Ein Magazin über Uhren und Schmuck - Nansen & Piccard
Ein Magazin über Uhren und Schmuck - Nansen & Piccard
Ein Magazin über Uhren und Schmuck - Nansen & Piccard
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Nr. 01 / 13<br />
Glanz oder<br />
gar nicht!<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Magazin</strong><br />
<strong>über</strong> <strong>Uhren</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Schmuck</strong>
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- EA 3002
Editor ial<br />
W<br />
illkommen bei Stil Leben, dem<br />
neuen Heft aus der Redaktion<br />
des Süddeutsche Zeitung <strong>Magazin</strong>s! Es<br />
war ein großes Vergnügen, ein ganz<br />
neues <strong>Magazin</strong> zu erfinden: Stil Leben<br />
ist ein emotionales <strong>und</strong> originelles<br />
Heft, das sich von nun an regelmäßig<br />
monothematischer Inhalte annehmen<br />
wird. Für diese erste Ausgabe haben<br />
wir das Thema »<strong>Schmuck</strong> <strong>und</strong> <strong>Uhren</strong>«<br />
gewählt – Objekte, mit denen sich<br />
die Menschen seit jeher beschenken,<br />
um sich ihre Zuneigung zu zeigen. In<br />
Stil Leben finden sich deshalb nicht<br />
nur Interviews, Reportagen <strong>und</strong> Essays<br />
– wir baten auch den Künstler Ronald<br />
Dick, Menschen zu fotografieren,<br />
die sich umarmen oder küssen (ab<br />
Seite 58). Am Ende ist ein Heft<br />
<strong>über</strong> <strong>Uhren</strong> <strong>und</strong> <strong>Schmuck</strong> eben immer<br />
auch ein Heft <strong>über</strong> die Liebe. Viel<br />
Vergnügen mit dieser Ausgabe von<br />
Stil Leben!<br />
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Inhalt<br />
Nr. 01 / 13<br />
Editorial<br />
Seite 8<br />
auf die schnelle<br />
<strong>Ein</strong> Plädoyer für mehr<br />
Geschwindigkeit<br />
Seite 12<br />
Cover<br />
Tess Hellfeuer (rechts),<br />
Model für Designer<br />
wie Marc Jacobs oder<br />
Alexander Wang,<br />
<strong>und</strong> Stefan Heinrichs,<br />
Fotograf aus Berlin,<br />
haben gemeinsam<br />
mitten im kältesten<br />
März seit Jahrzehnten<br />
tatsächlich ein echtes<br />
Sommergefühl eingefangen.<br />
Das Ergebnis<br />
ist auf dem Titel<br />
dieser Ausgabe zu<br />
sehen.<br />
<br />
Fotograf<br />
Stefan Heinrichs<br />
Styling<br />
Evelyn Sand<br />
Haare & Make-up<br />
Gregor Makris<br />
STILBLÜTEN<br />
Von Tierketten bis Blattgold:<br />
Stylistin Anna Schiffel zeigt<br />
den Trend Naturschmuck im<br />
Dickicht eines alten<br />
Gewächshauses<br />
Seite 28<br />
FRÜHLINGSGEFÜHLE<br />
Ronald Dick porträtierte in Paris Paare in<br />
inniger Umarmung – <strong>und</strong> zeigt dabei<br />
die <strong>Uhren</strong> <strong>und</strong> <strong>Schmuck</strong>stücke der Saison<br />
mit besonders viel Liebe<br />
Seite 58<br />
ZEITENWENDE<br />
Praktisch unschlagbar:<br />
Auf dem Rad<br />
<strong>über</strong>trifft die Uhr<br />
das Smartphone in<br />
allen Belangen.<br />
Hier der Beweis<br />
Seite 38<br />
SCHATZSUCHE<br />
Fotograf Urban Zintel <strong>und</strong> Reporterin<br />
Xifan Yang auf dem Weg zu den<br />
geheimen Goldperleninseln auf den<br />
Philippinen – hinter dem grünen<br />
Archipel rechts<br />
Seite 50<br />
er hängt einfach<br />
dr an<br />
Giambattista Valli <strong>und</strong><br />
sein <strong>Schmuck</strong>faible<br />
Seite 18<br />
da ist was<br />
im busch<br />
<strong>Schmuck</strong>trend des<br />
Frühjahrs: die Natur<br />
Seite 28<br />
tr aumSTART<br />
<strong>Ein</strong>e Ode an den<br />
Radiowecker<br />
Seite 34<br />
nouvelle vague<br />
<strong>Schmuck</strong>designerin<br />
Lauren Rubinski<br />
Seite 36<br />
auf touren<br />
Eleganter radeln mit<br />
den neuen <strong>Uhren</strong><br />
Seite 38<br />
die nehmen sich<br />
was r aus<br />
Sofia Coppola verfilmt<br />
den »Bling Ring«<br />
Seite 46<br />
der Perlkönig<br />
<strong>Ein</strong> Franzose züchtet<br />
goldene Riesenperlen<br />
Seite 50<br />
von ganzem herzen<br />
Paare aus Paris<br />
zeigen <strong>Uhren</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Schmuck</strong>neuheiten<br />
Seite 58<br />
»Newton lag<br />
falsch«<br />
Philosoph Jim Holt<br />
<strong>über</strong> die Ewigkeit<br />
Seite 68<br />
Bezugsquellen <strong>und</strong><br />
Impressum<br />
Seite 72<br />
Letzte Seite<br />
Waris Ahluwalia<br />
im Interview<br />
Seite 74<br />
Titel: Kette »Caresse d’Orchidées« von CARTIER, Kleid von VALENTINO. Fotos Inhalt: Daniel Riera (1); Armreif »Juste un Clou«-Bracelet von CARTIER, Lederblouson von CÉLINE; Fahrradbild: Uhr »Classic Fusion« von Hublot<br />
10 Stil Leben
<strong>Ein</strong> Lob auf die<br />
Schnelle<br />
Der<br />
geschwindigkeit<br />
eilt ein verheerender<br />
Ruf voraus. Warum<br />
nur sehnen sich so<br />
viele Menschen nach<br />
Entschleunigung?<br />
<strong>Ein</strong> Plädoyer für mehr<br />
Eile statt Weile<br />
Text<br />
Jakob Schrenk<br />
Fotos<br />
shinichi<br />
maruyama<br />
Sie wollen einen Bestseller verfassen, in<br />
der Vielfliegerschlange am Flughafen<br />
Standing Ovations erhalten oder sich<br />
als Kantinen-Kulturkritiker profilieren? Sie<br />
suchen einen guten Slogan, um für Discounter-<br />
Fencheltee oder für ein Wochenende in<br />
einem Schlosshotel in den Alpen zu werben?<br />
Hier sind zwei Sätze, die Sie sich merken<br />
müssen: »Viele empfinden das Tempo des Lebens<br />
heute als sehr laut <strong>und</strong> sehr schnell.«<br />
Und: »Wichtig ist: Entschleunigung, Entspannung,<br />
Unterbrechung des Alltags.«<br />
Die Sätze stammen von Margot Käßmann.<br />
Die Theologin hat ein besonderes Talent.<br />
Sie stellt wie keine Zweite Thesen auf, die als<br />
kritisch <strong>und</strong> unbequem gelten – denen<br />
aber absolut niemand widersprechen mag.<br />
Käßmann hat erkannt, dass sich die Deutschen<br />
nicht mehr vor SARS, Schweinegrippe<br />
oder dem aktuellen Virus der Saison fürchten,<br />
auch nicht vor Terroristen oder Heuschrecken,<br />
sondern vor der Geschwindigkeit. Acht von<br />
zehn Deutschen fühlen sich laut einer Forsa-<br />
Umfrage »gestresst«. Der Kinderschutzb<strong>und</strong><br />
hat festgestellt, dass schon ein Drittel aller<br />
Zweit- <strong>und</strong> Drittklässler unter Stress <strong>und</strong><br />
Tempodruck leidet. Spiegel <strong>und</strong> Stern berichten<br />
<strong>über</strong> Burn-out mittlerweile so häufig<br />
wie <strong>über</strong> Hitler. Die große Koalition der<br />
Tempokritiker reicht von grünen Fortschrittsverweigerern<br />
<strong>über</strong> Manufactum-Powershopper<br />
bis zu gestressten Managern, die schon<br />
lange nur noch davon träumen, ihren<br />
BlackBerry mal für eine Viertelst<strong>und</strong>e auszuschalten.<br />
Der Hohe priester der Tempo kritik<br />
ist der Jenaer Soziologe Hartmut Rosa, der<br />
mit Beschleunigung <strong>und</strong> Entfremdung (Suhrkamp)<br />
bald sein drittes Buch zum Thema veröffentlicht.<br />
Darin beklagt er, dass wir Job,<br />
Wohn ort <strong>und</strong> Partner schneller wechseln als<br />
früher, dank technischer Innovationen wie<br />
etwa Smartphone <strong>und</strong> E-Mail in der Arbeit<br />
schneller kommunizieren <strong>und</strong> uns auch in<br />
der Frei zeit viel zu viel vornehmen: »Dieses<br />
Regime der Deadlines lässt Lebensentwürfe<br />
scheitern <strong>und</strong> führt zu einem sich immer stärker<br />
ausbreitenden Gefühl der Entfremdung.«<br />
Aber urteilen wir da nicht ein wenig, nun<br />
ja, schnell? Warum setzen wir Tempo gleich<br />
mit der Zerstörung von Umwelt, Gesellschaft<br />
<strong>und</strong> dem eigenen Seelenleben? Wir können<br />
festhalten: Die Geschwindigkeit hat ein Imageproblem.<br />
Aber wieso eigentlich?<br />
Es ist nicht weiter erstaunlich, dass sich der<br />
moderne Mensch hin <strong>und</strong> wieder <strong>über</strong>fordert<br />
fühlt: Das Kind ist krank <strong>und</strong> muss aus<br />
dem Kindergarten abgeholt werden. Der Chef<br />
will irgendeinen belanglosen Zwischenbericht.<br />
Und zwar sofort. Der Laptop-Akku hat<br />
nur noch vier Prozent. Das Handy klingelt<br />
so schrill wie eine Alarmglocke. Und wenn<br />
man das Training sausen lässt, fliegt man<br />
aus der Fußballmannschaft. Das Mail-Programm<br />
meldet 34 ungelesene Nachrichten,<br />
acht neue Termine, auf dem Smartphone<br />
stauen sich die Push-Benachrichtigungen.<br />
Aber an all diesen Problemen ist nicht<br />
eine geheimnisvolle soziale Beschleuni gung<br />
schuld, sondern die Komplexität der modernen<br />
Gesellschaft. Das sagt der Münchner<br />
Stil Leben 13
Soziologieprofessor Armin Nassehi, der <strong>über</strong><br />
»Die Zeit der Gesellschaft« promoviert hat.<br />
Nassehi meint: Beide Elternteile arbeiten<br />
heute in Vollzeit, beide erziehen selbstverständlich<br />
die Kinder, die Arbeitswelt ist anspruchsvoller<br />
geworden. Wir dreschen nicht<br />
mehr Weizen oder versenken Schrauben in<br />
Metall, sondern arbeiten als Wissensmanager,<br />
müssen unterschiedlichste Vorgesetztenvorgaben,<br />
K<strong>und</strong>enwünsche, Anforderungen<br />
koordinieren <strong>und</strong> ständig mit Unvorhergesehenem<br />
rechnen. Der Berliner Flug hafen<br />
ist ein gutes Beispiel. Möglich, dass die Macher<br />
nicht an ihrer eigenen Unfähigkeit gescheitert<br />
sind, sondern an der Überkomplexität.<br />
Sie mussten die deutschen Bauvorschriften<br />
mit dem politischen Willen nach<br />
einem spektakulären Gebäude versöhnen,<br />
gleichzeitig darauf achten, dass Termine eingehalten<br />
<strong>und</strong> Kosten gespart werden – <strong>und</strong><br />
die Berliner Bevölkerung mit ihren Lärmschutzwünschen<br />
berücksichtigen. Das Ergebnis:<br />
Planungschaos. Das im kleinen Maßstab<br />
auch jeder Angestellte aus seinem Büroalltag<br />
kennen müsste.<br />
Um den Stress, der so entsteht, zu bekämpfen,<br />
müssten wir unsere Arbeit ganz<br />
neu organisieren, glaubt Nassehi. Strenge<br />
Hierarchien haben zu den Arbeitsabläufen<br />
der industriellen Gesellschaft gepasst, jetzt<br />
muss der <strong>Ein</strong>zelne die Freiheit bekommen,<br />
selbst Lösungen zu suchen, um auf Probleme<br />
zu reagieren, die niemand vorhersehen konnte.<br />
Wir könnten Beruf <strong>und</strong> Familie besser<br />
koordinieren, wenn Arbeitsleistung nicht in<br />
Arbeitszeit gemessen wird <strong>und</strong> wir selbst<br />
bestimmen, wann wir zwölf St<strong>und</strong>en am Tag<br />
arbeiten <strong>und</strong> wann nur zwei. Der moderne<br />
Angestellte kann sich nicht mehr an starre<br />
Nine-to-five-Rhythmen klammern. Er muss<br />
selbst erkennen, wann er eine Pause braucht.<br />
Und sich trauen, das dem Chef auch mitzuteilen.<br />
Die Arbeitswelt umzukrempeln ist<br />
nicht einfach. Wir bräuchten Kraft, Fantasie<br />
<strong>und</strong> Mut. Jammern ist einfacher.<br />
Darin haben wir ja auch mehr Übung.<br />
Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert lösten industri -<br />
elle Revolution <strong>und</strong> wissenschaftlicher<br />
Fortschritt einen gewaltigen Temposchub<br />
aus. Die Welt veränderte sich mit rasender<br />
Geschwindigkeit, <strong>und</strong> das beunru -<br />
higte die Menschen so sehr, dass ihnen sogar<br />
das Fahrrad Angst einjagte. Wissenschaftler<br />
warnten damals vor dem »Fahrradgesicht« –<br />
der Fahrtwind würde das Gesicht des<br />
Radlers verformen. Bahnreisende, die sich in<br />
Dampflokomotiven Geschwindigkeiten<br />
von mehr als dreißig St<strong>und</strong>enkilometern aussetzten,<br />
könnten eine Gehirner weichung<br />
erleiden (tatsächlich wurde den Reisenden<br />
der damaligen Zeit speiübel – bis sie sich<br />
an das neue Tempo gewöhnten).<br />
Die aktuelle Beschleunigungskritik ist<br />
ähnlich simpel. Schon aus dem Umstand,<br />
dass man mal wieder die U-Bahn verpasst hat,<br />
kann man nun eine ätzende Abrechnung<br />
mit dem herrschenden System machen, in<br />
dem alles viel zu schnell geht. Die universale<br />
Tempoangst passt natürlich auch zur diffusen<br />
Furcht vor dem technischen Fortschritt,<br />
ganz egal ob es dabei um höhere Daten<strong>über</strong>tragungsraten,<br />
neue Hochspannungstrassen<br />
oder schnellere Zugverbindungen geht. Der<br />
Beschleunigungskritiker Hartmut Rosa<br />
schwärmt davon, dass in seinem Schwarzwaldhaus<br />
gelegentlich der Strom ausfällt. »In<br />
dieser Situation ein Buch zu lesen ist etwas<br />
ganz anderes, als wenn die Welt da draußen<br />
weiterrauscht.« Aber gibt Hartmut Rosa wirklich<br />
handschriftliche Manuskripte beim<br />
Suhrkamp Verlag ab? Verzichtet er gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
auf Auto, ICE <strong>und</strong> Flugzeug <strong>und</strong><br />
reist stattdessen mit dem Esel zu einem seiner<br />
zahlreichen Vorträge, wo er dann vor<br />
Beschleunigung warnt?<br />
Schon möglich, dass sich viele ganz normale<br />
Deutsche nach einem Leben eines<br />
Bauern vor zweih<strong>und</strong>ert Jahren sehnen, der<br />
mittags im Weizenfeld ein Schläfchen hält.<br />
Aber wer hält es für eine gelungene Abendgestaltung,<br />
sich mit der Großfamilie ein<br />
halbes Brot zu teilen <strong>und</strong> darauf zu warten,<br />
dass die Kerze abgebrannt ist? Man muss<br />
auch nicht neoliberal klingen, um die Beschleunigung<br />
zu loben. Es ist ganz gut, dass<br />
Handy, Laptop <strong>und</strong> Internet an sich »keine<br />
Seele« haben, wie oft beklagt wird. Sie wären<br />
Warum setzen wir<br />
Tempo gleich mit<br />
der Zerstörung von<br />
Um welt, Gesellschaft<br />
<strong>und</strong> unserem eigenen<br />
Seelenleben?<br />
ziemlich gekränkt <strong>über</strong> unsere Undankbarkeit.<br />
Schon allein aus Gründen der Fairness<br />
sollten wir einmal aufhören, <strong>über</strong> den »Terror<br />
der Erreichbarkeit« zu klagen <strong>und</strong> lieber<br />
eine Dankes-SMS an Bill Gates oder Erich<br />
Kästner senden (der schon 1932 in einem<br />
Kinderbuch von einem Taschentelefon<br />
schwärmte). Und uns freuen, dass die Zeiten<br />
vorbei sind, in denen das einzige Telefon<br />
im Hausflur hing <strong>und</strong> die Eltern mithörten,<br />
wenn der Sohn mit der ersten Fre<strong>und</strong>in<br />
flüsterte.<br />
Ist es nicht großartig, einen Geschäftspartner<br />
direkt per E-Mail zu kontaktieren <strong>und</strong> in<br />
fünf Minuten eine Antwort zu bekommen –<br />
<strong>und</strong> nicht in fünf Tagen, die es früher brauchte,<br />
bis ein Brief diktiert, geschrieben, unterschrieben,<br />
versandt, empfangen, gelesen, beantwortet<br />
<strong>und</strong> wieder versandt <strong>und</strong> empfangen<br />
wurde? Es hängt nicht das Glück der<br />
Welt davon ab, aber schön ist es schon, auch<br />
beim Spaziergang im Park sofort herausfinden<br />
zu können, wie der erste Ministerpräsident<br />
des Saarlandes hieß (Johannes Hoffmann),<br />
anstatt zu Hause den Brockhaus aufzuklappen<br />
<strong>und</strong> festzustellen, dass es da<br />
gar nicht drinsteht. Früher haben wir Wochen<br />
gewartet, bis der Mann im Musikgeschäft<br />
diese eine Platte aus den USA bestellt hatte.<br />
Heute klicken wir dreimal aufs Touchpad<br />
<strong>und</strong> hören das Lied, das uns glücklich<br />
macht.<br />
Natürlich nerven Deadlines. Gleichzeitig<br />
weiß jeder, jetzt mal ehrlich,<br />
dass Trägheit oft nur unter Termindruck<br />
<strong>über</strong>w<strong>und</strong>en wird. Egal ob es dabei<br />
um die Steuererklärung geht oder die Trauzeugenrede,<br />
die man in der Nacht vor<br />
der Hochzeit schreibt (dieser Text hier hätte<br />
theoretisch schon vor einem Monat fertig<br />
sein können – war er aber nicht). Es stimmt<br />
einfach nicht, dass Stress immer nur negativ<br />
ist. Wenn am Ende eines Tages alle Gespräche<br />
ge führt, alle Probleme gelöst <strong>und</strong> alle E-Mails<br />
verschickt sind, wenn wir erst beim Herunterfahren<br />
des Computers merken, dass es draußen<br />
schon tiefe Nacht ist, wenn wir dann also<br />
noch kurz in der Dunkelheit sitzen bleiben<br />
<strong>und</strong> dar<strong>über</strong> nachdenken, was wir heute<br />
YOUR TIME<br />
IS NOW.<br />
GO PL ACES YOU NEVER<br />
THOUGHT POSSIBLE.<br />
Miros Date Ladies<br />
& Pontos Day Date<br />
14 Stil Leben<br />
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True love has a colour and a name<br />
alles geleistet haben, dann ist einer dieser<br />
seltenen Momente gekommen, in denen wir<br />
uns in unseren leidenschaftslosen Zeiten<br />
fühlen wie Helden.<br />
Anders als die Beschleunigungskritiker<br />
behaupten, tut es den Menschen eben nicht<br />
gut, in ihrer Freizeit immer nur auszuspannen,<br />
nichts zu tun, die Seele baumeln zu<br />
lassen, den lieben Gott einen guten Mann<br />
sein zu lassen <strong>und</strong> was es sonst noch für<br />
Euphemismen für Langeweile gibt. Die Zahl<br />
der Scheidungen nimmt nach den Weihnachtstagen<br />
oder nach dem Sommerurlaub<br />
zu. Weil die Menschen nichts zu tun haben,<br />
außer am Pool zu liegen oder Plätzchen zu<br />
essen, suchen sie sich eine Beschäftigung –<br />
<strong>und</strong> die ist eben oft genug sinnloser Streit.<br />
Die israelische Psychologin Dinah<br />
Avni-Babad hat in einer Studie <strong>über</strong> die<br />
16 Stil Leben<br />
Es gibt gar keinen<br />
Gr<strong>und</strong>, sich zu<br />
beklagen, wenn die<br />
Zeit schnell ver -<br />
geht. Im Gegenteil<br />
Zeitwahrnehmung im Urlaub herausgef<strong>und</strong>en,<br />
dass uns vor allem die ersten Ferientage<br />
lang vorkommen. Die letzten Ferientage –<br />
die schon zur Routine geworden sind – erscheinen<br />
dagegen viel kürzer. Neuartige<br />
Erlebnisse dehnen also die Zeit. Beklagen<br />
wir uns denn nicht immer, wenn die Zeit<br />
schnell vergeht? Das Gegenteil sollte eigentlich<br />
der Fall sein. Vielleicht ist ja ein wenig<br />
Stress gar nicht so schlecht. Vielleicht lohnt<br />
es sich sogar, auch in der Freizeit einen Kalender<br />
zu führen, sich ein Hobby zu suchen<br />
oder am besten zwei.<br />
Vielleicht ist nämlich alles ganz anders:<br />
Je mehr wir erleben – desto länger leben wir.<br />
<br />
DEr ja pa nische Fotogr a f Shinichi Maruyama<br />
wurde 1968 in Nagano geboren. Er erforscht in seinen<br />
Arbeiten die Schönheit der Bewegung. Für die Serie »Nude«<br />
fotografierte er nackte Tänzer.<br />
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Nr. 01 / 13<br />
LeagasDelaney.de<br />
Weil man die Unendlichkeit nicht<br />
beschreiben kann,<br />
haben wir sie greifbar gemacht.<br />
helioro by kim<br />
Er hängt einfach dran:<br />
GiaMbaTtista Valli<br />
<strong>über</strong> seine Liebe zum<br />
<strong>Schmuck</strong><br />
»Ich bin kein klassischer Sammler.<br />
<strong>Schmuck</strong> ist für mich Inspiration,<br />
ich sammle Emotionen. Deswegen<br />
liegt mein <strong>Schmuck</strong> auch nicht<br />
weggesperrt in einem Tresor. Ich<br />
trage ihn, meine Mughal-Perlenkette<br />
sogar jeden Tag. Dass sich<br />
Männer nicht mehr schmücken,<br />
finde ich bedauernswert. Mein Stilvorbild,<br />
Yeshwant Rao Holkar II,<br />
ein Maharadscha aus den 30ern,<br />
fand es ganz natürlich, ständig<br />
vollbehangen zu sein.<br />
Ich fühle mich von <strong>Schmuck</strong><br />
angezogen, der eine Geschichte<br />
hat. In Paris fand ich mal ein goldenes<br />
Liebesarmband von Napoleon<br />
III. Es hatte drei Medaillons mit<br />
Haaren: eins mit seinen eigenen,<br />
das zweite mit denen seiner Geliebten,<br />
im dritten waren die<br />
Haare der beiden zu einer Strähne<br />
geflochten. Vor meiner ersten<br />
Couture-Schau 2011 hat mir Jackie<br />
Kennedys Schwester ein Rubinkreuz<br />
aus dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert geschenkt.<br />
Als Glücksbringer. Es<br />
ist zum Symbol meines Erfolgs geworden,<br />
ich trage es bei jeder<br />
Show. Es gibt keine Objekte, die<br />
sich so persönlich aufladen<br />
lassen. Das kann nur <strong>Schmuck</strong>.«<br />
<br />
Giambattista Valli ist einer der wichtigsten<br />
Modedesigner Italiens. Seine<br />
Mode zeigt er jede Saison bei den Haute-<br />
Couture-Schauen in Paris.<br />
18 Stil Leben<br />
Foto: Sofia Sanchez <strong>und</strong> Mauro Mongiello, Trunk Archive<br />
An den besten Adressen Deutschlands<br />
<strong>und</strong> in London, Paris, Madrid, Wien, New York <strong>und</strong> peking. www.wempe.de<br />
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I n t e r v i e w<br />
<strong>Ein</strong>s<br />
draufsetzen<br />
Modell nabuto,<br />
Silber<br />
modell Mak ak,<br />
Silber<br />
Die frühen Vögel<br />
fangen den<br />
Bart von Wolfgang<br />
Mieder, 69,<br />
Sprachforscher<br />
an der University<br />
of Vermont.<br />
Modell Noir,<br />
Silber<br />
Modell Gogo,<br />
Silber <strong>und</strong> Gold<br />
Redezeit<br />
Sprichwortforscher<br />
Wolfgang Mieder<br />
<strong>über</strong> den Zusammenhang<br />
von Redewendungen<br />
<strong>und</strong> Zeitbewusstsein<br />
Herr Professor Mieder, wieso<br />
gibt es so viele Sprichwörter,<br />
die sich mit dem Thema Zeit<br />
beschäftigen?<br />
Wir Menschen entwerfen unser<br />
Leben im Hinblick auf Zeit.<br />
Deswegen sind viele der Sprichwörter,<br />
die sich mit Zeit beschäf tigen,<br />
auch mehr als 2000 Jahre alt.<br />
Zum Beispiel?<br />
»Zeit heilt alle W<strong>und</strong>en« etwa<br />
lässt sich bis ins Griechische zurückverfolgen.<br />
Es meinte übrigens<br />
schon damals eher emotionale<br />
als körperliche W<strong>und</strong>en.<br />
Sagen Sprichwörter etwas <strong>über</strong><br />
ihre Zeit aus?<br />
Durchaus. Im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert, der<br />
Hochzeit des Sprichworts, waren<br />
Redewendungen wie »Zeit gibt<br />
<strong>und</strong> nimmt alle Ding« sehr beliebt.<br />
Darin spiegelt sich eine religiöse<br />
Ordnung, in der es um<br />
etwas Größeres als den Menschen<br />
ging. Der Mensch macht sich<br />
mit diesen Sprüchen klein.<br />
Was sich irgendwann änderte.<br />
Oder wie erklären Sie sich die<br />
Redewendung »Zeit ist Geld«?<br />
Populär wurde die Formulierung<br />
durch Benjamin Franklin,<br />
der sie 1748 in Umlauf brachte.<br />
In Deutschland ist sie ab Mitte<br />
des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts belegt –<br />
<strong>und</strong> passt gut zur Aufbruchstimmung<br />
der Gründerzeit.<br />
Kann man den Charakter<br />
eines Landes am Sprichwortgebrauch<br />
festmachen?<br />
Zumindest kennt man das<br />
Lieblingssprichwort der Deutschen:<br />
»Morgenst<strong>und</strong> hat Gold<br />
im M<strong>und</strong>.« Was gut zum Bild<br />
des fleißigen Deutschen passt.<br />
Seit etwa 15 Jahren wird das<br />
Sprich wort aber – wohlgemerkt<br />
im Deutschen – vom »frühen<br />
Vogel« verdrängt, eine Lehn<strong>über</strong>setzung<br />
vom englischen »the<br />
early bird catches the worm«.<br />
Was ist Ihre liebste Redewendung<br />
<strong>über</strong> die Zeit?<br />
Sicher nicht »Zeit ist Geld«! Viel<br />
eher: »Kommt Zeit, kommt<br />
Rat.« Meine Großmutter sagte<br />
das immer zu mir. Das Sprichwort<br />
beruhigt mich bis heute.<br />
<br />
Interview Paul-PhilipP Hanske<br />
Illustration Paul Blow<br />
modell banan,<br />
Silber<br />
Ist das noch <strong>Schmuck</strong> oder schon Kunst? Michelle<br />
Elie – ehemaliges Model aus Haiti, lange in New<br />
York lebend, jetzt Designerin in Köln – schrumpft<br />
für ihre Ringe Symbole alter Stammeskulturen auf<br />
Daumengröße. Die Ringe mit den aufgesetzten Totemmasken<br />
<strong>und</strong> Tierskulpturen werden vorerst nur in<br />
Galerien verkauft – wo es sie auch deutlich größer als<br />
Objekte für den Couchtisch gibt.<br />
<br />
»Makak« (Gorilla) ist die neue Kollektion von Prim by Michelle Elie.<br />
die Armreif-Uhr<br />
<br />
Die Uhr »G-Shock X« von maison<br />
Martin margiela ist auf<br />
3000 Stück limitiert.<br />
N e u e K l a s s i k e r , N r . 0 1<br />
modell tonton,<br />
Silber <strong>und</strong> Gold<br />
eit 30 Jahren gibt<br />
es die G-Shock<br />
von Casio (70 Millionen<br />
verkaufte<br />
Exemplare!), jetzt<br />
tickt die Uhr anders:<br />
Maison Martin<br />
Margiela hat in<br />
die Trickkiste des einstigen<br />
Meis ters gegriffen (Margiela<br />
ist seit 2009 nicht mehr Herr<br />
in seinem Maison), den<br />
Klas siker dekonstruiert, das<br />
Ziffern blatt entfernt, die<br />
Mecha nik freigelegt <strong>und</strong> das<br />
Lederarmband durch einen<br />
Metall armreif ersetzt. Shock!<br />
Fotos: Michelle Elie (6), Casio (1)<br />
20 Stil Leben
Kettenreaktion<br />
R e l a t i v i t ä t s t h e o r i e<br />
Wie kurz<br />
sind zwei<br />
Monate,<br />
Herr Siffre?<br />
Wie lang sind<br />
drei Minuten,<br />
Fr au Von<br />
Boetticher?<br />
m Anfang waren die schweren Jungs.<br />
Irgend welche Straßengangster zwischen Köln-Kalk <strong>und</strong><br />
Chi cago machten die Goldkette zu ihrem Markenzeichen.<br />
In den Achtzigern wurden die XXL-Ketten zu den Lieblingsaccessoires<br />
der Rapper (dicht gefolgt von tragbaren<br />
Kassettenrekordern). Jetzt ist der <strong>Schmuck</strong> wieder da: Bei<br />
der neuen Generation Gangsterrapper wie Def-Jam-<br />
Star 2 Chainz – <strong>und</strong> als Chunky Chains für Frauen bei<br />
Chanel. Für alle gilt: nicht kleckern, klotzen.<br />
<br />
Beide Ketten sind aus der aktuellen Frühjahr/Sommerkollektion von chanel.<br />
N e u e K l a s s i k e r , N r . 0 2<br />
die schmale Seite<br />
Pearly-RIngs-Ket ten,<br />
Chanel<br />
Die derzeit flachste mechanische Uhr mit Handaufzug ist nur 4,05 Millimeter dick –<br />
<strong>und</strong> steht für Neuerung <strong>und</strong> Tradition zugleich. Denn die Zusammenarbeit der Uhrmacher<br />
Jaeger <strong>und</strong> LeCoultre begann 1907 mit den dünnsten Taschenuhren ihrer Zeit.<br />
<br />
Modell »Master Ultra Thin Jubilee« von Jaeger-lecoultre.<br />
Wenn Sie mich fragen:<br />
ganze 25 Tage kürzer, als<br />
man meint. Als ich aus<br />
der Höhle kam, in der ich<br />
zwei Monate ohne Uhr<br />
verbracht hatte, dachte ich,<br />
es sei der 20. August. In<br />
Wirklichkeit hatten wir<br />
bereits den 14. September.<br />
Warum blieben Sie<br />
freiwillig ganze zwei<br />
Monate alleine in einer<br />
Höhle?<br />
Ich bin Höhlenforscher <strong>und</strong><br />
wollte ursprünglich nur<br />
einen unterirdi schen Gletscher<br />
untersuchen. Dann<br />
hatte ich den <strong>Ein</strong>fall, keine<br />
Uhr mitzunehmen.<br />
Die Idee meines Lebens.<br />
Ihres Lebens?<br />
Ja. So konnte ich den biologischen<br />
Rhythmus des<br />
Menschen untersuchen.<br />
Wenn ich geschlafen,<br />
gegessen, getrunken habe<br />
oder auf die Toilette<br />
musste, habe ich das an<br />
die Oberfläche telefoniert.<br />
Mein Team hat mir<br />
nicht gesagt, wie spät es<br />
jeweils war. Die Intervalle<br />
wurden immer kürzer.<br />
So »verlor« ich täglich Zeit.<br />
Was macht man denn so<br />
alleine den ganzen Tag<br />
in einer dunklen Höhle?<br />
Ich habe viel gelesen <strong>und</strong><br />
geschrieben. Und mich in<br />
Bewegung gehalten. Es<br />
war eiskalt, vor allem an<br />
den Füßen. Ich habe<br />
mein Thermometer irgendwann<br />
nicht mehr<br />
benutzt, weil ich dachte,<br />
es müsse kaputt sein.<br />
Hatten Sie <strong>über</strong>haupt<br />
keine Angst?<br />
Nein. <strong>Ein</strong>samkeit <strong>und</strong> Kälte<br />
waren das Schlimmste.<br />
Haben Sie sich eine Uhr<br />
gewünscht?<br />
Nein. Mir fehlten aber<br />
Wind, Licht <strong>und</strong> der<br />
Wechsel der Temperatur.<br />
Die lassen den Menschen<br />
die Zeit fühlen.<br />
<br />
Michel Siffre, 74, ist<br />
Höhlenforscher. 1962 verbrachte<br />
er zwei Monate in<br />
einer Höhle zwischen<br />
Frankreich <strong>und</strong> Italien – seitdem<br />
erforscht er das Zeitbewusstsein<br />
des Menschen.<br />
Das kommt beim Apnoe-<br />
Tauchen sehr darauf an,<br />
wie ich mich an dem Tag<br />
fühle. An schlechten<br />
Tagen vergehen sie viel<br />
zu langsam. An guten<br />
Tagen bin ich unten, ehe<br />
ich damit rechne. So<br />
war es auch bei meinem<br />
bisherigen Tiefenrekord<br />
im Roten Meer.<br />
Wie lief der genau ab?<br />
Ich nahm einen Atemzug,<br />
der für die nächsten<br />
drei Minuten reichen<br />
musste. <strong>Ein</strong> Schlitten zog<br />
mich mit einer Geschwindigkeit<br />
von zwei<br />
Metern pro Sek<strong>und</strong>e<br />
hinab. Ich hatte die Augen<br />
geschlossen, konzentrierte<br />
mich auf den<br />
Druckausgleich. Nach<br />
einer Minute war ich auf<br />
125 Metern <strong>und</strong> öff <br />
nete meine Augen wieder.<br />
Was haben Sie gesehen?<br />
Die Leute denken immer,<br />
es sei dunkel <strong>und</strong><br />
kalt da unten, aber es<br />
ist hell genug, um vom<br />
Tauchcomputer abzulesen.<br />
Das Wasser hat eine<br />
tiefblaue, fast schwarze<br />
Farbe. Wenn man nach<br />
oben schaut, ist es heller,<br />
türkis, ein einmaliges<br />
Licht. Ich hatte kein<br />
Bedürfnis zu atmen, es<br />
war w<strong>und</strong>erschön.<br />
Wie lange waren Sie<br />
unten?<br />
Nur ein paar Sek<strong>und</strong>en.<br />
Dann drehte ich den<br />
Tank auf, der den Ballon,<br />
der mich wieder nach<br />
oben tragen sollte, langsam<br />
mit Luft füllte.<br />
Auf dem Weg nach oben<br />
hörte ich nur das Geräusch<br />
der Luftblasen, die<br />
aus dem Ballon sprudelten.<br />
Ich verschmolz mit<br />
meiner Umgebung, konzentrierte<br />
mich vollständig.<br />
Ob die Zeit schnell<br />
oder langsam verging,<br />
nahm ich nicht wahr. Sie<br />
spielte keine Rolle mehr.<br />
<br />
Anna von boetticher,<br />
42, ist Deutschlands beste<br />
Apnoe-Taucherin. Sie hält<br />
unter mehreren deutschen<br />
Rekorden auch den im Zeittauchen:<br />
sechs Minuten<br />
<strong>und</strong> zwölf Sek<strong>und</strong>en.<br />
Fotos: Universal Music (1), Chanel (2), SZ-<strong>Magazin</strong> (1)<br />
Die schönsten<br />
Momente teilen<br />
Zusammen fliegen lohnt sich – mit den Begleitertarifen für<br />
First Class <strong>und</strong> Business Class. Begrüßen Sie ausgezeichneten<br />
Service, preisgekrönte Unterhaltung <strong>und</strong> feinste Gourmet-<br />
Menüs: jetzt schon ab 2.195 Euro pro Person.<br />
22 Stil Leben<br />
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unterschiedliche Servicegebühren erheben.
U h r w e r k e<br />
Der Mensch misst die Zeit – <strong>und</strong> wie gefräßig, produktiv oder verschwenderisch er ist. Für fast jede<br />
große <strong>und</strong> kleine K atastrophe unserer Existenz gibt es eine offizielle Uhr. <strong>Ein</strong> Überblick<br />
VERBRAUCH Seit Jahresbeginn* Durchschnitt<br />
ls Fortschrittsglaube noch der Weltmotor<br />
war, wurde mit dieser Uhr erstmals ihr Takt gemessen:<br />
Die »Milgauss« wurde 1956 zunächst für Wissenschaftler<br />
entwickelt, die im Labor eine zuverlässige Uhr benötigten<br />
– lange vor der Erfindung der digitalen Stoppuhr.<br />
Der Name steht für tausend Gauss, das Maß an<br />
Magnetismus, das dieses Modell aushält. Heute hat die<br />
»Milgauss« weiterhin kein Problem mit Laborbedingungen<br />
– <strong>und</strong> mittlerweile grün gefärbtes Glas. Stilforschungen<br />
haben ergeben: ein gutes Beispiel für dezent<br />
modernisierte Klassiker.<br />
24 Stil Leben<br />
Elektronikmüll in Tonnen (weltweit) 12666665 75 Tonnen pro Minute<br />
Verzehrte Eier (in Deutschland) 5478101593 47 Millionen pro Tag<br />
Gerodeter Wald in Hektar (weltweit) 4116666 37 Hektar pro Tag<br />
Getrunkener Wein in Litern (weltweit) 10714592 846 3875000 pro St<strong>und</strong>e<br />
Verlorene Gepäckstücke an Flughäfen (weltweit) 7916666 47 pro Minute<br />
Gegessene Döner (in Deutschland) 358308333 129170 pro St<strong>und</strong>e<br />
Versendete E-Mails (weltweit) 16681041666667 145000000 000 pro Tag<br />
Punkte in Flensburg 1669863 10 pro Minute<br />
Gestohlene Fahrräder (in Deutschland) 104499 904 pro Tag<br />
Gefischte Haie (weltweit) 31666666 3 pro Sek<strong>und</strong>e<br />
Verlorene Haare (bei einem Erwachsenen) 6935 60 pro Tag<br />
N e u e K l a s s i k e r , N r . 0 3<br />
die grüne rolex<br />
<br />
Die Rolex »Milgauss« ist auch mit weißem Ziffernblatt <strong>und</strong> ungefärbtem Glas erhältlich.<br />
Armreif mit<br />
sodalith-stein<br />
armketten mit perlmutt<br />
oder Lapissteinen<br />
Weltschmuck<br />
Die Zwillinge Elizabeth <strong>und</strong> Kathryn wohnen<br />
zusammen – <strong>und</strong> arbeiten gemeinsam. Mit<br />
ihrem Label Lizzie Fortunato Jewels zeigen die<br />
beiden, wie gut Hippieschmuck mehr als 40<br />
Jahre nach Woodstock aussehen kann. Viel Gold,<br />
viel Weltoffenheit: Ketten <strong>und</strong> Armreife in<br />
einem Look, der sofort Erinnerungen an Backpacker-Touren<br />
durch Südamerika weckt.<br />
ket te mit verschiedenen<br />
miner alien<br />
halsket te mit<br />
anhänger<br />
armreife mit opal- oder<br />
ony xsteinen<br />
ket te mit<br />
schmuckminer alien<br />
Ohrringe mit<br />
Kristallanhängern<br />
Fotos: SZ-<strong>Magazin</strong> (1), Lizzie Fortunato Jewels (8); Illustration: Yehteh *Stand: 25. April, 14 Uhr<br />
Die wahre Größe<br />
liegt in der Idee<br />
Niessing Spannring® S – small, strong, sexy. Der schwebende Brillant, gehalten allein<br />
durch die Kraft der Spannung: <strong>Ein</strong>e große Idee, die seit <strong>über</strong> 30 Jahren fasziniert. Neu sind<br />
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N e u e K l a s s i k e r , N r . 0 4<br />
der gewisse dreh<br />
Hier gehen<br />
die <strong>Uhren</strong> anders<br />
Andere Orte, andere Sitten – das<br />
gilt auch für den UMGANG mit Zeit.<br />
<strong>Ein</strong> 24-St<strong>und</strong>en-Reiseführer<br />
4 Uhr, DEUTSCHLAND<br />
Wird im Berchtesgadener Land geheiratet, werden Braut<br />
<strong>und</strong> Bräutigam durch Böllerschusslärm geweckt.<br />
ENTSCHLÜSSELN SIE DAS GEHEIMNIS JUGENDLICHER HAUT.<br />
Reparieren <strong>und</strong> aktivieren Sie 10 Zeichen von Jugendlichkeit. Sehen Sie es. Fühlen Sie es.*<br />
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GÉNIFIQUE<br />
JUGENDLICHKEIT AKTIVIERENDES KONZENTRAT<br />
chmuckmarken haben das von der Modewelt gelernt: Jedes Jahr neue<br />
Kollektionen präsentieren, dezente Designs mit technischen Details veredeln<br />
<strong>und</strong> besondere Entwürfe rigoros begrenzen. Seit 1997 stellt die <strong>Schmuck</strong>manufaktur<br />
Wellendorff in limitierter Auflage jährlich einen neuen Ring<br />
vor. Immer in neuem Design, immer in begrenzter Stückzahl. Wo sich das<br />
technische Detail verbirgt? Der Ring ist in sich selbst drehbar – man kann<br />
das Design immer wieder anders positionieren.<br />
<br />
Der Jahresring 2013 von WellendorfF ist in einer Auflage von 213 Stück erschienen.<br />
5 Uhr, Vietnam<br />
Die Küstenbewohner gehen vor Sonnenaufgang baden.<br />
Begleitet von Marschmusik aus Lautsprechern.<br />
6 Uhr, Kongo<br />
Wenn im Morgengrauen die Nationalflagge gehisst wird,<br />
müssen alle Autofahrer <strong>und</strong> Fußgänger stehen bleiben.<br />
7:36 UHR, Spanien<br />
Der Durchschnittsspanier steht auf. Mehr als eine<br />
St<strong>und</strong>e später als der Durchschnittsdeutsche.<br />
Gemilderte Falten<br />
+46 %<br />
Gemilderte Linien<br />
+42 %<br />
Hauttextur<br />
+57 %<br />
Elastizität<br />
+50 %<br />
11:55 UHR, Malta<br />
Die linke Turmuhr der Kirche »Unsere liebe Jungfrau<br />
von Pompei« in Marsaxlokk zeigt kurz vor zwölf.<br />
Immer. Auf diese Weise soll der Teufel verwirrt werden.<br />
12 Uhr, Ungarn<br />
Wer sich in Ungarn am Neujahrstag zur Mittagsst<strong>und</strong>e<br />
wäscht, bleibt das ganze Jahr rein. So der Volksm<strong>und</strong>.<br />
Ausstrahlung<br />
+52 %<br />
Spannkraft<br />
+49 %<br />
13 Uhr, Bur<strong>und</strong>i<br />
In Bur<strong>und</strong>i lebt man nach der Kuhzeit. Will man sich<br />
mittags treffen, verabredet man sich für die Zeit, in der<br />
die Kühe am Fluss trinken gehen.<br />
Gleichmäßigkeit<br />
+47 %<br />
Straffheit<br />
+48 %<br />
Die inneren WERTE<br />
warum einfach, wenn es<br />
auch kompliziert geht,<br />
das scheint das Motto der<br />
Uhrmacherei zu sein. Die Marke<br />
Chronoswiss lässt im eigenen Manufaktur-Atelier<br />
in Luzern eine<br />
Kollektion mithilfe historischer<br />
Maschinen fertigen. Dabei setzt ein<br />
Uhrmacher die Werke auf Email-<br />
Platten. Die Glasbeschichtung gibt<br />
den Modellen eine weitere Veredelung<br />
– von innen, nachdem die<br />
Platten mit einem Wellenmuster<br />
graviert, bis zu sechsmal gebrannt<br />
<strong>und</strong> von Hand lackiert wurden.<br />
Das Ergebnis: nanopräzises Uhrmacherhandwerk.<br />
<br />
Die Modelle der neuen »Artist’s Collection«<br />
von Chronoswiss werden<br />
nur auf Bestellung gefertigt.<br />
15 Uhr, Italien<br />
Am Stiefel beginnt der Abend. Vor dem Mittagessen<br />
grüßt man sich mit »buon giorno« (guten Tag), danach<br />
mit »buona sera« (guten Abend).<br />
17 Uhr, Frankreich<br />
Affärenstündchen. Das »cinq à sept« (von fünf bis sieben)<br />
ist ein fester Begriff in Paris. Übersetzt bedeutet er:<br />
»Schatz, ich bin noch in der Arbeit, wird später heute.«<br />
21 Uhr, Japan<br />
In Japan waschen sich die Menschen häufiger, aber vor<br />
allem abends. Die morgendliche Dusche ist unüblich.<br />
22 Uhr, Schweden<br />
In Uppsala hallen Schreie durch die Straßen, eine Tradition<br />
seit der Christianisierung. Die Schweden wussten<br />
nicht, wie Beten geht – also schrien sie den Herrgott an.<br />
24 Uhr, Schottland<br />
Am »Balmoral«-Hotel in Edinburgh geht die Uhr<br />
zwei Minuten vor, damit die Menschen ihre Züge nicht<br />
verpassen. Nur an Silvester tickt sie punktgenau.<br />
Fotos: SZ-<strong>Magazin</strong> (1), Christine Benz (2)<br />
*Prozentuale Verbesserung – Wissenschaftliche Studie – 34 Frauen – 8 Wochen.<br />
Ebenmäßigkeit<br />
+42 %<br />
Das neue Advanced Génifi que repariert <strong>und</strong> aktiviert 10 Zeichen jugendlicher<br />
Haut, am Tag <strong>und</strong> in der Nacht.* Die neue Formel, angereichert mit aus der<br />
Biotechnologie gewonnenen Inhaltsstoffen, verleiht ein außerordentlich geschmeidiges<br />
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14 Jahre Forschung, 9 Patente – Innovative Pipette mit Selbstbefüllungsmechanismus.<br />
DAS GEHEIMNIS LIEGT IN IHREN GENEN.<br />
Kraftlosigkeit<br />
+46 %
Bluse <strong>und</strong> Shorts:<br />
julien david<br />
Schmetterlingsohrringe:<br />
chopard<br />
Ring: pomellato<br />
Korallenhalskette:<br />
dary’s, paris<br />
<strong>Schmuck</strong>designer<br />
haben ein neues<br />
Vorbild: die natur.<br />
Unsere Expedi tion<br />
ins Zierreich zeigt<br />
die schönsten<br />
Exemplare der Saison<br />
Fotograf<br />
Tung Walsh<br />
Styling<br />
Anna Schiffel<br />
28
Oben<br />
Uhr:<br />
»Serpenti Scaglie«,<br />
bulgari<br />
Unten<br />
Uhr mit eingelassenen<br />
Smaragden:<br />
Dolce & Gabbana<br />
Top <strong>und</strong> Rock:<br />
azzedine alAïa<br />
Socken:<br />
american apparel<br />
Schuhe:<br />
CÉline<br />
Korallenohrring:<br />
Galerie cipango,<br />
paris<br />
Zebraarmreif:<br />
frey wille<br />
Federarmreif:<br />
hermès
Ledertop:<br />
CÉline<br />
Leopardenohrring<br />
<strong>und</strong> Halskette:<br />
frey wille<br />
Neongelbes<br />
Blumenarmband:<br />
mawi<br />
Uhr: »Tutto Farfalle«,<br />
swatch<br />
Haare: MARION ANÉE / AIRPORT AGENCY, Make-up: KATHY LE SANT / WALTER SCHUPFER MANAGEMENT, Fotoassistent: HENRI DE CARVALHO, Stylingassistentin: DANIELLE VAN CAMP, Producer: GAETAN BRUN-PICARD, Produktion: Bird Production, Model: OPHELIE RUPP / VIVA, PARIS<br />
Blaugrüner Overall:<br />
damir doma<br />
Blumenohrringe:<br />
K arry’o, Paris<br />
Weißer Armreif:<br />
Hermès<br />
Holzarmreif:<br />
Christophe Tissot<br />
Socken:<br />
American Apparel<br />
Pantoffeln:<br />
privat
Traumstart<br />
Mit nichts geht der Tag so schön<br />
los wie mit dem guten<br />
alten R adiowecker. Ode an<br />
ein fast vergessenes Gerät<br />
Text<br />
Paul-PhilipP Hanske<br />
Illustration<br />
Paul Blow<br />
Ich verehre mein Smartphone. Wirklich.<br />
Wie uninteressant wären Wanderungen<br />
ohne die vom GPS-Tracker aufgezeichnete<br />
Strecke? Wie nervtötend die Hassampel ohne<br />
einen kurzen Facebook-Check? Wie langweilig<br />
die Tagesschau ohne eine Parallelrecher -<br />
che auf Spotify?<br />
<strong>Ein</strong>e smartphonefreie Zone habe ich mir<br />
jedoch erhalten: das Schlafzimmer. Zum<br />
einen bin ich Hypochonder. Dieses strahlende<br />
Ding auf dem Nachttisch? Da kann ich es<br />
mir ja gleich in die vordere Hosentasche stecken.<br />
Gr<strong>und</strong> zwei: die Signaltöne, die ich<br />
als Update-Neurotiker für alle Nachrichten<br />
aktiviert habe, würden mir den Schlaf rau -<br />
ben. Der wichtigste Gr<strong>und</strong> aber ist: Auf dem<br />
Nachttisch ist kein Platz. Dort wacht seit<br />
24 Jahren ein Radiowecker <strong>über</strong> mein nächtliches<br />
Wohlbefinden. Der treue Gefährte<br />
duldet kein zweites elektronisches Gerät neben<br />
sich. Aus gutem Gr<strong>und</strong>.<br />
Kafka schrieb mal, dass der Augenblick<br />
des Erwachens der riskanteste des ganzen<br />
Tages sei. Sonderbar sei es, dass man, »wenn<br />
man früh aufwacht, wenigstens im Allgemeinen<br />
alles unverrückt an der gleichen<br />
Stelle findet, wie es am Abend gewesen ist«.<br />
Wie gründlich das Aufwachen daneben gehen<br />
kann, zeigt der Fall Gregor Samsas, der<br />
sich morgens als Käfer wiederfindet. Wie oft<br />
erging es mir in fremden Betten genau so!<br />
Mein Problem ist, dass normale Wecker mich<br />
mit Schrecken aus dem Schlaf reißen. Dann<br />
fühle ich mich von der Brutalität des Tages<br />
so zertreten wie ein Käfer unter der Schuhsohle.<br />
Genau hier – am Übergang vom Traum<br />
zur Geschäftigkeit des Tages – setzt mein<br />
Radiowecker an. <strong>Ein</strong> Marketing-Genie muss<br />
sich den Produktnamen ausgedacht haben:<br />
»Dream-Machine«. Es ist der schönste <strong>und</strong><br />
treffendste Name, den es gibt.<br />
Klick. Ich bin wieder Achtklässler, stehe<br />
am Tümpel hinter unserem Gymnasium,<br />
von den Lehrern liebevoll »Biotop« genannt.<br />
Nur ich <strong>und</strong> die hübsche Biologie-<br />
Referendarin, die uns einst die Morastblumen<br />
erklärt hat. Sie fragt mich, welche Kassette<br />
in meinem Walkman läuft. Sie will es wissen,<br />
sie will es wirklich wissen! Bevor ich es<br />
sagen kann, ist aus dem Off die Stimme des<br />
Bayern-2-Nachrichten sprechers zu hören.<br />
Er berichtet von den Schwierigkeiten, die das<br />
achtjährige Gymnasium macht. Tschüss,<br />
hübsche Referendarin. Während ich langsam<br />
erwache, mache ich mir Gedanken<br />
<strong>über</strong> die Traum bildungsmechanismen, für<br />
die manchmal schon ein Wort reicht.<br />
<strong>Ein</strong>e etwas narzisstische, aber eben auch<br />
sehr geschmeidige Weise, in den Tag<br />
zu schleichen.<br />
Natürlich schlafen die Smartphone-<br />
Hersteller nicht. Längst gibt es Radiowecker-Apps,<br />
die Strahlengefahr <strong>und</strong> die<br />
Erweckungserlebnis:<br />
die »Dream-Machine«<br />
unseres Kolumnisten<br />
bei der Arbeit.<br />
schlafraubenden Signaltöne wären <strong>über</strong><br />
den Flugmodus zu bannen, eigentlich<br />
könnte ich also die »Dream-Machine« entsorgen.<br />
Wäre da nicht eine letzte Killer-<br />
Applika tion der »Dream-Machine«: die altmodische<br />
Digitalanzeige. Es geht mir nicht<br />
um die Uhrzeit, die ist eher störend. Es ist<br />
das sanfte Rotlicht, das mein Kopfkissen<br />
in einen rosigen Schimmer hüllt. Heißt es<br />
nicht, das Licht, das Säuglinge im Mutterbauch<br />
sehen, bevor sie, wie ich, mit einer<br />
Zange am Genick gepackt <strong>und</strong> an den<br />
Tag gezogen werden, sei rötlich? Dieses ozeanische<br />
Gefühl vor der Geworfenheit<br />
in eine kalte, operationssaalhelle Welt –<br />
meine Traummaschine lässt es mich<br />
erahnen. Vielleicht sollte ich mal <strong>über</strong> ein<br />
Wasserbett nachdenken.<br />
Der neueOPEL ADAM<br />
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34 Stil Leben<br />
Kraftstoffverbrauch kombiniert 5,5–5,0 l/100 km; CO 2 -Emission kombiniert 129–118 g/km<br />
(gemäß VO (EG) Nr. 715/2007). Effizienzklasse D–C
Nouvelle Vague<br />
Lauren Rubinski<br />
gehört zu den aufregendsten<br />
<strong>Schmuck</strong>designern von<br />
Paris. Aber mit manchen Fans<br />
tut sie sich schwer<br />
Text<br />
Nils Binnberg<br />
Lauren Rubinski ist sich nicht ganz sicher,<br />
wie sie das finden soll: Erst hat<br />
die Soul-Diva Ciara auf der letzten Art<br />
Basel Miami Beach groß bei ihr eingekauft,<br />
jetzt hat auch noch der dickhosige R’n’B-Star<br />
Usher zwei Diamantohrstecker ihres Labels<br />
Pristine erstanden. Die 27-Jährige fürchtet,<br />
dass sie bald zur neuen Lieblingsausstatterin<br />
der Hip-Hop-Szene werden könnte. Alles<br />
schön <strong>und</strong> gut, sagt sie. Der Plan sei nur ein<br />
ganz anderer gewesen: mit einer<br />
neuen Art von <strong>Schmuck</strong> die High-<br />
Fashion umzukrempeln.<br />
Es ist dieses ausgeprägte Selbstbewusstsein,<br />
mit dem Lauren<br />
Rubinski zum Liebling von Vogue,<br />
Colette <strong>und</strong> den anderen Pariser<br />
Stilinstitutionen wurde. Ihre spektakulären<br />
Ohrstäbe, die auf den<br />
ersten Blick aus einem zweifelhaften<br />
Piercingstudio für die nächs te<br />
Punk generation zu stammen scheinen,<br />
auf den zweiten Blick aber mit<br />
hauchzarten Diamanten besetzt<br />
sind, verkaufen sich seit mehreren<br />
Saisons prächtig. Ebenso der »Oop«,<br />
wie die Designerin ihr Ohrringmodell<br />
»Hoop« mit weichem französischem<br />
Akzent ausspricht. Das<br />
erinnert mit seinen diamantbesetzten<br />
Nieten ebenfalls an den rauen<br />
Glam der frühen Londoner Punkkultur<br />
– <strong>und</strong> ist längst vergriffen.<br />
»Mir gefällt die Idee, das Luxuriöse<br />
mit etwas Aggressivem zu verbinden«,<br />
sagt Lauren Rubinski.<br />
Die Designerin trägt einen<br />
schwarzen Kaschmirpulli <strong>und</strong> Röhrenjeans,<br />
dazu einen rosafarbenen Leopardenmuster-<br />
Schal <strong>und</strong> Louboutin-Loafers mit Goldnieten.<br />
Sie sieht aus, wie bestimmte Mädchen<br />
aus Paris eben aussehen: sehr hübsch, nicht<br />
weniger stolz. In ihrem Elternhaus im vornehmen<br />
Bezirk Neuilly-sur-Seine, einem Reichengetto,<br />
in dem nahezu die gesamte Riege<br />
der Industriebosse <strong>und</strong> Spitzenmanager<br />
Frankreichs wohnt, fiel es ihr als Jugendliche<br />
leicht, den Punk zu spielen. Rubinski flog<br />
mehrfach von der Schule, sie feierte lieber,<br />
sammelte Piercings. Später, auf der Designschule,<br />
war sie wieder die Außenseiterin.<br />
»Meine Kommilitonen kamen alle aus der<br />
Gothic-Szene«, sagt sie. Die Tochter aus gutem<br />
Hause wurde ignoriert. Sie brach die Ausbildung<br />
ab.<br />
Während einer Reise nach Los Angeles<br />
entdeckte sie auf einem Flohmarkt einen<br />
einfachen Holzstab, wie ihn die Kayapó, die<br />
Ureinwohner des Amazonas, als Ohrschmuck<br />
tragen. Ihre Mutter war schockiert,<br />
als das Kind mit dem daumendicken Pier-<br />
cing im Ohr zurückkam. Rubinski beschloss,<br />
eine Edelversion dieses Piercings zu entwickeln.<br />
<strong>Ein</strong>en Ohrstecker, der so aussieht wie<br />
ein kleiner Balken, für den man aber nur<br />
ein kleines Ohrloch braucht. Sie ließ einen<br />
Proto typen fertigen, den sie erst selbst trug,<br />
dann ihre Fre<strong>und</strong>innen, die Schwestern<br />
Prisca <strong>und</strong> Jenna Courtin-Clarins, Milliardärstöchter<br />
<strong>und</strong> Erbinnen des Kosmetikkonzerns<br />
Clarins, die zu New Yorks Party-Adel<br />
gehören – nicht die schlechtesten Schaufenster<br />
puppen. Die Marktpositionierung gelang.<br />
Fortan machten diese Modemädchen den<br />
<strong>Schmuck</strong> von Pristine bekannt. High-End-<br />
<strong>Schmuck</strong>, nicht für die Gala im Élysée-Palast,<br />
sondern eher für eine Nacht in Pariser Clubs<br />
wie »Le Montana«, dem »Studio 54«-artigen<br />
Laden von Purple-Chef Olivier Zahm.<br />
Als Rubinski vor r<strong>und</strong> drei Jahren ihr Label<br />
Pristine gründete, entstand in Paris gerade<br />
ein völlig neuer Markt für <strong>Schmuck</strong> <strong>und</strong><br />
»Ich möchte das<br />
Luxuriöse mit<br />
etwas Aggressivem<br />
verbinden«<br />
Accessoires. Aurélie Bidermann, Gaia Repossi<br />
oder Marie Poniatowski bilden inzwischen<br />
zusammen mit ihr die neue Generation der<br />
Pariser <strong>Schmuck</strong>designer. Sie alle machen<br />
Armbänder, Ketten <strong>und</strong> Ohrringe, die sich<br />
mühelos in die Looks von Carven, IRO<br />
<strong>und</strong> Isabel Marant einfügen. Hochwertiger<br />
<strong>Schmuck</strong>, der nicht auf Hochglanz poliert<br />
in den Schaufenstern der Rue de la Paix liegt,<br />
sondern aus einer anderen Welt zu kommen<br />
scheint – obwohl er nur ein paar Straßen<br />
weiter verkauft wird, in Concept Stores wie<br />
Montaigne Market oder Colette, neben<br />
Hipster-Jeans aus Schweden <strong>und</strong> Modemagazinen.<br />
»Kürzlich hat Barneys New York angefragt«,<br />
sagt Rubinski. »Sie wollen das volle<br />
Programm.« Die Upper East Side sehnt sich<br />
nach Pariser Neu-Punk. Sie werden ihn bekommen.<br />
Mit Nieten, Stacheln <strong>und</strong> Diamanten.<br />
Fotos: Pristine (6)<br />
hart, aber<br />
herzlich:<br />
der <strong>Schmuck</strong><br />
von Pristine<br />
ohrring mit<br />
diamanten<br />
Ohrring mit<br />
saphirbesatz<br />
perlenohrring<br />
mit diamanten<br />
Doppelring <strong>über</strong><br />
ein gelenk<br />
ohrstecker mit<br />
diamanten<br />
36 Stil Leben
Pullover: strenesse<br />
Seidenrock: brunello<br />
cucinelli<br />
Lederrucksack: bree<br />
Edelstahluhr:<br />
»Cape Cod Tonneau«,<br />
Hermès<br />
Im Ernst: Wer will auf dem Fahrrad<br />
die Zeit vom Smartphone ablesen?<br />
<strong>Ein</strong>e Uhr dagegen ist immer im Blick, sieht<br />
gut aus <strong>und</strong> fällt garantiert nie runter.<br />
Gute Fahrt!<br />
Fotograf<br />
Daniel Riera<br />
Styling<br />
Evelyn Sand<br />
38
Links<br />
T-Shirt: Calvin Klein<br />
Hose: Jil Sander<br />
Lederrucksack:<br />
emporio Armani<br />
Schuhe: calvin klein<br />
Uhr: »Royal Oak«,<br />
Audemars piguet<br />
Rechts<br />
Gelbe Jacke: Hermès<br />
Hemd: givenchy<br />
Shorts: Z Zegna<br />
Uhr: »Black Sea«,<br />
Ulysse nardin<br />
Weißer Windbreaker:<br />
Diesel<br />
Pullover: hugo boss<br />
Hose: jil sander<br />
Sonnenbrille: Tod’s<br />
Uhr: »Carrera Calibre«,<br />
tag heuer
Von links nach rechts<br />
Uhr: »Superocean«,<br />
Breitling<br />
Pullover <strong>und</strong><br />
Kuriertasche:<br />
Bottega Veneta<br />
Uhr: Longines<br />
Ledertop <strong>und</strong> Ledershorts:<br />
HERMÈS<br />
Halskette: tiffany<br />
Uhr: »Nautilus«,<br />
Patek philippe
Links<br />
Bluse: hugo boss<br />
Rock: akris<br />
Schuhe: hermès<br />
Tasche: Emporio<br />
Armani<br />
Halskette: Tiffany<br />
Uhr: »Classic Fusion«,<br />
Hublot<br />
Rechts<br />
Mantel <strong>und</strong> Hose:<br />
Lanvin<br />
Hemd: brioni<br />
Chronograf: »Top Gun<br />
Miramar«, iwc<br />
Haare & Make-up: Maria Martinez, Maniküre: Carol Guzman, beide: KASTEEL, Fotoassistent: Pedro Beraldo, Stylingassistentin: Patrycja Juraszczyk, Digital Capture: John Dickey, Models: Paulina Heller / Viva Paris; Tristan Favreau / Bananas Models, Adrian Ponte / Unobcn. Alle Fahrräder: privat
Die nehmen<br />
sich was raus<br />
In Los Angeles räumte eine<br />
Bande reicher Teenager die<br />
<strong>Schmuck</strong>schränke von<br />
Hollywoodstars leer – um die<br />
Beute selbst zu tragen.<br />
Jetzt hat Sofia Coppola<br />
ihre Geschichte verfilmt<br />
Text<br />
joachim hentschel<br />
Illustrationen<br />
PAul blow<br />
Irgendwie kommt ihm die Halskette seltsam vor. Sogar<br />
verdächtig. Das lange Perlencollier, das dem Beamten<br />
des Los Angeles Police Department aus dem Dekolleté<br />
der gerade 19-jährigen Courtney Leigh Ames entgegenblitzt:<br />
Es passt nicht so recht zu der mutmaßlichen <strong>Ein</strong>brecherin,<br />
die an diesem Morgen zu einer Routinevernehmung<br />
in seinem Dezernat erschienen ist.<br />
Der Polizist fordert Ames so diskret wie möglich auf,<br />
mit ihm vor die Tür zu treten. Lässt die Kette sicher -<br />
stellen. Und <strong>über</strong>rascht die Ermittlerkollegen bald darauf<br />
mit einem bizarren, kaum fassbaren Detail: Der <strong>Schmuck</strong>,<br />
den sich Courtney Ames zum Polizeitermin um den Hals<br />
gehängt hat, gehört eigentlich der Schauspielerin Lindsay<br />
Lohan. Diebesgut. Mitgenommen bei einem <strong>Ein</strong>bruch in<br />
Lohans Villa in den Hollywood Hills, bei dem Ames selbst<br />
zwar nicht dabei war, aber drei ihrer Fre<strong>und</strong>e. Im Kleiderschrank<br />
der jungen Frau wird später auch noch eine Lederjacke<br />
von Paris Hilton entdeckt, aus einem anderen der r<strong>und</strong><br />
15 Raubzüge, bei denen Mitglieder der sieben köpfigen<br />
Bande zwischen Oktober 2008 <strong>und</strong> August 2009 säckeweise<br />
Kleidung, Wertsachen <strong>und</strong> Bargeld aus Prominentenhäusern<br />
geschleppt haben, im Gesamtwert von gut drei Millionen<br />
Dollar. Weil um den spektakulären Fall noch immer so viele<br />
ungeklärte Fragen schwirren, kann man gleich mit der<br />
naheliegendsten anfangen: Was zum Teufel bringt ein tatverdächtiges<br />
Mädchen dazu, sich zu ihrer Polizeivernehmung<br />
ausgerechnet ein Beweisstück umzuhängen? Dummheit?<br />
Naivität? Hatte hier ein behütetes, mit silbernen<br />
Gäbelchen gefüttertes Beverly-Hills-Girl den Ernst der Lage<br />
verkannt? Es könnte auch Provokation gewesen sein: Wenn<br />
schon untergehen, dann mit ausgestrecktem Mittelfinger.<br />
Zumal Courtney Ames, die Diebin <strong>und</strong> Komplizin, in dieser<br />
Geschichte die Heldin sein wollte, nicht die Böse.<br />
Die Story des Bling Ring – auf den klingenden Namen<br />
für die <strong>Ein</strong>brecherbande hatte die Presse sich schnell geeinigt<br />
– muss eigentlich nicht verfilmt werden. Der Film existiert<br />
längst. Man muss nur kurz die Augen schließen <strong>und</strong><br />
das typische, golden blendende L.A.-Licht anknipsen:<br />
Schon sieht man sie, die jungen Freizeitgangster, wie sie<br />
die Melrose Avenue oder den Rodeo Drive heruntertigern,<br />
konsumverwöhnt in knappen Vintage-T-Shirts <strong>und</strong> Jeans-<br />
Hotpants, mit extragroßen Sonnenbrillen <strong>und</strong> Frappuccino-<br />
Bechern. Blende: grünstichige Originalmitschnitte von<br />
Überwachungskameras. <strong>Ein</strong>ige der verzweifelten Stars<br />
hatten sie damals in ihren Blogs gepostet, um Hinweise auf<br />
die Diebe zu erhalten.<br />
Die Regisseurin Sofia Coppola hat nun aber doch<br />
The Bling Ring gedreht, eine Kinoversion der Ereignisse<br />
jenes Jahres. Im Mai hat der Film Premiere in Cannes.<br />
Echte Kriminalfälle zu verfilmen, ist spätestens seit Bonnie<br />
<strong>und</strong> Clyde nichts Besonderes mehr in Hollywood. Dass dabei<br />
die Gauner zu Hauptpersonen werden, zu Abenteurern,<br />
leicht glorifiziert – auch das haben wir oft genug erlebt, von<br />
Ocean’s Eleven bis zur Thomas Crown Affäre. <strong>Ein</strong>es aber hat<br />
es vor Coppolas Bling Ring noch nicht gegeben: dass das Kino<br />
sich ein Verbrechen zum Thema nimmt, das von den<br />
Tätern selbst schon wie ein Film inszeniert wurde.<br />
Wie ein ziemlich guter sogar.<br />
Als sie 2009 in Zeitungen <strong>und</strong> auf Gossip-Websites von den<br />
Seriendieben lasen, haben viele Produzenten sicher vor<br />
Wut in ihre BlackBerrys gebissen. Wieso waren sie nicht<br />
selbst darauf gekommen? Den Bling-Ring-Komplizen<br />
schien die optimale Mischung aus krimineller Energie <strong>und</strong><br />
Lifestyle-Attitüde gelungen zu sein: Gangster-Aura wie im<br />
Stil Leben 47
Hip-Hop-Video, Glanz <strong>und</strong> Schönheit wie<br />
in den besten Fashion-Stores der Welt,<br />
dabei nah dran an den Cele brities des jungen<br />
Hollywood. Natürlich macht das keine<br />
Straftat der Welt besser. Aber an so viel Sinn für<br />
Style <strong>und</strong> Dramaturgie müssen sich Fassadenkletterer <strong>und</strong><br />
Strumpfmaskengauner aus aller Welt nun messen lassen.<br />
Die Kernmitglieder der Gruppe kommen alle aus gut<br />
situierten Familien, sie lernten sich an der Highschool<br />
in Calabasas kennen, einer Stadt nordwestlich von Los<br />
Angeles, die als Flucht- <strong>und</strong> Kuschelzone für Neureiche<br />
gilt. All die Cartier-<strong>Uhren</strong>, Gucci-Brillen, Prada-Schuhe,<br />
Diamantringe, Goldketten <strong>und</strong> Marc-Jacobs-Taschen, all<br />
das, was sie auf ihren Touren erbeuteten, in den Häusern<br />
von Rachel Bilson, Orlando Bloom, Lindsay Lohan oder<br />
Brian Austin Green: Es war nicht für Ebay oder verdruckste<br />
Kofferraum-Hehlerei bestimmt. Sondern um es selbst<br />
zu tragen.<br />
Die Opfer wurden nach der Güte ihrer Accessoires ausgewählt,<br />
anhand von Paparazzi- <strong>und</strong> Red-Carpet-Bildern.<br />
Die alten Hollywood-Diven mit den noch größeren Schatztruhen<br />
kamen folglich als Opfer nicht infrage: Mit<br />
ihren gestrigen Ringen <strong>und</strong> Colliers hätte man sich in<br />
Clubs <strong>und</strong> Bars wie dem »Les Deux«, »Teddy’s« oder<br />
»Beso« bloß lächerlich gemacht. Wann die Stars außer<br />
Haus waren, bei Galas oder Dreharbeiten, recherchierten<br />
die Bling-Ringer komfortabel <strong>über</strong> Facebook-<br />
Status, Twitter-Meldungen oder Nachrichten der<br />
Klatsch-Website TMZ. Auch die Adressen fanden sich<br />
im Netz. Sogar bei der psychologischen Detailplanung<br />
verließen sie sich auf die Medien: Paris Hilton wurde deshalb<br />
im Oktober 2008 von den Bandenköpfen Rachel<br />
Lee, damals 18, <strong>und</strong> Nick Prugo, 17, als erstes Ziel ausgesucht,<br />
weil die Hotelerbin in der Öffentlichkeit den<br />
sorglosesten, wenn nicht dümmsten <strong>Ein</strong>druck hinterließ.<br />
Tatsächlich fanden die zwei den Schlüssel zu Hiltons<br />
Villa unter dem Fußabstreifer. Dabei hätte eine<br />
Kreditkarte zum Türöffnen gereicht – es war nicht<br />
abgeschlossen.<br />
<strong>Ein</strong>e Studie deutscher Wirtschaftsinformatiker<br />
ergab kürzlich, dass soziale Online-Netzwerke auf<br />
Dauer neidisch <strong>und</strong> missgünstig machen. <strong>Ein</strong> Drittel der befragten<br />
Facebook-Nutzer gab an, dass Meldungen der<br />
Fre<strong>und</strong>e sie oft unzufrieden hinterließen. Der Frust entstehe<br />
vor allem, so analysierten die Forscher, weil man ständig<br />
nur die Erfolge, die Statussymbole der anderen vorgeführt<br />
bekomme, nicht nur von Bekannten <strong>und</strong> Kollegen, auch<br />
von Prominenten. Neid auf Stars ist kein neues Phänomen.<br />
Doch es wächst mit jedem Twitter-Foto aus Rihannas Privatjet<br />
oder von 50 Cents Besuch beim Wellness-Zahnarzt.<br />
»Celebrity Envy« – könnte das schon das ganze<br />
Geheimnis sein, das hinter dem Bling-Ring-Fall<br />
steckt? <strong>Ein</strong>e Form von M<strong>und</strong>raub, ganz ohne<br />
Robin- Hood-Überbau, um die eigene Gier nach<br />
Juwelen <strong>und</strong> Kleidern zu stillen? <strong>Ein</strong>fach, um endlich mal<br />
was Schönes zum Anziehen zu haben?<br />
Die Gerichtsurteile sind inzwischen gesprochen, vier der<br />
Bling-Ring-Mitglieder müssen in Haft, Rachel Lee sogar<br />
für vier Jahre. Die anderen drei kamen mit Bewährung <strong>und</strong><br />
Die Opfer wurden nach ihren<br />
Accessoires ausgewählt –<br />
anhand von Paparazzibildern<br />
Sozialst<strong>und</strong>en davon. Juristisch ist die Geschichte auserzählt,<br />
für die Traumdeutung springt nun Hollywood ein. Sofia<br />
Coppola hat sich in ihrem Film für die romantische Version<br />
der Ereignisse entschieden – was keinen w<strong>und</strong>ern wird,<br />
der ihre bisherigen Werke kennt, die Vorstadt-Pubertätsfantasie<br />
The Virgin Suicides oder Somewhere mit Elle Fanning<br />
als Tochter eines nichtsnutzigen Schauspielers. Lee, Prugo<br />
<strong>und</strong> die anderen sind bei Coppola unschuldige Teenager,<br />
Vertreter einer Generation, die Antidepressiva zum Frühstück<br />
isst <strong>und</strong> von allem <strong>über</strong>fordert ist, was die eigenen<br />
Tagesprobleme transzendiert. Coppola hat dem Drehbuch<br />
ihres Films eine Twitter-Meldung von Nicole<br />
Richie vorangestellt, als Motto. »Wie verrückt <strong>und</strong> unberechenbar<br />
das Leben doch sein kann«, philosophierte<br />
die Hilton-Fre<strong>und</strong>in. »Meine Ponyfransen<br />
driften heute nach links.«<br />
Tief unter der matt glänzenden Oberfläche der Geschichte<br />
könnte noch ein anderes Missverständnis<br />
sitzen. <strong>Ein</strong>es, das viel mit unserem Verhältnis zu den Stars<br />
zu tun hat, mit ihren unzähligen Bildern, die uns<br />
ständig umflattern. »Stars Are Just Like Us!« heißt eine<br />
der beliebtesten Kolumnen im US-Klatschblatt<br />
Us <strong>Magazin</strong>e, das Prominente beim Tanken <strong>und</strong> auf dem<br />
Supermarkt-Parkplatz zeigt, gern ungeschminkt.<br />
Solange diese Bilder uns vorgaukeln, dass die früher<br />
so Unerreichbaren heute jederzeit verfügbar<br />
sind, dass die tradierte Trennung zwischen uns<br />
<strong>und</strong> den Celebri ties längst nicht mehr existiert –<br />
dann liegt auch der Trugschluss, dass wir<br />
ihre Schuhe <strong>und</strong> Ohrringe mitbenutzen dürfen,<br />
nicht mehr schrecklich fern. Dann kann man sich zum<br />
Verhör auch Lindsay Lohans Kette umhängen.<br />
Mit Stalkern <strong>und</strong> Handy-Hackern, die Prominente<br />
quälen, hat niemand Mitleid.<br />
Die Bling-Ring-Kids sind selbst dagegen<br />
so etwas wie Stars geworden. Bald<br />
auch im Kino. Das Gold der fremden<br />
Ketten hat auf sie abgefärbt.<br />
<br />
Autor Joachim Hentschel hat selbst mal einen Prominenten beklaut:<br />
Im Heimstudio des Sängers Prince ließ er zwei Notizzettel mitgehen. Die<br />
Informationen darauf erwiesen sich aber leider als wertlos.<br />
E l E g a n z i n B E w E g u n g<br />
die haupt-<br />
Akteure<br />
des Bling Ring<br />
– in der Realität<br />
<strong>und</strong> im Film<br />
R achel Lee,<br />
Anführerin der Bande<br />
nick prugo,<br />
Lees Komplize<br />
Paris hilton,<br />
erstes Opfer des Bling Ring<br />
sofia coppola,<br />
Regisseurin<br />
Emma watson,<br />
spielt Nicki in Coppolas Film<br />
Fotos: dpa (5)<br />
Armbanduhr Dressage aus Edelstahl,<br />
mechanisches Manufakturuhrwerk H1837.<br />
48 Stil Leben<br />
Informationen unter: Tel. 089/55 21 53-0<br />
Hermes.com
Der<br />
Perlkönig<br />
Hat hier irgendwer<br />
»Midas« gesagt?<br />
Jacques BranelLec<br />
hat geschafft, wovon<br />
andere kaum zu träumen<br />
wagen: die<br />
Erfindung der goldenen<br />
Riesenperle. In Serie<br />
Text<br />
XifaN YANG<br />
Fotos<br />
Urban Zintel<br />
Am Ende der Welt, im Reich von Jacques<br />
Branellec bringt der Chef die Post noch persönlich<br />
per Hubschrauber vorbei. Landeanflug<br />
auf Farm Nummer 6, einem fußballfeldgroßen<br />
Inselklecks im Ozean. Das Pilotenhemd<br />
des 65-jährigen Franzosen flattert im<br />
Wind, die Hände umfassen fest den Steuerhebel.<br />
Sand fegt <strong>über</strong>s Ufer, das Meer schäumt.<br />
Während der Boden sich nähert, kommt aus<br />
der Ferne ein Mann angerannt. Luke auf, die<br />
Rotoren rattern, Branellec <strong>über</strong>gibt den Briefumschlag,<br />
zack, hebt er ab zur nächsten Insel.<br />
Branellec steuert den Hubschrauber <strong>über</strong><br />
ein Archipel bei Palawan, der drittgrößten<br />
Inselgruppe auf den Philippinen. Es ist eines<br />
dieser Tropenparadiese, die aussehen, als hätte<br />
Bob Ross, der Fernsehmaler, sie persönlich<br />
hingepinselt. Man weiß gar nicht, was mehr<br />
blendet, die Sonne, der Himmel, der weiße<br />
Strand oder das türkisfarbene Wasser. Auf 500<br />
Hektar Meer betreibt Jacques Branellec die<br />
größte Perlenfarm der Welt. Und die einzi ge,<br />
auf der goldene Perlen gezüchtet werden. >><br />
Pearl Harbor: Jacques Branellecs<br />
Archipel liegt mitten unter den mehr<br />
als 7000 Inseln der Philippinen.<br />
Die genaue Lage? Streng geheim.<br />
50 Stil Leben
Die Lebensgeschichte des Multimillionärs hat alle Zutaten<br />
eines guten James-Bond-Plots: Es geht um sündhaft teuren<br />
<strong>Schmuck</strong>, Flugzeugabenteuer <strong>und</strong> schnelle Boote, Privatinseln<br />
<strong>und</strong> geheime Labore, schöne Frauen <strong>und</strong> Naturkatastrophen.<br />
Reporter müssen als Erstes eine Erklärung unterschreiben,<br />
nicht zu verraten, wo die Inseln liegen. An unserer<br />
nächsten Station stehen Blumenmädchen in wehenden<br />
Röcken Spalier am Landeplatz: »Welcome to Flower Island,<br />
Sir.« Branellec entschwindet auf einem Motorrad. Fünf Minuten<br />
später treffen wir uns am Hafen wieder. Seine Glatze<br />
ist nun von einer Fischermütze bedeckt, statt Pilotenuniform<br />
trägt er ein luftiges Hemd, im Ausschnitt baumelt<br />
eine riesige Perlenkette. Binnen Sek<strong>und</strong>en hat Branellec<br />
den selbst gebauten Schnellkatamaran auf 32 Knoten<br />
beschleunigt. An den Tacho klemmt er eine Hibiskusblüte,<br />
ans Ohr ein Handy. Der Mann ist in seinem Element.<br />
Warum Perlen? Branellec kommt ins Philosophieren.<br />
»Perlen stehen für die ultimative Energie«, ruft er gegen<br />
den Tropenwind. »Für Liebe. <strong>Ein</strong> kleines Stück Gold, wie<br />
eine Minisonne, geschenkt von einem Lebewesen.« Wellen<br />
klatschen gegen den Bug, Branellec nimmt das Tempo heraus<br />
<strong>und</strong> lenkt den Katamaran an Bojen vorbei. Entlang 500<br />
Meter langer Taue hängen Körbe mit Riesenaustern der Art<br />
Pinctada maxima. Goldlippige, tellergroße Mollusken, die<br />
Perlen mit einem Durchmesser von bis zu 14 Millimetern<br />
austragen. 700 000 Perlen erntet Branellecs Unternehmen<br />
Jewelmer im Jahr, jede <strong>Ein</strong>zelne bis zu 3000 Euro wert. Vor<br />
uns kommt eine Insel in Sicht, es ist Farm Nummer 4. Im<br />
Uferwasser wuchern jahrh<strong>und</strong>ertealte Mangrovenbäume,<br />
Fledermäuse schreien von den Wipfeln. Branellec eilt <strong>über</strong><br />
den Bootssteg, vorbei an salutierenden Sicherheitsmännern,<br />
in ein Containerhaus auf Betonpfeilern, die Kommandozentrale<br />
der Farm.<br />
Perlenzüchter, Pilot, Multimillionär:<br />
Monsieur<br />
Branellec in den Außenbezirken<br />
seines Insel<br />
Archipels.<br />
Der Chef stellt vor: Clara, die Farmmanagerin, Doris, die<br />
Chefbiologin, Leo, den Perlentechniker, <strong>und</strong> den Tauchlehrer,<br />
den sie nur »Miracle Carl« rufen, weil er einmal in<br />
einen drehenden Bootspropeller geraten ist <strong>und</strong> nach nur<br />
zehn Tagen wieder zur Arbeit kam. Die 1000 Mitarbeiter<br />
des Unternehmens nennen den Chef wiederum nur »JB«,<br />
englisch ausgesprochen. Jay-Bee steht vor einer meterlangen<br />
Wand mit durchnummerierten Karteikärtchen. Auf jeder<br />
ist Geburtsdatum, Ges<strong>und</strong>heitszustand <strong>und</strong> zuständiger Betreuer<br />
jeder einzelnen Auster dokumentiert. »<strong>Ein</strong>e Perlenfarm<br />
zu betreiben ist, wie ein Krankenhaus mit einer Million<br />
Patienten zu leiten«, sagt Branellec. »Und jeder Patient<br />
bekommt eine <strong>Ein</strong>zelbehandlung.« In der freien Natur ist<br />
die Perle eine Art Zufall, der nur in einer von 20 000<br />
In der freien Natur entsteht eine<br />
Perle immer ungeplant. Die<br />
Farm macht aus dem Zufall die<br />
Regel – 700 000-mal im Jahr<br />
Muscheln heranwächst. Verantwortlich für die Perlenbildung<br />
sind Epithelzellen, die im Mantelgewebe der Muschel<br />
sitzen. Diese Gewebeart produziert das Baumaterial der<br />
Schale: Perlmutt. Werden die Zellen durch Parasiten in das<br />
innere Mantelgewebe verschleppt, nisten sie sich dort ein<br />
<strong>und</strong> bilden eine Zyste: den Perlsack, dessen Ausscheidungen<br />
sich nun Schicht für Schicht um einen Kern kristallisieren.<br />
Je dünner <strong>und</strong> zahlreicher die Schichten, desto öfter bricht<br />
sich das Sonnenlicht an der Ober fläche der Perle – so entsteht<br />
der besondere Regenbogenschimmer namens »Lüster«,<br />
der Menschen seit mehr als 4000 Jahren fasziniert. Die<br />
Chinesen glaubten, dass Perlen wie Regentropfen vom<br />
Himmel fallen, wenn Drachen mitein ander kämpfen.<br />
Die Perser hielten sie für Tränen der Götter.<br />
Doris, die Chefbiologin<br />
der Farm, prüft<br />
die Ges<strong>und</strong>heit der<br />
Pinctadae maximae.<br />
Darf’s ein wenig Meer<br />
sein? 20 Gramm frische<br />
Perlen. Marktwert:<br />
30 000 Euro.<br />
Alle drei Tage werden<br />
die Austern aus<br />
dem Wasser gezogen<br />
<strong>und</strong> gewendet.<br />
Warteschlange vor dem<br />
Röntgen. Der Apparat<br />
zeigt die exakte Größe<br />
jeder Perle.<br />
Branellecs Farm macht aus dem Zufall die Regel. Leo,<br />
der Perlentechniker, führt es im OP-Raum vor.<br />
»Schhht!«, ruft der Chef, absolute Ruhe jetzt. Mit der<br />
Präzision eines Herzchirurgen schneidet Leo ein wenige<br />
Millimeter kleines Stück Epithelgewebe aus einer Spendermuschel.<br />
Er implantiert es in das Geschlechtsorgan der<br />
Auster, die die Perle austragen soll. Dort setzt er außerdem<br />
eine kleine Süßwasserperle ein, die Branellec eigens aus<br />
dem Mississippi importiert. Die Süßwasserperle dient als<br />
sogenannter Nukleus, als Kern, um das sich das Salzwasserperlmutt<br />
kugelförmig ablagern soll. Wenn die Muschel den<br />
Nukleus abstößt, hat sie verloren. Sie ist dann nicht mehr<br />
zur Zucht geeignet <strong>und</strong> wird gegessen.<br />
Die OP ist eine von 323 Arbeitsschritten, die Branellec in<br />
20 Jahren Zuchtforschung entwickelt hat – für jede einzelne<br />
Auster bis zur Ernte. Nicht mal 0,1 Millimeter dürfen die Perlentechniker<br />
bei dem <strong>Ein</strong>griff danebenliegen, sonst stößt<br />
die Pinctada maxima den Kern ab. Danach kommen die Muscheln<br />
in »postoperative Behandlung«: Körbeweise werden<br />
sie in zwölf Meter tiefes Meerwasser gelassen. Damit der Nukleus<br />
nicht verrutscht, wenden Taucher die Austern nun<br />
alle drei Tage. <strong>Ein</strong>mal die Woche werden sie aus dem Wasser<br />
gezogen <strong>und</strong> gereinigt. So können sie besser atmen. Auch<br />
das Wasser wird immer wieder kontrolliert: Wohltemperiert<br />
zwischen 29 <strong>und</strong> 31 Grad sollte es sein, den richtigen Salz-<br />
52 Stil Leben<br />
Stil Leben 53
<strong>und</strong> Säuregehalt haben <strong>und</strong> eine gute Dosis Plankton. Bei<br />
Jewelmer gibt es für die Mitarbeiter ein Mantra: »TLC« –<br />
»Tender Loving Care«. »Wir behandeln die Austern wie Menschen«,<br />
sagt Branellec <strong>und</strong> streichelt <strong>über</strong> die Schale einer<br />
fünf Monate alten, kinderhandgroßen Babyauster. Er steht<br />
nun in der pink eingerichteten »Babyklinik« neben blubbernden<br />
Wassertanks, in denen junge Larven herangezüchtet<br />
werden. Chefbiologin Doris Domingo wacht im weißen<br />
Arztkittel <strong>über</strong> die Brut <strong>und</strong> erklärt: Pinctadae maximae<br />
seien äußerst sensible Lebewesen, die nur zehn von 50 000<br />
Planktonarten vertragen. Mitarbeiter dürfen die Zöglinge<br />
auf gar keinen Fall grob anfassen oder fallen lassen. Viele<br />
singen ihnen sogar etwas vor. »Bei starkem Wind stehen die<br />
Austern unter Stress. Singen hilft, sie zu entspannen«, sagt<br />
Domingo.<br />
Zwei Jahre braucht eine Babyauster, bis sie OP-reif ist,<br />
weitere zwei, bis sie in ihrem Inneren eine Perle geformt<br />
hat. Dann folgt der zweite <strong>Ein</strong>griff: die Ernte.<br />
Anfangs produzierte nur jede achte Muschel eine Perle,<br />
mittlerweile beträgt die Erfolgsquote 80 Prozent. An diesem<br />
Tag bergen die Techniker 30 Perlen aus den Austerbäuchen:<br />
goldene <strong>und</strong> hellblaue, rosé- <strong>und</strong> champagnerfarbene.<br />
Manche sind r<strong>und</strong>, manche oval, manche sehen aus,<br />
als wären sie beim Bleigießen entstanden.<br />
Bevor sie per Hubschrauber in die Zentrale nach Manila<br />
geflogen werden, nimmt Branellec die Perlen unter die<br />
Lupe. Er schnippt sie <strong>über</strong> den Tisch, die r<strong>und</strong>en, glatten<br />
nach links, jene mit kleinen Makeln nach rechts. In die<br />
dritte Kategorie kommen eigenwillige wie jene r<strong>und</strong>e roséfarbene,<br />
aus deren Seite ein flammenförmiger Streif<br />
schießt. »<strong>Ein</strong> seltenes Sammlerstück«, urteilt der Chef. Er<br />
hält die Perle ins Sonnenlicht <strong>und</strong> kneift die Augen<br />
zusammen, wie ein Winzer, der sich <strong>über</strong> einen gelungenen<br />
Jahrgang freut. »Will einer behaupten, dass das kein W<strong>und</strong>er<br />
der Natur ist?«<br />
Die erste Perlenfarm wurde von<br />
einem Tsunami weggespült.<br />
Auch die nächsten Versuche<br />
scheiterten<br />
Fliegen, Tauchen, Bootfahren, Inselabenteuer – Branellec<br />
lebt seinen Südseetraum. Schon von klein auf bewegte sich<br />
der gebürtige Bretone nicht gern auf dem Land: Der Sohn<br />
eines Segelolympiasiegers baute als Achtjähriger sein erstes<br />
Ruderboot, mit 16 segelte er allein <strong>über</strong> den Ärmelkanal.<br />
In seinen Zwanzigern steuerte er als Pilot bei Air Tahiti<br />
Cessna-Maschinen <strong>über</strong> den Süd pazifik. Fotos aus dieser<br />
Zeit zeigen ihn umringt von fröhlichen <strong>Ein</strong>heimischen,<br />
mit Blumenketten um den Hals <strong>und</strong> selbst erlegten Riesenmuränen<br />
in der Hand. <strong>Ein</strong>es Tages erzählte ihm ein japanischer<br />
Passagier von seiner Perlenzucht <strong>und</strong> lud ihn auf<br />
seine Farm ein. Branellec war begeistert. Als er beschloss,<br />
das Handwerk zu lernen, war es mit der Gastfre<strong>und</strong>schaft<br />
allerdings vorbei. Denn Japans Züchter, damals Weltmarktführer,<br />
teilen ihr Wissen nur ungern mit der Außenwelt.<br />
Immer wieder flog der Franzose nach Japan, bis sich ihm<br />
schließlich ein Meister namens Fumio Maeda anvertraute.<br />
»Meinen Samurai« nennt ihn Branellec bis heute. Wochenlang<br />
experimentierte er mit Maeda auf einem Pfahlbau<br />
mitten im Südpazifik. Er kündigte seinen Pilotenjob <strong>und</strong><br />
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aute 1971 seine erste Minifarm, die kurz darauf von einem<br />
Tsunami weggespült wurde. Auch der zweite Versuch<br />
scheiterte. Branellec, inzwischen mit einer Vietnamesin namens<br />
Anne-Marie verheiratet <strong>und</strong> Vater, brach zu einer<br />
zweijährigen Weltumsegelung auf. Je entlegener die Ziele,<br />
desto besser.<br />
Die Jacht segelte zu den Kanaren, den Galapagos-Inseln,<br />
nach Fidschi <strong>und</strong> Französisch-Polynesien, die Familie <strong>über</strong>lebte<br />
mehrere Tropenstürme. 1979 schließlich Ankunft auf<br />
Palawan. Mit dem reichen Unternehmersohn Manuel<br />
Cojuangco ging er vor dessen Privatinseln tauchen. Branellec<br />
entdeckte das ideale Ökosystem, um Perlen zu züchten:<br />
kristallklares Wasser, eine leichte Strömung <strong>und</strong> viel Plankton.<br />
Nur die Austern fehlten. Branellec <strong>und</strong> sein neuer<br />
Geschäftspartner fanden sie im Süden der Philippinen <strong>und</strong><br />
flogen sie mit einer alten Propellermaschine ein.<br />
Dann begann der schwierige Teil. Zehn Jahre brauchte<br />
Branellec, um eine Methode zur Massenzüchtung der Pinctada<br />
maxima zu entwickeln. Weitere zehn, bis seine Perlen<br />
ihr einzigartiges Markenzeichen entwickelten: die goldene<br />
Farbe. Nach 20 Jahren Zuchtforschung ist Jewelmer die einzige<br />
Firma auf der Welt, die es schafft, goldene Perlen in Serie<br />
herzustellen. 1999 reiste Branellec mit seiner ersten Ernte auf<br />
eine Messe in Monaco. Er präsentierte die goldenen Riesenperlen<br />
der versammelten High Society – sein Durchbruch.<br />
Heute lebt Branellec die meiste Zeit in Manila. Als<br />
zweimal geschiedener »Singlegroßvater«, wie er<br />
sagt. Branellec hat acht Kinder von sechs Frauen,<br />
dazu sieben Enkel. Zu seiner Südseefarm gehören acht<br />
Privatinseln, drei Helikopter, 140 Boote. Sein Unternehmen<br />
beschäftigt vier Piloten, 50 Biologen, 30 Perlenchirurgen,<br />
200 Taucher – <strong>und</strong> 100 Sicherheitsleute. Fast wirkt es, als<br />
habe der Franzose hier ein Mini-Imperium errichtet: Von<br />
Wasser- <strong>und</strong> Stromleitungen, Laboren <strong>und</strong> Arbeiterwohnheimen<br />
bis zu Helikopterlandeplätzen <strong>und</strong> Booten lässt er<br />
alles selbst bauen. Die philippinische Regierung, von der er<br />
das Meer gepachtet hat, hat dem Unternehmen die Küstenautorität<br />
<strong>über</strong>lassen. Das Inselarchipel ist ein Hochsicherheitstrakt<br />
<strong>und</strong> nur von zwei Seiten zu erreichen, jede von<br />
bewaffneten Küstenpatrouillen bewacht. Würde Branellec<br />
hier heimlich eine Unterwasserraketenbasis betreiben,<br />
niemand würde es merken.<br />
Der Sicherheitsaufwand soll vor Piraten <strong>und</strong> Dynamitfischern<br />
schützen. Die meisten <strong>Ein</strong>heimischen auf den<br />
Nachbarinseln leben ohne Strom <strong>und</strong> Wasser. Um <strong>über</strong>haupt<br />
ein <strong>Ein</strong>kommen zu verdienen, werfen viele Sprengsätze<br />
ins Meer, um mehr Fische auf einmal zu töten, andere<br />
holzen illegal den Regenwald ab. Ist es da nicht obszön,<br />
Perlen zu produzieren, die mehrere Tausend Euro kosten?<br />
Am Horizont hat sich der Himmel violett gefärbt, Branellec<br />
steht mit einem Mai Tai am Strand. »Nein, wieso?«, antwortet<br />
er. »Wir geben den Menschen Arbeit, wir zerstören<br />
nicht die Natur. Im Gegenteil, wir geben ihr etwas zurück.«<br />
Die Austern locken Fische, Korallen <strong>und</strong> Mikroorganismen<br />
an, seit es die Farm gebe, sei die Artenvielfalt gestiegen.<br />
Die Natur, der er sein Produkt verdankt, macht ihm wiederum<br />
das Leben schwer: Bereits sechsmal vernichteten<br />
schwere Taifune <strong>und</strong> Tsunamis die Farm, sechsmal musste<br />
alles neu aufgebaut werden. Branellec zeigt auf eine Mauer,<br />
die die Strandhütten vor den Gezeiten schützen soll. Als er<br />
sie baute, war sie drei Meter hoch, jetzt ist sie nahezu vollständig<br />
im Sand versunken. Der Meeresspiegel steigt.<br />
»Die Erderwärmung erleben wir täglich vor der Haustür.«<br />
Branellec blickt in die Ferne. In spätestens fünf Jahren wird<br />
sich das Meer die Farm ein weiteres Mal nehmen, schätzt<br />
er. Die Häuser müssen dann abgerissen <strong>und</strong> einige Meter<br />
höher wieder errichtet werden.<br />
Branellecs Inselreich ist ein Hochsicherheitstrakt.<br />
Würde er<br />
eine Raketenbasis betreiben –<br />
niemand würde es merken<br />
Wenn man so will, hat Branellec ein knappes Zeitfenster<br />
genutzt. Die Technik ist weit genug für die industrielle<br />
Perlenzucht, das Meer noch nicht so verseucht, um sie unmöglich<br />
zu machen. Und in zehn Jahren? Branellec zuckt<br />
mit den Schultern. Seine Perlen, glaubt er, wird es einst nur<br />
noch im Museum geben.<br />
Es ist inzwischen Nacht, die Mitarbeiter der Farm haben<br />
am Strand Scheinwerfer <strong>und</strong> Musikboxen aufgebaut. Carl,<br />
der Tauchlehrer, legt Gangnam Style auf. Der Vollmond scheint<br />
auf Branellecs Glatze, er trägt jetzt ein rosa Hippiehemd <strong>und</strong><br />
sitzt in einem massiven Schaukelstuhl aus Holz. <strong>Ein</strong> bisschen<br />
sieht er aus wie ein Stammeshäuptling. Dann mischt er sich<br />
unter seine Leute <strong>und</strong> tanzt. Bis die Flut kommt.<br />
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Xifan Yang schätzte Austern bislang nur als Nahrungsmittel. Jetzt kann sie<br />
sich auch vorstellen, Perlen zu tragen. Aber nur die der Pinctada margaritifera –<br />
in ihrer Lieblingsfarbe Schwarz.<br />
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56 Stil Leben
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Models: APollo, LEONARDO, MATHIAS, PIOTR, STELLA, YLVA, Street Cast: Carol, Justine, Sally<br />
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»Newton lag falsch«<br />
Der Philosoph Jim Holt<br />
beschäftigt sich gern<br />
mit den ganz großen Fragen<br />
des Lebens. Seine<br />
Meinung zur Zeit: nichts<br />
als Illusion<br />
Interview<br />
Lars Jensen<br />
Fotos<br />
Roderick<br />
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Herr Holt, Sie haben den Bestseller<br />
Why Does the World Exist? geschrieben.<br />
Da können Sie sicher auch die<br />
Frage beantworten: Was ist Zeit?<br />
Jim Holt: Diese Frage stellen sich derzeit mehr<br />
Wissenschaftler denn je. Scheint ein Trend<br />
zu sein. An der New York University, der besten<br />
Philosophie-Fakultät der englischsprachigen<br />
Welt, beschäftigen sich ganze<br />
Abtei lungen mit dem Problem der Zeit.<br />
Warum ist die Suche nach der Erklärung<br />
der Zeit so faszinierend?<br />
Weil Zeit ein verdammtes Mysterium ist! Die<br />
Wissenschaft sagt, dass unsere Wahrnehmung<br />
von Zeit eine Illusion ist. Aber sie ist<br />
die bedeutendste Koordinate unseres Lebens,<br />
des subjektiven Seins. Wir schwimmen<br />
– oft gegen unseren Willen – im Strom<br />
der Zeit unserem Tod entgegen, dem großen<br />
Nichts.<br />
Was ist so falsch an unserer Zeitwahrnehmung?<br />
Wir glauben im Prinzip immer noch Isaac<br />
Newton. Der behauptete, dass Zeit gleichmäßig<br />
vergeht, dass ihr ein kontinuierlicher<br />
Prozess zugr<strong>und</strong>e liegt, in dem aus Zukunft<br />
erst Gegenwart, dann Vergangenheit wird. Der<br />
menschliche Sinn für Zeit funktioniert<br />
allerdings ganz anders. Wenn wir jung sind,<br />
vergeht die Zeit langsam. <strong>Ein</strong> Sommer dauert<br />
eine Ewigkeit. Psychologen haben dieses<br />
Phänomen untersucht <strong>und</strong> die Faustregel<br />
aufgestellt, dass wir bereits mit unse rem achten<br />
Lebensjahr zwei Drittel unserer subjektiven<br />
Lebenszeit hinter uns gebracht haben.<br />
So stark verändert sich unsere Wahrnehmung.<br />
Lässt man 20-Jährige schätzen, wie lange<br />
eine Minute dauert, liegen sie meist<br />
richtig. 60-Jährige irren sich oftmals um bis<br />
zu 30 Sek<strong>und</strong>en. Es war nicht nur ein Witz,<br />
als die Schriftstellerin Fran Lebowitz einmal<br />
sagte: »Wenn du die 50 <strong>über</strong>schreitest, ist<br />
alle drei Monate Weihnachten.«<br />
Wissen wir, wie das Gehirn die Zeit misst?<br />
Es gibt im mittleren Gehirn ein Neuronen-<br />
Cluster, das die Zeit registriert. Wenn uns<br />
etwas Traumatisches passiert, ein Unfall zum<br />
Beispiel, wird diese Hirnregion mit Dopamin<br />
<strong>über</strong>schwemmt. Es kommt zu enormen<br />
Verzerrungen in der Wahrnehmung. <strong>Ein</strong>e<br />
Sek<strong>und</strong>e kann sich wie eine Minute anfühlen.<br />
Also lag Newton falsch.<br />
So ist es. Der Fluss der Zeit hat Stromschnellen<br />
<strong>und</strong> Dämme. Viele Experten behaupten<br />
sogar, dass die Zeit <strong>über</strong>haupt nicht fließt,<br />
sondern statisch ist – wie ein gefrorener See.<br />
Wie bitte?<br />
Die Idee, Zeit in Vergangenheit <strong>und</strong> Zukunft<br />
einzuteilen mit der Gegenwart als Brücke<br />
dazwischen, ist eine Illusion, die unser Leben<br />
vereinfacht.<br />
Aber wir sitzen doch gerade jetzt zusammen.<br />
Wie definieren Sie sonst Gegenwart?<br />
Das ist eine Funktion im Gehirn, die Informationen<br />
<strong>und</strong> Sinnesdaten eines Zeitraums<br />
von etwa drei Sek<strong>und</strong>en sammelt <strong>und</strong> erlebbar<br />
macht. Der Psychologe William James<br />
nannte dies die »trügerische Gegenwart«.<br />
Aha.<br />
Schon <strong>Ein</strong>stein bewies, dass die <strong>Ein</strong>teilung der<br />
Zeit in früher, jetzt <strong>und</strong> demnächst vom<br />
Blickwinkel des Individuums abhängt. Wenn<br />
ich in den Sternenhimmel blicke, sehe ich<br />
Licht, das vor Tausenden Jahren produziert<br />
wurde. Daraus schloss <strong>Ein</strong>stein, dass alle<br />
Zeit statisch ist. Alle Momente sind gleichwertig,<br />
egal ob sie von unserem Standpunkt<br />
aus in der Vergangenheit oder Zukunft liegen.<br />
Was bedeutet das für uns?<br />
Tja, zunächst einmal wendet sich diese Erkenntnis<br />
total gegen unsere tägliche Erfahrung<br />
mit der Zeit. Selbst <strong>Ein</strong>stein konnte für<br />
sich keinen Nutzen aus dem Gedanken ziehen.<br />
Er versuchte es trotzdem: Als sein bester<br />
Fre<strong>und</strong> Michele Besso starb, schrieb er der<br />
Witwe einen Brief. Zeit sei eine <strong>Ein</strong>bildung,<br />
Michele würde in alle Ewigkeit existieren.<br />
Bessos Witwe solle sich vom Konzept der Zeit<br />
trennen. <strong>Ein</strong> schwacher Trost für die Frau.<br />
Wochen später starb auch <strong>Ein</strong>stein.<br />
Warum ist das menschliche Gehirn<br />
nicht in der Lage, das Konzept von<br />
der statischen Zeit zu akzeptieren?<br />
Die Wissenschaft versucht, die objektiven<br />
Gr<strong>und</strong>lagen zu erklären, aber für unsere<br />
Gehirne ist es einfacher, der subjektiven Wahrnehmung<br />
zu folgen. Viele Elemente unserer<br />
Lebenswelt, wie der Gedanke, dass wir dem<br />
Tod entgegenleben, sind primitive Konzepte.<br />
Aber sie helfen uns zu funktionieren.<br />
Haben Sie schon mal versucht, so zu<br />
leben, als sei die Zeit statisch?<br />
Dann wäre ich wohl noch unausstehlicher,<br />
als ich ohnehin bin. Der Oxford-Professor<br />
Derek Parfit erfand aber mal den Charakter<br />
»Herr Zeitlos«. Wenn »Herr Zeitlos« kurz<br />
vor dem Tod steht, so die Idee, empfindet er<br />
keine Angst, denn alle vergangenen Erlebnisse<br />
sind für ihn genauso bedeutsam wie<br />
die künftigen. Egal ob man noch zehn<br />
Sek<strong>und</strong>en oder zehn Jahre zu leben hat.<br />
Eigentlich ein schöner Gedanke.<br />
Klingt jedenfalls aufbauender als: Unsere<br />
mensch lichen Körper nehmen einen sehr<br />
begrenzten Raum des Universums ein <strong>und</strong><br />
eine ebenso begrenzte Zeit.<br />
Berücksichtigen Sie Ihre Erkenntnisse im<br />
Alltag?<br />
Nein. Es gibt zwei Sorten Philosophen: Personen<br />
wie Wittgenstein, deren Denken jede<br />
Handlung bestimmt. Er konnte nicht mal<br />
eine Suppe bestellen, ohne <strong>über</strong> die Korrektheit<br />
seiner Sprache zu reflektieren. Dann<br />
gibt es Personen wie David Hume, der zu<br />
radikalen Erkenntnissen kam: Das Selbst existiert<br />
nicht, genauso wenig Moral. Er lebte<br />
ein unbeschwertes Leben, ohne ständig <strong>über</strong><br />
die Konsequenz seiner Arbeit nachzudenken.<br />
Zur zweiten Kategorie gehöre ich.<br />
Fürchten Sie den Tod?<br />
Das Universum existierte 13,8 Milliarden<br />
Jahre ohne mich. Dann hatten meine Eltern<br />
Sex, <strong>und</strong> zufällig fand dieses eine Spermium<br />
den Weg zur Eizelle. Wenn dieses Spermium<br />
von einem anderen <strong>über</strong>holt worden wäre,<br />
wäre eine andere Person auf die Welt gekommen.<br />
Dass wir existieren, ist ein höchst unwahrscheinlicher<br />
Gewinn in der genetischen<br />
Lotterie des Universums. Irgendwann verschwinden<br />
wir wieder.<br />
Wann begann die Zeit?<br />
Vor 13,8 Milliarden Jahren fand das Ereignis<br />
statt, das wir Urknall nennen: eine Explo sion,<br />
in der sich aus dem Nichts das Universum<br />
68 Stil Leben
Wenn Zeit nicht existiert,<br />
dann gibt es ganz<br />
folge richtig auch keine<br />
Zeit, die Brille gerade<br />
zu rücken: Jim Holt beim<br />
Interview.<br />
MANCHMAL<br />
MUSS ES EBEN<br />
MUMM SEIN.<br />
Das Sushi-Taxi auf den Aussichtsturm<br />
bestellen. Statt eines Blind Dates<br />
gleich einen Blind Ball veranstalten.<br />
Den roten Teppich auf dem Spielfeld<br />
ausrollen. Warum einen Tisch reservieren,<br />
wenn es da draußen noch so viel<br />
zu entdecken gibt? Manchmal muss<br />
es eben Mumm sein.<br />
formte mit seinen h<strong>und</strong>ert Milliarden Galaxien,<br />
die wir heute sehen. Man könnte annehmen,<br />
dass dem Urknall eine unendliche Periode<br />
des Nichts vorausging. <strong>Ein</strong>e naive Vorstellung.<br />
Die andere Sichtweise: Zeit exis tiert<br />
nicht, wenn keine Materie existiert. Denn<br />
wo kein Wandel, keine Entwicklungen, keine<br />
Ereignisse passieren, gibt es auch keine Zeit.<br />
T=0 ist der Moment, als die Zeit begann, der<br />
Urknall. Es gibt kein T=–1.<br />
Das führt uns zu der Frage, wann die Zeit<br />
enden wird.<br />
Zwei Modelle sind geläufig: Der große Zusammenbruch,<br />
in dem das Universum kollabiert<br />
<strong>und</strong> sich alle Energie auflöst, ein negativer<br />
Urknall also. Die andere Theorie<br />
nimmt an, dass sich das Universum endlos<br />
ausdehnt. Seit Menschen es beobachten,<br />
wächst das Universum immer schneller. In<br />
Milliarden Jahren könnte es sich so weit<br />
ausdehnen, dass die Entfernungen zwischen<br />
den <strong>Ein</strong>zelteilen zu groß werden <strong>und</strong> immer<br />
»Die Existenz ist ein<br />
höchst unwahrscheinlicher<br />
Gewinn<br />
in der Lotterie<br />
des Universums«<br />
weniger Ereignisse stattfinden. Dann würde<br />
sich auch die Zeit entschleunigen.<br />
Sie versuchen, Fragen zu beantworten,<br />
die nicht zu beantworten sind. Ist das<br />
Neugier oder eine Form der Therapie?<br />
Ich blicke auf diese Mysterien mit leichtem<br />
Herzen, <strong>und</strong> ich lache <strong>über</strong> die Absurdität unserer<br />
Existenz. Wenn man zu lang <strong>über</strong> den<br />
Ursprung des Lebens nachdenkt, wirken alle täglichen<br />
Probleme lächerlich. Humor ist die einzige<br />
Möglichkeit, dieses Wissen zu verarbeiten.<br />
Vor Ihrem aktuellen Bestseller haben Sie ein<br />
Buch <strong>über</strong> die Geschichte des Witzes geschrieben.<br />
Kennen Sie einen guten <strong>über</strong> die Zeit?<br />
Lassen Sie mich <strong>über</strong>legen ... Nein. Über die<br />
Zeit machen die Menschen offenbar keine<br />
Witze. Vielleicht ist es Zeit, das zu ändern.<br />
<br />
Jim Holt ist ein US-amerikanischer Philosoph <strong>und</strong><br />
Autor. Er lebt in New York. Sein Bestseller Why Does the<br />
World Exist? An Existential Detective Story wird auf<br />
Deutsch bei Rowohlt erscheinen.<br />
70 Stil Leben
Bez ugsquellen<br />
Impressum<br />
Akris akris.ch<br />
A. Lange & Söhne<br />
alange-soehne.com<br />
American Apparel<br />
americanapparel.net<br />
Ann Demeulemeester<br />
anndemeulemeester.be<br />
Arielle de Pinto arielledepinto.com<br />
Audem ars Piguet<br />
audemarspiguet.com<br />
Azzedine Alaïa alaia.fr<br />
Bottega Veneta bottegaveneta.com<br />
Bree bree.com<br />
Breitling breitling.com<br />
Brioni brioni.com<br />
Brunello Cucinelli<br />
brunellocucinelli.com<br />
Bulgari bulgari.com<br />
Calvin Klein calvinklein.com<br />
Cartier cartier.de<br />
Casio G-Shock g-shock.eu<br />
Céline celine.com<br />
Chanel chanel.com<br />
Chopard chopard.com<br />
Christophe Tissot<br />
christophetissot.com<br />
Chronoswiss chronoswiss.de<br />
Da mir Dom a damirdoma.com<br />
Dary’s pro.pagesjaunes.fr/en/darys<br />
Diesel diesel.com<br />
Dolce & Gabbana dolcegabbana.de<br />
Eddie Borgo eddieborgo.com<br />
Emporio Armani armani.com<br />
Frey Wille freywille.com<br />
Galerie Cipango Paris<br />
galerie-paris.com<br />
Giambattista Valli<br />
giambattistavalli.com<br />
Givenchy givenchy.com<br />
Hermès hermes.com<br />
Hublot hublot.com<br />
Hugo Boss hugoboss.com<br />
IWC Schaffhausen iwc.com<br />
Jaeger-LeCoultre<br />
jaeger-lecoultre.com<br />
Jewelmer jewelmer.com<br />
Jil Sander jilsander.com<br />
Julien David juliendavid.com<br />
K arry’O karryo.com<br />
Lan vin lanvin.com<br />
Levi’s levi.com/de<br />
Lizzie Fortunato Jewels<br />
lizziefortunatojewels.com<br />
Longines longines.de<br />
M aison Auclert<br />
maisonauclert.com<br />
M aison M artin M argiela<br />
maisonmartinmargiela.com<br />
M awi mawi.co.uk<br />
Patek Philippe patek.com<br />
Pomellato pomellato.com<br />
Prim by Michelle Elie<br />
michelleelie.com<br />
Pristine, Lauren Rubinski<br />
montaignemarket.com<br />
Reebok reebok.de<br />
René Talmon L’Armée<br />
renetalmonlarmee.com<br />
Rolex rolex.com/de<br />
Santoni santonishoes.com<br />
STone stoneparis.com<br />
Strenesse strenesse.com<br />
Swatch swatch.com<br />
Tag Heuer tagheuer.com<br />
Tiffan y tiffany.de<br />
Tod’s tods.com<br />
Tommy Hilfiger<br />
de.tommy.com<br />
Ulysse Nardin<br />
ulysse-nardin.com<br />
valentino<br />
valentino.com<br />
Waris Ahlu walia<br />
houseofwaris.com<br />
Wellendorff wellendorff.com<br />
Z Zegna zegna.com<br />
Chefredakteure<br />
Michael Ebert <strong>und</strong> Timm Klotzek<br />
Artdirector<br />
Thomas Kartsolis<br />
Chef vom Dienst<br />
Dirk Schönlebe<br />
Textchefin<br />
Susanne Schneider<br />
projektleitung<br />
Jan Kirsten Biener <strong>und</strong> Alexander Runte<br />
(<strong>Nansen</strong> & <strong>Piccard</strong>)<br />
Alexis Zurflüh (Artdirector)<br />
Mitarbeit: Nils Binnberg, Frauke Haack (Chefin<br />
vom Dienst), Paul-Philipp Hanske, Jörn<br />
Kengelbach (<strong>Uhren</strong>), Benedikt Sarreiter, Kathrin<br />
Spirk (Bildredaktion), Christine Uschold-Schlör<br />
(Schlussredaktion), Nelson Vassalo (Grafik),<br />
Gillian Wiechert (Booking), Gerlinde Wronski<br />
(Schlussredaktion)<br />
Redaktion<br />
Max Fellmann, Lara Fritzsche, Kerstin Greiner<br />
(Stil leben), Lars Reichardt, Rainer Stadler,<br />
Johannes Waechter<br />
Mitarbeit: Thomas Bärnthaler, Dr. Andreas<br />
Bernard, Christoph Cadenbach, Tobias Haberl,<br />
Gabriela Herpell, Dr. Till Krause, Wolfgang<br />
Luef, Alexandros Stefanidis, Almut Vogel, Silke<br />
Wichert (Modeleitung)<br />
Online Mitarbeit: Marc Baumann<br />
Autoren: CUS, Dr. Dr. Rainer Erlinger, Axel Hacke,<br />
Dr. Malte Herwig, Christian Jürgens, Tobias Kniebe,<br />
Peter Praschl, Tim Raue, Roland Schulz, Anna<br />
Schwarzmann, Anna Sgroi<br />
Schlussredaktion<br />
Dr. Daniela Ptok<br />
Mitarbeit: Angelika Rauch<br />
gr afik<br />
Birthe Steinbeck<br />
Mitarbeit: David Henne, Anna Meyer, Daniel<br />
Schnitterbaum<br />
Bildredaktion<br />
Mitarbeit: Eva Fischer, Ralf Zimmermann<br />
Assistenz<br />
Regina Burkhard (Chefredaktion), Julia Wagner<br />
Redaktionsmarketing<br />
Angela Kesselring (Leitung)<br />
Mitarbeit: Babette Lorenzen<br />
Geschäftsführer<br />
Stefan Rohr<br />
Verlag<br />
<strong>Magazin</strong> Verlagsgesellschaft Süddeutsche Zeitung<br />
mbH, Hultschiner Straße 8, 81677 München,<br />
Tel. 089/21 83 95 40, Fax 089/21 83 95 70,<br />
E-Mail: stilleben@sz-magazin.de<br />
Anzeigen<br />
Jürgen Maukner (Gesamtanzeigenleitung),<br />
verantwortlich für den Inhalt der Anzeigen;<br />
Claudia Stelz (stellv.)<br />
Tel. 089/21 83 67 6, Fax 089/21 83 93 29<br />
K aufmännischer Bereich<br />
Marianne Igl<br />
Repro<br />
Compumedia GmbH, Elsenheimerstraße 59,<br />
80687 München<br />
Herstellung<br />
Hermann Weixler (Leitung)<br />
Druck<br />
ADV-Augsburger Druck- <strong>und</strong> Verlagshaus GmbH,<br />
86167 Augsburg<br />
ver ant wortlich für den<br />
redak tionellen inhalt<br />
Michael Ebert <strong>und</strong> Timm Klotzek, Anschrift<br />
wie Verlag<br />
Der Verlag <strong>über</strong>nimmt für unverlangt eingesandte<br />
Unterlagen keine Haftung.<br />
Bei Nichterscheinen durch höhere Gewalt oder<br />
Streik kein Entschädigungsanspruch. <strong>Ein</strong>e Verwertung<br />
der urheberrechtlich geschützten Zeitschrift<br />
<strong>und</strong> aller in ihr enthaltenen Beiträge <strong>und</strong> Abbildungen,<br />
insbesondere durch Vervielfältigung oder<br />
Verbreitung, ist ohne vorherige schriftliche<br />
Zustimmung des Verlages unzulässig <strong>und</strong> strafbar,<br />
soweit sich aus dem Urheberrechtsgesetz nichts<br />
anderes ergibt.<br />
Insbesondere ist eine <strong>Ein</strong>speicherung oder Verarbeitung<br />
der auch in elektronischer Form vertriebenen<br />
Zeitschrift in Datensystemen ohne Zustimmung<br />
des Verlages unzulässig.<br />
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72 Stil Leben
S o t i c k t . . .<br />
Waris Ahluwalia<br />
designer, Schauspieler,<br />
Traditionalist: Der<br />
indisch-amerikanische<br />
Dandy macht <strong>Schmuck</strong><br />
für die Ewigkeit<br />
Herr Ahluwalia, wie gelangt<br />
ein <strong>Schmuck</strong>designer<br />
in das Ensemble<br />
von Regisseur Wes Anderson?<br />
Waris Ahluwalia: Wes <strong>und</strong><br />
ich trafen uns das erste Mal 2003<br />
bei einer Friedensk<strong>und</strong>gebung<br />
vor der UN in New York. Kurz<br />
darauf fragte er mich, ob ich in<br />
Die Tiefseetaucher mitspielen<br />
wolle. Ich war <strong>über</strong>rascht, hatte<br />
mich nie als Schauspieler gesehen.<br />
Aber wir sind uns ähnlich.<br />
Wes arbeitet mit großer Hingabe<br />
für sein Handwerk, ich glaube<br />
wie er an Beständigkeit in einer<br />
Welt, die nur noch dem Augenblick<br />
huldigt. Deswegen bin ich<br />
<strong>Schmuck</strong>designer geworden.<br />
Was finden Archäologen bei<br />
ihren Grabungen? Keramik<br />
<strong>und</strong> <strong>Schmuck</strong>. Ich arbeite mit<br />
Elementen, die aus der Erde kommen,<br />
wieder dorthin zurück kehren<br />
– <strong>und</strong> die Zeit <strong>über</strong> winden.<br />
Welchen <strong>Ein</strong>fluss hat Ihr<br />
Geburtsland Indien auf Ihre<br />
Arbeit?<br />
Ich kam mit fünf Jahren in die<br />
USA, aber Schönheit, Glanz <strong>und</strong><br />
Mystik von Indien sind immer<br />
Teil meines Lebens <strong>und</strong> meiner<br />
Arbeit geblieben. Ich arbeite<br />
mit Goldschmieden <strong>und</strong> Steinmetzen<br />
aus Indien zusammen. Mir<br />
ist es wichtig, dass Handwerkskunst<br />
Teil unseres Lebens bleibt<br />
<strong>und</strong> nicht ins Museum wandert.<br />
74 Stil Leben<br />
Sie sind gläubiger Sikh, es gibt<br />
kaum Fotos von Ihnen ohne<br />
Turban. Nehmen Sie ihn auch<br />
mal ab?<br />
Nur beim Schlafen <strong>und</strong> Schwimmen.<br />
Und beim Sex.<br />
<br />
Waris Ahluwalia , 37, lebt in New<br />
York. Er ist <strong>Schmuck</strong>designer für seine<br />
eigene Marke House of Waris, betreibt ein<br />
Teehaus <strong>und</strong> arbeitet gelegentlich als<br />
Schauspieler. Neben Wes Andersons Die<br />
Tiefseetaucher <strong>und</strong> Darjeeling Limited<br />
spielte er auch in Spike Lees Inside Man.<br />
Interview: Benedikt Sarreiter; Foto: Roderick Aichinger<br />
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