Archivnachrichten Nr. 36 , MÃ¤rz 2008 - Landesarchiv Baden ...

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Nachkriegszeit – die Dinge in den Akten Manche Dinge, so scheint es, kommen nie in die Akten. Andere nur zu bestimmten Zeiten. Die Jahre nach 1945 waren so eine Zeit, in der Dinge in den amtlichen Unterlagen erscheinen, die dort sonst keine Rolle spielen. Schreibmaschinen, Nähmaschinen, Stühle, Bettgestelle und Matratzen bevölkern die Akten ebenso wie Herde, Radios, Bügeleisen und Socken. Es waren die Jahre der Ernährungsund Wirtschaftsämter, die die Verteilung von Brennstoffen, Kleidung und Nahrungsmitteln zu organisieren hatten. Diese Ämter hatten Erfahrung: Während des Kriegs eingerichtet, machten sie 1945 einfach weiter. Die Ämter führten Listen der Dinge und Listen der Leute, die sie erhalten sollten. Sie waren in diesen Jahren schwierig zu führen, weil alles in Bewegung war: Soldaten, Kriegsgefangene, Displaced Persons, Ostflüchtlinge, Evakuierte. Andere Listen verzeichneten die NSDAP-Funktionäre und -Parteimitglieder, Angehörige von SA und SS. Im Juni 1945 brauchte man sie in Wertheim, weil die Belasteten Kleidung und Schuhe für die alliierte Militärkommission sammeln mussten. 35 Anzüge waren gefordert, 700 Taschentücher, 300 Handtücher, 150 Paar Frauenstrümpfe und 259 Socken. Am zweckmäßigsten bestellt der Herr Bürgermeister die ehemaligen Zellenleiter der früheren Partei zur Sammlung, da diese die einzelnen Familien durch ihre Tätigkeit am besten kennen (StAW S Akten II Nr. 1940). Wer ans Amt schreibt, wahrt die Form. Ein Vertriebener aus Mähren, nach der Ausweisung mit Frau, Schwiegermutter und 4 Kindern im Taubertal untergekommen, stellte einen Antrag auf ein Bügeleisen: Infolge Flucht konnte das Bügeleisen nicht mitgenommen werden. Es ist aber ein Bügeleisen für eine solche große Familie unbedingt erforderlich, zumal in der Landwirtschaft sooft gewaschen und gebügelt werden muß (StAW S O 13 Nr. 133). Nähmaschinen und Schreibmaschinen vagabundierten, sie gingen verloren und tauchten anderswo wieder auf, manche waren gar herrenlos. Mit Beschreibungen und Schriftproben versuchten ihre Besitzer, wieder in den Besitz verloren gegangener Exemplare zu gelangen. Ein Wertheimer Verzeichnis ausgegebener Leihgegenstände führt in der Rubrik Schreibmaschinen als Empfänger unter anderem auf: den Gewerkschaftsbund, die SPD, die Militärregierung Tauberbischofsheim, das Arbeitsamt, das Gymnasium und die Spruchkammer (StAW S Akten II Nr. 1941). 1 26 Archivnachrichten 36 / 2008
Auf den Listen mit den ausgegebenen Leihgegenständen finden sich Öfen, Kochplatten, Kochherde, zahlreiche Matratzen sowie Bettstellen. Für Matratzen wurden eigene Sammlungen durchgeführt. Margarethe Waigand hatte im Sommer 1945 eine Matratze abgegeben. 1946 fragte sie an, wann sie die Matratze zurück bekäme – die Soldaten seien ja nun weg. Unter dem Motto Lumpen her, wir schaffen Kleider fand im April 1946 in der amerikanischen Zone eine Lumpensammlung statt (StAW S Akten Nr. 1940). Wer mitmachte, konnte bei einer Auslosung in Karlsruhe Preise gewinnen. Diese Preise klingen schon nach dem, was später kommen sollte: Unter anderem winken ein Eigenheim im Werte von 10 000 Reichsmark, ein Bausparvertrag im Werte von 2000 Reichsmark. Robert Meier 2 1 | Kampf um die Dinge: Plünderung eines auf der Tauber liegenden Schiffs. Vorlage: Landesarchiv StAW A 57 II 0025-00-101 2 | Eine Underwood-Schreibmaschine. Vorlage: Landesarchiv StAW S Akten II Nr. 398 Archivnachrichten 36 / 2008 27
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