Kanonenkugeln, Täuscher und Kabbesköpp - Mineralworld.de
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<strong>Kanonenkugeln</strong>, <strong>Täuscher</strong> <strong>und</strong> <strong>Kabbesköpp</strong><br />
Achat-Almanach<br />
<strong>Kanonenkugeln</strong>, <strong>Täuscher</strong> <strong>und</strong> <strong>Kabbesköpp</strong><br />
Es gibt Stellen auf achathöffigen Äckern im Saar-Nahegebiet, die einen Achatsammler zur Verzweiflung<br />
treiben können. Dicht an dicht liegen hier, wie Geschosse nach <strong>de</strong>r Völkerschlacht r<strong>und</strong>e Steinkugeln im<br />
Acker. Allerdings han<strong>de</strong>lt es sich nicht wie erhofft um Achatman<strong>de</strong>ln o<strong>de</strong>r Drusen – nein, diese Kugeln sind<br />
massive Felsbrocken. Gewöhnliche Ackersteine von ungewöhnlicher Form. Kein Mustern <strong>und</strong> Begutachten,<br />
Aufklopfen o<strong>de</strong>r Schnei<strong>de</strong>n än<strong>de</strong>rt etwas an dieser Tatsache.<br />
„<strong>Täuscher</strong>“ aus Hoppstädten Weiersbach, Durchmesser etwa 80 mm<br />
Stellen diese täuschen<strong>de</strong>n Kugeln für uns Sammler zum Einen ein Ärgernis dar (weil eben kein Achat <strong>und</strong><br />
schon h<strong>und</strong>ert Mal gebückt) sind sie zum Zweiten <strong>de</strong>nnoch ein interessantes morphologisches Phänomen.<br />
Der Achatsammler, als wissenschaftlich versierter Zeitgenosse, hält diese sphärischen Kobol<strong>de</strong> für Produkte<br />
geologischer Prozesse, wohingegen <strong>de</strong>r Laie rätselt.<br />
Alltäglich konfrontiert mit diesen ungewöhnlich strukturierten Steinen benennt sie etwa <strong>de</strong>r Bauer als<br />
„<strong>Kabbesköpp</strong>“.<br />
Der zur sonntäglichen Ertüchtigung mit einem Metallsuchgerät bewaffnete „Schatzgräber“ ent<strong>de</strong>ckt hier<br />
„mittelalterliche Katapultsteine“ <strong>und</strong> <strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>m Zwang <strong>de</strong>s Faktischen nicht unterwerfen<strong>de</strong> Eingeweihte<br />
vermutet aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r geometrischen Vollkommenheit „außerirdische Artefakte“.<br />
Also - Welches zynische Hinkel hat diese Eier gelegt ?
<strong>Kanonenkugeln</strong>, <strong>Täuscher</strong> <strong>und</strong> <strong>Kabbesköpp</strong><br />
Achat-Almanach<br />
Schritt für Schritt - betrachten wir uns erst mal die Objekte genauer.<br />
Dass sie von <strong>de</strong>r Zusammensetzung her <strong>de</strong>m gewöhnlichen Vulkanit entsprechen hat <strong>de</strong>r erste, noch<br />
hoffnungsvolle Hammerschlag (<strong>de</strong>m weitere verzweifelte folgten) gezeigt. An<strong>de</strong>rs als die bekannten<br />
gewöhnlichen Ackersteine, zeigen diese hier verschie<strong>de</strong>ne ungewöhnliche morphologische Phänomene.<br />
Sie besitzen eine in <strong>de</strong>r Regel einheitliche Größe, die prozentuell maximal um 10% bis 15 % variiert. Je<br />
nach Vorkommen reicht diese von Mandarinen- bis Volleyballgröße – also von etwa 4 cm bis 20 cm. Sie<br />
stellen mehr o<strong>de</strong>r weniger r<strong>und</strong>e Einheiten dar. Diese sind von Vorkommen zu Vorkommen unterschiedlich,<br />
aber an einem Ort immer ähnlich, d.h. wir fin<strong>de</strong>n entwe<strong>de</strong>r nur kugelr<strong>und</strong>e, o<strong>de</strong>r nur länglich-ellipsoidale<br />
o<strong>de</strong>r nur polygonal verr<strong>und</strong>ete Steine.<br />
Je nach vorliegen<strong>de</strong>m Gestein variiert die Oberfläche zwischen grusig <strong>und</strong> speckig <strong>und</strong> zeigt in<br />
unterschiedlichem Maße schalige Abson<strong>de</strong>rungen, von „nicht vorhan<strong>de</strong>n“ bis „<strong>de</strong>utlich mehrschichtig“.<br />
Insolations-Verwitterung ( Legen<strong>de</strong> im Text )<br />
Die Entstehung dieser von<br />
<strong>de</strong>r Form her<br />
außergewöhnlichen Steine<br />
hängt zusammen mit<br />
Verwitterungsprozessen an<br />
massiven Gesteinsmassen<br />
unterhalb <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>noberfläche.<br />
Durch die<br />
Abkühlung <strong>de</strong>s vormals<br />
glutflüssigen Gesteines<br />
entstehen oberflächennah<br />
Risse <strong>und</strong> Spalten <strong>und</strong> somit<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich eckige Blöcke<br />
( a ) Durch Temperaturwechsel<br />
zwischen Tag- <strong>und</strong><br />
Nacht <strong>und</strong> zwischen<br />
Jahreszeiten wer<strong>de</strong>n diese<br />
Risse <strong>und</strong> Klüfte vergrößert<br />
(Insolationsverwitterung)<br />
( b ). In unseren Breiten<br />
kann die Frostverwitterung<br />
eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle<br />
spielen.<br />
In die gebankten, quer- o<strong>de</strong>r längsgeklüfteten Steine dringen daraufhin chemisch aggressive Lösungen ein<br />
(Regenwasser mit im Wasser gelösten Huminsäuren) <strong>und</strong> beginnen, die Minerale <strong>de</strong>s Gesteins zu zersetzen.<br />
Das geschieht in erster Linie an <strong>de</strong>n Ecken <strong>und</strong> Kanten <strong>de</strong>r einzelnen Blöcke, da dort die Angriffsflächen<br />
größer sind als an <strong>de</strong>n Seitenflächen (s.h. Skizze Kantenverr<strong>und</strong>ung). Dadurch wer<strong>de</strong>n spitze <strong>und</strong> kantige<br />
Stellen <strong>de</strong>r Blöcke ger<strong>und</strong>et. Ger<strong>und</strong>ete Formen entstehen ( c ) – bis hin zu kugelr<strong>und</strong>en Gebil<strong>de</strong>n ( d ).<br />
Kantenverr<strong>und</strong>ung als Vektorschema<br />
a – Umriss <strong>de</strong>s ursprünglichen Körpers<br />
b – Verwitterungseinheit auf <strong>de</strong>r Fläche<br />
c – tatsächlich resultieren<strong>de</strong> Oberflächenkurve<br />
1 - Wirkungsvektor <strong>de</strong>r Verwitterung<br />
2 – Bereich gemeinsamen Wirkens <strong>de</strong>r Verwitterung an <strong>de</strong>r Kante<br />
3 – <strong>de</strong>r hierdurch entstehen<strong>de</strong> weitere wirksame Vektor
<strong>Kanonenkugeln</strong>, <strong>Täuscher</strong> <strong>und</strong> <strong>Kabbesköpp</strong><br />
Achat-Almanach<br />
Desquamation<br />
Teilweise kommt es auch zur Abschuppung<br />
zusammenhängen<strong>de</strong>r dünner<br />
Gesteinsplättchen, <strong>de</strong>r so genannten<br />
Desquamation. (lat.: squama = die<br />
Schuppe). Sie bezeichnet die<br />
Schalenablösung o<strong>de</strong>r Abschuppung<br />
(Schuppenbildung) von Gesteinsoberflächen<br />
unter Loslösung schaliger Gesteinsplatten.<br />
Die schaligen Schuppen können Stärken<br />
zwischen einigen Millimetern bis zu mehreren<br />
Zentimetern haben. Hauptursachen <strong>de</strong>r<br />
Desquamation sind Insolation <strong>und</strong> starke<br />
Temperaturunterschie<strong>de</strong> zwischen Tag <strong>und</strong><br />
Nacht.<br />
„<strong>Täuscher</strong>“ mit beginnen<strong>de</strong>r Abschuppung (Desquamation) aus <strong>de</strong>m Schaumberger Land, Höhe etwa 100mm.
<strong>Kanonenkugeln</strong>, <strong>Täuscher</strong> <strong>und</strong> <strong>Kabbesköpp</strong><br />
Achat-Almanach<br />
Diese Abschuppung fin<strong>de</strong>t statt, da die im Gestein befindlichen Mineralien unterschiedlich thermische<br />
Aus<strong>de</strong>hnungswerte haben. Ihr Volumen verän<strong>de</strong>rt sich unterschiedlich, <strong>de</strong>mzufolge wer<strong>de</strong>n Spannungen<br />
aufgebaut, welche das Absprengen <strong>de</strong>r Schuppen bewirken. Bei diesem Prozess lösen sich die Mineralkörner<br />
aus <strong>de</strong>m Gesteinsverband.<br />
In unserem Fall ist je nach vorliegen<strong>de</strong>m vulkanischen Gestein (z.B. Basalt o<strong>de</strong>r An<strong>de</strong>sit) <strong>und</strong><br />
unterschiedlichem Erosionsgrad die Desquamation in <strong>de</strong>r Lage außergewöhnliche<br />
Schalengebil<strong>de</strong> herzustellen. Ein Extrem in dieser Hinsicht sind die im Volksm<strong>und</strong> als „<strong>Kabbesköpp</strong>“<br />
(Kohlköpfe) bezeichneten Steine.<br />
Verstehen wir jetzt <strong>de</strong>n Ursprung <strong>de</strong>r uns narren<strong>de</strong>n Objekte, stecken wir als Achatsammler immer noch in<br />
einer Zwickmühle – <strong>de</strong>nn das Vorkommen <strong>de</strong>r „<strong>Täuscher</strong>“ auf <strong>de</strong>m Acker schließt das Vorkommen von<br />
Achatman<strong>de</strong>ln nicht aus. Wollen wir diese fin<strong>de</strong>n, bleibt uns also keine Wahl als uns immer wie<strong>de</strong>r zu<br />
bücken, zu begutachten <strong>und</strong> wegzuschmeißen.<br />
Beson<strong>de</strong>rer Dank gilt Herbert Jeckel, Hasborn, <strong>de</strong>r mir diesen w<strong>und</strong>erschönen „Kabbeskopp“ von Tholey überlassen hat.<br />
Größe etwa 100 mm.<br />
Klaus Schäfer, Vollmersbach, August 2013