Ein Magazin über Uhren und Schmuck - Nansen & Piccard

Hip-Hop-Video, Glanz und Schönheit wie
in den besten Fashion-Stores der Welt,
dabei nah dran an den Cele brities des jungen
Hollywood. Natürlich macht das keine
Straftat der Welt besser. Aber an so viel Sinn für
Style und Dramaturgie müssen sich Fassadenkletterer und
Strumpfmaskengauner aus aller Welt nun messen lassen.
Die Kernmitglieder der Gruppe kommen alle aus gut
situierten Familien, sie lernten sich an der Highschool
in Calabasas kennen, einer Stadt nordwestlich von Los
Angeles, die als Flucht- und Kuschelzone für Neureiche
gilt. All die Cartier-Uhren, Gucci-Brillen, Prada-Schuhe,
Diamantringe, Goldketten und Marc-Jacobs-Taschen, all
das, was sie auf ihren Touren erbeuteten, in den Häusern
von Rachel Bilson, Orlando Bloom, Lindsay Lohan oder
Brian Austin Green: Es war nicht für Ebay oder verdruckste
Kofferraum-Hehlerei bestimmt. Sondern um es selbst
zu tragen.
Die Opfer wurden nach der Güte ihrer Accessoires ausgewählt,
anhand von Paparazzi- und Red-Carpet-Bildern.
Die alten Hollywood-Diven mit den noch größeren Schatztruhen
kamen folglich als Opfer nicht infrage: Mit
ihren gestrigen Ringen und Colliers hätte man sich in
Clubs und Bars wie dem »Les Deux«, »Teddy’s« oder
»Beso« bloß lächerlich gemacht. Wann die Stars außer
Haus waren, bei Galas oder Dreharbeiten, recherchierten
die Bling-Ringer komfortabel über Facebook-
Status, Twitter-Meldungen oder Nachrichten der
Klatsch-Website TMZ. Auch die Adressen fanden sich
im Netz. Sogar bei der psychologischen Detailplanung
verließen sie sich auf die Medien: Paris Hilton wurde deshalb
im Oktober 2008 von den Bandenköpfen Rachel
Lee, damals 18, und Nick Prugo, 17, als erstes Ziel ausgesucht,
weil die Hotelerbin in der Öffentlichkeit den
sorglosesten, wenn nicht dümmsten Eindruck hinterließ.
Tatsächlich fanden die zwei den Schlüssel zu Hiltons
Villa unter dem Fußabstreifer. Dabei hätte eine
Kreditkarte zum Türöffnen gereicht – es war nicht
abgeschlossen.
Eine Studie deutscher Wirtschaftsinformatiker
ergab kürzlich, dass soziale Online-Netzwerke auf
Dauer neidisch und missgünstig machen. Ein Drittel der befragten
Facebook-Nutzer gab an, dass Meldungen der
Freunde sie oft unzufrieden hinterließen. Der Frust entstehe
vor allem, so analysierten die Forscher, weil man ständig
nur die Erfolge, die Statussymbole der anderen vorgeführt
bekomme, nicht nur von Bekannten und Kollegen, auch
von Prominenten. Neid auf Stars ist kein neues Phänomen.
Doch es wächst mit jedem Twitter-Foto aus Rihannas Privatjet
oder von 50 Cents Besuch beim Wellness-Zahnarzt.
»Celebrity Envy« – könnte das schon das ganze
Geheimnis sein, das hinter dem Bling-Ring-Fall
steckt? Eine Form von Mundraub, ganz ohne
Robin- Hood-Überbau, um die eigene Gier nach
Juwelen und Kleidern zu stillen? Einfach, um endlich mal
was Schönes zum Anziehen zu haben?
Die Gerichtsurteile sind inzwischen gesprochen, vier der
Bling-Ring-Mitglieder müssen in Haft, Rachel Lee sogar
für vier Jahre. Die anderen drei kamen mit Bewährung und
Die Opfer wurden nach ihren
Accessoires ausgewählt –
anhand von Paparazzibildern
Sozialstunden davon. Juristisch ist die Geschichte auserzählt,
für die Traumdeutung springt nun Hollywood ein. Sofia
Coppola hat sich in ihrem Film für die romantische Version
der Ereignisse entschieden – was keinen wundern wird,
der ihre bisherigen Werke kennt, die Vorstadt-Pubertätsfantasie
The Virgin Suicides oder Somewhere mit Elle Fanning
als Tochter eines nichtsnutzigen Schauspielers. Lee, Prugo
und die anderen sind bei Coppola unschuldige Teenager,
Vertreter einer Generation, die Antidepressiva zum Frühstück
isst und von allem überfordert ist, was die eigenen
Tagesprobleme transzendiert. Coppola hat dem Drehbuch
ihres Films eine Twitter-Meldung von Nicole
Richie vorangestellt, als Motto. »Wie verrückt und unberechenbar
das Leben doch sein kann«, philosophierte
die Hilton-Freundin. »Meine Ponyfransen
driften heute nach links.«
Tief unter der matt glänzenden Oberfläche der Geschichte
könnte noch ein anderes Missverständnis
sitzen. Eines, das viel mit unserem Verhältnis zu den Stars
zu tun hat, mit ihren unzähligen Bildern, die uns
ständig umflattern. »Stars Are Just Like Us!« heißt eine
der beliebtesten Kolumnen im US-Klatschblatt
Us Magazine, das Prominente beim Tanken und auf dem
Supermarkt-Parkplatz zeigt, gern ungeschminkt.
Solange diese Bilder uns vorgaukeln, dass die früher
so Unerreichbaren heute jederzeit verfügbar
sind, dass die tradierte Trennung zwischen uns
und den Celebri ties längst nicht mehr existiert –
dann liegt auch der Trugschluss, dass wir
ihre Schuhe und Ohrringe mitbenutzen dürfen,
nicht mehr schrecklich fern. Dann kann man sich zum
Verhör auch Lindsay Lohans Kette umhängen.
Mit Stalkern und Handy-Hackern, die Prominente
quälen, hat niemand Mitleid.
Die Bling-Ring-Kids sind selbst dagegen
so etwas wie Stars geworden. Bald
auch im Kino. Das Gold der fremden
Ketten hat auf sie abgefärbt.
Autor Joachim Hentschel hat selbst mal einen Prominenten beklaut:
Im Heimstudio des Sängers Prince ließ er zwei Notizzettel mitgehen. Die
Informationen darauf erwiesen sich aber leider als wertlos.
E l E g a n z i n B E w E g u n g
die haupt-
Akteure
des Bling Ring
– in der Realität
und im Film
R achel Lee,
Anführerin der Bande
nick prugo,
Lees Komplize
Paris hilton,
erstes Opfer des Bling Ring
sofia coppola,
Regisseurin
Emma watson,
spielt Nicki in Coppolas Film
Fotos: dpa (5)
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