BRENNPUNKT ARZNEI - Kassenärztliche Vereinigung Hamburg
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Seite 2 KVH • aktuell Nr. 4 / 2010<br />
Editorial<br />
Depressive Erkrankungen nehmen zu<br />
Sind in jedem Fall Arzneimittel nötig?<br />
Dr. med. Wolfgang LangHeinrich<br />
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,<br />
der Verordnungszuwachs der Antidepressiva gegenüber dem Vorjahr liegt bei<br />
6%, in der Gruppe der SSRI und SSNRI bei jeweils 9%. Duloxetin – Cymbalta ® ,<br />
ein SSNRI –, liegt mit einem Zuwachs von 12% mittlerweile auf Platz 28 der<br />
Präparateliste.<br />
Liegt aber bei jeder Depression die Notwendigkeit einer Arzneimitteltherapie<br />
vor?<br />
Nach der aktuellen nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ weisen<br />
Antidepressiva bei der Behandlung der leichten Depression keinen besseren Effekt<br />
als Placebo auf. Generell sollten hier keine Antidepressiva zur Erstbehandlung<br />
eingesetzt werden. Nur bei anhaltenden bzw. sich verstärkenden Beschwerden ist<br />
ggf. eine Therapie mit Antidepressiva zu überlegen.<br />
Bei der mittelgradigen bis schweren Depression sind Antidepressiva nur bei<br />
10% bis 30% der Patienten – in erster Linie bei Patienten mit schwerer Depression<br />
– besser wirksam als Placebo. Viel zu wenig werden bei diesen Patienten die Psychoedukation<br />
und Psychotherapie genutzt. Die sofortige Behandlung mit einem Antidepressivum<br />
ist nach den Leitlinien nur bei schweren Depressionen unumgänglich.<br />
Die Behandlung mit Antidepressiva soll nach zwei bis drei Wochen eine eindeutige<br />
Besserung bringen. Wenn nicht, ist die Therapie durch Erhöhung der Dosis des<br />
Antidepressivums bzw. Wechsel auf ein anderes Präparat modifizieren.<br />
Alle Antidepressiva besitzen vergleichbare antidepressive Wirkung und unterscheiden<br />
sich nur bezüglich Nebenwirkungen und Interaktionspotential.<br />
Daher sind die tri- und tetrazyklischen Antidepressiva (TZA) bzw. nichtselektiven<br />
Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (NSMRI) und selektiven Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren<br />
(SSRI) nach wie vor als Mittel der ersten Wahl zur Therapie der<br />
Depression zu sehen.<br />
Die neueren Gruppen wie Monoaminoxidaseinhibitoren, SSNRI (Venlafaxin,<br />
Duloxetin), selektive Noradrenalinrückaufnahmeinhibitoren / NMRI (Reboxetin),<br />
Alpha2-Rezeptorantagonisten (Mianserin, Mirtazapin), selektiver Noradrenalin- und<br />
Dopamin-Rückaufnahme-Hemmer (Bupropion) und Melatonin-Rezeptor-Agonist<br />
und Serotonin-5-HT2C-Rezeptor-Antagonist (Agomelatin) sind meist wesentlich<br />
teurer als die vielen vorhandenen Generika der NSMRI und SSRI.<br />
Bei den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSNRI) ist<br />
das am häufigsten verordnete Duloxetin (Cymbalta ® ) rund dreimal teurer als eines<br />
der preisgünstigen, vergleichbaren Venlafaxingenerika.<br />
Fazit: Die Therapie einer Depression kann schwierig, vielfältig und unübersichtlich<br />
sein, ist sie aber auch immer rational und wirtschaftlich?<br />
Ihr