätsaktivitäten!<br />
Besitzen Sie einen der folgenden Facharzttitel?<br />
• Allgemeine Innere Medizin<br />
• Anästhesiologie<br />
• Gynäkologie und Geburtshilfe<br />
• Kinder und Jugendmedizin<br />
• K inder und Jugendpsychiatrie und psychotherapie<br />
Die Ärzteschaft<br />
sichert Qualität.<br />
Q-Monitoring<br />
macht dies sichtbar.<br />
Q-Monitoring: Rund 11 000 ambulant tätige Ärztinnen<br />
und Ärzte sind eingeladen, ihre aktuellen Qualitätsaktivitäten<br />
zu deklarieren.<br />
• OtoRhinoLaryngologie<br />
• Pneumologie<br />
• Psychiatrie und Psychotherapie<br />
• Radiologie<br />
Falls ja, bitten wir Sie, Ihre bereits heute geleisteten<br />
Qualitätsaktivitäten zu erfassen,<br />
selbstverständlich mittels freiwilliger und<br />
vertraulicher Selbstdeklaration. Bitte loggen<br />
Sie sich dazu auf dem geschützten my<strong>FMH</strong><br />
Mitgliederportal ein (www.myfmh.ch) und<br />
wählen Sie dort den entsprechenden Fragebogen<br />
aus. Weiterführende Informationen zum<br />
Projekt finden Sie auf www.fmh.ch → Qualität<br />
→ QMonitoring.<br />
Sollten Sie Hilfe bei der Registrierung auf<br />
my<strong>FMH</strong> benötigen, ist die Abteilung Dienstleistungen<br />
Mitglieder für Sie da (031 359 12 59,<br />
myfmh[at]fmh.ch). Bei Fragen zum Projekt<br />
gibt die Abteilung DDQ gerne Auskunft (031<br />
359 11 11, ddq[at]fmh.ch).<br />
Die <strong>FMH</strong> sowie die beteiligten Fachgesellschaften<br />
danken allen Ärztinnen und Ärzten, die<br />
sich bereits an der Umfrage beteiligt haben,<br />
ganz herzlich für ihr Engagement!<br />
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<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2011;92: 13 484
MÄrz 2012<br />
Aktuell und spannend – zahlen 2011<br />
In der Schweiz garantieren über 30 000 Ärztinnen<br />
und Ärzte die ärztliche Versorgung der<br />
Schweizer Bevölkerung. Im Durchschnitt ist<br />
ein Arzt knapp 51 Jahre alt – seine Kollegin ist<br />
mit durchschnittlich 45 Jahren etwas jünger.<br />
Nicht nur jünger sind die Medizinerinnen,<br />
sondern auch immer zahlreicher. Dies zeigt<br />
sich in der steigenden Frauenquote bei den<br />
Studierenden der Humanmedizin und bei den<br />
Assistenzärzten. Dies ist nur eine kleine Auswahl<br />
der aktuellen und spannenden Zahlen<br />
der <strong>FMH</strong>Ärztestatistik 2011, welche Mitte<br />
März 2012 in der <strong>Schweizerische</strong>n Ärztezeitung<br />
publiziert worden ist.<br />
Sie finden die bewährten Tabellen und Artikel<br />
wie auch das OnlineAbfrageTool mit diversen<br />
Jahresvergleichen auf www.fmh.ch → Ärztedemographie<br />
→ Ärztestatistik. Mit wenigen Mausklicken<br />
lassen sich die gewünschten Informationen<br />
interaktiv abfragen, als Tabelle oder Grafik<br />
darstellen und ausdrucken bzw. exportieren.<br />
Gerne stellt die Abteilung Daten, Demographie<br />
und Qualität bei Bedarf auch spezifische Auswertungen<br />
und Analysen für Sie zusammen (ddq[at]<br />
fmh.ch). Danke, dass Sie mit der Selbstdeklaration<br />
Ihrer Daten auf my<strong>FMH</strong> zu einer qualitativ<br />
guten Datengrundlage für die <strong>FMH</strong>Ärztestatistik<br />
2011 beigetragen haben!<br />
<strong>FMH</strong>-Ärztestatistik<br />
Zahlen und Fakten 2011<br />
Tarife und Gesundheitsökonomie<br />
Spitalärzte<br />
rege genutzte Dokumentationsmuster<br />
Die Anforderungen an die ärztliche Dokumentation<br />
werden immer vielfältiger. Dies vor allem<br />
auch deshalb, weil die erbrachten Leistungen<br />
selbst immer komplexer werden und zahlreiche<br />
Fachkräfte im Gesundheitswesen einbeziehen.<br />
Die ärztlichen Fachgesellschaften haben<br />
dieser Komplexität Rechnung getragen, indem<br />
sie für die Prozedurenklassifikation CHOP in<br />
den Antragsverfahren komplexe und multimodale<br />
Kodes beantragten. Um die Ärzte bei der<br />
Dokumentation dieser komplexen Leistungen<br />
zu unterstützen, hat die <strong>FMH</strong> im Jahr 2011 auf<br />
Wunsch der Fachgesellschaften 35 Dokumentationsmuster<br />
zur Verfügung gestellt. Diese<br />
wurden im vergangenen Jahr insgesamt über<br />
3400 Mal heruntergeladen – wir freuen uns,<br />
dass dieses Angebot rege genutzt wurde.<br />
Um den Ärzten auch in diesem Jahr diese<br />
Unterstützung anzubieten, hat die <strong>FMH</strong> die<br />
bestehenden Dokumente aktualisiert und um<br />
die Dokumentationsmuster zu jenen Kodes<br />
ergänzt, die neu in die CHOP 2012 aufgenommenen<br />
worden sind. <strong>FMH</strong>Mitgliedern<br />
stehen somit 53 Dokumentationsmuster unter<br />
www.fmh.ch → Tarife → SwissDRG → Ärztliche<br />
Dokumentation komplexer CHOPKodes<br />
zur Verfügung. Diese Vorschläge lassen sich<br />
selbstverständlich anpassen und individuell<br />
anwenden. In den ersten fünf Wochen des<br />
Jahres 2012 erfolgten bereits über 1000 Downloads<br />
dieser Dokumentationshilfen.<br />
Der Ärztestatistik-Flyer 2011 präsentiert interessante<br />
Fakten zur Schweizer Ärzteschaft.<br />
Fortbildungsseminare zu SwissDrG<br />
Vier von fünf Spitalärzten haben nur wenige<br />
oder keine SwissDRGKenntnisse – dies ergab<br />
eine repräsentative Umfrage von gfs.bern im<br />
Auftrag der <strong>FMH</strong> (vgl. www.fmh.ch → Tarife<br />
→ Begleitforschung). Deshalb bietet die <strong>FMH</strong><br />
zusammen mit H+ Bildung ihre bewährten Seminare<br />
für Ärztinnen und Ärzte zum Thema<br />
SwissDRG auch dieses Jahr an. Erneut auf dem<br />
Programm stehen zudem das praktische Seminar<br />
zur Kodierung und Dokumentation sowie<br />
das zweitägige Intensivseminar Medizin und<br />
Ökonomie für Ärztinnen und Ärzte. Die Seminare<br />
kommen ohne Sponsoringbeiträge aus<br />
und sind nicht gewinnorientiert. Detaillierte<br />
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MÄrz 2012<br />
Informationen zu allen Angeboten finden Sie<br />
unter www.fmh.ch → Tarife → SwissDRG.<br />
<strong>FMH</strong> <strong>Services</strong><br />
Erfolgsfaktoren für die Gruppenpraxis<br />
Der Trend bei der selbstständigen ärztlichen<br />
Berufsausübung geht klar in Richtung Gruppenpraxis<br />
als eine Unternehmensform, die<br />
neue und entscheidende Chancen bietet.<br />
«Die Komplexität eines Praxisprojekts steigt<br />
erheblich mit zunehmender Anzahl der Unternehmer.<br />
In vielen Fällen ist professioneller<br />
Support angezeigt», hält Beat Bär fest. Er leitet<br />
seit Februar 2012 <strong>FMH</strong> <strong>Services</strong>, die eigenständige<br />
Dienstleistungsorganisation der <strong>FMH</strong><br />
Mitglieder für Arztpraxen aller Art. Bei einer<br />
Gruppenpraxis sind die Anforderungen sowie<br />
der rechtliche, steuerliche und betriebswirtschaftliche<br />
Spielraum vielfältiger als bei einer<br />
Einzelpraxis. «Mit dem Angebot ‹GP Box› können<br />
die <strong>FMH</strong> <strong>Services</strong> ein betriebswirtschaftliches<br />
Modell für ein modulares, effizientes Vorgehen<br />
zur Verfügung stellen», freut sich Bär,<br />
«sei es für die Gründung, den Betrieb oder die<br />
Nachfolgeregelung von Praxen.» Entwickelt<br />
wurde GP Box vor allem für Gruppenpraxen,<br />
geeignet ist es aber auch für kleinere Praxen.<br />
Praxisinhaberinnen und inhaber können sich<br />
wahlweise in bis zu zehn Modulen beraten lassen,<br />
unter anderem zu den Themen Standortbestimmung,<br />
Führung/Organisation, Personal<br />
oder EDV/Administration. Genauere Informationen<br />
zum neuen Angebot GP Box stehen auf<br />
www.fmhservices.ch → Consulting <strong>Services</strong><br />
→ Praxisberatung GP Box bereit.<br />
«GP Box» mit zehn betriebswirtschaftlichen Modulen.<br />
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<strong>FMH</strong><br />
Personalien<br />
Todesfälle / Décès / Decessi<br />
Werner Sommer (1915), † 3.12.2011,<br />
Facharzt für Oto-Rhino-Laryngologie,<br />
3600 Thun<br />
Walter Wälchli (1926), † 1.1.2012,<br />
4665 Oftringen<br />
Alena Urbanczik (1926), † 19.1.2012,<br />
4052 Basel<br />
Harald Modde (1928), † 7.2.2012,<br />
2300 La Chaux-de-Fonds<br />
Christian Gschwind (1954), † 15.2.2012,<br />
5200 Brugg AG<br />
Walter Güntert (1921), † 19.2.2012,<br />
Facharzt für Radiologie und Facharzt für<br />
Radio-Onkologie / Strahlentherapie, 1973 Nax<br />
Dominique de Montmollin (1929), † 19.2.2012,<br />
Spécialiste en oto-rhino-laryngologie,<br />
2019 Chambrelien<br />
Maria Waldvogel (1917), † 26.2.2012,<br />
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />
8001 Zürich<br />
Carl Albert Baumgartner (1918), † 1.3.2012,<br />
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,<br />
3432 Lützelflüh-Goldbach<br />
Joerg Jans (1946), † 3.3.2012,<br />
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,<br />
6285 Hitzkirch<br />
Joseph Meuwly (1933), † 4.3.2012,<br />
Facharzt für Chirurgie, 1712 Tafers<br />
Hormoz Azarmsa (1929), † 11.3.2012,<br />
1247 Anières<br />
Gérard Eichenberger (1934), † 13.3.2012,<br />
Spécialiste en médecine interne générale,<br />
1206 Genève<br />
Praxiseröffnung /<br />
Nouveaux cabinets médicaux /<br />
Nuovi studi medici<br />
AG<br />
Nadine Dorina Löliger,<br />
Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
und -psychotherapie, Bahnhofstrasse 57,<br />
5000 Aarau<br />
Robert Klingl,<br />
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin,<br />
Bahnhofstrasse 29, 5000 Aarau<br />
Orestis Kotsilianos,<br />
Facharzt für Dermatologie und Venerologie,<br />
Bolleri 4, 8964 Rudolfstetten<br />
Jana Dvorak-Lansloot,<br />
Fachärztin für Anästhe siologie, Bolleri 4,<br />
8964 Rudolfstetten<br />
SG<br />
Margarete Maier-Wölfle,<br />
Fachärztin für Endo krinologie/Diabetologie<br />
und Fachärztin für Allgemeine Innere<br />
Medizin, Ringstrasse 1, 9524 Zuzwil<br />
SO<br />
Janusz Boinski,<br />
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe,<br />
Centralstrasse 8, 2540 Grenchen<br />
ZH<br />
Marisa Crippa Keller,<br />
Fachärztin für Physi kalische Medizin und<br />
Rehabilitation und Fachärztin für Rheumatologie,<br />
Bederstrasse 51, 8002 Zürich<br />
Ärztegesellschaft des Kantons Bern<br />
Ärztlicher Bezirksverein Bern Regio<br />
Zur Aufnahme als ordentliche Mitglieder<br />
haben sich angemeldet:<br />
Markus Bleichenbacher, Facharzt für Gynäkologie<br />
und Geburtshilfe <strong>FMH</strong>, Spitalgasse 36,<br />
3011 Bern<br />
Matthias Golder, Facharzt für Psychiatrie und<br />
Psychotherapie <strong>FMH</strong>, Villettemattstrasse 15,<br />
3007 Bern<br />
Belinda Nazan Walpoth, Fachärztin für Kardiologie<br />
<strong>FMH</strong>, Bollwerk 19, 3011 Bern<br />
Einsprachen gegen diese Vorhaben müssen<br />
innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffentlichung<br />
schriftlich und begründet beim Präsidenten<br />
des Ärztlichen Bezirksvereins Bern<br />
Regio eingereicht werden. Nach Ablauf der<br />
Einsprachefrist entscheidet der Vorstand über<br />
die Aufnahme der Gesuche und über die allfälligen<br />
Einsprachen.<br />
Ärztegesellschaft des<br />
Kantons Luzern<br />
Zur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion<br />
Stadt haben sich gemeldet:<br />
Bernhard Aeikens, Facharzt für Urologie, Theaterstrasse<br />
7, 6003 Luzern<br />
Martin Beck, Facharzt für Orthopädische Chirurgie<br />
und Traumatologie des Bewegungsapparates<br />
<strong>FMH</strong>, Klinik für Orthopädie, Luzerner<br />
Kantonsspital, 6000 Luzern 16<br />
Klaus-Martin Christ, Facharzt für Allgemeine<br />
Innere Medizin und Neurologie, Akutgeriatrie,<br />
Luzerner Kantonsspital, 6000 Luzern 16<br />
Oliver Gautschi, Facharzt für Innere Medizin<br />
und Medizinische Onkologie <strong>FMH</strong>, Luzerner<br />
Kantonsspital, 6000 Luzern 16<br />
Jacqueline Gietz, Fachärztin für Plastische, Rekonstruktive<br />
und Ästhetische Chirurgie <strong>FMH</strong>,<br />
Zentrum für Plastische Chirurgie, Huobmattstrasse<br />
9, 6045 Meggen<br />
Karin Lipp-Meier, Fachärztin für Allgemeine<br />
Innere Medizin <strong>FMH</strong>, Sanacare, Löwencenter,<br />
Zürichstrasse 9, 6004 Luzern<br />
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<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
487
Personalien<br />
<strong>FMH</strong><br />
Laszlo Molnar, Facharzt für Chirurgie sowie<br />
Orthopädische Chirurgie und Traumatologie<br />
des Bewegungsapparates <strong>FMH</strong>, ab 1. 5. 2012<br />
O rthopädische Klinik Luzern AG, St. Anna-<br />
Strasse 32, 6006 Luzern<br />
Susanna Petit, Praktische Ärztin, Hausarztpraxis<br />
der Permanence Medical Center AG, Robert<br />
Zündstrasse 2, 6003 Luzern<br />
Einsprachen sind innert 20 Tagen zu richten<br />
an das Sekretariat, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern<br />
(Fax 041 410 80 60).<br />
Ärztegesellschaft Thurgau<br />
Zum Eintritt in die Ärztegesellschaft Thurgau<br />
haben sich gemeldet:<br />
Christoph Masing, Praktischer Arzt, Übernahme<br />
Praxis Dr. Bötschi in Romanshorn<br />
Daniel Reuss, Facharzt für Allgemeine Innere<br />
Medizin, Medizinisches Zentrum Arbon<br />
Einsprachen gegen die Aufnahmen sind innerhalb<br />
von 10 Tagen seit der Publikation beim<br />
unterzeichneten Sekretariat schriftlich zu erheben.<br />
Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug<br />
Zur Aufnahme in die Ärzte-Gesellschaft des<br />
Kantons Zug als ordentliche Mitglieder haben<br />
sich angemeldet:<br />
Portmann-Imholz Jutta, Fachärztin für Innere<br />
Medizin <strong>FMH</strong>, Mugerenstrasse 62, 6330 Cham<br />
Macak Andrea, Fachärztin für Anästhesiologie<br />
<strong>FMH</strong>, Rigistrasse 1, 6330 Cham<br />
Töndury Bettina, Fachärztin für Dermatologie<br />
und Venerologie <strong>FMH</strong>, Güstrasse 6, 8700 Küsnacht<br />
Einsprachen gegen diese Kandidaturen müssen<br />
innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffentlichung<br />
schriftlich und begründet beim Sekretariat der<br />
Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug eingereicht<br />
werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet<br />
der Vorstand über Gesuche und allfällige<br />
Einsprachen.<br />
Preise / Prix<br />
<strong>Schweizerische</strong> Hirnliga /<br />
Ligue suisse pour le cerveau<br />
Forschungspreis 2012 / Prix de la recherche 2012<br />
Die <strong>Schweizerische</strong> Hirnliga verleiht alle zwei<br />
Jahre einen Forschungspreis für ausserordentliche<br />
wissenschaftliche Leistungen im Be -<br />
reich Hirnforschung. Dieses Jahr geht der mit<br />
20 000 Franken dotierte Preis an Silvio Ionta<br />
und Lukas Heydrich von der Ecole Polytechnique<br />
Fédérale de Lausanne (EPFL) und vom<br />
Universitätsspital Genf. Ihre Studie «Multisensory<br />
Mechanisms in Temporo-Parietal Cortex<br />
Support Self-Location and First-Person Perspective»<br />
liefert eine Erklärung für ausserkörperliche<br />
Erfahrungen.<br />
Tous les deux ans, la Ligue suisse pour le cerveau<br />
décerne un prix de la recherche récompensant<br />
des réalisations scientifiques marquantes<br />
dans le domaine de la recherche sur le<br />
cerveau. Cette année, le prix d’une valeur de<br />
CHF 20 000.– est décerné aux chercheurs<br />
Silvio Ionta et Lukas Heydrich de l’Ecole Polytechnique<br />
Fédérale de Lausanne (EPFL) et de<br />
l’Hôpital Universitaire de Genève, dont l’étude<br />
«Multisensory Mechanisms in Temporo-Parietal<br />
Cortex Support Self-Location and First-Person<br />
Perspective» explique les décorporations.<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13 488
Hausärzte Schweiz<br />
OrganiSatiOnen der ÄrzteScHaft<br />
die fMH sieht in anreizen und finanzierung einen<br />
wesentlichen erfolgsfaktor für die Verbreitung<br />
von eHealth in der Schweiz. deshalb hat sie sowohl<br />
in allen gremien des Bundes als auch im<br />
Koordinationsorgan eHealth Bund-Kantone, sowie<br />
in ihren Stellungnahmen konsequent und mit<br />
nachdruck adäquate anreize und die finanzierung<br />
von eHealth-Leistungen gefordert. Sie hat<br />
auch massgeblich dazu beigetragen, dass eine<br />
vom Bund in auftrag gegebene Begleitstudie (regulierungsfolgenabschätzung)<br />
zum gesetz über<br />
das elektronische Patientendossier (ePdg) Kosten<br />
und nutzen für die praktizierenden Ärzte realistisch<br />
darstellt. die fMH-ag eHealth hat auch<br />
schon vor längerem verschiedene anreizsysteme<br />
mit Vertretern des Bags diskutiert. der Bund erkennt<br />
die notwendigkeit von anreizen zwar sogar<br />
selbst an, beispielsweise in den erläuterungen<br />
zum Vorentwurf für das ePdg. aus sogenannten<br />
«finanzpolitischen gründen» sind aber bisher, leider,<br />
den erkenntnissen noch keine taten gefolgt.<br />
Dr. med. Gert Printzen, Mitglied des <strong>FMH</strong>-Zentralvorstands,<br />
Verantwortlicher Ressort Medizinische<br />
Informatik und eHealth<br />
anschubfinanzierung für eHealth und elektronische<br />
Krankengeschichte ist sinnvoll<br />
rechnung ohne Wirt –<br />
immense Kosten<br />
Heinz Bhend a ,<br />
Gerhard Schilling b<br />
a Fachlicher Leiter Kommission<br />
eHealth Informatik MFE<br />
b Vorstandsmitglied Hausärzte<br />
Schweiz (MFE),<br />
Ressort eHealth-Informatik<br />
Korrespondenz:<br />
Dr. med. Gerhard Schilling<br />
Chlini Schanz 42<br />
CH-8260 Stein am Rhein<br />
Tel. 052 741 36 26<br />
Fax 052 741 39 26<br />
gerhard.schilling[at]hin.ch<br />
Der Bund und andere Interessenten planen die Einführung<br />
eines elektronischen Online-Patientendossiers<br />
(EPD/OPD) und setzen grosse Hoffnungen<br />
darauf. Soeben ist das Vernehmlassungsverfahren<br />
abgeschlossen worden. Die Stellungnahme von<br />
«Hausärzte Schweiz» (MFE) [1] sieht unüberwindbare<br />
Hindernisse und macht konkrete Alternativ-<br />
Vorschläge für ein praktikableres Vorgehen: zuerst<br />
Förderung der elektronischen Dokumentation<br />
(eKG) in den Arztpraxen. Im Folgenden zeigen die<br />
Autoren die immensen Kosten auf, die mit dem<br />
vom Bund und teilweise auch von der <strong>FMH</strong> geplanten<br />
Vorgehen anfallen würden. Im mittelfristigen<br />
Fernziel eines OPD sind wir uns alle aber einig.<br />
Aktuelle Ausgangslage<br />
Die Motion Nationalrätin Edith Graf-Litscher [2] hat<br />
im Wesentlichen die Forderungen der Hausärzte<br />
zu eHealth aufgenommen, wurde vom Bundesrat<br />
akzeptiert und sogar schon vom Nationalrat als<br />
Erstrat angenommen. Die ständerätliche Gesundheitskommission<br />
hat nun – zu unserem Erstaunen –<br />
den ersten Punkt Anschubfinanzierung (Incentives)<br />
für die eKG gestrichen und somit eine<br />
Differenz zum Nationalrat geschaffen. Dies, obwohl<br />
auch die OECD [3] eine Anschubfinanzierung für<br />
die primäre elektronische Dokumentation in den<br />
Arztpraxen (eKG) als unerlässlich bezeichnet.<br />
Wir haben im Rahmen der Vernehmlassung zum<br />
EPDG (Elektronisches Patientendossier-Gesetz) sehr<br />
pointiert Stellung [4] bezogen und stehen als Hausärzte<br />
Schweiz praktisch alleine da als «Gegner» der<br />
Vorlage und somit einer erdrückenden Mehrheit von<br />
Befürwortern gegenüber. Unsere klaren Positionen<br />
haben sicher auch provoziert und zum Teil den Eindruck<br />
erweckt, wir seien a priori gegen ein OPD, hätten<br />
die Wahrheit für uns alleine beansprucht und<br />
seien nicht zu konstruktivem Weitergehen bereit.<br />
Dem ist aber nicht so! Unsere Sichtweise ist geprägt<br />
von der praktischen Umsetzbarkeit in den<br />
Arztpraxen. Im mittelfristigen Fernziel eines OPD<br />
und der Förderung von eHealth sind wir uns alle<br />
einig.<br />
Unsere Beurteilung<br />
Dieser «Abschuss» der Anschubfinanzierung ist aufgrund<br />
der parteipolitischen Zusammensetzung der<br />
Gesundheitskommission nachvollziehbar, aber<br />
entspricht – nach unserer Meinung – einem kurzsichtigen<br />
bürgerlichen Abwehrreflex: nicht mehr<br />
Staat und staatliche Unterstützung, der Markt soll<br />
es richten, andere Dienstleister erhalten auch keine<br />
Unterstützung und müssen ihre IT-Systeme ebenfalls<br />
à jour halten.<br />
Im Gespräch mit Politikern und anderen Sachverständigen<br />
ist uns klar geworden, dass ein wichtiges<br />
Glied in unserer Argumentationskette zu wenig<br />
klar kommuniziert wurde: die Kosten für das OPD.<br />
Dies möchten wir nun nachholen und hoffen, dass<br />
mit der klaren Darstellung der Situation unsere<br />
Schlussfolgerungen nachvollziehbar werden.<br />
Alternative der Anschubfinanzierung<br />
Wir haben nie gesagt, dass das OPD nicht kommen<br />
werde. Nach unserer Überzeugung wird es aber 15 bis<br />
20 Jahre dauern, wenn nicht grundsätzlich Anreizsysteme<br />
etabliert werden. Es ist davon auszugehen,<br />
dass weder die Politik noch die Industrie so lange<br />
warten wollen. Somit ist dies keine ernsthafte<br />
Option.<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
489
Hausärzte Schweiz<br />
OrganiSatiOnen der ÄrzteScHaft<br />
Nehmen wir an, die Infrastruktur für ein OPD sei<br />
da, und nun wartet man auf «Einträge». Allen ernsthaften<br />
Playern ist klar:<br />
– Es braucht eine kritische Masse (80%);<br />
– Die Informationen müssen relevant, zuverlässig<br />
und aktuell sein (Redaktion durch einen Arzt<br />
unerlässlich);<br />
– Eine neue Möglichkeit / Mehrleistung (Patient<br />
Empowerment) wird nicht gratis zu haben sein.<br />
(Da stimmen sicher auch bürgerliche Politiker<br />
zu: Jede Leistung hat einen Preis.)<br />
Das OPD ist ein Novum, eine bewusst gewollte,<br />
neue Möglichkeit im Sinne der Selbstverantwortung<br />
des Patienten. Die Dateneingabe und Pflege<br />
(Redaktion) ist eine neue und zusätzliche Tätigkeit,<br />
die einen erheblichen Mehraufwand darstellt.<br />
Kostenberechnung<br />
Lösen wir uns einmal von der von uns in den Raum<br />
gestellten Forderung, dass zuerst die elektronische<br />
Dokumentation (eKG) in den Arztpraxen breit etabliert<br />
sein müsse und das OPD nur funktioniert,<br />
wenn die eKG Master und das OPD Slave oder Extrakt<br />
sei. Wir nehmen also an, die Einträge im OPD<br />
müssen separat erstellt werden, indem eine Maske<br />
oder ein Formular online ausgefüllt wird. Wie oben<br />
erwähnt, ist es sinnvoll, wenn diese Redaktion<br />
durch einen Sachverständigen gemacht wird. Im<br />
Idealfall ist dies der Hausarzt.<br />
In unseren Praxen haben wir zirka 3500 Patienten<br />
im Patientenstamm (Dauerpatienten, ohne Notfälle).<br />
Auf dieser Zahl basiert nun die folgende Kostenberechnung:<br />
80 % der Patienten sollen ein OPD erhalten, somit<br />
wären 2800 OPDs zu erstellen oder zu redigieren.<br />
Für die Ersteingabe schätzen wir einen Aufwand<br />
von 20 bis 30 Minuten. Diese Zahl ist empirisch und<br />
abgeleitet vom aktuellen Aufwand, wenn wir einen<br />
Patienten einem Kollegen «übergeben» – z. B. infolge<br />
eines Umzugs. Diese Arbeit beinhaltet: Zusammenstellung<br />
der relevanten Vorgeschichte, aktuelle Diagnosen,<br />
aktuelle Laborwerte und allenfalls Laborverlaufsblatt,<br />
aktuelle Medikation, Allergien, wichtige<br />
Dokumente aussortieren, beilegen, Begleitbrief verfassen<br />
usw. – Komplexere Patienten nehmen deutlich<br />
mehr als 30 Minuten in Anspruch, einfachere<br />
entsprechend weniger. Wir rechnen konservativ mit<br />
20 Minuten pro OPD-Ersteintrag.<br />
Damit ergibt sich folgender Zeitbedarf mit den<br />
entsprechenden Frankenbeträgen: 2800 Patienten<br />
(80 % des Patientenstammes) x 20 Minuten x 6000<br />
Hausärzte = 5,6 Millionen Arbeitsstunden. Bei einem<br />
Kostenansatz von 200 Franken pro Stunde wären<br />
dies immerhin 1120 Millionen Franken allein für die<br />
Ersteinträge!<br />
Die wiederkehrenden Anpassungen des OPD<br />
(Änderung der Medikation, neue Dokumente) usw.<br />
sind damit noch nicht berücksichtigt. Wir schätzen,<br />
dass jede dritte Konsultation zu einer Anpassung des<br />
OPD führt, und dies wäre mit einem Aufwand von<br />
5 Minuten zu veranschlagen. Bei jährlich 3000 Konsultationen<br />
wären dies nochmals ca. 80 Stunden pro<br />
Arzt und Jahr, was einem Jahresbeitrag von 96 Millio<br />
nen Franken entsprechen würde (80 x 6000 x<br />
200 Franken).<br />
Nicht nur Kosten<br />
Sogar wenn dieses Geld gesprochen würde, bleibt<br />
die für uns ungelöste Frage: Wie können wir die bis<br />
an die Grenzen belasteten Hausärzte motivieren,<br />
hier einen Zusatzaufwand zu betreiben, von dem<br />
sie keinen unmittelbaren Mehrwert haben? Die Befürchtungen<br />
von Folgeproblemen mit Nachfragen,<br />
Korrektur von Einträgen, juristischen Implikationen<br />
können nicht einfach ignoriert werden. Da<br />
müssten neben Incentives noch diverse Pflöcke eingeschlagen<br />
werden, um die Motivation der Hausärzte<br />
zu erhöhen. Langfristig wird kein Arzt für<br />
diese doppelte Eingabe (eKG und OPD) motivierbar<br />
sein und somit unsere ursprünglich skizzierte Idee<br />
(eKG = Master und OPD = Slave) halt früher oder<br />
später doch wieder im Raum stehen.<br />
Fazit<br />
Die Forderung nach Anschubfinanzierung für die<br />
eKG und Umkehr der Prioritäten war unsererseits<br />
wohl etwas zu wenig klar kommuniziert und nicht<br />
von den Hintergrundüberlegungen begleitet worden.<br />
Wenn jemand aber die Gesamtkostenrechnung<br />
zum OPD unvoreingenommen ansieht, wird<br />
er – wiederum nach unserer Meinung – schnell zum<br />
Schluss kommen, dass eine sinnvolle und massvolle<br />
Anschubfinanzierung zur Förderung der primären<br />
elektronischen Dokumentation in einer elektronischen<br />
Krankengeschichte (eKG) und die automatisierte,<br />
sekundäre Eingabe im OPD der schnellere<br />
und kostengünstigere Weg ist. Wir sind zu konstruktiven<br />
Gesprächen bereit.<br />
Literatur<br />
1 Stellungnahme MFE zum EPDG: www.hausaerzteschweiz.ch/news<br />
2 Motion 11.3034 – E. Graf-Litscher: Förderung und<br />
Beschleunigung von eHealth.<br />
3 Achieving Efficency Improvements in the Health<br />
Sector through the Implementation of Information<br />
and Communication Technologies. Final Report.<br />
OECD; 2010.<br />
4 Bhend H. Zehn Killerkriterien für eHealth.<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung. 2011;92(49):1925–8.<br />
– Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf des<br />
Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier<br />
(EPDG). www.hausaerzteschweiz.ch/News<br />
– Bhend H et al. Positionspapier Online Patientendossier.<br />
PrimaryCare. 2009;9(16): 298–9.<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13 490
SGIM<br />
OrGanISatIOnen der ÄrzteSchaft<br />
Messung der Patientenzufriedenheit<br />
in der arztpraxis – ein zentraler Baustein<br />
Ihrer Qualitätssicherung<br />
Jean-Michel Gaspoz a ,<br />
Romeo Providoli b<br />
a Prof. Dr. med., Präsident SGIM<br />
b Dr. med., Projektleitung SGIM<br />
Vorgeschichte<br />
Die Vereinigung der Zürcher Internisten (VZI) entwickelte<br />
im Jahr 1995 zusammen mit dem Betriebswissenschaftlichen<br />
Institut (BWI) der ETH Zürich in<br />
enger Zusammenarbeit mit Patienten einen Fragebogen<br />
zur Evaluation der Patientenzufriedenheit in<br />
der Arztpraxis. Das Befragungssystem wurde von der<br />
ARPAZ (Arbeitsgemeinschaft Patientenzufriedenheit)<br />
betreut. Die MECON measure & consult GmbH<br />
Zürich, ein führendes Unternehmen im Bereich Zufriedenheitsmessungen<br />
im Schweizer Gesundheitswesen,<br />
war für die Logistik und die statistische Auswertung<br />
zuständig.<br />
2008 übergab die VZI/ARPAZ die Rechte des Fragebogens<br />
an die SGIM.<br />
Im Oktober 2010 begann die Reaktivierung des<br />
Messsystems durch die <strong>Schweizerische</strong> Gesellschaft<br />
für Allgemeine Innere Medizin (SGIM), das nun in<br />
aktualisierter Form verfügbar ist. Die SGIM möchte<br />
damit einen aktiven Beitrag zur Qualitätssicherung<br />
in den Arztpraxen leisten und unterstützt darüber<br />
hinaus die Messungen mit einem namhaften finanziellen<br />
Betrag.<br />
Fragebogen<br />
Die Basis des aktuellen Fragebogens bildet der im<br />
Jahr 1995 vom BWI und der Vereinigung Zürcher Internisten<br />
entwickelte ARPAZFragebogen. Dieser<br />
wurde von der SGIM, zusammen mit der MECON<br />
und interessierten Grundversorgern überarbeitet,<br />
aktualisiert und erweitert. Der Fragebogen ist neu in<br />
allen drei Amtssprachen verfügbar. Eine Befragung<br />
umfasst 150 Fragebogen. Diese Anzahl erlaubt dem<br />
Arzt, eine Befragung mit einem vertretbaren Aufwand<br />
durchzuführen und dennoch bei üblichen<br />
Rücklaufquoten aussagekräftige Resultate zu erhalten.<br />
Gemischtsprachige Sets können auf Wunsch<br />
individuell zusammengestellt werden.<br />
Der standardisierte Fragebogen der SGIM ist in<br />
sechs Themenblöcke gegliedert: ArztPatientenBeziehung,<br />
fachliche Beurteilung des Arztes und des<br />
Praxispersonals, Kommunikation, angeordnete Therapien<br />
bzw. Untersuchungen und Dienstleistungen,<br />
Organisation und Räumlichkeiten. Er umfasst insgesamt<br />
37 geschlossene Fragen, 4 Fragen zur Person<br />
(Soziodemographie) sowie eine offene Frage für Bemerkungen.<br />
Der Fragebogen entspricht den Regeln<br />
der guten Fragebogentechnik: Fragetechnik, Struktur,<br />
Umfang, Verständlichkeit, Inhalt, Aussagekraft.<br />
Ein Abgleich mit den Ergebnissen der Studie von<br />
Matthias Riedel und Peter Neuenschwander [1]<br />
zeigt, dass dieser Fragebogen sämtliche für die Patienten<br />
und damit für Ihre Qualitätsverbesserung in<br />
diesem Bereich relevanten Fragen umfasst.<br />
Der Fragebogen kann als Baustein für weiterführende<br />
Qualitätsmanagementmassnahmen verwendet<br />
werden (z. B. ISOZertifizierung). Dazu kann<br />
Ihnen die SGIM die entsprechenden Kontakte vermitteln.<br />
Ablauf der Befragung<br />
1. Die Anmeldung erfolgt bei der Geschäftsstelle<br />
(GS) der SGIM per Post, Fax oder Online (Anmeldetalon<br />
unter www.sgim.ch → Patientenzufriedenheit).<br />
2. Der Arzt wird in der Geschäftsstelle erfasst.<br />
3. Rechnungsstellung durch GS: Selbstkostenpreis<br />
pro Befragung 1250 Franken (inkl. MwSt.).<br />
SGIMMitglieder bezahlen nur 1000 Franken<br />
(SGIM sponsert 250 Franken). Zurzeit besteht<br />
kein Angebot an industriegesponserten Befragungen.<br />
Beispiele aus dem fragebogen<br />
Korrespondenz:<br />
<strong>Schweizerische</strong> Gesellschaft<br />
für Allgemeine Innere Medizin<br />
SGIM<br />
Postfach 422<br />
CH4008 Basel<br />
Tel. 061 225 93 30<br />
Wie beurteilen Sie die Anzahl der durchgeführten Untersuchungen<br />
(z. B. Laboruntersuchungen, Röntgen, EKG usw.)?<br />
Welchen Eindruck haben Sie von den fachlichen Fähigkeiten<br />
des Praxispersonals?<br />
Die fachlichen Fähigkeiten sind …<br />
Ist die Praxis sauber und hygienisch?<br />
❐ zu wenig<br />
❐ kann ich nicht<br />
❐ genau richtig<br />
beurteilen<br />
❐ zu viel<br />
ungenügend ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ sehr gut<br />
nein, gar nicht ❐ ❐ ❐ ❐ ❐ ja, sehr<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
491
SGIM<br />
OrGanISatIOnen der ÄrzteSchaft<br />
abbildung 1<br />
Ablauf der Befragung.<br />
4. Einzahlung durch den Arzt (1000 oder 1250 Franken).<br />
5. Nach Zahlungseingang meldet die GS der<br />
MECON die teilnehmenden Ärzte und überweist<br />
1250 Franken für jede Anmeldung.<br />
6. MECON verschickt Befragungssets: 150 Fragebogen<br />
mit integrierter Patienteninformation,<br />
150 vorfrankierte Kuverts sowie eine Kurzanleitung<br />
zur Befragung.<br />
7. Der Arzt gibt die Befragungsunterlagen an 150 unselektierte<br />
Patienten ab, die den ausgefüllten<br />
Fragebogen anonym an MECON senden.<br />
8. Der Arzt informiert MECON, sobald er den letzten<br />
Fragebogen abgegeben hat.<br />
9. MECON erstellt die Auswertung und das Zertifikat.<br />
10. Der Arzt erhält die Auswertung und das Zertifikat<br />
innert zwei bis drei Monaten von MECON.<br />
Auswertung<br />
Jeder Arzt erhält eine detaillierte Auswertung der<br />
spezifischen Daten seiner Praxis im Benchmarking<br />
mit den anderen an der Messung teilnehmenden<br />
Arztpraxen. Dies erlaubt eine korrekte Interpretation<br />
der eigenen Resultate. Zusätzlich erhält jeder Arzt<br />
ein Zertifikat.<br />
Ab der zweiten Teilnahme wird ein Zeitvergleich<br />
(Längsschnitt) erstellt. Die Werte früherer Messungen<br />
werden als Säulen hinter den aktuellen Daten<br />
dargestellt. Somit lässt sich der Erfolg eingeleiteter<br />
Massnahmen überprüfen. Anhand der gesammelten<br />
Daten bietet sich die Möglichkeit, allgemein erkannte<br />
Schwachstellen zu eruieren und gezielt zu<br />
verbessern. Auf Anfrage sind individuelle weiterführende<br />
Auswertungen möglich. Eine Musterauswertung<br />
finden Sie unter www.sgim.ch → Patientenzufriedenheit.<br />
Literatur<br />
1 Riedel M, Neuenschwander P. Qualitätstransparenz in<br />
der Hausarztmedizin. Ergebnisse der repräsentativen<br />
Befragung. OnlinePublikation; 2010. www.fmh.ch/<br />
files/pdf4/Schlussbericht_reprsentative_Evaluation.pdf<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13 492
SAMW<br />
Weitere orgAniSAtionen und inStitutionen<br />
Vom umgang mit Sterbewünschen:<br />
«ich möchte sterben» heisst nicht<br />
«ich will mich umbringen»<br />
Daniel Grob<br />
Alte und sehr alte Menschen beschäftigen sich<br />
naturgemäss häufiger mit ihrem eigenen Tod als<br />
junge Menschen; dies besonders, wenn eine akute<br />
gesundheitliche Krise einen schon vorher fragilen<br />
und vulnerablen Körper getroffen hat. Äusserungen<br />
wie «Herr Doktor, ich möchte sterben» oder «Frau<br />
Doktor, lassen Sie mich sterben» sind nicht selten.<br />
Diese hochbetagten, kranken Menschen leiden meist<br />
nicht an primär lebenslimitierenden Erkrankungen;<br />
sie leiden an chronischen Krankheiten und deren<br />
Exazerbationen resp. Folgen von altersbedingten Erscheinungen<br />
(Frakturen nach Stürzen bei Osteoporose;<br />
Delirien bei vorbestehender Hirnerkrankung;<br />
Pneumonie bei COPD, kardialer Dekompensation<br />
Sterbewünsche können hier auch eine versteckte testfrage an den Arzt<br />
sein: Steht er mir bei oder lässt er mich fallen?<br />
Korrespondenz:<br />
Dr. med. Daniel Grob, MHA<br />
Chefarzt Klinik für Akutgeriatrie<br />
Stadtspital Waid<br />
Tièchestrasse 99<br />
CH8037 Zürich<br />
daniel.grob[at]waid.zuerich.ch<br />
bei Herzinsuffizienz, usw.). Zudem sind sie nicht selten<br />
alleinstehend (Partner oder Partnerin verstorben,<br />
die Kinder weit weg, die Freunde oder Freundinnen<br />
häufig auch schon verstorben). Dass in einer solchen,<br />
primär als ausweglos gesehenen Situation ein Sterbewunsch<br />
geäussert wird, ist absolut verständlich.<br />
Was bedeutet aber eine solche Äusserung von<br />
medizinisch nicht am Lebensende stehenden alten<br />
Menschen, und wie gehen wir als Ärztinnen und<br />
Ärzte damit um?<br />
Es ist zunächst Aufgabe des Arztes, die hinter den<br />
geäusserten Sterbewünschen liegenden, sehr vielgestaltigen<br />
Motive alter Menschen zu ergründen.<br />
Sterbewünsche sind oft Ausdruck einer tiefempfundenen<br />
Lebensmüdigkeit (in der Situation des «gelebten<br />
Lebens») bei sehr alten Menschen, die oft fast<br />
alle Freunde und Bekannten verloren haben, und<br />
manchmal – gerade im hohen Alter – auch schon die<br />
eigenen Kinder. Diese Menschen haben im Verlaufe<br />
ihres langen Lebens viele Hochs und Tiefs erlebt und<br />
sind jetzt, in der Situation von akuter Erkrankung<br />
oder Unfall resp. zunehmender Hilfsbedürftigkeit,<br />
konfrontiert mit der eigenen Gebrechlichkeit und<br />
vielleicht mit der Aussicht, nicht mehr gesund und<br />
damit vielleicht auch längerfristig pflegebedürftig zu<br />
werden.<br />
Sterbewünsche können auch Ausdruck einer<br />
Depression sein. Depressionen im Alter sind sehr häufig<br />
und werden nicht selten von den behandelnden<br />
Ärzten verkannt; auch Angehörige depressiver alter<br />
Menschen neigen gerne dazu, depressives Verhalten<br />
(z.B. Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben,<br />
Antriebslosigkeit) als unabwendbares Zeichen des<br />
Alters zu akzeptieren. Sterbewünsche werden von<br />
alten Menschen heute nicht selten begründet mit<br />
einer empfundenen «Nutzlosigkeit», «Wertlosigkeit»<br />
resp. «Belastung der Gesellschaft». Das Denken in<br />
ökonomischen Dimensionen durchdringt heute die<br />
ganze Gesellschaft; Diskussionen um Kosten sind<br />
allgegenwärtig, auch bei medizinischen Entscheidungen.<br />
Wenn alte Menschen sich lediglich noch<br />
als «Kostenfaktor» erleben, ist dies wohl Ausdruck<br />
eines gesellschaftlichen Problems.<br />
die <strong>Schweizerische</strong> Akademie der Medizinischen<br />
Wissenschaften (SAMW) hat 2004 medizinethische<br />
richtlinien zur «Betreuung von Patientinnen<br />
und Patienten am Lebensende» veröffentlicht.<br />
Anfragen an die Zentrale ethikkommission<br />
(ZeK) der SAMW haben gezeigt, dass<br />
in einzelfällen eine nicht vertretbare Praxis der<br />
ärztlichen Suizidhilfe besteht, und zwar teilweise<br />
mit, teilweise aber auch ohne Beteiligung<br />
einer Sterbehilfeorganisation. die ZeK hat dies<br />
zum Anlass genommen, in einer Stellungnahme<br />
auf die in den richtlinien aufgeführten Kriterien<br />
hinzuweisen und die Voraussetzungen für deren<br />
einhaltung zu präzisieren. die Stellungnahme<br />
wurde in der SÄZ nr. 11 vom 14. März 2012 veröffentlicht.<br />
in dieser und einigen folgenden Ausgaben der<br />
SÄZ erscheinen kurze «Standpunkte», welche<br />
die thematik der ärztlichen Suizidhilfe aus einer<br />
i ndividuell-fachlichen Perspektive beleuchten.<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
493
SAMW<br />
Weitere orgAniSAtionen und inStitutionen<br />
Manchmal sind Sterbewünsche aber auch eine<br />
Art von «Kokettieren mit dem Tod»: Die Beschäftigung<br />
mit dem Tod ist im hohen Alter etwas gänzlich<br />
Normales – der geäusserte Sterbewunsch ist in diesem<br />
Kontext die Aufforderung des Patienten, über<br />
Tod und Sterben zu reden. Sterbewünsche können<br />
hier auch eine versteckte Testfrage an den Arzt sein:<br />
Steht er mir bei oder lässt er mich fallen? Habe ich in<br />
ihm einen Verbündeten, der zu mir steht und den<br />
zukünftigen, vielleicht schwierigen Weg mit mir<br />
geht?<br />
Der Umgang mit geäusserten Sterbewünschen<br />
kann damit sehr schwierig sein. Ärzte sind gehalten,<br />
das anspruchsvolle und zeitintensive Gespräch mit<br />
Die persönliche Erfahrung des Autors zeigt, dass<br />
dieser Sterbewunsch (sehr) selten den Wunsch nach<br />
SelbstTötung bedeutet. Er ist zunächst einmal Ausdruck<br />
der aktuellen Beschäftigung mit der eigenen<br />
Endlichkeit resp. dem eigenen Zustand. Wenn der<br />
Arzt hier vorschnell den BarbituratRezeptblock<br />
zückt (im Sinne einer heute modernen, schnellen<br />
Lösung des Problems), würde er oder sie hohe Gefahr<br />
laufen, die Signale des Patienten falsch zu interpretieren<br />
– und damit medizinisch unkorrekt zu<br />
handeln. Der Arzt würde zusammen mit seinem<br />
Patienten Opfer eines (ökonomisierten) Zeitgeistes,<br />
welcher die moderne Medizin zur schnellen Machbarkeit<br />
verdammt.<br />
Problemlösungen zu finden, sich mit dem Patienten auseinanderzusetzen<br />
und mit ihm einen Weg gemeinsam zu gehen, ist eine vornehme<br />
ärztliche Aufgabe – liegt aber möglicherweise quer zum Zeitgeist.<br />
dem Patienten über Tod und Sterben aufzunehmen;<br />
häufig stehen ja auch Entscheidungen bezüglich<br />
weiterer Abklärungen und Behandlungen an.<br />
Solche Entscheidungen bei geriatrischen Patientinnen<br />
und Patienten, insbesondere im Kontext<br />
geäusserter Sterbewünsche, sind nie (!) Einzelentscheide<br />
am Krankenbett – es sind zeit und kommunikationsintensive<br />
Entscheidungsprozesse – nach<br />
Möglichkeit auch unter Einbezug von Angehörigen<br />
und Betreuenden.<br />
Fazit<br />
Ein geäusserter Sterbewunsch eines älteren Patienten<br />
ist zunächst lediglich die Vorstellung, dass er oder sie<br />
sich den Tod als besseren Zustand als das Leben vorstellt.<br />
Die Frage, was hinter dieser Vorstellung steht,<br />
ist sorgfältig zu ergründen.<br />
Viel häufiger werden andere Problemlösungen<br />
den Patientenwünschen gerechter. Diese Problemlösungen<br />
zu finden, sich mit dem Patienten auseinanderzusetzen<br />
und mit ihm einen Weg gemeinsam zu<br />
gehen, ist eine vornehme ärztliche Aufgabe – liegt<br />
heute aber möglicherweise quer zum Zeitgeist einer<br />
effizienten, aber fragmentierten Betreuung.<br />
Beihilfe zum Suizid wird heute (entgegen den<br />
SAMWRichtlinien) auch bei alten Menschen geleistet,<br />
die nicht am Lebensende stehen. Wurde in diesen<br />
Fällen der primär geäusserte Sterbewunsch korrekt<br />
und sorgfältig interpretiert? Oder ist diese Beihilfe<br />
zum Suizid Ausdruck einer vom Patienten<br />
selber vorgenommenen (und vom Arzt geteilten ?)<br />
ökonomischen Wertung seiner gesellschaftlichen<br />
Existenz ?<br />
Gesellschaftliche Probleme lassen sich nicht mit<br />
dem Rezeptblock lösen.<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13 494
säz-podiumsdiskussion<br />
podiumsdiskussion der schweizerischen ärztezeitung in zusammenarbeit<br />
mit der ärztegesellschaft des kantons zürich und dem medizinhistorischen<br />
institut der universität zürich, donnerstag, 19. April 2012, 18.15–20 uhr,<br />
im Gebäude des medizinhistorischen museums, universität zürich<br />
Von der Hierarchie zum Team?<br />
interprofessionalität im<br />
schweizer Gesundheitswesen<br />
Christina<br />
Brunnschweiler<br />
Gabriella Chiesa<br />
Pierre-Alain<br />
Clavien<br />
Gesamtgesellschaftliche, aber auch spezifische Entwicklungen<br />
im Gesundheitssektor stellen seit einigen<br />
Jahren und insbesondere in Zukunft neue<br />
Anforderungen an die Zusammenarbeit der im<br />
Medizinalbereich tätigen Berufsgruppen. Stichworte<br />
dazu sind «demographische Entwicklung»,<br />
«Zunahme chro nischer Krankheiten» oder «Ärztemangel».<br />
Dass die Kooperation zwischen den<br />
unterschiedlichen Berufsgruppen verbessert werden<br />
soll, um eine bessere Versorgung kranker Menschen<br />
zu ermöglichen, ist weitgehend unbestritten. Wenn<br />
es dagegen um die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit,<br />
um Rollenbilder, Zuständigkeiten<br />
und Kompetenzen geht, sind beträchtliche Divergenzen<br />
zu beobachten.<br />
Diskutieren Sie mit<br />
Wo liegen die aktuellen Stärken und Schwächen der<br />
interprofessionellen Zusammenarbeit in unserem<br />
Gesundheitssystem? Welche neuen Formen der Kooperation<br />
sind gefragt, um den zukünftigen Herausforderungen<br />
wirksam zu begegnen? Krankt unser<br />
Gesundheits wesen tatsächlich an einer zu «ausgeprägten<br />
Arztzen triertheit», soll «jedwede Hierarchie<br />
aus der Gesundheitsversorgung entfernt werden», wie<br />
in einem deutschen Grundsatzpapier* diagnostiziert<br />
bzw. gefordert wird?<br />
Der Einbezug des Publikums in die Diskussion ist<br />
zentraler Bestandteil des Konzepts der SÄZ-Podien,<br />
mit denen ein interessanter und konstruktiver Beitrag<br />
zur Debatte aktueller gesundheitspolitischer Fragen<br />
geleistet werden soll.<br />
Hintergrund der Veranstaltung ist die Wanderausstellung<br />
«WHO CARES» im Medizinhistorischen<br />
Museum der Universität Zürich, die sich mit der Geschichte<br />
und Gegenwart des Pflegeberufs in Deutschland<br />
befasst.**<br />
Vor der Podiumsdiskussion findet um 17 Uhr eine<br />
Sonderführung mit Institiutsdirektor Prof. Flurin Condrau<br />
durch die Ausstellung statt.<br />
Maya Shaha<br />
Ernst Gähler<br />
Die Podiumsgäste<br />
Es diskutieren unter der Leitung von säz-Redaktor<br />
PD Dr. rer. soc. Eberhard Wolff, Beauftragter<br />
sonderausstellungen, medizinhistorisches museum<br />
der universität zürich:<br />
– Christina Brunnschweiler, lic. oec. HSG, CEo<br />
spitex zürich Limmat<br />
– Prof. Dr. med. Pierre-Alain Clavien, direktor<br />
klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie,<br />
universitätsspital zürich<br />
– Gabriella Chiesa, eidg. dipl. pharm., Leiterin<br />
innovation Versorgungsmanagement, Css Versicherung<br />
– Dr. med. Ernst Gähler, Vizepräsident der FmH,<br />
Facharzt für Allgemeinmedizin FmH<br />
– Maya Shaha, PhD, RN, wissenschaftliche<br />
m itarbeiterin, direktion pflege, mTT inselspital<br />
Bern, mER, institut universitaire de formation et<br />
de recherche en soins, CHuV Lausanne.<br />
Eberhard Wolff<br />
Die Veranstaltung wird organisiert in Zusammenarbeit<br />
mit der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich<br />
und dem Medizinhistorischen Institut und Museum<br />
der Universität Zürich.<br />
Die Durchführung des Anlasses wird möglich dank<br />
grosszügiger Unterstützung durch Interpharma, den<br />
Verband der forschenden pharmazeutischen Industrie.<br />
Die Verantwortung für Konzept und Inhalt des<br />
Podiums liegt bei der <strong>Schweizerische</strong>n Ärztezeitung.<br />
* www.pflegeportal.ch/<br />
pflegeportal/pub/zusammen<br />
arbeit_aerztlich_nichtaerzlich_866_1.pdf<br />
** www.mhiz.uzh.ch/<br />
departments/Museum/<br />
WhoCares.html<br />
Eintritt frei – Anmeldung erforderlich<br />
die öffentliche podiumsdiskussion mit anschliessendem Apéro findet statt am donnerstag, 19. April 2012,<br />
18.15–20 uhr im Gebäude des medizinhistorischen museums, Rämistrasse 69, zürich (Hörsaal soC 106). der<br />
Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist aber erforderlich. diese kann bis dienstag, 17. April via E-mail<br />
an redaktion.saez[at]emh.ch oder via Fax an 061 467 85 56 erfolgen. Bitte ihren namen und die namen<br />
a llfälliger Begleitpersonen sowie das stichwort «Anmeldung zum säz-podium vom 19. April» angeben. Auch<br />
telefonische Anmeldungen sind vormittags unter 061 467 85 72 möglich.<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
495
edaktion.saez@emh.ch<br />
BRIEFE<br />
Briefe an die SÄZ<br />
Budgetmitverantwortungsverträge<br />
Stellungnahme zum Leserbrief von<br />
M. Romanens in der SÄZ Nr. 11/2012 [1]<br />
Herr Romanens, Sie haben sich die Ethik auf<br />
die Fahne geschrieben. Dann möchte ich Sie<br />
bitten, auch die Fairness zu beachten und<br />
keine manipulativen oder bewusst falschen<br />
Äus serungen zu machen.<br />
Ein Vertrag wird immer zwischen einer Kasse<br />
und einem Ärztenetz, nie mit dem einzelnen<br />
Arzt abgeschlossen, wie Sie fälschlicherweise in<br />
Ihrem Titel schreiben. Dann nehmen Sie aus<br />
der Publikation der CSS einfach die höchste<br />
geschätzte Einsparungszahl. In der gleichen<br />
Tabelle werden die Einsparungen nach der<br />
CSS-Methode nicht auf 23,2 Mio., sondern auf<br />
10,7 resp. 9,1 Mio. geschätzt.<br />
Wie Sie auf diese phantastischen 5,8 Mio. kommen,<br />
die den Netzwerken pro Jahr in die Kasse<br />
gespült werden, ist mit Ihren Zitatangaben leider<br />
nicht nachvollziehbar. Unsere langjährigen<br />
Erfahrungen mit der CSS zeigen ein anderes<br />
Bild. Die Vergütung für die Netzwerkarbeit fällt<br />
wesentlich tiefer aus. Wir waren 2 dieser 6 Ärztenetze<br />
(mediX bern und mediX zürich). In allen<br />
Verträgen zwischen Ärztenetzen und Kassen<br />
sind die Verlust- und Gewinnrisiken limitiert.<br />
Es geht also nie um diese hohen Beträge,<br />
die Sie, Herr Romanens, in Unkenntnis der<br />
Sachverhalte einfach hochgerechnet haben.<br />
Verträge sind grundsätzlich vertraulich. Dass<br />
darin Beiträge an die Praxisinfrastruktur oder<br />
Ähnliches erwähnt werden, ist uns in unserer<br />
14-jährigen Tätigkeit mit Budgetmitverantwortungsverträgen<br />
mit fast allen Kassen (ausser<br />
EKG und Assura) nicht bekannt. Ein Vergleich<br />
mit der Industrie hinkt, weil es hier nicht um<br />
die Gefahr der Bestechung geht, sondern um<br />
einen Budgetmitverantwortungsvertrag, der<br />
den Ärztenetzen volle Freiheit gewährt, wie sie<br />
die Koordination der Behandlung ihrer Patienten<br />
optimieren wollen. Die Vergütungen<br />
werden von den Netzwerken für die Qualitätsarbeit<br />
und Leitung der Netzwerke verwendet.<br />
Ich verweise auf die ausgezeichnete Übersicht<br />
von Jürg Fritschi im Namen von medswiss.net,<br />
die ebenfalls in der SÄZ Nr. 11/2012 erschienen<br />
ist. [2]<br />
Dr. med. Felix Huber, mediX zürich<br />
Dr. med. Adrian Wirthner, mediX bern<br />
1 Romanens M. Geheimvertrag zwischen Kasse<br />
und Arzt. Schweiz Ärztezeitung. 2012;93(11):415.<br />
2 Schweizer Dachverband der Ärztenetze,<br />
medswiss.net. Managed Care – wo stehen wir?<br />
Schweiz Ärztezeitung. 2012;93(11):408.<br />
KVG-Reform Managed Care: Ein Feldexperiment<br />
mit ungewissem Ausgang<br />
Sehr geehrter Herr Kollege Berchtold<br />
Bei der KVG-Reform geht es tatsächlich nicht<br />
um Managed Care (MC) an sich [1], denn<br />
schliesslich lässt das geltende KVG bereits verschiedene<br />
MC-Modelle zu, auch solche mit<br />
Budgetverantwortung. Die Reform will nun<br />
aber planwirtschaftlich den Budgetnetzwerken<br />
einen Wettbewerbsvorteil zuschanzen.<br />
Ver sicherte, die ein anderes MC-Modell wählen<br />
wie z. B. das Hausarztmodell oder die<br />
telefo nische Beratung vor dem Arztbesuch,<br />
oder die an der uneingeschränkten Arztwahl<br />
festhalten, werden im Krankheitsfall mit<br />
e inem höheren Selbstbehalt gebüsst. Diese<br />
Abstrafung wird mit einer verbesserten Kosteneffizienz<br />
im Budgetnetzwerk gerechtfertigt.<br />
Kosteneffizienz heisst weniger finanzieller<br />
Aufwand für ein mindestens ebenbürtiges<br />
Behandlungs ergebnis. Belege hierfür gibt es<br />
nicht. Die Krankenversicherer warnten noch<br />
rechtzeitig vor einer Reduktion des Selbstbehalts<br />
im Bud getnetzwerk, da Einnahmeausfälle<br />
beim Selbst behalt bei gleichzeitig zu<br />
geringem oder fehlendem Einsparpotential zu<br />
einem Prä mien anstieg geführt hätten. Gemäss<br />
dem Gesundheitsmonitor 2011 [gfs Institut<br />
Bern] fordern aber 79 % der Stimmberechtigten,<br />
dass die MC-Vorlage das Prämienwachstum<br />
eindämmt.<br />
Nicht der budgetäre Druck, sondern die Eigeninitiative<br />
der innovativen und kostenbewussten<br />
Grundversorger, die mit elektronischer<br />
Krankengeschichte arbeiten, sich mit eHealth<br />
vernetzen, Disease Management einführen<br />
und sich selbstverständlich kontinuierlich<br />
fortbilden, werden die Behandlungsqualität<br />
kontinuierlich verbessern. Dafür braucht es<br />
eine selbstbewusste, selbstregulierende und<br />
unabhängige Hausarztmedizin, die sich nicht<br />
in der Geiselhaft der Ökonomie und der<br />
Administration befindet.<br />
Sie sind der Meinung, dass eine uneingeschränkte<br />
Arztwahl bei jungen Patienten, bei<br />
einfachen akuten Erkrankungen oder Unfällen<br />
durchaus sein darf. Den älteren, meist<br />
mehrfach chronisch kranken Menschen sprechen<br />
Sie dieses Recht hingegen ab. Wenn sie<br />
sich weigern, einem Budgetnetzwerk beizutreten,<br />
müssen sie eine Busse bezahlen. Die Begründung<br />
stützt sich auf rein theoretische<br />
Überlegungen und es gibt keine vergleichenden<br />
Kosteneffektivitätsstudien, welche diese<br />
Entsolidarisierung legitimiert. Mit Inkrafttreten<br />
des KVG Im Jahre 1996 wurde die Solidarität<br />
durch das Obligatorium und die Einheitsprämie<br />
gestärkt. Diese wird nun über die<br />
Hintertür mit dem differenzierten Selbstbehalt<br />
torpediert. Bereits die Einführung einer<br />
höheren Franchisemöglichkeit hat die Solidarität<br />
geschwächt. Nicht genug, dass der chronisch<br />
Kranke wegen der Minimalfranchise<br />
eine höhere Prämie bezahlt. Jetzt soll er auch<br />
mehr bezahlen, wenn er die freie Arztwahl<br />
nicht aufgibt. Die Wahlfreiheit wird uns nur<br />
noch beim Versicherungsprodukt gewährt,<br />
nicht mehr bei der Wahl des Arztes.<br />
Sie schreiben: «Ob das revidierte Gesetz die erwünschten<br />
Wirkungen ohne grössere Nebeneffekte<br />
bringen wird, erfahren wir nur, wenn<br />
es eingeführt wird.» Die Vorprüfung sei längst<br />
bestanden. Dies ist eine pure Behauptung, die<br />
nicht belegt ist. Wer ja sagt zu dieser Reform,<br />
sagt ja zu einem riesigen Feldexperiment mit<br />
ungewissem Ausgang. Wenn MC mit Budgetmitverantwortung<br />
ein Erfolgsmodell ist, kann<br />
es sich im Markt ohne Begünstigung beim<br />
differenzierten Selbstbehalt auf der heutigen<br />
Gesetzesgrundlage durchsetzen.<br />
Ja, Sie haben Recht: «Denn mit oder ohne<br />
G esetz: Die Integrierte Versorgung ist der<br />
Standard von morgen.» Nur die integrierende<br />
Versorgung braucht nicht zwingende ein Budget!<br />
Dr. med. René Haldemann, Richterswil<br />
1 Vorstand Managed Care. Managed-Care-Vorlage:<br />
Fördert oder behindert sie die Integrierte<br />
Versorgung? Schweiz Ärztezeitung.<br />
2012;93(4):103.<br />
Pflegefachfrauen/-männer in der Praxis<br />
Sehr geehrte Frau Professor Spirig<br />
Mit Interesse las ich Ihre Replik [1] auf den<br />
Artikel von Emil Schalch vom letzten Herbst<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
496
edaktion.saez@emh.ch<br />
BRIEFE<br />
[2]. Aus meiner hausärztlichen Optik (ehemaliger<br />
Talschaftsarzt, heute Hausarzt in einem<br />
ärzteeigenen medizinischen Zentrum in Chur),<br />
brauchen wir breit ausgebildetes (nichtärztliches)<br />
Fachpersonal mit Erfahrung in der Primärversorgung.<br />
Das heisst in erster Linie,<br />
analog zur ärztlichen Schiene in der Primärversorgung,<br />
nicht eine Fragmentierung in fachliche<br />
Spezialisierung, sondern Ausbildung zu<br />
polyvalenten Spezialisten der Primärversorgung.<br />
Die Entwicklung von Curricula für das ärztliche<br />
und nichtärztliche Personal in der medizinischen<br />
Primärversorgung ist eine grosse<br />
Herausforderung! Ein grosses Problem ist die<br />
fehlende Kenntnis von Inhalt und Art der Beanspruchung<br />
der Arbeit im Feld der Primärversorgung.<br />
Es existieren zu diesem Arbeitsfeld<br />
kaum Daten, und es ist daher schwierig<br />
die Inhalte der Aus- und Weiterbildung zu formalisieren.<br />
Ein Ausbildungsgang zur APN müsste sich v. a.<br />
auch aus «der Praxis heraus», d. h. «bottomup»<br />
entwickeln – wie dies in einer modernen<br />
Weiterbildung für Hausärzte auch gilt [3, 4].<br />
Wie Sie richtig schreiben, sollte die «Advanced<br />
Practice Nurse (APN)» eine vertiefte Praxiserfahrung<br />
mitbringen. Das heisst, dass die<br />
Ausbildung auf einem MPA-Abschluss aufsetzen<br />
muss oder das Curriculum zur APN eine<br />
MPA-Ausbildung mit einschliesst. Die Vertiefung<br />
und Erweiterung der klinischen Kenntnisse<br />
und Fertigkeiten sowie der Erwerb weiterer,<br />
in Zukunft v.a. in Grosspraxen dringend<br />
gebrauchter Qualitäten (z.B. Personalführung,<br />
Organisationsentwicklung, Kommunikation,<br />
Administration …) wären möglichst praxisnah,<br />
z.B. auch berufsbegleitend zu erwerben.<br />
Dr. med. Franz Marty, Chur<br />
1 Spirig R. Nurse Practitioner, Medizinische<br />
Praxiskoordinatorin – oder Best Practice für<br />
Patienten? Schweiz Ärztezeitung.<br />
2012;93(8):295–7.<br />
2 Nurse practitioner oder Medizinische Praxiskoordinatorin?<br />
Schweiz Ärztezeitung.<br />
2011;92(43):1665–7.<br />
3 The Danish College of General Practitioners,<br />
www.bibliosgam.ch/pdf/Danish_GP_competences_119_final.pdf<br />
4 Royal College of General Practitioners,<br />
www.rcgp-curriculum.org.uk/extras/curriculum/<br />
index.aspx<br />
Eminenzbasierte Medizin<br />
Sehr geehrter Herr Kollege Brühlmann<br />
Zu Ihrem Aufsatz «Eminenzbasierte Medizin»<br />
möchte ich Ihnen herzlich gratulieren. Elegant<br />
arbeiten Sie heraus, welches doch wohl die<br />
Herausforderung an eine ärztliche Ethik und<br />
damit für «richtiges Handeln» sein dürfte. Ich<br />
teile Ihre Haltung vollumfänglich.<br />
Ich hatte beim Durchlesen Ihres Tribünenbeitrags<br />
mit der wunderbar geführten Klinge<br />
gegen den Primat der «evidenzbasierten Medizin»<br />
einen sehr skeptischen Einfall: Ihre,<br />
unsere, Überlegung scheint so zweifelsfrei richtig,<br />
man wünscht sich doch in seinem Leiden,<br />
seiner Not in erster Linie einen verständnisvollen<br />
und gewissenhaften Ansprechpartner, dass<br />
einem diese Tatsache schon fast verdächtig erscheinen<br />
muss: Ist das denn auch wirklich so,<br />
verhält man sich dementsprechend, drückt<br />
dies wirklich der gegenwärtige gesellschaftliche<br />
Diskurs aus? Bezogenheit, Responsivität<br />
setzen doch von sich her etwas doppelseitiges,<br />
Systemisches voraus. Dies aber ist mit wenigstens<br />
zwei Eigenschaften verbunden: Erstens<br />
wäre die «Eminenz» v.a. eine Haltung, die man<br />
selber nie richtig erreichen könnte, zudem abhängig<br />
von den an uns gestellten Fragen; nun<br />
haben wir zwar gelernt, das Gegenüber zu solchen<br />
anzuhalten, sie auch möglichst treffend<br />
aus ihm herauszuhören, was aber eben in der<br />
Realität nur bis zu einem gewissen Grad gelingt<br />
(und übrigens auch zeit-, tarif- und damit<br />
sozial abhängig ist). Zweitens aber und ganz<br />
besonders wichtig, spielte sich das Ganze auf<br />
einem gegenseitigen Rollenverständnis ab, da<br />
will also einer die Verantwortung wahrnehmen<br />
und die andere sie auch abgeben. Sind<br />
jedoch die Grundlagen für das Bezogen-sein-<br />
Wollen denn auch in unserer Gesellschaft<br />
g egeben, akzeptiert oder sogar bloss schon<br />
wünschbar? Welches ist diesbezügliche gegenwärtige<br />
gesellschaftliche Übereinkunft? Man<br />
schaue sich doch bloss die durchgestöpselte,<br />
am Smartphone hängende, Bevölkerung an,<br />
zwar dauernd auf Kommunikation und Information<br />
aus, Beziehungen allerdings vorzüglich<br />
via sogenannte soziale Netzwerke befriedigend!<br />
Ist das nicht viel eher Verneinung der gegenseitigen<br />
Bezogenheit? Und dann erst noch auf<br />
eine «Eminenz»?! Wenn schon, dann höchstens<br />
«partnerschaftlich», Auge in Auge (oder<br />
bald schon à l’américaine: «Auge um Auge» via<br />
Anwalt). Oder, wie es unser psychologischer<br />
Grossvater S. Freud bezeichnet hätte: Sind wir<br />
bereit, in Leid und Schmerz eine regressive, vielleicht<br />
gar infantile, Rolle zu akzeptieren? Nein, die<br />
Bevölkerung ist aufgeklärt – oder möchte es doch<br />
sein, sehen wir mal von der Flucht aus der Verantwortung<br />
ab, bestimmt zuerst via Google Diagnose<br />
und Therapie selber – oder hält dies wenigstens für<br />
erstrebenswert – und beim Sterben kauft man sich<br />
via Dignitas selber ein, da braucht’s den Arzt oder<br />
die Ärztin bloss noch zur Unterschrift zuerst unter<br />
Ver sicherungszeugnisse und zuletzt Sterbeurkunden!<br />
Lieber Herr Brühlmann, ich hoffe bei diesen<br />
meinen Zeilen ist mir meine eigene Skepsis<br />
ungerechtfertigterweise durchgegangen, möge<br />
dies alles nicht stimmen; aber vielleicht könnten<br />
sich aus diesen Fragen doch ein paar weitergehende<br />
Überlegungen ergeben.<br />
In diesem Sinne noch einmal mit bestem Dank<br />
und freundlichen Grüssen<br />
Dr. med. Rolf Tschannen, Wil,<br />
vor kurzem pensionierter Psychiater<br />
1 Brühlmann T. Eminanzbasierte Medizin.<br />
Schweiz Ärztezeitung. 2012;93(10):387–8.<br />
Eminenz durch Evidenz<br />
Kollege Brühlmann vermutet in seinem Artikel<br />
[1], dass die Hochblüte der evidenzbasierten<br />
Medizin (EBM) vorbei sei und begründet<br />
dies mit der Flut von empirischen Studien<br />
aus selbstdestruktivem Trend, sei es im Sinne<br />
von Metaanalysen-Akrobatik oder statistischer<br />
Orgien. Die einzige Erklärung für diese Aus -<br />
sage des Autoren ist für mich das völlig<br />
unzureichende Verständnis von EBM. Meiner<br />
Ansicht nach stehen wir immer noch am<br />
Anfang einer Verbreitung der EBM. Zweifellos<br />
braucht es die überzeugende ärztliche Persönlichkeit,<br />
welche sich nicht nur auf ein naturwissenschaftliches<br />
Denkmodell abstützt, sondern<br />
das biopsychosoziale Modell (ICIDHoder<br />
ICF-Klassifikation) anerkennt, praktiziert<br />
und sich dabei bewusst ist, dass es in der Medizin<br />
neben der wenigen, aber wichtigen spezifischen<br />
auch viele unspezifische Wirkungen in<br />
einem Heilungsprozess gibt. Die Ärzteschaft<br />
muss selbstverständlich Verantwortung tragen,<br />
in allen Fällen, ob der Patient trotz oder wegen<br />
der Intervention gesund oder eben nicht gesund<br />
wird. Die evidenzbasierte Medizin zeitgemässer<br />
Prägung hat mich gelehrt, diesbezüglich<br />
besser entscheiden zu können. Wir geben<br />
heute (zu) viel Geld aus, wo trotz (unnötiger)<br />
Diagnostik und Interventionen ein gutes Heilungsresultat<br />
entsteht. Alle sind dabei zufrieden,<br />
nicht zuletzt der «Gott in Weiss».<br />
Wenn heute mehr Metaanalysen und randomisierte<br />
Studien auftreten, ist dies nicht Ausdruck<br />
einer sinnlosen ökonomischen Infiltration<br />
der Forscherwelt, sondern ein Hinweis<br />
darauf, dass wir immer häufiger kleine erwartete<br />
Ergebnisunterschiede untersuchen (Stichwort:<br />
Marktverdrängung der Medizinindustrie<br />
beim Vergleich Cholesterinsenker A versus B),<br />
wo der Nutzen sich nicht mehr mit einfacheren<br />
Stu diendesigns und kleinen Fallzahlen statistisch<br />
signifikant nachweisen lässt. Für mich<br />
ist dies ein starkes Indiz für eine Medizin jenseits<br />
der maximalen Nutzengrenze.<br />
Der Ärzteschaft, welche sich dem Primat des<br />
«primum nil nocere» weiterhin zu verschreiben<br />
gedenkt, erwachsen noch jahrelang Herausforderungen<br />
des «Erkenntnisprojektes EBM»,<br />
um liebgewordene, aber bisher nicht hinterfragte<br />
Hypothesen hinsichtlich Gültigkeit in<br />
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BRIEFE / MITTEILUNGEN<br />
der Patientenrealität zu überprüfen. Dabei geht<br />
es vornehmlich um die klinische Relevanz. Die<br />
diesbezügliche «Kompetenzbehörde» ist eine<br />
eminente Ärzteschaft in engem Kontakt mit<br />
ihren Patienten. Auch uns Ärztinnen und Ärzten<br />
an der Front hat die Wissenschaft der klinischen<br />
Epidemiologie mit der EBM-Bewegung<br />
die Instrumente zur Verfügung gestellt. Man<br />
muss sie nur sinnvoll zu nutzen bereit sein.<br />
Dr. med. Luzi Dubs, Winterthur<br />
1 Brühlmann T. Eminenzbasierte Medizin.<br />
Schweiz Ärztezeitung. 2012;93(10):387–8.<br />
Mitspracherecht und Akzeptanz<br />
Richtigerweise hat der Vizedirektor des Bundesamtes<br />
für Sozialversicherungen und Leiter<br />
Geschäftsleitung Invalidenversicherung Stefan<br />
Rittler darauf hingewiesen [1], dass<br />
die Arbeitgeber und die behandelnden Ärzte<br />
noch besser zusammenarbeiten müssen um<br />
mehr Behinderte vermehrt in den Arbeitsprozess<br />
einzugliedern.<br />
Entscheidend ist dabei auch, dass Behinderte<br />
am runden Tisch mitreden dürfen und alle<br />
künftigen Mitarbeiter über ihre Hindernisse<br />
am Arbeitsplatz ins Bild gesetzt werden.<br />
Letztlich setzt eine erfolgreiche Eingliederung<br />
auch noch eine gegenseitige Akzeptanz voraus!<br />
Freundliche Grüsse<br />
Armin Arnold, Köniz<br />
1 Ritler S. Eingliederung ist eine Chance,<br />
Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern.<br />
Schweiz. Ärztezeitung.2012;93(11):409–10.<br />
C’est le ton qui fait la musique<br />
Als Psychiater übe ich mich fleissig im Ausfüllen<br />
von Arztberichten für die Invalidenversicherung.<br />
Dabei stösst mir immer Punkt 1.2<br />
sauer auf; denn nach allen Diagnosen und der<br />
Dauer der Behandlung muss ich das «Datum<br />
der letzten Kontrolle» angeben.<br />
Was sollte ich wohl bei meinen kranken und<br />
leidenden Patienten kontrollieren? Etwa ob sie<br />
Sozialmissbrauch betreiben? Oder ob sie einen<br />
Rückfall machen? Oder zu viel trinken? Oder à<br />
la grecque: ob sie noch am Leben sind und<br />
nicht bloss noch als Rentenbezüger existieren?<br />
Diese Frage nach der letzten Kontrolle ist so<br />
weit entfernt von unserer beruflichen Haltung<br />
und Realität, dass ich sie als Beleidigung unseres<br />
Berufsstandes empfinde. Wir untersuchen<br />
kranke Menschen, wir versuchen, ihr Vertrauen<br />
zu gewinnen und mit ihnen zusammen ihre<br />
Probleme zu besprechen und ihr Leiden zu ertragen<br />
und womöglich zu verbessern. Daher<br />
streiche ich seit Jahren die Frage 1.2 und<br />
schreibe: «Wir kontrollieren keine Patienten;<br />
wir behandeln leidende Menschen.» Aber eine<br />
Reaktion vonseiten der IV ist noch nie erfolgt.<br />
Ich möchte Kolleginnen und Kollegen einladen,<br />
es mir gleichzutun. Unsere Standesvertreter<br />
ersuche ich höflich, bei Gelegenheit von<br />
Gesprächen mit dem BSV auf diesen Missstand<br />
hinzuweisen. Das wird zwar nicht die Welt verändern,<br />
aber es wäre ein kleiner Schritt hin zu<br />
mehr Respekt für unsere kranken Mitmenschen.<br />
Dr. med. Tedy Hubschmid, Bern<br />
Mitteilungen<br />
Facharztprüfungen<br />
Facharztprüfung zur Erlangung<br />
des Facharzttitels Nuklearmedizin –<br />
2. Teilprüfung<br />
Ort: Centre hospitalier universitaire vaudois<br />
(CHUV), 1011 Lausanne<br />
Datum: Freitag, 28. September 2012<br />
Anmeldefrist: 31. Mai 2012<br />
Weitere Informationen finden Sie auf der<br />
Website des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung<br />
AssistenzärztInnen → Facharztprüfungen<br />
Facharztprüfung zur Erlangung<br />
des Facharzttitels Kardiologie<br />
Schriftliche Prüfung<br />
Datum: Mittwoch, 24. Oktober 2012,<br />
8:00–12:00 Uhr<br />
Ort: Inselspital Bern, Auditorium Ettore Rossi<br />
Praktische Prüfung<br />
Datum: Donnerstag, 25. Oktober 2012<br />
Ort: Universitätsspital Basel (deutsch),<br />
CHUV Lausanne (französisch)<br />
Anmeldefrist: 2. September 2012<br />
Weitere Informationen finden Sie auf der Website<br />
des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung<br />
AssistenzärztInnen → Facharztprüfungen<br />
Facharztprüfung zur Erlangung<br />
des Facharzttitels Prävention und<br />
Gesundheitswesen<br />
Ort: Haus der Krebsliga Schweiz,<br />
Effingerstrasse 40, Bern<br />
Datum: Donnerstag, 6. Dezember 2012<br />
Anmeldefrist: 15. Oktober 2012<br />
Weitere Informationen finden Sie auf der Website<br />
des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung<br />
AssistenzärztInnen → Facharztprüfungen<br />
Swissmedic<br />
Sicherheitswarnung betreffend Cristal Face<br />
Dermal Filler des Herstellers<br />
Doctor’s Program Italia S.r.l. und allfällige<br />
andere Produkte<br />
Swissmedic macht darauf aufmerksam, dass<br />
das Produkt «CRISTAL Face» (High purity dermal<br />
filler, LOT.-Nr. CR6-2911/1, Herstelldatum<br />
2011-07, Ablaufdatum 2013-07) des italienischen<br />
Herstellers «Doctor’s Program Italia<br />
S.r.l.» missbräuchlich mit der Kennzeichnung<br />
«CE0297» versehen ist. Sicherheit und Wirksamkeit<br />
des Produktes können nicht beurteilt<br />
werden, wodurch eine potentielle Gesundheitsgefährdung<br />
nicht auszuschliessen ist.<br />
Swissmedic warnt deshalb vor der Anwendung<br />
dieses Produktes.<br />
Gemäss bekannten Distributionspartnern der<br />
Firma Doctor’s Program Italia S.r.l. wurden<br />
diese Produkte in der Schweiz nicht in Verkehr<br />
gebracht. Es ist jedoch nicht auszuschliessen,<br />
dass sie durch Direkt-/Parallelimport trotzdem<br />
in die Schweiz gelangen könnten. Weiterhin<br />
kann zurzeit nicht ausgeschlossen werden,<br />
dass auch weitere LOT-Nummern oder weitere<br />
Produkte (z.B. CRISTAL Body) des gleichen<br />
Herstellers betroffen sind. Zusätzliche Informationen<br />
und Bilder sind auf www.swissmedic.ch<br />
erhältlich.<br />
Herzstiftung Olten<br />
Forschungspreis «Frau & Herz»<br />
Die Herzstiftung Olten hat beschlossen, aus<br />
dem Legat Ida Tanner auch für das Jahr 2012<br />
einen Forschungspreis von 30 000 Franken für<br />
eine Forschungsarbeit auf dem Gebiet Frau<br />
und Herz auszuschreiben. Eingereicht werden<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13 498
edaktion.saez@emh.ch<br />
MITTEILUNGEN<br />
können Forschungsprojekte zum Thema kardiovaskuläres<br />
System und Frau, die bereits angelaufen<br />
oder erst in Vorbereitung sind.<br />
Bewerbungen für den Forschungspreis 2012<br />
müssen bis 10. Juni 2012 eingereicht werden.<br />
Der Beitrag von 30 000 Franken ist als Anschubfinanzierung<br />
gedacht und soll auch mithelfen,<br />
die Erfolgschance bei der Einreichung des Projektes<br />
an andere Institutionen zu erhöhen.<br />
Zudem soll die öffentliche Preisverleihung in<br />
Olten im September 2012 mithelfen, durch ein<br />
nationales Medienecho das Bewusstsein für<br />
Herz- und Kreislaufkrankheiten bei Frauen in<br />
der Schweiz zu erhöhen und auf Defizite in<br />
diesem Bereich aufmerksam zu machen. Mitmachen<br />
können alle Forschungsteams aus der<br />
Schweiz, die in diesem Forschungsbereich tätig<br />
sind oder sein möchten.<br />
Weitere Informationen und detailliertere<br />
Bewerbungsunterlagen erhalten Sie beim Sekretariat<br />
Herzstiftung Olten, Froburgstrasse 1,<br />
4600 Olten oder per E-Mail über: hugo.<br />
saner[at]hin.ch<br />
<strong>Schweizerische</strong> Aerosol<br />
Gesellschaft (SAG)<br />
<strong>Schweizerische</strong>r Aerosol Preis<br />
Dank einer grosszügigen Zuwendung der Swiss<br />
Lung Foundation kann die <strong>Schweizerische</strong><br />
Aerosol Gesellschaft (SAG) jedes Jahr einen<br />
Preis in der Höhe von 10 000 Franken für die<br />
beste wissenschaftliche Publikation auf dem<br />
Gebiet der internationalen Aerosol-Forschung<br />
in der Schweiz ausschreiben. Der Preis wird anlässlich<br />
der Jahrestagung der SAG, die 2012 am<br />
20. November stattfindet, verliehen.<br />
Anforderungen:<br />
Die Arbeit soll in der Regel aus einer schweizerischen<br />
Universität, Klinik oder Forschungsanstalt<br />
stammen, resp. mehrheitlich in der<br />
Schweiz entstanden sein. Das Manuskript kann<br />
in deutscher, französischer oder englischer<br />
Sprache abgefasst sein und muss von einer<br />
peer-reviewed Zeitschrift entweder zur Publikation<br />
akzeptiert oder seit dem 1. Januar 2012 publiziert<br />
sein. Der Preis geht an den Erstautor.<br />
Die Bewerbung umfasst: Nominationsantrag,<br />
Curriculum Vitae mit Publikationsverzeichnis<br />
und Manuskript resp. publizierte Arbeit.<br />
Die Unterlagen sollten bis 31. August 2012 an<br />
folgende Adresse eingereicht werden: Dr. med.<br />
Otto Brändli, Präsident Swiss Lung Foundation,<br />
Hömelstrasse 15, 8636 Wald, E-Mail:<br />
braendli[at]swisslung.org<br />
Krebsliga Schweiz (KLS) /<br />
<strong>Schweizerische</strong> Gesellschaft<br />
für Senologie (SGS)<br />
Qualitätslabel für Brustzentren:<br />
Einreichung von Unterlagen ab 1. April<br />
Die Krebsliga Schweiz (KLS) und die <strong>Schweizerische</strong><br />
Gesellschaft für Senologie (SGS) haben<br />
im Jahr 2011 gemeinsam ein Label für Brustzentren<br />
lanciert. Das Label soll Brustzentren<br />
auszeichnen, die klar definierte Anforderungen<br />
an die Qualität der Behandlung und<br />
Betreuung von Frauen mit Brustkrebs erfüllen.<br />
Grundlage für das Label bildet ein Kriterienkatalog,<br />
der von der SGS erarbeitet worden ist –<br />
basierend auf den Eusoma-Kriterien.<br />
Ab 1. April 2012 können interessierte Zentren<br />
die Unterlagen, die für die Anmeldung zum<br />
Zertifizierungsprozess notwendig sind, bei der<br />
Geschäftsstelle Qualitätslabel einreichen. Letzter<br />
Eingabetermin ist der 31. April 2012.<br />
Alle Dokumente und weitere Informationen<br />
zum Qualitätslabel für Brustzentren sind einsehbar<br />
unter www.krebsliga.ch/q-label. Weitere<br />
Auskünfte erteilt Dr. med. Karin Huwiler,<br />
Wissenschaftliches Sekretariat, Geschäftsstelle<br />
Qualitätslabel, Krebsliga Schweiz, Tel. 031<br />
389 92 83, E-Mail: q-label[at]krebsliga.ch<br />
Briefe<br />
Briefe sind grundsätzlich willkommen und<br />
können veröffentlicht werden, sofern sie<br />
sich inhaltlich und formal innerhalb der in<br />
unserem Kulturkreis üblichen Anstandsgrenzen<br />
bewegen, keine für die Redaktion<br />
erkennbaren Fehlinformationen enthalten<br />
und eine Länge von 2500 Zeichen nicht<br />
überschreiten. Die Redaktion be hält sich<br />
das Recht vor, Auswahl, Kürzungen und<br />
Bearbeitungen vorzunehmen. Seitens der<br />
Redaktion besteht keine Verpflichtung zur<br />
Publikation. Über Briefe wird in der Regel<br />
keine Korrespondenz geführt; insbesondere<br />
muss eine Nichtveröffentlichung<br />
nicht beg ründet werden. Von diesen<br />
Grundsätzen kann ab gewichen werden,<br />
wenn dies der Redaktion angezeigt erscheint.<br />
Das vollständige Manuskript ist an die folgende<br />
Adresse der Redaktion einzureichen,<br />
wenn möglich per E-Mail: Redaktion<br />
Schweize rische Ärztezeitung, EMH <strong>Schweizerische</strong>r<br />
Ärzteverlag AG, Farnsburgerstr. 8,<br />
4132 Muttenz, Tel. 061 467 85 72, Fax 061<br />
467 85 56, E-Mail: redaktion.saez[at]emh.ch.<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13 499
<strong>FMH</strong> SERVICES<br />
Die grösste standeseigene Dienstleistungsorganisation<br />
Redaktionelle Verantwortung: <strong>FMH</strong> SERVICES<br />
Elargissement du réseau de nos sociétés<br />
fiduciaires partenaires dans le canton de Genève<br />
<strong>FMH</strong> Consulting <strong>Services</strong> présente dès le 1 er novembre<br />
2011 un nouveau partenaire en matière de fiduciaire<br />
à Genève.<br />
BonneFouS FiduCiaire ServiCeS Sa est une<br />
filiale de Bonnefous & Cie Sa, fiduciaire familiale<br />
créé en 1934, dans le quartier de Saint-Gervais au<br />
cœur de la ville de Genève.<br />
Trois générations d’experts-comptables et avocats<br />
ont développé des compétences dans les secteurs traditionnels<br />
de la comptabilité, l’audit et la fiscalité,<br />
ainsi que dans des domaines plus spécifiques tels que<br />
le conseil juridique, la gestion d’entreprises, de patrimoine<br />
et d’événements sportifs.<br />
L’expérience accumulée au sein de cette fiduciaire<br />
par le fondateur et les collaborateurs, ainsi que<br />
l’appartenance à un réseau d’auditeurs, fiscalistes et<br />
juristes spécialistes du droit des affaires établis dans<br />
le monde entier, leur permettent de vous offrir des<br />
prestations globales couvrant tant les besoins structurels<br />
de votre entreprise que les questions touchant<br />
à votre patrimoine privé.<br />
BonneFouS FiduCiaire ServiCeS Sa est active<br />
notamment dans les domaines fiduciaires suivants:<br />
– Gestion administrative<br />
– Comptabilité et gestion financière<br />
– Gestion d’entreprises<br />
– Fiscalité<br />
– révision, audit<br />
– expertise comptable<br />
– droit<br />
BonnEFouS FIDuCIaIRE SERVICES Sa<br />
<strong>FMH</strong> Fiduciaire <strong>Services</strong><br />
24, rue du Cendrier<br />
1201 Genève<br />
Tél. 022 731 78 00 Fax 022 731 78 01<br />
www.fmhfiduciaire.ch<br />
Philippe Bonnefous<br />
philippe.bonnefous@fmhfiduciaire.ch<br />
Corinne Dumonthay<br />
corinne.dumonthay@fmhfiduciaire.ch<br />
Madame Corinne Dumonthay et Monsieur Philippe Bonnefous se tiennent à votre disposition pour<br />
toute information.<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
500
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501
Standpunkt<br />
TRIBÜNE<br />
Eine empirische Untersuchung<br />
Risikoselektion in der Grundversicherung<br />
Christian Baumgartner,<br />
André Busato<br />
Korrespondenz:<br />
lic. oec. et cand. med.<br />
Christian Baumgartner<br />
Alte Lützelflühstrasse 26<br />
CH3415 HasleRüegsau<br />
ctba[at]student.unibe.ch<br />
Prof. Dr. André Busato<br />
Institut für Sozial und<br />
Präventivmedizin<br />
Finkenhubelweg 11<br />
CH3012 Bern<br />
abusato[at]ispm.unibe.ch<br />
Einleitung<br />
Mit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes<br />
(KVG) wurde in der Grundversicherung<br />
das Prinzip der Kopfprämie verankert, wonach für<br />
alle erwachsenen Versicherten einer Krankenkasse<br />
dieselbe Prämie gilt (Verbot der Prämiendiskriminierung).<br />
Während die Einnahmen pro Versichertem<br />
demnach fixiert sind, treten hinsichtlich der<br />
ProKopfKosten extreme Unterschiede auf. Dieser<br />
Umstand vermittelt den Versicherern starke finanzielle<br />
Anreize, gesunde Personen aktiv anzuwerben<br />
und kranken Personen den Beitritt zu erschweren.<br />
Dieses Verhalten wird als Risikoselektion [1] bezeichnet<br />
und wurde in der Tagespresse erst kürzlich<br />
wieder im Zusammenhang mit der Vergleichsplattform<br />
comparis.ch thematisiert [2]. Risikoselektion<br />
kann grundsätzlich zur Entstehung grosser, politisch<br />
unerwünschter Prämienunterschiede zwischen<br />
Gesunden und Kranken führen. Entsprechend<br />
stipulierte der Gesetzgeber im KVG einen<br />
Aufnahmezwang, der Krankenversicherer verpflichtet,<br />
Beitrittswillige vorbehaltlos in die Grundversicherung<br />
aufzunehmen [3]. Der Aufnahmezwang<br />
soll verhindern, dass Krankenversicherer infolge<br />
starker finanzieller Anreize den Beitritt kranker Personen<br />
behindern. Inwieweit Krankenversicherer<br />
den erwähnten Aufnahmezwang respektieren, wird<br />
von staatlicher Seite nicht speziell überwacht. Allerdings<br />
würde selbst eine strikte, finanziell aufwendige<br />
Durchsetzung des Aufnahmezwanges Versicherer<br />
nicht daran hindern, weiterhin Prämiengelder<br />
für die Anwerbung Gesunder auszugeben.<br />
Es erscheint daher zielführender, die erwähnten,<br />
im Kopfprämiensystem prinzipiell immanenten<br />
Risikoselektionsanreize zu neutralisieren, bzw. Risiko<br />
selektionsgewinne zu eliminieren. Ein erster diesbezüglicher<br />
Versuch ist der sogenannte Risikoausgleich.<br />
Es handelt sich um einen Umverteilungsmechanismus,<br />
in dessen Rahmen Krankenkassen<br />
mit jungen, durchschnittlich günstigen Versicherten<br />
(gute Risiken) Ausgleichszahlungen an Krankenkassen<br />
mit alten, im Durchschnitt teureren Versicherten<br />
(schlechte Risiken) leisten. Neben dem<br />
Alter werden auch Geschlecht und Wohnort der<br />
Versicherten für die Berechnung der Transferzahlungen<br />
berücksichtigt.<br />
Unter Gesundheitsökonomen ist derweil unbestritten,<br />
dass dieser Risikoausgleich die Effekte der<br />
obgenannten Anreize nur unzureichend reduziert<br />
[4]: So benötigt z. B. ein vermeintlich «günstiger»<br />
Zusammenfassung<br />
Die als «Jagd nach guten Risiken» bezeichnete Risikoselektion<br />
wird in der Tagespresse derzeit wieder<br />
häufiger thematisiert. Zur aktuellen Popularität des<br />
Themas dürfte ein bekannter Internet-Vergleichsdienst<br />
beigetragen haben, der Presseangaben zufolge<br />
unlängst die Weiterleitung bestimmter Offertenanfragen<br />
an einige (hierfür zahlende) Versicherer<br />
verhinderte. Dieses Gebaren ist Ausdruck des<br />
Anreizes, in Versicherungssystemen mit Einheitsprämien<br />
jeweils Gesunde anzuwerben und Kranke<br />
abzuweisen. Während zur Theorie der Risikoselektion<br />
in der Krankenversicherung etliche Publikationen<br />
existieren, standen bislang keine statistisch verwertbaren<br />
Daten zu Art und Ausmass allfälliger Risikoselektion<br />
in der Schweiz zur Verfügung. Ziel der<br />
hier vorgestellten Arbeit war es daher, entsprechende<br />
Daten zu erheben und auszuwerten. Im Mittelpunkt<br />
des Interesses standen dabei einerseits das<br />
Versichererverhalten gegenüber unterschiedlichen<br />
Versichertenpopulationen, (z. B. Antwortzeiten gegenüber<br />
guten versus schlechten Risiken) andererseits<br />
auch die Frage nach Verhaltensunterschieden<br />
zwischen Versicherergruppen (Antwortquoten von<br />
Multikassenkonzernen versus unabhängigen Krankenkassen).<br />
Die Auswertung realer Offertenanfragen<br />
und zugehöriger Antworten zeigt etliche statistisch<br />
signifikante Unterschiede sowohl zwischen guten<br />
und schlechten Risiken als auch zwischen<br />
Versicherergruppen. Es empfiehlt sich, diesen Umstand<br />
bei einer allfälligen Umsetzung der umstrittenen<br />
Managed-Care-Vorlage zu berücksichtigen.<br />
25Jähriger aufgrund einer HIVInfektion eine teure<br />
Dauermedikation. Trotzdem muss seine Krankenkasse<br />
Beiträge in den Risikoausgleich einzahlen, da<br />
25Jährige im Durchschnitt relativ gesund sind. Umgekehrt<br />
erhält ein Versicherer beispielsweise für eine<br />
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510
Standpunkt<br />
TRIBÜNE<br />
75jährige Versicherte auch dann Beiträge aus dem<br />
Risikoausgleich, wenn die Frau gesund ist. (Daran<br />
wird auch der per 1. 1. 2012 geplante Einbezug von<br />
Vorjahresspitalaufenthalten wenig ändern, da ein<br />
HIVPatient bei regelmässiger Medikamenteneinnahme<br />
kaum hospitalisiert werden muss.) So erklären<br />
die bislang im Risikoausgleich berücksichtigten<br />
Faktoren lediglich 20 % der unterschiedlichen individuellen<br />
Gesundheitskosten [5]. Ein effektiver Risikoausgleich<br />
muss daher den individuellen Gesundheitszustand<br />
der Versicherten miteinbeziehen (z. B.<br />
via Medikamentengruppen). Dies ist auch im Hinblick<br />
auf die kürzlich vom Parlament beschlossene<br />
ManagedCareVorlage essentiell: Ohne wirksamen<br />
Risikoausgleich lohnt es sich für Krankenversicherer<br />
bei der Wahl ihrer ManagedCarePartner, primär<br />
Leistungserbringer mit gesundem Patientenstamm<br />
zu berücksichtigen. Dies zwingt wiederum die Leistungserbringer,<br />
Einfluss auf die Zusammensetzung<br />
ihres Patientenstammes zu nehmen bzw. selber Risikoselektion<br />
zu betreiben [6].<br />
Zurzeit fehlen öffentlich zugängliche Daten zu<br />
Ausmass und Art der Risikoselektion. Diesbezügliche<br />
Aussagen haben bislang meist spekulativen Charakter.<br />
Das Ziel dieser Studie ist es, anhand realer Offerten<br />
statistisch belegbare Erkenntnisse zur Risikoselektion<br />
in der obligatorischen Grundversicherung<br />
zu gewinnen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen<br />
dabei Unterschiede im Antwortverhalten der Versicherer<br />
gegenüber unterschiedlichen Interessenten.<br />
Methode<br />
Als private Unternehmen stellen Krankenversicherer<br />
aus Sicht Dritter eigentliche Black boxes dar, deren<br />
interne Abläufe nicht direkt beobachtbar sind.<br />
Ersatzhalber lässt sich die Reaktion der Black box auf<br />
standardisierte Anfragen aufzeichnen. Entsprechend<br />
wurden alle 47 im Kanton Bern tätigen Krankenversicherer<br />
im Oktober und November 2010<br />
mit Offertenanfragen von je 5 «guten Risiken» und<br />
5 «schlechten Risken» beschickt. In den Anfragen<br />
wurden ausschliesslich StandardGrundversicherungen<br />
verlangt. Telemedizin oder Hausarztmodelle<br />
wurden explizit ausgeschlossen. Eingehende<br />
Offerten wurden in Bezug auf folgende (später<br />
erläuterte) Kriterien untersucht:<br />
– Antwortquoten;<br />
– Interne Weiterleitungen innerhalb von Konzernen<br />
mit multiplen Tochterkassen (sog. Multikassenkonzerne);<br />
– Antwortzeiten;<br />
– Offerten für Telemedizin, Hausarzt oder HMO<br />
Modelle;<br />
– Offerte von Zusatzversicherungen und Beilage<br />
von Gesundheitsfragebogen;<br />
– Vergleich erwarteter und offerierter Prämie<br />
Als gute Risiken wurden 5 Männer im Alter zwischen<br />
23 und 26 Jahren mit Franchisen zwischen<br />
1500 und 2000 Franken für die Studie rekrutiert. Als<br />
schlechte Risiken wurden 4 Frauen und 1 Mann im<br />
Alter zwischen 72 und 92 Jahren mit Minimalfranchise<br />
von 300 Franken eingeschlossen. Die gewünschte<br />
Franchisenhöhe dient dabei als Risikosignal.<br />
Der Versand wurde so gestaffelt, dass pro<br />
Woche und Versicherer höchstens zwei Offertenanfragen<br />
eintrafen, da ein gleichzeitiges Eintreffen<br />
vieler inhaltlich ähnlicher Anfragen möglicherweise<br />
aufgefallen wäre. Um die Entdeckungswahrscheinlichkeit<br />
weiter zu reduzieren, wurde das Erscheinungsbild<br />
der Briefe und Umschläge für jeden<br />
Probanden individuell gestaltet. Der Versand wurde<br />
zeitlich so koordiniert, dass Offertenanfragen aus<br />
beiden Risikogruppen jeweils am gleichen Tag verschickt<br />
wurden, was einen Vergleich der durchschnittlichen<br />
Antwortzeiten der beiden Risikogruppen<br />
ermöglicht. Die statistische Analyse unterschiedlicher<br />
Häufigkeiten erfolgt mit dem Fisher<br />
Test. Unterschiedliche Mittelwerte (Antwortzeiten)<br />
werden mit Hilfe von TTests untersucht.<br />
Resultate<br />
Die Ergebnisse der Befragung sind in Tabelle 1 zusammengefasst.<br />
Als signifikant gelten PWerte von<br />
≤0,05, sie sind mit einem Sternchen * gekennzeichnet.<br />
Zu den Punkten 1 bis 3: Die Antwortquote entspricht<br />
dem Verhältnis der Anzahl erhaltener Offerten<br />
zur Anzahl verschickter Offertanfragen.<br />
Zu Punkt 4: Als interne Weiterleitungen gelten<br />
Fälle, in denen Offertanfragen innerhalb von Multikassenkonzernen<br />
zwischen verschiedenen Versicherern<br />
weitergegeben werden. Als interne Weiterleitung<br />
werden alle Offerten gewertet, die nicht vom<br />
angefragten Versicherer, sondern von einem anderen<br />
Mitglied desselben Konzerns stammen.<br />
Zu Punkt 5: Als Antwortzeit ist die Anzahl Tage<br />
zwischen Versanddatum der Offertanfrage und dem<br />
OffertenPoststempel definiert.<br />
Zu Punkt 6: Anzahl der Fälle, in denen statt bzw.<br />
neben der Grundversicherung unverlangte Zusatzversicherungen<br />
offeriert und Gesundheitsfragebogen<br />
beigelegt wurden.<br />
Zu Punkt 7: Vergleich der effektiv offerierten Prämie<br />
mit der auf Basis eines finanziell unabhängigen<br />
Prämienrechners ermittelten «erwarteten» Prämie.<br />
Abweichungen ergeben sich u. a. dann, wenn Versicherer<br />
trotz anderslautender schriftlicher Weisung<br />
Zusatzversicherungen, Hausarzt, HMO oder Telemedizinmodelle<br />
offerieren. Weiter treten Abweichungen<br />
auf, wenn Offertanfragen innerhalb von<br />
Multikassenkonzernen weitergeleitet und von einer<br />
anderen als der angefragten Krankenkasse<br />
beantwortet werden.<br />
Zu Punkt 8: Vergleich der Gesamtantwortquoten<br />
von Multikassenmitgliedern und eigenständigen<br />
Krankenkassen. Die Gesamtantwortquote ist definiert<br />
als Anzahl aller (z. H. guter und schlechter Risiken)<br />
erstellten Offerten im Verhältnis zum Total aller<br />
erhaltenen Anfragen.<br />
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Standpunkt<br />
TRIBÜNE<br />
Tabelle 1<br />
Ergebnisse der Studie nach 9 verschiedenen Kriterien.<br />
1. Antwortquote gute vs. schlechte Risiken: alle Versicherer<br />
Gute Risiken Schlechte Risiken P-Wert<br />
Anzahl Offertanfragen 224 218<br />
Anzahl Antworten 183 172<br />
Anzahl unbeantworteter Anfragen 41 46<br />
Antwortquote in Prozent 81,7 78,9 0,4751<br />
2. Antwortquote gute vs. schlechte Risiken: alle Multikassenkonzerne<br />
Anzahl Offertanfragen 102 93<br />
Anzahl Antworten 68 55<br />
Anzahl unbeantworteter Anfragen 34 38<br />
Antwortquote in Prozent 66,67 59,14 0,3008<br />
3. Antwortquote gute vs. schlechte Risiken:<br />
grösste vier Multikassenkonzerne<br />
Anzahl Offertanfragen 82 75<br />
Anzahl Antworten 52 39<br />
Anzahl unbeantworteter Anfragen 30 36<br />
Antwortquote in Prozent 63,4 52 0,1953<br />
4. Offertenweiterleitung innerhalb von Multikassenkonzernen<br />
Anzahl Offertanfragen an Multikassenkonzerne 102 93<br />
Anzahl interner Weiterleitungen 28 14<br />
Anteil interner Weiterleitungen in Prozent 24,45 15,05 0,0381*<br />
5. Antwortzeit: alle Versicherer<br />
Mediane Antwortzeit in Tagen 4 4<br />
Durchschnittliche Antwortzeit in Tagen 4,75 5,68 0,0001*<br />
6. Zusatzversicherungen und Fragebogen: alle Versicherer<br />
Anzahl Zusatzversicherungen mit Fragebogen 10 2<br />
Anzahl Antworten ohne Zusatzversicherung 173 169<br />
Zusatzversicherungen mit Fragebogen in Prozent 5,46 1,17 0,0367*<br />
7. Differenz von erwarteter und offerierter Prämie: alle Versicherer<br />
Unterschreitung der erwarteten Prämie in CHF 18,75 11,05 0,0397*<br />
8. Gesamtantwortquoten: Multikassen- vs. eigenständige Versicherer Multikassen-Konglomerate Eigenständige Versicherer P-Wert<br />
Anzahl erhaltener Offertanfragen 195 247<br />
Anzahl erstellter Offerten 123 232<br />
Anzahl unbeantworteter Anfragen 72 15<br />
Anteil unbeantworteter Anfragen in Prozent 36,92 6,07 < 0,001*<br />
9. Grundversicherung vs. Hausarzt- / HMO- / Telemedizinmodelle Teuerste 15 Versicherer Übrige Versicherer<br />
Anzahl Offertanfragen 64 291<br />
Anzahl Grundversicherungsofferten 49 263<br />
Anteil Grundversicherungsofferten in Prozent 76,56 90,34<br />
Anzahl HA-/HMO-/Telemedizin-Offerten 9 14<br />
Anteil HA-/HMO-/Telemedizin-Offerten in Prozent 14,06 4,83<br />
Anzahl Mischofferten (Grundvers. UND HA/HMO/TEL) 6 14<br />
Anteil Mischofferten in Prozent 9,38 4,83 0,0079*<br />
Zu Punkt 9: Deutlich wird, wie oft die 15 teuersten<br />
Krankenversicherer trotz anderslautender Anweisung<br />
Sparmodelle (Hausarzt, HMO oder TelemedizinModelle)<br />
offeriert haben. Gesondert aufgeführt<br />
sind sogenannte Mischofferten, in denen<br />
sowohl die verlangte Grundversicherung als auch<br />
ein Sparmodell enthalten war.<br />
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Standpunkt<br />
TRIBÜNE<br />
Diskussion<br />
Obwohl die Antwortquoten der schlechten Risiken<br />
anreizkonform niedriger ausfallen, ist der betreffende<br />
Unterschied statistisch nicht gesichert. Eine<br />
ausgedehnte Risikoselektion durch selektives Ignorieren<br />
schriftlicher Anfragen erscheint vor diesem<br />
Hintergrund unwahrscheinlich. Allerdings fällt auf,<br />
dass der erwähnte Trend zulasten der schlechten<br />
Risiken bei isolierter Betrachtung der Multikassenkonzerne<br />
(Punkt 2) bzw. grössten Multikassenkonzerne<br />
(Punkt 3) stärker zutage tritt. Offen bleibt weiter<br />
die Frage, ob sich im hypothetischen Falle<br />
telefonischer Anfragen (im Gegensatz zur schriftlichen,<br />
d. h. belegbaren Form) dasselbe Bild ergäbe.<br />
Betreffend die Gesamtantwortquoten (Punkt 3)<br />
fällt auf, dass wirtschaftlich eigenständige Versicherer<br />
lediglich 6%, Mitglieder von Multikassenkonzernen<br />
hingegen 36% aller Anfragen nicht beantworten.<br />
Sowohl die niedrigere Gesamtantwortquote als<br />
auch der Umstand, dass mehr als jede fünfte Anfrage<br />
an Mitglieder von Multikassenkonzernen intern weitergeleitet<br />
wird, stützen die These, dass die einzelnen<br />
Mitglieder nicht als wirtschaftlich eigenständige<br />
Akteure agieren. Die Daten weisen vielmehr darauf<br />
hin, dass die Mitglieder sowohl gemeinsames Personal<br />
als auch gemeinsame Infrastrukturen nutzen.<br />
Hinsichtlich der Antwortzeiten (Punkt 5) findet sich<br />
eine statistisch signifikante Differenz zulasten der<br />
schlechten Risiken. Dieser Unterschied wird dahingehend<br />
interpretiert, dass Anfragen guter Risiken<br />
unternehmensintern priorisiert, bzw. die Beantwortung<br />
von Anfragen schlechter Risiken verzögert<br />
wird. Hierbei erhöht die späte Reaktion des einzelnen<br />
Versicherers die Wahrscheinlichkeit, dass der<br />
unerwünschte Interessent sich zwischenzeitlich anderweitig<br />
versichert. Die Häufung der unverlangten<br />
Telemedizin und HMOOfferten zuhanden guter<br />
Risiken (Punkt 9) deutet darauf hin, dass teure Krankenkassen<br />
versuchen, sich mit Hilfe nicht eindeutig<br />
bezeichneter Prämiensparmodelle als günstige Versicherer<br />
zu präsentieren. Multikassenkonzerne verfügen<br />
mit internen Weiterleitungen (zu günstigen<br />
Tochterkassen) über ein weiteres Instrument, sich<br />
gegenüber guten Risiken günstig zu positionieren<br />
(Punkt 4). Entsprechend zeigt sich, dass guten Risiken<br />
(im Vergleich zur erwarteten Prämie) trotz Zusatzversicherungen<br />
tiefere Prämien offeriert werden<br />
als schlechten Risiken (Punkt 7). Bei den erwähnten<br />
Zusatzversicherungen handelt es sich ausnahmslos<br />
um günstige Zusätze (meist unter 10 Franken pro<br />
Monat), mit Hilfe derer sich vor allem Versicherer<br />
aus dem preislichen Mittelfeld im Sinne einer Mehrwertstrategie<br />
zu differenzieren versuchen. So wurden<br />
in erster Linie günstige Auslanddeckungs bzw. Reiseversicherungszusätze<br />
eingeschlossen, von denen<br />
ausschliesslich mobile, d. h. durchschnittlich gesündere<br />
Individuen profitieren.<br />
Fazit<br />
Die erhobenen Daten fördern teilweise signifikante<br />
Unterschiede im Versichererverhalten gegenüber<br />
guten und schlechten Risiken zutage. Dies stützt die<br />
eingangs erwähnte These, wonach der aktuelle Risikoausgleich<br />
keine effektive Neutralisation der<br />
Risikoselektionsanreize erreicht. Hinsichtlich der<br />
Multikassenkonzerne lassen gemeinsames Personal,<br />
gemeinsame Infrastruktur und mutmasslich freier<br />
interner Dokumentenverkehr an der gesetzlich verlangten<br />
bzw. nach aussen behaupteten organisatorischen<br />
Eigenständigkeit ihrer Tochterkassen zweifeln.<br />
Es entsteht hier der Eindruck, dass es sich<br />
hierbei in vielen Fällen nicht um Multikassenkonzerne,<br />
sondern vielmehr um Multimarkenfirmen<br />
handelt, deren einzelne Marken mangels eigener,<br />
dezidierter Ressourcen (Personal, Räumlichkeiten,<br />
Kapital) keinesfalls eigenständig wirtschaftenden<br />
Firmen ent sprechen. Letzteres wäre jedoch nach<br />
Ansicht der Autoren zwingende Voraussetzung für<br />
die Rechtmäs sigkeit unterschiedlicher Prämien innerhalb<br />
eines Multikassenkonzerns. Es fragt sich somit,<br />
ob Multikassenstrategien nicht eine grundsätzliche<br />
Verletzung des Kopfprämiengebots darstellen.<br />
So bleibt zu hoffen, dass die (im Rahmen der ManagedCareVorlage)<br />
vorgesehene Risikoausgleichsreform<br />
in jedem Fall (d. h. auch bei Ablehnung der<br />
Gesamtvorlage) umgesetzt wird und die Ära von<br />
Risikoselek tionsanreizen und Multikassenkonzernen<br />
beendet. Sofern die Vorlage indes angenommen<br />
wird, sollte die darin vorgesehene Vertragsfreiheit<br />
im ManagedCareBereich keinesfalls vor der<br />
Risikoausgleichs reform in Kraft treten. Kassen hätten<br />
ansonsten möglicherweise starke Anreize, Vertragspartner<br />
nicht primär nach deren Effizienz, sondern<br />
nach der Morbidität ihres Patientenstammes<br />
auszuwählen. Zusammenfassend lässt sich sagen,<br />
dass es ohne Risikoausgleichsverfeinerung selbst<br />
marktfreundlichen Akteuren zunehmend schwerfallen<br />
wird, den aktuellen Kassenwettbewerb gegenüber<br />
der Idee einer Einheitskasse zu verteidigen.<br />
Literatur<br />
1 Breyer F et al. Gesundheitsökonomik, 5. überarb. Aufl.<br />
Berlin; 2005. S.273ff.<br />
2 Tagesanzeiger. Krankenkassen sortieren Risikokunden<br />
aus – und comparis hilft ihnen dabei. Ausgabe vom<br />
27.9.2011.<br />
3 Bundesgesetz über die Krankenversicherung KVG<br />
(1994) Art. 4 Abs. 2.<br />
4 Leu RE, Beck C. Risikostrukturausgleich in der Schweiz,<br />
Gutachten zuhanden der Technikerkrankenkasse<br />
Hamburg. Bern/Luzern; 2006.<br />
5 Spycher S, zit. in: Streit um den Topf der Umverteilung.<br />
Der Bund, Ausgabe vom 7.3.2006.<br />
6 Baumgartner C. Aufhebung des Vertragszwangs in<br />
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung:<br />
Voraussetzungen und Umsetzungsvorschläge,<br />
Masterarbeit am Volkswirtschaftlichen Institut<br />
der Universität Bern; 2007.<br />
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Medical Education<br />
TRIBÜNE<br />
Ab Frühjahr 2013 sorgt die Fernuniversität Frauenfeld für 250 neue Studienplätze<br />
Medizinstudium über das Internet<br />
R. Ster, A. Pril<br />
Korrespondenz:<br />
Prof. Dr. med. Ruedi Ster<br />
Fachbereich Medizin der<br />
Fernuniversität Frauenfeld<br />
Schaffhauserstrasse 340a<br />
CH3500 Frauenfeld<br />
ruedi.ster[at]gmx.ch<br />
Ab 1940 stieg die Zahl der berufstätigen Ärztinnen<br />
und Ärzte in der Schweiz exponentiell an. Immer<br />
mehr Medizinstudenten drängten in die überquellenden<br />
Hörsäle. Doch in den 1990er Jahren sorgte<br />
das Damoklesschwert einer medizinischen Überversorgung<br />
für einen Strategiewechsel: mit der Einführung<br />
des Numerus clausus bzw. Eliminationsprüfungen<br />
nach dem ersten Studienjahr, der Verdoppelung<br />
der Regelstudienzeit von drei auf sechs Jahre und<br />
Vorlesungen über medizinische Statistik wurde gezielte<br />
Abschreckungspropaganda gegen die Aufnahme<br />
des Medizinstudiums betrieben – und die<br />
Studentenzahlen in den Folgejahren drastisch<br />
gesenkt.<br />
Seit geraumer Zeit ist jedoch nicht mehr von einer<br />
Ärzteschwemme, sondern von einem bedrohlichen<br />
Ärztemangel die Rede. Während pro Jahr 600<br />
bis 800 junge Mediziner/innen ihre Ausbildung<br />
abschliessen, gehen mehr als 1000 ältere in<br />
Pension. Bereits heute sieht sich die<br />
Schweiz nicht mehr in der Lage, ihren Bedarf<br />
aus eigener Kraft zu decken. Fast die<br />
Hälfte der Ärztinnen und Ärzte in<br />
Schweizer Spitälern kommt aus dem Ausland,<br />
die Mehrzahl von ihnen aus<br />
Deutschland [1]. Verfügen Patienten und<br />
das Schweizer Personal jedoch nicht über<br />
ausreichende Kenntnisse des Schriftdeutschen,<br />
gibt es Kommunikationsschwierigkeiten<br />
– und die Bewältigung des Klinikalltags<br />
wird selbst in der Deutschschweiz zu einem<br />
Problem [2].<br />
Noch prekärer stellt sich die Situation bei<br />
den niedergelassenen Kollegen dar, insbesondere<br />
in den ländlichen Regionen: jeder<br />
zweite praktizierende Allgemeinmediziner<br />
ist über 55<br />
Jahre alt und wird in absehbarer<br />
Zeit seine Tätigkeit<br />
einstellen, während es die<br />
jüngeren Kolleginnen und<br />
Kollegen in die Grossstadt<br />
zieht. Die Autoren einer aktuellen<br />
Studie schätzen, dass es in 30<br />
Jahren nicht einmal mehr 400 niedergelassene Ärztinnen<br />
und Ärzte ausserhalb der Agglomerationen<br />
geben wird und dass bei einem geschätzten Frauenanteil<br />
von 93% die Praxen im Durchschnitt nur<br />
noch zwei Tage pro Woche geöffnet sein werden –<br />
sofern wirksame politische Gegenmassnahmen ausbleiben<br />
[3].<br />
Neben der gezielten Förderung der Hausarztmedizin<br />
drängt sich förmlich die Schaffung zusätzlicher<br />
Studienplätze auf. An den Universitäten stehen<br />
pro Jahr etwa 1050 Medizinstudienplätze zur Verfügung,<br />
zur langfristigen Deckung der medizinischen<br />
Versorgung der Schweizer Bevölkerung bräuchte es<br />
jedoch mindestens 1500. An mangelndem Interesse<br />
der Maturanden scheitert es dabei nicht; im vergangenen<br />
Jahr gab es mehr als 4000 Bewerber. Doch<br />
trotz diverser parlamentarischer Initiativen und<br />
Motionen in den letzten Jahren [4] hat sich bis vor<br />
kurzem wenig in Richtung der ärztlichen Nachwuchsförderung<br />
getan – Gründe dafür sind veranschlagte<br />
Kosten von mindestens 300 Millionen Franken,<br />
um die Studienplatzkapazitäten zu erhöhen, sowie<br />
die Kompetenzverflechtung zwischen Bund und<br />
Kantonen.<br />
Der aktuelle Lösungsvorschlag einer vom Bundesamt<br />
für Gesundheit und der <strong>Schweizerische</strong>n<br />
Universitätskonferenz geleiteten Arbeitsgruppe<br />
kommt nun einem Durchbruch<br />
gleich. Statt der Einrichtung<br />
zusätzlicher Studienplätze an den bestehenden<br />
medizinischen Fakultäten soll<br />
das Medizinstudium zukünftig auch<br />
ausschliesslich über das Internet absolviert<br />
werden können. Die Idee ist nicht<br />
neu, sondern greift auf die Erfahrungen<br />
mit der jüngsten Studienreform in<br />
Finnland zurück (sogenanntes «Finnisches<br />
Modell» [5]). Niemand zweifelt<br />
mehr ernsthaft daran, dass die erforderlichen<br />
Anpassungen des Universitätsförderungsgesetzes<br />
in Kürze die<br />
parlamentarische Hürde nehmen werden,<br />
denn die Kosten für die Einrichtung<br />
des virtuellen Studiums sind vergleichsweise<br />
niedrig. Um Spannungen<br />
zwischen den Universitätskantonen<br />
zu vermeiden, sollen<br />
die<br />
fünf medizinischen Fakultäten<br />
ge meinsam die Verantwortung<br />
für eine befriedigende Ausbildungsqualität<br />
tragen, Praktikumsplätze<br />
einrichten und die Examina abnehmen.<br />
Designier<br />
ter Anbieter des Internetbasierten<br />
Studiums ist die traditionsreiche<br />
und renommierte Fernuni<br />
versität Frauenfeld* [6].<br />
Wird<br />
die Gesetzesrevision wie<br />
geplant im Frühjahr verabschiedet,<br />
können bereits<br />
ab dem Sommersemester<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
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Medical Education<br />
TRIBÜNE<br />
Literatur<br />
1 Kraft E, Hersperger M.<br />
Auch dank Frauen und<br />
Ausländern ist die ärztliche<br />
Versorgung in der Schweiz<br />
garantiert. Schweiz<br />
Ärztezeitung;<br />
2011;92(49):1899–901.<br />
2 Kleist P. «Lost in Translation».<br />
Babylonische<br />
Sprachverwirrung an<br />
Schweizer Spitälern.<br />
Schweiz Ärztezeitung.<br />
2010;91:143–6.<br />
3 <strong>Schweizerische</strong>s Institut für<br />
Demagogie. Die Entwicklung<br />
der Ärztedemographie<br />
zwischen 2010 und 2040.<br />
Zeitschrift für Medizinische<br />
Versorgungsforschung.<br />
2010;5:33A–39A.<br />
4 Motion 08.3608 von<br />
Jacqueline Fehr: «Strategie<br />
gegen Ärztemangel und<br />
Förderung der Hausarztmedizin»<br />
(Oktober 2008),<br />
Motion 10.3886 der<br />
Kommission für Wissenschaft,<br />
Bildung und Kultur<br />
NR: «Bundeskompetenz für<br />
Mindestzahl von<br />
Studienplätzen an<br />
medizinischen Fakultäten»<br />
(Oktober 2010) u.a. www.<br />
parlament.ch<br />
5 Hautamäki T, Pesonen J,<br />
Hämäläinen K. Koirat<br />
kutsuen kulkevat kunnon<br />
vieraat kutsumatta.<br />
Suomen Lääkärilehti.<br />
2008;15:291–8.<br />
6 www.fernuniversitätfrauenfeld.ch<br />
7 Getestet an finnischen<br />
Studenten, haben sich<br />
«Killervirus» (Infektiologie),<br />
«SOS Emergency<br />
Room» (Notfallmedizin)<br />
und «Plagiator II – Fälschern<br />
auf der Spur»<br />
(Wissenschaftsethik) als<br />
didaktisch besonders<br />
wertvoll erwiesen.<br />
* Der «Studienleitfaden<br />
Medizin» der Fernuniversität<br />
Frauenfeld ist als<br />
Download unter www.<br />
fernuniversitaetfrauenfeld.ch/downloads/<br />
Studienleitfaden/<br />
Leitfaden_Medizin<br />
verfügbar.<br />
Moderne Technologie mit raffinierten medizinischen<br />
Apps macht das Studium von zu Hause aus möglich.<br />
Animierte anatomische Modelle und gefilmte chirurgische<br />
Eingriffe unterstützen das räumliche Vorstellungsvermögen.<br />
Hier zwei Studenten beim Auswerten von<br />
Röntgenbildern.<br />
2013 die ersten angehenden Ärztinnen und Ärzte<br />
mit dem Studium beginnen. Wegen begrenzter Serverkapazitäten<br />
muss die Studentenzahl zunächst auf<br />
250 beschränkt werden.<br />
Voraussichtlich werden den InternetStudenten<br />
der Frauenfelder Fernuniversität zwei unterschiedliche<br />
Studiengänge angeboten, die gemäss dem Bolognasystem<br />
entweder nach sechs Jahren mit einem<br />
Master of Advanced Studies in Human Medicine<br />
oder nach drei Jahren mit einem Bachelor in Country<br />
Medicine abgeschlossen werden können. Sobald<br />
unbegrenzt Studienplätze zur Verfügung stehen,<br />
wird für das sechsjährige Studium der Numerus clausus<br />
abgeschafft; bis dahin gilt das Losverfahren, d. h.<br />
sobald es losgeht, entscheidet das Eingangsdatum<br />
der Bewerbung über die Studienplatzvergabe. Die<br />
ersten 50 Bewerber sollen zudem ein iPad mit besonderen<br />
Apps, zum Beispiel mit Computerspielen aus<br />
dem Medizinbereich zur Vorbereitung auf das Studium,<br />
erhalten [7]. Für das verkürzte Studium zum<br />
«Country Doctor» – hier wird an die bis 1995 geltende,<br />
dreijährige Regelstudienzeit für die Humanmedizin<br />
angeknüpft – wird zurzeit über die Erfüllung<br />
von zwei Zugangsbedingungen diskutiert: Erstens<br />
muss der Heimatort der Bewerber in einer<br />
Region liegen, in der Ärztemangel herrscht bzw. absehbar<br />
ist; zweitens müssen die Studienplatzaspiranten<br />
eidesstattlich versichern, sich nach Abschluss ihrer<br />
Aus und Weiterbildung dort einmal niederzulassen.<br />
Sollte sich das Konzept in dieser Form<br />
durchsetzen, gewährt die MigrosGenossenschaft<br />
Sondernutzungsrechte für ihr Motto «Aus der Region<br />
– Für die Region», um das Landarztstudium in<br />
der Schweiz bekannt zu machen.<br />
In Frauenfeld sind die Vorbereitungen bereits<br />
mit Hochdruck angelaufen. Sobald die gesetzlichen<br />
Grundlagen gegeben sind, wird die Fernuniversität<br />
an die Öffentlichkeit gehen und für die neuen Studiengänge<br />
werben. Dann heisst es: «Mit ein paar Mausklicks<br />
zum fertigen Arzt.» Schliesslich ermöglicht<br />
das Internet ganz neue Formen des Lernens: animierte<br />
anatomische Modelle und gefilmte chirurgische<br />
Eingriffe unterstützen das räumliche Vorstellungsvermögen;<br />
an virtuellen Patienten erfolgen die<br />
Anamneseerhebung und das Abhören von Herztönen;<br />
und anhand von Fotos sollen die Studenten lernen,<br />
Fusspilz von einer Schuppenflechte zu unterscheiden.<br />
Da die neuen Ausbildungsformen hohe<br />
EDVtechnische Ansprüche an die Studierenden stellen,<br />
könnten sie zudem der Feminisierung in der Medizin<br />
entgegenwirken – auch wenn «Frauenfeld» etwas<br />
ganz anderes vermuten lässt.<br />
An der Fernuniversität ist man aber der Ansicht,<br />
dass die Ausbildung, insbesondere beim dreijährigen<br />
BachelorStudiengang, von unnötigem Ballast zu befreien<br />
ist. Die Studierenden sollen sich auf relevante<br />
Ausbildungsinhalte konzentrieren, die in der späteren<br />
ärztlichen Praxis auch zur Anwendung kommen.<br />
So wird es nicht als notwendig erachtet, Strukturformeln<br />
auswendig lernen zu lassen; bei Stoffwechselerkrankungen<br />
zum Beispiel genügt das Wissen, dass<br />
sie irgendetwas mit Chemie zu tun haben. Und zur<br />
Diagnose und Behandlung von Bagatellerkrankungen<br />
sollte das vorauszusetzende, durchschnittliche<br />
Allgemeinwissen ausreichen. Allerdings ist es im<br />
Hinblick auf die zukünftige Tätigkeit notwendig,<br />
den Blick auch über den Tellerrand hinaus zu richten.<br />
Für die Ausbildung in Country Medicine macht<br />
es beispielsweise durchaus Sinn, per Video dem TierarztKollegen<br />
bei der Geburt eines Kalbes über die<br />
Schulter zu schauen, um später eine umfassende medizinische<br />
Versorgung zu gewährleisten.<br />
M. Boessinger<br />
Nach dem Hausbesuch bei der Grossmutter wirft der<br />
Doktor noch einen Blick in den Stall. Das Internet-Studium<br />
zum Bachelor in Country Medicine bereitet zukünftige<br />
Ärzte besser auf diese Situation vor.<br />
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Spectrum<br />
TRIBÜNE<br />
Les informations sur<br />
la santé en neuf langues<br />
La Croix-Rouge suisse (CRS) rend ses<br />
informations sur la santé accessibles<br />
à un cercle encore plus large de migrants<br />
et de migrantes: le site migesplus.ch<br />
est désormais disponible en<br />
neuf langues, soit six de plus qu’auparavant!<br />
migesplus.ch est une plate-<br />
forme regroupant des brochures, des<br />
dépliants, des guides et d’autres supports<br />
en différentes langues sur des<br />
sujets liés à la santé. La traduction<br />
en six nouvelles langues de ce site va<br />
permettre de toucher un cercle<br />
élargi de migrant-e-s. Outre les trois<br />
langues officielles en Suisse, migesplus.ch<br />
est désormais disponible en<br />
albanais, en anglais, en bosniaque/<br />
croate/serbe, en espagnol, en portugais<br />
et en turc. Ainsi, les principales<br />
langues parlées par les migrant-e-s<br />
en Suisse sont désormais couvertes.<br />
(CRS)<br />
AEPS-Preis für betriebliche<br />
Gesundheitsförderung<br />
Drei Schweizer Unternehmen erhalten<br />
die Auszeichnung «Gesundheit<br />
im Unternehmen» der Schweizer<br />
Sektion der Europäischen Vereinigung<br />
für die Förderung der Gesundheit<br />
(AEPS). Gewinner sind die Genossenschaft<br />
Migros Luzern, die ein<br />
umfassendes Programm zu Stärkung<br />
des Rückens der Mitarbeitenden<br />
umsetzt, die Résidence Bellerive<br />
dank ihrer Massnahmen zur Burnout-Prävention<br />
sowie Implenia, die<br />
ihre Mitarbeitenden zum Thema<br />
A lkoholkonsum sensibilisiert. Der<br />
mit insgesamt 25 000 Franken dotierte<br />
Preis wird gemeinsam von<br />
G esundheitsförderung Schweiz und<br />
der Suva vergeben.<br />
(Gesundheitsförderung Schweiz)<br />
club minu: Hilfe für übergewichtige Kinder<br />
Übergewichtige Jugendliche haben es in unserer<br />
auf Schlanksein getrimmten Welt nicht leicht.<br />
Der club minu, das Therapieprogramm von Migros-Kulturprozent,<br />
bietet Unterstützung auf dem<br />
Weg zum Wohlfühlgewicht. Im club minu treffen<br />
sich 11- bis 18-Jährige und ihre E ltern oder Bezugspersonen<br />
während neun Monaten alle zwei<br />
Wochen in Zürich. Eltern und Kinder werden<br />
d afür sensibilisiert, die Bewegungs- und Ernährungsgewohnheiten<br />
zu verändern. Höhepunkt ist<br />
das 14-tägige Sommerlager, in dem die Jugendlichen<br />
gemeinsam einkaufen, kochen und sich täglich<br />
bewegen; sei es beim Walken, im Schwimmbad<br />
oder auf dem Velo. Das The rapieprogramm<br />
übernimmt in der Regel die Grundversicherung<br />
der Krankenkasse. Interessenten sind gebeten,<br />
sich rasch anzumelden: www.minuweb.ch<br />
(Migros-Kulturprozent)<br />
Inselspital lanciert «Präventionspass» für Frauen<br />
Ein Dokument, das den Überblick über sämtliche<br />
Vorsorge-Untersuchungen für Frauen ab 40 bietet:<br />
der Präventionspass.<br />
Sie müssen draussen bleiben: Im Sommerlager des<br />
club minu lernen übergewichtige Kinder, ihre<br />
Ernährungsgewohnheiten umzustellen.<br />
Vorsorge-Untersuchungen gibt es viele, besonders<br />
bei Frauen über 40. Erfolgt ein Teil der Untersuchungen<br />
beim Hausarzt, ein anderer Teil aber im<br />
Spital, so geht schnell der Überblick verloren. Die<br />
Frauenklinik des Inselspitals Bern hat daher den<br />
«Präventionspass» eingeführt. PD Dr. Petra Stute<br />
vom Menopausezentrum sah dringenden Handlungsbedarf:<br />
«Bei den Konsultationen wird viel<br />
Zeit für das Zusammentragen der Vorsorgetermine<br />
und -ergebnisse verwendet. Um diese Zeit besser<br />
für das eigentliche Beratungsgespräch zu nutzen,<br />
hatte ich die Idee, ein Dokument zu entwerfen, in<br />
dem Frauen und Ärzte alle Untersuchungen und<br />
Ergebnisse auf einen Blick sehen können.»<br />
(Inselspital)<br />
Eurokey – la clé pour plus d’autonomie et d’indépendance<br />
Il existe aujourd’hui en Suisse plus de 1200 bâtiments<br />
et installations publiques sans obstacles.<br />
Chaque année, environ 120 nouveaux objets s’y<br />
ajoutent. Ces installations (toilettes, ascenseurs,<br />
monte-escaliers, etc.) sont protégées par le système<br />
eurokey et accessibles gratuitement aux détenteurs<br />
d’une clé de ce type. La nouvelle application<br />
GPS-Tracks pour smartphones permet de localiser<br />
les emplacements eurokey lorsqu’on est en<br />
déplacement. En 2000, pro infirmis a repris la direction<br />
et la coordination de cette prestation destinée<br />
aux personnes handicapées et, depuis, le<br />
nombre d’installations n’a cessé d’augmenter. Sur<br />
le site www.eurokey.ch, on trouve le répertoire des<br />
installations (à consulter ou à télécharger), le formulaire<br />
de commande de la clé et la liste des services<br />
de distribution agréés.<br />
(pro infirmis)<br />
Avec une clé eurokey, les installations publiques<br />
sans obstacles sont accessibles gratuitement aux<br />
handicapés. Avec une nouvelle application pour<br />
smartphones on peut les trouver facilement.<br />
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516
Begegnung mit …<br />
Horizonte<br />
… Jonathan Spycher, Chefarzt orthopädie am Spital interlaken<br />
«Ja, ich bin ein Knochenschlosser»<br />
Daniel Lüthi<br />
Text und Bilder<br />
danielluethi[at]gmx.ch<br />
«Alpines Notfallzentrum»: So heisst dieses Spital,<br />
und der Name ist Programm. Interlaken ist vom<br />
beschaulichen Ort für betagte Wanderer zum pulsierenden<br />
Zentrum für junge Adrenalin-Junkies<br />
geworden, die hiesige Medizin hat sich den modernen<br />
Freizeitaktivitäten angepasst.<br />
Speed-Sport und die Folgen<br />
Canyoning, Bungee- oder Basejumping, Gleitschirmfliegen<br />
und Extremklettern sind Kicks im<br />
Sommer, jetzt im Winter wird geboardet oder gecarvt,<br />
was das Zeug hält – oder eben nicht hält. Je<br />
schöner das Wochenende für die Touristen aus nah<br />
und fern, je mehr Arbeit für Jonathan Spycher und<br />
seine Crew. «Wir behandeln über 10 000 Notfälle<br />
pro Jahr, in Spitzenzeiten 40 pro Tag, das sind bis<br />
zu 15 Operationen täglich für das gleiche Team.»<br />
Lange Arbeitstage sind das. «80 Wochenstunden<br />
sind gerade in Spitzenzeiten wie jetzt normal.»<br />
Manchmal landen zwei Helikopter gleichzeitig,<br />
zum Teil auch mit Schwerverletzten. «Schwere<br />
Monotraumata sind bei uns häufig. Ein Knie, eine<br />
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517
Begegnung mit …<br />
Horizonte<br />
Schulter, ein Sprunggelenk – sie sind oft so richtig<br />
kaputt, wenn sie zu uns kommen, ‹Speed-Sport› bedeutet<br />
eben vielfach ‹Hochenergie-Unfall›. Für uns<br />
heisst das: Vieles ist akut, also unplanbar, und das<br />
Resultat ist abhängig von qualitativ hochstehenden<br />
Leistungen.» Mit anderen Worten: Je komplizierter<br />
und komplexer ein Fall, umso herausfordernder und<br />
reizvoller ist er für den Orthopäden.<br />
Jonathan Spycher erinnert sich an einen 28-jährigen<br />
Motorradfahrer: «Eine drittgradig offene Knie-<br />
Luxation und am gleichen Bein eine zweitgradig<br />
offene Unterschenkelfraktur, dazu später ein Infekt –<br />
das bedeutete für uns eine siebenstündige Nachtschicht.<br />
Nach gut einem Jahr sah ich den Mann<br />
wieder. Alles funktionierte super; so etwas macht<br />
extrem Freude.» Seine Arbeit bezeichnet Spycher als<br />
«unglaubliches Privileg» und «grosse Leidenschaft».<br />
«Ich sehe ein Problem und löse es zuerst im Kopf.<br />
Das ist die intellektuelle Herausforderung. Am Tisch<br />
im Operationssaal werden Kopf und Hand dann zu<br />
einer Einheit.»<br />
«80 Wochenstunden sind gerade in<br />
Spitzenzeiten wie jetzt normal.»<br />
Aller Sorgfalt zum Trotz: Fehler können immer<br />
passieren. Spycher steht ohne jegliches Zögern dazu,<br />
dass auch bei ihm nicht immer alles rund läuft.<br />
Rund 500 Hüftprothesen hat er in den vergangenen<br />
5 Jahren eingesetzt, eine davon sprang kurz nach der<br />
Operation aus der Pfanne. «Für mich war das eine<br />
Riesen-Niederlage. Der Hüftschaft war um 20 Grad<br />
verdreht, und ich weiss noch heute nicht, wie das<br />
passieren konnte. Ich habe mich bei der Patientin<br />
sofort entschuldigt, und wir operierten ein zweites<br />
Mal – diesmal ging es problemlos.»<br />
Der Schlosser<br />
Die Faszination für das Technische kommt bei<br />
Spycher nicht von ungefähr. Denn dieser Arzt ist<br />
gelernter Handwerker. Nach der obligatorischen<br />
Schulzeit absolvierte er bei der Von Roll AG in Bern<br />
eine Lehre als Konstruktionsschlosser. Da ging es<br />
um groben Stahlbau: Rohre für Wasserwerke, Krane,<br />
Seilbahnen, Schienen und Weichen. Spycher lernte<br />
schweissen und schmieden, ausbrennen, abkanten<br />
und abwinkeln. «Es war eine schwere und rauhe<br />
Arbeit. Jahrelang studierte ich an meiner Zukunft<br />
herum. Als ich 22-jährig war, setzte ich mich an<br />
einem Samstagmorgen hin und plante mein Leben.<br />
Ich wollte nicht mehr mit Stahl, sondern mit Menschen<br />
arbeiten.» Auf dem zweiten Bildungsweg<br />
machte Spycher die eidgenössische Matura. Dann<br />
studierte er Medizin, wechselte von der toten zur<br />
l ebendigen Materie, wurde vom Konstruktions-<br />
Jonathan Spycher<br />
Dr. med. Jonathan Spycher wurde 1967 im<br />
k leinen Busch-Dorf obura in Papua-neuguinea<br />
geboren. Seine eltern waren dort evangelische<br />
Missionare. Als er 15 war, kam er mit seinem<br />
Bruder zurück in die Schweiz. in Bern besuchte<br />
er die 9. Klasse, dann absolvierte er bei der<br />
Von roll AG – unter anderem im Seilbahn-,<br />
M aschinen- und Schienenbau – eine Lehre als<br />
Konstruktionsschlosser. eine Weltreise führte<br />
ihn dann u. a. nach Australien, wo er das<br />
P rivatpilotenbrevet machte. zurück in der<br />
Schweiz, arbeitete er in Hindelbank in einer<br />
Firma, die Gasverbrennungsanlagen herstellte.<br />
Auf dem zweiten Bildungsweg machte Spycher<br />
die eidgenössische Matura, 1992 bis 1998 studierte<br />
er in zürich Medizin. Seine Weiterbildungsjahre<br />
führten ihn durch die ganze<br />
Schweiz. Wichtige Stationen waren das tiefenauspital<br />
Bern, das Kantonsspital Freiburg und<br />
das Universitätsspital Genf. 2005 legte er die<br />
Facharztprüfung orthopädie und traumatologie<br />
des Bewegungsapparates ab. Seit 2007 ist<br />
er in diesen Disziplinen Chefarzt im Spital interlaken.<br />
zusammen mit seinen zwei Kindern<br />
(8- und 2-jährig) und seiner Frau lebt er in<br />
U nterseen bei interlaken – ganz in der nähe<br />
des Spitals, in dem er arbeitet.<br />
zum Knochenschlosser. Laien brauchen den Begriff<br />
wie selbstverständlich. Ist er für den Spezialisten<br />
eine Beleidigung? «Nein, ganz im Gegenteil, eher<br />
eine Ehre! Ja, ich bin ein Knochenschlosser.»<br />
Der Manager<br />
Aber Spycher ist auch Chefarzt. Und hat damit<br />
noch ganz andere Aufgaben, Personalmanagement<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13 518
Begegnung mit …<br />
Horizonte<br />
zum Beispiel. «Ich pflege einen partizipativen Führungsstil<br />
mit flachen Hierarchien, lasse viele mitreden<br />
und höre ihnen zu. Ich glaube, dass ich gutmütig<br />
bin, manchmal vielleicht zu gutmütig. Nur<br />
etwas ärgert mich: der Kostendruck im Gesundheitswesen<br />
und der Machtkampf in den Spitälern<br />
zwischen Verwaltung, Direktion und Ärzteschaft.<br />
Wer die Hauptleistung erbringt, hat am wenigsten<br />
zu sagen. Diese Diskrepanz macht mich grantig.»<br />
Dazu kommt der Druck der Patienten mit ihren Erwartungen.<br />
Und, last but not least, die Familie mit<br />
ihren legitimen Ansprüchen, die allzu oft zu kurz<br />
kommen. Kurz: «Wir Spitalärzte sind wie in einem<br />
Schraubstock.»<br />
Nach all den Stunden am Operationstisch warten<br />
auf dem Tisch im Büro die Papierstapel. Jonathan<br />
Spycher macht keinen Hehl daraus: Dieser Teil<br />
seiner Arbeit gefällt ihm am wenigsten, bringt ihn<br />
manchmal sogar ins Zweifeln. «Es gibt viele Widerwärtigkeiten,<br />
die mit meinem klinischen Hintergrund<br />
nichts zu tun haben. Es weht ein starker Gegenwind.<br />
Die Empathie und die eigentliche ärztliche<br />
Kunst des Heilens drohen verloren zu gehen. Aber<br />
ich will nicht einfach ein Zahnrad in einem Getriebe<br />
sein. Sollte der Druck einmal grösser werden als die<br />
Freude – ja dann müsste ich mir halt etwas Neues<br />
überlegen.»<br />
Fast wehmütig schweift der Blick jetzt nach<br />
draus sen, wo es leise schneit. Und dann auf den<br />
Computerbildschirm, wo ein kleines, exotisches<br />
«Wer die Hauptleistung erbringt, hat am wenigsten<br />
zu sagen. Diese Diskrepanz macht mich grantig.»<br />
Dorf in einer grünen Landschaft zu sehen ist. Dort,<br />
im östlichen Hochland von Papua-Neuguinea, ist<br />
dieser Mann aufgewachsen, hat er die ersten rund<br />
15 Jahre seines Lebens verbracht. Es gab dort eine<br />
Sanitätsstation, geleitet von einer deutschen Krankenschwester.<br />
«Die war super», erinnert sich Spycher,<br />
«sie machte alles, von der Wundversorgung bis<br />
zur Geburtshilfe.» Brandwunden, Arbeitsunfälle und<br />
Verletzungen aus Stammeskriegen waren häufig. Ein<br />
archaischer Ort. Welcher Kontrast zur hiesigen Welt!<br />
«Dort hatten wir nichts – aber konnten alles<br />
machen. Und hier hat man so unglaublich viel, ist<br />
aber gleichzeitig unglaublich eingeschränkt.»<br />
Die Sehnsucht<br />
Pidgin spricht Spycher noch, die Stammessprache<br />
Tairora hat er vergessen. Geblieben ist ihm vor<br />
allem die Sehnsucht. Der Traum, einmal Arzt in<br />
Afrika zu sein. Es ist der Traum vom einfachen<br />
Leben und der einfachen Medizin. Geträumt in<br />
e iner Hightech-Welt, wo junge Menschen von<br />
Felsen springen, um das Leben zu spüren.<br />
Ben kommt ihm in den Sinn, ein junger Base-<br />
Jumper, den er mal zusammengeflickt hat. Später<br />
fand ihn Spycher im Internet, auf der sogenannten<br />
«Fatality-List». «Dort stehen die Namen von denen,<br />
die in den Tod sprangen. Ben war auch darunter. Das<br />
beschäftigt mich schon. Aber ich akzeptiere den<br />
Lauf der Natur.»<br />
Die Adrenalin-Junkies verurteilt Spycher nicht.<br />
Denn im Herzen ist er selber ein Abenteurer. Gross<br />
geworden in einer Gegend, wo sich Häuptlinge mit<br />
Äxten und Pfeilen bekämpften und es einst sogar<br />
Menschenfresser gab. «Als Kind wollte ich Kriegsoder<br />
Katastrophenchirurg werden.» Als Jugendlicher<br />
wollte er auswandern. In Australien machte er das<br />
Privatpilotenbrevet und kam dann, als das Geld ausging,<br />
via China und Russland zurück in die Schweiz.<br />
Im Militär war er bei den Grenadieren. Und auch in<br />
der Freizeit sucht er manchmal die Action, in einer<br />
Felswand zum Beispiel. Interlaken ist für ihn auch<br />
deshalb ein guter Ort, «nur habe ich fast keine Zeit<br />
mehr für Freizeitaktivitäten». Das ist ein roter Faden<br />
im Leben dieses Orthopäden – und etwas auch, was<br />
ihn mit vielen seiner Patienten verbindet: «Ich war<br />
immer risikofreudig, unsichere Situationen faszinieren<br />
mich seit jeher.»<br />
Wobei «unsicher» keineswegs «unruhig» bedeutet.<br />
Im Gegenteil. «Je hektischer es hier wird, desto<br />
ruhiger und fokussierter werde ich. In aller Seelenruhe<br />
geht es besser und meistens auch am schnellsten.»<br />
Die nächste «Begegnung mit …»<br />
Am ende jeden Monats stellt die <strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung eine Persönlichkeit vor, die sich im<br />
Gesundheitswesen engagiert. im April schildert Daniel Lüthi seine Begegnung mit Andreas oesch, Gefäss-Chirurg,<br />
Krampfadern- bzw. Venenspezialist, Berner Chansonnier.<br />
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zu guter letzt<br />
Die Wahrheit an der Wand*<br />
Rouven Porz<br />
Kürzlich habe ich an einer Konferenz teilgenommen.<br />
Siebzehn Power-Point-Präsentationen in fünf<br />
Stunden. Zwischen Stunde vier und fünf begann<br />
mein Nacken zu schmerzen. Ich sass eingekesselt<br />
zwischen 150 Teilnehmern ziemlich weit unten in<br />
einem Hörsaal und musste immer ziemlich weit<br />
hochschauen, um die Präsentationen vorne an der<br />
Wand über den Vortragenden sehen zu können.<br />
Auch die Redner vorn schauten nicht das Publikum<br />
an, sondern drehten sich immer so halb um, weg<br />
vom Publikum, hin zur Wand, um die über ihren<br />
Köpfen thronende Power-Point-Präsentation jeweils<br />
kommentieren zu können. Etwas erschlagen verliess<br />
ich nach den fünf Stunden den Hörsaal, mittlerweile<br />
war der Projektor ausgeschaltet, und die grosse,<br />
weisse Wand vorne wirkte auf einmal ganz friedlich.<br />
Keine Methodik-Slides mehr, keine bahnbrechenden<br />
Resultate, keine Grafiken und Illustrationen, keine<br />
Evidenzen mehr, nur noch einfache, weisse Fläche.<br />
Etwas benebelt von den siebzehn Präsentationen<br />
hatte ich plötzlich das Gefühl, dass die Wand ziemlich<br />
stolz sein müsste, schliesslich hatte sich auf<br />
ihrem Rücken heute Nachmittag die gesamte Wahrheit<br />
der aktuellen medizinischen Forschung abgespielt.<br />
«Sie meinen, an der Wand wäre die Wahrheit zu sehen, das reale leben,<br />
aber in Wirklichkeit sehen sie nur Projektionen der Wirklichkeit.»<br />
* Inspiriert durch das<br />
holländische Buch «De<br />
Waarheid op de Wand» von<br />
Hub Zart, Van Tilt; 2010.<br />
** Dr. phil., dipl. biol. Rouven<br />
Porz ist Leiter der Ethikstelle<br />
des Inselspitals in Bern,<br />
Gastwissenschaftler im<br />
Institut für Biomedizinische<br />
Ethik in Zürich, Generalsekretär<br />
der European<br />
Association of Centres of<br />
Medical Ethics (EACME) und<br />
Mitglied der Redaktion Ethik<br />
der SÄZ.<br />
rouven.porz[at]saez.ch<br />
Am nächsten Tag war ich in einem der umliegenden<br />
Spitäler zu einem Morgenrapport eingeladen.<br />
Die Ethikkommission dort sollte mithelfen, schwierige<br />
Entscheidungsmöglichkeiten für oder gegen<br />
einen Therapieabbruch bei einem jungen Patienten<br />
möglichst fair und transparent mit ethischen Argumenten<br />
zu unterlegen. Die verantwortlichen Ärzte<br />
waren anwesend, das Pflegeteam, Sozialarbeiter und<br />
Psychologen. Grosse Erwartungen lagen auf der<br />
Ethikkommission. Ich selbst war nur als Gast eingeladen,<br />
und ich verfolgte die Ausführungen zu dem<br />
Patientenfall an der weissen Wand rechts über dem<br />
Computer in dem viel zu kleinen Besprechungsraum.<br />
Bildgebende Diagnostik des Gehirns, Labordaten<br />
und Krankheitsverläufe wurden an die Wand<br />
geworfen. Plötzlich entbrannte ein kurzer Disput<br />
über die Bedeutung eines der Gehirnbilder. Wild gestikulierend<br />
zeigten zeitgleich sechs Personen auf die<br />
Wand – und diesmal tat mir die weisse Wand fast<br />
leid, sie konnte die Anwesenden nicht recht überzeugen,<br />
die Wahrheit war heute Morgen scheinbar<br />
nicht auf der Wand zu finden.<br />
Ich verliess das Spital, den Nacken vom Vortag<br />
noch immer schmerzend. Die Sonne schien hell,<br />
und ich schaute etwas schmerzverzerrt nach oben in<br />
den Himmel. Ich musste schmunzeln und an Platon<br />
denken: Der Blick zur Sonne ist nicht immer<br />
schmerzfrei. Einer der Oberärzte sah mich so dastehen,<br />
kam lachend zu mir und fragte: «Herr Porz,<br />
was machen Sie noch hier, geniessen Sie die Sonne?»<br />
«Ich musste gerade an das Höhlengleichnis von<br />
Platon denken», sagte ich und schämte mich gleichzeitig<br />
für diese wohl befremdlich klingende Antwort.<br />
Er schaute etwas verdutzt, antwortete dann aber sehr<br />
schnell und ernsthaft. «Platon? Der alte griechische<br />
Philosoph? Schüler von Sokrates und Lehrer von<br />
Aristoteles?»<br />
«Ja genau. Kennen Sie das Höhlengleichnis?»<br />
«Ja, das habe ich in der Schule gelesen. Das Höhlengleichnis<br />
ist doch eine Metapher, in der es darum<br />
geht, für sich selbst herauszufinden, wo die wirkliche<br />
Wahrheit liegt, die wirkliche Erkenntnis. Es geht<br />
doch um so eine eingekesselte Anzahl von Menschen,<br />
die in einer Höhle sitzen, angebunden, und<br />
immer nach vorne auf eine Wand starren. Sie meinen,<br />
an der Wand wäre die Wahrheit zu sehen,<br />
das reale Leben, aber in Wirklichkeit sehen sie nur<br />
Projektionen der Wirklichkeit. Platon sagt, diese<br />
Leute müssten sich aus ihrer eigenen engen Höhle<br />
befreien und sie müssten die Höhle verlassen, hoch<br />
an die Sonne klettern, um das wirklich Gute – die<br />
wirkliche Realität – erkennen zu können. Die Projektionen<br />
seien nicht die Wirklichkeit. So ungefähr,<br />
oder?»<br />
«Ja, so ungefähr, genauer kann ich mich gerade<br />
auch nicht erinnern.»<br />
«Aber Herr Porz, wie kommen Sie auf das Höhlengleichnis?<br />
Was hat das mit uns hier zu tun?»<br />
«Ich hoffe, nichts, ich hoffe, gar nichts.»<br />
Rouven Porz**<br />
Editores Medicorum Helveticorum<br />
<strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2012;93: 13<br />
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ANNA<br />
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