Ein Magazin über Uhren und Schmuck - Nansen & Piccard
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Die Lebensgeschichte des Multimillionärs hat alle Zutaten<br />
eines guten James-Bond-Plots: Es geht um sündhaft teuren<br />
<strong>Schmuck</strong>, Flugzeugabenteuer <strong>und</strong> schnelle Boote, Privatinseln<br />
<strong>und</strong> geheime Labore, schöne Frauen <strong>und</strong> Naturkatastrophen.<br />
Reporter müssen als Erstes eine Erklärung unterschreiben,<br />
nicht zu verraten, wo die Inseln liegen. An unserer<br />
nächsten Station stehen Blumenmädchen in wehenden<br />
Röcken Spalier am Landeplatz: »Welcome to Flower Island,<br />
Sir.« Branellec entschwindet auf einem Motorrad. Fünf Minuten<br />
später treffen wir uns am Hafen wieder. Seine Glatze<br />
ist nun von einer Fischermütze bedeckt, statt Pilotenuniform<br />
trägt er ein luftiges Hemd, im Ausschnitt baumelt<br />
eine riesige Perlenkette. Binnen Sek<strong>und</strong>en hat Branellec<br />
den selbst gebauten Schnellkatamaran auf 32 Knoten<br />
beschleunigt. An den Tacho klemmt er eine Hibiskusblüte,<br />
ans Ohr ein Handy. Der Mann ist in seinem Element.<br />
Warum Perlen? Branellec kommt ins Philosophieren.<br />
»Perlen stehen für die ultimative Energie«, ruft er gegen<br />
den Tropenwind. »Für Liebe. <strong>Ein</strong> kleines Stück Gold, wie<br />
eine Minisonne, geschenkt von einem Lebewesen.« Wellen<br />
klatschen gegen den Bug, Branellec nimmt das Tempo heraus<br />
<strong>und</strong> lenkt den Katamaran an Bojen vorbei. Entlang 500<br />
Meter langer Taue hängen Körbe mit Riesenaustern der Art<br />
Pinctada maxima. Goldlippige, tellergroße Mollusken, die<br />
Perlen mit einem Durchmesser von bis zu 14 Millimetern<br />
austragen. 700 000 Perlen erntet Branellecs Unternehmen<br />
Jewelmer im Jahr, jede <strong>Ein</strong>zelne bis zu 3000 Euro wert. Vor<br />
uns kommt eine Insel in Sicht, es ist Farm Nummer 4. Im<br />
Uferwasser wuchern jahrh<strong>und</strong>ertealte Mangrovenbäume,<br />
Fledermäuse schreien von den Wipfeln. Branellec eilt <strong>über</strong><br />
den Bootssteg, vorbei an salutierenden Sicherheitsmännern,<br />
in ein Containerhaus auf Betonpfeilern, die Kommandozentrale<br />
der Farm.<br />
Perlenzüchter, Pilot, Multimillionär:<br />
Monsieur<br />
Branellec in den Außenbezirken<br />
seines Insel<br />
Archipels.<br />
Der Chef stellt vor: Clara, die Farmmanagerin, Doris, die<br />
Chefbiologin, Leo, den Perlentechniker, <strong>und</strong> den Tauchlehrer,<br />
den sie nur »Miracle Carl« rufen, weil er einmal in<br />
einen drehenden Bootspropeller geraten ist <strong>und</strong> nach nur<br />
zehn Tagen wieder zur Arbeit kam. Die 1000 Mitarbeiter<br />
des Unternehmens nennen den Chef wiederum nur »JB«,<br />
englisch ausgesprochen. Jay-Bee steht vor einer meterlangen<br />
Wand mit durchnummerierten Karteikärtchen. Auf jeder<br />
ist Geburtsdatum, Ges<strong>und</strong>heitszustand <strong>und</strong> zuständiger Betreuer<br />
jeder einzelnen Auster dokumentiert. »<strong>Ein</strong>e Perlenfarm<br />
zu betreiben ist, wie ein Krankenhaus mit einer Million<br />
Patienten zu leiten«, sagt Branellec. »Und jeder Patient<br />
bekommt eine <strong>Ein</strong>zelbehandlung.« In der freien Natur ist<br />
die Perle eine Art Zufall, der nur in einer von 20 000<br />
In der freien Natur entsteht eine<br />
Perle immer ungeplant. Die<br />
Farm macht aus dem Zufall die<br />
Regel – 700 000-mal im Jahr<br />
Muscheln heranwächst. Verantwortlich für die Perlenbildung<br />
sind Epithelzellen, die im Mantelgewebe der Muschel<br />
sitzen. Diese Gewebeart produziert das Baumaterial der<br />
Schale: Perlmutt. Werden die Zellen durch Parasiten in das<br />
innere Mantelgewebe verschleppt, nisten sie sich dort ein<br />
<strong>und</strong> bilden eine Zyste: den Perlsack, dessen Ausscheidungen<br />
sich nun Schicht für Schicht um einen Kern kristallisieren.<br />
Je dünner <strong>und</strong> zahlreicher die Schichten, desto öfter bricht<br />
sich das Sonnenlicht an der Ober fläche der Perle – so entsteht<br />
der besondere Regenbogenschimmer namens »Lüster«,<br />
der Menschen seit mehr als 4000 Jahren fasziniert. Die<br />
Chinesen glaubten, dass Perlen wie Regentropfen vom<br />
Himmel fallen, wenn Drachen mitein ander kämpfen.<br />
Die Perser hielten sie für Tränen der Götter.<br />
Doris, die Chefbiologin<br />
der Farm, prüft<br />
die Ges<strong>und</strong>heit der<br />
Pinctadae maximae.<br />
Darf’s ein wenig Meer<br />
sein? 20 Gramm frische<br />
Perlen. Marktwert:<br />
30 000 Euro.<br />
Alle drei Tage werden<br />
die Austern aus<br />
dem Wasser gezogen<br />
<strong>und</strong> gewendet.<br />
Warteschlange vor dem<br />
Röntgen. Der Apparat<br />
zeigt die exakte Größe<br />
jeder Perle.<br />
Branellecs Farm macht aus dem Zufall die Regel. Leo,<br />
der Perlentechniker, führt es im OP-Raum vor.<br />
»Schhht!«, ruft der Chef, absolute Ruhe jetzt. Mit der<br />
Präzision eines Herzchirurgen schneidet Leo ein wenige<br />
Millimeter kleines Stück Epithelgewebe aus einer Spendermuschel.<br />
Er implantiert es in das Geschlechtsorgan der<br />
Auster, die die Perle austragen soll. Dort setzt er außerdem<br />
eine kleine Süßwasserperle ein, die Branellec eigens aus<br />
dem Mississippi importiert. Die Süßwasserperle dient als<br />
sogenannter Nukleus, als Kern, um das sich das Salzwasserperlmutt<br />
kugelförmig ablagern soll. Wenn die Muschel den<br />
Nukleus abstößt, hat sie verloren. Sie ist dann nicht mehr<br />
zur Zucht geeignet <strong>und</strong> wird gegessen.<br />
Die OP ist eine von 323 Arbeitsschritten, die Branellec in<br />
20 Jahren Zuchtforschung entwickelt hat – für jede einzelne<br />
Auster bis zur Ernte. Nicht mal 0,1 Millimeter dürfen die Perlentechniker<br />
bei dem <strong>Ein</strong>griff danebenliegen, sonst stößt<br />
die Pinctada maxima den Kern ab. Danach kommen die Muscheln<br />
in »postoperative Behandlung«: Körbeweise werden<br />
sie in zwölf Meter tiefes Meerwasser gelassen. Damit der Nukleus<br />
nicht verrutscht, wenden Taucher die Austern nun<br />
alle drei Tage. <strong>Ein</strong>mal die Woche werden sie aus dem Wasser<br />
gezogen <strong>und</strong> gereinigt. So können sie besser atmen. Auch<br />
das Wasser wird immer wieder kontrolliert: Wohltemperiert<br />
zwischen 29 <strong>und</strong> 31 Grad sollte es sein, den richtigen Salz-<br />
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Stil Leben 53