Mandanteninformation Juli 2013 - Menold Bezler Rechtsanwälte
Mandanteninformation Juli 2013 - Menold Bezler Rechtsanwälte
Mandanteninformation Juli 2013 - Menold Bezler Rechtsanwälte
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<strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
Informationen zu aktuellen Rechtsentwicklungen<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Gewinnabführungsverträge auf dem Prüfstand – Anpassungsbedarf durch die „kleine Organschaftsreform“ 3<br />
Bilanzveröffentlichung – Geringere Bußgelder für kleine Unternehmen und mehr Rechtsschutz 4<br />
Abberufung des anderen Gesellschafter-Geschäftsführers – wer zuerst kommt, mahlt zuerst? 5<br />
Vermeintliche Aufsichtsratsmitglieder: Ist dabei sein alles?<br />
Neue Rechtsprechung zu den Auswirkungen fehlerhafter Aufsichtsratsbestellungen 6<br />
Kapitalmarktrecht<br />
AIFM-Umsetzung – Viele Unklarheiten für Alt- und Bestandsfonds 7<br />
Compliance<br />
Risikoabschätzung als Ausgangspunkt für Compliance-Maßnahmen 8<br />
Gewerblicher Rechtschutz<br />
„Modernisierung“ von Marken: EuGH stärkt Rechtsposition der Markeninhaber 12<br />
Forschungs- und Entwicklungsverträge mit Hochschulen – worauf Sie als Unternehmer achten sollten 13<br />
Arbeitsrecht<br />
Leiharbeitnehmer wählen und zählen – Kommende Betriebsratswahlen unter neuen Vorzeichen 10<br />
Kartellrecht<br />
Best-Preis-Garantien als Auslaufmodell? 15<br />
Immobilienrecht<br />
Besserer Verbraucherschutz vor übereilten Immobilienkäufen? Auswirkungen des Gesetzes zur Stärkung<br />
des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren auf den Immobilienhandel 16<br />
Wirklich gut versichert? Fallstricke bei der Versicherung vermieteter Immobilien 17<br />
Insolvenzrecht<br />
Unwirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln –<br />
Konsequenzen aus der Entscheidung des BGH vom 15.11.2012, Az. IX ZR 169/11 19<br />
Baurecht<br />
Fehler beim Schallschutz – Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung 20<br />
Architektenrecht<br />
Die neue HOAI <strong>2013</strong> – Zwei Schritte vor, einer zurück 21<br />
Vergaberecht<br />
Jetzt auch in Baden-Württemberg: Tariftreue- und Mindestlohnpflicht<br />
bei der Vergabe öffentlicher Aufträge 21<br />
In eigener Sache<br />
Veröffentlichung 23
Gesellschaftsrecht<br />
Gewinnabführungsverträge auf dem Prüfstand –<br />
Anpassungsbedarf durch die „kleine Organschaftsreform“<br />
Mit einer am 26. Februar <strong>2013</strong> in Kraft getretenen Änderung<br />
des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) hat der<br />
Gesetzgeber unter anderem die ertragsteuerliche Organschaft<br />
bei Gewinnabführungsverträgen mit einer GmbH<br />
als Tochtergesellschaft reformiert. Diese setzt nunmehr<br />
voraus, dass die Pflicht zur Übernahme von Verlusten der<br />
Tochtergesellschaft im Wege eines dynamischen Verweises<br />
auf § 302 AktG vertraglich vereinbart wird. Diese Änderung<br />
muss nicht nur beim Abschluss von neuen Gewinnabführungsverträgen<br />
beachtet werden. Vielmehr sollten<br />
Unternehmen auch die Erforderlichkeit einer Anpassung<br />
ihrer bestehenden Gewinnabführungsverträge prüfen.<br />
Denn es wurde zudem eine bis zum Jahr 2014 befristete<br />
Heilungsmöglichkeit für Altverträge eingeführt, die den<br />
bislang geltenden formalen Anforderungen an die Verlustübernahmepflicht<br />
nicht genügen. Umstritten ist, inwiefern<br />
die Gesetzesformulierung auch zur Anpassung von<br />
„guten Altverträgen“ zwingt, die den bisherigen formalen<br />
Anforderungen entsprachen.<br />
Ein Gewinnabführungsvertrag bewirkt zur Steueroptimierung<br />
innerhalb von Konzernen eine ertragsteuerliche<br />
Organschaft für die Körperschaft- und Gewerbesteuer.<br />
Hierdurch können das gewinnabführende Unternehmen<br />
(Tochtergesellschaft) und die Muttergesellschaft zusammengefasst<br />
besteuert und somit Gewinne und Verluste<br />
steuerlich auf der Ebene der Muttergesellschaft saldiert<br />
werden. Hierfür muss nach der Neuregelung bei Gewinnabführungsverträgen<br />
mit einer GmbH als Tochtergesellschaft<br />
eine Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschriften<br />
des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung<br />
vereinbart werden. In neuen Verträgen ist daher eine<br />
entsprechende Formulierung zu verwenden. Bei alten Vertragsmustern<br />
ist insofern Vorsicht geboten.<br />
Daneben eröffnet die Gesetzesnovelle eine Heilungsmöglichkeit<br />
für vor dem 26. Februar <strong>2013</strong> abgeschlossene<br />
Altverträge, die schon den bisher geltenden formalen Anforderungen<br />
an die Vereinbarung einer Verlustübernahme<br />
nicht genügen. Das Risiko der steuerlichen Nichtanerkennung<br />
kann so rückwirkend beseitigt werden. Nach der früheren<br />
Gesetzesfassung war es erforderlich, dass „eine Verlustübernahme<br />
entsprechend den Vorschriften des § 302<br />
des Aktiengesetzes vereinbart wird“. Hiernach war es – neben<br />
dem dynamischen Verweis auf § 302 AktG – möglich,<br />
den Inhalt des § 302 AktG sprachlich wiederzugeben. Ferner<br />
genügten auch sogenannte Kombinationsklauseln, in<br />
denen sowohl auf den Gewinnabführungsvertrag anwendbare<br />
Vorschriften des § 302 AktG sprachlich wiedergegeben<br />
werden als auch die entsprechende Anwendung von<br />
§ 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung angeordnet<br />
wird. Falls die Klausel dahinter zurückbleibt, kann die<br />
Heilung durch die Vereinbarung einer Verlustübernahme<br />
nach Maßgabe der gesetzlichen Neuregelung bis spätestens<br />
zum 31. Dezember 2014 erfolgen. Altverträge sollten<br />
daher vorsorglich daraufhin überprüft werden, ob die vereinbarte<br />
Verlustübernahmepflicht den formalen gesetzlichen<br />
Anforderungen genügt oder ob sich eine Änderung<br />
empfiehlt. Die Heilungsregelung ordnet ausdrücklich an,<br />
dass eine solche nachträgliche Änderung nicht als Neuabschluss<br />
gilt und die fünfjährige Mindestlaufzeit daher<br />
fortläuft.<br />
Entsprechend dem Zweck der Heilungsregelung sollten<br />
Altverträge weiterhin steuerlich anerkannt werden, wenn<br />
sie die formalen Voraussetzungen für die Formulierung<br />
der Verlustübernahmeverpflichtung gemäß der bisherigen<br />
Gesetzesfassung erfüllen. Im Schrifttum wird jedoch<br />
teilweise die Auffassung vertreten, dass bei Altverträgen<br />
immer Anpassungsbedarf besteht, wenn sie keinen oder<br />
nicht ausschließlich einen dynamischen Verweis auf § 302<br />
AktG enthalten. Dies soll auch für Altverträge gelten, deren<br />
Verlustübernahmeklausel den bisherigen Anforderungen<br />
genügt. Anderenfalls drohe die auch rückwirkende<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 3
Nichtanerkennung der Organschaft. Wenn man jedes Risiko<br />
vermeiden und besonders vorsichtig sein will, kann<br />
es sich im Hinblick auf diese Literaturstimmen anbieten,<br />
auch solche Altverträge vorsorglich anzupassen.<br />
Dr. Guido Quass, Rechtsanwalt<br />
Metin Konu, Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Neue Gewinnabführungsverträge mit einer GmbH als<br />
Tochtergesellschaft müssen den neuen formalen Anforderungen<br />
an die Formulierung der Verlustübernahmepflicht<br />
durch Aufnahme eines dynamischen Verweises<br />
auf § 302 AktG genügen. Vor dem 26. Februar <strong>2013</strong> geschlossene<br />
Altverträge sollten zur Heilung nachträglich<br />
angepasst werden, wenn sie schon den früheren formalen<br />
Anforderungen nicht genügten. Im Schrifttum wird<br />
darüber hinaus teilweise die Auffassung vertreten, dass<br />
auch alle Altverträge einen dynamischen Verweis auf<br />
§ 302 AktG enthalten müssen.<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Bilanzveröffentlichung – Geringere Bußgelder<br />
für kleine Unternehmen und mehr Rechtsschutz<br />
Veröffentlichungspflichtige Unternehmen müssen ihre<br />
Jahresabschlüsse innerhalb von zwölf Monaten nach dem<br />
Abschlussstichtag beim elektronischen Bundesanzeiger<br />
offenlegen. Rund 90 Prozent der Unternehmen erfüllen<br />
diese Pflicht regelmäßig.<br />
Unternehmen, die dem nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen,<br />
wird vom Bundesamt für Justiz ein Ordnungsgeld<br />
angedroht und sechs Wochen Zeit gegeben, den<br />
Jahresabschluss zu veröffentlichen. Reagiert ein Unternehmen<br />
nicht, wird bislang unterschiedslos ein Ordnungsgeldverfahren<br />
eingeleitet und ein Ordnungsgeld in Höhe<br />
von mindestens EUR 2.500,00 festgesetzt. Dabei bleibt es<br />
auch künftig grundsätzlich.<br />
Für kleine und kleinste Unternehmen wurde dies häufig als<br />
zu hart empfunden, da diese oft mit dem bürokratischen<br />
Aufwand im Zusammenhang mit der Bilanzerstellung und<br />
der Veröffentlichung zu kämpfen haben.<br />
Das Bundeskabinett hat deshalb im April beschlossen, für<br />
kleine und kleinste Unternehmen Erleichterungen zu schaffen.<br />
Das Mindestordnungsgeld von EUR 2.500,00 wird<br />
für diese gesenkt, wenn sie verspätet auf die Ordnungsgeldandrohung<br />
reagieren und die Offenlegung – wenn<br />
auch verspätet – nachgeholt wird, bevor das Bundesamt<br />
für Justiz weitere Schritte einleitet. Für kleine Kapitalgesellschaften<br />
beträgt das Bußgeld dann EUR 1.000,00<br />
und für Kleinstkapitalgesellschaften EUR 500,00. Kleinstkapitalgesellschaften<br />
sind solche, die mindestens zwei<br />
der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten:<br />
EUR 350.000,00 Bilanzsumme, EUR 700.000,00 Umsatzerlöse<br />
in den letzten zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag,<br />
im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer. Kleine<br />
Kapitalgesellschaften sind solche, die mindestens zwei<br />
der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten:<br />
EUR 4,84 Mio. Bilanzsumme, EUR 9,68 Mio. Umsatzerlöse<br />
in den letzten zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag,<br />
im Jahresdurchschnitt fünfzig Arbeitnehmer.<br />
4 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
Außerdem soll es künftig mehr Rechtsschutz geben. Bislang<br />
konnten sich Unternehmen gegen die Festsetzung<br />
eines Ordnungsgeldes nur durch eine Beschwerde beim<br />
Landgericht Bonn als einzige Instanz wehren. Künftig wird<br />
gegen Beschwerdeentscheidungen eine weitere Rechtsbeschwerde<br />
möglich sein. Dies soll die Rechtssicherheit für<br />
die beteiligten Unternehmen erhöhen.<br />
Wird die Frist zur Offenlegung unverschuldet versäumt<br />
(beispielsweise wegen langer schwerer Erkrankung des Alleingeschäftsführers),<br />
kann künftig auch die so genannte<br />
Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt werden.<br />
In diesen Fällen kann die Versäumung der Frist vollständig<br />
sanktionslos bleiben.<br />
Die Änderungen knüpfen an die durch das Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz<br />
vom Dezember<br />
2012 (MicroBilG) geschaffenen Bilanzierungserleichterungen<br />
für Kleinstkapitalgesellschaften an.<br />
Dr. Holger Kierstein, Rechtsanwalt<br />
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht<br />
Fazit:<br />
Bei Verstößen gegen die Pflicht zur Offenlegung des<br />
Jahresabschlusses werden künftig nicht mehr alle Unternehmen<br />
über einen Kamm geschoren. Für kleine und<br />
kleinste Kapitalgesellschaften wird das Ordnungsgeld<br />
erheblich gesenkt, wenn die unterbliebene Veröffentlichung<br />
nachgeholt wird. Außerdem wird es künftig weitere<br />
Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Festsetzung<br />
eines Ordnungsgeldes geben.<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Abberufung des anderen Gesellschafter-Geschäftsführers –<br />
wer zuerst kommt, mahlt zuerst?<br />
Dies könnte in der Tat die Quintessenz eines jüngeren Urteils<br />
des OLG Stuttgart sein, das sich mit der Abberufung<br />
eines von zwei Gesellschafter-Geschäftsführern befasst hat.<br />
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass zwischen<br />
den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH<br />
oder GmbH & Co. KG intensive Meinungsverschiedenheiten<br />
und Auseinandersetzungen bestehen. Da ist zunächst die<br />
Versuchung des Mehrheitsgesellschafters groß, den unliebsamen<br />
Mitgeschäftsführer aus seinem Amt zu entfernen.<br />
Im Grundsatz kann jeder Geschäftsführer nach § 38<br />
Abs. 1 GmbHG von der Gesellschaftermehrheit frei abberufen<br />
werden, wenn die Gesellschafter etwa in ihrer<br />
Satzung nichts Abweichendes geregelt haben. Guter Rat<br />
scheint aber teuer zu sein, wenn gerade der Gesellschafter-<br />
Geschäftsführer aus seinem Amt entfernt werden soll,<br />
der zu 50 % oder mehr an der Gesellschaft beteiligt ist.<br />
Hier lässt sich auch gegen einen Mehrheitsgesellschafter<br />
ein bewährter „Trick“ zunutze machen: der Gesellschafter,<br />
der mit seinen Stimmen die eigene Abberufung blockieren<br />
würde, wird aus wichtigem Grund abberufen. Dann nämlich<br />
ist er wegen Befangenheit in eigener Sache nach § 47<br />
Abs. 4 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen.<br />
Ob eine gerichtliche Anfechtungsklage gewonnen oder<br />
verloren wird, hängt dann an der Frage, ob ein wichtiger<br />
Grund für die Abberufung vorlag oder nicht. Interessant<br />
ist hier die Ansicht des OLG Stuttgart. Danach kann ein<br />
unheilbares Zerwürfnis zwischen Geschäftsführern, durch<br />
das eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich<br />
ist, die Abberufung des jeweils anderen Geschäftsführers<br />
aus wichtigem Grund rechtfertigen. Dies gelte auch<br />
dann, wenn den anderen Geschäftsführer, dessen Verhalten<br />
zu dem Zerwürfnis beigetragen hat, gar kein Verschulden<br />
trifft. Es könne auch derjenige abberufen werden, auf<br />
dessen Mitwirkung in der Geschäftsführung weniger Wert<br />
gelegt wird.<br />
Diese Maßstäbe sollen auch für die Zweipersonen-GmbH<br />
gelten. Gerade hier kann es dann passieren, dass sich die<br />
Gesellschafter-Geschäftsführer wechselseitig - unter Ausnutzung<br />
des jeweiligen Stimmverbots - aus wichtigem<br />
Grund als Geschäftsführer abberufen. Jedoch: wer das<br />
Heft in der Hand behalten will, sollte aus taktischen Gründen<br />
den ersten Zug machen. Denn wer zuerst kommt,<br />
mahlt zuerst.<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 5
Wer glaubt, mit dieser Taktik den verfeindeten Mitgesellschafter<br />
gleich auch aus der Gesellschaft drängen zu<br />
können, muss Vorsicht walten lassen. Für den Ausschluss<br />
eines Gesellschafters gelten ganz andere, deutlich strengere<br />
„Spielregeln“. Nach ständiger Rechtsprechung genügt<br />
ein tief greifendes Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern,<br />
verbunden mit einer Zerstörung ihres Vertrauensverhältnisses,<br />
nicht, einen Mitgesellschafter aus wichtigem<br />
Grund auszuschließen. Der betroffene Gesellschafter<br />
müsste schon einseitig einen wichtigen Grund für seinen<br />
Ausschluss geliefert haben, wonach sein weiterer Verbleib<br />
in der Gesellschaft für diese und für die Mitgesellschafter<br />
unzumutbar wäre.<br />
Zugrundeliegende Entscheidung:<br />
OLG Stuttgart, Urt. v. 19. Dezember 2012, 14 U 10/12,<br />
derzeit anhängig beim Bundesgerichtshof unter dem AZ II ZR 29/13)<br />
Dr. Klaus-Dieter Rose, Rechtsanwalt<br />
Jens-Hendrik Janzen, LL.M. Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Gesellschafter-Geschäftsführer müssen unter Umständen<br />
schnell handeln, wenn wegen tief greifender<br />
Zerwürfnisse eine Zusammenarbeit mit dem anderen<br />
Gesellschafter-Geschäftsführer nicht mehr möglich ist.<br />
In solchen Situationen muss jeder Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
damit rechnen, vom anderen Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
aus wichtigem Grund abberufen zu<br />
werden. Wer hier zu lange fackelt, könnte am Ende der<br />
Verlierer sein.<br />
Gesellschaftsrecht<br />
Vermeintliche Aufsichtsratsmitglieder: Ist dabei sein alles?<br />
Neue Rechtsprechung zu den Auswirkungen fehlerhafter<br />
Aufsichtsratsbestellungen<br />
Ein Aufsichtsratsmitglied, dessen Wahl nichtig ist oder<br />
für nichtig erklärt wird, ist für die Stimmabgabe und Beschlussfassung<br />
im Aufsichtsrat wie ein Nichtmitglied zu<br />
behandeln. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem aktuellen<br />
Urteil entschieden. Damit hat er Gegenauffassungen<br />
eine Abfuhr erteilt, die die Rechtshandlungen von vermeintlichen<br />
Aufsichtsratsmitgliedern in der Schwebezeit<br />
bis zum Feststehen der Nichtigkeit ihrer Wahl als gültig<br />
beurteilt haben. Unberührt bleibt von dem Urteil hingegen,<br />
dass fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglieder in<br />
Bezug auf Sorgfaltspflichten, Haftung und Vergütung wie<br />
Mitglieder zu behandeln sind.<br />
Wird die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern gerichtlich<br />
angegriffen, besteht oftmals erst Monate oder Jahre nach<br />
der Wahl Klarheit darüber, ob die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder<br />
wirksam bestellt wurden oder nicht. Fraglich<br />
war daher, wie sich eine letztlich festgestellte Nichtigkeit<br />
der Wahl auf zwischenzeitig gefasste Beschlüsse des<br />
Aufsichtsrats auswirkt.<br />
Die Karlsruher Richter entschieden, dass ein Aufsichtsratsbeschluss<br />
nicht gefasst ist (oder sogar eine Umkehrung<br />
des Beschlussergebnisses in Frage kommt), sofern<br />
die Stimmen der als Nichtmitglieder zu behandelnden<br />
Aufsichtsräte für den Beschluss ursächlich geworden sind.<br />
6 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
Um dies beurteilen zu können, ist bei allen betroffenen Beschlüssen<br />
das Abstimmungsverhalten der Aufsichtsratsmitglieder<br />
zu rekonstruieren sowie die Beschlussfähigkeit<br />
des Gremiums unter Herausrechnung der vermeintlichen<br />
Aufsichtsratsmitglieder zu prüfen.<br />
Besonders risikobehaftet sind demnach Aufsichtsratsbeschlüsse<br />
von dreiköpfigen Aufsichtsratsgremien, denn diese<br />
sind nur bei Vollbesetzung beschlussfähig; ein einziges<br />
fehlerhaft bestelltes Aufsichtsratsmitglied verhindert jegliche<br />
wirksame Beschlussfassung. Am anderen Ende der<br />
Risikoskala befinden sich Beschlüsse, die einstimmig von<br />
einem auch ohne die vermeintlichen Mitglieder beschlussfähigen<br />
Gremium verabschiedet wurden. Diese Beschlüsse<br />
sind wirksam gefasst.<br />
Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung von Aufsichtsratsbeschlüssen,<br />
die unter Mitwirkung von fehlerhaft<br />
bestellten Mitgliedern zustande gekommen sind, ist laut<br />
BGH im Einzelfall zu begegnen. Nach dieser Maßgabe<br />
führen einige praxisrelevante Fallkonstellationen nicht zu<br />
unerwünschten Folgewirkungen. So sollen Beschlüsse der<br />
Hauptversammlung z.B. nicht angreifbar sein, nur weil anfechtbar<br />
gewählte Mitglieder an dem Beschlussvorschlag<br />
des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung mitgewirkt<br />
haben oder ein anfechtbar gewähltes Mitglied satzungsgemäß<br />
die Hauptversammlung geleitet hat. Außerdem sind<br />
Dritte, denen gegenüber Aufsichtsratsbeschlüsse vollzogen<br />
werden, dadurch geschützt, dass sie auf die Handlungsbefugnis<br />
des Vollziehenden vertrauen dürfen.<br />
Möchte eine Gesellschaft Risiken aus einem möglicherweise<br />
fehlerhaft besetzten Aufsichtsrat vermeiden, kann –<br />
bei bloß formalen Mängeln der Aufsichtsratswahl – ein<br />
Bestätigungsbeschluss der Hauptversammlung über die<br />
Aufsichtsratswahl (evtl. mit dem Aufwand einer außerordentlichen<br />
Hauptversammlung) in Erwägung gezogen<br />
werden. Die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder könnten<br />
auch durch Amtsniederlegung einer gerichtlichen Ersatzbestellung<br />
den Weg ebnen. Um im Nachhinein überhaupt<br />
die Frage der wirksamen Beschlussfassung im Aufsichtsrat<br />
beurteilen zu können, ist das Abstimmungsverhalten im<br />
Aufsichtsrat sauber zu dokumentieren.<br />
Maßgebliche Entscheidung:<br />
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Februar <strong>2013</strong> – II ZR 56/12<br />
Hansjörg Frenz, LL.M. Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Ist die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern zweifelhaft,<br />
kann dies Auswirkungen auf die Wirksamkeit nachfolgender<br />
Aufsichtsratsbeschlüsse haben, die unter Mitwirkung<br />
der vermeintlichen Aufsichtsratsmitglieder<br />
gefasst wurden. Zur Risikominderung ist in derartigen<br />
Fällen sicherzustellen, dass zeitig eine einwandfreie Besetzung<br />
des Aufsichtsrats erfolgt. Ferner ist eine genaue<br />
Dokumentation des Abstimmungsverhaltens im Aufsichtsrat<br />
anzuraten.<br />
Kapitalmarktrecht<br />
AIFM-Umsetzung – Viele Unklarheiten für Alt- und Bestandsfonds<br />
Die Übergangsvorschriften für geschlossene Fonds nach<br />
dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) lassen in der Praxis<br />
noch viele Fragen offen. Insbesondere für Verwalter<br />
von Alt- und Bestandsfonds ohne KAGB-Erlaubnis wird<br />
sich in Zukunft häufig die Frage stellen, ob eine Maßnahme<br />
den Anwendungsbereich des neuen Aufsichtsrechts<br />
eröffnet.<br />
Mit Wirkung zum 22. <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> tritt das neue KAGB in<br />
Kraft. Dieses setzt die europäische AIFM-Richtlinie in<br />
deutsches Recht um. Das KAGB schafft als Reaktion auf<br />
die Finanzmarktkrise eine neue, europaweit einheitliche<br />
Aufsichtsstruktur für die Investmentbranche. Das neue<br />
Aufsichtsrecht unterwirft Verwalter von Investmentfonds<br />
dabei einer Erlaubnispflicht für den Geschäftsbetrieb<br />
durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht<br />
(BaFin). Außerdem haben sie umfangreiche Verhaltensund<br />
Organisationspflichten zu beachten.<br />
Verwalter sog. Alt- oder Bestandsfonds konnten sich eine<br />
Zeitlang zurücklehnen. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfs<br />
schien eindeutig, dass sie ihr Geschäft ohne<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 7
Beachtung des neuen Investmentaufsichtsrechts weiterführen<br />
können. In den letzten Monaten hingegen ließen<br />
sowohl die BaFin als auch die Europäische Kommission<br />
erkennen, dass eine vollständige Befreiung der Alt- und Bestandsfonds<br />
von den Anforderungen des KAGB nicht im<br />
Sinne des Erfinders war.<br />
Alt- und Bestandsfonds sind grundsätzlich von den Vorschriften<br />
des KAGB befreit, wenn sie nach dem 21. <strong>Juli</strong><br />
<strong>2013</strong> keine zusätzlichen Anlagen mehr tätigen. Die Auslegung<br />
des Begriffs „Tätigen zusätzlicher Anlagen“ ist jedoch<br />
im Einzelnen nach wie vor unklar. Nach Ansicht der Ba-<br />
Fin und der Europäischen Kommission fällt darunter der<br />
Abschluss eines neuen Vertrags zur Investition von Kapital<br />
zu Ertragszwecken. Die reine Verwaltung von Alt- und<br />
Bestandsfonds mit dem ausschließlichen Ziel der Werterhaltung<br />
ist hingegen unschädlich.<br />
Hiernach stellen etwa Investitionen zur Instandhaltung<br />
oder zur Instandsetzung der Vermögensgegenstände der<br />
Fonds keine zusätzliche Anlagetätigkeit dar. Die Maßnahme<br />
darf dabei im Verhältnis zum Portfolio nur einen<br />
geringfügigen Anteil ausmachen. Als geringfügig werden<br />
derzeit Prozentsätze von 20 % diskutiert. Ebenfalls unkritisch<br />
ist der Abschluss von Verträgen mit Dritten über die<br />
Nutzung vorhandener Vermögensgegenstände, wie etwa<br />
eine Anschlussvermietung bei einem geschlossenen Immobilienfonds.<br />
Sobald hingegen zusätzliches Kapital von den Anlegern<br />
oder über Bankdarlehen zur Verfügung gestellt wird, um<br />
etwa eine Erweiterung von Mietflächen zu ermöglichen,<br />
dürften die Regelungen des KAGB auch auf Alt- und Bestandsfonds<br />
anwendbar sein. Völlig offen ist in diesem Zusammenhang<br />
die Einordnung von Kapitalerhöhungen zur<br />
Sanierung eines Fonds.<br />
Der Bewegungsspielraum der Verwalter von Alt- und Bestandsfonds,<br />
die nicht in den Anwendungsbereich des<br />
KAGB fallen wollen, ist folglich sehr begrenzt. Fondsverwalter<br />
müssen bei jeder Strukturmaßnahme oder Investitionsentscheidung<br />
daher sorgfältig prüfen, ob diese nicht<br />
die Pflichten nach dem KAGB auslöst.<br />
Jens-Hendrik Janzen, LL.M. Rechtsanwalt<br />
Steffen Follner, Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Verwalter von Alt- und Bestandsfondssind sind von den<br />
Regelungen des KAGB vollumfänglich befreit, wenn sie<br />
nach dem 21. <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> keine zusätzlichen Anlagen mehr<br />
tätigen. Wann jedoch eine zusätzliche Anlagetätigkeit<br />
ausgeübt wird und Verwalter von Alt- und Bestandsfonds<br />
den Pflichten nach dem KAGB unterliegen, ist für<br />
viele denkbare Konstellationen noch ungewiss. Wollen<br />
Fondsverwalter von Alt- und Bestandsfonds von einer<br />
KAGB-Zulassung absehen, müssen sie geplante Maßnahmen<br />
frühzeitig daraufhin überprüfen, ob diese den<br />
Anwendungsbereich des KAGB eröffnen. Gegebenenfalls<br />
sollten alternative Gestaltungen überdacht werden.<br />
Compliance<br />
Risikoabschätzung als Ausgangspunkt für Compliance-Maßnahmen<br />
Viele Unternehmen stellen sich die Frage, ob sie besondere<br />
Maßnahmen zur Vermeidung von Rechtsverstößen treffen<br />
müssen. Eine Beantwortung ist aber nur möglich, wenn<br />
die rechtlichen Risiken im Unternehmen identifiziert, be-<br />
8 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
wertet und kategorisiert werden. Solche Risiken reichen<br />
von Verarbeitungsfehlern bei der Herstellung von Produkten<br />
bis zur fehlenden Sorgfalt des Managements bei<br />
der Mitarbeiterkontrolle. Zielsetzung der Risikoanalyse ist<br />
stets die verlässliche Einschätzbarkeit möglicher Gefahren<br />
und ihrer finanziellen Auswirkungen.<br />
Im Hinblick auf die Risikoabschätzung ist zu differenzieren:<br />
Geht es um Risiken aufgrund der Fehlerhaftigkeit von<br />
Produkten, ist auf Fehler- und Gefahrenquellen bei der<br />
Produktherstellung, die Herstellungs- und Kommunikationswege<br />
im Unternehmen, den Grad der Arbeitsteilung<br />
zwischen den Beteiligten und die Nutzergruppe eines<br />
Produkts abzustellen. Auch behördliche Zulassungsverfahren<br />
für neu entwickelte Produkte stellen in der Praxis<br />
eine wichtige Erkenntnisquelle für potentielle Haftungsfälle<br />
dar.<br />
Stehen Risiken aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens<br />
bestimmter Mitarbeiter im Raum, beruhen Rechtsverstöße<br />
häufig auf der Unkenntnis oder Fehlinterpretation gesetzlicher<br />
Vorschriften. Solche Risiken lassen sich insbesondere<br />
durch die Befragung „gefahrgeneigter“ Personen<br />
bzw. Personengruppen im Unternehmen identifizieren, die<br />
über weitergehende Informationen zu den jeweiligen Themen<br />
verfügen. Für solche „Interviews“ ist es wichtig, eine<br />
vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, um die befragten<br />
Personen zu einer möglichst umfassenden und wahrheitsgetreuen<br />
Mitwirkung zu veranlassen. Denn nur auf<br />
der Grundlage einer umfassenden Kenntnis des relevanten<br />
Sachverhalts kann eine spezifische Risikoabschätzung vorgenommen<br />
werden.<br />
Auch wenn bei den rechtlichen Fragestellungen regelmäßig<br />
die vertraglichen Beziehungen zu Zulieferern und Abnehmern<br />
analysiert werden, sollte nicht verkannt werden,<br />
dass mögliche Rechtsverstöße und Risiken in der Regel<br />
nicht in den relevanten Verträgen liegen, sondern sich<br />
aus dem tatsächlichen Verhalten der Mitarbeiter ergeben.<br />
Beispielsweise enthalten Vertriebsverträge in den meisten<br />
Fällen keine Vorgaben zu einer kartellrechtswidrigen Preisbindung<br />
der zweiten Hand zu Lasten der Vertriebspartner.<br />
Die „Vertragslage“ ist damit regelmäßig unbedenklich.<br />
Rechtlich problematisch ist hingegen häufig, wie ein Vertrag<br />
„gelebt“ wird: Aus den Befragungen ergeben sich oft<br />
Hinweise auf konkretes Fehlverhalten von Mitarbeitern,<br />
etwa wenn diese die Einhaltung einer unverbindlichen<br />
Preisempfehlung durch die Vertriebspartner kontrollieren<br />
und auf diese einwirken, um eine faktische Preisbindung<br />
beim Weiterverkauf herbeizuführen.<br />
Die Bewertung von Risiken bezieht regelmäßig die Gefahr<br />
eines Rechtsverstoßes, die Möglichkeiten zur Vermeidung<br />
solcher Verstöße, die Schätzung der finanziellen Risiken<br />
und die Kosten zur Vermeidung möglicher Rechtsverletzungen<br />
mit ein. Bei Risiken aufgrund einer möglichen<br />
Fehlerhaftigkeit von Produkten sind neben juristischem<br />
Sachverstand auch technische Vorkehrungen zur laufenden<br />
Erfassung von Risikoindikatoren erforderlich. So<br />
kann etwa ein Monitoring-System ansteigende Kundenbeschwerden<br />
erfassen oder irreguläre Handels- oder Zahlungsaktivitäten<br />
melden. Darüber hinaus empfehlen sich<br />
zielgerichtete und stichprobenartige Kontrollen in den einzelnen<br />
Geschäftsbereichen, um die Effektivität vorhandener<br />
Absicherungssysteme einschätzen und gegebenenfalls<br />
steigern zu können. Aktuelle Gesetzesänderungen müssen<br />
dabei ständig in die internen Handlungsanweisungen und<br />
-abläufe miteinbezogen werden. Nur auf diese Weise kann<br />
laufend bewertet werden, ob sich bestimmte Risiken minimiert<br />
oder gesteigert haben.<br />
Die Erfassung und Systematisierung der Risiken dient<br />
letztlich dazu, verlässliche Vorkehrungen zu schaffen, um<br />
einen Schadenseintritt nach Möglichkeit zu vermeiden.<br />
Hierfür müssen die einzelnen Risiken nach ihrer Relevanz<br />
in verschiedene Risikoklassen eingeordnet werden: Eine<br />
erste Grobeinordnung kann etwa hinsichtlich der Vorhersehbarkeit,<br />
Eintrittswahrscheinlichkeit, Häufigkeit und<br />
schätzungsbasierten Schadenshöhe erfolgen. Eine weitergehende<br />
Kategorisierung bezieht sich in der Regel auf<br />
die Unterscheidung zwischen unternehmensinternen und<br />
unternehmensexternen Ursachen sowie zwischen kurzfristigen<br />
und langfristigen Auswirkungen. Um auch eine Einschätzung<br />
hinsichtlich der Kontrollierbarkeit von Risiken<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 9
abgeben zu können, ist abschließend zu unterscheiden<br />
zwischen Risikokreisen, die durch unternehmerische Entscheidung<br />
beeinflusst werden können, und unabhängigen<br />
Rahmenbedingungen, die außerhalb der Einflusssphäre<br />
des Unternehmens liegen.<br />
Dr. Stefan Meßmer, Rechtsanwalt<br />
Dr. Jochen Bernhard, Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Nur wer mögliche Risiken kennt und einschätzen kann,<br />
kann sie auch minimieren. Weder die Gutgläubigkeit<br />
einzelner Handelnder noch deren rechtliche Unwissenheit<br />
kann im Regelfall zu einer Haftungsbefreiung<br />
des Unternehmens führen. Bleiben rechtliche Risiken<br />
im Dunkeln, kann folglich auch das zentrale Ziel von<br />
Compliance-Maßnahmen, die Vermeidung von Rechtsverstößen,<br />
nicht erreicht werden. Die Risikoanalyse<br />
dient daher zunächst dazu, Klarheit über potentielle<br />
Gefahrenquellen in einem Unternehmen zu gewinnen<br />
und deren Eintrittswahrscheinlichkeit abzuschätzen.<br />
Nur auf Basis einer sorgfältigen Risikoanalyse können<br />
als nächste Schritte Präventions- und Kontrollmaßnahmen<br />
eingeleitet werden, um erkannte Risiken abzustellen<br />
oder jedenfalls so weit wie möglich einzuschränken.<br />
Dazu mehr in der folgenden Ausgabe unserer <strong>Mandanteninformation</strong>.<br />
Arbeitsrecht<br />
Leiharbeitnehmer wählen und zählen –<br />
Kommende Betriebsratswahlen unter neuen Vorzeichen<br />
Leiharbeitnehmer sind bei der für die Größe des Betriebsrats<br />
maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer eines Betriebs<br />
zu berücksichtigen. Das hat das Bundesarbeitsgericht<br />
(BAG) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung<br />
entschieden.<br />
Die Zahl der Mitglieder eines Betriebsrats richtet sich nach<br />
der Anzahl der im Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer.<br />
In Betrieben mit 5 bis 100 Arbeitnehmern<br />
kommt es darüber hinaus auch auf das aktive Wahlrecht<br />
der Arbeitnehmer an. Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer<br />
des Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.<br />
Ab 101 Arbeitnehmern spielt die Wahlberechtigung keine<br />
Rolle mehr.<br />
Leiharbeitnehmer sind in dem Betrieb eines Entleihers<br />
wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate in diesem<br />
Betrieb eingesetzt werden. Das ist seit 2001 im BetrVG<br />
ausdrücklich geregelt. Zu der Frage, ob Leiharbeitnehmer<br />
nicht nur wählen, sondern bei der Berechnung gesetzlicher<br />
Schwellenwerte auch zählen, schweigt jedoch der Wortlaut<br />
des Gesetzes. In einer Grundsatzentscheidung aus<br />
dem Jahr 2003 sprach sich das BAG gegen eine Berücksichtigung<br />
der Leiharbeitnehmer aus. Leiharbeitnehmer<br />
stünden nicht in einer vertraglichen Beziehung zum Entleiher.<br />
Allein die tatsächliche Eingliederung in den Betrieb<br />
des Entleihers begründe keine vollständige Zugehörigkeit<br />
zum Entleiherbetrieb. Zudem würden Leiharbeitnehmer<br />
nur partiell vom Betriebsrat des Entleiherbetriebs repräsentiert,<br />
machten also weniger Arbeit als Arbeitnehmer<br />
der Stammbelegschaft. Das BAG hat diese Rechtsprechung<br />
jetzt aufgegeben und in seiner Pressemitteilung verlautbart,<br />
dass eine an Sinn zu Zweck der Schwellenwerte<br />
orientierte Auslegung eine Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer<br />
gebiete.<br />
Ralf-Dietrich Tiesler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
Fazit:<br />
Die Kehrtwende der höchsten Arbeitsrichter wird<br />
erhebliche Auswirkungen auf die nächsten bundesweiten<br />
Betriebsratswahlen im Frühjahr 2014 haben.<br />
Schon jetzt stellt sich die Frage, ob Leiharbeitnehmer<br />
auch bei den Schwellenwerten für die Bildung mitbestimmter<br />
Aufsichtsräte nach Drittelbeteiligungsgesetz<br />
(500 Arbeitnehmer) und Mitbestimmungsgesetz<br />
(2.000 Arbeitnehmer) zählen.<br />
10 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
Gewerblicher Rechtschutz<br />
Neue Abmahnwelle wegen fehlender<br />
Anbieterkennzeichnung in Werbemedien!<br />
Unternehmen, die in gedruckten Werbemedien, wie bspw.<br />
Werbebroschüren, Flyer, Zeitungsanzeigen und Annoncen<br />
nicht ihren Firmennamen und ihre Anschrift angeben, sind<br />
in den letzten Wochen und Monaten verstärkt erfolgreich<br />
abgemahnt und auch verklagt worden.<br />
Rechtlicher Hintergrund der neuen Abmahnwelle ist eine<br />
relativ junge Regelung zu Informationspflichten im Rahmen<br />
der Werbung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb<br />
(UWG). Danach muss ein Unternehmer in der Werbung<br />
grundsätzlich seine Identität (Firmennamen) und vollständige<br />
Anschrift angeben (§ 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG).<br />
Zwar setzt das Bestehen dieser Informationspflicht voraus,<br />
dass die beworbenen Waren oder Dienstleistungen in der<br />
Werbung so angeboten werden, dass ein durchschnittlicher<br />
Verbraucher eine Kaufentscheidung treffen kann. Nur<br />
so weiß der Verbraucher, mit wem er es zu tun hat. Jedoch<br />
ist das nach dem weiten Verständnis der höchstrichterlichen<br />
Rechtsprechung bereits dann der Fall, wenn in der<br />
Werbung konkrete Verkaufspreise und Eigenschaften der<br />
Ware oder Dienstleistung angegeben werden, was regelmäßig<br />
der Fall ist. Die Informationspflicht besteht selbst<br />
dann, wenn ein durchschnittlicher Verbraucher regelmäßig<br />
nicht allein aufgrund der Kenntnis des Preises und einiger<br />
Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung eine Kaufentscheidung<br />
treffen würde, sondern vielmehr weitere Informationen<br />
vom Werbenden einholen oder den beworbenen<br />
Gegenstand, bspw. eine Maschine, ein Auto oder eine Immobilie,<br />
vor der Entscheidung über den Erwerb erst besichtigen<br />
oder testen würde.<br />
Fehlen die Informationen zur Identität und Anschrift des<br />
Werbenden, liegt tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß vor,<br />
der außergerichtlich von Wettbewerbern und Wettbewerbsverbänden<br />
mit einer kostenpflichtigen Abmahnung<br />
und gerichtlich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiliger<br />
Verfügung bzw. einer Klage verfolgt werden kann.<br />
Als besonders aktiv und aggressiv ist uns insoweit der<br />
sog. Verband Sozialer Wettbewerb e.V., Berlin, aufgefallen,<br />
der vor allem im für jedermann zugänglichen Internet<br />
nach Werbemedien mit fehlenden Anbieterangaben recherchiert<br />
und bundesweit Unternehmen aller Branchen,<br />
bspw. Reiseanbieter und Fahrzeughändler, abmahnt und<br />
verklagt.<br />
Zwar geben zahlreiche Unternehmen – entweder in Kenntnis<br />
der Informationspflicht oder intuitiv – den vollständigen<br />
Firmennamen und ihre vollständige Anschrift an.<br />
Nicht selten fehlen diese Angaben jedoch oder sind unvollständig.<br />
Eine modifizierte Rechtsprechung zeichnet sich bei sog.<br />
Kleinanzeigen ab, die bspw. von Autohändlern in Onlineportalen<br />
oder Fachzeitschriften, wie bspw. der „Auto<br />
Motor Sport“, aufgegeben werden. Solche Kleinanzeigen<br />
zeichnen sich naturgemäß durch eine enge räumliche Begrenzung<br />
auf; Kleinanzeigen bestehen in der Regel aus<br />
wenigen Zeilen Fließtext und ggf. einem Bild, auf dem die<br />
angebotene Ware abgebildet ist. Von einer vollständigen<br />
Angabe des Firmennamens und der Anschrift des Anbieters<br />
wird aus Platz- und Kostengründen üblicherweise abgesehen.<br />
Stattdessen wird lediglich eine Telefonnummer<br />
angegeben und allenfalls zusätzlich noch die Internetadresse.<br />
Die oben dargestellte Pflicht zur Angabe der Identität und<br />
der Anschrift des Werbenden gilt grundsätzlich auch für<br />
Kleinanzeigen. Jedoch dürfte es bei Kleinanzeigen unserer<br />
Auffassung nach ausreichen, dass dem Verbraucher die<br />
Identität und die Anschrift durch Angabe einer Internetadresse<br />
zugänglich gemacht wird und die Internetseiten<br />
die Identität und Anschrift des Werbenden enthalten. In<br />
diesem Fall kann bei der gebotenen Auslegung der Europä-<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 11
ischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und<br />
bei Berücksichtigung der engen räumlichen Begrenzung<br />
einer Kleinanzeige nicht von einem wettbewerbswidrigen<br />
„Vorenthalten“ der Pflichtangaben gesprochen werden.<br />
Unserer Ansicht hat sich das Landgericht Karlsruhe angeschlossen<br />
und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen<br />
Verfügung des oben erwähnten Verbandes vor wenigen<br />
Wochen abgewiesen, was die Betreiber von Anzeigenportalen<br />
und die Verlage freuen dürfte. Das Urteil ist noch<br />
nicht rechtskräftig; der Verband hat Berufung zum Oberlandesgericht<br />
Karlsruhe eingelegt.<br />
Nur die Angabe der Telefonnummer in Kleinanzeigen ohne<br />
zusätzliche Angabe der Internetadresse ist dagegen eindeutig<br />
wettbewerbswidrig.<br />
Manfred Hammer, LL.M. (Cape Town), Rechtsanwalt und Fachanwalt<br />
für Gewerblichen Rechtsschutz / Manuel Roos, Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Werbende Unternehmen müssen darauf achten, in ihren<br />
Werbemedien, in denen Verkaufspreise angegeben<br />
werden, stets den vollständigen Firmennamen und die<br />
vollständige Anschrift zu nennen. Nur bei Kleinanzeigen<br />
(gleiches dürfte aber auch für TV-Spots und Radiowerbung<br />
gelten) kann darauf unserer Auffassung nach<br />
ausnahmsweise verzichtet werden, wenn alternativ die<br />
Internetadresse angegeben wird.<br />
Gewerblicher Rechtschutz<br />
„Modernisierung“ von Marken:<br />
EuGH stärkt Rechtsposition der Markeninhaber<br />
Markeninhaber können aufatmen. Der EuGH hat in<br />
seiner Grundsatzentscheidung „Rintisch./.Eder“ vom<br />
25. Dezember 2012 die Position der Markeninhaber bei<br />
der Frage nach der rechtserhaltenden Benutzung von Marken<br />
gestärkt. Bekanntermaßen müssen Marken zur Aufrechterhaltung<br />
ihres Schutzes auch in der Weise benutzt<br />
werden, wie sie im Markenregister eingetragen sind. Abweichungen<br />
sind nur insoweit möglich, als der kennzeichnende<br />
Charakter der Marke nicht verändert wird. Viele<br />
Unternehmen entwickeln ihre Marken so über die Jahre<br />
hinweg weiter, lassen die Weiterentwicklung ebenfalls<br />
registrieren und benutzen tatsächlich auch nur noch die<br />
abgewandelte Form, ohne jedoch die älteren Marken aufgeben<br />
zu wollen, um sich ggf. im Kollisionsfall auf deren<br />
älteren Zeitrang berufen zu können. Es stellt sich daher<br />
die Frage, ob die Benutzung der abgewandelten, ihrerseits<br />
als Marken eingetragenen Zeichen geeignet sein kann, die<br />
Benutzung der älteren Marke nachzuweisen, die selbst<br />
als solche gar nicht mehr verwendet wird. Das deutsche<br />
Markengesetz enthält insoweit eine eindeutige Regelung,<br />
wonach die Eintragung der abgewandelten, tatsächlich<br />
verwendeten Marke keinen Einfluss auf die Annahme einer<br />
rechtserhaltenden Benutzung der älteren Marke hat,<br />
solange deren kennzeichnender Charakter durch die Abwandlung<br />
nicht verändert wird.<br />
Anders jedoch der EuGH in seinem unseligen „Bainbridge“-<br />
Urteil aus dem Jahr 2007. Danach sollte die Benutzung<br />
eines neueren abgewandelten Zeichens dann nicht geeignet<br />
sein, als Benutzungsnachweis für die ältere Marke zu<br />
dienen, wenn das neuere Zeichen seinerseits als Marke<br />
eingetragen war. Diese Rechtsprechung stand in klarem<br />
Widerspruch zum deutschen Markengesetz, so dass Zweifel<br />
an der Vereinbarkeit des deutschen Markenrechts mit<br />
dem EU-Recht bestanden. Unternehmen fürchteten Schäden<br />
in Millionenhöhe, da in Anwendung dieser Rechtsprechung<br />
möglicherweise viele wertvolle alte Marken wegen<br />
Nichtbenutzung löschungsreif gewesen wären.<br />
Diese Unsicherheit ist nun ausgeräumt, da der EuGH in<br />
seinem aktuellen „Rintisch./.Eder“-Urteil insoweit ausdrücklich<br />
die Vereinbarkeit des deutschen Markengesetzes<br />
mit EU-Recht bestätigt hat. Somit sind abgewandelte und<br />
weiterentwickelte Benutzungsformen einer älteren Marke,<br />
die selbst wiederum als Marke eingetragen sind, auch weiterhin<br />
geeignet, die Benutzung der älteren Marke nachzuweisen,<br />
solange durch die Abwandlung der kennzeichnende<br />
Charakter des älteren Zeichens nicht verändert wird.<br />
Anders kann die Frage der rechtserhaltenden Benutzung<br />
der älteren Marke durch abgewandelte Markenformen<br />
aber ausnahmsweise dann zu beurteilen sein, wenn die<br />
12 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
Abwandlungen der älteren Marke selbst gar nicht benutzt<br />
werden, sondern als sog. „Defensivmarken“ nur der Ausweitung<br />
des Schutzbereichs der alleine benutzten älteren<br />
Marke dienen sollen.<br />
Dr. Matthias Schröder, Rechtsanwalt<br />
Dr. <strong>Juli</strong>a Schneider, Rechtsanwältin<br />
Fazit:<br />
Markeninhabern kann nach der aktuellen Rechtsprechung<br />
des EuGH nun wieder uneingeschränkt empfohlen<br />
werden, Abwandlungen und Weiterentwicklungen<br />
von älteren Marken ihrerseits als Marken eintragen<br />
zu lassen. Solange der kennzeichnende Charakter der<br />
älteren Marke unverändert bleibt, ist dann auch die<br />
Benutzung dieser abgewandelten eingetragenen Benutzungsformen<br />
geeignet, die Benutzung der älteren<br />
Marke nachzuweisen.<br />
Gewerblicher Rechtschutz<br />
Forschungs- und Entwicklungsverträge mit Hochschulen –<br />
worauf Sie als Unternehmer achten sollten<br />
Erfolgreiche Forschung und Entwicklung („F&E“) sichert<br />
in einer globalisierten Welt die Wettbewerbsfähigkeit eines<br />
Unternehmens nachhaltig. In vielen Fällen beauftragen<br />
Unternehmen Hochschulen mit der Erforschung und<br />
(Weiter-)Entwicklung neuer Produkte oder Verfahren,<br />
insbesondere wenn sie über keine eigene Forschungs- und<br />
Entwicklungsabteilung verfügen oder Spezialkenntnisse<br />
erforderlich sind. Anders als in der privaten Wirtschaft<br />
sind bei Abschluss von F&E-Verträgen mit Hochschulen<br />
jedoch einige Besonderheiten zu beachten.<br />
Entgegen der bis zum Jahr 2002 geltenden Rechtslage, die<br />
Hochschulbeschäftigten die eigene Verwertung ihrer Erfindungen<br />
ermöglichte (sog. „Hochschullehrerprivileg“),<br />
müssen Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter<br />
die von ihnen geschaffenen Diensterfindungen – wie andere<br />
Dienstverpflichtete auch – ihrem Dienstherrn (Hochschule)<br />
melden, der die jeweilige Erfindung in Anspruch<br />
nehmen und damit über diese verfügen kann. Dies soll der<br />
Hochschule – die regelmäßig den F&E-Vertrag mit dem Unternehmen<br />
abschließt – die Nutzung und Verwertung der<br />
während der Forschung und Entwicklung entstehenden<br />
Erfindungen erleichtern. Allerdings stehen dem Hochschulerfinder<br />
nach § 42 ArbNErfG weiterhin bestimmte Privilegien<br />
zu, die die Übertragung der Rechte an der Erfindung<br />
oder die Erteilung von Schutzrechten hindern können:<br />
Das sog. „positive Publikationsrecht“ gestattet es dem<br />
Hochschulerfinder seine Erfindung zu offenbaren, sofern<br />
er diese zwei Monate vor der Offenbarung der<br />
Hochschule angezeigt hat; dies hat – z.B. in Dissertationen,<br />
Habilitationsschriften, Fachbeiträgen oder<br />
Vorträgen – zur Folge, dass der Gegenstand der Erfindung<br />
mit der Veröffentlichung zum Stand der Technik<br />
wird und hierdurch die Erteilung von Schutzrechten<br />
(Patente, Gebrauchsmuster) für die Erfindung vereitelt<br />
werden kann.<br />
Das sog. „negative Publikationsrecht“ ermöglicht es<br />
dem Hochschulerfinder, auf die Offenbarung der Erfindung<br />
gegenüber der Hochschule zu verzichten (und<br />
diese geheim zu halten). Ohne Offenbarung der wäh-<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 13
end der Forschung und Entwicklung geschaffenen<br />
Erfindungen durch den Hochschulerfinder scheitert<br />
jedoch sowohl die Übertragung der Rechte an der<br />
Erfindung, als auch die Erteilung entsprechender<br />
Schutzrechte.<br />
Zudem steht dem Hochschulerfinder auch nach der<br />
Meldung und Übertragung der Erfindung auf die Hochschule<br />
ein nicht ausschließliches Nutzungsrecht an der<br />
Erfindung im Rahmen von Forschung und Lehre zu.<br />
Dies gefährdet ggfs. eine von dem Unternehmen gewünschte<br />
Geheimhaltung der F&E-Ergebnisse.<br />
Die vorstehenden Nachteile können u.a. durch folgende<br />
vertragliche Regelungen eingeschränkt bzw. vermieden<br />
werden:<br />
Verpflichtung der Hochschule und des Hochschulmitarbeiters<br />
zur unverzüglichen Meldung sämtlicher Erfindungen;<br />
Verpflichtung der Hochschule, mit den von ihr eingesetzten<br />
Hochschulmitarbeitern Vereinbarungen zu<br />
schließen, die die o.g. Sonderrechte ausschließen (Mitarbeitererklärung);<br />
alternativ können solche Vereinbarungen<br />
auch zwischen Unternehmen und dem jeweiligen<br />
Hochschulmitarbeiter geschlossen werden;<br />
Vorausabtretung sämtlicher Rechte durch die Hochschule<br />
und die eingesetzten Hochschulmitarbeiter;<br />
Beschränkung des Nutzungsrechts des Hochschulmitarbeiters<br />
im Rahmen von Forschung und Lehre;<br />
umfassende Verpflichtung zur Geheimhaltung durch<br />
die Hochschule und die eingesetzten Hochschulmitarbeiter.<br />
Prof. Dr. Thomas Klingelhöfer, Rechtsanwalt<br />
Valentina Smolnik, Rechtsanwältin<br />
Fazit:<br />
Bei Abschluss von F&E-Verträgen mit Hochschulen ist<br />
zu beachten, dass Hochschulmitarbeiter durch § 42<br />
ArbNErfG privilegiert werden und deshalb zusätzliche<br />
vertragliche Regelungen erforderlich sind, um die<br />
Übertragung der F&E-Ergebnisse auf Ihr Unternehmen<br />
sicher zu stellen. Auch für den Fall, dass die Hochschule<br />
freie Mitarbeiter hinzuzieht, die keiner Meldepflicht<br />
nach dem ArbNErfG unterliegen, sind entsprechende<br />
vertragliche Vereinbarungen zu empfehlen.<br />
14 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
Kartellrecht<br />
Best-Preis-Garantien als Auslaufmodell?<br />
„Wir garantieren Ihnen den günstigsten Preis“ – wer würde<br />
bei diesem Angebot nicht kaufen? Best-Preis-Garantien<br />
oder Preisparitätsklauseln sind für den Kunden auf den<br />
ersten Blick verlockend, führen aber oftmals zu einem Einheitspreis<br />
auf Höchstniveau. Auch das Online-Unternehmen<br />
Amazon verbietet den Händlern auf dem Portal, ihre<br />
Waren im Eigenvertrieb oder Fremdvertrieb bei Dritten<br />
günstiger anzubieten. Da dieses Vorgehen wettbewerbsbeschränkend<br />
wirken kann, ermittelt nun das Bundeskartellamt.<br />
Der Hintergrund: Im Regelfall haben Händler ein Interesse,<br />
ihre Waren auf mehreren Vertriebswegen oder mehreren<br />
Internet-Portalen anzubieten. Sind Handelsplattformen<br />
noch wenig bekannt, bieten sie Händlern häufig günstigere<br />
Konditionen an als ein bekanntes Portal wie Amazon. Da<br />
den Händlern aber von Amazon untersagt wird, auf anderen<br />
Handelsplattformen günstigere Endpreise zu verlangen,<br />
können Kunden auf weniger bekannten Plattformen<br />
keinen günstigeren Preis erhalten. Der durchschnittliche<br />
Kunde wird folglich weiterhin über die Plattform kaufen,<br />
die er bereits als verlässlich kennt. Ein finanzieller Anreiz,<br />
über eine neu im Markt auftretende Plattform oder einen<br />
anderen Vertriebsweg einzukaufen, besteht nicht. Die im<br />
Markt bereits bekannte Plattform beschränkt somit mittelbar<br />
den „Wettbewerb der Handelsplattformen“, indem<br />
sie durch die Best-Preis-Klausel verhindert, dass der Kunde<br />
auf anderen Handelsplattformen günstiger einkaufen<br />
kann. Dies widerspricht nach Auffassung des Bundeskartellamts<br />
der Zielsetzung des Kartellrechts, einen freien<br />
Wettbewerb zu gewährleisten.<br />
Auch für Kunden kann sich die Best-Preis-Klausel im Einzelfall<br />
als Bumerang erweisen. Denn gerade marktstarke<br />
Anbieter dürften ein Interesse haben, auf einer Handelsplattform<br />
mit Best-Preis-Klausel nicht den geringsten, sondern<br />
den möglichst höchsten Preis zu verlangen. Kunden<br />
werden ihre Produkte dennoch aufgrund der Bekanntheit<br />
des Produkts oder der Marke über die am stärksten im<br />
Markt verankerte Handelsplattform kaufen, da sie auf die<br />
Best-Preis-Klausel vertrauen. Sollten andere Plattformen<br />
geringere Provisionen verlangen oder anderweitig günstigere<br />
Konditionen für den Händler anbieten, wird er diese<br />
nicht an seine Kunden weiterreichen – denn aufgrund der<br />
Best-Preis-Klausel ist ihm dies vertraglich verboten. Dies<br />
führt schlussendlich zu einer Art „Einheitspreis“ im Markt,<br />
der im Falle von Markenprodukten häufig zu Lasten des<br />
Kunden geht.<br />
Dr. Stefan Meßmer, Rechtsanwalt<br />
Dr. Jochen Bernhard, Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Die Ermittlungen des Bundeskartellamts zu Best-<br />
Preis-Klauseln sind ein Paradebeispiel für die stärkere<br />
Berücksichtigung wirtschaftlicher Auswirkungen,<br />
den die Wettbewerbsbehörde seit einiger Zeit an den<br />
Tag legt. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung<br />
eines bestimmten rechtlichen Verhaltens lässt sich<br />
hier nicht allein mit rechtlichen Mitteln belegen, sondern<br />
muss anhand einer ökonomischen Analyse des<br />
Kundenverhaltens nachgewiesen werden. Das Amt<br />
muss dabei nicht darlegen, dass Best-Preis-Klauseln<br />
schlussendlich zu höheren Preisen führen. Vielmehr<br />
genügt der Nachweis, dass der Wettbewerb zwischen<br />
verschiedenen Handelsplattformen aufgrund<br />
der Best-Preis-Klausel eines Plattformbetreibers und<br />
des daraus resultierenden „Einheitspreises“ faktisch<br />
ausgeschaltet wird.<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 15
Immobilienrecht<br />
Besserer Verbraucherschutz vor übereilten Immobilienkäufen?<br />
Auswirkungen des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes<br />
im notariellen Beurkundungsverfahren auf den Immobilienhandel<br />
Bereits im Jahr 2002 wurde vom Gesetzgeber zur Stärkung<br />
des Verbraucherschutzes eingeführt, dass bei einem Immobilienkaufvertrag<br />
zwischen einem Unternehmer und<br />
einem Verbraucher der beabsichtigte Vertragstext für den<br />
Immobilienkauf einschließlich aller vertragsrelevanten Unterlagen<br />
zwei Wochen vor der Beurkundung des Kaufvertrages<br />
ausgehändigt werden muss. In Zukunft muss nun<br />
die Aushändigung der Unterlagen ausschließlich durch<br />
den später beurkundenden Notar oder dessen „Sozius“<br />
erfolgen.<br />
Ziel des Gesetzgebers im Jahr 2002 war es, den Verbraucher<br />
bei Immobiliengeschäften vor Übereilung und Überrumpelung<br />
zu schützen. Aufgrund der Komplexität eines<br />
Immobilienkaufvertrages sollte dem Verbraucher ausreichend<br />
Zeit zur Verfügung stehen, sich mit dem Vertragswerk<br />
auseinanderzusetzen, sachverständigen Rat Dritter<br />
einzuholen und Finanzierungsfragen ohne Entscheidungsdruck<br />
klären zu können. Dadurch sollte der Verbraucher<br />
auch die Möglichkeit haben, im Beurkundungstermin dem<br />
Notar die für ihn wichtigen Fragen stellen zu können.<br />
Grund für die erneute Verschärfung dieser Regeln sind die<br />
sog. Schrottimmobilienfälle. Seit 2011 häuften sich die<br />
Berichte und Beschwerden von Verbrauchern, in denen<br />
systematisch minderwertige Immobilien als Vermögensanlage<br />
oder Altersvorsorge an Verbraucher verkauft wurden.<br />
Hierbei hat der Unternehmer oft überraschend und unter<br />
Vorspiegelung eines kurzfristigen Entscheidungsdrucks<br />
zum Abschluss eines Kaufvertrages gedrängt. In einigen<br />
Fällen ist es vorgekommen, dass Verbraucher auf Veranlassung<br />
des Unternehmers dem beurkundenden Notar hinsichtlich<br />
der Frage, ob ihm der beabsichtigte Vertragstext<br />
zwei Wochen zur Prüfung vorlag, eine unwahre Antwort<br />
gegeben haben, um eine sofortige Beurkundung zu erreichen.<br />
In der bisherigen Praxis wurde häufig der beabsichtigte<br />
Vertragstext vom Notar entworfen und dem Unternehmer<br />
überlassen, der dann dem von ihm ausgewählten Kaufinteressenten<br />
(dem Verbraucher) den Vertragsentwurf aushändigte.<br />
Der Notar hatte lediglich durch Befragung des<br />
Verbrauchers dafür Sorge zu tragen, dass dem Verbraucher<br />
der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen<br />
vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt worden war.<br />
Aufgrund der Gesetzesänderungen ist diese Vorgehensweise<br />
künftig nicht mehr möglich. Nunmehr muss ausschließlich<br />
der später beurkundende Notar dem Verbraucher den<br />
beabsichtigten Vertragstext zwei Wochen vor der Beurkundung<br />
zur Verfügung stellen. Dies gilt wohl auch dann,<br />
wenn nicht der Notar, sondern der rechtliche Berater des<br />
Verkäufers den Kaufvertragsentwurf erstellt hat. Auch<br />
sind die sowieso nur in wenigen Ausnahmefällen zulässigen<br />
Gründe für das Unterschreiten der Zwei-Wochen-Frist<br />
nunmehr im Einzelfall in der Urkunde explizit anzugeben.<br />
Wird der gewünschte Verbraucherschutz<br />
durch die Änderungen im BeurkG und in<br />
der Bundesnotarordnung tatsächlich erreicht?<br />
Durch die Dokumentationspflicht der Gründe für das Unterschreiten<br />
der Zwei-Wochen-Frist, die von vielen Notaren<br />
bereits heute praktiziert wird, wird in jedem Fall erreicht,<br />
dass dem Verbraucher durch das Verlesen dieser Gründe<br />
bei der Beurkundung deutlich vor Augen geführt wird,<br />
dass und aus welchen Gründen von der ihn schützenden<br />
Regelfrist abgewichen wird. Damit kann die Gefahr unzutreffender<br />
Angaben durch den Verbraucher nicht ausge-<br />
16 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
schlossen, aber deutlich reduziert werden. Da der Notar<br />
außerdem die Einhaltung der Zweiwochenfrist künftig<br />
selbst überwachen und kontrollieren kann und muss, wird<br />
sichergestellt, dass dem Verbraucher künftig tatsächlich<br />
eine zweiwöchige Bedenkzeit zur Verfügung stehen wird.<br />
Möglicherweise wird durch diese Vorgehensweise der später<br />
beurkundende Notar aus Sicht des Verbrauchers deutlicher<br />
als verantwortliche Person und damit als Ansprechpartner<br />
für Rückfragen zum Vertragstext wahrgenommen.<br />
In der Praxis wird diese Änderung aber sicherlich dazu führen,<br />
dass der Notar auch in Fällen eingeschaltet wird und<br />
Entwürfe versenden muss, in denen noch nicht beurteilt<br />
werden kann, ob es wirklich zu einer Beurkundung kommen<br />
wird. Die dadurch verursachten Kosten werden die im<br />
Immobilienbereich tätigen Unternehmer belasten. Es ist zu<br />
befürchten, dass mit diesen Kostenfolgen versucht wird,<br />
in Einzelfällen Druck auf den Verbraucher aufzubauen,<br />
was dem eigentlichen Ziel des Gesetzgebers gegenläufig<br />
wäre. Unverändert bleibt, dass die Zweiwochenfrist selbst<br />
auch weiterhin nicht zur Disposition der Urkundsbeteiligten<br />
steht. Sie kann ausschließlich bei Vorliegen sachlicher<br />
Gründe im Einzelfall unterschritten werden. Da nun die<br />
Amtsenthebungsgründe dahingehend erweitert wurden,<br />
dass Notare, die wiederholt grob gegen die vorstehend<br />
genannten verbraucherschützenden Pflichten verstoßen,<br />
damit rechnen müssen, dass sie ihres Amtes enthoben<br />
werden, wird die Notarpraxis die neuen Regeln genau beachten<br />
müssen.<br />
Sämtliche Beteiligte an Immobilienverträgen werden sich<br />
zwangsläufig mit der neuen Situation arrangieren und die<br />
Organisationsabläufe vor allem in den Vertrieben anpassen<br />
müssen.<br />
Christiane Stoye-Benk, Württ. Notariatsassessorin<br />
Nadine Jneidi, Württ. Notariatsassessorin<br />
Fazit:<br />
Der Gesetzgeber hat versucht, den Verbraucherschutz<br />
bei Immobilienkaufverträgen zu stärken. Da der Notar<br />
eine zentrale Rolle bei diesem verschärften Verbraucherschutz<br />
übernehmen muss, ist es wichtig, die Koordination<br />
zwischen dem Vertrieb des Unternehmers und<br />
dem Notariat gut abzustimmen und die Verursachung<br />
unnötiger Kosten zu vermeiden. Die Umsetzung wird<br />
zeigen, ob die Gesetzesänderung tatsächlich den Verbraucher<br />
besser vor Übereilung und Überrumpelung<br />
schützen kann.<br />
Immobilienrecht<br />
Wirklich gut versichert?<br />
Fallstricke bei der Versicherung vermieteter Immobilien<br />
Immobilien stellen erhebliche Vermögenswerte dar, die der<br />
Eigentümer so gut wie möglich schützen will. Regelmäßig<br />
werden Gebäude daher umfassend versichert. Ist die Immobilie<br />
vermietet, erlaubt die Betriebskostenverordnung<br />
eine Umlegung der dem Vermieter entstehenden Kosten<br />
der Versicherung gegen Glasbruch, Feuer-, Sturm-, Wasser-<br />
und sonstige Elementarschäden sowie der Gebäudehaftpflichtversicherung<br />
und der Versicherung von Öltanks<br />
und Aufzügen auf den Mieter. Voraussetzung ist jedoch,<br />
dass die Anwendbarkeit der Betriebskostenverordnung im<br />
Mietvertrag vereinbart wurde. Ob auch die Kosten weiterer<br />
Versicherungen, beispielsweise gegen Vandalismus/<br />
Graffitis, Terrorschäden oder einen Mietausfall auf den<br />
Mieter umgelegt werden können, ist umstritten und auch<br />
vom jeweiligen Mietobjekt abhängig. Um Unklarheiten zu<br />
vermeiden, sollte die Kostentragung für solche Versicherungen<br />
im Mietvertrag ausdrücklich geregelt werden.<br />
Häufig verpflichtet der Mietvertrag den Mieter, sich selbst<br />
gegen Schäden an den Gegenständen zu versichern, die er<br />
in das Mietobjekt einbringt. Bei Mietern mit Kundenverkehr<br />
und bei produzierenden Betrieben wird oft auch eine<br />
Betriebshaftpflichtversicherung vom Mieter verlangt. Insbesondere<br />
wenn der Mieter das gesamte Gebäude nutzt,<br />
kann zudem die Pflicht zum Abschluss der oben genannten<br />
Gebäudeversicherungen auf ihn übertragen werden.<br />
Kommt es zum Schadensfall, wird die in Anspruch genommene<br />
Versicherung versuchen, den Verursacher in<br />
Regress zu nehmen. Dieses Problem wird beim Abschluss<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 17
von Versicherungen für vermietete Räume häufig nicht<br />
hinreichend beachtet: der Mieter wähnt sich durch die<br />
Gebäudeversicherung des Vermieters geschützt und wundert<br />
sich, dass er für einen Schaden in Regress genommen<br />
werden soll. Hierzu ist in der Rechtsprechung bereits seit<br />
mehreren Jahren anerkannt, dass in einer vom Vermieter<br />
abgeschlossenen Gebäudeversicherung regelmäßig ein<br />
stillschweigender Regressverzicht des Versicherers zugunsten<br />
des Mieters für Fälle einfacher Fahrlässigkeit enthalten<br />
ist. Hintergrund ist das Interesse des Vermieters, den<br />
Mieter in den Versicherungsschutz einzubeziehen und damit<br />
Zahlungsschwierigkeiten seines Mieters im Schadensfall<br />
zu vermeiden. Hat der Mieter den Schaden hingegen<br />
zumindest grob fahrlässig verursacht, wird er sich einem<br />
Rückgriff des Versicherers ausgesetzt sehen.<br />
Der umgekehrte Fall – vom Vermieter beauftragte Handwerker<br />
haben im Rahmen von Umbaumaßnahmen fahrlässig<br />
einen Brandschaden verursacht, den die Versicherung<br />
des Mieters bereinigt – wurde vom Bundesgerichtshof jetzt<br />
genau entgegengesetzt entschieden. Einen stillschweigenden<br />
Regressverzicht des Versicherers des Mieters gegenüber<br />
dem Vermieter für einfache Fahrlässigkeit lehnt der<br />
Gerichtshof ausdrücklich ab, da kein Interesse des Mieters<br />
erkennbar sei, den Vermieter in den Versicherungsschutz<br />
einzubeziehen. Der Abschluss einer Feuerversicherung<br />
diene allein der Absicherung des wirtschaftlichen Risikos<br />
des Mieters, und zwar selbst dann, wenn sich der Mieter<br />
im Mietvertrag zum Abschluss der Versicherung verpflichtet<br />
hat. Das fahrlässige Verschulden seines Handwerkers<br />
muss der Vermieter sich zurechnen lassen, so dass die Versicherung<br />
des Mieters ihn in Regress nehmen konnte.<br />
Besprochene Entscheidung:<br />
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012, XII ZR 6/12<br />
Dr. Steffen Kircher, Rechtsanwalt<br />
Steffen Bolai, Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Schließt der Mieter gebäudebezogene Versicherungen<br />
ab, kann sich der Vermieter im Schadensfall dem Rückgriff<br />
des Versicherers ausgesetzt sehen. Dieses Risiko<br />
kann nur vermieden werden, wenn der Vermieter den<br />
Versicherungsvertrag entweder selbst schließt, oder als<br />
weiterer Versicherungsnehmer in den Versicherungsvertrag<br />
des Mieters aufgenommen wird. Auch die Vereinbarung<br />
eines ausdrücklichen Regressverzichts zugunsten<br />
des Vermieters in dem vom Mieter abgeschlossenen<br />
Versicherungsvertrag ist möglich, kann aber die Versicherungskosten<br />
erhöhen.<br />
18 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
Insolvenzrecht<br />
Unwirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln – Konsequenzen<br />
aus der Entscheidung des BGH vom 15.11.2012, Az. IX ZR 169/11<br />
In der Praxis weit verbreitet ist die Verwendung von Lösungsklauseln<br />
in Individualverträgen oder Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen (AGB). Der Vertragspartner behält<br />
sich durch solche Lösungsklauseln das Recht zur<br />
Beendigung des Vertrags bei Eintritt eines insolvenzbezogenen<br />
Ereignisses vor. Der Bundesgerichtshof (BGH)<br />
hat nun mit Urteil vom 15. November 2012 entschieden,<br />
dass insolvenzabhängige Lösungsklauseln in Verträgen<br />
über die fortlaufende Lieferung von Waren und Energie<br />
unwirksam sind.<br />
Warum sind insolvenzabhängige<br />
Lösungsklauseln unwirksam?<br />
Klauseln die eine Kündigungsmöglichkeit oder automatische<br />
Beendigung des Vertrags bei Stellung eines Insolvenzantrags<br />
oder bei Insolvenzeröffnung vorsehen sind<br />
unwirksam, weil sie das Wahlrecht des Insolvenzverwalters<br />
über die Erfüllung oder Nichterfüllung eines nicht<br />
vollständig erfüllten Vertrags ausschließen. Zweck dieses<br />
Erfüllungswahlrechtes ist es, die Betriebsfortführung des<br />
insolventen Unternehmens zu gewährleisten. Dieser Zweck<br />
könnte vereitelt werden, wenn sich der Vertragspartner<br />
des Schuldners allein wegen dessen Insolvenz von einem<br />
für die Masse günstigen Vertrag lösen kann. Nach Auffassung<br />
des BGH wird der Vertragspartner des insolventen<br />
Unternehmens ausreichend geschützt, weil er für den Fall<br />
der Erfüllungswahl durch den Insolvenzverwalter eine Gegenleistung<br />
aus der Insolvenzmasse erhalte.<br />
Welche Klauseln sind unwirksam?<br />
Eine Lösungsklausel die an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
anknüpft, war auch bislang schon unwirksam. Der<br />
BGH hat nunmehr klargestellt, dass auch solche Lösungsklauseln<br />
unwirksam sind, die bereits an die Stellung eines<br />
Insolvenzantrags anknüpfen. Eine insolvenzabhängige und<br />
damit unwirksame Lösungsklausel ist aber auch dann anzunehmen,<br />
wenn sich eine Partei im Falle der Zahlungseinstellung,<br />
Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des<br />
Vertragspartners vom Vertrag lösen kann.<br />
Im Unterschied dazu knüpfen insolvenzunabhängige Lösungsklauseln<br />
an nicht insolvenzspezifische Umstände an.<br />
Wirksam bleiben daher jedenfalls in Individualverträgen<br />
Klauseln, die das Recht zur Beendigung des Vertrags bei<br />
Verzugseintritt oder sonstiger Vertragsverletzung vorsehen.<br />
Dr. Till Mahler, Rechtsanwalt<br />
Dr. Jasmin Urlaub, Rechtsanwältin<br />
Fazit:<br />
Die Entscheidung des BGH zur Unwirksamkeit insolvenzabhängiger<br />
Lösungsklauseln hat nicht nur für<br />
Lieferverträge über Waren und Energie sondern für<br />
alle Dauerschuldverhältnisse Relevanz. Verträge und<br />
AGB sollten vorsichtshalber überprüft und soweit<br />
möglich angepasst werden. Insolvenzverwalter werden<br />
zukünftig eine Kündigung allein auf Grundlage<br />
einer insolvenzabhängigen Lösungsklausel zurückweisen<br />
können. Die Beobachtung der wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse des Vertragspartners wird daher<br />
noch wichtiger werden als bisher.<br />
Als Ausweg zur Sicherung der Gegenleistung im Insolvenzeröffnungsverfahren<br />
bleibt dem Vertragspartner<br />
insbesondere die Möglichkeit, sich über die Unsicherheitseinrede<br />
nach § 321 BGB etwaiger Vorleistungspflichten<br />
zu entziehen und Leistung nur Zug um Zug<br />
zu gewähren.<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 19
Baurecht<br />
Fehler beim Schallschutz –<br />
Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung<br />
Ist die gekaufte Wohnung bzw. das gekaufte (Reihen-)<br />
Haus hellhöriger als gedacht, ist das für den Erwerber in<br />
erster Linie lästig. Für den Bauträger kann das Problem<br />
jedoch schnell nicht nur mit finanziellen Aufwendungen<br />
in erheblichem Ausmaß verbunden, sondern sogar existenzgefährdend<br />
sein. Entsprechend groß ist das Interesse<br />
des Bauträgers, Ansprüche des Erwerbers wegen fehlerhaftem<br />
Schallschutz von vornherein zu vermeiden oder<br />
zumindest abzuwehren.<br />
Mörtelreste zwischen den Trennwänden, ungeeignete<br />
Trennfugenplatten - gerade beim Bau von Reihenhäusern<br />
sind die Möglichkeiten vielfältig, die einen ausreichenden<br />
Schallschutz zum Nebengebäude gefährden. Verlangt der<br />
Eigentümer vom Bauträger im Fall der Fälle Mängelbeseitigung<br />
und ist die Nachbesserung z.B. nur durch ein<br />
aufwendiges Seilsägeverfahren möglich, liegt es nahe,<br />
dass der Bauträger die Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung<br />
einwendet. Ist die Nachbesserung tatsächlich<br />
unverhältnismäßig, kann der Erwerber nämlich nur eine<br />
angemessene Minderung des Kaufpreises verlangen. Eine<br />
Nachbesserung, die bei Schallschutzmängeln schnell<br />
mehrere zehntausend Euro verschlingen kann, wäre ausgeschlossen.<br />
Dass der Einwand der Unverhältnismäßigkeit<br />
Erfolg hat, kann der Bauträger jedoch regelmäßig<br />
nicht erwarten. Die Rechtsprechung urteilt im Normalfall,<br />
dass das Interesse an einem mit den Regelungen der DIN<br />
4109 in Einklang stehenden Bauobjekt der Unverhältnismäßigkeit<br />
– auch bei hohen Kosten – entgegensteht. Dies<br />
gilt insbesondere beim Schallschutz, der die Qualität des<br />
Objekts maßgeblich mitbestimmt. Dem Bauträger bleibt<br />
nichts anderes übrig, als auf seine Kosten nachzubessern.<br />
Möchte der Bauträger den üblichen Schallschutz unterschreiten,<br />
ist er gezwungen, den Erwerber darauf im Vertrag<br />
deutlich hinzuweisen und ihn über die Folgen einer<br />
solchen Bauweise für die Wohnqualität aufzuklären. Der<br />
Verweis in der Leistungsbeschreibung auf „Schalldämmung<br />
nach DIN 4109“ genügt hierfür nicht. Ohne diesen<br />
Hinweis darf der Erwerber das Schallschutzniveau erwarten,<br />
das für das Objekt der Bauform nach gilt. Das in diesem<br />
Sinne geschuldete Schallschutzniveau wird z.B. auch<br />
dadurch nicht geschmälert, dass ein der Bauform nach<br />
als Reihenhaus zu bewertendes Objekt Teil einer WEG ist.<br />
Werden in einem solchen Fall nur einschalige Trennwände<br />
zwischen den Häusern verbaut, muss sich der Bauträger<br />
darauf einrichten, für viel Geld den Schallschutz nachrüsten<br />
zu müssen.<br />
Alexander Knodel, Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Unterschreitet der Schallschutz die Vorgaben, die<br />
die DIN 4109 vorsieht und die der Erwerber objektiv<br />
erwarten darf, ist der Bauträger regelmäßig mit<br />
Mängelbeseitigungsansprüchen konfrontiert. Nur in<br />
seltenen Fällen wird der Bauträger die Ansprüche mit<br />
dem Argument abwehren können, dass die Nachbesserung<br />
unverhältnismäßig ist. Möchte der Bauträger<br />
diese für ihn unter Umständen existenzgefährdende<br />
Situation verlässlich vermeiden und dennoch vom<br />
üblichen Schallschutzstandard abweichen, ist eine<br />
ausdrückliche vertragliche Regelung mit dem Erwerber<br />
erforderlich. Diese Grundsätze gelten nicht nur<br />
für den Bauträger, sondern auch im Falle „normaler“<br />
Bauverträge.<br />
20 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
Architektenrecht<br />
Die neue HOAI <strong>2013</strong> – Zwei Schritte vor, einer zurück<br />
Die HOAI <strong>2013</strong> steht kurz davor, den bisherigen Verordnungstext<br />
abzulösen. Dass die neue HOAI tatsächlich<br />
noch vor der Bundestagswahl im September in Kraft tritt,<br />
ist nach der Zustimmung durch den Bundesrat am 7. Juni<br />
so gut wie sicher. Sicher ist auch, dass es zahlreiche inhaltliche<br />
Neuerungen geben wird, auf die sich sowohl Planer<br />
als auch Bauherren werden einstellen müssen.<br />
Die HOAI 2009 stellte einen klassischen „Schnellschuss“<br />
dar, dementsprechend zahlreich sind die Fehler, die gemacht<br />
wurden. Sich widersprechende Vorschriften und<br />
Regelungen, deren Inhalt bis heute umstritten ist, waren<br />
die Folge. Diese handwerklichen Fehler sollen durch die erneute<br />
Reform der HOAI – teilweise unter Rückgriff auf die<br />
vor 2009 gültige Fassung – beseitigt werden. Weiteres Ziel<br />
ist insbesondere, die Leistungsbilder an die heutige Realität<br />
anzupassen. Zwei Gutachten, Protokolle zahlreicher<br />
Sitzungen von Fachleuten und ein Strauß an guten Vorsätzen<br />
später liegt nun der Referentenentwurf der HOAI<br />
mit zahlreichen Neuerungen vor. Die markantesten Änderungen<br />
im Vergleich zu den bisherigen Regelungen werden<br />
voraussichtlich sein:<br />
− Wiedereinführung der „mitverarbeiteten<br />
Bausubstanz“,<br />
− eigenständige Regelung zur Honorarberechnung bei<br />
Umbau und Modernisierungen,<br />
− neue Regelung zur Honorarberechnung bei<br />
Änderungen des Leistungsumfangs (sog. Planungsnachträge),<br />
− Aktualisierung der Leistungsbilder und Erhöhung<br />
der Honorare,<br />
− Abnahme der Planungsleistungen als Voraussetzung<br />
für die Schlussrechnung,<br />
− Wiedereinführung des Begriffs „Grundleistung“ und<br />
Austausch des Begriffs „raumbildender Ausbau“ durch<br />
den Begriff „Innenräume“,<br />
− keine gesonderte Honorarberechnung für Gebäudeund<br />
Innenraumplanung, wenn diese in Zusammenhang<br />
stehen,<br />
− Zusammenfassung eines Leistungsbilds, dazugehöriger<br />
besonderer Leistungen und Objektliste in einer Anlage.<br />
Die geplanten Änderungen wurden bisher von der Fachwelt<br />
überwiegend positiv bewertet und begrüßt. Ob sich<br />
die Neuerungen in der Praxis durchsetzen und ob die HOAI<br />
<strong>2013</strong> tatsächlich die erhofften Verbesserungen bringt,<br />
wird sich in der praktischen Anwendung jedoch erst noch<br />
herausstellen müssen.<br />
Ulrich Eix, Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Noch gilt die HOAI in ihrer Fassung von 2009. Bereits in<br />
wenigen Wochen wird sich durch das Inkrafttreten der<br />
neuen HOAI jedoch Einiges ändern. Dies gilt nicht nur<br />
für die Honorarberechnung nach Abwicklung des Auftrags.<br />
Auch bei der Vertragsgestaltung und während<br />
der Planungs- und Bauphase werden die Neuerungen<br />
Umdenken erfordern. Darauf müssen sich Planer und<br />
Auftraggeber einrichten, um böse Überraschungen zu<br />
vermeiden.<br />
Vergaberecht<br />
Jetzt auch in Baden-Württemberg:<br />
Tariftreue- und Mindestlohnpflicht bei der Vergabe öffentlicher Aufträge<br />
Am 1. <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> ist das Tariftreue- und Mindestlohngesetz<br />
für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg<br />
(LTMG) in Kraft getreten. Auch in Baden-Württemberg<br />
sind dann zwingende Vorgaben zur Zahlung eines vergabespezifischen<br />
Mindestentgelts sowie hiermit verbundene<br />
Verpflichtungen für Unternehmen bei der Abwicklung<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 21
öffentlicher Bau- und Dienstleistungsaufträge zu beachten.<br />
Verletzen Bieter diese Bestimmungen, kann dies zum<br />
Ausschluss aus dem laufenden und auch künftigen Vergabeverfahren<br />
führen und nach Vertragsschluss Vertragsstrafen<br />
und die Kündigung des Vertrags aus wichtigem<br />
Grund zur Folge haben.<br />
Mit dem LTMG folgt Baden-Württemberg dem bundesweiten<br />
Trend zur verbindlichen Vorgabe eines Mindestentgelts,<br />
das Unternehmen bei der Erbringung öffentlicher<br />
Aufträge ihren Mitarbeitern zahlen müssen. Zum einen<br />
enthält das Gesetz die – ohnehin bestehende – Verpflichtung,<br />
Arbeitnehmern die in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen<br />
oder dem Mindestarbeitsbedingungengesetz<br />
festgelegten Löhne zu zahlen. Kern des Gesetzes ist jedoch<br />
die hierüber hinausgehende Festsetzung eines vergabespezifischen<br />
Mindestentgelts für die Beschäftigten bei<br />
der Ausführung öffentlicher Aufträge in Höhe von mindestens<br />
8,50 EUR brutto pro Stunde. Dieses Mindestentgelt<br />
ist auch dann zu zahlen, wenn allgemeinverbindliche<br />
Tarifverträge eine Vergütung der Mitarbeiter vorsehen,<br />
diese jedoch unterhalb des neuen Mindestentgelts von<br />
8,50 EUR je Stunde liegt.<br />
Die Vorgaben zum Mindestentgelt sind auch für Bieter relevant,<br />
die selbst über dem Mindestentgelt liegende Löhne<br />
bezahlen. Denn das LTMG erstreckt die Verpflichtung zur<br />
Zahlung des Mindestentgelts auch auf Nachunternehmen<br />
sowie Leihunternehmen, die im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung<br />
Mitarbeiter zur Verfügung stellen. Darüber<br />
hinaus verpflichtet das LTMG die Bieter, mit Abgabe<br />
des Angebots auch eine Erklärung zur Zahlung des Mindestentgelts<br />
bzw. eines aufgrund allgemeinverbindlichen<br />
Tarifvertrags zu zahlenden höheren Entgelts. Der Bieter<br />
hat dafür Sorge zu tragen, dass auch Nachunternehmen<br />
und Verleiher entsprechende Erklärungen vorlegen.<br />
Kommt der Auftragnehmer diesen Vorgaben nicht nach,<br />
so hat dies den Ausschluss des Bieters aus dem Vergabeverfahren<br />
zur Folge.<br />
Das LTMG enthält des Weiteren auch Regelungen, die die<br />
Einhaltung der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestentgelts<br />
nach Vertragsschluss absichern sollen. Sowohl<br />
die beauftragten Unternehmen als auch ihre Nachunternehmen<br />
und Verleihunternehmen sind daher verpflichtet,<br />
dem öffentlichen Auftraggeber die Einhaltung dieser<br />
Vorgaben nachzuweisen und hierzu Einsicht in geschäftliche<br />
Unterlagen, insbesondere die Entgeltabrechnungen,<br />
sowie die Nachunternehmer- und Arbeitnehmerüberlassungsverträge<br />
zu gewähren. Des Weiteren werden die<br />
Auftraggeber verpflichtet, Vertragsstrafen für den Fall<br />
des Verstoßes gegen die Vorgaben des LTMG sowie ein<br />
außerordentliches Kündigungsrecht zu vereinbaren. Nicht<br />
zuletzt können öffentliche Auftraggeber im Falle einer<br />
schuldhaften Verletzung des LTMG Unternehmen für die<br />
Dauer von bis zu drei Jahren von ihren zukünftigen Auftragsvergaben<br />
ausschließen.<br />
Ob und in welchem Umfang die Vorgaben des LTMG von<br />
öffentlichen Auftraggebern konsequent umgesetzt und<br />
überprüft werden, bleibt abzuwarten. Auch ist davon<br />
auszugehen, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes<br />
erst durch die Rechtsprechung abschließend bestimmt<br />
werden wird. Spannend ist insbesondere, welche Arbeitnehmer<br />
„bei der Ausführung öffentlicher Aufträge“ tätig<br />
sind.<br />
Dr. Karsten Kayser, Rechtsanwalt<br />
Fazit:<br />
Die Teilnahme an Vergabeverfahren wird durch das<br />
LTMG weiter verkompliziert. Auch Bieter, die selbst keine<br />
unter dem Mindestentgelt von 8,50 EUR/h liegenden<br />
Löhne zahlen, haben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge<br />
formelle Vorgaben zu beachten und sind für die<br />
Erfüllung der Vorgaben des LTMG durch die von ihnen<br />
eingebundenen Drittunternehmen verantwortlich. Da<br />
mittlerweile die überwiegende Mehrzahl der Bundesländer<br />
– wieder – über Tariftreuegesetze verfügt, diese<br />
jedoch keine einheitlichen Vorgaben enthalten, kann<br />
eine Standardisierung der Unterlagen leider kaum erreicht<br />
werden.<br />
22 <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong>
In eigener Sache<br />
Veröffentlichung<br />
Die 2. Auflage „Vergaberecht in der Unternehmenspraxis –<br />
Erfolgreich um öffentliche Aufträge bewerben“; Gabler<br />
Verlag, Autoren: Fabry, Meininger, Kayser, ist erschienen.<br />
Impressum<br />
Verleger: <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> Partnerschaft, Rheinstahlstraße 3, 70469 Stuttgart, Telefon +49 711 86040-00, Telefax +49 711 86040-01<br />
kontakt@menoldbezler.de V. i. S. d. P.: Dr. Axel Klumpp, Dr. Christoph Winkler, <strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> Partnerschaft, axel.klumpp@menoldbezler.de<br />
christoph.winkler@menoldbezler.de Redaktion: Dr. Axel Klumpp, Dr. Christoph Winkler Gestaltung und Produktion: Team by Krämer Eckl, www.tbke.de<br />
In den einzelnen Beiträgen können die angesprochenen Themen nur schlagwortartig und in gedrängter Kürze dargestellt werden. Die Lektüre ersetzt also in<br />
keinem Fall die individuelle Rechtsberatung. Sollten Sie Beratungs- oder Handlungsbedarf erkennen, sprechen Sie bitte den Ihnen vertrauten Anwalt bei <strong>Menold</strong><br />
<strong>Bezler</strong> an. Für Fragen, Anregungen und Kritik zu dieser <strong>Mandanteninformation</strong> haben wir jederzeit ein offenes Ohr.<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong>, Stresemannstraße 79, 70191 Stuttgart und Rheinstahlstraße 3, 70469 Stuttgart, Telefon +49 711 86040-00<br />
Telefax +49 711 86040-01, kontakt@menoldbezler.de, www.menoldbezler.de<br />
<strong>Menold</strong> <strong>Bezler</strong> <strong>Rechtsanwälte</strong> – <strong>Mandanteninformation</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong> 23
Mittelstand im Mittelpunkt ®