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Bankeninformation Juli 2013 - Menold Bezler Rechtsanwälte

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<strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong><br />

Mittelstand im Mittelpunkt ®


Informationen zu aktuellen Entscheidungen im Bankrecht<br />

Finanzierungstransaktionen/Kreditsicherung<br />

Wirkung und Schranken der Limitation Language 3<br />

Wenn der Unternehmer seinen Namen verpfändet 4<br />

Allgemeines Bank- und Bankaufsichtsrecht<br />

„Girokonto für Jedermann“ versus Privatautonomie:<br />

BGH erteilt Kontrahierungszwang Absage – aus Brüssel droht gesetzliche Verankerung 6<br />

Der Rest ist Schweigen – Die Pflicht zur Anzeige von Kundenbeschwerden an die BaFin 7<br />

Anlageberatung<br />

Honorar-Anlageberatung –<br />

Ein attraktives Geschäftsfeld für Kreditinstitute? 8<br />

Zu Risiken und Nebenwirkungen –<br />

„Beipackzettel“ sorgen weiterhin für Kopfschmerzen 10<br />

Verjährungsbeginn bei Schadensersatzansprüchen wegen verschwiegener Rückvergütungen –<br />

Zu den Urteilen des BGH vom 11. September 2012 und vom 26. Februar <strong>2013</strong> 12<br />

Anforderungen an die Prüfung von Prospekten –<br />

BGH bestätigt ständige Rechtsprechung 13<br />

Insolvenzrecht/Workout<br />

Massive Einschränkungen für Banken bei Konsumentenkrediten<br />

durch die 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform 14<br />

Praxis-Info: Entfristung des insolvenzrechtlichen Überschuldungsbegriffs 15<br />

Ein Jahr ESUG –<br />

Wie sich das neue Insolvenzrecht in der Praxis bewährt 16<br />

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“:<br />

keine Verschnaufpause bei Verlängerung eines Darlehens 18<br />

In eigener Sache<br />

Veranstaltungshinweis 19


Finanzierungstransaktionen/Kreditsicherung<br />

Wirkung und Schranken der Limitation Language<br />

Zu dem Urteil des Landgerichts Darmstadt – KfH – vom<br />

25. April <strong>2013</strong>:<br />

Werden im Rahmen von Konzernfinanzierungen Sicherheiten<br />

durch eine Tochtergesellschaft des Kreditnehmers<br />

in der Rechtsform der GmbH oder der GmbH<br />

& Co. KG – sei es im Wege von Sachsicherheiten oder<br />

von Personalsicherheiten wie z.B. Garantien – bestellt<br />

(sog. „Up-Stream-Sicherheiten“), so wird im Sicherheitenvertrag<br />

zu Gunsten des Sicherungsgebers regelmäßig<br />

eine Verwertungsbeschränkung (sog. „Limitation<br />

Language“) vereinbart. Dadurch sollen Verstöße gegen<br />

die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30, 31 GmbHG)<br />

und damit eine persönliche Haftung der Geschäftsführer<br />

der Tochtergesellschaft (§ 43 GmbHG) vermieden<br />

werden. Zu den gerichtlich bislang ungeklärten und im<br />

Schrifttum umstrittenen Rechtswirkungen und Schranken<br />

einer solchen vertraglichen Vereinbarung hat das<br />

Landgericht Darmstadt in einem brandaktuellen Urteil<br />

Stellung genommen.<br />

In dem dem Urteil zu Grunde liegenden Fall hatten mehrere<br />

Kreditinstitute ein Schuldscheindarlehen an die Darlehensnehmerin<br />

gewährt. Eine Tochtergesellschaft der Darlehensnehmerin<br />

in der Rechtsform der GmbH hatte in einer<br />

Anlage zu dem Schuldscheindarlehensvertrag eine Garantie<br />

für die Zahlungsverpflichtungen der Darlehensnehmerin<br />

aus dem Schuldscheindarlehen übernommen, wobei eine<br />

Limitation Language mit dem wesentlichen Inhalt vereinbart<br />

wurde, dass die Inanspruchnahme aus der Garantie,<br />

sofern sie nicht Darlehen betrifft, die einer Garantiegeberin<br />

zur Verfügung gestellt werden, insoweit beschränkt ist,<br />

als das Nettovermögen der Garantiegeberin unter Verstoß<br />

gegen §§ 30 und 31 GmbHG unterschritten würde. Über<br />

das Vermögen sowohl der Darlehensnehmerin als auch der<br />

Garantiegeberin wurde zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren<br />

eröffnet. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen<br />

der Garantiegeberin hatte sich geweigert, die Ansprüche<br />

der darlehensgebenden Banken aus dem Garantievertrag<br />

im Rang des § 38 InsO zur Insolvenztabelle festzustellen.<br />

Das Gericht hat in dem Urteil gleich mehrere für die deutsche<br />

Kreditvergabepraxis wirtschaftlich höchst bedeutsame<br />

Fragen entschieden:<br />

Zunächst hat das Gericht klargestellt, dass der für das<br />

Eingreifen einer Limitation Language erforderliche Verstoß<br />

gegen §§ 30, 31 GmbHG – auch bei vor Inkrafttreten<br />

des MoMiG vereinbarten Limitation Languages –<br />

fehlt, wenn im Zeitpunkt der Bestellung der Up-stream-<br />

Sicherheit zwischen der sicherungsgebenden Tochterund<br />

der kreditnehmenden Muttergesellschaft ein<br />

Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit<br />

(damals) vollwertigem Verlustausgleichsanspruch<br />

der Tochtergesellschaft bestand (§ 30 Abs. 1 Satz 2<br />

GmbHG). Dass die Tochtergesellschaft zwischenzeitlich<br />

(wegen Insolvenz der Muttergesellschaft) keinen werthaltigen<br />

Verlustausgleichsanspruch mehr hat und der<br />

Beherrschungs- bzw. Gewinnabführungsvertrag mit<br />

Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes geendet<br />

hat, führt nicht zur Anwendbarkeit der Limitation<br />

Language.<br />

Ferner hat das Gericht entschieden, dass eine Limitation<br />

Language nach ihrem Sinn und Zweck im Falle der<br />

Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen<br />

des Up-stream-Sicherungsgebers nicht (mehr) anwendbar<br />

ist. Denn der Zweck der Limitation Language, das<br />

Stammkapital des Up-stream-Sicherungsgebers zu<br />

schützen und so eine potenzielle persönliche Haftung<br />

der Geschäftsführer des Up-stream-Sicherungsgebers<br />

gemäß § 43 GmbHG wegen Verstoßes gegen das Kapitalerhaltungsgebot<br />

zu verhindern, hat sich mit Insolvenzeröffnung<br />

erledigt. Denn ab diesem Zeitpunkt<br />

steht fest, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig und/<br />

oder überschuldet ist, das Stammkapital nicht mehr<br />

erhalten ist und überdies an die Stelle des Geschäftsführers<br />

der GmbH der Insolvenzverwalter tritt, der nicht<br />

der persönlichen Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG<br />

unterliegt.<br />

<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 3


Weiterhin hat das Gericht entschieden, dass eine Limitation<br />

Language in einem Garantievertrag nicht zu<br />

einer Nachrangigkeit der Garantieansprüche im Insolvenzverfahren<br />

gemäß § 39 Abs. 2 InsO führt.<br />

Roman A. Becker, Rechtsanwalt<br />

Steffen Follner, Rechtsanwalt<br />

Fazit:<br />

Die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt ist vollumfänglich<br />

zu begrüßen. Sie schafft – jedenfalls sobald<br />

sie auch obergerichtlich bestätigt wird – erfreuliche<br />

Klarheit für die Praxis der Konzernfinanzierung in<br />

Deutschland: Durch eine entsprechend den Vorgaben<br />

des Gerichts ausgestaltete Limitation Language kann<br />

den Bedenken von Geschäftsführern von up-stream-<br />

Sicherheiten gewährenden Tochtergesellschaften abgeholfen<br />

werden, sich durch die Sicherheitengewährung<br />

persönlich haftbar zu machen. Gleichwohl bleibt der<br />

Anspruch aus der Sicherheit im Falle der Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens über den Sicherungsgeber ein<br />

vom Insolvenzverwalter anzuerkennender Anspruch im<br />

Range des § 38 InsO, sofern bei Abschluss des Sicherheitenvertrags<br />

ein Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag<br />

und seinerzeit auch ein (potenziell)<br />

werthaltiger Verlustausgleichsanspruch der sicherungsgebenden<br />

Tochtergesellschaft bestand.<br />

Finanzierungstransaktionen/Kreditsicherung<br />

Wenn der Unternehmer seinen Namen verpfändet<br />

Die Verwendung von Marken, Patenten und anderen immateriellen<br />

Vermögensgegenständen als Sicherungsrechte<br />

fristet in der Kreditsicherungspraxis immer noch ein<br />

Schattendasein. Gerade im innovationsstarken Deutschland<br />

eine Überraschung. Denn auch immaterielle Vermögensgegenstände<br />

können für Kreditinstitute eine<br />

sinnvolle Ergänzung des Sicherheitenpakets darstellen.<br />

Mit seiner Innovationskraft und der Anzahl von Patentanmeldungen<br />

nimmt Deutschland weltweit einen<br />

Spitzenplatz ein. Unternehmenskennzeichen deutscher<br />

Firmen gehören branchenübergreifend zum Who is<br />

Who der internationalen Markenlandschaft. Auch viele<br />

mittelständische Unternehmen sind in ihren Sparten<br />

national oder sogar international Innovationsführer.<br />

Ihre Marken und Patente stellen dann erhebliche<br />

wirtschaftliche Werte dar, die auch im Rahmen einer<br />

Unternehmensfinanzierung zu Kreditsicherungszwecken<br />

verwendet werden können. Dies ist jedoch immer noch<br />

die Ausnahme. Ein Grund dafür mag insbesondere die<br />

Schwierigkeit sein, den wirtschaftlichen Wert immaterieller<br />

Vermögensgegenstände zu bestimmen. Zwar<br />

besteht nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes<br />

für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände<br />

ein Aktivierungswahlrecht. Kreditgeber<br />

berücksichtigen diese Bilanzposition im Rahmen<br />

des Kreditratings in aller Regel nicht. Sofern der Jahresabschluss<br />

eines Unternehmens geprüft wird, kann diese Position<br />

jedoch eine erste Einschätzung des Werts von immateriellen<br />

Vermögensgegenständen ermöglichen. Als weitere<br />

Grundlage für die Bewertung von Patenten kommt die<br />

DIN 77100 vom Mai 2011 in Betracht, die Empfehlungen<br />

für die angemessene Patentbewertung enthält.<br />

Für die Bestellung eines Sicherungsrechts an einem immateriellen<br />

Vermögensgegenstand gibt es rechtlich mehrere<br />

Möglichkeiten, die mit unterschiedlichen Vor- und Nach<br />

teilen verbunden sind:<br />

Marken, Patente, Gebrauchsmuster und Geschmacksmuster<br />

(z.B. Design) können zur Sicherheit entweder<br />

verpfändet oder an die finanzierende Bank abgetreten<br />

werden.<br />

Die Abtretung dieser Schutzrechte im Wege der Sicherungstreuhand<br />

führt zur Vollrechtsinhaberschaft des<br />

Sicherungsnehmers. Damit der Sicherungsgeber „sein“<br />

Schutzrecht weiter nutzen kann, muss ihm der Sicherungsnehmer<br />

eine Lizenz einräumen. Die Sicherungsübertragung<br />

führt andererseits dazu, dass Dritte, die das Schutzrecht<br />

z.B. aufgrund besserer Priorität angreifen, gegen die Bank<br />

als Schutzrechtsinhaberin vorgehen können. Daher muss<br />

die Führung solcher Prozesse vertraglich auf das Unternehmen<br />

abgewälzt werden. Die Bank bleibt dann zwar Beklag-<br />

4 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>


te in dem Rechtsstreit, jedoch ist im Innenverhältnis allein<br />

der Sicherungsgeber zur Abwehr der geltend gemachten<br />

Ansprüche verpflichtet.<br />

Im Gegensatz zur Sicherungstreuhand führt die Verpfändung<br />

nicht dazu, dass die Bank als Pfandgläubigerin von<br />

Dritten auf Löschung des Schutzrechts in Anspruch genommen<br />

werden kann. Eine Verwertung des Pfandrechts<br />

kann jedoch nur im Wege der öffentlichen Versteigerung<br />

erfolgen. Da für gewerbliche Schutzrechte in aller Regel<br />

kein Börsen- oder Marktpreis existiert, kann ein freihändiger<br />

Verkauf des Schutzrechts auch nicht vereinbart werden.<br />

Ferner hängt der rechtliche Bestand des Pfandrechts<br />

von dem Bestand der gesicherten Forderung ab, was bei<br />

einer Anschlussfinanzierung ggf. zu dem Erfordernis einer<br />

Neubestellung führen kann.<br />

Zum Schutz des Sicherungsrechts der Bank sollte der Sicherungsgeber<br />

immer verpflichtet werden, alles Notwendige<br />

zu tun, um das Schutzrecht gegen die missbräuchliche<br />

Nutzung oder unberechtigte Angriffe von Dritten zu schützen.<br />

Dies ist gerade im Falle von ungeprüften Schutzrechten<br />

wie Gebrauchs- und Geschmacksmustern von erheblicher<br />

Relevanz. Bei Markenrechten umfasst dies insbesondere<br />

die Verpflichtung zur rechtserhaltenden Benutzung der<br />

Marke für alle eingetragenen Waren- und Dienstleistungsgruppen.<br />

Sofern für das jeweilige Schutzrecht bereits eine Registrierung<br />

bei dem Deutschen Patent- und Markenamt oder<br />

(z.B. im Falle von Gemeinschaftsmarken) dem Harmonisierungsamt<br />

für den Binnenmarkt (HABM) durch den<br />

Inhaber erfolgt ist, kann eine Verpfändung oder eine Sicherungsabtretung<br />

ebenfalls eingetragen werden. Die mit<br />

der Eintragung einer Sicherungsabtretung verbundene Publizität<br />

kann ein Nachteil sein, da das Sicherungsrecht in<br />

diesem Fall offengelegt und die Bank damit als potenzieller<br />

Anspruchsgegner in Erscheinung tritt. Eine Eintragung des<br />

Sicherungsnehmers ist aber jedenfalls bei Sicherungsrechten<br />

an Gemeinschaftsmarken und -geschmacksmustern,<br />

die bereits beim HABM registriert sind, zu erwägen, da<br />

– freilich nach umstrittener Auffassung – für diese Rechte<br />

ein lastenfreier Erwerb von dem im Register eingetragenen<br />

Berechtigten möglich sein soll.<br />

Urheberrechte, sprich Rechte auf Schutz des geistigen<br />

Eigentums beispielsweise an Literatur oder Musiktiteln,<br />

können nicht selbst Gegenstand einer Besicherung sein.<br />

Dies gilt jedoch nicht für die bei Lizenzierung eines Urheberrechts<br />

vereinbarten Vergütungsansprüche des Schutzrechtsinhabers.<br />

Diese Ansprüche können selbstverständlich<br />

Gegenstand einer Globalzession sein.<br />

Roman A. Becker, Rechtsanwalt<br />

Steffen Follner, Rechtsanwalt<br />

Fazit:<br />

Sicherungsrechte an Marken, Patenten und anderen<br />

Schutzrechten können für Kreditgeber eine interessante<br />

Ergänzung ihres Sicherheitenpakets darstellen.<br />

Bei der rechtlichen Gestaltung dieser Sicherheiten<br />

bieten sich vor allem die Verpfändung oder die Sicherungsabtretung<br />

an, deren Vor- und Nachteile im<br />

Einzelfall gegeneinander abgewogen werden müssen.<br />

<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 5


Allgemeines Bank- und Bankaufsichtsrecht<br />

„Girokonto für Jedermann“ versus Privatautonomie:<br />

BGH erteilt Kontrahierungszwang Absage – aus Brüssel<br />

droht gesetzliche Verankerung<br />

Seit Anfang der neunziger Jahre diskutiert die Öffentlichkeit<br />

das Recht auf ein Konto auf Guthabenbasis,<br />

umgangssprachlich „Girokonto für Jedermann“. Hintergrund<br />

ist die Sorge, dass sozial Schwächere keinen<br />

Zugang zum bargeldlosen Geschäftsverkehr bekommen<br />

und deshalb geradezu stigmatisiert werden. Um diese<br />

Befürchtungen auszuräumen, hat die Deutsche Kreditwirtschaft<br />

(ehemals Zentraler Kreditausschuss) bereits<br />

1995 die Empfehlung ausgesprochen, jedem Verbraucher<br />

im Bedarfsfall ein Konto zur Verfügung zu stellen.<br />

Im September 2012 gingen die Sparkassen noch einen<br />

Schritt weiter und verpflichteten sich, jeder Privatperson<br />

in ihrem Geschäftsgebiet ein Girokonto einzurichten.<br />

Den Befürwortern des „Girokontos für Jedermann“<br />

reicht diese Selbstregulierung jedoch nicht aus. Neue Gesetzesanträge<br />

sorgen immer wieder für ein Aufflammen<br />

der Debatte. Der Bundestag befasste sich zuletzt Mitte<br />

April <strong>2013</strong> mit entsprechenden Anträgen der Opposition.<br />

Nun geht auch die Europäische Kommission diese<br />

Thematik an.<br />

Unabhängig von der Frage einer ausdrücklichen gesetzlichen<br />

Regelung wird in juristischen Kreisen diskutiert, ob<br />

sich dieses Recht nicht bereits aus dem Sozialstaatsprinzip,<br />

dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz oder<br />

der Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft ergibt.<br />

Einem hieraus etwa folgenden Kontrahierungszwang<br />

der Banken erteilte der BGH nun eine Absage (Urteil vom<br />

15. Januar <strong>2013</strong>):<br />

Ein Unternehmen hatte die „aus grundsätzlichen Erwägungen“<br />

erklärte Kündigung seines bei einer Privatbank geführten<br />

Girokontos vor Gericht angegriffen und die Fortführung<br />

verlangt. Der BGH räumte hierbei der Vertragsfreiheit<br />

einen höheren Stellenwert ein als dem Interesse des Unternehmens<br />

an einer Fortführung des Kontos. Das Gericht<br />

stellte fest, dass die beklagte Bank nicht verpflichtet ist,<br />

jeden Kunden gleich zu behandeln. Insbesondere ist eine<br />

Privatbank nicht an das verfassungsrechtliche Gebot der<br />

Gleichbehandlung gebunden. Das Angebot einer Bank,<br />

Girokonten zu führen, ist laut BGH nicht „unterschiedslos<br />

und ohne Ansehen der Person ihres Vertragspartners<br />

gleichsam an die Öffentlichkeit gerichtet“. Die Bank bringt<br />

damit nicht ihre Bereitschaft zum Ausdruck, „generell und<br />

unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem den<br />

Zugang zu ihren Leistungen dauerhaft zu eröffnen“. Auch<br />

die Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft, die sich<br />

ausdrücklich nur auf Verbraucher bezieht, konnte sich das<br />

Unternehmen nicht zu Nutze machen. Allerdings ist auch<br />

für Fälle mit Verbrauchern bereits gerichtlich entschieden,<br />

dass mit der Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft<br />

keine rechtliche Verpflichtung für die Verbandsmitglieder<br />

verbunden ist.<br />

Für private und genossenschaftliche Institute schafft das<br />

jüngste BGH-Urteil Rechtssicherheit und stellt klar, dass<br />

es keine gesetzliche Grundlage für ein Girokonto für Jedermann<br />

gibt. Jedenfalls vorerst.<br />

Zwar hat sich der Deutsche Bundestag Mitte April <strong>2013</strong> erneut<br />

gegen ein Gesetz auf nationaler Ebene ausgesprochen.<br />

Dies jedoch nur unter Verweis auf europäische Regelungsvorhaben.<br />

Hierbei hat die Bundesregierung angekündigt,<br />

sich zunächst auf europäischer Ebene für eine gesetzliche<br />

Verankerung des Girokontos für Jedermann einzusetzen.<br />

Der für den europäischen Binnenmarkt zuständige Kommissar<br />

Michel Barnier hat kürzlich ein Gesetzespaket angekündigt,<br />

das unter anderem ein Recht auf ein Konto auf<br />

Guthabenbasis für jeden europäischen Bürger vorsieht.<br />

Dieses soll Zahlungseingänge und Abbuchungen ermöglichen,<br />

solange das Konto nicht im Soll ist. Gebühren sollen<br />

die Banken nur in Ausnahmefällen und in erschwinglicher<br />

Höhe erheben dürfen.<br />

Steffen Follner, Rechtsanwalt<br />

Valerie Gundlach, Rechtsanwältin<br />

Fazit:<br />

Nach derzeitiger Rechtslage sind private und genossenschaftliche<br />

Banken nicht verpflichtet, Girokonten<br />

auf Guthabenbasis für Jedermann einzurichten.<br />

Die Bankwirtschaft muss sich jedoch darauf einstellen,<br />

dass eine entsprechende Verpflichtung auf europäischer<br />

Ebene geschaffen wird.<br />

6 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>


Allgemeines Bank- und Bankaufsichtsrecht<br />

Der Rest ist Schweigen –<br />

Die Pflicht zur Anzeige von Kundenbeschwerden an die BaFin<br />

Seit dem 1. November 2011 müssen Institute, die Wertpapierdienstleistungen<br />

erbringen, der Bundesanstalt<br />

für Finanzdienstleistungsaufsicht sämtliche Beschwerden<br />

anzeigen, die Privatkunden der Bank gegenüber<br />

auf Grund der Tätigkeit eines mit der Anlageberatung<br />

betrauten Mitarbeiters erheben. Da das Gesetz nicht<br />

klarstellt, wann von einer „Beschwerde“ auszugehen<br />

ist, stellt sich die Frage nach der Reichweite dieser Verpflichtung.<br />

Erforderlicher Inhalt der Anzeige<br />

Die Verpflichtung zur Anzeige von Kundenbeschwerden<br />

beruht auf dem durch das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes<br />

und der Verbesserung der Funktionsfähigkeit<br />

des Kapitalmarktes neu eingefügten § 34d Abs. 1 Satz 4<br />

WpHG. Nach dieser Vorschrift, die flankiert wird durch die<br />

von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />

(BaFin) erlassene WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung<br />

(„WpHGMaAnzV“), müssen Beschwerden von Privatkunden<br />

unter Angabe des Datums, an dem die Beschwerde<br />

erhoben wurde, des Namens des Mitarbeiters, auf Grund<br />

dessen Tätigkeit die Beschwerde erhoben wird (einschließlich<br />

seiner Kenn-Nummer), sowie ggf. der Anschrift der<br />

Zweigstelle, Zweigniederlassung oder sonstigen Organisationseinheit,<br />

der der Mitarbeiter zugeordnet ist, der BaFin<br />

angezeigt werden. Die Anzeige der Beschwerde gegenüber<br />

der BaFin muss nach der WpHGMaAnzV spätestens binnen<br />

6 Wochen nach Erhebung der Beschwerde gegenüber<br />

dem Institut erfolgen.<br />

Der genaue Gegenstand der Beschwerde, also das monierte<br />

Verhalten des Institutsmitarbeiters, ist dagegen nicht Gegenstand<br />

der Anzeigepflicht. Dies verwundert umso mehr,<br />

als die Anzeigepflicht nach dem Willen des Gesetzgebers<br />

die BaFin in die Lage versetzen soll, Kundenbeschwerden<br />

unter risikoorientierten Gesichtspunkten zu würdigen und<br />

Missstände in der Anlageberatung effizienter zu identifizieren.<br />

Sanktionen<br />

Erstattet das Institut die Anzeige an die BaFin nicht, nicht<br />

rechtzeitig, nicht richtig oder nicht vollständig, so kann<br />

bei vorsätzlichem oder leichtfertigem Verhalten des Instituts<br />

ein Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 50.000 verhängt<br />

werden. Wie bei allen Ordnungswidrigkeiten kann dieses<br />

Bußgeld bei jedem einzelnen Verstoß, d.h. für jede unterlassene<br />

Beschwerdeanzeige, erneut verhängt werden.<br />

Beschwerde als Auslöser der Anzeigepflicht<br />

Die Anzeigepflicht wird durch jede „Beschwerde“ eines Privatkunden<br />

gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen<br />

ausgelöst, die auf der Tätigkeit eines Mitarbeiters<br />

im Zusammenhang mit der Anlageberatung beruht.<br />

Der Beschwerdebegriff wird in § 34d WpHG nicht gesetzlich<br />

definiert, sodass es in der Praxis häufig Schwierigkeiten<br />

bereitet, zu entscheiden, ob ein Anruf oder eine Äußerung<br />

eines Kunden eine anzeigepflichtige Beschwerde darstellt<br />

oder nicht. Die BaFin will in ihrer Verwaltungspraxis auf<br />

den weiten Beschwerdebegriff des § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4<br />

WpHG zurückgreifen, der alle Hinweise auf (auch nur angebliche)<br />

Fehler beinhaltet. Die Meldepflicht besteht unabhängig<br />

davon, ob der Hinweis auf den Fehler des Beraters<br />

mündlich oder schriftlich erfolgt, ob die zugrunde liegende<br />

Sachverhaltsschilderung des Kunden zutreffend ist oder<br />

nicht, und ob der zugrunde gelegte Sachverhalt tatsächlich<br />

einen Rechtsverstoß darstellt oder nicht. Auch nimmt das<br />

Gesetz Bagatellfälle nicht von der Anzeigepflicht aus. Angesichts<br />

dieses weiten Beschwerdebegriffs sollten Wertpapierdienstleistungsinstitute,<br />

um keinen Bußgeldtatbestand<br />

zu verwirklichen, auch solche Unmutsäußerungen von<br />

Kunden als Beschwerden melden, die bereits in einem ers-<br />

<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 7


ten Gespräch mit dem Kunden ausgeräumt werden können<br />

(beispielsweise bei Missverständnissen oder Irrtümern<br />

des Kunden). Da das Gesetz verlangt, dass die Beschwerde<br />

aufgrund der Tätigkeit eines Anlageberaters erfolgt, muss<br />

eine Beschwerde nur angezeigt werden, wenn sie sich auf<br />

einen Umstand bezieht, der im Einflussbereich des Anlageberaters<br />

lag.<br />

Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob eine meldepflichtige<br />

Beschwerde vorliegt, wenn ein Kunde den Sachverhalt,<br />

aus dem ein möglicher Verstoß des Bankmitarbeiters<br />

resultieren könnte, nicht so genau vorträgt, dass der<br />

Rechtsverstoß bei objektiver Beurteilung greifbar wird. Beklagt<br />

sich beispielsweise ein Kunde nur über die schlechte<br />

Performance seines Portfolios oder eines Produkts, ohne<br />

zugleich einen Rechtsverstoß (z.B. eine nicht anlegergerechte<br />

Beratung) zum Ausdruck zu bringen, so liegt hierin<br />

noch kein (auch nur behaupteter) Rechtsverstoß. Die<br />

Compliance-Abteilung der Bank muss dann unseres Erachtens<br />

– von Evidenzfällen abgesehen – auch nicht von sich<br />

aus weiter recherchieren, ob möglicherweise bei der Anlageberatung<br />

ein Rechtsverstoß begangen wurde.<br />

Roman A. Becker, Rechtsanwalt<br />

Fazit:<br />

In Beschwerdeanzeigen ist der BaFin nur mitzuteilen,<br />

dass und wann sich ein Privatkunde über das Verhalten<br />

eines Mitarbeiters beschwert hat und welcher Organisationseinheit<br />

dieser Mitarbeiter angehört. Der<br />

genaue Vorwurf, der dem Mitarbeiter gemacht wird,<br />

ist in der Anzeige nicht zu nennen. Auch die Schwere<br />

des Vorwurfs geht aus der Anzeige nicht hervor, zumal<br />

auch Bagatellfälle der BaFin gemeldet werden müssen.<br />

Die neue Vorschrift wird daher ihren Zweck, der BaFin<br />

eine risikoorientierte Würdigung von Missständen in der<br />

Anlageberatung zu ermöglichen, nicht erfüllen können.<br />

Angesichts der Sanktionen, die an die Nichterfüllung<br />

der Anzeigepflicht geknüpft sind (Bußgeld i.H.v. bis zu<br />

EUR 50.000 je Einzelfall), sollten Institute gleichwohl<br />

die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen treffen,<br />

um zu gewährleisten, dass Privatkundenbeschwerden<br />

von den Bankmitarbeitern stets als solche erkannt,<br />

durchgängig und zutreffend erfasst und an die zur Anzeige<br />

an die BaFin zuständige Abteilung weitergeleitet<br />

werden.<br />

Anlageberatung<br />

Honorar-Anlageberatung –<br />

Ein attraktives Geschäftsfeld für Kreditinstitute?<br />

Der Deutsche Bundestag hat am 25. April <strong>2013</strong> ein Gesetz<br />

zur Honorar-Anlageberatung beschlossen, das innerhalb<br />

des WpHG einen Rechtsrahmen für diese alternative<br />

Form der Anlageberatung schafft. Banken stehen<br />

daher vor der Frage, ob sie diese ihren Kunden künftig<br />

neben oder anstelle der herkömmlichen Anlageberatung<br />

anbieten wollen. Die Verwendung der geschützten Bezeichnung<br />

„Honorar-Anlageberatung“ kann ein Wettbewerbsvorteil<br />

sein, jedoch müssen hierfür die gesetzlichen<br />

Vorgaben in den Bereichen Organisation und Verhalten<br />

eingehalten werden.<br />

Honorar-Anlageberatung als neuer Typus<br />

Viele Kunden sind zunehmend darauf sensibilisiert, dass<br />

bei der „normalen“, vermeintlich kostenlosen Anlageberatung<br />

Interessenkonflikte bestehen können. Dies kann das<br />

Vertrauen der Kunden in eine Beratung, die ausschließlich<br />

im Kundeninteresse erfolgen soll, untergraben. Der Gesetzgeber<br />

möchte daher neben der provisionsgestützten Anlageberatung<br />

die unabhängige Beratung auf Honorarbasis<br />

als alternatives Angebot und als eigenständiges Berufsbild<br />

etablieren. Wesentliche Grundgedanken sind, dass der Beratung<br />

ein ausreichender Marktüberblick zugrunde gelegt<br />

und die Beratungsleistung allein durch das Honorar des<br />

Kunden entgolten wird.<br />

Organisatorische Trennung zwischen<br />

Provisions- und Honorar-Anlageberatung<br />

Sollen Mitarbeiter einer Bank als „Honorar-Anlageberater“<br />

tätig werden und sich gegenüber Kunden auch so be-<br />

8 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>


zeichnen, dürfen sie nicht mehr im Bereich der sonstigen<br />

Anlageberatung eingesetzt werden. Die beiden Geschäftsbereiche<br />

müssen organisatorisch, funktional und personell<br />

voneinander getrennt sein. Dies erfordert auch, dass ein<br />

direkter Vorgesetzter nicht dem Bereich der übrigen Anlageberatung<br />

angehören und nicht zugleich für beide Beratungsbereiche<br />

zuständig sein darf. Auch sonst dürfen keine<br />

Verflechtungen bestehen, aus denen sich eine gegenseitige<br />

Beeinflussung ergeben könnte. Diese Vorgabe wird bei<br />

den Instituten, die ihre Chancen in diesem Bereich nutzen<br />

möchten, einen nicht unerheblichen Mehraufwand verursachen.<br />

Ferner dürfen Vertriebsvorgaben im Bereich der Honorar-Anlageberatung<br />

keinesfalls zu einem Interessenkonflikt<br />

mit Kundeninteressen führen. Dies schließt etwa<br />

Vorgaben nach dem Volumen der vertriebenen Finanzinstrumente<br />

aus. Eine Heilung durch Offenlegung der<br />

Interessenkonflikte ist hier nicht möglich. Bei der Aufstellung<br />

von Zielsetzungen ist insofern ein Umdenken<br />

erforderlich.<br />

Wertpapierdienstleistungsunternehmen können sich künftig<br />

in das bei der BaFin geführte Honorar-Anlageberaterregister<br />

eintragen lassen. Die Eintragung setzt neben der<br />

KWG-Erlaubnis voraus, dass das Institut durch eine Bescheinigung<br />

eines geeigneten Prüfers (Prüfungsverband,<br />

Prüfstelle oder Wirtschaftsprüfer) nachweist, dass es die<br />

organisatorischen Anforderungen erfüllen kann. Die Bezeichnungen<br />

„Honorar-Anlageberatung“, „Honorar-Anlageberater“<br />

oder vergleichbare Bezeichnungen dürfen künftig<br />

zu Werbezwecken erst nach Eintragung in das Register<br />

verwendet werden.<br />

Information der Kunden<br />

Zur Vereinbarung eines Honorars für die Anlageberatung<br />

ist zivilrechtlich der Abschluss eines Vertrags erforderlich.<br />

Die Umsetzung der Pflicht, den Kunden vor Beginn der Beratung<br />

und vor Abschluss eines Beratungsvertrags rechtzeitig<br />

und in verständlicher Form darüber zu informieren, ob<br />

die Anlageberatung als Honorar-Anlageberatung erbracht<br />

wird oder nicht, wird in diesem Zusammenhang keine besondere<br />

Hürde darstellen. Neu ist diese Anforderung hingegen<br />

vor allem für die „normale“ (provisionsgestützte)<br />

Anlageberatung. Hier sind die Kunden künftig zusätzlich<br />

darüber zu informieren, ob Zuwendungen von Dritten angenommen<br />

und behalten werden dürfen. Dieser Hinweis<br />

könnte Kunden zunehmend dazu bewegen, sich gegen Bezahlung<br />

eines Honorars beraten zu lassen.<br />

Pflicht zur umfassenden Marktanalyse<br />

und Aufklärung bei Eigeninteressen<br />

Eine unabhängige Beratung stellt andere Anforderungen<br />

an die Produktauswahl. Der Honorar-Anlageberater muss<br />

daher seiner Empfehlung eine hinreichende Anzahl von auf<br />

dem Markt angebotenen Finanzinstrumenten zugrunde<br />

legen. Diese darf zudem nicht auf Produkte des Instituts<br />

oder von Emittenten beschränkt sein, mit denen das Institut<br />

wirtschaftlich verflochten ist. Dies erfordert an sich<br />

zwar eine umfassende Marktanalyse, die sich an den Zielen<br />

des Kunden zu orientieren hat. Diese kann aber nach dem<br />

Zweck der Vorschrift auf die für den Kunden grundsätzlich<br />

geeigneten Finanzinstrumente beschränkt werden.<br />

Es ist dem Berater nicht etwa verboten, ein Finanzinstrument<br />

des eigenen Instituts oder eines mit ihm wirtschaftlich<br />

verflochtenen Unternehmens zu empfehlen. Jedoch ist<br />

der Kunde hierüber und über das Bestehen eines eigenen<br />

Gewinninteresses des Instituts oder des mit ihm verbunden<br />

Unternehmens aufzuklären.<br />

Der Abschluss von Festpreisgeschäften ist bei der Honorar-Anlageberatung<br />

grundsätzlich unzulässig, da hier die<br />

Gewinnerzielungsabsicht des Instituts der Unabhängigkeit<br />

der Beratung entgegensteht. Eine Ausnahme besteht<br />

jedoch insbesondere in der Zeichnungsphase, soweit das<br />

eigene Institut selbst Anbieter oder Emittent des Finanzinstruments<br />

ist.<br />

Verbot von Zuwendungen Dritter<br />

Ein Kernelement der Honorar-Anlageberatung ist, dass sie<br />

allein durch den Kunden vergütet werden darf. Es ist daher<br />

verboten, im Zusammenhang mit der Beratung irgend-<br />

<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 9


welche Zuwendungen von dritter Seite anzunehmen. Eine<br />

Ausnahme besteht lediglich dann, wenn das empfohlene<br />

Instrument nur provisionsbasiert erhältlich ist. In diesem<br />

Fall muss die Zuwendung aber unverzüglich nach Erhalt<br />

ungemindert an den Kunden ausgekehrt werden.<br />

Inkrafttreten der Neuregelungen<br />

und europäische Vorgaben<br />

Die Neuregelungen treten ein Jahr nach der in Kürze zu<br />

erwartenden Verkündung des Gesetzes in Kraft. Bis dahin<br />

können einzelne gesetzliche Vorgaben auch noch durch<br />

Rechtsverordnungen konkretisiert werden. Möglicherweise<br />

werden die Vorschriften demnächst an europäische Vorgaben<br />

anzupassen sein, da der Vorschlag der Kommission<br />

für die MiFID II ebenfalls Regelungen zur „unabhängigen<br />

Beratung“ enthält. Das Honoraranlageberatungsgesetz<br />

hat sich aber bereits an dem Vorschlag orientiert.<br />

Dr. Guido Quass, Rechtsanwalt<br />

Steffen Follner, Rechtsanwalt<br />

Fazit:<br />

Die Honorar-Anlageberatung erfährt als besonderer<br />

Typus der Anlageberatung erstmals eine eigene Regulierung.<br />

Es ist zu erwarten, dass insbesondere der gesetzliche<br />

Schutz der Bezeichnung zu einer interessanten<br />

Belebung des Wettbewerbs in diesem Bereich führen<br />

wird. Institute, die hier ihre Marktchancen nutzen und<br />

ein entsprechendes Geschäftsmodell etablieren möchten,<br />

müssen die Anforderungen an die organisatorische<br />

Trennung von der „normalen“ Anlageberatung sowie<br />

die Besonderheiten bei der Beratung und Vergütung<br />

einhalten.<br />

Anlageberatung<br />

Zu Risiken und Nebenwirkungen –<br />

„Beipackzettel“ sorgen weiterhin für Kopfschmerzen<br />

Mangels eindeutiger Vorgaben für den Inhalt ist die<br />

ordnungsgemäße Erstellung von Kurzinformationsblättern<br />

in der Praxis nach wie vor eine Herausforderung.<br />

Unklar ist insbesondere, ob sich beratende Institute,<br />

ohne in Konflikt mit der Aufsicht zu geraten oder<br />

ein Haftungsrisiko einzugehen, auf die Richtigkeit von Informationsblättern<br />

verlassen dürfen, die sie nicht selbst<br />

erstellt haben.<br />

Kurzinformationsblätter verfolgen den Zweck, einen Überblick<br />

über ein Anlageprodukt zu verschaffen, damit der<br />

Anleger dieses besser mit anderen Produkten vergleichen<br />

kann. Auf die Einführung des europarechtlich nicht geforderten<br />

Produktinformationsblattes (PIB) im WpHG und<br />

der wesentlichen Anlegerinformation im Investmentfondsbereich<br />

(Key Investor Information Document – KIID) zum<br />

1. <strong>Juli</strong> 2011 folgte ein Jahr später das Vermögensanlagen-<br />

Informationsblatt (VIB) für Produkte des (ehemaligen)<br />

grauen Kapitalmarkts.<br />

Die bisherigen Erfahrungen mit PIBs<br />

Die inhaltlichen Vorgaben an PIBs wurden zunächst in der<br />

Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung<br />

sowie durch ein Rundschreiben der Bundesanstalt<br />

für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom<br />

1. Juni 2011 (Rundschreiben 6/2011 (WA)) konkretisiert.<br />

Nachdem die BaFin eine umfangreiche Prüfung von PIBs<br />

verschiedener Institute und Anlageklassen durchgeführt<br />

hatte, veröffentlichte sie im September 2012 den Entwurf<br />

eines weiteren Rundschreibens, mit dem sie detaillierte<br />

Hinweise für den Inhalt von PIBs gibt.<br />

Ein wesentlicher Aspekt bleibt hierbei jedoch unbehandelt:<br />

Dürfen beratende Institute auf die Richtigkeit der nicht<br />

von ihnen zu erstellenden KIIDs und VIBs vertrauen, die<br />

sie bei der Anlageberatung verwenden?<br />

10 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>


Die Ansicht der BaFin zu von Dritten<br />

erstellten PIBs<br />

Für PIBs gibt der Entwurf des Rundschreibens bereits eine<br />

Antwort: Nach Ansicht der BaFin ist für den Inhalt des PIB<br />

grundsätzlich das beratende Institut verantwortlich. Dies<br />

ist auch dann der Fall, wenn das PIB allein durch den Emittenten<br />

erstellt wird. Etwas anderes soll nur dann gelten,<br />

wenn der Ersteller des PIB in diesem Produkt Anlageberatung<br />

regelmäßig selbst betreibt und insoweit der Aufsicht<br />

unterliegt. Diese Begrenzung wurde zu Recht als zu eng kritisiert.<br />

Denn die Institute sind rechtlich nicht für die Erstellung<br />

des PIB, sondern dafür verantwortlich, dem Anleger<br />

ein PIB „zur Verfügung zu stellen“.<br />

Vertrauen auf die Richtigkeit von KIIDs und VIBs<br />

Im Gegensatz zu PIBs, bei denen es keine eindeutige Vorschrift<br />

gibt, sind KIIDs und VIBs gesetzlich zwingend von<br />

der Kapitalanlagegesellschaft bzw. dem Anbieter zu erstellen.<br />

Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Aufgabenzuweisung<br />

sollten auch allein die Ersteller für den Inhalt verantwortlich<br />

sein.<br />

Da die beratende Bank für eine über die Prospektangaben<br />

hinausgehende Prüfung des KIID oder VIB außerdem<br />

auf Informationen des jeweiligen Erstellers angewiesen<br />

wäre, auf die die Bank nicht ohne Weiteres Zugriff hat,<br />

ist eine umfassende inhaltliche Prüfung durch die Bank<br />

kaum möglich. Ferner hängt der Inhalt der Informationsblätter<br />

von subjektiven Einschätzungen ab, die der Ersteller<br />

zu treffen hat und die das beratende Institut nicht auf<br />

Richtigkeit überprüfen kann.<br />

Somit dürfte die BaFin von den beratenden Instituten<br />

kaum mehr als eine Prüfung der KIIDs und VIBs auf offensichtliche<br />

Fehler hin erwarten können. Ein Bedürfnis an der<br />

aufsichtsrechtlichen Kontrolle der Anlageberater besteht<br />

insoweit auch nicht, da die Ersteller der KIIDs und VIBs<br />

selbst der Aufsicht der BaFin unterliegen und die BaFin<br />

somit die Möglichkeit hat, auch an der richtigen Stelle zu<br />

reagieren.<br />

Schadensersatz bei fehlerhaften<br />

Informationsblättern<br />

Von der aufsichtsrechtlichen Verantwortlichkeit zu trennen<br />

ist die Frage, ob ein beratendes Institut von seinem Kunden<br />

im Falle der Fehlerhaftigkeit eines Informationsblatts,<br />

das von einem Dritten erstellt wurde, auf Schadensersatz<br />

in Anspruch genommen werden kann.<br />

Da „Beipackzettel“ eine vollständige und umfassende Aufklärung<br />

des Anlegers gerade nicht bezwecken, wird eine<br />

Schadensersatzhaftung der beratenden Bank allein aufgrund<br />

der Fehlerhaftigkeit eines Informationsblatts überwiegend<br />

abgelehnt.<br />

Für eine Haftung der beratenden Bank ist unseres Erachtens<br />

allein die Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung<br />

maßgeblich. Danach ist eine Bank zwar insbesondere<br />

verpflichtet, den Prospekt über die von ihr angebotenen<br />

Kapitalanlagen mehr als nur einer Plausibilitätskontrolle<br />

zu unterziehen. Diese Erwägung kann jedoch nicht auf die<br />

Informationsblätter übertragen werden, da diese von vornherein<br />

auf eine Auswahl und Gewichtung einzelner Informationen<br />

für den Anleger ausgelegt sind.<br />

Für KIIDs und VIBs kann auch vor diesem Hintergrund nur<br />

eine Plausibilitätskontrolle daraufhin verlangt werden, ob<br />

die Angaben mit dem Prospekt übereinstimmen. Bei PIBs<br />

dürfte unseres Erachtens ein etwas strengerer Maßstab<br />

anzulegen sein, da nach Auffassung der BaFin hier grundsätzlich<br />

das Institut die Verantwortung für den Inhalt trägt.<br />

So dürfte ein fehlerhaftes PIB vor Gericht eine Indizwirkung<br />

für eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung entfalten,<br />

die das Institut erst widerlegen müsste.<br />

Roman A. Becker, Rechtsanwalt<br />

Steffen Follner, Rechtsanwalt<br />

Fazit:<br />

Bei der Verwendung von KIIDs und VIBs im Rahmen der<br />

Anlageberatung ist das beratende Institut unseres Erachtens<br />

nicht für deren Inhalt verantwortlich. Insoweit<br />

dürfte eine Plausibilitätskontrolle ausreichen, um die<br />

Pflichten gegenüber der Aufsicht und den Kunden zu erfüllen.<br />

Verwendet ein Institut „Beipackzettel“, die nicht<br />

von ihm selbst erstellt wurden, sollte es sich aber deren<br />

Richtigkeit und Übereinstimmung mit den gesetzlichen<br />

Anforderungen von dem jeweiligen Ersteller bestätigen<br />

lassen und mit diesem eine Vereinbarung über dessen<br />

Übernahme der Haftung im Falle der Fehlerhaftigkeit<br />

des „Beipackzettels“ treffen.<br />

<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 11


Anlageberatung<br />

Verjährungsbeginn bei Schadensersatzansprüchen wegen<br />

verschwiegener Rückvergütungen – Zu den Urteilen des BGH<br />

vom 11. September 2012 und vom 26. Februar <strong>2013</strong><br />

Wie weithin bekannt ist, hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs<br />

im September 2012 bestätigt, dass eine<br />

aufklärungspflichtige Rückvergütung (in Abgrenzung<br />

zur aus dem Anlagevermögen gezahlten Innenprovision)<br />

immer schon dann vorliegt, wenn die Zahlung aus<br />

im Verkaufsprospekt offen ausgewiesenen Provisionen<br />

(wie z.B. Ausgabeaufschlägen, Verwaltungsvergütungen,<br />

aber auch Kosten der Eigenkapitalbeschaffung) erfolgt<br />

(XI ZR 363/10). Weit weniger bekannt ist jedoch, dass<br />

dieses Urteil an „versteckter Stelle“ herausarbeitet, welche<br />

Anforderungen an die subjektiven Voraussetzungen<br />

für den Beginn der Regelverjährung (§ 199 Abs. 1<br />

BGB) solcher Schadenersatzansprüche zu stellen sind.<br />

Auch ein weiteres aktuelles Urteil vom 26. Februar <strong>2013</strong><br />

(XI ZR 498/11) enthält zu dieser Frage entscheidende<br />

Klarstellungen.<br />

In dem der erstgenannten Entscheidung zu Grunde liegenden<br />

Fall hatte der Kläger sich im September 1998 auf<br />

Anraten der Beklagten an einem geschlossenen Immobilienfonds<br />

beteiligt. Dabei war der Kläger von der Beklagten<br />

nicht auf von dieser empfangene Rückvergütungen<br />

in Höhe von 7 % des eingesetzten Eigenkapitals<br />

hingewiesen worden, die aus den im Prospekt offen<br />

ausgewiesenen „Kosten der Eigenkapitalbeschaffung“ erfolgte.<br />

Der XI. Zivilsenat hat die Sache mangels Feststellungen<br />

des Berufungsgerichts zu den subjektiven Voraussetzungen<br />

des Verjährungsbeginns (§ 199 Abs. 2 BGB) zur<br />

neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht<br />

zurückverwiesen. Nach dieser Vorschrift beginnt<br />

die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der<br />

Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den<br />

Anspruch begründenden Umständen und der Person des<br />

Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit<br />

erlangen müsste. Dabei erläuterte der XI. Zivilsenat<br />

diese subjektiven Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn<br />

zwar nicht näher, verwies jedoch hierzu auf zwei<br />

Oberlandesgerichtsurteile.<br />

Diesen zitierten Entscheidungen ist gemein, dass von einer<br />

Kenntnis oder zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis<br />

des Anlegers von dem Erhalt von Rückvergütungen<br />

bereits ab demjenigen Zeitpunkt auszugehen ist, zu dem<br />

der Anleger (zum Beispiel im Beratungsgespräch über eine<br />

spätere, vergleichbare Anlage) von der Provisionspraxis<br />

der anlageberatenden Bank Kenntnis erlangt. Dies gilt<br />

selbst dann, wenn ihm die Höhe der Rückvergütung nicht<br />

offen gelegt wird. Dass die Kenntnis des Anlegers von<br />

der Höhe der Rückvergütung für den Verjährungsbeginn<br />

nicht erforderlich ist, hat der BGH in seinem Urteil vom<br />

26. Februar <strong>2013</strong> nochmals ausdrücklich bestätigt.<br />

Von der Kenntnis des Anlegers ist nach der vom BGH<br />

zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung insbesondere<br />

dann auszugehen, wenn der Berater mit ihm vereinbart<br />

(oder ihm ankündigt), ihn an dem Entgelt, das er für seine<br />

erfolgreiche Anlageempfehlung erhält, zu beteiligen.<br />

In einem der beiden vom XI. Zivilsenat zitierten Fälle<br />

erhielt der Anleger, der bei der anlageberatenden Bank<br />

beschäftigt war, bei einem späteren Erwerb eines vergleichbaren<br />

Produkts von der Bank aufgrund seiner<br />

„Betriebszugehörigkeit“ ein Fünftel der von dieser erhaltenen<br />

Provision gutgeschrieben, wobei die Zahlung im<br />

Buchungstext als „Provision aus Zeichnung …“ bezeichnet<br />

wurde. Im zweiten vom XI. Zivilsenat zitierten Fall setzte<br />

der Anleger in den Verhandlungen mit dem (hier: freien)<br />

Anlageberater durch, dass dieser einen Teil der Provision<br />

für die erfolgreiche Anlagevermittlung an ihn weiterleitet,<br />

wobei nur über die Höhe des weitergeleiteten Teilbetrags,<br />

nicht dagegen über den Gesamtbetrag der Rückvergütung<br />

gesprochen wurde.<br />

Unklar bleibt dagegen nach den Urteilen des BGH und<br />

der von ihm zitierten Rechtsprechung, ob von einer den<br />

Verjährungsbeginn begründenden Kenntnis des Anlegers<br />

von der Provisionspraxis der Bank auch in Fällen ausgegangen<br />

werden kann, in denen eine Provision der anlageberatenden<br />

Bank nicht ausdrücklich dokumentiert ist,<br />

weil keine Vereinbarung über die Weiterleitung eines Teils<br />

der erhaltenen Provision, sondern z.B. nur eine Reduzierung<br />

des Agios erfolgt ist. Hier dürfte jedenfalls eine<br />

Kenntnis des Anlegers von den anspruchsbegründenden<br />

Tatsachen schwer zu beweisen sein, da der Grund für die<br />

12 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>


Befugnis der anlageberatenden Bank zur Reduzierung<br />

des Agios für den Kunden ein nicht ohne Weiteres durchschaubares<br />

Internum bleibt. Etwas anderes dürfte aber<br />

gelten, wenn der Kunde etwa selbst unter Berufung auf<br />

seine Eigenschaft als „guter Kunde“ auf eine Reduzierung<br />

des Agios gedrängt hatte.<br />

Roman A. Becker, Rechtsanwalt<br />

Fazit:<br />

Angesichts der vom XI. Zivilsenat bestätigten Tendenzen<br />

in der obergerichtlichen Rechtsprechung sollten wegen<br />

erhaltener Rückvergütungen unter dem Gesichtspunkt<br />

der Falschberatung in Anspruch genommene Institute<br />

auch in Fällen, in denen originär nicht über den Erhalt<br />

und die Höhe geflossener Rückvergütungen aufgeklärt<br />

worden war, in jedem Fall individuell prüfen, ob sich<br />

beweisbare Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Anleger<br />

zwischenzeitlich vom Provisionsinteresse der Bank<br />

Kenntnis erlangt hat und seine Ansprüche deshalb mittlerweile<br />

verjährt sind.<br />

Anlageberatung<br />

Anforderungen an die Prüfung von Prospekten –<br />

BGH bestätigt ständige Rechtsprechung<br />

Banken haben bei der Anlageberatung vielfältige gesetzliche<br />

und durch die Rechtsprechung vorgegebene<br />

Anforderungen zu erfüllen. Grundlegendes Erfordernis<br />

ist, dass der Kunde anleger- und objektgerecht beraten<br />

wird. Hiernach sind insbesondere im Rahmen der objektgerechten<br />

Beratung diejenigen Eigenschaften und<br />

Risiken des Anlageobjekts aufzuzeigen, die für die Anlageentscheidung<br />

des konkreten Kunden wesentliche Bedeutung<br />

haben oder haben können.<br />

Besondere Anforderungen werden an die Banken in Bezug<br />

auf die konkrete Prüfung der Kapitalanlage und der wichtigsten<br />

Informationsgrundlage, des Verkaufsprospekts,<br />

gestellt. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich seine ständige<br />

Rechtsprechung bestätigt, wonach von den Banken eine<br />

über die reine Plausibilitätsprüfung hinausgehende bankübliche<br />

und kritische Prüfung der Darstellung der empfohlenen<br />

Anlage im Prospekt verlangt wird. Hierzu haben die<br />

Banken den Prospekt auf Unstimmigkeiten, Lücken und<br />

Fehler zu untersuchen. Nicht ausreichend ist es, sich auf<br />

Einschätzungen oder Berichte etwa eines Wirtschaftsprüfers<br />

oder Steuerberaters zu verlassen. Zulässig ist aber, die<br />

Prüfung auf Dritte wie z.B. den Genossenschaftsverband<br />

auszulagern.<br />

Ist der Prospekt schlüssig und plausibel, haben sich die<br />

Banken zudem aktuelle Informationen über die gegenständliche<br />

Anlage zu verschaffen. Dazu gehört die Auswertung<br />

einschlägiger Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse,<br />

wozu das Handelsblatt, die Börsenzeitung und die<br />

FAZ zählen. Unter Umständen sind aber auch Warnhinweise<br />

in Informationsblättern wie dem Gerlach-Report zu<br />

berücksichtigen.<br />

Die Bank kann von einer Prüfung des Prospekts absehen.<br />

In diesem Fall ist der Anleger hierüber zu informieren. Eine<br />

Haftung der Banken wird dabei von der Rechtsprechung<br />

dann bejaht, wenn bei einer banküblichen und kritischen<br />

<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 13


Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das<br />

der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen oder aber die<br />

Empfehlung nicht anleger- und objektgerecht war.<br />

Jens-Hendrik Janzen, LL.M. Rechtsanwalt<br />

Fazit:<br />

Der Bundesgerichtshof bestätigte jüngst seine Vorgaben<br />

zur Prüfung von Prospekten. Eindeutig ist, dass eine reine<br />

Plausibilitätsprüfung nicht ausreicht, sondern eine<br />

bankübliche kritische Prüfung zu erfolgen hat. In Anbetracht<br />

eines immer breiter werdenden Angebots an<br />

Kapitalanlagen kann es sich für Banken anbieten, die<br />

Prüfung auf Dritte auszulagern. Wesentlicher Vorteil ist,<br />

dass hierdurch erhebliche Ressourcen eingespart werden<br />

können. Bei der Auslagerung der Prüfung ist aber<br />

sicherzustellen, dass eine Schadloshaltung gegenüber<br />

Dritten im Falle der Inanspruchnahme durch Anleger<br />

vertraglich rechtssicher vereinbart wird. Nicht ratsam<br />

ist es, von einer Prospektprüfung durch die Bank abzusehen<br />

und diese Anlage trotz des Hinweises auf die unterlassene<br />

Prüfung zu empfehlen.<br />

Insolvenzrecht/Workout<br />

Massive Einschränkungen für Banken bei Konsumentenkrediten<br />

durch die 2. Stufe der Insolvenzrechtsreform<br />

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein „Gesetz<br />

zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und<br />

zur Stärkung der Gläubigerrechte“ sieht unter anderem<br />

die Abschaffung des sogenannten „Lohnabtretungsprivilegs“<br />

vor. Der Gesetzgeber plant damit – unter Hinweis<br />

auf die beabsichtigte Stärkung der Gleichbehandlung der<br />

Gläubiger – einen massiven Eingriff in die Möglichkeiten<br />

der Banken zur Vergabe von Konsumentenkrediten.<br />

Ziele des Reformvorhabens<br />

Der Gesetzentwurf sieht die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens<br />

von derzeit sechs Jahren auf drei Jahre<br />

vor, sofern der Schuldner in der Lage ist, die Verfahrenskosten<br />

sowie 25 % der Insolvenzforderungen zu begleichen.<br />

Für den Fall, dass er zumindest die Verfahrenskosten begleichen<br />

kann, kann ihm Restschuldbefreiung bereits nach fünf<br />

Jahren gewährt werden. In allen übrigen Fällen soll es bei<br />

der sechsjährigen Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens<br />

bleiben. Hierdurch sollen die Chancen eines Neustarts<br />

des Schuldners etwa nach einer gescheiterten Existenzgründung<br />

erhöht werden. Daneben sollen die Gläubigerrechte<br />

gestärkt werden, indem dem Schuldner ein Anreiz gegeben<br />

wird, möglichst viel zu bezahlen. Im Zuge dessen beabsichtigt<br />

der Gesetzentwurf die Gleichbehandlung gesicherter<br />

und ungesicherter Gläubiger durch die Abschaffung des<br />

Lohnabtretungsprivilegs des § 114 InsO.<br />

Bislang Besicherung von Verbraucherdarlehen<br />

durch Lohnabtretung insolvenzfest<br />

§ 114 InsO in seiner derzeitigen Fassung sieht vor, dass<br />

die Abtretung oder Verpfändung von Lohn- und Gehaltsansprüchen<br />

für die Dauer von zwei Jahren nach Eröffnung<br />

eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Sicherungsgebers<br />

wirksam ist, d.h. dass in diesem Fall sämtliche<br />

pfändbaren Bezüge im 2-Jahres-Zeitraum dem bevorrechtigten<br />

Lohnabtretungsgläubiger zustehen. Die Vorschrift<br />

stellt eine Ausnahme zu § 91 Abs. 1 InsO dar, wonach<br />

Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse – und<br />

damit auch an zukünftig entstehenden Lohn- und Gehaltsansprüchen<br />

– nach Verfahrenseröffnung nicht mehr wirksam<br />

erworben werden können. Die Lohnabtretung ist daher<br />

ein probates und gängiges Mittel der Kreditsicherung<br />

und regelmäßig durch AGB in den Darlehensvertrag einbezogen.<br />

Gerade für die Vergabe von Konsumentenkrediten<br />

zum Erwerb von z.B. Kraftfahrzeugen, Einrichtungsgegenständen<br />

oder zur Finanzierung von Umbaumaßnahmen an<br />

Immobilien ist die Lohnabtretung häufig die einzige Kreditsicherheit.<br />

Gleichstellung gesicherter und ungesicherter<br />

Gläubiger durch die Gesetzesreform<br />

Der Gesetzentwurf sieht nunmehr vor, dass § 114 InsO<br />

ersatzlos gestrichen wird, da andernfalls die beabsichtig-<br />

14 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>


abtretung Verbraucherdarlehen zu günstigen Konditionen<br />

bereitstellen und hat damit maßgeblich zur Stützung der<br />

Konjunktur durch verstärkten Konsum beigetragen. Bei<br />

Abschaffung des Lohnabtretungsprivilegs durch die Gesetzesreform<br />

wird aus Sicht des Verbrauchers seine Kreditfähigkeit<br />

eingeschränkt, was wiederum zu einer Verteuerung<br />

von Krediten und zur Verschlechterung der Konditionen<br />

für ihn führt.<br />

Jost Rudersdorf, Rechtsanwalt<br />

Fazit:<br />

Die Reform des Verbraucherinsolvenzrechts sieht die<br />

Streichung des Lohnabtretungsprivilegs nach § 114 InsO<br />

vor. Aus Sicht der kreditgebenden Banken würde hierdurch<br />

die Werthaltigkeit von bislang AGB-mäßig vereinbarten<br />

Lohnabtretungen von Verbrauchern signifikant<br />

sinken. Kreditvergaben an Verbraucher dürften dann<br />

nur noch sehr zurückhaltend und zu für den Darlehensnehmer<br />

deutlich ungünstigeren Konditionen genehmigt<br />

werden. Es wäre insbesondere darauf zu achten, dem<br />

Darlehensnehmer die Stellung werthaltiger Sicherheiten<br />

abzuverlangen. Die von Seiten der Kreditwirtschaft und<br />

aus dem insolvenzrechtlichen Schrifttum geäußerte Kritik<br />

am Gesetzentwurf wurde bislang nicht berücksichtigt.<br />

Es steht zu erwarten, dass sich der Bundestag mit<br />

dem Gesetzentwurf in der derzeit vorliegenden Fassung<br />

in der ersten Jahreshälfte <strong>2013</strong> abschließend befassen<br />

wird. Kreditinstitute werden also gezwungen sein, ihre<br />

Vergabepraxis bei Konsumentenkrediten umfassend zu<br />

überdenken und nötigenfalls auf neue Grundlagen zu<br />

stellen.<br />

Insolvenzrecht/Workout<br />

Praxis-Info: Entfristung des<br />

insolvenzrechtlichen Überschuldungsbegriffs<br />

Die Befristung des derzeit geltenden Überschuldungsbegriffs<br />

wurde im Rahmen der Beschlussfassung über das<br />

„Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im<br />

Zivilprozess“ aufgehoben. Der bisher bis zum 31. Dezember<br />

<strong>2013</strong> geltende Überschuldungsbegriff des § 19 Abs. 2<br />

InsO, welcher aus dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz<br />

vom 17. Oktober 2008 als Folge der Weltwirtschaftskrise<br />

hervorging, wird also über das Jahresende <strong>2013</strong> hinaus unbefristet<br />

Bestand haben.<br />

Eine positive Fortführungsprognose schließt daher auch<br />

zukünftig eine insolvenzrechtliche Überschuldung aus.<br />

Hiermit soll sichergestellt werden, dass am Markt voraussichtlich<br />

lebensfähige Unternehmen keinen Insolvenzantrag<br />

stellen müssen.<br />

Begründet wird die Entfristung damit, dass sich § 19 Abs. 2<br />

InsO in der derzeit geltenden Fassung in der Praxis bete<br />

Verkürzung des Verfahrens und die Mindestquote von<br />

25 % konterkariert werde. Darüber hinaus erfordere die<br />

Gleichbehandlung der Gläubiger die Abschaffung des<br />

Lohnabtretungsprivilegs. Konsequenz dieser Abschaffung<br />

wäre somit, dass die Lohn- und Gehaltsbezüge ungekürzt<br />

in die Insolvenzmasse einflössen und somit gleichmäßig<br />

auf alle Gläubiger verteilt werden könnten. Der Gesetzentwurf<br />

beachtet jedoch nicht, dass – wie oben ausgeführt –<br />

die Lohnabtretung oftmals die einzige Kreditsicherheit<br />

des „kleinen Mannes“ ist. Die Kreditwirtschaft konnte<br />

bislang im Vertrauen auf die Insolvenzfestigkeit der Lohnwährt<br />

und die relative Mehrheit der „befragten Experten“<br />

eine dauerhafte Beibehaltung des derzeit geltenden Überschuldungsbegriffes<br />

befürwortet habe. Eine Rückkehr zum<br />

„alten“ Überschuldungsbegriff, der vor dem 17. Oktober<br />

2008 galt, hätte bei einer Vielzahl von Unternehmen zur<br />

Feststellung einer Insolvenzantragspflicht aufgrund Überschuldung<br />

geführt.<br />

Für Banken gilt daher im Rahmen der Kreditvergabe an<br />

krisenbefangene Unternehmen: Wenn die rechnerische<br />

Überschuldung vorliegt, hat der Schuldner zumindest ein<br />

dem IDW-Standard S 6 entsprechendes Gutachten über<br />

eine positive Fotführungsprognose vorzulegen, um eine<br />

Haftung der Bank wegen Insolvenzverschleppung zu vermeiden.<br />

Dr. Jasmin Urlaub, Rechtsanwältin<br />

<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 15


Insolvenzrecht/Workout<br />

Ein Jahr ESUG –<br />

Wie sich das neue Insolvenzrecht in der Praxis bewähr<br />

Der Gesetzgeber hat jedenfalls teilweise sein Ziel erreicht,<br />

dass Schuldner rechtzeitig Insolvenzantrag stellen. Immer<br />

mehr Unternehmen nutzen die Instrumente Schutzschirmverfahren<br />

und Eigenverwaltung zur Restrukturierung<br />

und Sanierung.<br />

Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung<br />

der Sanierung von Unternehmen (ESUG) im März letzten<br />

Jahres führte die Insolvenz in Eigenverwaltung ein Schattendasein.<br />

Gerade einmal elf Anträge auf Anordnung<br />

der Eigenverwaltung wurden in 2011 deutschlandweit<br />

gestellt. Ein wesentlicher Vorteil dieses Verfahrens: Der<br />

Geschäftsführer kann auch nach dem Insolvenzantrag<br />

das Unternehmen weiter führen. Er muss die Geschicke<br />

des Unternehmens nicht in fremde Hände geben, wovor<br />

viele Firmenlenker zurückschrecken. Schließlich konnten<br />

sich vor der Insolvenzrechtsreform weder Schuldner noch<br />

Gläubiger sicher sein, dass das Gericht einen Verwalter einsetzt,<br />

der die Fortführung des Unternehmens favorisiert.<br />

Als Hindernis für die Insolvenz in Eigenverwaltung hatte<br />

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger den<br />

Umstand ausgemacht, dass bislang mit der Einsetzung<br />

eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Eröffnungsverfahren<br />

häufig bereits eine Vorentscheidung gegen die Eigenverwaltung<br />

getroffen wurde.<br />

Um die Eigenverwaltung in Deutschland zu stärken, hat<br />

der Gesetzgeber nunmehr eine Regelung eingeführt, nach<br />

der im Eröffnungsverfahren eine sogenannte „vorläufige<br />

Eigenverwaltung“ angeordnet werden kann. Anstelle des<br />

vorläufigen Insolvenzverwalters wird ein vorläufiger Sachwalter<br />

eingesetzt, dem keine größeren Befugnisse zustehen<br />

als dem „endgültigen“ Sachwalter. Er hat nur eine<br />

Aufsichtsfunktion. Jedenfalls bei größeren Unternehmen<br />

wählt ihn der vorläufige Gläubigerausschuss aus.<br />

Als zweites Instrument, das Schuldnern den Gang zum<br />

Insolvenzgericht erleichtern soll, hat der Gesetzgeber das<br />

sogenannte „Schutzschirmverfahren“ als Spezialfall der<br />

vorläufigen Eigenverwaltung eingeführt. Dabei muss ein<br />

Experte dem Unternehmen bescheinigen, dass noch keine<br />

Zahlungsunfähigkeit vorliegt und eine Sanierung nicht offensichtlich<br />

aussichtslos ist. Liegen diese Voraussetzungen<br />

vor, kann sich der Schuldner den vorläufigen Sachwalter<br />

selbst aussuchen. Die Unternehmen haben drei Monate<br />

Zeit, um einen Sanierungsplan auszuarbeiten und sind<br />

solange vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger<br />

geschützt. Findet er die Zustimmung der Gläubigerversammlung,<br />

schließt sich ein Insolvenzplanverfahren in<br />

Eigenverwaltung an.<br />

Mehr Anträge auf Eigenverwaltung<br />

Die Maßnahmen des Gesetzgebers zeigen Wirkung: Im<br />

Jahr 2012 wurden bereits 170 Anträge auf Eigenverwaltung<br />

gestellt, wobei 82 Anträge die Durchführung eines Schutzschirmverfahrens<br />

beinhalteten. Dabei erstreckte sich die<br />

Eigenverwaltung auch auf börsennotierte Unternehmen<br />

wie dem Solaranlagenbauer Centrotherm AG, der sich<br />

über ein Schutzschirmverfahren und eine Insolvenz in Eigenverwaltung<br />

saniert hat. Bei dem Holzverarbeiter Pfleiderer<br />

AG war die Anwendung des neuen Insolvenzrechts<br />

ebenfalls hilfreich, um das Verfahren zu beschleunigen<br />

und die Übernahme durch die Luxemburger Beteiligungsgesellschaft<br />

Atlantik zu vereinfachen. Die Deutschland-<br />

Tochter des IT-Unternehmens NextiraOne hat das Schutzschirmverfahren<br />

als letzte Chance für einen erfolgreichen<br />

Turnaround genutzt.<br />

Ein wesentlicher Grund für den Erfolg der Neuregelung<br />

ist, dass durch die Etablierung der Eigenverwaltung den<br />

16 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>


Schuldnern teilweise die Angst vor einem Kontrollverlust<br />

in der Insolvenz genommen werden kann. Da die Eigenverwaltung<br />

regelmäßig im Falle einer Insolvenzverschleppung<br />

nicht angeordnet wird, besteht ein Anreiz zu einer frühzeitigen<br />

Insolvenzantragstellung. Dies begünstigt wiederum<br />

das Gelingen der Sanierung des Unternehmens.<br />

Enge Abstimmung mit Gläubigern notwendig<br />

Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg ist die rechtzeitige<br />

Abstimmung des Sanierungsvorhabens mit den<br />

wesentlichen Gläubigern. Hierzu wird nach neuem Recht<br />

bei Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung bereits<br />

im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Gläubigerausschuss<br />

eingesetzt. In jedem dritten Schutzschirmverfahren<br />

wurde ein solcher vorläufiger Gläubigerausschuss gebildet,<br />

in der vorläufigen Eigenverwaltung war dies sogar in<br />

52 % der Verfahren der Fall.<br />

Insolvenzplan rechtzeitig vorbereiten<br />

In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Erarbeitung eines<br />

Insolvenzplans in der Frist von drei Monaten sehr ambitioniert<br />

ist und daher einer professionellen Vorbereitung bedarf.<br />

Das Sanierungskonzept und der Insolvenzplan sollten<br />

im Zeitpunkt der Antragstellung in ihren Grundzügen<br />

feststehen und idealerweise mit den wesentlichen Gläubigern<br />

vorabgestimmt sein. Fehlt es an dieser Vorbereitung,<br />

dürfte die vorläufige Eigenverwaltung vom Gericht kaum<br />

angeordnet werden.<br />

Zwar hat der Schuldner im Rahmen des Schutzschirmverfahrens<br />

die Möglichkeit, die Person des vorläufigen Sachwalters<br />

selbst zu bestimmen. Die Sanierung setzt jedoch<br />

eine einvernehmliche Regelung mit den wesentlichen Gläubigern<br />

voraus. Aus diesem Grund sollte auch die Person<br />

des vorläufigen Sachwalters mit den wesentlichen Gläubigern<br />

und dem vorläufigen Gläubigerausschuss abgestimmt<br />

werden.<br />

Formale Hürden<br />

Vor der Anordnung des „Schutzschirmverfahrens“ sind<br />

Hürden zu überwinden, welche in der Praxis zu einer nicht<br />

hinnehmbaren Verzögerung führen können. Das gilt beispielsweise<br />

für die Bescheinigung, welche bestätigt, dass<br />

das Sanierungsvorhaben nicht offensichtlich aussichtslos<br />

ist. Die Gerichte setzen teilweise Gutachter zur Überprüfung<br />

der Richtigkeit der Bescheinigung ein. Allein der<br />

hierdurch entstehende Zeitverlust kann den Erfolg einer<br />

Sanierung gefährden. In der Praxis ist daher häufig die<br />

vorläufige Eigenverwaltung ohne „Schutzschirmantrag“<br />

vorzugswürdig.<br />

Einstieg (ausländischer) Investoren erleichtert<br />

Abgesehen von den Vorteilen für die Schuldner hat die<br />

Insolvenzrechtsreform neue Möglichkeiten für in- und<br />

ausländische Investoren geschaffen, die Unternehmen<br />

aus der Insolvenz übernehmen wollen. Die Möglichkeit,<br />

Forderungen im Wege eines Debt to Equity-Swap in Gesellschaftsbeteiligungen<br />

umzuwandeln, schafft eine klare<br />

gesetzliche Grundlage, die auch für viele mittelständische<br />

Unternehmen eine Sanierung erleichtert. Beispiele für die<br />

Attraktivität eines Kaufs insolventer mittelständischer Unternehmen<br />

durch ausländische Investoren sind die Übernahme<br />

des Automobilzulieferers GIW aus Heilbronn durch<br />

den chinesischen Werkzeugbauer TQM oder der Erwerb<br />

der Ziemann-Gruppe, eines Brauereiausstatters aus Ludwigsburg,<br />

durch den niederländischen Tankhersteller<br />

Holvrieka.<br />

Dr. Frank Schäffler, Rechtsanwalt<br />

Dr. Jasmin Urlaub, Rechtsanwältin<br />

Fazit:<br />

Das ESUG hat die Insolvenzpraxis durchaus verändert.<br />

Die Eigenverwaltung wird als Instrument für eine erfolgreiche<br />

Sanierung und Restrukturierung immer häufiger<br />

genutzt. Professionelle Vorbereitung und Abstimmung<br />

mit allen Beteiligten sind eine wesentliche Voraussetzung<br />

für erfolgreiche Sanierungen. Bei allen Vorteilen darf jedoch<br />

nicht vergessen werden, dass die Eigenverwaltung<br />

nicht immer die richtige Lösung für Unternehmen in<br />

Schwierigkeiten ist: Wenn die Zahlungsschwierigkeiten<br />

beispielsweise nicht nur kurzfristiger Natur sind und seit<br />

Jahren Probleme bestehen, kann ein Insolvenzverwalter<br />

harte Sanierungsmaßnahmen ggf. besser durchsetzen<br />

als das Management.<br />

<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 17


Insolvenzrecht/Workout<br />

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“:<br />

Keine Verschnaufpause bei Verlängerung eines Darlehens<br />

Welche Anfechtungsrisiken bestehen für die Bank, wenn<br />

ein gewährtes Darlehen aufgrund von Umschuldungsverhandlungen<br />

zwischen dem Schuldner und einer anderen<br />

Bank verlängert wird und die Bank in der Zwischenzeit<br />

Zahlungen des Schuldners entgegennimmt? Diese Fragen<br />

werden in einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs<br />

behandelt.<br />

Zum Sachverhalt<br />

Eine Sparkasse gewährte der A-GmbH zur Finanzierung<br />

ihres Geschäftsbetriebes ein am 30. Dezember 2002 fälliges<br />

Darlehen in Höhe von ca. EUR 2,7 Mio. Ende Dezember<br />

2002 teilte die Sparkasse der A-GmbH mit, sie sei<br />

bereit, das Darlehen um drei Monate zu verlängern. Die<br />

Rückführung des Darlehens konnte jedoch auch nach dieser<br />

Verlängerung nicht durch eigene Mittel der Schuldnerin<br />

erfolgen. Deshalb stand die Schuldnerin nach eigener Aussage<br />

bereits zu diesem Zeitpunkt mit einer anderen Bank<br />

in kurz vor dem Abschluss stehenden Verhandlungen über<br />

eine Umschuldung und Ablösung des Darlehens. Aufgrund<br />

dieser Verhandlungen wurde das Darlehen zunächst fortgeführt,<br />

indem nach Ablauf der Verlängerung seitens der<br />

Sparkasse keine Verzugszinsen berechnet wurden. Noch im<br />

Juni 2003 sprach die Sparkasse von „zur Zeit ungeregeltem“<br />

und „bislang noch geduldetem Kreditengagement“.<br />

Die A-GmbH leistete bereits in den Monaten März, April<br />

und Mai 2003 geringe Teilzahlungen an die Sparkasse. Das<br />

Darlehen wurde letztlich jedoch durch einen Dritten in Erfüllung<br />

einer von diesem abgegebenen Patronatserklärung<br />

zurückgezahlt. Am 1. Dezember 2003 wurde schließlich<br />

das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH<br />

eröffnet. Der Insolvenzverwalter nahm die Sparkasse im<br />

Wege der Insolvenzanfechtung auf Erstattung der drei geleisteten<br />

Zahlungen in Anspruch.<br />

Die Entscheidung<br />

Der BGH entschied, dass dem Schuldner trotz einer gewährten<br />

Verlängerung des Darlehens die Zahlungsunfähigkeit<br />

drohen kann, wenn die geführten Verhandlungen über<br />

die Umschuldung keine sichere Aussicht auf Erfolg bieten.<br />

Die Gefahr einer Vorsatzanfechtung kann dann nicht ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Rechtshandlungen, die vom Schuldner in den letzten zehn<br />

Jahren vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

oder danach mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen<br />

werden, sind anfechtbar, wenn der andere Teil<br />

zum Zeitpunkt der Handlung den Vorsatz des Schuldners<br />

kannte. Auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz kann<br />

geschlossen werden, wenn der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit<br />

kannte. Ein starkes Beweiszeichen hierfür stellt<br />

auch die vom Schuldner erkannte drohende Zahlungsunfähigkeit<br />

dar. Verneint wird dieser Vorsatz nur dann, wenn<br />

aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Abwendung<br />

der Krise – sei es durch Erhalt eines Kredits oder Realisieren<br />

einer Forderung – gerechnet werden kann.<br />

Alleine die Nichtzahlung einer fälligen Forderung begründet<br />

aber noch keine Zahlungsunfähigkeit. Erforderlich ist<br />

vielmehr eine die Fälligkeit begründende Handlung des<br />

Gläubigers, nach der dieser zu verstehen gibt, dass er die<br />

Erfüllung vom Schuldner verlangt. Nach Ablauf der Verlängerung<br />

des Darlehens bedarf es jedoch gerade keiner<br />

weiteren Rechtshandlung im Sinne eines solchen Einforderns.<br />

Denn hier gilt der Grundsatz, dass der Schuldner<br />

auch ohne Mahnung in Verzug gerät, wenn für eine Leistung<br />

ein bestimmtes Datum bestimmt ist. Der Gläubiger<br />

darf in diesem Fall von der pünktlichen Erfüllung seiner<br />

Forderung ausgehen.<br />

18 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>


Der BGH hat ausgeführt, die Zahlungsunfähigkeit der A-<br />

GmbH habe zum Zeitpunkt aller angefochtenen Zahlungen<br />

gedroht. Die Stundung der Darlehensrückzahlung hatte ihren<br />

Grund in den Umschuldungsverhandlungen mit einer<br />

anderen Bank und war durch diese begrenzt. Anhaltspunkte,<br />

wonach die Stundung nach Scheitern der Verhandlungen<br />

fortdauern sollte, sind nicht ersichtlich. Es war damit<br />

absehbar, dass die A-GmbH zahlungsunfähig sein würde,<br />

sobald die Ablöseverhandlungen scheiterten. Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz<br />

liegt nach dem BGH nur dann<br />

nicht vor, wenn die A-GmbH die sichere Erwartung hätte<br />

haben dürfen, dass die Ablöseverhandlungen alsbald abgeschlossen<br />

sein würden, die Darlehensverbindlichkeit mit<br />

den neuen Mitteln getilgt und sämtliche übrigen fälligen<br />

Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden können.<br />

Sabrina Reußink, Rechtsanwältin<br />

Fazit:<br />

Stundet die Bank ein Darlehen aufgrund von Umschuldungsverhandlungen<br />

mit einer anderen Bank, sollte<br />

stets im Auge behalten werden, dass eine Verlängerung<br />

des Darlehens eine drohende Zahlungsunfähigkeit nicht<br />

zwingend ausschließt. Die Gefahr einer Vorsatzanfechtung<br />

bleibt demnach bestehen.<br />

In eigener Sache<br />

Veranstaltungshinweis:<br />

Bankendialog am 17. Oktober <strong>2013</strong><br />

Auch in diesem Jahr findet wieder unser <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong><br />

Bankendialog statt.<br />

Wir bitten Sie, sich den 17. Oktober <strong>2013</strong> vorzumerken.<br />

Einladung und nähere Informationen werden Ihnen persönlich<br />

zugehen.<br />

Impressum<br />

Verleger: <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> Partnerschaft, Rheinstahlstraße 3, 70469 Stuttgart, Telefon +49 711 86040-00, Telefax +49 711 86040-01<br />

kontakt@menoldbezler.de V. i. S. d. P.: Roman A. Becker, Jost Rudersdorf, <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> Partnerschaft, roman.becker@menoldbezler.de,<br />

jost rudersdorf@menoldbezler.de Redaktion: Roman A. Becker, Jost Rudersdorf Gestaltung und Produktion: Team by Krämer Eckl, www.tbke.de<br />

In den einzelnen Beiträgen können die angesprochenen Themen nur schlagwortartig und in gedrängter Kürze dargestellt werden. Die Lektüre ersetzt also in<br />

keinem Fall die individuelle Rechtsberatung. Sollten Sie Beratungs- oder Handlungsbedarf erkennen, sprechen Sie bitte den Ihnen vertrauten Anwalt bei <strong>Menold</strong><br />

<strong>Bezler</strong> an. Für Fragen, Anregungen und Kritik zu dieser Mandanteninformation haben wir jederzeit ein offenes Ohr.<br />

<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Bankeninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 19


Ihre persönlichen Ansprechpartner<br />

Allgemeines Bank- und Bankaufsichtsrecht,<br />

Finanzierungstransaktionen<br />

Insolvenzrecht,<br />

Workout<br />

Roman A. Becker<br />

Rechtsanwalt, Partner<br />

Telefon +49 711 86040-530<br />

Telefax +49 711 86040-01<br />

roman.becker@menoldbezler.de<br />

Dr. Frank Schäffler<br />

Rechtsanwalt, Partner<br />

Telefon +49 711 86040-820<br />

Telefax +49 711 86040-130<br />

frank.schaeffler@menoldbezler.de<br />

Dr. Guido Quass<br />

Rechtsanwalt, Partner<br />

Telefon +49 711 86040-510<br />

Telefax +49 711 86040-130<br />

guido.quass@menoldbezler.de<br />

Jost Rudersdorf<br />

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Telefax +49 711 86040-130<br />

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Steffen Follner<br />

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Telefon +49 711 86040-375<br />

Telefax +49 711 86040-130<br />

steffen.follner@menoldbezler.de<br />

Dr. Jasmin Urlaub<br />

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Telefax +49 711 86040-130<br />

jens-hendrik.janzen@menoldbezler.de<br />

Sabrina Reußink<br />

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Telefon +49 711 86040-561<br />

Telefax +49 711 86040-770<br />

sabrina.reussink@menoldbezler.de<br />

Valerie Gundlach<br />

Rechtsanwältin<br />

Telefon +49 711 86040-564<br />

Telefax +49 711 86040-770<br />

valerie.gundlach@menoldbezler.de<br />

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Telefax +49 711 86040-01, kontakt@menoldbezler.de, www.menoldbezler.de<br />

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