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Herausgeber Amt für Wald, Natur und Landschaft des

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Umgang mit <strong>Natur</strong>gefahren<br />

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Impressum<br />

<strong>Herausgeber</strong> <strong>Amt</strong> <strong>für</strong> <strong>Wald</strong>, <strong>Natur</strong> <strong>und</strong> <strong>Landschaft</strong> <strong>des</strong> Fürstentums Liechtenstein, Vaduz<br />

Autoren Jürg Zürcher, Stephan Wohlwend<br />

Gestaltung/Satz Grafik, Sabine Bockmühl, Triesen<br />

Druck Gutenberg AG, Schaan<br />

© AWNL, Juli 2006


<strong>Natur</strong>gefahren<br />

im Fürstentum Liechtenstein<br />

Das Leben der Menschen <strong>und</strong> deren Güter werden seit jeher durch <strong>Natur</strong>gefahren<br />

beeinträchtigt. Während vielerorts klimatische Extremsituationen, Erdbeben oder Vulkanausbrüche<br />

zu den wichtigsten Gefahren zählen, bilden in unseren Gebirgslagen<br />

die Prozesse Rutschungen, Hochwasser, Rüfen, Steinschlag <strong>und</strong> Lawinen die wichtigsten<br />

Bedrohungen. Schadenereignisse, wie wir sie in den vergangenen Jahren<br />

mehrmals erlebten, machen uns bewusst, wie klein wir Menschen gegenüber diesen<br />

<strong>Natur</strong>gewalten sind <strong>und</strong> wie beschränkt die Auswahl der Mittel ist, um uns davor zu<br />

schützen.<br />

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Oben:<br />

Blockschlag Oberplanken 1996<br />

Rechts:<br />

Rheintalseitige Hanglagen<br />

oberhalb Schaan <strong>und</strong> Vaduz.<br />

Mühleholz- <strong>und</strong> Quaderrüfe<br />

durchqueren den breiten<br />

Schutzwaldgürtel.


Bisheriger Umgang<br />

mit <strong>Natur</strong>gefahren<br />

l<br />

Die ehemaligen Siedler konnten den Gefahrenstellen weitgehend ausweichen. Mit<br />

dem Anwachsen der Bevölkerung <strong>und</strong> der Intensivierung der <strong>Landschaft</strong>snutzung ergaben<br />

sich jedoch zunehmend Konflikte. Insbesondere während der letzten Jahrzehnte<br />

führten die Bevölkerungszunahme, die Ausdehnung der Siedlungen, Industrie- <strong>und</strong><br />

Gewerbeareale, die ständige Wertsteigerung <strong>des</strong> Bodens , die Verkehrszunahme mit<br />

gleichzeitiger Verdichtung <strong>des</strong> Strassennetzes, nicht zuletzt aber auch die Vielfalt an<br />

Freizeitaktivitäten, welche sich auf einem grossen Teil der Lan<strong>des</strong>fläche abspielen, zu<br />

einem enormen Anwachsen <strong>des</strong> Schadenpotenzials <strong>und</strong> der Schutzbedürfnisse. Die<br />

derzeitige Klimaerwärmung beeinflusst die Aktivität der Gefahrenprozesse zusätzlich<br />

<strong>und</strong> wird die Gefahrensituation zukünftig noch verschärfen.<br />

Oben:<br />

Lawinenereignis Malbun 1999. Zerstört resp.<br />

beschädigt wurden diverse Ferienhäuser mit<br />

einer Schadensumme von ca. CHF 6 Mio.<br />

Links:<br />

(Liecht. Volksblatt, 25. Januar 1951):<br />

Bereits 48 Jahre früher ereignete sich ein<br />

vergleichbarer Lawinenabgang mit einer<br />

damals auf CHF 80 bis 100‘000.– geschätzten<br />

Schadensumme. Das enorme Anwachsen<br />

<strong>des</strong> Schadenpotenzials innerhalb dieses<br />

Zeitraums wird aus dem Vergleich der<br />

Schadensummen ersichtlich.


Der Mensch strebt, auch wenn er sich als Einzelner zunehmend risikoreicheren Vergnügen<br />

hingibt, nach Sicherheit. Deshalb wurde schon seit langer Zeit durch das Meiden<br />

gefährdeter Areale sowie die Durchführung technischer <strong>und</strong> forstlicher Massnahmen<br />

die Gefährdung reduziert. Bei der Realisierung dieser Schutzvorkehrungen orientierte<br />

man sich ursprünglich in erster Linie an eingetretenen Schadenereignissen: Mit den<br />

auszuführenden Verbesserungen sollten sich derartige Schäden in Zukunft nicht<br />

wiederholen können. Präventive Massnahmen folgten erst punktuell. Systematische<br />

zukunftsgerichtete Gefahrenbeurteilungen wurden in Liechtenstein ab 1972 <strong>für</strong> Lawinen<br />

durchgeführt.<br />

l <br />

Oben:<br />

Verkehr früher: Holztransport<br />

mit «Schlosserchara»<br />

(Foto Josef Eberle, Triesenberg)<br />

Rechts:<br />

Strassendorf Triesen 1946<br />

(Aufnahme Foto Gross AG, St.Gallen)<br />

Oben:<br />

Verkehr heute:<br />

Überfüllter Parkplatz<br />

beim Erholungsgebiet «Kleinsteg»<br />

Rechts:<br />

Flächige Überbauung von Triesen 2001


Heutiger Umgang mit <strong>Natur</strong>gefahren<br />

l<br />

Das rasant angewachsene Schadenpotenzial, die steigenden Ansprüche an Mobilität<br />

<strong>und</strong> Kommunikation sowie die deutliche Abnahme der Risikotoleranz der Bevölkerung<br />

führen zu einem gesteigerten Schutzbedürfnis. Finanzielle, ökologische, landschaftsschützerische<br />

<strong>und</strong> auch technische Gründe lassen jedoch die Realisierung von<br />

Schutzverbauungen nur in beschränktem Ausmass zu. Wohl oder übel werden wir<br />

daher auch in Zukunft mit den <strong>Natur</strong>gefahren leben müssen.<br />

Um mit dieser Situation umgehen zu können, wurde eine neue Strategie entwickelt:<br />

An die Stelle einer reinen Gefahrenabwehr tritt ein neuer, verantwortungsbewusster<br />

Umgang mit den <strong>Natur</strong>gefahren, eine neuzeitliche Risikokultur. Diese basiert auf<br />

folgenden Kernfragen:<br />

• Was kann überhaupt passieren?<br />

• Was darf nicht passieren? Oder andersherum gefragt :<br />

Was kann zugelassen werden?<br />

• Was ist folglich zu tun?<br />

Auf diese Fragestellungen soll im Folgenden eingegangen werden.<br />

Links:<br />

Gr<strong>und</strong>lawinen fördern die Erosion durch<br />

Abschälen der Bodenoberfläche<br />

Rechts:<br />

Heute verwendeter Integraler Risikoansatz,<br />

welcher die <strong>Natur</strong>gefahrenproblematik aus<br />

ganzheitlicher Sicht betrachtet (Darstellung<br />

Planat, 2005)<br />

Vorsorge<br />

• Organisation<br />

• Mittelplanung<br />

• Einsatzplanung<br />

• Ausbildung<br />

• Warnung<br />

• Information<br />

Prävention<br />

Massnahmen:<br />

• Raumplanerische<br />

• Baulich-technische<br />

• Biologische<br />

Vorbeugung<br />

Ereignis<br />

Regeneration<br />

Einsatz<br />

• Alarmierung<br />

• Rettung<br />

• Schadenwehr<br />

• Info/Verhaltensanweisungen<br />

Bewältigung<br />

Instandstellung<br />

• Provisorische<br />

Instandstellung<br />

• Versorgung<br />

• Endsorgung<br />

• Transportsysteme<br />

• Kommunikation<br />

Wiederaufbau<br />

• Def. Instandstellung<br />

• Rekonstruktion<br />

• Erhöhung der Widerstandsfähigkeit


Was kann passieren?<br />

l <br />

<strong>Natur</strong>gefahrenkartierung<br />

Links:<br />

Anriss einer Hangmure,<br />

Burkat, Triesenberg 1995<br />

Rechts:<br />

Geomorphologische Kartierung.<br />

Rutschgebiet Triesenberg-Triesen<br />

Um die Beantwortung dieser Frage zu ermöglichen, wurde im <strong>Wald</strong>gesetz von 1991<br />

sowie in der entsprechenden Verordnung von 1995 die Schaffung einer lan<strong>des</strong>weiten<br />

<strong>Natur</strong>gefahrenkarte gefordert. Als erster Schritt dazu wurde in Zusammenarbeit<br />

mit Fachleuten der Eidg. Forschungsanstalt <strong>für</strong> <strong>Wald</strong>, Schnee <strong>und</strong> <strong>Landschaft</strong> ein<br />

Kartierungskonzept evaluiert, welches den Bedürfnissen Liechtensteins entspricht.<br />

Von einer verwaltungsinternen Arbeitsgruppe, deren Mitglieder sich aus den verschiedenen<br />

in diese Problematik eingeb<strong>und</strong>enen <strong>Amt</strong>sstellen rekrutieren, wurden<br />

die Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung der <strong>Natur</strong>gefahrenkartierung begleitet. Die<br />

Projektrealisierung erfolgte unter Federführung <strong>des</strong> <strong>Amt</strong>es <strong>für</strong> <strong>Wald</strong>, <strong>Natur</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Landschaft</strong>. Für die eigentlichen Kartierungsarbeiten kamen amtsinterne Gefahrenspezialisten<br />

sowie diejenigen der Abteilung Rüfen <strong>und</strong> Gewässer zum Einsatz.<br />

Vor allem <strong>für</strong> die schwierige Beurteilung der komplexen Bewegungsabläufe in den<br />

beiden grossen Rutschgebieten Triesenberg-Triesen <strong>und</strong> Schlucher, Malbun, sowie<br />

<strong>für</strong> die Lawinenkartierung im Gebiet Malbun-Steg wurden ausländische Fachleute<br />

beigezogen.


l<br />

Bei der <strong>Natur</strong>gefahrenkartierung geht es darum, das Ausmass der Gefährdung durch<br />

die verschiedenen Prozesse zu ermitteln. Diese «Gefährlichkeit» hängt sowohl von der<br />

Häufigkeit als auch der Intensität eines Ereignisses ab. Häufige, aber wenig intensive<br />

Ereignisse können daher in der gleichen Gefahrenstufe aufscheinen wie seltenere,<br />

aber intensivere Ereignisse. Für Siedlungs- <strong>und</strong> Industriegebiete werden vier farblich<br />

abgestufte Gefahrenstufen (rot, blau, gelb, weiss) ausgeschieden. Diese feine Abstufung<br />

kann nur durch intensive Analyse der örtlichen Gefahrensituation geschehen. In<br />

land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlich genutzten Gebieten kommt eine gröbere Unterteilung,<br />

die sich an der Beeinträchtigung der entsprechenden Flächenbewirtschaftung<br />

orientiert <strong>und</strong> deren Gefahrenstufen andere Farben umfassen, zur Anwendung. In<br />

land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlich nicht genutzten <strong>Natur</strong>landschaften erfolgt lediglich ein<br />

Gefahrenhinweis.<br />

Unten:<br />

Steinschlagereignisse können durch<br />

Netzkonstruktionen aufgefangen werden.<br />

Das Ergebnis der Kartierungsarbeit liegt seit 2001 in neun einzelnen Karten sowie<br />

ausführlichen Beschreibungen vor. Diese zeigen die Ausdehnungen <strong>und</strong> Auswirkungen<br />

möglicher Schadenereignisse <strong>für</strong> die Prozesse Lawinen, Steinschlag, Rutschung sowie<br />

Rüfen. Die Hochwassergefahren werden nur teilweise wiedergegeben, denn<br />

die vom Rhein <strong>und</strong> den übrigen Talgewässern ausgehenden Gefährdungen <strong>und</strong><br />

deren Auswirkungen werden erst in einer zweiten Etappe in engem Kontakt mit den<br />

Nachbarländern bearbeitet.<br />

Links:<br />

Vierstufige Gefahrenkarte<br />

(rot, blau, gelb, weiss)<br />

im Siedlungsbereich.<br />

Rechts:<br />

Dreistufige Gefahrenkarte<br />

(violett, dunkelgrün, hellgrün)<br />

in land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlich<br />

genutztem Gebiet.


Risikokartierung<br />

l <br />

Die Angaben in der <strong>Natur</strong>gefahrenkarte umfassen jedoch nur einen Teil der Gesamtinformationen<br />

zu diesem Thema. Liegt beispielsweise ein kartiertes Gefahrengebiet<br />

im Alpenraum <strong>und</strong> ein vergleichbares im dicht besiedelten Talgebiet, so sind trotz<br />

gleicher Gefahrenstufe deren Auswirkungen völlig unterschiedlich. Dieses als Risiko<br />

bezeichnete Verhältnis zwischen Gefahrenpotenzial <strong>und</strong> Schadenpotenzial wird daher<br />

in einem weiteren Arbeitsschritt ermittelt. Dabei wird das mögliche Schadenausmass<br />

<strong>und</strong> die Schadenhäufigkeit abgeklärt. Es stellt sich dementsprechend die Frage:<br />

«Welche Empfindlichkeit besitzen die betroffenen Schadenobjekte?». Durch die Kombination<br />

<strong>des</strong> Schadenausmasses mit der Schadenhäufigkeit kann das Risiko <strong>für</strong> ein<br />

bestimmtes Objekt errechnet werden.<br />

In Liechtenstein wurde 2004 nach dieser Theorie auf Basis der bestehenden Gefahrenkarten,<br />

Zonenpläne sowie anderer Vermessungsdaten innerhalb der diversen<br />

Baugebiete eine Risikoübersicht erstellt <strong>und</strong> ebenfalls in neun einzelnen Kartenblättern,<br />

analog der Gefahrenkarte, dargestellt. Der Vergleich dieser Karten zeigt<br />

deutlich den Unterschied zwischen Risiko <strong>und</strong> Gefahr (grosse Gefahr ist nicht gleich<br />

grosses Risiko <strong>und</strong> umgekehrt).<br />

Vergleich von Gefahren- <strong>und</strong> Risikokarte.<br />

Rote Gefahrenstufe verursacht<br />

in diesem Fall nur ein geringes Risiko,<br />

da kein Schadenpotenzial vorhanden ist.


10 l<br />

Was darf passieren – <strong>und</strong> was eben nicht?<br />

Risikobewertung<br />

Nachdem das Risiko bekannt ist, muss <strong>des</strong>sen Bedeutung eingeschätzt werden. Dabei<br />

geht es gr<strong>und</strong>sätzlich darum, zu entscheiden ob das vorhandene Risiko akzeptiert<br />

werden soll oder ob es zu beseitigen ist. Es geht also um die Frage: «Was darf<br />

passieren?». Für die Risikobewertung gibt es verschiedene Ansätze. Der einfachste<br />

Weg ist die Definition von Schutzzielen (angestrebte, als akzeptierbar eingestufte<br />

Einwirkung eines gefährlichen Prozesses) <strong>für</strong> bestimmte Objekte.<br />

Die Herleitung einer Schutzzielmatrix ist ein gesellschaftspolitischer Entscheid <strong>und</strong><br />

beruht nicht auf rein naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Wird ein Schutzziel nicht<br />

erreicht, herrscht ein Schutzdefizit. Die Schutzdefizite zeigen somit alle Konfliktstellen<br />

zwischen Nutzung <strong>und</strong> Gefährdung auf, ohne ein Ausmass, beispielsweise in finanzieller<br />

Form, einzubeziehen.<br />

Oben:<br />

Beispiel einer Schutzzielmatrix gültig <strong>für</strong><br />

folgende Objekte: Zeitweise oder dauernd<br />

bewohnte Einzelgebäude, Weiler <strong>und</strong> Ställe.<br />

Links:<br />

Gefährdung der Malbunstrasse<br />

durch Lawinenabgang<br />

(seit 1976 durch Stützverbauung gesichert).<br />

Was ist zu tun? – Risikomanagement<br />

Ein Schutzdefizit weist gr<strong>und</strong>sätzlich auf einen Handlungsbedarf hin, erfordert jedoch<br />

nicht zwingend Massnahmen. Denn Schutzzielverletzungen alleine können noch<br />

keinen Handlungsentscheid <strong>für</strong> Massnahmen bilden, da verschiedenste Kriterien<br />

nicht berücksichtigt sind (z.B. Machbarkeit oder Finanzierbarkeit einer Verbauung).


Beim Risikomanagement geht es um den Einsatz von Massnahmen <strong>und</strong> Methoden<br />

mit dem Ziel, die angestrebte Sicherheit (gemäss Risikobewertung) zu erreichen <strong>und</strong><br />

die Sicherheitsplanung den sich verändernden Umständen anzupassen. Mögliche<br />

Massnahmen oder -kombinationen sind dabei:<br />

l 11<br />

• Meiden der gefährdeten Areale<br />

• Vermeidung resp. Eingrenzung <strong>des</strong> Ereignisses<br />

• Überwachen kritischer Stellen<br />

• Krisenmanagement<br />

Prüfung von Baugesuchen<br />

mittels Gefahrenkarte sowie<br />

Formulierung allfälliger Bauauflagen<br />

Als Teil <strong>des</strong> Risikomanagements wird der gewählte Einsatz der Massnahmen <strong>und</strong><br />

Methoden kontrolliert, indem deren Wirkung beurteilt <strong>und</strong> das Restrisiko beschrieben<br />

werden. Ebenfalls Bestandteil <strong>des</strong> Risikomanagements ist die Kommunikation.<br />

Dabei werden die Betroffenen über die Risiken (Risiken vor <strong>und</strong> nach Massnahmen)<br />

orientiert <strong>und</strong> ihnen die Kriterien zur Risikobewertung erläutert. Um eine möglichst<br />

transparente Risikobewertung gewährleisten zu können, wurde in Liechtenstein im<br />

Jahr 2004 eine Methodik entwickelt, welche die Herleitung von Handlungsentscheiden<br />

nach einem bestimmten Schema definiert.<br />

Aufgr<strong>und</strong> dieser Abwägungen wird diejenige Massnahme oder Massnahmenkombination<br />

gewählt, welche sich zur Erhöhung der Sicherheit eines Gebiets oder<br />

Objektes anbietet.<br />

Geplante<br />

Massnahme<br />

Das Schema zur Herleitung<br />

von Handlungsentscheiden<br />

ermöglicht einheitliche <strong>und</strong><br />

vergleichbare Bewertungen<br />

von Massnahmen.<br />

Handlungsentscheid<br />

= Stufe innerhalb<br />

<strong>des</strong> Schemas<br />

Bedingung<br />

erfüllt<br />

Handlungsentscheid<br />

1. Stufe<br />

Entscheid<br />

Weiterverfolgung<br />

nicht sinnvoll<br />

Bedingung<br />

nicht erfüllt<br />

Handlungsentscheid<br />

2. Stufe<br />

Auf Gr<strong>und</strong> <strong>des</strong><br />

Schemas zu fällender<br />

Entscheid<br />

Projektbedeutung<br />

Massnahmeneffizienz<br />

Massnahmenwirkung<br />

>> 50<br />

Punkte<br />

Entscheid<br />


12 l Meiden der gefährdeten Areale<br />

Durch die Berücksichtigung der in der <strong>Natur</strong>gefahrenkarte beschriebenen Problemgebiete<br />

in den Zonenplänen der Gemeinden können durch diese raumplanerischen<br />

Massnahmen Schäden wirkungsvoll verhindert werden. Dabei wird den Gefahrenstufen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich folgende Bedeutung zugeteilt: An erheblich gefährdeten Orten darf nicht<br />

gebaut werden. In Gebieten mit mittlerer Gefährdung soll so gebaut werden, dass die<br />

Bauten keine Schäden erleiden können. Die entsprechenden Bauauflagen werden im<br />

Zuge <strong>des</strong> Baubewilligungsverfahrens durch die Gefahrenspezialisten formuliert. Bei<br />

lediglich geringer Gefährdung wird der Bauwillige auf diese Gefahr hingewiesen.<br />

Leider liegen verschiedenenorts ältere Bauobjekte innerhalb der Gefahrenzonen<br />

<strong>und</strong> entsprechen in keiner Art <strong>und</strong> Weise den heutigen Vorschriften. Sie können<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich erhalten werden. Umbauten werden jedoch nur gestattet, wenn dadurch<br />

das Risiko vermindert werden kann.<br />

Oben:<br />

Vergleichsaufnahmen der durch Lawinen<br />

<strong>und</strong> Rutschungen gefährdeten Hanglagen<br />

«Heita», Malbun (1964 / 1980). Seit 1973 in<br />

roter Lawinengefahrenzone liegend , d.h. mit<br />

Bauverbot belegt.<br />

Links:<br />

Zonenplan der Gemeinde Triesenberg<br />

(Ausschnitt): Die rote Gefahrenzone begrenzt<br />

die Bauzone.<br />

Rote Gefahrenzone<br />

(absolutes Bauverbot)<br />

Zone <strong>für</strong> öffentliche Bauten<br />

<strong>und</strong> Anlagen<br />

Kernzone<br />

Wohnzone<br />

Wohn- <strong>und</strong> Gewerbezone<br />

Links:<br />

Lawinenkeil als Objektschutzmassnahme<br />

bergseits eines Gebäu<strong>des</strong>.<br />

(Aufnahme aus Richtlinie Objektschutz gegen<br />

<strong>Natur</strong>gefahren/GVA Kt.SG)


Vermeidung respektive Eingrenzung <strong>des</strong> Ereignisses<br />

l 13<br />

Falls der auf einer umfassenden Beurteilung beruhende Handlungsentscheid eine<br />

Verbauungsmassnahme als erforderlich einstuft <strong>und</strong> das Vorhaben im Quervergleich<br />

unter den Gemeinden als vorrangig eingestuft wird, kann eine Subventionierung<br />

durch das Land erfolgen.<br />

Nicht nur technische Bauwerke vermögen die Gefahrensituation positiv zu beeinflussen.<br />

Durch biologische, insbesondere forstliche Massnahmen kann die Stabilität<br />

von Schutzwäldern <strong>und</strong> ganzen Hängen wesentlich verbessert werden. Erosionserscheinungen<br />

vermag eine <strong>Wald</strong>bestockung weitgehend zu vermeiden. Auch die<br />

Bremswirkung von <strong>Wald</strong>beständen gegenüber Steinschlag <strong>und</strong> die Stabilisierung<br />

der Schneedecke helfen ganz wesentlich mit, Gefährdungen einzuschränken. Ein optimal<br />

strukturierter <strong>und</strong> stabiler Schutzwald wirkt sich, im Gegensatz zu den meisten<br />

technischen Bauwerken, gegen praktisch alle in Liechtenstein vorhandenen<br />

<strong>Natur</strong>gefahren positiv aus. Er gilt als preisgünstigste Schutzmassnahme mit der<br />

langfristigsten Wirksamkeit. Der Schutzwaldpflege sowie der Vermeidung von <strong>Wald</strong>schäden<br />

z.B. durch das Schalenwild ist daher auch in Zukunft grösste Aufmerksamkeit<br />

zu schenken.<br />

Ganz oben:<br />

Technische Verbauung durch betonierte<br />

Wildbachsperre (während der Bauphase).<br />

Oben:<br />

Verhinderung von Schneegleiten<br />

durch Dreibein-Böcke<br />

(Aufforstungsschutz).<br />

Rechts:<br />

Karte «<strong>Wald</strong>funktionen».<br />

Durch die Unterteilung der Schutzwälder<br />

in drei Kategorien können<br />

die spezifischen Pflegemassnahmen<br />

den Funktionen entsprechend<br />

ausgeführt <strong>und</strong> entsprechend<br />

subventioniert werden.<br />

Rechts unten:<br />

Sofern möglich werden<br />

technische Verbauungen mit<br />

Wiederbewaldungen kombiniert.<br />

Damit wird eine langfristige<br />

Funktionserfüllung gesichert<br />

(Lawinenverbauung<br />

«Kirchlespitz», Malbun)


14 l Überwachen kritischer Stellen<br />

Wo sich eine Gefahr nicht bannen lässt, muss mit Überwachungsanlagen sichergestellt<br />

werden, dass Anzeichen <strong>für</strong> ein bevorstehen<strong>des</strong> Ereignis rechtzeitig erkannt<br />

werden.<br />

Krisenmanagement<br />

Die Intensitäten von <strong>Natur</strong>prozessen <strong>und</strong> deren Wirkungsweisen können trotz grösster<br />

Bemühungen nie mit absoluter Sicherheit prognostiziert <strong>und</strong> folglich auch nicht mit<br />

h<strong>und</strong>ertprozentiger Sicherheit verhindert werden. Deshalb beinhaltet jede realisierte<br />

Schutzmassnahme ein gewisses Restrisiko. Im Krisenfalle sind daher Vorgehensweisen<br />

erforderlich, die eine Bewältigung der Schadenssituation ermöglichen. In der ersten<br />

Phase gehört es zu den Aufgaben von Forstdienst, Feuerwehr <strong>und</strong> Polizei, den<br />

Schaden abzuwehren oder zu begrenzen. Bei Bedarf werden diese unterstützt durch<br />

Fachleute der Lan<strong>des</strong>verwaltung <strong>und</strong> beigezogene Experten. Nimmt ein Ereignis<br />

grössere Ausmasse an, wird ein Krisenstab gebildet. Dieser wird von der zuständigen<br />

politischen Behörde geleitet.<br />

Beispielsweise werden Bewegungen<br />

abgelöster Blöcke im Zuge der Überwachung<br />

regelmässig vermessen.<br />

Links:<br />

Hangmuren (Rutschungen) können Strassen<br />

zerstören oder verschütten <strong>und</strong> somit den<br />

Verkehr stark beeinträchtigen <strong>und</strong> gefährden.<br />

Rechts:<br />

Schadenereignisse in Wohngebieten sind<br />

nur durch gemeinsames <strong>und</strong> koordiniertes<br />

Vorgehen aller Beteiligten zu bewältigen<br />

(Rüfeereignis «Süttigerwies», Triesenberg<br />

1995).


Wer ist zuständig?<br />

Lan<strong>des</strong>verwaltung:<br />

• <strong>Amt</strong> <strong>für</strong> <strong>Wald</strong>, <strong>Natur</strong> <strong>und</strong> <strong>Landschaft</strong>, Abteilung Berggebietssanierung +<br />

<strong>Natur</strong>gefahren: <strong>Natur</strong>gefahrenkartierung, Schutzbauten, Bauauflagen<br />

• Tiefbauamt, Abteilung Rüfen <strong>und</strong> Gewässer: Schutzbauten, Bauauflagen<br />

• Hochbauamt: Baubewilligungsverfahren<br />

• Stabstelle Lan<strong>des</strong>planung: Raum- <strong>und</strong> Zonenplanung<br />

• <strong>Amt</strong> <strong>für</strong> Zivilschutz <strong>und</strong> Lan<strong>des</strong>versorgung: Erstellung von<br />

Katastrophenschutzplänen<br />

• Polizei: Notfalleinsätze, Verkehrsregelung<br />

l 15<br />

Gemeinde:<br />

• Gemeinderat<br />

• Forstdienst<br />

• Feuerwehr<br />

• Samaritervereine<br />

• Zivilschutz<br />

Übergeordnete Gremien:<br />

• Lan<strong>des</strong>führungsstab<br />

• Lawinendienst<br />

Literatur<br />

«<strong>Natur</strong>gefahren im Kanton Luzern – ein neuer Umgang mit dem Risiko»<br />

<strong>Herausgeber</strong>: Kanton Luzern, Landwirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wald</strong>.<br />

Richtlinie Objektschutz gegen <strong>Natur</strong>gefahren GVA, Kanton St. Gallen<br />

Bildnachweis<br />

Alle nicht näher bezeichneten Abbildungen enstammen dem Archiv <strong>des</strong> <strong>Amt</strong>es <strong>für</strong> <strong>Wald</strong>,<br />

<strong>Natur</strong> <strong>und</strong> <strong>Landschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>des</strong> Tiefbauamtes.


16 l<br />

<strong>Amt</strong> <strong>für</strong> <strong>Wald</strong>, <strong>Natur</strong> <strong>und</strong> <strong>Landschaft</strong><br />

Dr. Grass Strasse 10<br />

9490 Vaduz<br />

Fürstentum Liechtenstein<br />

T +423 236 64 00<br />

F +423 236 64 11<br />

info@awnl.llv.li<br />

www.awnl.llv.li<br />

www.llv.li

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