Ein Magazin über Uhren und Schmuck - Nansen & Piccard
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Die nehmen<br />
sich was raus<br />
In Los Angeles räumte eine<br />
Bande reicher Teenager die<br />
<strong>Schmuck</strong>schränke von<br />
Hollywoodstars leer – um die<br />
Beute selbst zu tragen.<br />
Jetzt hat Sofia Coppola<br />
ihre Geschichte verfilmt<br />
Text<br />
joachim hentschel<br />
Illustrationen<br />
PAul blow<br />
Irgendwie kommt ihm die Halskette seltsam vor. Sogar<br />
verdächtig. Das lange Perlencollier, das dem Beamten<br />
des Los Angeles Police Department aus dem Dekolleté<br />
der gerade 19-jährigen Courtney Leigh Ames entgegenblitzt:<br />
Es passt nicht so recht zu der mutmaßlichen <strong>Ein</strong>brecherin,<br />
die an diesem Morgen zu einer Routinevernehmung<br />
in seinem Dezernat erschienen ist.<br />
Der Polizist fordert Ames so diskret wie möglich auf,<br />
mit ihm vor die Tür zu treten. Lässt die Kette sicher -<br />
stellen. Und <strong>über</strong>rascht die Ermittlerkollegen bald darauf<br />
mit einem bizarren, kaum fassbaren Detail: Der <strong>Schmuck</strong>,<br />
den sich Courtney Ames zum Polizeitermin um den Hals<br />
gehängt hat, gehört eigentlich der Schauspielerin Lindsay<br />
Lohan. Diebesgut. Mitgenommen bei einem <strong>Ein</strong>bruch in<br />
Lohans Villa in den Hollywood Hills, bei dem Ames selbst<br />
zwar nicht dabei war, aber drei ihrer Fre<strong>und</strong>e. Im Kleiderschrank<br />
der jungen Frau wird später auch noch eine Lederjacke<br />
von Paris Hilton entdeckt, aus einem anderen der r<strong>und</strong><br />
15 Raubzüge, bei denen Mitglieder der sieben köpfigen<br />
Bande zwischen Oktober 2008 <strong>und</strong> August 2009 säckeweise<br />
Kleidung, Wertsachen <strong>und</strong> Bargeld aus Prominentenhäusern<br />
geschleppt haben, im Gesamtwert von gut drei Millionen<br />
Dollar. Weil um den spektakulären Fall noch immer so viele<br />
ungeklärte Fragen schwirren, kann man gleich mit der<br />
naheliegendsten anfangen: Was zum Teufel bringt ein tatverdächtiges<br />
Mädchen dazu, sich zu ihrer Polizeivernehmung<br />
ausgerechnet ein Beweisstück umzuhängen? Dummheit?<br />
Naivität? Hatte hier ein behütetes, mit silbernen<br />
Gäbelchen gefüttertes Beverly-Hills-Girl den Ernst der Lage<br />
verkannt? Es könnte auch Provokation gewesen sein: Wenn<br />
schon untergehen, dann mit ausgestrecktem Mittelfinger.<br />
Zumal Courtney Ames, die Diebin <strong>und</strong> Komplizin, in dieser<br />
Geschichte die Heldin sein wollte, nicht die Böse.<br />
Die Story des Bling Ring – auf den klingenden Namen<br />
für die <strong>Ein</strong>brecherbande hatte die Presse sich schnell geeinigt<br />
– muss eigentlich nicht verfilmt werden. Der Film existiert<br />
längst. Man muss nur kurz die Augen schließen <strong>und</strong><br />
das typische, golden blendende L.A.-Licht anknipsen:<br />
Schon sieht man sie, die jungen Freizeitgangster, wie sie<br />
die Melrose Avenue oder den Rodeo Drive heruntertigern,<br />
konsumverwöhnt in knappen Vintage-T-Shirts <strong>und</strong> Jeans-<br />
Hotpants, mit extragroßen Sonnenbrillen <strong>und</strong> Frappuccino-<br />
Bechern. Blende: grünstichige Originalmitschnitte von<br />
Überwachungskameras. <strong>Ein</strong>ige der verzweifelten Stars<br />
hatten sie damals in ihren Blogs gepostet, um Hinweise auf<br />
die Diebe zu erhalten.<br />
Die Regisseurin Sofia Coppola hat nun aber doch<br />
The Bling Ring gedreht, eine Kinoversion der Ereignisse<br />
jenes Jahres. Im Mai hat der Film Premiere in Cannes.<br />
Echte Kriminalfälle zu verfilmen, ist spätestens seit Bonnie<br />
<strong>und</strong> Clyde nichts Besonderes mehr in Hollywood. Dass dabei<br />
die Gauner zu Hauptpersonen werden, zu Abenteurern,<br />
leicht glorifiziert – auch das haben wir oft genug erlebt, von<br />
Ocean’s Eleven bis zur Thomas Crown Affäre. <strong>Ein</strong>es aber hat<br />
es vor Coppolas Bling Ring noch nicht gegeben: dass das Kino<br />
sich ein Verbrechen zum Thema nimmt, das von den<br />
Tätern selbst schon wie ein Film inszeniert wurde.<br />
Wie ein ziemlich guter sogar.<br />
Als sie 2009 in Zeitungen <strong>und</strong> auf Gossip-Websites von den<br />
Seriendieben lasen, haben viele Produzenten sicher vor<br />
Wut in ihre BlackBerrys gebissen. Wieso waren sie nicht<br />
selbst darauf gekommen? Den Bling-Ring-Komplizen<br />
schien die optimale Mischung aus krimineller Energie <strong>und</strong><br />
Lifestyle-Attitüde gelungen zu sein: Gangster-Aura wie im<br />
Stil Leben 47