24.06.2012 Aufrufe

Thyssenkrupp techforum 2/2007

Thyssenkrupp techforum 2/2007

Thyssenkrupp techforum 2/2007

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ThyssenKrupp<br />

<strong>techforum</strong><br />

Heft 2 I <strong>2007</strong>


IMPRESSUM<br />

HERAUSGEBER<br />

ThyssenKrupp AG, Zentralbereich Technology, August-Thyssen-Straße 1, 40211 Düsseldorf,<br />

Telefon 0211/8 24-3 62 91, Telefax 0211/8 24-3 62 85<br />

ERSCHEINUNGSWEISE<br />

Titelbild<br />

Das Titelbild zeigt eine Dampfturbine für die Hochdruckstufe eines<br />

Kernkraftwerkes nach Montage der Schaufeln. Diese Turbine –<br />

installiert in einem neuen Kernkraftwerk auf der Insel Olkiluoto<br />

vor der Westküste Finnlands – ist von Siemens Power Generation<br />

entworfen und gefertigt worden. Die Turbinensektion ist eine zweigehäusige<br />

Konstruktion, bestehend aus einer zweiflutigen Hochdruckturbine<br />

und einer sechsflutigen Niederdruckturbine mit starr<br />

angekoppeltem Dreiphasen-Synchrongenerator. Die Bemühungen<br />

zum Erreichen höchster Dampftemperaturen und -drücke, zum Bau<br />

größerer Turbinen und zum Einsatz modernster Technologien tragen<br />

dazu bei, die Effizienz großer thermischer Kraftwerke zu steigern<br />

und deren Emissionen zu verringern. Das Kraftwerk von Olkiluoto<br />

liefert ca. 1.600 MW bei einem Wirkungsgrad von rund 37 %.<br />

Für dieses Projekt mit der größten Dampfturbine der Welt hat die<br />

italienische Società delle Fucine, ein Unternehmen von ThyssenKrupp<br />

Acciai Speciali Terni, die aus einem Stück geschmiedete Rotorwelle<br />

der Hochdruckstufe gefertigt und geliefert. Società delle Fucine ist<br />

von Siemens Power Generation als ein wichtiger Lieferant solcher<br />

Komponenten anerkannt worden und wurde im August <strong>2007</strong> mit<br />

dem Lieferantenpreis „Pionier bei der Herstellung von Schmiedeteilen<br />

für die größte Dampfturbine der Welt“ ausgezeichnet.<br />

„ThyssenKrupp <strong>techforum</strong>“ erscheint ein- bis zweimal jährlich in deutscher und englischer Sprache. Nachdruck nur mit<br />

Genehmigung des Herausgebers. Fotomechanische Vervielfältigung einzelner Aufsätze ist erlaubt. Der Versand des<br />

„ThyssenKrupp <strong>techforum</strong>“ erfolgt über eine Adressdatei, die mit Hilfe der automatisierten Datenverarbeitung geführt wird.<br />

ISSN 1612-2763


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Energie ist in der Wirtschaft und im Alltag unverzichtbar. Wir benötigen Primärenergieträger beispielsweise<br />

für Wärme und Mobilität. Bis heute wird Energie überwiegend aus fossilen Rohstoffen wie Kohle, Öl, Gas<br />

sowie aus Uran gewonnen. Die Reserven sind jedoch endlich, sodass der Ressourcenschonung eine<br />

immer wichtigere Rolle zukommt. Der weltweit wahrzunehmende Klimawandel mit seinen Auswirkungen<br />

betrifft uns alle und verlangt ein Umdenken in der Energiepolitik sowie eine Erhöhung der Effizienz der<br />

Umwandlung und Nutzung von Energie. Die Industrie ist gefordert, innovative Lösungen zu entwickeln,<br />

mit denen sich CO2-Emissionen im Sinne eines nachhaltigen Umweltschutzes bei gleichzeitiger Schonung<br />

der knapper werdenden Ressourcen reduzieren lassen.<br />

Mit dieser Ausgabe von ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> möchten wir Ihnen einige der vielfältigen Leistungen<br />

unseres Konzerns in diesem Themenbereich vorstellen.<br />

Werkstoffseitig berichten wir über nichtrostende Stähle, die bei der Aufbereitung von Meerwasser zu<br />

Trinkwasser Verwendung finden und die für den automobilen Leichtbau aufgrund hervorragender Eigenschaften<br />

eingesetzt werden. Neue Nickellegierungen sowie niedrig legierte Stahlsorten finden in Dampfturbinen<br />

von Kraftwerken mit höheren Wirkungsgraden Verwendung. Der Einsatz von höher- und höchstfesten<br />

Stahlsorten trägt bei innovativen Pkw-Achsträgern zum Leichtbau und somit zur Emissionsreduzierung<br />

bei. Emissionen lassen sich auch durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der Herstellung von<br />

Weißzement, bei der Müllverbrennung sowie bei energetisch effizienteren Banddurchlaufanlagen zur<br />

Herstellung von Stahlblechen senken. Im Transportbereich werden durch den Einsatz von energieeffizienten<br />

Magnetschwebebahnen, wie dem Transrapid, Schadstoff- und Schallemissionen reduziert. Umweltorientierte<br />

Technologien und Verfahren finden auch im Tagebau und im Tiefbau Anwendung. Eine Wissensdatenbank<br />

wurde entwickelt, um die Umweltrelevanz von Produkten und Entfallstoffen bewerten zu können. Auch im<br />

Rahmen der immer mehr an Bedeutung gewinnenden erneuerbaren Energien leistet ThyssenKrupp u.a.<br />

durch die Produktion von Großwälzlagern, die in Windenergieanlagen zum Einsatz kommen, einen Beitrag.<br />

Schließlich wird am Beispiel eines Kupolofen-Projektes gezeigt, wie Unternehmen ihre Produktionsverfahren<br />

an neue Umweltbestimmungen anpassen.<br />

ThyssenKrupp ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung beim nachhaltigen Umweltschutz durch<br />

Emissionsreduzierung sowie Ressourceneffizienz bewusst und handelt entsprechend. Wir wollen Ihnen<br />

dieses mit den Beiträgen dieser Ausgabe vermitteln. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre.<br />

Dr.-Ing. Ekkehard D. Schulz,<br />

Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Vorwort | 3


4 | Inhalt<br />

10 | 16 |<br />

24 |<br />

28 |<br />

10 | DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung<br />

von Banddurchlaufanlagen<br />

DR.-ING. HERBERT EICHELKRAUT Direktor Standort Bruckhausen | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

DIPL.-ING. HANS-JOACHIM HEILER Teamkoordinator | ThyssenKrupp Steel AG, Finnentrop<br />

20 |<br />

DIPL.-ING. HANS PETER DOMELS Teamleiter Energie/Anlagenwirtschaft | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

WERNER HÖGNER Fachkoordinator Energie/Anlagenwirtschaft | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

Mit der Entwicklung des Verfahrens ’Direct Flame Impingement (DFI)-Oxyfuel’, der direkten Beaufschlagung von<br />

Wärmgut mit einer Sauerstoff-Brenngas-Flamme, ist es gelungen, die Ofentechnik an Banddurchlaufanlagen weiterzuentwickeln.<br />

Zusammen mit dem Kooperationspartner Linde wurde das Verfahren erstmals an einer Feuerbeschichtungsanlage<br />

von ThyssenKrupp Steel im Werk Finnentrop eingesetzt. Dort erbrachte es von Anfang an hervorragende<br />

Ergebnisse in Bezug auf Steigerung der Durchsatzleistung, Produktqualität, Qualitätsverbesserung der Anlage, Energieeffizienz<br />

und somit auch Minderung der direkten CO2-Emissionen. Eine weitere Bandverzinkungs- und Aluminierungsanlage<br />

im Werk Duisburg-Bruckhausen ist inzwischen ebenfalls mit dieser Technologie im Einsatz.<br />

16 | Entwicklung einer Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten,<br />

Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />

DR. RER. NAT. ALFONS ESSING Projektkoordinator, Werkstoffkompetenzzentrum | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

DIPL.-INFORM. AXEL TEICHMANN Teamleiter Informationstechnik, Werkstoffkompetenzzentrum | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

Die vielfältigen gesetzlichen Regelungen und die daraus resultierenden Kundenspezifikationen führen zu verstärkten<br />

Anforderungen an die umweltgerechte Herstellung, Verwendung und Entsorgung der Produkte von ThyssenKrupp Steel.<br />

Um die Vielzahl der Anforderungen zu bündeln und eine schnelle und eindeutige Entscheidungshilfe anbieten zu<br />

können, wird eine Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />

aufgebaut. Hier werden alle relevanten produktspezifischen Informationen, wie z.B. Recyclingfähigkeit,<br />

Angaben zu Inhaltsstoffen und das Gefährdungspotenzial von einzelnen Stoffen, gesammelt sowie jederzeit schnell<br />

und aussagekräftig zur Verfügung gestellt. Durch die logische Verknüpfung der gespeicherten Produktdaten mit den<br />

ebenfalls abgelegten Richtlinien, Normen oder kundenspezifischen Anforderungen ist gleichzeitig eine schnelle Analyse<br />

auf Konformität möglich.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Inhalt I 5<br />

20 | StahlLeichtbau-Chassis SLC – die innovative und kostengünstige Leichtbaulösung für Pkw-Achsträger<br />

DIPL.-ING. PETER SEYFRIED Leitung Leichtbau & InnovationsZentrum Auto (LIZA) | ThyssenKrupp Steel AG, Dortmund<br />

DIPL.-ING. ULF SUDOWE Leiter Engineering Chassis | ThyssenKrupp Umformtechnik GmbH, Bielefeld<br />

Halb so teuer wie die Referenz, eine Aluminium-Lösung aus der Oberklassen-Großserie, und nur 5 % schwerer ist der<br />

innovative Hinterachsträger: Das StahlLeichtbau-Chassis SLC genannte Konzept ist das Ergebnis enger Zusammenarbeit<br />

zwischen ThyssenKrupp Steel, ThyssenKrupp Umformtechnik und ThyssenKrupp Automotive Systems. Das<br />

Konzept überzeugt durch seine optimale Mischung aus Werkstoffexpertise, Werkzeug- und System-Know-how.<br />

24 | Nichtrostende Stähle für Meerwasserentsalzungsanlagen<br />

DR.-ING. GEORG UHLIG Technischer Produktmanager | ThyssenKrupp Nirosta GmbH, Krefeld<br />

Mit Hilfe von Meerwasserentsalzungsanlagen kann Trinkwasser mit niedrigen Chloridgehalten erzeugt werden. Nichtrostende<br />

Stähle bilden dabei einen elementaren Bestandteil für die verschiedenen Verfahrenstechnologien. Aufgrund<br />

des steigenden Bedarfes an Trinkwasser speziell in den arabischen Staaten, aber auch in Südeuropa, stellen Meerwasserentsalzungsanlagen<br />

ein sehr interessantes Anwendungsgebiet für nichtrostende Stähle mit steigender wirtschaftlicher<br />

Bedeutung dar.<br />

28 | Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle<br />

in der Automobilindustrie<br />

ING. ANDREA BRUNO Produktmanager | ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni SpA, Terni/Italien<br />

Rostfrei-Stähle sind zwar in erster Line wegen ihrer Korrosionsbeständigkeit bekannt, doch sie besitzen darüber<br />

hinaus – und insbesondere die neue Klasse austenitischer N-Mn-Sorten – hervorragende mechanische Eigenschaften.<br />

In der Transportbranche, speziell im Automobilsektor, haben sich diese Eigenschaften als erfolgreich nutzbar erwiesen,<br />

insbesondere bei der Konstruktion von Fahrzeugen, die nicht nur umweltfreundlich, sondern auch äußerst leistungsfähig<br />

und deshalb auf dem Markt begehrt sind.


6 | Inhalt<br />

34 | 40 | 48 |<br />

54 | 60 |<br />

34 | Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen<br />

DIPL.-ING. STEFANO NERI Qualitätsmanagement | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />

DIPL.-ING. DANIELE MARSILI Metallurgie | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />

DR. RER. OEC. GIOVANNI SANSONE Vertriebsmanagement Kraftwerkskomponenten | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />

Die ständigen Bemühungen um höhere Effizienz und geringere Emissionen von großen Wärmekraftwerken haben den<br />

Trend zu immer höheren Dampftemperaturen und -drücken sowie modernster Turbinentechnologie mit sich gebracht.<br />

Vor diesem Hintergrund hat die italienische Società delle Fucine (SdF), ein Unternehmen der ThyssenKrupp Acciai<br />

Speciali Terni, die Rotorwelle der größten Hochdruckdampfturbine der Welt hergestellt und an Siemens geliefert. Das<br />

Kraftwerk mit dem Namen Olkiluoto 3 befindet sich inmitten einer einsamen finnischen Landschaft. Als Rohling für<br />

diese Hochdruckturbinenwelle hat SdF einen riesigen, ca. 230 t schweren Gussblock aus niedriglegiertem Spezialstahl<br />

verwendet.<br />

40 | Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft<br />

DR.-ING. JUTTA KLÖWER Leiterin Forschung und Entwicklung | ThyssenKrupp VDM, Werdohl<br />

DR. RER. NAT. BODO GEHRMANN Projektleiter Superlegierungen, Forschung und Entwicklung | ThyssenKrupp VDM, Werdohl<br />

Wirkungsgradsteigerungen in fossil befeuerten Kraftwerken führen zunehmend zu höheren Temperaturen sowie Drücken<br />

und machen den Einsatz von Nickellegierungen erforderlich. In der Gasturbine der Gas- und Dampfkraftwerke haben<br />

Superlegierungen auf Nickelbasis bereits ihren festen Platz gefunden. Mit der Entwicklung der 700-°C-Technologie für<br />

Kohlekraftwerke werden Nickellegierungen in der nächsten Kraftwerksgeneration nun auch in Kessel und Dampfturbinen<br />

eingesetzt werden. ThyssenKrupp VDM hat gemeinsam mit Kraftwerksbetreibern und Herstellern von Kraftwerkskesseln<br />

mit der Legierungsvariante Nicrofer 5520CoB-alloy 617B einen Werkstoff entwickelt, der bereits seine Eignung für<br />

das 700-°C-Kraftwerk in einer Pilotanlage bewiesen hat.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


48 | Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

DIPL.-ING. LUIS LAGAR-GARCÍA Fachbereich Forschung und Entwicklung, Leiter Wärme- und Umwelttechnik | Polysius AG, Neubeckum<br />

DR.-ING. DIETMAR SCHULZ Leiter Forschung und Entwicklung | Polysius AG, Neubeckum<br />

Die Herstellung von Zement ist ein energieintensiver Prozess, da die eingesetzten Rohstoffe bei über 1.400 °C<br />

gebrannt werden müssen. Das Potenzial, Emissionen zu senken, ist daher gerade bei älteren Anlagen groß.<br />

Das Beispiel einer Weißzementanlage zeigt, dass durch den Einsatz modernster Technologie eine deutliche<br />

Emissionsminderung auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglich ist.<br />

54 | Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik<br />

DR.-ING. VIKTOR RAAZ Projektleiter Forschung & Entwicklung, Abt. Business Development | ThyssenKrupp Fördertechnik GmbH, Essen<br />

DIPL.-ING. BERGBAU ULRICH MENTGES Manager Vertrieb und Bergbauplanung | ThyssenKrupp Fördertechnik GmbH, Essen<br />

Inhalt | 7<br />

Eine Systemveränderung im weltweiten Tagebau hin zu kontinuierlicher Tagebautechnik führt nicht nur zu einer<br />

Senkung der laufenden Betriebskosten, sondern – wie in einem laufenden Forschungsvorhaben untersucht –<br />

insbesondere auch zu einem Einsparungspotenzial an CO2-Emissionen. Auf dem wachsenden Rohstoffmarkt können<br />

vor allem neu konzipierte vollmobile Brechanlagen in Kombination mit innovativer Bandanlagentechnik gegenüber<br />

herkömmlichem Truck-Transport Reduzierungen des CO2-Ausstoßes in Größenordnungen von bis zu 150.000 Tonnen<br />

pro Jahr und pro installiertem System in der Rohstoffgewinnung erzielen.<br />

60 | Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard<br />

WILLIAM POWELL (B.S. MET. E.) Direktor Schmelz- und Guss-Technologien | ThyssenKrupp Waupaca, Inc., Waupaca, Wisconsin/USA<br />

JEFFREY LOEFFLER (B.S. CH. E.) Umweltkoordinator | ThyssenKrupp Waupaca, Inc., Waupaca, Wisconsin/USA<br />

Das Werk 1 des Unternehmens ThyssenKrupp Waupaca nahm im Januar <strong>2007</strong> den Betrieb eines neuen Kupolofensystems<br />

zum Schmelzen von Eisen auf. Dieses bedeutende Projekt war die Reaktion auf neue Umweltbestimmungen<br />

für die US-Gussindustrie und bot gleichzeitig die Möglichkeit, die Produktion in dieser Anlage zu steigern.


8 | Inhalt<br />

66 | 74 | 82 |<br />

90 |<br />

66 | CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager<br />

DR.-ING. UWE BREUCKER Hauptabteilungsleiter Qualitätsmanagement, Forschung und Erprobung | Rothe Erde GmbH, Lippstadt<br />

Eine Form der CO2-freien Energieumwandlung liefert die Windtechnik, welche die kinetische Energie des Windes<br />

in elektrische Energie umsetzt. Rothe Erde hat diese Technik bereits im Entwicklungsstadium begleitet. Das Lieferprogramm<br />

für Windkraftanlagen umfasst wichtige Komponenten, wie z.B. Blattlager, Turmlager und Rotorlager.<br />

Technische Lösungen für Forderungen, wie Minimierung der Riffelbildung, Optimierung des Schmierstoffes und<br />

der Abdichtung sowie hoher Korrosionsschutz, sind im FuE-Zentrum von Rothe Erde erarbeitet worden. Die<br />

Dimensionierung der Großwälzlager erfolgt mittels eigens entwickelter Finite-Elemente Software. Auch in andere<br />

Gebiete der CO2-freien Stromerzeugung, wie Gezeitenströmungen und Solartechnik, haben Großwälzlager von<br />

Rothe Erde Einzug gefunden.<br />

74 | Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität<br />

DR.-ING. FRIEDRICH LÖSER Geschäftsführung | ThyssenKrupp Transrapid GmbH, München<br />

DR. RER. NAT. QINGHUA ZHENG Leiter Systemtechnik | ThyssenKrupp Transrapid GmbH, München<br />

Mit der Realisierungsvereinbarung für das Transrapid-Projekt München Hauptbahnhof/Flughafen zwischen dem<br />

Freistaat Bayern, der Deutsche Bahn AG und dem Konsortium der System- und Bauindustrie wurde eine wesentliche<br />

Voraussetzung geschaffen, dass die Transrapid-Technologie ihre vorteilhaften Eigenschaften auch in Deutschland<br />

unter Beweis stellen kann. Der Beitrag erläutert die für die Umweltverträglichkeit wesentlichen Eigenschaften bzgl.<br />

Schall-, Schadstoffemission sowie Energieeffizienz und stellt das Prototypfahrzeug TR09 für Flughafenanbinder vor.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


82 | Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

DIPL.-ING. WERNER AUEL Leiter Feuerungsbau | ThyssenKrupp Xervon Energy GmbH, Duisburg<br />

PETER DIEKMANN Öffentlichkeitsarbeit | ThyssenKrupp Services AG, Düsseldorf<br />

Eine effizientere Verbrennung, geringere Emissionen sowie deutlich niedrigere Betriebs- und Instandhaltungskosten –<br />

das garantiert das Feuerungskonzept von ThyssenKrupp Xervon Energy. Herzstück des Systems ist ein Vorschubrost<br />

mit patentierter Wasserkühlung. Er sorgt für einen höheren Durchsatz und einen besseren Ausbrand. Vor allem aber<br />

ermöglicht er auch das Verbrennen von Brennstoffen mit hohen Heizwerten. Der energetische Umsatz des Brennstoffes<br />

legt die erforderliche Kühlwirkung für den Rostbelag fest. Die Wasserkühlung nimmt hier bezüglich der Standzeit und<br />

der Variabilität der Verbrennungsluftverteilung einen hohen Stellenwert ein. Die Möglichkeiten zur Einbindung des über<br />

den Rostbelag ausgekoppelten Wärmestromes in den Energieprozess haben einen Einfluss auf den Anlagenwirkungsgrad.<br />

90 | Zukunftweisende bautechnische Verfahren schonen die Umwelt<br />

DR.-ING. BERND BERGSCHNEIDER Geschäftsführer Vertrieb und Technik | ThyssenKrupp Bauservice GmbH, Hückelhoven<br />

Inhalt | 9<br />

Produkte und Dienstleistungen von Emunds+Staudinger, ein Geschäftsbereich der ThyssenKrupp Bauservice GmbH,<br />

tragen zu rationellen, sicheren und wirtschaftlich erfolgreichen Bauabläufen bei vielen Tiefbauprojekten im In- und<br />

Ausland bei. Das Unternehmen bietet den Baupartnern Lösungen nach Maß. Hierzu zählen ein baustellengerechter<br />

Service, Beratung auf hohem Niveau, eine umfassende Projektbetreuung und eine fristgerechte Lieferung der für<br />

die jeweilige Baumaßnahme ausgewählten Systeme. Gemeinsam mit mittelständischen Unternehmen und großen<br />

Konzernen entwickelt Emunds+Staudinger überzeugende Konzepte, die sich rechnen. Die eingesetzten Produkte und<br />

Verfahren sind auf die jeweiligen Baumaßnahmen zugeschnitten und sorgen für reibungslose Bauabläufe. Dabei trägt<br />

das Unternehmen auch den hohen Anforderungen des Umweltschutzes Rechnung. Zum Beispiel mit der Entwicklung<br />

und dem Einsatz umweltorientierter Technologien und Verfahren, wie dem Terra-Star Recycler zur Bodenaufbereitung,<br />

mobilen Baustraßensystemen oder dem so genannten tiefergehenden Linearverbau.


10 |<br />

| Brenneranordnung DFI-Booster (oben), DFI-Hüllflamme (unten)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung,<br />

Leistungs- und Qualitätssteigerung<br />

von Banddurchlaufanlagen<br />

DR.-ING. HERBERT EICHELKRAUT Direktor Standort Bruckhausen | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

DIPL.-ING. HANS-JOACHIM HEILER Teamkoordinator | ThyssenKrupp Steel AG, Finnentrop<br />

DIPL.-ING. HANS PETER DOMELS Teamleiter Energie/Anlagenwirtschaft | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

WERNER HÖGNER Fachkoordinator Energie/Anlagenwirtschaft | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

Mit der Entwicklung des Verfahrens ’Direct Flame Impingement (DFI)-Oxyfuel’, der direkten Beaufschlagung<br />

von Wärmgut mit einer Sauerstoff-Brenngas-Flamme, ist es gelungen, die Ofentechnik an Banddurchlaufanlagen<br />

weiterzuentwickeln. Zusammen mit dem Kooperationspartner Linde wurde das Verfahren erstmals<br />

an einer Feuerbeschichtungsanlage von ThyssenKrupp Steel im Werk Finnentrop eingesetzt. Dort erbrachte<br />

es von Anfang an hervorragende Ergebnisse in Bezug auf Steigerung der Durchsatzleistung, Produktqualität,<br />

Qualitätsverbesserung der Anlage, Energieeffizienz und somit auch Minderung der direkten CO2-Emissionen.<br />

Eine weitere Bandverzinkungs- und Aluminierungsanlage im Werk Duisburg-Bruckhausen ist inzwischen<br />

ebenfalls mit dieser Technologie im Einsatz.<br />

Leistungssteigerung an Banddurchlaufanlagen<br />

ThyssenKrupp Steel bedient in zunehmendem Maße den Markt mit<br />

durch metallische Schutzschichten (Zink und Aluminium) veredeltem<br />

Kalt- sowie Warmband und betreibt zu diesem Zwecke heute in<br />

mehreren Ländern neun eigene Anlagen und eine weitere im Joint-<br />

Venture mit einem chinesischen Partner. Für das kontinuierliche galvanische<br />

Verzinken von Coils gibt es zwei unterschiedliche Anlagentypen,<br />

sog. Horizontal- und Vertikalanlagen mit den entsprechenden<br />

Ofenbauarten I Bild 1 I. Diese Art der kontinuierlich arbeitenden<br />

Verzinkungsanlagen stellt eine Kombination mehrerer Prozessstufen<br />

in einer Anlage dar: Das Band wird im einem Banddurchlauf durch<br />

die Anlage gereinigt, wärmebehandelnd geglüht, verzinkt, eventuell<br />

nachgeglüht (galvanealed), dressiert und adjustiert.<br />

In den letzten Jahren wurden bei ThyssenKrupp Steel überwiegend<br />

Vertikalanlagen errichtet, aber auch die Horizontalanlagen haben ihre<br />

Besonderheiten, z.B. für das Verzinken von Warmband und speziellen<br />

Stahlqualitäten. Allen Anlagen gemein ist die Forderung, kontinuierlich<br />

Möglichkeiten der Leistungssteigerung mit wirtschaftlichsten Maß-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

| 11<br />

nahmen auszuschöpfen. Dies bedingt, dass leistungssteigernde<br />

Veränderungen ohne größere Umbauten und Ofenverlängerungen<br />

bei gegebenen Hallenlängen in die vorhandene Anlagenstruktur<br />

integriert werden müssen. Dazu ist im Vorfeld jeweils eine umfangreiche<br />

Systemanalyse der vorhandenen Anlage erforderlich, um die<br />

Engpassaggregate der jeweiligen Produktionslinie zu ermitteln. Liegt<br />

der Engpass für einen großen Teil der Produktpalette einer Banddurchlaufanlage<br />

im Ofenteil, so waren bisher stets eine höchst aufwendige<br />

Verlängerung der Ofenstrecke und eine Leistungserhöhung<br />

der Beheizung erforderlich. Alternativ wurden an einigen Anlagen<br />

Leistungssteigerungen erreicht, indem das Band mit einem vorgeschalteten<br />

elektrisch betriebenen Induktions-Booster nach Bedarf<br />

zusätzlich aufgewärmt wird.<br />

Neue Möglichkeiten der Leistungssteigerung eröffneten sich nach<br />

Entwicklung und Anpassung der Direct Flame Impingement-Oxyfuel-<br />

Technologie an die Verhältnisse der Bandbeschichtungsanlage.<br />

Zusammen mit dem Unternehmen Linde, das bereits Erfahrungen<br />

mit derartiger Beheizungstechnik an Edelstahl-Glühanlagen in Skandi-


12 | DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen<br />

navien gemacht hatte, wurde das Verfahren weiterentwickelt und in<br />

der Feuerbeschichtungsanlage FBA 3 erstmals großtechnisch für die<br />

Erwärmung von Qualitätsflachstahl eingesetzt, ohne dass die Ofengesamtlänge<br />

geändert werden musste.<br />

Energetischer Vorteil der DFI-Oxyfuel-Technologie<br />

Die Beheizung von Wärmöfen mit der Oxyfuel-Technologie ist bereits<br />

länger bekannt als eine Maßnahme zur Leistungssteigerung und<br />

Energieeinsparung mit höchsten Prozesstemperaturen. Als einfacher<br />

Einstieg in die Oxyfuel-Technologie wird in speziellen Feuerungen die<br />

Verbrennungsluft zusätzlich mit Sauerstoff angereichert. Der Vorteil<br />

dieser Maßnahme liegt in der Reduzierung des Stickstoffanteiles, der<br />

als Ballast in der Feuerung ebenfalls auf Prozesstemperatur erwärmt<br />

werden muss und lediglich einen geringen Beitrag zur Erwärmung des<br />

Einsatzgutes leisten kann. Je höher der Grad der Sauerstoffanreicherung<br />

gewählt werden kann, desto weniger macht sich der nachteilige<br />

Einfluss des inerten Stickstoffes bemerkbar. Der Wärmeverlust, der<br />

durch die Abführung des heißen Verbrennungsgases am Ende des<br />

Erwärmungsprozesses auftritt, wird somit immer weiter minimiert. In<br />

gleichem Maße steigt der sog. feuerungstechnische Wirkungsgrad als<br />

Maßzahl für die Effizienz eines Ofens an.<br />

Die Anreicherung der Brennluft kann in technischen Feuerungen<br />

bis zum Einsatz von reinem Sauerstoff als Oxidationsmittel reichen.<br />

Die durch die Sauerstofferzeugung verursachten Kosten haben in der<br />

Vergangenheit jedoch nur bei wenigen Projekten spezieller Feuerungsanlagen<br />

eine ausreichende Wirtschaftlichkeit – meist nur in Verbindung<br />

mit Leistungssteigerungen – erreichen lassen, z.B. an den Pfannenfeuern<br />

im Stahlwerk. Bei Verbrennung von Erdgas mit reinem Sauerstoff<br />

entsteht ein Verbrennungsgas, das idealerweise lediglich die<br />

Bestandteile Wasserdampf und Kohlendioxid enthält. Beides sind<br />

Gase, die gegenüber Stickstoff ausgezeichnete Strahlungseigeschaften<br />

für die Wärmeübertragung besitzen. Bei den hohen erreichbaren<br />

Flammentemperaturen konnte somit gegenüber der konventionellen<br />

Verbrennung mit Luft eine deutlich bessere Wärmeübertragung an<br />

ein Wärmgut erreicht werden I Bild 2 I.<br />

Neue Möglichkeiten für die Sauerstoff-Erdgasflamme eröffneten<br />

sich durch die Kombination mit der Technik des Direct Flame Impingements,<br />

d.h. der direkten Beaufschlagung des Wärmgutes mit einer<br />

Flamme, als ein hocheffizienter Effekt zur Steigerung der Wärmeübertragung.<br />

Gegenüber einer konventionellen Feuerung, bei der die<br />

Wärmeübertragung überwiegend durch Strahlung und nur untergeordnet<br />

durch Konvektion erreicht wird, steigt der Wärmeübegangskoeffizient<br />

als Maßzahl für die Übertragung etwa um den Faktor 10.<br />

Da Oxyfuel-Brenner in Relation zur Gas-Luft-Verbrennung nur kurze<br />

kompakte Flammen erzeugen (Hüllflamme), muss für die Anwendung<br />

der DFI-Oxyfuel-Technologie eine große Anzahl von kleinen Brennern<br />

zu einer Einheit, der sog. Brennerrampe, zusammengebaut werden<br />

I Bild 3 I. Mehrere Rampen auf der Ober- und Unterseite des Wärmgutes<br />

ergeben eine sog. Boostereinheit, die in kompakter Bauform<br />

mit hoher Leistungsdichte relativ einfach in den vorderen Teil von<br />

bestehenden Banddurchlaufanlagen am Ende oder alleine als kompletter<br />

Ofen eingebaut werden können.<br />

Anwendung von DFI-Oxyfuel an vorhandenen Öfen<br />

Aus den Laborversuchen an einer Testanlage des Unternehmens<br />

Linde in Schweden wurden die Grundlagen für eine Anwendung der<br />

DFI-Oxyfuel-Technologie an einer Wärmofenanlage für Band ermittelt.<br />

Das Ergebnis war die Konzeption einer nur 2 m langen DFI-Oxyfuel-<br />

Boostereinheit, bestehend aus 4 Brennerrampen mit insgesamt 120<br />

Oxyfuel-Flammen, die eine max. Brennerleistung von 5.000 kW darstellen.<br />

Durch Ausprägung aller Einzelflammen zu einer dem Material<br />

umspannenden Hüllflamme wird eine gleichmäßige Oberflächenbehandlung<br />

erreicht. Anlagentechnisch wurde außerdem der Platz für<br />

zwei weitere Brennerrampen vorgesehen, die zusätzliche 2.500 kW<br />

Heizleistung erbringen können.<br />

Durch diese kompakte Bauform war es möglich, den Booster als<br />

erste Stufe der Erwärmung in den Ofen unmittelbar am Einlauf zu<br />

integrieren, ohne den Ofen zu verlängern. Somit konnten erhebliche<br />

Umbaumaßnahmen an der Gesamtanlage umgangen werden: Ohne<br />

den Einsatz der DFI-Oxyfuel-Booster hätte der vorhandene Ofen der<br />

FBA 3 in Finnentrop um etwa 10 m im Vorwärmteil verlängert werden<br />

müssen, um die gleiche Leistungssteigerung zu erreichen.<br />

Für die Anwendung dieses Boosters an der FBA 3 ergab sich im<br />

Laufe der Planung die Möglichkeit, den Anlagenstillstand für den<br />

Einbau auf 12 Tage zu begrenzen. Der konventionelle Umbau mit<br />

Verlängerung des Vorwärmofens und des dann notwendigen Versetzens<br />

der Einlaufrollen am Ofenanfang hätte erheblich längere Stillstandszeiten<br />

erfordert.<br />

Auswirkungen auf den Ofenbetrieb<br />

Die vorliegenden Betriebsergebnisse belegen, dass die Kapazität<br />

der Ofenanlage um 30 % gesteigert werden konnte. Dies wurde<br />

möglich, da der thermische Wirkungsgrad des Boosters bei etwa<br />

85 % und damit deutlich über dem Wirkungsgrad der konventionellen<br />

Beheizungstechnik bzw. der induktiven Boosteranlagen liegt. Die<br />

Nennleistung der Verzinkungsanlage FBA 3 lag vor dem Umbau bei<br />

82 t/h und konnte durch den DFI-Oxyfuel-Booster auf maximal 109 t/h<br />

gesteigert werden. Durch die gezielte Anpassung der betriebenen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Vertikaler Ofen<br />

Horizontaler Ofen<br />

Zinkbad<br />

Zinkbad<br />

Bild 1 | Ofenbauarten von Banddurchlaufanlagen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen | 13<br />

Kühlstrecke<br />

Reduktionsofen<br />

Kühlstrecke<br />

Reduktionsofen<br />

Vorwärmofen konvektiv<br />

Booster<br />

Bandeinlauf<br />

Vorwärmofen beheizt<br />

Bandeinlauf<br />

Vorwärmofen konvektiv<br />

Booster


14 | DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen<br />

relative Wärmestromdichte [%]<br />

1.200<br />

1.100<br />

1.000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Air-Fuel<br />

Bild 2 | Verbesserte Wärmeübertragung durch DFI-Oxyfuel-Flammen<br />

Oxyfuel-Brenner an die jeweils aktuelle Bandbreite stellt sich nach<br />

ersten Messungen und Beobachtungen eine gleichmäßigere Erwärmung<br />

über die Bandbreite ein, was zu verbesserten Glüheigenschaften<br />

führt.<br />

Die Technik bietet weiterhin die Möglichkeit, auf einfache Weise<br />

eine kontrollierte Voroxidation des Bandes zu erreichen. Dies wird<br />

in zunehmendem Maße bei der Herstellung bestimmter Qualitäten<br />

in den Bandverzinkungsanlagen erforderlich.<br />

Vorteil für die Bandreinigung<br />

Oxyfuel DFI-Oxyfuel<br />

Vorlaufende Labortests ließen überraschend erkennen, dass die DFI-<br />

Oxyfuel-Technologie noch einen weiteren wesentlichen Vorteil beim<br />

Einsatz an Bandverzinkungsanlagen aufweisen könnte: Der direkte<br />

Kontakt der Flamme mit dem Bandmaterial befreite die Bandoberfläche<br />

von unerwünschten Fremdstoffen wie Emulsionen, Ölen, Schmierstoffen<br />

und Partikeln aus dem Kaltwalzprozess. Die Erwartungen aus<br />

den Vorversuchen wurden inzwischen im Anlagenbetrieb der FBA 3<br />

bestätigt, sodass die Anforderungen für eine hochqualitative Metalllauflage<br />

sicher erfüllt werden. Dadurch war es möglich, über eine<br />

reine Leistungssteigerung hinaus auch die konventionelle mechanische<br />

und elektrolytische Bandreinigung aus dem Fertigungsprozess zu entfernen<br />

und lediglich mit dem DFI-Oxyfuel-Booster das Band zu reinigen.<br />

Diese Maßnahme der Leistungssteigerung trägt durch den verbesserten<br />

Wirkungsgrad gleichzeitig dazu bei, den spezifischen Brenngaseinsatz<br />

der Produktionsanlage zu vermindern. Aus den Ergebnissen<br />

der inzwischen mehrmonatigen Betriebszeit hat sich gezeigt, dass bei<br />

Einsatz des DFI-Oxyfuel-Boosters der spezifische Brenngasverbrauch<br />

um 5,2 % gesenkt werden konnte. Bei der typischen Produktion der<br />

Verzinkungsanlage von 36.000 t/Monat werden damit im Jahr fast<br />

450.000 m3 Erdgas eingespart. Mit dieser Menge können etwa 500<br />

moderne Einfamilienhäuser ein Jahr lang beheizt werden.<br />

Der verminderte Gasverbrauch bedeutet auch eine Verringerung<br />

der Emission an Kohlendioxid, sodass monatlich ca. 95 t CO2 weniger<br />

erzeugt werden. Durch die Verbrennung von Erdgas mit reinem Sauerstoff<br />

werden durch den fehlenden Stickstoff trotz der hohen Prozesstemperaturen<br />

kaum Stickoxide gebildet. Die verbleibenden NOX-Emissionen<br />

der Gesamtanlage (der größte Anteil stammt vom Abgas des<br />

unveränderten Ofenteiles mit Erdgas-Luft-Verbrennung) konnten somit<br />

infolge des Boosteranteils bezogen auf die gesamte Heizleistung um<br />

20 % reduziert werden.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Ausblick<br />

Der Erfolg der Anwendung des Oxyfuel-Boosters mit DFI-Technologie<br />

hat dazu geführt, dass inzwischen auch die Horizontalanlage FBA 1<br />

im Werk Duisburg-Bruckhausen damit ausgerüstet wurde, sie ist im<br />

September <strong>2007</strong> in Betrieb gegangen. Für weitere Banddurchlaufanlagen<br />

werden zzt. die Wirtschaftlichkeiten derartiger Ofenerweiterungen<br />

ermittelt.<br />

Für die technisch anders ausgeführten vertikalen Verzinkungsanlagen<br />

werden ebenfalls Überlegungen zum Einsatz eines DFI-Oxyfuel-<br />

Boosters angestellt. Hier ist die Integration in bestehende Anlagen<br />

jedoch aus verfahrenstechnischen Gründen schwieriger.<br />

Bild 3 | Einbausituation des DFI-Oxyfuel-Boosters an der FBA 3<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen | 15<br />

Es sind bereits Gespräche mit Anlagenbauern für die Errichtung<br />

von vier modernen Vertikal-Verzinkungsanlagen für den Standort<br />

des neu zu errichtenden Werkes in Alabama/USA aufgenommen<br />

worden. Die durch die DFI-Oxyfuel-Booster mögliche kompaktere<br />

Anlagenbauweise und damit der Entfall von bis zu 40 Strahlrohren<br />

sowie einer Bandreinigungseinheit könnten Vorteile auch in diesem<br />

Projekt bieten.<br />

Weitere Einsatzgebiete der DFI-Oxyfuel-Booster könnten in kontinuierlichen<br />

Bandglüh- und Erwärmungsanlagen bzw. CSP (Compact Strip<br />

Production) und Grobblechdurchlauföfen liegen. Auch hierzu werden<br />

zzt. technische und wirtschaftliche Untersuchungen durchgeführt.


16 |<br />

| Ergebnisdarstellung in der Wissensdatenbank am Beispiel Stahlwerksschlacke<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Entwicklung einer Wissensdatenbank zur<br />

Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten,<br />

Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />

DR. RER. NAT. ALFONS ESSING Projektkoordinator, Werkstoffkompetenzzentrum | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

DIPL.-INFORM. AXEL TEICHMANN Teamleiter Informationstechnik, Werkstoffkompetenzzentrum | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />

Die vielfältigen gesetzlichen Regelungen und die daraus resultierenden Kundenspezifikationen führen zu<br />

verstärkten Anforderungen an die umweltgerechte Herstellung, Verwendung und Entsorgung der Produkte<br />

von ThyssenKrupp Steel. Um die Vielzahl der Anforderungen zu bündeln und eine schnelle und eindeutige<br />

Entscheidungshilfe anbieten zu können, wird eine Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von<br />

Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen aufgebaut. Hier werden alle relevanten produktspezifischen<br />

Informationen, wie z.B. Recyclingfähigkeit, Angaben zu Inhaltsstoffen und das Gefährdungspotenzial von<br />

einzelnen Stoffen, gesammelt sowie jederzeit schnell und aussagekräftig zur Verfügung gestellt. Durch die<br />

logische Verknüpfung der gespeicherten Produktdaten mit den ebenfalls abgelegten Richtlinien, Normen<br />

oder kundenspezifischen Anforderungen ist gleichzeitig eine schnelle Analyse auf Konformität möglich.<br />

Anforderungen an die Wissensdatenbank<br />

Die Anforderungen an Produkte bezüglich umweltgerechter Herstellung,<br />

Verwendung und Entsorgung nehmen nicht zuletzt durch die Umweltgesetzgebung<br />

ständig zu. Die Kunden haben mit entsprechenden<br />

Konformitätsanfragen und auch eigenen, spezifischen Anforderungen<br />

reagiert und werden dies auch zukünftig weiterhin tun.<br />

Je nach Einsatzzweck der Produkte sind unterschiedlichste Informationen<br />

relevant. Zur Bündelung des vorhandenen, allerdings auf<br />

viele Mitarbeiter verteilten, umfangreichen Wissens zu dieser Thematik<br />

bietet sich der Aufbau einer Wissensdatenbank an. Hierzu wurde<br />

folgendes Anforderungsprofil definiert:<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

| 17<br />

Die Wissensdatenbank versteht sich als Sammlung von Wissen<br />

und Fakten, verbunden mit einer klaren Strukturierung aller<br />

Informationen.<br />

Durch die Implementierung von benutzerfreundlichen Such- und<br />

Auswertefunktionalitäten soll sie eine komfortable und vor allem<br />

effektive Möglichkeit darstellen, das hinterlegte Wissen vielen<br />

berechtigten Personen zur Verfügung zu stellen.<br />

Die logische Verknüpfung der gespeicherten Produktdaten mit den<br />

ebenfalls abgelegten Richtlinien, Normen oder kundenspezifischen<br />

Anforderungen erlaubt eine schnelle Analyse auf Konformität.<br />

Die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden stehen im Vordergrund<br />

der Betrachtungen.


18 | Entwicklung einer Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />

Um eine hohe Praxisrelevanz zu gewährleisten, wurden von Beginn<br />

an alle potenziellen Anwender vom Vertrieb der Hauptprodukte über<br />

den Verkauf der Nebenprodukte bis hin zu den Entsorgungsbetrieben<br />

in ein Projektteam integriert. Als externe Partner konnten das Institut<br />

für Energie- und Umwelttechnik e.V., IUTA, Duisburg, sowie für die<br />

Programmierung der Datenbankstruktur die science + computing<br />

ag, Tübingen, gewonnen werden.<br />

Von der Idee zum Prototyp<br />

In der ersten Projektphase wurde die zunächst abstrakte Idee in eine<br />

konkrete Software-Anwendung entwickelt. Die Erarbeitung der Grundstruktur<br />

der Wissensdatenbank erfolgte anhand folgender typischer<br />

Produkte seitens ThyssenKrupp Steel:<br />

weichlegierter Stahl, elektrolytisch verzinkt, dünnfilmbeschichtet,<br />

Walzzunder, ölhaltig und<br />

Stahlwerksschlacke.<br />

Die im Team abgestimmte Auswahl dieser sehr unterschiedlichen<br />

Produkte erforderte bereits in dieser ersten Projektphase eine breite<br />

Auslegung der Wissensdatenbankstruktur. Weichlegiertes Stahlblech<br />

wird im Kundenauftrag für die Automobilindustrie hergestellt. Es handelt<br />

sich um einen Stahl gemäß DIN EN 10152, der elektrolytisch<br />

verzinkt wird und anschließend eine organische Dünnfilmbeschichtung<br />

erhält. Der Walzzunderschlamm fällt beim Warmwalzprozess an.<br />

Walzzunder besteht zu über 60 % aus Eisenoxid und wird zu einem<br />

großen Anteil werksintern recycelt, d.h. er wird u.a. im Schachtofen<br />

zur Stahlerzeugung eingesetzt. Die Stahlwerksschlacke ist ein Nebenprodukt<br />

der Stahlherstellung und besteht aus einem Gemisch aus<br />

verschiedenen Kalziumsilicaten mit erheblichen Anteilen an Freikalk<br />

sowie weiteren Metalloxiden. Entsprechend der Korngrößenklassifizierung<br />

sind für die Schlacke verschiedene Verwertungswege relevant:<br />

Düngemittel, Straßen- und Wasserwegebau.<br />

In die Zusammenstellung der notwendigen Kenngrößen auf Basis<br />

kundenspezifischer und gesetzlicher Anforderungen war das gesamte<br />

Projektteam eingebunden. Damit war sichergestellt, dass sowohl<br />

das notwendige Fachwissen als auch die Bedürfnisse des potenziellen<br />

Anwenders in das Datenbankprofil eingingen. I Bild 1 I stellt die<br />

grundsätzliche Vorgehensweise bei der Profilentwicklung dar.<br />

Ausgehend vom betrachteten Stoff erfordert die Wissensdatenbank<br />

die Entwicklung eines Profiles, das den Anwendungsbereich<br />

sowie die gesetzlichen und kundenspezifischen Anforderungen<br />

definiert. Zusätzlich wurden in der Datenbank die betriebsintern vorhandenen<br />

Sicherheitsdatenblätter und Analysedaten der ausgewählten<br />

Produkte sowie externe einzelstoffbezogene Informationen aus verschiedenen<br />

Datenbanken zur Toxikologie und Ökologie hinterlegt.<br />

Nach Aufbereitung in der Wissensdatenbank erfolgt die Gegenüberstellung<br />

und der Vergleich dieser Daten, wobei die ausgegebene<br />

Bewertung entsprechend des Einsatzbereiches der Produkte aus rechtlicher<br />

und besonders aus kundenspezifischer Sicht im Vordergrund<br />

steht. Die Ergebnisse des Datenvergleiches werden in kurzer und übersichtlicher<br />

Form so zusammengefasst, dass alle wesentlichen Informationen<br />

zum Gefährdungspotenzial der Produkte enthalten sind und<br />

dem Anwender schnell zur Verfügung stehen I siehe Titelbild Bericht I.<br />

Für die Darstellung ist eine Ampelfärbung gewählt worden:<br />

Grün<br />

Das Produkt entspricht allen Anforderungen und Richtlinien.<br />

Gelb<br />

Parametergehalte müssen deklariert werden oder die Bewertung<br />

kann aufgrund fehlender Produktdaten nicht erfolgen.<br />

Rot<br />

Grenzwertüberschreitungen sind gegeben, was den Ausschluss<br />

des gewählten Einsatzbereiches des Produktes zur Folge hat.<br />

Aus der Wissensdatenbank können zu den einzelnen Produkten<br />

ebenfalls die Sicherheitsdatenblätter (SDB) und die Analysedaten<br />

in Tabellenform ausgegeben sowie Lieferanten- oder Konformitätserklärungen<br />

erstellt werden. Neben einer einsatzbezogenen Bewertung<br />

der einzelnen Produkte ist auch eine richtlinienabhängige<br />

Bewertung der Produkte möglich I Bild 2 I.<br />

Ausblick<br />

Um die Anwendung der Wissensdatenbank werksintern zu fördern<br />

und deren Einsatz segmentübergreifend zu ermöglichen, wird in der<br />

jetzt beginnenden zweiten Projektphase der vorliegende Prototyp<br />

der Wissensdatenbank in ein web-basiertes Produktiv-System überführt.<br />

Gleichzeitig wird die Wissensdatenbank hinsichtlich der Stoffe<br />

und Richtlinien vervollständigt. Besonderes Augenmerk liegt hierbei<br />

auf einer offenen Systemarchitektur, die auf Dauer eine leichte<br />

Anpassung an neue gesetzliche, betriebliche und kundenorientierte<br />

Anforderungen zulässt.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Stoff<br />

Entwicklung einer Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen | 19<br />

Produkt<br />

Nebenprodukt<br />

Entfallstoff<br />

Datenrecherche intern<br />

Sicherheitsdatenblatt<br />

Analysedaten<br />

Physikalische Daten<br />

Abfrage Anwender<br />

Bild 1 | Profilentwicklung für die Wissensdatenbank<br />

Gesetzliche Regelungen und kundenspezifische Anforderungen<br />

Bundesbodenschutz- und Atlasten-Verordnung – inkl. Informationsblätter<br />

für den Vollzug der LABO (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz)<br />

TLW – Technische Lieferbedingungen für Wasserbausteine<br />

LAGA – Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall)<br />

(Merkblatt 20/Schlacken Z1, Z2)<br />

Düngemittelverordnung<br />

TA (Technische Anleitung) Abfall, TA Siedlungsabfall<br />

Deponieverordnung<br />

Altautoverordnung<br />

GADSL – Global Automotive Declarable Substance List (<strong>2007</strong>)<br />

Bild 2 | Gesetzliche Regelungen und kundenspezifische Anforderungen in der Wissensdatenbank (Auswahl)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Profilentwicklung<br />

Anwendungsbereiche<br />

Gesetzliche Anforderungen<br />

Kundenspezifische Vorgaben<br />

Datenbank<br />

Vergleich<br />

Bewertung<br />

Auswertung<br />

Darstellung der Ergebnisse<br />

Datenrecherche extern<br />

Toxikologische/<br />

ökologische Daten<br />

Sicherheitsrelevante Daten<br />

Analysewerte der drei Stoffe


20 |<br />

| Virtuell entwickelter und hergestellter Prototyp<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


StahlLeichtbau-Chassis SLC –<br />

die innovative und kostengünstige<br />

Leichtbaulösung für Pkw-Achsträger<br />

DIPL.-ING. PETER SEYFRIED Leitung Leichtbau & InnovationsZentrum Auto (LIZA) | ThyssenKrupp Steel AG, Dortmund<br />

DIPL.-ING. ULF SUDOWE Leiter Engineering Chassis | ThyssenKrupp Umformtechnik GmbH, Bielefeld<br />

Halb so teuer wie die Referenz, eine Aluminium-Lösung aus der Oberklassen-Großserie, und nur 5 %<br />

schwerer ist der innovative Hinterachsträger: Das StahlLeichtbau-Chassis SLC genannte Konzept ist<br />

das Ergebnis enger Zusammenarbeit zwischen ThyssenKrupp Steel, ThyssenKrupp Umformtechnik und<br />

ThyssenKrupp Automotive Systems. Das Konzept überzeugt durch seine optimale Mischung aus Werkstoffexpertise,<br />

Werkzeug- und System-Know-how.<br />

Gemeinschaftsprojekt StahlLeichtbau-Chassis<br />

In den vergangenen Jahren hat die Stahlindustrie erfolgreich neue<br />

Stahlgüten mit verbesserten mechanischen Eigenschaften und darauf<br />

aufbauende Leichtbaulösungen für den Karosseriebereich entwickelt.<br />

Die hierbei eingesetzten höher- und höchstfesten Stahlgüten lassen<br />

sich auch in anderen Fahrzeugbereichen nutzen. Welches Potenzial<br />

neue Stahlwerkstoffe, profilintensive Bauweise und innovative Fügetechnologien<br />

beispielsweise im Fahrwerk besitzen, zeigt das Stahl-<br />

Leichtbau-Chassis SLC. Der Hinterachsträger wurde im Rahmen eines<br />

Gemeinschaftsprojektes segmentübergreifend von ThyssenKrupp<br />

Steel, ThyssenKrupp Umformtechnik und ThyssenKrupp Automotive<br />

Systems entwickelt. Referenz für die innovative Stahllösung ist eine<br />

moderne Hilfsrahmenstruktur aus Aluminium, die gegenwärtig<br />

in einem Serienfahrzeug des Premiumsegmentes eingesetzt wird.<br />

Der neu entwickelte Hinterachsträger aus Stahl I Bild 1 I ist bei<br />

gleicher Performance hinsichtlich Steifigkeiten und Haltbarkeit sowie<br />

lediglich geringem Mehrgewicht etwa 40 % kostengünstiger als die<br />

Referenz-Baugruppe.<br />

Anspruchsvoller Benchmark – wettbewerbsfähige Stahllösung<br />

Der als Referenzstruktur ausgewählte Serien-Hinterachsträger darf<br />

als besonders anspruchsvoller Benchmark gelten. So umfasst die<br />

Baugruppe eine Reihe von Aluminium-Gussteilen, deren Umsetzung<br />

in Stahl-Pressteilen höchste Ansprüche an Bauteilgestaltung und<br />

Umformtechnologie stellt. Gleichzeitig muss die Stahlstruktur einen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

gleichwertigen Korrosionsschutz gegenüber Aluminium aufweisen.<br />

Hierbei stellt die Verwendung dünner Bleche aus höchstfestem<br />

Stahl eine besondere Herausforderung dar. Um die komplexen Anschlussbedingungen<br />

an Lenker, Aufnahmen etc. ohne nachteilige<br />

Auswirkungen auf das Gewicht der Baugruppe zu erfüllen, mussten<br />

sowohl bei der Teileproduktion als auch beim Zusammenbau neue<br />

Fertigungsmethoden angewendet werden. Das virtuell entwickelte<br />

Modell wurde hinsichtlich des Projektanspruches der Serienherstell-<br />

Bild 1 | Maßgeschneiderte Lösung für eine komplexe Einbausituation:<br />

StahlLeichtbauChassis im Achssystem<br />

| 21


22 |<br />

Bild 2 | Prozessichere Schweißbarkeit wurde mit realen Prototypenteilen nachgewiesen.<br />

Bild 3 | Flanschlose Leichtbauprofile mit Halbschalentechnik: Auch komplexeste<br />

Geometrien lassen sich prozesssicher mit dem hochfesten Complexphasenstahl<br />

CP-W 800 darstellen.<br />

barkeit durch eine Kleinserie von Prototypen I Bild 2 I, die letztendlich<br />

einer dynamischen Bauteilprüfung unterzogen worden sind, in der<br />

Praxis erprobt.<br />

Ganzheitliche Entwicklung<br />

Die interdisziplinäre Zusammensetzung des Projektteams ermöglichte<br />

die optimale Bündelung von Werkstoff-, Produkt-, und Prozess-Knowhow<br />

über den gesamten Projektverlauf. Anspruch des Projektes war<br />

es, Automobilherstellern eine serientaugliche Lösung anzubieten. Bei<br />

der Validierung des SLC-Konzeptes wird der fertige Hinterachsträger<br />

gemäß gängiger Standards in einem mehrachsigen Nachfahrprüfstand<br />

hinsichtlich Betriebsfestigkeit überprüft. Dehnungsmessstreifen auf<br />

dem zu prüfenden Bauteil sorgen dabei für einen Rückfluss der real<br />

gemessenen Spannungen am Prüfteil in die Bauteilsimulation. Hieraus<br />

lassen sich sowohl weitere Optimierungen als auch Erkenntnisse<br />

für zukünftige Entwicklungen ableiten.<br />

Beim StahlLeichtbau-Chassis kommt unter anderem der warmgewalzte<br />

Complexphasenstahl CP-W 800 zum Einsatz. Mit einer<br />

Streckgrenze von 680 MPa ist der Werkstoff deutlich fester als die<br />

gegenwärtig im Fahrwerkbau überwiegend verwendeten Stähle mit<br />

Streckgrenzen von 355 bis 420 MPa. Damit ermöglicht entsprechend<br />

dünnwandigere Konstruktionen, stellt allerdings auch höhere Anforderungen<br />

an die umformtechnischen Fähigkeiten der Verarbeiter.<br />

Entsprechende Erfahrung ist insbesondere bei der Auslegung der<br />

Werkzeugmethode und der Auswahl der richtigen Beschichtung für<br />

die Werkzeuge erforderlich. Hinsichtlich des Korrosionsschutzkonzeptes<br />

bietet der CP-W 800 insbesondere aufgrund seiner Gefügestruktur<br />

und der damit verbundenen Unempfindlichkeit gegenüber<br />

Wärmeeinbringung Vorteile. So ist es zum Beispiel möglich, die<br />

geforderte Korrosionsfestigkeit auf dem Wege der Stückverzinkung<br />

zu realisieren. Je nach Beanspruchung des Trägers hinsichtlich Steinschlag<br />

und Korrosion lassen sich die höchstfesten Complexstähle<br />

vorbeschichtet einsetzen oder auch nachträglich entsprechend der<br />

gängigen Verfahren behandeln, ohne eine nennenswerte Verringerung<br />

der Festigkeiten in Kauf nehmen zu müssen.<br />

Technische Highlights<br />

Mit dem StahlLeichtbau-Chassis ist es dem Projektteam gelungen,<br />

den Einsatzbereich höchstfester Stahlgüten auf umformtechnisch<br />

anspruchsvollere, komplexere Geometrien auszuweiten. Angewendet<br />

wird der CP-W 800 unter anderem für die Längsträger I Bild 3 I und<br />

den hinteren Querträger des Hinterachsträgers, die aus weniger als<br />

2 mm dicken Blechen gefertigt sind I Bild 4 I. Würde man hierfür die<br />

bislang gebräuchlichen Werkstoffe einsetzen, müsste die Blechdicke<br />

rund 2,5 mm betragen.<br />

Eine weitere Gewichtsersparnis bringt der Einsatz von ThyssenKrupp<br />

Tailored Blanks, die aus unterschiedlich dicken CP-W 800 Einzelblechen<br />

bestehen. Unmittelbar gewichtsrelevant ist ferner die verwendete<br />

Fügetechnologie, bei der Bauteile, die aus zwei Halbschalen<br />

zusammengesetzt sind, im so genannten I-Stoß geschweißt werden.<br />

Das Verfahren kommt ohne die sonst üblichen Schweißflansche aus,<br />

die bereits bis zu 5 % des Bauteilgewichtes ausmachen können.<br />

Hinzu kommt, dass flanschlos geschweißte Teile vorhandenen Bauraum<br />

wesentlich effektiver nutzen.<br />

Gestalterische Flexibilität hinsichtlich Kosten und Gewicht<br />

Durch den flexiblen Einsatz von Tailored Blanks ist es ferner gelungen,<br />

einen modularen Baukasten innerhalb der vorgegebenen Geometrie<br />

darzustellen. So wurde die Möglichkeit geschaffen, durch den Austausch<br />

der als Tailored Blanks ausgelegten Längs- bzw. Querträger<br />

gegen Pressteile gleicher Geometrie, aber mit konstanter Blechdicke,<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


eine beanspruchungsgerechte Variantenbildung darzustellen. Dieser<br />

Ansatz ermöglicht es, je nach Kundenwunsch entweder das Gewicht<br />

auf ein Minimum zu reduzieren oder eine ausgewogene Mischung aus<br />

Kosten- und Gewichtsvorteilen darzustellen. In Zahlen bedeutet dies<br />

bei einer Kostenreduzierung von ca. 40 % ein minimales Mehrgewicht<br />

von 5 % zur Referenzstruktur. Bei einer kostengetriebenen Variante<br />

ist eine Auslegung mit ca. 50 % Kostenreduzierung bei einem vertretbaren<br />

Mehrgewicht von 10 % möglich.<br />

CO2-Bilanz<br />

Einer aktuellen Studie zufolge, die im Auftrage des IISI (International<br />

Iron and Steel Institute) an der in internationalen Umweltschutzkreisen<br />

anerkannten University of California, Santa Barbara/USA (UCSB) erstellt<br />

wurde, können folgende Aussagen abgeleitet werden:<br />

Basierend auf einer vergleichenden Ökobilanz und unter Berücksichtigung<br />

der derzeitig bekannten Datenbasis wurde ermittelt, dass<br />

Karosseriekonzepte aus Aluminium im Vergleich zu solchen aus hochfesten<br />

Stählen, wie z.B. ULSAB-AVC (Ultra Light Steel Automotive<br />

Body-Advanced Vehicles Concepts), in der Gesamtbilanz keine Einsparungen<br />

von Treibhausgas-Emissionen ermöglichen. Die über den<br />

vollständigen Produktlebenszyklus innerhalb üblicher Fahrzeuglebensdauern<br />

betrachteten Treibhausgas-Emissionen liegen stattdessen auf<br />

einem in etwa vergleichbaren Niveau. Der Grund hierfür liegt hauptsächlich<br />

in der Produktionsphase des Werkstoffes Aluminium, die<br />

StahlLeichtbau–Chassis SLC – die innovative und kostengünstige Leichtbaulösung für Pkw-Achsträger | 23<br />

schon vor der Nutzungsphase vergleichsweise hohe Treibhausgas-<br />

Emissionen verursacht, welche durch Einsparungen in der Nutzungsphase<br />

bei unterstelltem Gewichtsvorteil der Aluminiumlösung kaum<br />

wieder kompensiert werden können.<br />

Übertragen auf das Chassis-Szenario bedeutet dies, dass der<br />

leichte Gewichtsvorteil der Aluminiumstruktur durch den höheren<br />

CO2- Ausstoß bei der Aluminiumproduktion wieder kompensiert wird.<br />

Ausblick<br />

Bild 4 | Geringes Gewicht durch Einsatz blechdickenoptimierter Tailored Blanks und des hochfesten Complexphasenstahl CP-W 800<br />

PAS 460 t = 2,15 mm<br />

CP-W 800 t = 1,5 mm<br />

CP-K t = 1,3 mm<br />

CP-W 800 t = 1,8 mm<br />

ThyssenKrupp Steel entwickelt zurzeit innovative Zink-Magnesium-<br />

Beschichtungen, mit denen sich das Korrosionsschutzkonzept für das<br />

StahlLeichtbau-Chassis gezielt weiterentwickeln lässt. So kann beispielsweise<br />

der Einsatz ZMg vorbeschichteter Bleche in Kombination<br />

mit einer Nachbehandlung der Schweißnähte und anschließender<br />

KTL(kathodische Tauchlackierung)-Beschichtung zu weiteren, deutlichen<br />

Kostenvorteilen führen.<br />

Ein weiterer Baustein zur Reduzierung von Gewicht und Kosten<br />

sind hochfeste Stahlgüten mit höheren Umformgraden, durch die<br />

komplexere Geometrien und damit verbunden weitere Funktionsintegrationen<br />

möglich sind. Die ganzheitliche Betrachtung zukünftiger<br />

Entwicklungen umfasst auch die Weiterentwicklungen der Fügeprozesse.<br />

Hier bieten sowohl kalte (z.B. Nieten, Kleben) als auch warme<br />

Fügeverfahren noch ein deutliches Potenzial.<br />

PAS 460 t = 1,5 mm<br />

PAS 460 t = 2,15 mm<br />

CP-W 800 t = 1,5 mm<br />

CP-W 800 t = 1,5 mm


24 |<br />

| Wärmetauscherrohrbündel für Meerwasserentsalzungsanlagen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Nichtrostende Stähle<br />

für Meerwasserentsalzungsanlagen<br />

DR.-ING. GEORG UHLIG Technischer Produktmanager | ThyssenKrupp Nirosta GmbH, Krefeld<br />

Mit Hilfe von Meerwasserentsalzungsanlagen kann Trinkwasser mit niedrigen Chloridgehalten erzeugt<br />

werden. Nichtrostende Stähle bilden dabei einen elementaren Bestandteil für die verschiedenen Verfahrenstechnologien.<br />

Aufgrund des steigenden Bedarfes an Trinkwasser speziell in den arabischen Staaten, aber<br />

auch in Südeuropa, stellen Meerwasserentsalzungsanlagen ein sehr interessantes Anwendungsgebiet<br />

für nichtrostende Stähle mit steigender wirtschaftlicher Bedeutung dar.<br />

Trinkwasserbedarf global<br />

Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser stellt in vielen Ländern<br />

des nahen und mittleren Ostens, in Nordafrika und in bestimmten<br />

Regionen Südeuropas eine der wichtigsten Aufgaben dar. Ein erhöhter<br />

Bedarf ist insbesondere in Ländern mit starkem Bevölkerungswachstum<br />

gegeben, wobei die vorhandenen natürlichen Trinkwasservorkommen<br />

teilweise nicht mehr ausreichen. Ebenso können die<br />

vorhandenen Trinkwasserreserven bedingt durch klimatische Veränderungen<br />

zurückgehen, sodass die Grundwasserspiegel fallen oder<br />

das bisher benutzte Oberflächenwasser zum Beispiel in Küstenregionen<br />

verbrackt. Die begrenzte Verfügbarkeit natürlicher Trinkwasservorkommen<br />

macht es deshalb in vielen Ländern erforderlich, zusätzliche<br />

Mengen mittels verfahrenstechnischer Methoden zu generieren.<br />

Eine dieser Möglichkeiten stellen Meerwasserentsalzungsanlagen dar.<br />

Verfahren zur Meerwasserentsalzung<br />

Mit Hilfe von Meerwasserentsalzungsanlagen ist es möglich, den<br />

Chloridgehalt des Meerwassers I Bild 1 I auf niedrige Gehalte entsprechend<br />

der jeweiligen nationalen Verordnungen bzw. Regelwerke<br />

für Trinkwasser abzusenken. In Deutschland werden zum Beispiel<br />

maximale Chloridgehalte im Trinkwasser von 250 mg/l vorgeschrieben.<br />

In der Praxis liegen übliche Chloridkonzentrationen im Leitungswasser<br />

meist deutlich unter 100 mg/l.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Verfahrenstechnisch stehen zur Entsalzung von Meerwasser im<br />

Prinzip drei verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die großtechnisch<br />

eingesetzt werden:<br />

das MSF(Multi Stage Flash)-Verfahren,<br />

das MED(Multiple Effect Distillation)-Verfahren und<br />

das RO(Reverse Osmose)-Verfahren.<br />

Die beiden ersten Verfahren basieren auf der Verdampfung des Meerwassers<br />

und Gewinnung des entsalzten Kondensates, während das<br />

RO-Verfahren nach dem Prinzip der Umkehr-Osmose funktioniert<br />

Salzgehalte Meerwasser<br />

normal: 35.000 ppm<br />

örtlich von: 7.000 ppm (baltisches Meer)<br />

bis zu: 50.000 ppm (persischer Golf)<br />

Brackwasser: 1.000 -10.000 ppm<br />

Bild 1 | Salzgehalte im Meerwasser<br />

| 25


26 | Nichtrostende Stähle für Meerwasserentsalzungsanlagen<br />

Thermisches Verfahren Membran-Verfahren<br />

Meerwasser<br />

Heizen<br />

Wasserdampf<br />

Kondensat<br />

Kühlen<br />

Bild 2 | Verfahrensprinzipien zur Meerwasserentsalzung<br />

Meerwasser<br />

I Bild 2 I. Dabei wird das Meerwasser unter hohem Druck durch eine<br />

semipermeable Membrane gedrückt. Diese Membrane ist für das<br />

Wasser durchlässig, hält aber die Salzanteile zurück.<br />

Aufgrund des steigenden Bedarfes an Trinkwasser wurden in den<br />

letzten Jahren zahlreiche neue Kapazitäten geschaffen. Allein für die<br />

thermischen Verfahren MSF und MED werden weltweit etwa 25 neue<br />

Anlagen pro Jahr gebaut. Gleichzeitig wurde die Anlagenkapazität<br />

kontinuierlich gesteigert. Von den heute betriebenen Meerwasserentsalzunganlagen<br />

entfallen etwa 68 % auf das MSF-Verfahren,<br />

während ca. 14 % nach der MED-Technologie arbeiten. Die restlichen<br />

18 % entfallen auf die Umkehr-Osmose (RO-Verfahren). Insbesondere<br />

das MED-Verfahren und das RO-Verfahren weisen in jüngster Zeit<br />

überproportionale Wachstumsraten auf.<br />

Speziell für die thermischen Verfahren sind korrosionsbeständige<br />

Werkstoffe ein elementarer Bestandteil der Anlagen. Die Auswahl<br />

der Werkstoffe wird dabei durch die lokale Chloridbeaufschlagung<br />

und die einwirkenden Temperaturen bestimmt. Das MSF-Verfahren<br />

besteht anlagentechnisch im Wesentlichen aus mehreren hintereinander<br />

angeordneten Verdampferkammern, in denen das Meerwasser<br />

mit fallender Temperatur und abnehmenden Druck verdampft wird.<br />

Das verdampfte Meerwasser kondensiert danach an Rohrbündeln,<br />

die im Dampfraum der Kammern angeordnet sind. Die Rohre werden<br />

von innen durch Meerwasser gekühlt, welches sich dabei erwärmt<br />

und anschließend den Verdampferkammern zugeführt wird I Bild 3 I.<br />

Für die Verdampferkammern sind prinzipiell verschiedene Werkstoffe<br />

geeignet. Gebräuchlich sind im Wesentlichen Kohlenstoffstahl,<br />

Flussrichtung<br />

Membran<br />

Entsalztes<br />

Wasser<br />

Verdampferkammer<br />

Wärmetauscherrohrbündel<br />

Entsalztes<br />

Kondensat<br />

Wasserdampf<br />

Meerwasser<br />

Bild 3 | Prinzip des MSF-Verfahrens<br />

der mit dem Werkstoff 1.4404 ausgekleidet ist oder mit einer Epoxidbeschichtung<br />

versehen wird. In jüngster Zeit kommen hier auch verstärkt<br />

nichtrostende Duplexstähle (1.4462) zur Anwendung. Höchsten<br />

korrosiven Beanspruchungen insbesondere in den ersten Verdampferstufen<br />

sind die Rohrbündel in den Verdampferkammern ausgesetzt<br />

I siehe Titelbild Bericht I. Die Temperatur in der ersten Stufe kann<br />

dabei bis zu maximal 120 °C bei Drücken von etwa 1,3 bar betragen.<br />

Für diese Rohrbündel kommen überwiegend Kupferbasis- und Titanlegierungen<br />

zum Einsatz. Die Bodenplatten der Rohrbündel bestehen<br />

dagegen überwiegend aus dem Werkstoff 1.4404. Auch für weitere<br />

Anlagenteile wie Pumpen, Behälter und Verrohrungen werden nichtrostende<br />

Stähle, wie 1.4404 und 1.4539, eingesetzt.<br />

Bei dem MED-Verfahren sind die korrosiven Anforderungen bedingt<br />

durch die unterschiedliche Prozessführung in der Regel weniger hoch<br />

als bei dem MSF-Verfahren. Das Meerwasser wird bei diesem Verfahren<br />

in mehreren Stufen auf Rohrbündel gesprüht und dabei verdampft.<br />

Der Dampf wird anschließend in die Rohre geführt und kondensiert<br />

dort als entsalzenes Wasser. Bei dieser Verfahrenstechnologie<br />

bestehen die Verdampferkammern und die Tanks für das Destillat in<br />

der Regel aus den nichtrostenden Stählen 1.4404 oder 1.4462. Die<br />

Temperaturbeanspruchung der Rohrbündel ist beim MED-Verfahren<br />

mit maximal 70 °C weniger hoch als beim MSF-Verfahren. Aus diesem<br />

Grund eignen sich für das MED-Verfahren unter anderem hochlegierte<br />

nichtrostende Stähle vom Typ 1.4565 für die möglichst dünnwandigen<br />

Rohrbündel I Bild 4 I. Werkstoffalternativen wären für diesen Anlagenteil<br />

Titan- oder Kupferbasislegierungen.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 4 | Wärmetauscherrohrbündel aus NIROSTA ® 4565<br />

Darüber hinaus kommen auch bei weiteren Komponenten beim<br />

MED-Verfahren nichtrostende Stähle der Sorten 1.4404 und 1.4462<br />

unter anderem für den Transport und die Lagerung des Rohwassers<br />

und des Destillats zur Anwendung.<br />

Moderne Anlagen nach dem MED-Verfahren weisen eine Kapazität<br />

von etwa 250.000 m3 /d auf. Für derartige Anlagen werden nichtrostende<br />

Stähle mit einer Tonnage von mehreren tausend Tonnen<br />

in Form von warm- und kaltgewalzten Blechen und Bändern sowie<br />

Rohren benötigt I Bilder 5 und 6 I.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Fazit<br />

Nichtrostende Stähle für Meerwasserentsalzungsanlagen | 27<br />

Entsprechend der Prognose für den zukünftigen Bedarf an Trinkwasser<br />

stellen Meerwasserentsalzungsanlagen damit ein sehr interessantes<br />

Anwendungsgebiet für nichtrostende Stähle dar, das auch in den<br />

nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.<br />

Bild 5 | ’Demi Water Plant’ zur Entsalzung von Brackwasser in Rotterdam, Niederlande Bild 6 | Meerwasserentsalzungsanlage Al Hidd, Bahrain


28 |<br />

| Spaceframe-Karosserie des Prototypen Nido (Nest) von Pininfarina – eine Leichtbaukonstruktion aus austenitischem Rostfrei-Stahl<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Leistungsstark und umweltfreundlich<br />

– Einsatz moderner<br />

hochfester Rostfrei-Stähle im Auto<br />

ING. ANDREA BRUNO Produktmanager | ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni SpA, Terni/Italien<br />

Rostfrei-Stähle sind zwar in erster Line wegen ihrer Korrosionsbeständigkeit<br />

bekannt, doch sie besitzen darüber hinaus – und insbesondere die neue Klasse<br />

austenitischer N-Mn-Sorten – hervorragende mechanische Eigenschaften. In der<br />

Transportbranche, speziell im Automobilsektor, haben sich diese Eigenschaften<br />

als erfolgreich nutzbar erwiesen, insbesondere bei der Konstruktion von Fahrzeugen,<br />

die nicht nur umweltfreundlich, sondern auch äußerst leistungsfähig<br />

und deshalb auf dem Markt begehrt sind.<br />

| 29


30 | Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto<br />

Rostfrei-Stähle<br />

Als Rostfrei-Stähle gelten per Definition alle Fe-Cr-Legierungen mit<br />

einem Chrom-Gehalt von mindestens 10,5 %. Solche Stähle sind<br />

seit ihrer Erfindung bestens bekannt für ihre typische Oxidationsbeständigkeit<br />

und Warmfestigkeit. Das Chrom bildet eine dichte, fest<br />

mit der Oberfläche des Grundmetalles verbundene, schützende Oxidschicht<br />

(Cr2O3), die ein weiteres Oxidieren des darunter befindlichen<br />

Metalles verhindert und so den Stahl schützt. Der Vorgang ähnelt dem,<br />

was von Natur aus bei Ti- und – wenn auch in geringerem Maße –<br />

bei Al-Legierungen geschieht. Aufgrund dieser Eigenschaft sind<br />

Stähle dieser Art für den Einsatz in unterschiedlichsten aggressiven<br />

Umgebungen geeignet. Weniger bekannt ist allerdings, dass Rostfrei-Stahl<br />

auch ausgezeichnete mechanische Eigenschaften hat und<br />

sich gut verarbeiten lässt. Alles in allem bieten Rostfrei-Stähle aufgrund<br />

dieser Eigenschaften eine echte Alternative zu Kohlenstoff-<br />

Baustählen und in manchen Fällen auch zu Aluminiumlegierungen.<br />

Zwar sind die Werkstoffkosten höher, doch ermöglichen sie erhebliche<br />

Ersparnisse bei den Gesamtkosten bezogen auf die Lebensdauer;<br />

darüber hinaus bieten sie Vorteile beim Umweltschutz, beispielsweise<br />

durch Einsparung von Kraftstoff. Im hier betrachteten Rahmen zieht<br />

eine neue Klasse von Rostfrei-Baustählen, die austenitischen N-Mn-<br />

Sorten aufgrund ihrer Eigenheit, sowohl korrosionsbeständig als auch<br />

hochfest zu sein, immer mehr Interesse auf sich. Das in Italien beheimatete<br />

Unternehmen ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni ist zweifellos<br />

an führender Position hinsichtlich Forschung, Entwicklung und<br />

Vermarktung dieser Klasse von Werkstoffen, die neue Perspektiven<br />

bzgl. Effizienz und Leistungsfähigkeit eröffnet.<br />

Bruchdehnung A 80 [%]<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Konventionell<br />

FB-W ®<br />

Bild 1 | Eigenschaften von STR18 im Vergleich zu den Hauptklassen hochfester Stähle<br />

DP<br />

Allgemeine Eigenschaften moderner hochfester Rostfrei-Stähle<br />

Austenitische Rostfrei-Stähle der N-Mn-Sorten stellen eine einzigartige<br />

Kombination von Festigkeit, Formbarkeit I Bild 1 I und natürlich<br />

Korrosionsbeständigkeit dar. Die kürzlich von ThyssenKrupp Acciai<br />

Speciali Terni auf den Markt gebrachte Sorte STR18 repräsentiert weltweit<br />

gesehen die neueste Entwicklung von Stählen dieser Klasse. Es<br />

handelt sich dabei um einen voll austenitischen N-Mn-Rostfrei-Stahl<br />

mit 18 % Cr. Er ist durch hohe Festigkeit in Verbindung mit ausgezeichneter<br />

Formbarkeit/Verarbeitbarkeit gekennzeichnet, was durch<br />

Ausnutzen von TWIP/TRIP(Twinning Induced Plasticity/Transformation<br />

Induced Plasticity)-Effekten geschieht. Allgemein zeichnet er sich<br />

typischerweise durch folgende Eigenschaften aus:<br />

hohe Festigkeit: Rp > 420 MPa, Rm > 750 MPa,<br />

hervorragende Formbarkeit (insbesondere unter Berücksichtigung<br />

seiner Festigkeit): A% > 45 %,<br />

gute Schweißbarkeit und hohe Korrosionsbeständigkeit (im Wesentlichen<br />

gemäß AISI 304/EN 1.4301).<br />

Darüber hinaus weisen austenitische Mikrostrukturen an sich – und<br />

insbesondere Sorten mit hohem N-Mn-Gehalt – einen höheren Kaltverfestigungskoeffizienten<br />

auf. Infolgedessen verbessern sich die<br />

mechanischen Eigenschaften durch Kaltumformung ganz erheblich,<br />

wenn auch bei einer Verschlechterung der Umformbarkeit I Bilder 2<br />

und 3 I. Das ermöglicht den Materialdesignern die Freiheiten, die<br />

Werkstoffeigenschaften durch Kaltwalzen entsprechend dem Einsatzfall<br />

einzustellen.<br />

STR18<br />

RA<br />

Zugfestigkeit R m [MPa]<br />

FB-W ®: Ferrit-Bainitphasen (warmgewalzt)<br />

DP: Dualphasen<br />

RA: Restaustenitphasen (TRIP)<br />

CP: Complexphasen<br />

MS-W ®: Martensitphasen (warmgewalzt)<br />

X-IP: extreme Festigkeit und Umformbarkeit<br />

induzierte Plastizität<br />

CP<br />

MS-W ®<br />

200 300 400 500 600 700 800 900 1.000 1.100 1.200 1.300 1.400 1.500<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Spannung, R p0,2 , R m [MPa]<br />

Wahre Spannung [MPa]<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

1.600<br />

1.500<br />

1.400<br />

1.300<br />

1.200<br />

1.100<br />

1.000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

Bild 3 | Änderung der mechanischen Eigenschaften von STR18 in Abhängigkeit von der Vordehnung (Kaltwalzen)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

0<br />

DP 1000<br />

AISI 304 3/4H<br />

DP 800<br />

DP 600<br />

Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto | 31<br />

380TM<br />

AISI 304 1/2H<br />

AISI 304 1/4H<br />

AISI 420 ann<br />

Wahre Dehnung<br />

400<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65<br />

Kaltumformrate [%]<br />

AISI 301 1/4H<br />

DP 500<br />

220 BH<br />

FePO4<br />

AISI 304 ann<br />

0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 0,35 0,4<br />

Bild 2 | Spannungs-/Dehnungs-Kurven von STR18 bei unterschiedlichen Vordehnungen, verglichen mit Spannungs-/Dehnungs-Kurven typischer<br />

Kohlenstoff- und Rostfrei-Stahlsorten<br />

R m<br />

R p0,2<br />

A<br />

STR 18<br />

48<br />

44<br />

40<br />

36<br />

32<br />

28<br />

24<br />

20<br />

16<br />

12<br />

8<br />

4<br />

0<br />

Bruchdehnung A [%]


32 | Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto<br />

Die mechanischen Eigenschaften hängen ferner von der Umformgeschwindigkeit<br />

ab. Der Widerstand des Werkstoffes ist umso größer,<br />

je schneller die Last aufgebracht wird. Rostfrei-Stähle, insbesondere<br />

austenitische, haben gegenüber „Leichtlegierungen“ oder Kohlenstoffstählen<br />

den beträchtlichen Vorteil einer größeren Abhängigkeit<br />

von der Umformgeschwindigkeit. Diese Eigenschaft ist insbesondere<br />

dort vorteilhaft, wo es um passive Sicherheit (Crash-Sicherheit) geht:<br />

Es lassen sich Komponenten konstruieren, die bei gleicher Leistung<br />

sehr viel leichter sind als herkömmliche.<br />

Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto<br />

Die beschriebenen Eigenschaften bieten Konstrukteuren umfangreiche<br />

Möglichkeiten für gewichtsreduzierende Konzepte. Die Auswirkungen<br />

dieser Möglichkeiten sieht man besonders im Automobilsektor,<br />

wo sie zu verbessertem Fahrverhalten und verringertem Kraftstoffverbrauch<br />

führen. Speziell der Automobilsektor muss als strategisch<br />

wichtig betrachtet werden, sowohl wegen seiner hohen Umsätze als<br />

auch, weil er mehr als andere Sektoren die Forschungs- und Entwicklungsstrategien<br />

beeinflusst. Die Entwicklung neuer Technologien,<br />

Produkte, Produktionsprozesse, Qualitätssicherungs-Methoden und<br />

Partnerschaften sowie neuer Konzepte für Distribution, Organisation<br />

und Logistik in der Automobilindustrie sind Beispiele für die Weiterentwicklung<br />

unterschiedlicher Marktbereiche. Die Autohersteller haben<br />

wiederholt darauf hingewiesen, wie wichtig der Einsatz immer leistungsfähigerer<br />

Stähle ist, um folgenden Notwendigkeiten Rechnung tragen<br />

zu können:<br />

höhere Steifigkeit der Struktur bei gleichzeitiger Gewichtsverringerung<br />

zur Verbesserung des Fahrverhaltens,<br />

höhere Leistung hinsichtlich passiver Sicherheit (Crash-Verhalten),<br />

Gewichtsersparnis zwecks Senkung des Kraftstoffverbrauches,<br />

dadurch Einhalten von Emissionsschutzstandards.<br />

Der letzte der vorgenannten Punkte ist im Zuge des Umweltschutzes<br />

besonders wichtig, weil eine Gewichtsreduzierung maßgeblich den<br />

Kraftstoffverbrauch verringert. Von Autoherstellern durchgeführte,<br />

umfangreiche Untersuchungen zeigen, dass die Faktoren Gewicht und<br />

Reifenrollwiderstand lediglich vom Faktor Luftwiderstand übertroffen<br />

werden, wenn es um den Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch geht.<br />

Deshalb ist es offensichlich, dass die richtige Wahl des Werkstoffes,<br />

wie z.B. Spezialstahl, ein sehr wirkungsvolles Mittel zur Optimierung<br />

der Kraftstoffeffizienz von Fahrzeugen ist. Andererseits steigen die<br />

Fahrzeuggewichte und damit der Kraftstoffverbrauch ständig, weil die<br />

Käufer selbst in der Kleinwagenklasse heute immer mehr optionales<br />

Zubehör, wie beispielsweise Multimedia-Geräte, Einparkhilfen, Fahrerassistenzsysteme<br />

(z.B. Automatikgetriebe), verlangen.<br />

Der Einsatz hochfester Rostfrei-Stähle kann also ein wirksames<br />

Mittel zum Senken des Kraftstoffverbrauches sein. Das Ergebnis einer<br />

vor kurzem von Ford durchgeführten umfangreichen Untersuchung<br />

war, dass man durch den Einsatz von Rostfrei-Stahl verglichen mit<br />

herkömmlichen Konstruktionsstählen bis zu 25 % an Gewicht einsparen<br />

kann. Diesbezüglich beobachtete Werte stimmen gut mit<br />

denen überein, die in den letzten Jahren von mehreren internen Arbeitsgruppen,<br />

die ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni beim größten italienischen<br />

Nutzfahrzeughersteller eingesetzt hat, ermittelt worden sind.<br />

Thema dieser Untersuchungen war der Einsatz moderner Werkstoffe<br />

für Teile, die der passiven Sicherheit dienen. Dabei wurden unterschiedliche<br />

Werkstoffe mit einer Referenzlösung aus Kohlenstoffstahl verglichen.<br />

Das Ergebnis wurde vom Forschungszentrum des erwähnten<br />

Unternehmens bestätigt. Die STR18-Lösung war gegenüber der Referenzlösung<br />

diejenige mit der größten Gewichtsersparnis, sie zeigte<br />

sich auch dem Werkstoff Aluminium gegenüber leicht überlegen. Die<br />

spezifische Dichte von Aluminium beträgt zwar nur ungefähr ein Drittel<br />

der spezifischen Stahldichte jedoch sind auch dessen E-Modul und<br />

die Fließgrenze nur etwa ein Drittel so hoch im Vergleich zu hochfesten<br />

Stählen I Bild 4 I.<br />

Ein weiterer wichtiger Vorteil von Rostfrei-Stählen ist ihre Korrosionsbeständigkeit,<br />

wodurch kostspielige und möglicherweise<br />

gesundheitsschädliche Korrosionsschutzmaßnahmen eingespart<br />

werden können. Dies ist insbesondere für sicherheitsrelevante Bauteile<br />

vorteilhaft, da sie im Rohzustand eingebaut und somit Kosten<br />

gespart werden können. Auf diesem Gebiet sind bereits äußerst<br />

interessante Ergebnisse erzielt worden, da Bauteile für die passive<br />

Sicherheit üblicherweise getrennt von der Karosserie gefertigt und<br />

erst später mit dieser verbunden werden. So kann man die Korrosionsbeständigkeit<br />

voll ausnutzen. Durch den Entfall von schützenden<br />

Behandlungen ergeben sich wirtschaftliche und den Umweltschutz<br />

betreffende Nutzeffekte.<br />

Sehr positiv zu bewerten ist auch die äußerst wichtige Möglichkeit<br />

der Wiederverwertung von Rostfrei-Stahl, schließlich fallen in der EU<br />

jährlich 8 bis 9 Mio t Schrott in Form von Altautos an. Um das Demontieren<br />

dieser Autos und das Recycling des entstehenden Schrott-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 4 | Vergleich der mechanischen Eigenschaften hochfester Stähle und Aluminiumlegierungen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto | 33<br />

Material Duplex STR18 Austenitischer 6061 Hochfester Kohlen-<br />

Rostfreistahl Rostfrei-Stahl Aluminiumlegierung stoffstahl (HSLA)<br />

Geglüht CR 6 CR 9 CR 12 CR 15 T4 T6<br />

Beschaffenheit (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)<br />

Dichte ρ [g/cm 3 ] 7,80 7,90 7,90 7,90 7,90 7,90 2,70 2,70 7,83<br />

Relative Dichte zu Stahl 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 0,35 0,35 1,00<br />

Fließgrenze Rp 0,2 [N/mm 2 ] 640 450 533 647 690 813 145 275 410<br />

Zugfestigkeit R m [N/mm 2 ] 850 750 762 833 861 944 240 310 480<br />

Spezif. Festigkeit R p /ρ [N/mm 2 /g/cm 3 ) 82,1 57,0 67,5 81,9 87,3 102,9 53,7 101,9 52,4<br />

Spezif. Festigkeit rel. zu HSLA-Stahl 1,57 1,09 1,29 1,56 1,67 1,97 1,03 1,95 1,00<br />

Dehnung [%] 35,00 45,00 39,00 33,00 29,4 20 15,00 8,00 22,00<br />

Dehnung rel. zu HSS 1,59 2,05 1,77 1,50 1,34 0,91 0,68 0,36 1,00<br />

E-Modul E [kN/mm 2 ] 200 200 200 200 200 200 70 70 200<br />

Spezif. Steifigkeit E/ρ 26 25 25 25 25 25 26 26 26<br />

(1): Lösungsgeglüht<br />

(2): Kalt gewalzt mit 6 % Reduzierung<br />

(3): Kalt gewalzt mit9 % Reduzierung<br />

(4): Kalt gewalzt mit 12 % Reduzierung<br />

(5): Kalt gewalzt mit 15 % Reduzierung<br />

(6): T4 Temper ist lösungsgeglüht, Wärmebehandlung bei 503 °C, dann wassergehärtet<br />

(7): T6 Temper ist ausscheidungsgeglüht, Wärmebehandlung bei 160 °C für 18 h, oder Wärmebehandlung bei 180 °C für 8 h und dann in Luft abgekühlt<br />

berges umweltfreundlicher zu gestalten, hat die EU-Kommission im<br />

Jahr 1997 die so genannte Altfahrzeugrichtlinie beschlossen. Diese<br />

Richtlinie fordert von der Automobilindustrie einen Mindestanteil an<br />

recyclingfähigen Werkstoffen von 75 % im Jahr 2006 bis 95 % im<br />

Jahr 2015.<br />

Rostfrei-Stahl ist ohne jegliche Verschlechterung aufgrund seiner<br />

Eigenschaften im Gegensatz zu vielen anderen Konstruktionswerkstoffen<br />

100-%-ig recyclingfähig. Heutige Teile aus Rostfrei-Stahl<br />

bestehen zu 60 % aus recyceltem Stahl (25 % stammen aus verschrotteten<br />

Altprodukten anderer Art, 35 % aus relativ neuen Produkten<br />

derselben Art). Der Anteil an recyceltem Material ist haupt-<br />

sächlich deswegen nicht größer, weil die Nachfrage nach Rostfrei-<br />

Stahl derzeit ständig wächst.<br />

Fazit<br />

Der Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle in modernen Fahrzeugen<br />

kann erheblich zur Gewichtsreduzierung und somit zur Senkung<br />

des Kraftstoffverbrauches beitragen. Gleichzeitig tragen diese<br />

Werkstoffe aufgrund ihrer ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften<br />

dazu bei, die passive Sicherheit hinsichtlich des Crash-<br />

Verhaltens zu erhöhen, sodass dem Umweltschutz und gleichzeitig<br />

dem Insassenschutz Rechnung getragen wird.


34 |<br />

| Von Società delle Fucine hergestellte geschmiedete Welle im Werk der Siemens Power Generation (PG)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Große geschmiedete Wellen<br />

für Kraftwerksturbinen<br />

DIPL.-ING. STEFANO NERI Qualitätsmanagement | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />

DIPL.-ING. DANIELE MARSILI Metallurgie | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />

DR. RER. OEC. GIOVANNI SANSONE Vertriebsmanagement Kraftwerkskomponenten | Società delle<br />

Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />

Die ständigen Bemühungen um höhere Effizienz und geringere<br />

Emissionen von großen Wärmekraftwerken haben den Trend zu<br />

immer höheren Dampftemperaturen und -drücken sowie modernster<br />

Turbinentechnologie mit sich gebracht. Vor diesem Hintergrund hat<br />

die italienische Società delle Fucine (SdF), ein Unternehmen der<br />

ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni, die Rotorwelle der größten Hochdruckdampfturbine<br />

der Welt hergestellt und an Siemens geliefert.<br />

Das Kraftwerk mit dem Namen Olkiluoto 3 befindet sich inmitten<br />

einer einsamen finnischen Landschaft. Als Rohling für diese Hochdruckturbinenwelle<br />

hat SdF einen riesigen, ca. 230 t schweren Gussblock<br />

aus niedriglegiertem Spezialstahl verwendet.<br />

| 35


36 | Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen<br />

Dampfturbine für ein Kernkraftwerk in Finnland<br />

Das im Bau befindliche Kernkraftwerk auf der Insel Olkiluoto (Gemeinde<br />

Eurajoki) nahe der finnischen Westküste ist für die kostengünstige<br />

Deckung des Grundlastbedarfes vorgesehen. Die ökologischen Bedingungen<br />

auf Olkiluoto werden ständig mithilfe bewährter Programme<br />

überwacht. Das umfangreiche Mess- und Beobachtungssystem war<br />

bereits vor Inbetriebnahme des ersten Reaktorblockes installiert<br />

worden. Die Auswirkungen des Kernkraftwerkes auf die Umwelt werden<br />

durch Anwendung der Prinzipien „Vorbeugung“ und „Kontinuierliche<br />

Verbesserung“ gering gehalten.<br />

Hersteller der konventionellen Dampfturbinenanlage von Olkiluoto 3<br />

ist Siemens Power Generation (PG). Der Turbinenteil enthält eine zweiflutige<br />

Hochdruckstufe mit Doppelgehäuse, wobei Außen- und Innengehäuse<br />

horizontal geteilt sind. Der Rotor dieser Turbine besteht aus<br />

einer aus einem Stück geschmiedeten Welle mit aufgeschmiedeten<br />

Verbindungsflanschen, die Laufschaufeln werden in Nuten gehalten.<br />

Ein starrer Rotor hat funktionelle Vorteile gegenüber einem flexiblen<br />

Bild 1 | Beschaufelte Dampfturbinenwelle<br />

Rotor: Der Spalt zum Gehäuse hin bleibt immer relativ klein, beim<br />

Anfahren entstehen keine Instabilitäten durch das Durchlaufen von<br />

Resonanzbereichen, die Leistung wird nicht durch Dampfwirbel<br />

begrenzt, und es können keine selbstangeregten Ölfilmvibrationen<br />

entstehen. Die Beschaufelung ermöglicht einen variablen Reaktionsgrad.<br />

Sämtliche Leit- und Laufschaufeln sind mit Deckband versehen<br />

und fest miteinander verbunden I siehe Titelbild Bericht und Bild 1 I.<br />

Die Dampfturbine für das neue finnische Kernkraftwerk ist für eine<br />

Nutzleistung von circa 1.600 MW bei einem Wirkungsgrad von etwa<br />

37 % ausgelegt. Der Turbinenteil ist eine zweigehäusige Konstruktion,<br />

bestehend aus einer zweiflutigen Hochdruckturbine und einer sechsflutigen<br />

Niederdruckturbine, fest angekoppelt an einen Dreiphasen-<br />

Synchrongenerator mit direkt angeschlossener Erregermaschine. Die<br />

aus einem Stück geschmiedete Welle der Hochdruckstufe wurde nach<br />

Zeichnungen des Unternehmens Siemens Power Generation (PG) von<br />

Società delle Fucine gefertigt.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Herstellung der Dampfturbine<br />

Herstellung des Gussrohlings<br />

Der Stahlblock für den Olkiluoto-Rotor wurde wie folgt hergestellt:<br />

Elektrolichtbogenofen<br />

Einschmelzen ausgewählten Schrottes, Entphosphorisieren, Abschlacken<br />

und Schlackenneubildung, Erhitzen auf Abstichtemperatur,<br />

Abstechen in die Gießpfanne, Beruhigen durch Siliziumzugabe.<br />

Frischen<br />

Frischen des flüssigen Stahls in einer Anlage der Fa. Asea Brown<br />

Boverie Ltd., Abschlacken und Zugeben neuer Schlackenbildner, kurze<br />

Vakuumbehandlung zum Desoxidieren der Stahlschlacke, Erhitzen<br />

und Zugeben von Legierungsstoffen, Vakuumentgasen, Argonspülen.<br />

Vergießen<br />

Bild 2 | FE(Finite-Elemente)-Analyse der Kohlenstoff-<br />

Makroseigerung bei Ende der Erstarrung<br />

Der 230 t schwere Block wurde im Vakuumverfahren gegossen. Zuvor<br />

wurden der Erstarrungsvorgang und die Kohlenstoff-Makroseigerung<br />

anhand von FE-Modellen untersucht I Bild 2 I. Präzise Analysen mit<br />

Wärmebildern I Bild 3 I dienten zum Optimieren des Blockgewichtes<br />

und der Wärmeisolierung des Gießaufsatzes.<br />

Schmieden der Welle<br />

Nach dem Abstreifen wurde der Block in einer 12.600 t Presse geschmiedet.<br />

Das Warmumformen erfolgte in mehreren Schritten, be-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen | 37<br />

Bild 3 | Prüfung der Wärmeisolierung des Gießaufsatzes mittels Wärmebildern<br />

Temperatur [°C]<br />

293,6<br />

ginnend bei einer Temperatur von 1.200 °C. Das Werkstück wurde<br />

mehrfach bis in die Nähe des zulässigen Temperatur-Mindestwertes<br />

geschmiedet und anschließend im Ofen erwärmt. Auf diese Weise<br />

wurde sichergestellt, dass der Stahl korrekt verformt wurde. Das<br />

Schmiedeverfahren dauerte mehrere Stunden bis die vorgegebene<br />

Form des Werkstückes erreicht war; das Gewicht des Fertigteiles<br />

betrug 138 t.<br />

Das Schmieden solcher Wellen muss äußerst präzise erfolgen,<br />

selbst bei schwersten Blöcken von 230 t und in einer starken Presse<br />

von 12.600 t I Bild 4 I. Dieses Umformverfahren ist zweifellos der<br />

kritischste Herstellprozess, dort bilden sich die gewünschte Mikrostruktur<br />

(gleichmäßig angelassenes Bainitgefüge) und die Kornfeinheit<br />

aus.<br />

Spezielle Wärmebehandlung<br />

Nach dem Schmieden wurde das Werkstück einer Reihe von vorbereitenden<br />

Wärmebehandlungen (Normalglühen, Anlassen) und<br />

Vergüten (Härten, Anlassen) nach einem speziellen Plan unterzogen,<br />

um die gewünschten mechanischen Eigenschaften zu erzielen. Das<br />

Härten erfolgte durch Abschrecken in einer Flüssigkeit in der Art und<br />

Weise, dass gleichmäßige Eigenschaften erzielt wurden. Die Welle<br />

wurde abgeschreckt, bis die Temperatur in der Mitte des Rotorkörpers<br />

niedriger als 100 °C war. Die Anlasstemperatur wurde so gewählt,<br />

dass die vorgegebene 0,2-%-Dehngrenze sowie eine bestmögliche<br />

Zähigkeit erreicht wurden. Die Dauer des Anlassens und die kontrol-<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50,0


38 |<br />

Bild 4 | Schmieden auf einer 12.600 t Presse<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


lierte Abkühlgeschwindigkeit wurden derart geplant, dass möglichst<br />

geringe Eigenspannungen verblieben – gemessen mit einem speziell<br />

entwickelten und zugelassenen Verfahren (z.B. Ringkernmethode der<br />

Kraftwerkunion KWU). Zielvorgabe war, dass die Eigenspannungen<br />

(Druck) an der Oberfläche nicht mehr als 60 MPa betrugen.<br />

Mechanische Prüfungen<br />

Nach der Wärmebehandlung wurden mehrere mechanische Prüfungen,<br />

wie z.B. Zugversuch und Charpy-V-Probe durchgeführt, um die erreichten<br />

mechanischen Eigenschaften zu bestätigen. Die Herstellung<br />

der Proben erfolgte gemäß den Siemens-Vorgaben. Die Stücke für<br />

Zug- und Schlagversuche wurden in einem Abstand von 40 mm zu<br />

den wärmebehandelten Oberflächen entnommen. Bei Raumtemperatur<br />

wurden folgende Werte der mechanischen Eigenschaften erreicht:<br />

0,2-%-Dehngrenze: 580-680 MPa<br />

Zugfestigkeit: < 820 MPa<br />

Bruchdehnung: > 16 %<br />

Brucheinschnürung: > 50 %<br />

Kerbschlagarbeit: > 100 J<br />

Vordrehen und Ultraschallprüfung<br />

Nach Ermittlung und Überprüfung der mechanischen Eigenschaften<br />

wurde das Werkstück spanend bearbeitet, um eine Oberflächenform<br />

und -güte zu erzielen, die für einen Ultraschalltest gemäß dem<br />

Siemens-Verfahren geeignet war. Die Brauchbarkeit aller Teile der<br />

Bild 5 | Fertigbearbeitung der Turbinenwelle<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen | 39<br />

Rotorwelle wurde unter Anwendung sehr strenger Kriterien erfolgreich<br />

geprüft; Fehlstellen im axialen Bereich durften einen äquivalenten<br />

Durchmesser von nicht mehr als 3 mm aufweisen.<br />

Fertigbearbeitung und Magnetpulvertest<br />

Nach positivem Ergebnis der Ultraschallprüfung erfolgte die Fertigbearbeitung<br />

auf einer Horizontaldrehbank, um die endgültige Form<br />

gemäß Kundenzeichnung herzustellen I Bild 5 I. Das Liefergewicht<br />

betrug 96 t bei einem Durchmesser von 1.830 mm und einer Gesamtlänge<br />

von 7.698 mm. Erst nach dem Fertigbearbeiten wurde die<br />

Oberfläche der Rotorwelle einem Magnetpulvertest unterzogen.<br />

Fazit<br />

Die erfolgreiche Herstellung eines solch wichtigen Schmiedeteiles ist<br />

ein Beweis allerhöchster Produktionsqualität, wie sie im Kraftwerksbau<br />

erforderlich ist. Das Unternehmen Società delle Fucine wird von<br />

Siemens Power Generation (PG) als wichtiger Lieferant solcher Komponenten<br />

betrachtet und hat im August <strong>2007</strong> den Lieferantenpreis<br />

„Pionier bei der Herstellung von Schmiedeteilen für die größte Dampfturbine<br />

der Welt“ bekommen.<br />

Società delle Fucine wird sich aufgrund der positiven Erfahrungen<br />

weiterhin mit großem Engagement mit der Entwicklung derartiger<br />

Komponenten und Ausrüstungen, die hohen Qualitätsanforderungen<br />

genügen müssen, befassen.


40 |<br />

| Rohre aus Nicrofer 5520CoB - alloy 617B in der Komponententestanlage COMTES 700 im Kraftwerk Scholven<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Nickellegierungen<br />

für Kraftwerke der Zukunft<br />

DR.-ING. JUTTA KLÖWER Leiterin Forschung und Entwicklung | ThyssenKrupp VDM, Werdohl<br />

DR. RER. NAT. BODO GEHRMANN Projektleiter Superlegierungen, Forschung und Entwicklung | ThyssenKrupp VDM, Werdohl<br />

Wirkungsgradsteigerungen in fossil befeuerten Kraftwerken führen zunehmend<br />

zu höheren Temperaturen sowie Drücken und machen den Einsatz von Nickellegierungen<br />

erforderlich. In der Gasturbine der Gas- und Dampfkraftwerke haben<br />

Superlegierungen auf Nickelbasis bereits ihren festen Platz gefunden. Mit der<br />

Entwicklung der 700-°C-Technologie für Kohlekraftwerke werden Nickellegierungen<br />

in der nächsten Kraftwerksgeneration nun auch in Kessel und Dampfturbinen<br />

eingesetzt werden. ThyssenKrupp VDM hat gemeinsam mit Kraftwerksbetreibern<br />

und Herstellern von Kraftwerkskesseln mit der Legierungsvariante<br />

Nicrofer 5520CoB-alloy 617B einen Werkstoff entwickelt, der bereits seine<br />

Eignung für das 700-°C-Kraftwerk in einer Pilotanlage bewiesen hat.<br />

| 41


42 | Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft<br />

Wirkungsgrade in der Kraftwerkstechnologie<br />

Bedingt durch den weltweit steigenden Energiebedarf werden hocheffiziente<br />

Kohlekraftwerke, trotz aller Fortschritte bei den regenerativen<br />

Energien, auf absehbare Zeit die Stromversorgung sicherstellen<br />

müssen. Weltweit wird von einer Verdoppelung des Bedarfes an elektrischer<br />

Energie bis zum Jahr 2030 ausgegangen I Bild 1 I, allein in<br />

der EU 15 bestehen ein Energie-Zusatzbedarf von 100.000 MW und<br />

ein Ersatzbedarf von 200.000 MW, was dem Neubau von 300 Kraftwerken<br />

mit der Leistung von je 1.000 MW entspricht. Vor diesem<br />

Hintergrund werden Technologie-Innovationen im Zusammenhang<br />

mit fossil befeuerten Kraftwerken zum entscheidenden Schlüssel für<br />

effizienten Klimaschutz und zur Ressourcenschonung.<br />

Moderne Kohlekraftwerke erreichen heute Wirkungsgrade von 43 %.<br />

Sie liegen damit deutlich über dem weltweiten Durchschnitt, der 31 %<br />

beträgt. Da der CO2-Ausstoß umgekehrt proportional zum Wirkungsgrad<br />

ist, kann bereits durch Ersatz veralteter Kraftwerke auf Basis<br />

neuer Technologien der Ausstoß dieses Treibhausgases erheblich<br />

vermindert werden.<br />

Eine bereits etablierte technologische Entwicklung sind die sogenannten<br />

Gas- und Dampfkraftwerke (GuD-Anlagen), bei denen die<br />

Abwärme der erdgasbetriebenen Gasturbine genutzt wird, um den<br />

Dampf für die Dampfturbine zu produzieren. In I Bild 2 I ist die Funktion<br />

einer GuD-Anlage schematisch dargestellt. Solche Anlagen erreichen<br />

bereits heute Wirkungsgrade nahezu 60 %. Weiterentwicklungen der<br />

GuD-Technologie zielen auf die Substitution des Erdgases, z.B. durch<br />

Gas aus der Kohlevergasung, ab.<br />

Erzeugte elektrische Energie [TWh]<br />

40.000<br />

35.000<br />

30.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

1990<br />

Bild 1 | Schätzung des Weltenergiebedarfes bis 2030<br />

Jüngste technologische Entwicklungen beschäftigen sich mit der<br />

weiteren Wirkungsgradsteigerung von Kohlekraftwerken. Da der<br />

Wirkungsgrad jedes Kraftwerkes in erster Linie von der Temperatur<br />

abhängt, zielen die meisten Maßnahmen zur Wirkungsgradsteigerung<br />

auf eine Erhöhung der Frischdampftemperatur ab. Vergleichbar dem<br />

Schnellkochtopf können auch im Kraftwerkskessel höhere Temperaturen<br />

nur über eine Erhöhung des Druckes erzielt werden. Sind heute<br />

Temperaturen von etwa 620 °C bei Drücken von 270 bar Stand der<br />

Technik, so sind bereits Kraftwerke mit Temperaturen von 700 °C<br />

bei Drücken von 350 bar in Planung.<br />

Die steigenden Temperaturen bei höheren Drücken sowie der<br />

zunehmende Einsatz korrosiver Brenngase stellen hohe Anforderungen<br />

an die verwendeten Werkstoffe und machen zunehmend den<br />

Einsatz von Nickellegierungen erforderlich.<br />

Zukünftige Anwendungen von Nickellegierungen<br />

im Kraftwerksbereich<br />

Nickellegierungen in der Gasturbine<br />

Die Verwendung von Nickellegierungen in Industriegasturbinen I Bild 3 I<br />

ist bereits Stand der Technik. Wie schon lange im Flugzeugtriebwerk<br />

üblich, werden heute auch in der Industriegasturbine Nickellegierungen<br />

eingesetzt, sei es für Bleche der Brennkammer und Heißgasleitungen,<br />

Schmiedeteile für Scheiben, Ringe und Schaufeln oder für<br />

gegossene Einkristalle bei thermisch besonders beanspruchten Schaufeln.<br />

Die Anforderungen sind hoch: Neben ausreichenden Zeitstandfestigkeiten<br />

von mehr als 100.000 Stunden bei mehr als 1.000 °C<br />

2000<br />

2010<br />

2020<br />

Gas<br />

Kohle,<br />

Neue Technologien<br />

Kohle<br />

Andere<br />

Nuklear<br />

Alternative<br />

Wasser<br />

2030<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Gas/Öl<br />

Luft<br />

Kühlwasser<br />

Bild 2 | Flussbild GuD-Technologie<br />

müssen die Werkstoffe auch beständig gegen Ermüdung durch thermische<br />

Wechselbeanspruchung, gegen Hochtemperaturkorrosion<br />

und gegen Hochtemperaturkriechen sein. Zur Herstellung komplizierter<br />

Brennkammerkomponenten sind gute Verformbarkeit und<br />

gute Schweißbarkeit wichtig. Es gibt nur wenige Werkstoffe, die diese<br />

Anforderungen erfüllen. I Bild 4 I zeigt die Zusammensetzung typischer<br />

Gasturbinenwerkstoffe aus dem Portfolio von ThyssenKrupp VDM.<br />

Nickel in Verbindung mit Molybdän, Kobalt und Wolfram sorgt für die<br />

nötige Zeitstand,- Kriech- und Ermüdungsfestigkeit. Chrom in der<br />

Größenordnung von etwa 20 % sorgt für die Beständigkeit gegen<br />

Hochtemperaturkorrosion. Aluminium und Titan erhöhen ebenfalls<br />

die Zeitstandfestigkeit durch die Ausscheidung festigkeitssteigernder<br />

intermetallischer NiX(Al,Ti)y-Phasen bei Betriebstemperatur. Diese<br />

Elemente müssen jedoch sehr sorgfältig dosiert werden, da ein Zuviel<br />

an intermetallischen Phasen einen spröden, nicht mehr verform- und<br />

schweißbaren Werkstoff verursacht. Das Unternehmen ThyssenKrupp<br />

VDM verfügt hier über ein langjähriges Know-how.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Kondensator<br />

Wasserstoffreiches Gas<br />

Brennkammer<br />

Gasturbine<br />

Dampfturbine<br />

Abgas<br />

Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft | 43<br />

Wärmerückgewinnung<br />

mittels Dampfgenerator<br />

Gasturbinen-<br />

Generator<br />

Dampfturbinen-<br />

Generator<br />

Strom<br />

Strom<br />

Werkstoffweiterentwicklungen betreffen in erster Linie die Verarbeitbarkeit<br />

der verwendeten Blechwerkstoffe. Eng tolerierte Analysen und<br />

die Verwendung moderner Umschmelztechnologien stellen sicher,<br />

dass die Gefüge der Blechwerkstoffe frei von oxidischen Einschlüssen<br />

sind. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass die Werkstoffe auch<br />

mit modernen Umformverfahren verarbeitbar und mit Hochleistungsschweißverfahren<br />

schweißbar sind.<br />

Nickellegierungen im Kessel von 700-°C-Kraftwerken<br />

Im Kessel von Kohlekraftwerken werden bis heute üblicherweise<br />

warmfeste Baustähle oder martensitische Stähle vom Typ P91 oder<br />

P92 eingesetzt. Diese so genannten Kesselstähle weisen bis zu einer<br />

Dampftemperatur von 600 °C gute Festigkeiten auf. Bei Kesseltemperaturen<br />

von 700 °C und Dampfdrücken von 350 bar kommen konventionelle<br />

Kesselstähle jedoch nicht mehr in Frage, da diese bei<br />

700 °C praktisch keine Warmfestigkeit mehr aufweisen, wie I Bild 5 I<br />

am Beispiel der 100.000 Stunden Zeitstandfestigkeit für den marten-


44 |<br />

Bild 3 | Gasturbine<br />

sitischen Kesselstahl P91 zeigt. Standard-Edelstähle sind bis zu<br />

höheren Temperaturen einsetzbar, die geforderte Zeitstandfestigkeit<br />

von mindestens 100 MPa bei 700 °C wurde jedoch von keinem<br />

Edelstahl erreicht.<br />

Für den Kessel des ersten Kohlekraftwerkes in 700-°C-Technologie<br />

wurde daher nach umfangreichen Untersuchungen durch ein Team<br />

aus Kraftwerksbetreibern, Kessel,- Komponenten-, Rohr- und Werkstoffherstellern<br />

der Gasturbinenwerkstoff Nicrofer 5520Co - alloy 617<br />

(2.46630) ausgewählt. Die langjährigen Erfahrungen mit diesem<br />

Werkstoff im Gasturbinenbau, die Zeitstandfestigkeit von mehr als<br />

100 MPa bei 700 °C und die gute Verarbeitbarkeit und Schweißbarkeit<br />

haben zur Wahl dieses Werkstoffes geführt. Nicrofer 5520Co<br />

ist darüber hinaus bis zu einer Einsatztemperatur von 1.050 °C für<br />

den Druckbehälterbau zugelassen.<br />

Um möglichst dünnwandig konstruieren zu können, wird speziell<br />

für die Anwendung im Kraftwerkskessel die Sondervariante Nicrofer<br />

5520CoB - alloy 617B hergestellt. Durch Zulegieren von Bor und das<br />

Einstellen eng tolerierter Zusätze der festigkeitssteigernden Elemente<br />

Aluminium, Titan, Kobalt und Kohlenstoff wird mit der Sondervariante<br />

eine weitere Steigerung der zulässigen mechanischen Spannungen<br />

um 20 % erreicht. I Bild 6 I zeigt die chemische Zusammensetzung<br />

der Sondervariante im Vergleich zur „Normalvariante“, in I Bild 7 I<br />

ist die 100.000-Stunden-Zeitstandfestigkeit der modifizierten Variante<br />

nach Einzelgutachten des TÜV Rheinland im Vergleich mit der Standardvariante<br />

dargestellt.<br />

Die Eignung des Werkstoffes für den Einsatz bei 700 °C konnte<br />

bereits erfolgreich nachgewiesen werden. Gepilgerte und geschmiedete<br />

Rohre und Komponenten aus Nicrofer 5520CoB laufen bereits<br />

in der Komponententestanlage COMTES (COMponent TESt Facility)<br />

an einem Kraftwerksstandort von E.ON in Scholven, Nordrhein-<br />

Westfalen I siehe Titelbild Bericht I. Die dünnwandigen Rohre wurden<br />

im Kaltpilgerverfahren hergestellt, die dickwandigen Zwischenüberhitzerrohre<br />

(bis 60 mm) wurden aus dem Vollen gebohrt.<br />

Der Baubeginn für das erste 700-°C-Kraftwerk von E.ON in<br />

Wilhelmshaven ist für das Jahr 2010 geplant. Für die Werkstoff- und<br />

Komponentenhersteller geht es nun in die zweite Phase: Die wirtschaftliche<br />

Standardfertigung von Rohren und Komponenten aus<br />

Nickellegierungen unter Berücksichtigung der extremen Qualitätsanforderungen<br />

der Energieversorgungsunternehmen an Kesselwerkstoffe<br />

steht künftig im Vordergrund.<br />

Werkstoffe für die übernächste Generation von Kohlekraftwerken<br />

Im Jahre 2005 wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft<br />

die Initiative COORETEC (CO2 – REduktions-TEChnologien)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Zeitstandfestigkeit Rm [MPa]<br />

gestartet. Die Initiative hat neben der Entwicklung eines emissionsfreien<br />

(’Zero-Emission’) Kraftwerkes durch CO2-Speicherung auch die<br />

weitere Steigerung des Wirkungsgrades fossil befeuerter Kraftwerke<br />

auf mittelfristig 60 bis 65 % zum Ziel. Gegenstand der Betrachtung<br />

sind die Weiterentwicklung und Charakterisierung von Werkstoffen<br />

sowie die Weiterentwicklung von Prozessen und Komponenten.<br />

Werkstoffe spielen in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle über<br />

den gesamten Entwicklungszeitrahmen: Zum einen ist die Kostenoptimierung<br />

bei Werkstoffeinsatz und Komponentenherstellung von<br />

Bedeutung, da die Investitionskosten durch die Material- und Herstellkosten<br />

der Rohrleitungen im Kessel entscheidend mitbestimmt werden.<br />

Je höher die Festigkeit, desto dünnwandiger kann konstruiert werden<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft | 45<br />

Werkstoff Alloy Typische Zusammensetzung in Masse %<br />

Ni Cr Co Mo Fe Sonstige<br />

Nicrofer 4722Co X 48 22 1 9 18<br />

Nicrofer 5520Co 617 54 22 11,5 9 < 2 1 Al<br />

Nicrofer 5120CoTi C-263 51 20 20 6 0,5 2,2 Ti, 0,5 Al<br />

Nicrofer 6020hMo 625 62 22 9 2,5 3,5 Nb<br />

Bild 4 | Zusammensetzungen von Gasturbinenwerkstoffen<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

500<br />

550<br />

600<br />

Nicrofer 5520CoB - alloy 617B<br />

Kesselstahl P 91<br />

650<br />

Temperaturen [°C]<br />

Bild 5 | Festigkeit von Kesselstahl P91 im Vergleich zur Nickellegierung<br />

Nicrofer 5520CoB – alloy 617B<br />

700 750<br />

und desto einfacher ist die Rohrherstellung. Noch wichtiger als die<br />

wirtschaftlichen Aspekte sind die Fragen der Sicherheit. Bei einem<br />

Riss in einem Hochdruckrohr tritt Dampf mit Schallgeschwindigkeit<br />

aus – das bedeutet Lebensgefahr für die im Kraftwerk beschäftigen<br />

Mitarbeiter. Ziel des Projektes ist auch die Vermehrung des Wissens<br />

über die Wechselwirkung zwischen den Prozessbedingungen und den<br />

Werkstoffen, um die technischen und kommerziellen Risiken im Fall<br />

der Einführung von verbesserten oder neuen Kraftwerkskonzepten<br />

sicher einschätzen zu können. Jeder neue Werkstoff und jedes neue<br />

Werkstoffkonzept muss im Rahmen des Projektes umfangreiche<br />

Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen.<br />

Nicrofer 5520Co - Nicrofer 5520CoB -<br />

alloy 617 (VdTÜV 485) alloy 617B<br />

Nickel REST REST<br />

Cr 20 - 23 21 - 23<br />

Fe < 2 < 1,5<br />

Mo 8 - 10 8 - 10<br />

Co 41548 11 - 13<br />

Al 0,6 - 1,5 0,8 - 1,3<br />

Ti 0,2 - 0,5 0,3 - 0,5<br />

B 0,002 - 0,005<br />

C 0,05 - 0,10 0,05 - 0,08<br />

Si < 0,7 < 0,3<br />

N < 0,05<br />

Mn < 0,7 < 0,3<br />

S < 0,008 < 0,008<br />

P < 0,012 < 0,012<br />

Cu < 0,05<br />

Bild 6 | Vergleich der Zusammensetzungen von Nicrofer 5520Co und Nicrofer 5520CoB


46 | Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft<br />

Zeitstandfestigkeit Rm [10 5 MPa]<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Bild 7 | Festigkeitsvergleich der Werkstoffe Nicrofer 5520Co und Nicrofer 5520CoB<br />

Die größten Chancen für die übernächste Generation der 700-°C-<br />

Kraftwerke hat nach derzeitigem Kenntnisstand die Nickellegierung<br />

Nicrofer 5120CoTi - alloy C-263. Dieser Werkstoff weist eine Zeitstandfestigkeit<br />

auf, die bei 700 °C etwa 100 % über der des Nicrofer<br />

5520Co - alloy 617 liegt. Für die höhere Festigkeit sind in erster Linie<br />

die höheren Gehalte an Aluminium und Titan verantwortlich, die einen<br />

höheren Anteil feinster Ausscheidungen intermetallischer γ´-Phasen<br />

auf Basis NiX(Al,Ti)y bewirken. Der hohe Gehalt an Kobalt sorgt dafür,<br />

dass Aluminium und Titan während des Herstellungs- und Schweißprozesses<br />

im Gefüge gelöst sind und die festigkeitssteigernden,<br />

aber die Schweiß- und Verarbeitbarkeit erschwerenden γ´-Phasen<br />

erst bei gezielter Wärmebehandlung in den fertigen Komponenten<br />

erzeugt werden.<br />

Während der Werkstoff Nicrofer 5520CoB-alloy 617B bereits seine<br />

Eignung für die 700-°C-Technologie bewiesen hat und ein umfangreiches<br />

Untersuchungs- und Qualifizierungsprogramm durchlaufen<br />

hat, muss dies für die Legierung Nicrofer 5120CoTi-alloy C-263 im<br />

Rahmen des COORETEC-Projektes noch erfolgen.<br />

Nicrofer 5520Co - alloy 617 (2.46630) Nicrofer 5520CoB - alloy 617B<br />

600 620 640 660 680 700 720 740<br />

Temperatur [°C]<br />

Fazit<br />

Gleich, wie das Kraftwerk der Zukunft aussehen wird: Bleche, Bänder<br />

Rohre, Draht und Schmiedeteile aus Nickellegierungen werden eine<br />

bedeutende Rolle spielen I Bild 8 I. In der Gasturbine haben sich<br />

Nickellegierungen bereits ihren festen Platz erobert, mit der Entwicklung<br />

der 700-°C-Technologie im Kohlekraftwerk kommen Nickellegierungen<br />

nun auch im Kohlekraftwerk zum Einsatz. Mit dem Werkstoff<br />

Nicrofer 5520CoB-alloy 617B steht nun ein Werkstoff zur Verfügung,<br />

der seine Eignung für die 700-°C-Kraftwerkstechnologie bereits<br />

bewiesen hat. Nun geht es in die nächste Phase: die wirtschaftliche<br />

Herstellung von Komponenten.<br />

ThyssenKrupp VDM ist bereits jetzt für die nächste Kraftwerksgeneration<br />

mit höheren Wirkungsgraden gut gerüstet. Und während<br />

sich die Ingenieure um die Herstellung längstnahtgeschweißter dickwandiger<br />

Rohre und großformatiger Schmiedestücke aus der hochwarmfesten<br />

Nickellegierung bemühen, arbeiten die Forscher in den<br />

Labors weiter an Werkstoffen für die übernächste Generation von<br />

Kohlekraftwerken.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 8 | Halbzeuge aus Nickellegierungen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft | 47


48 |<br />

| Neuer Calcinator der Weißzementanlage in El Alto, Spanien<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Umweltfreundliche und energetisch<br />

effiziente Weißzementherstellung<br />

mit modernster Technologie<br />

DIPL.-ING. LUIS LAGAR-GARCÍA Fachbereich Forschung und Entwicklung, Leiter Wärme- und Umwelttechnik | Polysius AG, Neubeckum<br />

DR.-ING. DIETMAR SCHULZ Leiter Forschung und Entwicklung | Polysius AG, Neubeckum<br />

Die Herstellung von Zement ist ein energieintensiver Prozess, da die eingesetzten Rohstoffe bei über<br />

1.400 °C gebrannt werden müssen. Das Potenzial, Emissionen zu senken, ist daher gerade bei älteren<br />

Anlagen groß. Das Beispiel einer Weißzementanlage zeigt, dass durch den Einsatz modernster Technologie<br />

eine deutliche Emissionsminderung auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglich ist.<br />

Einleitung<br />

Beton ist nach Wasser das meist verbrauchte Kosumgut der Welt<br />

und damit ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Weltweit<br />

werden jährlich 2,6 Mrd t Zement verbraucht. Die Herstellung von<br />

Zement ist ein energieintensives Verfahren, da die eingesetzten Rohstoffe<br />

bei 1.400 °C gebrannt werden, um den so genannten Klinker<br />

zu erzeugen. Nach der Kühlung des Klinkers wird dieser zusammen<br />

mit unterschiedlichen Zuschlagstoffen, wie beispielsweise Gips,<br />

gemahlen, um schließlich den Zement herzustellen.<br />

Die Zementindustrie wird mit strengen gesetzlichen Bestimmungen<br />

und mit der Verantwortung als Mitglied der Gesellschaft konfrontiert,<br />

die mit dem Zementherstellungsprozess verbundenen Emissionen zu<br />

reduzieren, während gleichzeitig im Rahmen eines wachsenden Wettbewerbsumfeldes<br />

die beste Produktqualität zu gewährleisten ist und<br />

die Herstellungskosten zu minimieren sind. Diese anspruchsvollen<br />

Ziele sind ausschließlich durch den Einsatz modernster Technologien<br />

zu erfüllen.<br />

Klinkerherstellung und Emissionen<br />

Bei der Klinkerherstellung fallen Emissionen unterschiedlicher Art an,<br />

welche teilweise der energieintensiven Verbrennung aber auch prozessbezogener<br />

chemischer Reaktionen anzurechnen sind:<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

CO2-Emissionen<br />

Die CO2-Emissionen bei der Herstellung von reinem Portlandzement<br />

(ohne Sekundärbrennstoffe, ohne Zusatzstoffe wie Hüttensand, Flugasche<br />

etc.) entstehen aus drei unterschiedlichen Quellen | Bild 1 |:<br />

Rohmaterial bedingte CO2-Emissionen:<br />

Der als Rohstoff eingesetzte Kalkstein (CaCO3) zersetzt sich beim<br />

Brennen in CaO und CO2 (etwa 61 % der gesamten spezifischen<br />

CO2-Emissionen pro Tonne Klinker).<br />

Brennstoffbedingte CO2-Emissionen:<br />

Ca. 32 % der spezifischen CO2-Emissionen bei der Klinkerherstellung<br />

sind auf den energieintensiven Verbrennungsprozess<br />

zurückzuführen.<br />

CO2 aus elektrischer Energie:<br />

| 49<br />

Der kleinste Anteil der CO2-Emissionen bei der Zementherstellung<br />

ist dem elektrischen Energieverbrauch zuzuordnen (ca. 7 % des<br />

gesamten CO2-Ausstoßes bei der Zementherstellung).<br />

NOX-Emissionen<br />

Stickstoffoxide entstehen während der Verbrennung von Brennstoffen<br />

bei hohen Temperaturen (> 1.300 °C) aus der Oxidation des Luftstickstoffes<br />

(sog. thermisches NO) und bei ausreichendem Sauerstoffangebot<br />

aus der Oxidation des im Brennstoff enthaltenen Stickstoffes<br />

(sog. Brennstoff NO).


50 | Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie<br />

Bild 1 | CO2-Entstehung bei der Herstellung von reinem Portlandzement<br />

SO2-Emissionen<br />

SO2 entsteht bei der Oxidation von Schwefelverbindungen. Die Ur-<br />

sachen für die Entstehung von SO2-Emissionen bei der Zementher-<br />

stellung sind der Einsatz schwefelhaltiger Rohmaterialien und bei<br />

älteren Anlagen der Einsatz schwefelhaltiger Brennstoffe. In modernen<br />

Anlagen wird durch Einsatz eines so genannten Calcinators das<br />

bei der Verbrennung freigesetzte SO2 wieder absorbiert und mit dem<br />

Klinker aus dem System ausgetragen, sodass nur das Rohmaterial<br />

zur SO2-Emission beiträgt.<br />

Energetisch effiziente und umweltfreundliche Zementherstellung<br />

durch den Einsatz modernster Technologie<br />

Nur durch den Einsatz modernster Technologie ist eine energieeffiziente<br />

und umweltfreundliche Zementherstellung möglich. Polysius<br />

ist als führender Anbieter von hochtechnologischen Maschinen und<br />

Anlagen für die Zementherstellung bestrebt, die Effizienz und die<br />

Umweltfreundlichkeit seiner Anlagen immer weiter zu verbessern.<br />

Am Beispiel der Modernisierung der Weißzementanlage in El Alto,<br />

Spanien, wird ein Ergebnis dieses Bestrebens vorgestellt.<br />

Modernisierung der Weißzementanlage in El Alto, Spanien<br />

Projektziele<br />

Die Weißzementanlage in El Alto bei Madrid gehört zu Cementos<br />

Portland Valderrivas, dem größten Zementhersteller Spaniens, mit<br />

Werken in Spanien, USA, Argentinien, Uruguay and Tunesien. Die<br />

jährliche Gesamtproduktion des Konzerns liegt bei ca. 19 Mio t Zement.<br />

Die Linie in El Alto wurde im Jahr 1998 von einem dänischen Anlagenbauer<br />

gebaut und 1999 in Betrieb genommen. Die Anlage hatte eine<br />

Leistung von ca. 750 t Klinker pro Tag und der Betrieb war durch<br />

einen hohen Wärmeverbrauch und sehr hohe SO2- und NOX-Emissionen<br />

gekennzeichnet.<br />

Die Reduzierung der hohen Emissionen war das Hauptziel der<br />

Anlagenmodernisierung durch Polysius. Weitere Ziele waren eine<br />

Erhöhung der Produktion der Anlage, eine Reduzierung des Energie-<br />

Rohmaterial 61 % Elektrische Energie 7 % Brennstoff 32 %<br />

verbrauches, eine Minimierung des Wasserverbrauches und eine generelle<br />

Optimierung des Anlagenbetriebes, um die Verfügbarkeit der<br />

Anlage zu erhöhen. Dazu sollte die beste Produktqualität, die sich bei<br />

Weißzement direkt im Preis niederschlägt, gewährleistet werden. Eine<br />

weitere wichtige Anforderung an das Projekt bestand in der Minimierung<br />

der Anlagenstillstandzeit während der Modernisierung.<br />

Polysius-Konzept zur Modernisierung der Ofenlinie<br />

Um die oben genannten äußerst anspruchsvollen Ziele erreichen<br />

zu können, entwickelte Polysius ein maßgeschneidertes innovatives<br />

und integriertes Konzept für die Modernisierung des Werkes El Alto.<br />

Vor der Modernisierung war die Weißzementanlage eine einfache<br />

Produktionslinie nach dem klassischen Konzept: ein 2-stufiger Zyklonvorwärmer,<br />

ein Luft-Luft-Wärmetauscher für die Vorwärmung der<br />

Verbrennungsluft, ein sehr langer Drehrohrofen und eine große Kühltrommel<br />

für die Endkühlung des Klinkers mit Wasser | Bild 2 |. Das<br />

von Polysius entwickelte Konzept für den Umbau der Ofenlinie beinhaltet<br />

die folgenden Modifikationen | Bild 3 |:<br />

Die Installation eines Calcinators mit 2 speziellen Calcinierbrennern.<br />

Der Calcinator war speziell für den Einsatz von 100 % Petrolkoks<br />

ausgelegt. Folgende Ziele konnten erreicht werden:<br />

- Verringerung der thermischen Sinterzonenbelastung um 25-30 %:<br />

Dadurch war die Steigerung der Durchsatzleistung möglich.<br />

- Realisierung der Schwefelabsorption im Calcinator aufgrund des<br />

Überschusses an CaO, das als Schwefelfalle dient und damit die<br />

SO2-Emissionen drastisch senkt,<br />

- Aufteilung der Brennstoffe auf zwei Brennstellen (Calcinator und<br />

Sinterzone) und dadurch eine signifikante Reduzierung der NOX-<br />

Emissionen;<br />

Weitere Modifikationen betrafen den Umbau der untersten Zyklonstufe<br />

auf die neuen Gegebenheiten, die Installation eines neuen<br />

Ofeneinlaufgehäuses sowie eines neuen Abgasventilators. Zudem<br />

wurde der Schlauchfilter, der für die Einhaltung der Partikelemissionen<br />

verantwortlich ist, von einem Überdruck- auf einen Unter-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


druckbetrieb umgebaut. Schließlich musste ein neuer Ofenhauptantrieb<br />

installiert werden, um die neue Produktionsleistung durch<br />

Erhöhung der Ofendrehzahl zu gewährleisten.<br />

Eine Schlüsselkomponente in dem Weißzementkonzept von Polysius,<br />

die für das Erreichen der ambitionierten Emissionsminderungen<br />

notwendig ist, stellt der Sinterzonenbrenner Polflame VN dar.<br />

Durch seine spezielle Konstruktion kann die Flammenformung in<br />

sehr weiten Bereichen auf den Brennprozess angepasst werden.<br />

Ein neuer Ofenkopf wurde installiert, mit dem die Verbrennungsluft<br />

in den Drehofen eingeleitet wird.<br />

Filter-Fan<br />

Frischluft<br />

Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie | 51<br />

Vorgewärmte Verbrennungsluft, T = 230 °C<br />

Luft-Luft Wärmetauscher<br />

Rohmehlaufgabe<br />

Bild 2 | Weißzementanlage in El Alto vor der Modernisierung<br />

ID-Fan<br />

Tertiärluftleitung<br />

Ofeneinlauf<br />

Ofenantrieb<br />

2-Stufen Vorwärmer<br />

Drehrohrofen<br />

(95 x 4,35 m)<br />

Bild 3 | Weißzementanlage in El Alto nach der Modernisierung, Neuanlagen rot<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Ofenkopf<br />

Calcinator<br />

Kühltrommel<br />

(11,3 x 3,95 m)<br />

Mehlschurren<br />

und Dach des Zyklon 1<br />

Polflame Hauptbrenner<br />

Ofenauslaufdichtung<br />

Das Herz des Herstellungsprozesses für Weißzement ist jedoch der<br />

Kühler. Das innovative Twin Cooler-Konzept von Polysius erlaubt<br />

eine schnelle Abkühlung des 1.450 °C heißen Klinkers binnen<br />

kürzester Zeit unter inerten Bedingungen sowie die größtmögliche<br />

Wiederverwertung der restlichen Klinkerwärme für den Brennprozess.<br />

Der gesamte ursprüngliche Kühlerbereich in El Alto wurde<br />

ersetzt durch den Twin Cooler, bestehend aus:<br />

einem Rohrkühler für die Abschreckung des Klinkers mit Wasser,<br />

einem Walzenbrecher zur Zerkleinerung von Ansatzstücken aus<br />

dem Drehrohrofen,<br />

4<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Brüdenfilter<br />

Klinkertransport<br />

Twin-Cooler<br />

1 Kühltrommel<br />

2 Walzenbrecher<br />

3 Polytrack-Kühler<br />

4<br />

Heißgaserzeuger


52 | Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie<br />

Bild 4 | Montage im Kühlerbereich während der laufenden Produktion<br />

einem Polytrack, ein Rostkühler der 3. Generation, der die Restwärme<br />

des Klinkers im Anschluss an die Wasserkühlung durch<br />

Kühlung mit Luft dem Brennprozess wieder zuführt; der Klinker<br />

wird dabei von 600 °C auf nahezu Umgebungstemperatur abgekühlt<br />

sowie<br />

einer Brennkammer, die die vorgewärmte Verbrennungsluft<br />

weiter aufheizt, um ideale Brennbedingungen im Drehrohrofen<br />

bereit zu stellen.<br />

Montage, Inbetriebnahme und Betrieb<br />

Eine wesentliche Anforderung an die Modernisierung des Werkes<br />

in El Alto war eine minimale Stillstandszeit der Anlage während des<br />

Umbaus. Zu diesem Zweck wurde daher ein ambitioniertes Konzept<br />

entwickelt und umgesetzt, sodass nach nur zwei Monaten Stillstand<br />

das Werk die Produktion wieder aufnehmen konnte. Erreicht wurde<br />

dies dadurch, dass ein großer Teil der neuen Maschineneinrichtung<br />

bereits während des laufenden Produktionsprozesses an Ort und<br />

Stelle aufgebaut wurde. Dies war zum Beispiel für den Calcinator<br />

und den Kühlerbereich der Fall. | Bild 4 | zeigt einige Phasen der<br />

Montage des Kühlers. Sowohl die verschiedenen Ebenen des Kühlergebäudes,<br />

als auch die Gasleitungen, der Entstaubungszyklon sowie<br />

die Brennkammer wurden im Werk vormontiert und dann mit großen<br />

Kränen in die richtige Position gehoben, während die Anlage weiter<br />

produzierte. Dieser hohe Grad an Vormontage während des laufenden<br />

Betriebes ermöglichte es, die restlichen notwendigen Anschlussarbeiten<br />

innerhalb kürzester Zeit durchzuführen. | Bild 5 | zeigt einen<br />

generellen Überblick über die neu installierte Kühlersektion.<br />

Die Ofenlinie nahm im Oktober 2006 die Produktion wieder auf,<br />

und bereits nach kurzer Laufzeit konnten alle Garantiewerte erreicht<br />

werden. | Bild 6 | zeigt die erreichten Verbesserungen:<br />

Die Klinkerproduktion konnte auf über 950 t pro Tag gesteigert<br />

werden. Dies entspricht einer Zunahme von mehr als 25 %.<br />

Gleichzeitig konnte der Wärmeverbrauch deutlich gesenkt werden,<br />

sodass insgesamt etwa 10 % der aus dem Brennstoff stammenden<br />

CO2-Emissionen eingespart werden konnten.<br />

Durch die geänderte Brennstoffaufteilung sowie durch die Installation<br />

der neuen Brenner in der Sinterzone und im Calcinator,<br />

konnte die NOX-Emission um mehr als 75 % abgesenkt werden.<br />

Diese deutliche Reduktion der NOX-Emissionen erlaubte es auf<br />

zusätzliche Maßnahmen, wie das Eindüsen von Ammoniakhaltigen<br />

Lösungen, zu verzichten, sodass die spezifischen Produktionskosten<br />

weiter gesenkt werden konnten.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 5 | Twin Cooler nach der Inbetriebnahme<br />

Fazit<br />

Die vor dem Umbau herrschenden hohen SO2-Emissionen konnten<br />

durch den Einbau des Calcinators drastisch gesenkt werden. Da<br />

dieser als Schwefelfalle wirkt, nahmen die Emissionen um etwa<br />

95 % ab.<br />

Ein weiterer wichtiger Umweltfaktor ist der Wasserverbrauch zum<br />

Kühlen des Weißzementklinkers unter inerten Bedingungen. Durch<br />

das Twin Cooler-Konzept konnte der Wasserverbrauch um etwa<br />

10 % gesenkt werden, unter Wahrung höchster Qualitätsanforderungen<br />

an die Weiße des Klinkers.<br />

Die Modernisierung der Weißzementlinie in EL Alto und die erzielten<br />

verfahrenstechnischen Prozess- und Produktionsverbesserungen<br />

zeigen den Weg, um die strengen wirtschaftlichen und gesetzlichen<br />

Rahmenbedingungen in Europa einhalten zu können. Durch den<br />

Einsatz modernster Technologie als Ergebnis zahlreicher Erfahrungen,<br />

Know-how-Gewinnung sowie Forschung und Entwicklung, kann die<br />

beste Produktqualität bei der Zementherstellung gewährleistet werden,<br />

während gleichzeitig der Energieverbrauch und die Emissionen<br />

reduziert werden können.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie | 53<br />

%<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

-10<br />

-20<br />

-30<br />

-40<br />

-80<br />

-90<br />

-100<br />

Lesitung<br />

Wärmebedarf<br />

Bild 6 | Erreichte Werte nach erfolgreichem Umbau (vor Umbau alle Werte = 0 %)<br />

CO2<br />

NO2<br />

SO2


54 |<br />

| Beispielsimulation einer vollmobilen Brechanlage in einem Kohletagebau<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Emissionsreduzierung durch Einsatz<br />

kontinuierlicher Tagebautechnik<br />

DR.-ING. VIKTOR RAAZ Projektleiter F&E, Abt. Business Development | ThyssenKrupp Fördertechnik GmbH, Essen<br />

DIPL.-ING. BERGBAU ULRICH MENTGES Manager Vertrieb/Bergbauplanung | ThyssenKrupp Fördertechnik GmbH, Essen<br />

Eine Systemveränderung im weltweiten Tagebau hin zu kontinuierlicher Tagebautechnik<br />

führt nicht nur zu einer Senkung der laufenden Betriebskosten,<br />

sondern – wie in einem laufenden Forschungsvorhaben untersucht – insbesondere<br />

auch zu einem Einsparungspotenzial an CO2-Emissionen. Auf dem<br />

wachsenden Rohstoffmarkt können vor allem neu konzipierte vollmobile<br />

Brechanlagen in Kombination mit innovativer Bandanlagentechnik gegenüber<br />

herkömmlichem Truck-Transport Reduzierungen des CO2-Ausstoßes in Größenordnungen<br />

von bis zu 150.000 Tonnen pro Jahr und pro installiertem System<br />

in der Rohstoffgewinnung erzielen.<br />

| 55


56 | Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik<br />

Hintergrund<br />

Die Technologie von ThyssenKrupp Fördertechnik trägt auch zur Verminderung<br />

klimaschädlicher Gase bei. Um Treibhausgasemissionen<br />

zu vermindern, werden kontinuierlich Produktionsprozesse optimiert.<br />

Die Produktlinie von ThyssenKrupp Fördertechnik verfolgt dieses Ziel<br />

unter anderem mit ihren kontinuierlich arbeitenden Großanlagen und<br />

Bergbaumaschinen.<br />

Im Rahmen eines Forschungsvorhabens untersuchen Ingenieure<br />

des Unternehmens derzeit den positiven Einfluss des Einsatzes kontinuierlicher<br />

Gewinnungstechnik – insbesondere im Vergleich vollmobiler<br />

Brechanlagen zu diskontinuierlich arbeitenden Schwerlastkraftwagen,<br />

den Trucks.<br />

Tagebautechniken<br />

Der Fokus der Untersuchung ist aufgrund der unternehmensspezifischen<br />

Produktlinie in der internationalen kontinuierlichen Tagebautechnik<br />

zu sehen. Hierzu zählen in erster Linie Gewinnungs-, Transport-<br />

und Verkippungsgeräte wie beispielsweise Schaufelradbagger,<br />

versetzbare oder mobile Brechanlagen, Bandanlagen sowie Absetzer.<br />

Grundsätzlich sind Tagebaue über verschiedene Gewinnungstechnologien<br />

erschließbar. Das zum Einsatz kommende System hat entsprechende<br />

Auswirkung auf die Auswahl der Maschinen und damit<br />

auf die spezifischen CO2 -Emissionen.<br />

Diskontinuierliche Systeme<br />

Hier kommen zumeist Hydraulik- und Seillöffelbagger zur Gewinnung<br />

der Rohstoffe zum Einsatz. Der Transport erfolgt mit großen Trucks mit<br />

Zuladungen von bis zu 400 t, die teils den gesamten Transportweg<br />

von der Gewinnungsstelle im Tagebau bis zur kilometerweit entfernten<br />

Außenkippe für Abraummaterial oder die außerhalb des Tagebaus<br />

liegenden Aufbereitungsanlagen für das Wertmineral übernehmen.<br />

Kombination diskontinuierlicher Systeme mit semi-mobilen<br />

Brechanlagen und kontinuierlich arbeitenden Bandanlagen<br />

(’In-Pit Crushing’) I Bild 1 I<br />

Das Lösen und Laden des Materials übernehmen auch hier Hydraulikund<br />

Seillöffelbagger. Der Weitertransport innerhalb des Tagebaus<br />

erfolgt nun ebenfalls mittels Truck-Einsatzes, jedoch nur bis zu einer<br />

in unmittelbarer Nähe stehenden semi-mobilen Brechanlage, die<br />

das Material grob zerkleinert und damit für den sich anschließenden<br />

Bandanlagentransport bereitstellt. Der diskontinuierliche Einsatz von<br />

Trucks wird hierdurch erheblich reduziert. Es erfolgt nur noch ein<br />

sog. Shuttle-Betrieb.<br />

Kontinuierliche Systeme<br />

Lockergesteinstagebaue<br />

Hier kann die Löse- und Ladearbeit aufgrund der sprengstofflosen<br />

Gewinnbarkeit und der geringen Materialdruckfestigkeit in-situ direkt<br />

von einem Schaufelradbagger übernommen werden. Anschließend<br />

erfolgt der Weitertransport – teils mit zwischengeschalteten mobilen<br />

Bandmodulen – per Bandanlage und im Falle von Abraumsystemen<br />

direkt zur Verkippungsstelle unter Einsatz von Absetzern.<br />

Festgesteinstagebaue<br />

Hier wird das Material zumeist durch vorangegangene Sprengtätigkeit<br />

aus dem Gesteinsverband herausgelöst. Hydraulik- oder Seillöffelbagger<br />

übernehmen nun die Ladearbeit des gesprengten Haufwerkes<br />

und laden direkt in den Aufgabetrichter einer vollmobilen Brechanlage.<br />

Diese zerkleinern das noch sehr grobe Material in der ersten Brechstufe<br />

unmittelbar am Gewinnungsort und bereiten es so für den anschließenden<br />

Bandtransport und für nachfolgende Prozesse auf.<br />

Wesentliche Unterschiede der oben genannten Tagebautechniken<br />

liegen bezüglich der CO2-Relevanz im Energieaufwand und in der<br />

Energieversorgung. Kontinuierliche Tagebaugeräte werden fast ausschließlich<br />

elektrisch angetrieben, während diskontinuierliche Tagebaugeräte<br />

überwiegend mit einem Dieselaggregat ausgerüstet sind.<br />

Die charakteristische Lagerstättenform von Locker- und Festgesteinstagebauen<br />

nimmt auch erheblichen Einfluss auf die Transportentfernungen<br />

für das gewonnene Material oder den überlagernden<br />

Abraum und beeinflusst daher auch wesentlich den Energieeinsatz<br />

und damit den resultierenden CO2-Ausstoß. Flache Lockergesteinslagerstätten<br />

erfordern meist Transportwege über große Entfernungen,<br />

jedoch mit geringem Höhenunterschied. Erzlagerstätten hingegen<br />

weiten sich mehr in die ’Teufe’ (bergmännische Bezeichnung für Tiefe)<br />

aus und erfordern daher zu ihrer Gewinnung sehr hohe Teufenunterschiede.<br />

Der Energieeinsatz beim Transport unter Einsatz von Trucks<br />

steigt dabei erheblich.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Mit innovativen Techniken, wie dem Einsatz vollmobiler Brechanlagen,<br />

ist in diesen Tagebauen heute der Lade- und Zerkleinerungsvorgang<br />

direkt am Abbauort möglich und somit als ein Ressourcen<br />

schonender Weitertransport mittels Bandanlagen anzusehen.<br />

Konzeptionelle Vorgehensweise zur Ermittlung<br />

der CO2-Emissionen<br />

Das generelle Konzept der CO2-Emissionsermittlung bei ThyssenKrupp<br />

Fördertechnik erlaubt die Abschätzung des CO2-Ausstoßes für typische<br />

Tagebau- und Abbautechnologien im Vergleich zwischen kontinuierlichem<br />

und diskontinuierlichem Maschineneinsatz. Für diesen Zweck<br />

wird der gesamte Abbauvorgang in ’n’ Teilprozesse zerlegt, die jeweils<br />

einen Zerkleinerungs- und/oder Transportvorgang beinhalten.<br />

Eine allgemein gültige Berechnungsformel für den CO2-Ausstoß stellt<br />

sich folgendermaßen dar:<br />

n<br />

ECO2 = ∑Mi · (Ai · fAi · fMi · qi + zi) · fCO2 ,i<br />

i=1<br />

Mi zu transportierende Gesamt-Materialmasse in einem Teilprozess i<br />

Ai kürzester Abstand zwischen dem Massenschwerpunkt und dem<br />

Endpunkt der Transportstrecke im dreidimensionalen Raum<br />

fAi Der Transportlängenfaktor drückt das Verhältnis zwischen<br />

tatsächlicher Transportlänge je nach Abbautechnologie und<br />

dem kürzesten Abstand Ai aus. Der Wert wird empirisch ermittelt<br />

und ist beim Einsatz von Trucks in der Regel deutlich<br />

höher als von Bandanlagen.<br />

fMi Nutzlastfaktor als Verhältnis der gesamt zu transportierenden<br />

Masse zur Gesamt-Materialmasse Mi; Der Wert wird rechnerisch<br />

ermittelt und ist beim Einsatz von Trucks ca. doppelt so hoch<br />

wie bei Bandanlagen.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik | 57<br />

Bild 1 | Verlauf einer ’In-Pit Crushing’-Bandanlage im Tagebau<br />

qi<br />

zi<br />

Entfernungs- und massenbezogener Energie- bzw. Kraftstoffverbrauch<br />

für Materialtransport, der unter der Berücksichtigung<br />

der Steigung von Transportstrecken, Reibungszahlen bzw. Rollwiderständen,<br />

Wirkungsgraden und Auslastungsfaktoren zu<br />

ermitteln ist<br />

Massenbezogener Energie- bzw. Kraftstoffverbrauch für die<br />

Gewinnung und Zerkleinerung in dem Teilprozess i<br />

fCO2 ,i Umrechnungsfaktor der Energie- bzw. des Kraftstoffverbrauches<br />

in die erzeugte CO2-Masse; Dabei werden die länderspezifischen<br />

Werte für die Erzeugung elektrischer Energie und spezifische<br />

Werte bei der Verbrennung von Kraftstoff verwendet.


58 | Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik<br />

Zur Ermittlung der Reduktion der CO2-Emission beim Einsatz umweltfreundlicher<br />

Technologien wird bezüglich der gesamten Gewinnungskette<br />

oder nur einer Teilstrecke für die jeweiligen Alternativen der<br />

CO2-Ausstoß errechnet und die Differenz gebildet.<br />

Einsatz vollmobiler und semimobiler Brechanlagen<br />

Fallbeispiel 1<br />

In den letzten 2 Jahren wurde in Zusammenarbeit mit einem kasachischen<br />

Kupferproduzenten der Neuaufschluss einer Kupfererzlagerstätte<br />

geplant I Bild 2 I. Hier soll eine semimobile Brechanlagenvariante,<br />

die nur einen kurzen Truck-Shuttle-Betrieb erfordert, mit<br />

einer Stundenleistung von 8.000 t/h zum Einsatz kommen. Dies entspricht<br />

einer jährlichen Förderleistung von etwa 40 Mio t. Bei einer<br />

durchschnittlichen Transportentfernung von 0,75 km und einer Teufe<br />

von bis zu 600 m läge die Einsparung an CO2-Emissionen im Vergleich<br />

zu einem reinen Truck-Transport bei rund 150.000 t/a.<br />

Fallbeispiel 2<br />

Im Kohletagebau Yiminhe, China, ist im Herbst <strong>2007</strong> ein kontinuierliches<br />

Gewinnungs- und Transportsystem für die Kohlegewinnung in<br />

Betrieb gegangen I Bild 3 I. Eingesetzt wird hier eine vollmobile Brechanlage<br />

mit einer Stundenleistung von 3.500 t/h. Dies entspricht einer<br />

jährlichen Förderleistung von etwa 16 Mio t. Bei einer zurzeit im Tagebau<br />

bestehenden durchschnittlichen Transportentfernung der gewonnenen<br />

Kohle von 1,2 km liegt die Einsparung an CO2-Emissionen in<br />

Höhe von etwa 50.000 t/a.<br />

Fallbeispiel 3<br />

In den großen Ölsandlagerstätten Kanadas wird derzeit zumeist mit<br />

semi-mobilen Brechanlagen in Kombination mit Trucks im zuführenden<br />

Shuttle-Betrieb gearbeitet. Eine künftige Alternative wird der Einsatz<br />

vollmobiler Brechanlagen sein, die einen Truckeinsatz gänzlich erübrigen<br />

I Bild 4 I. ThyssenKrupp Fördertechnik unterzeichnete im<br />

Oktober einen ersten Vertrag zur Lieferung eines vollmobilen Brechers<br />

als Ersatz für das bestehende semi-mobile System. Für diese vollmobile<br />

Brechanlage mit einer stündlichen Förderleistung von 7.000 t/h<br />

(ca. 31 Mio t/a) errechnet sich bei einer durchschnittlichen Transportentfernung<br />

der Trucks zum semi-mobilen Brecher von zzt. 2,5 km<br />

eine Einsparung an CO2-Emissionen in Höhe von etwa 95.700 t/a.<br />

Fazit<br />

Die bisher gewonnenen Erkenntnisse deuten auf Reduzierungen des<br />

jährlichen CO2-Ausstoßes hin, die in großen Tagebauen in Größenordnungen<br />

von ca. 50.000 – 150.000 t/a liegen, bezogen auf den<br />

Einsatz eines alternativen kontinuierlichen bzw. eines kombinierten<br />

’In-Pit Crushing’-Systems. Wesentliche Faktoren, die zur CO2-Reduzierung<br />

beitragen, sind geringere Transportentfernungen, Senkung<br />

der insgesamt zu bewegenden Massen und Rollwiderstände sowie<br />

Nutzung elektrischer Energie.<br />

ThyssenKrupp Fördertechnik untersucht derzeit weitere Details der<br />

Einsparpotenziale an CO2-Emissionen durch den weltweiten Einsatz<br />

kontinuierlicher Tagebautechnik.<br />

Bild 2 | 3-D-Planung für den Abbau einer Kupfererzlagerstätte in Kasachstan<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 3 | Vollmobile Brechanlage für einen Kohletagebau in China<br />

Bild 4 | 3D-Simulation für eine vollmobile Brechanlage im kanadischen Ölsand<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik | 59


60 |<br />

| Luftbild des Werkes 1 von ThyssenKrupp Waupaca<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Kupolofen-Projekt –<br />

Reaktion auf den MACT-Standard<br />

WILLIAM POWELL (B.S. MET. E.) Direktor Schmelz- und Guss-Technologien | ThyssenKrupp Waupaca, Inc., Waupaca, Wisconsin/USA<br />

JEFFREY LOEFFLER (B.S. CH. E.) Umweltkoordinator | ThyssenKrupp Waupaca, Inc., Waupaca, Wisconsin/USA<br />

Das Werk 1 des Unternehmens ThyssenKrupp Waupaca nahm im Januar <strong>2007</strong> den Betrieb eines neuen<br />

Kupolofensystems zum Schmelzen von Eisen auf. Dieses bedeutende Projekt war die Reaktion auf neue<br />

Umweltbestimmungen für die US-Gussindustrie und bot gleichzeitig die Möglichkeit, die Produktion in<br />

dieser Anlage zu steigern.<br />

Überblick über das Werk 1<br />

Das Werk 1 von ThyssenKrupp Waupaca ist eine Eisengießerei in<br />

Waupaca, Wisconsin/USA. Es beschäftigt 550 Vollzeitarbeiter und ist in<br />

Gebäuden mit einer Gesamtfläche von ca. 17.000 m2 untergebracht.<br />

Jährlich werden ca. 200.000 Tonnen Gussteile an die Kunden geliefert.<br />

Das Werk gilt als Auftragsfertigungsgießerei mit einem breit<br />

gefächerten Kundenstamm u.a. aus der Automobil-, Landwirtschaftsund<br />

Bauindustrie.<br />

Das Werk arbeitet mit einem Kupolofen-Schmelzsystem, um das<br />

geschmolzene Eisen zu erzeugen, das in der Gießerei benötigt wird. Ein<br />

Kupolofen ist ein hoher, senkrecht stehender, feuerfest ausgemauerter<br />

zylindrischer Schacht. Zu Beginn eines Betriebszyklusses wird am<br />

Boden des Ofens ein Koksbett gezündet. Nachdem eine nachhaltige<br />

Verbrennung erreicht ist, erfolgt die Beschickung mit Schrottmaterial<br />

von oben an der so genannten Gicht. Die Hitze des brennenden Kokses<br />

bringt das Schrottmaterial zum Schmelzen. Das geschmolzene Eisen<br />

fließt aus der Schmelzzone des Ofens aus einer Öffnung ab und wird<br />

abgestochen. Während des gesamten Schmelzvorganges, wird oben<br />

kontinuierlich Material (Schrottmetall und Koks) nachfüllt.<br />

Um die Verbrennung aufrechtzuerhalten, wird in der Schmelzzone<br />

mit hoher Geschwindigkeit Luft durch so genannte Winddüsen in den<br />

Ofen geblasen. Die Gebläseluft und die erzeugten Verbrennungsgase<br />

steigen im Kupolofen auf und werden durch einen seitlichen Auslass-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

kanal in das Emissionsbegrenzungssystem geleitet. Das ursprüngliche<br />

’Emission Control System’ bestand aus einer Verbrennungskammer,<br />

um Gase auf Kohlenstoffbasis zu verbrennen, gefolgt von<br />

einem Nasswäscher und einem Filterkammersystem (Baghouse), die<br />

in einer Parallelanordnung betrieben wurden. Die Verwendung des<br />

Nasswäschers erforderte den Betrieb einer Abwasserkläranlage, von<br />

wo aus das gereinigte Wasser in den Fluss Waupaca geleitet wurde.<br />

Das ursprüngliche Emissionsbegrenzungssystem wies eine geprüfte<br />

Emissionsrate von 0,012 Feinstaubpartikeln pro Trockennormalkubikfuß<br />

(gr/dscf = grains/dry standard cubic foot) auf.<br />

Überblick über den MACT-Standard<br />

Im April 2004 gab die US-Umweltschutzbehörde EPA (Environmental<br />

Protection Agency) eine endgültige Verordnung heraus, um die<br />

Emissionen von giftigen Luftverunreinigungen aus Eisen- und Stahlgießereien<br />

zu reduzieren. Die Verordnung beinhaltet Emissionsgrenzen<br />

für Herstellungsprozesse und Anforderungen zur Prävention von<br />

Luftverunreinigungen, die darauf ausgelegt sind, Lufttoxine zu reduzieren.<br />

Gefährliche Luftverunreinigungen oder Lufttoxine sind Stoffe,<br />

von denen man weiß oder die in Verdacht stehen, dass sie Krebs oder<br />

andere Gesundheitsschäden verursachen. Die Verordnung enthält<br />

auch die Anforderung, dass bestehende Kupolofen-Schmelzsysteme<br />

nicht mehr als 0,006 gr/dscf Feinstaub abgeben dürfen. Die EPA<br />

| 61


62 | Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard<br />

entschied sich, Feinstaub stellvertretend für metallhaltige gefährliche<br />

Luftverunreinigungen zu regulieren.<br />

Als sie den MACT(Maximum Achievable Control Technology)-<br />

Standard entwickelte, richtete sich die EPA nach den Emissionsbegrenzungswerten,<br />

die von den leistungsbesten ähnlichen Quellen<br />

in der gesamten Gussindustrie erzielt wurden. Die neueren Kupolofensysteme<br />

des ThyssenKrupp Waupaca Werkes 5 in Tell City, Indiana<br />

und der Werke 2/3 in Waupaca, Wisconsin, wurden in der anfänglichen<br />

Bewertungsmaßnahme der EPA als diejenigen mit den besten<br />

Leistungen identifiziert. Diese Emissionswerte stellten den Maßstab<br />

dar und wurden als „MACT-Minimum” referenziert. Das MACT-Minimum<br />

für existierende Kupolofen-Gießereien bedeutet eine Begrenzung<br />

auf 0,006 gr/dscf.<br />

Seit April <strong>2007</strong> wird von allen U.S.-Gießereien verlangt, dass sie<br />

die MACT-Emissionsstandards einhalten. Das Werk 1 wäre mit seinem<br />

vorhandenen System nicht in der Lage gewesen, den neuen Standard<br />

einzuhalten und stand vor der Wahl, das vorhandene Kupolofenschmelzsystem<br />

gegen ein modernisiertes System auszutauschen oder<br />

auf das Elektroschmelzverfahren umzusteigen.<br />

Reaktion auf den MACT-Standard<br />

Der Entschluss, nach vorn zu gehen und das vorhandene Kupolofenund<br />

Emissionsbegrenzungssystem im Werk 1 zu modernisieren, war<br />

für ThyssenKrupp Waupaca keine schwere Entscheidung. Die Fähigkeit,<br />

den neuen MACT-Standard einzuhalten, war bereits in drei<br />

separaten Systemen innerhalb der unternehmenseigenen Gießereigruppe<br />

bewiesen worden. Die Basistechnologie und Betriebsparameter<br />

existierten bereits. Die Frage, ob der neue Standard mit vorhandener<br />

Technologie eingehalten werden kann, wurde eindeutig<br />

positiv beantwortet.<br />

Darüber hinaus wurden noch weitere Faktoren berücksichtigt,<br />

die den Erfolg des Projektes sicherstellen sollten. Bereits in einem<br />

frühen Stadium stand fest, dass der größte Teil der Infrastruktur des<br />

vorhandenen Systems wieder verwendet werden kann. Wichtige<br />

Komponenten wie z.B. Eisenbahngleise, Materialbeförderungskräne,<br />

Vorratsbehälter, Waagen und Transportkübel waren an Ort und Stelle<br />

vorhanden und in relativ gutem Betriebszustand, weshalb nur minimale<br />

Störungen der weiterlaufenden Produktion während des Projektes zu<br />

erwarten waren. Darüber hinaus standen Schrott- und andere<br />

Rohmateriallieferanten in etablierten Geschäftsbeziehungen mit<br />

ThyssenKrupp Waupaca. Die Rohmaterial-Lieferkette war auf den<br />

Einsatz in einem Kupolofenschmelzbetrieb eingerichtet und zugeschnitten.<br />

In vielen Fällen belieferten speziell zugeordnete Verarbeitungsanlagen<br />

die Kupolofenschmelzanlage, weshalb bei einem<br />

neuen System keine Veränderungen im Materialfluss oder in der qualitativen<br />

Ausbildung notwendig waren. Ferner sind die Beschäftigten<br />

und das Management gleichermaßen gut geschult und vertraut mit<br />

dem Kupolofenschmelzprozess sowie mit den Wärmerückgewinnungsund<br />

Trocken-Gasreinigungssystemen. Wegen dieser Faktoren lag die<br />

Entscheidung nahe, den Kupolofenschmelzprozess beizubehalten<br />

und ein Baghouse-Emissionsbegrenzungssystem mit Wärmerückgewinnung<br />

zu installieren.<br />

Projektziele und Systemdesign<br />

Das Ziel des Projektes bestand nicht einfach nur darin, ein anderes<br />

MACT-gerechtes Abgasreinigungssystem zu installieren, sondern auch<br />

Verbesserungen an den bisher installierten Systemen vorzunehmen.<br />

Sicherheit steht bei <strong>Thyssenkrupp</strong> Waupaca stets an erster Stelle,<br />

und hatte auch bei diesem Projekt oberste Priorität. Das Schmelzen<br />

im Kupolofen gilt als das sicherste Schmelzverfahren, dennoch gab<br />

es Verbesserungspotenziale. Die An- und Abtransportwege im Umkreis<br />

des Kupolofens wurden erweitert. Wasserkühlungszonen mit Kühlmänteln<br />

wurden entfernt und durch Kaskadenkühlsysteme ersetzt.<br />

Bei der früheren Bauweise der Wärmetauscher ist die Möglichkeit<br />

eines Brandes stets präsent, weil dabei Thermalöl als Wärmeträger<br />

dient. Bei der neuen Bauweise wurde das leicht brennbare Thermalöl<br />

durch ein inertes Glykol-Wasser-System ersetzt. Glykol hat eine<br />

geringere Wärmekapazität, einen niedrigeren Siedepunkt und eine<br />

geringere Wärmeleitfähigkeit. Der Kompromiss, der für eine höhere<br />

Sicherheit des Wärmeübertragungssystems eingegangen wurde,<br />

bestand in größeren Wärmetauschern, höheren Pumpraten und einem<br />

größeren Fluidspeicherbedarf.<br />

Die Steuerung und Überwachung dieses Systems wurden schon<br />

in einer frühen Phase des Designs berücksichtigt. Die schnelleren<br />

Computersysteme heutiger Generation lassen größere Datenerfassungs-<br />

und Datenhaltungskapazitäten zu. Eine bessere Datenanalyse<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Abzugskamin<br />

führt zu einem besseren Verständnis der Systemvorgänge, einer verbesserten<br />

operativen Steuerung und potenziell größeren Energiewirkungsgraden<br />

mit entsprechenden Kosteneinsparungen.<br />

| Bild 1 | zeigt eine Computerdarstellung des Kupolofensystems,<br />

das im Werk 1 installiert ist. Der Gasauslassbereich des Kupolofens<br />

stellt ein multi-funktionelles Segment des Ofenschachtes dar, durch<br />

das Schrottmetall in den Kupolofen aufgegeben werden kann und<br />

die heißen Gase aufgefangen und zum Gasreinigungssystem geleitet<br />

werden können. Der Luftstrom muss eine ausreichende Geschwindigkeit<br />

aufweisen, um die Schmutz- und Gasvolumina abzuführen. Diese<br />

darf jedoch nicht zu hoch sein, da sonst leichte Metallteilchen aus<br />

dem Beschickungsmaterial mitgerissen werden würden. Noch ent-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Rückgewinnungssystem<br />

Baghouse-Filterkammer<br />

Bild 1 | Hauptkomponenten des neuen Schmelzemissionssystems<br />

Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard | 63<br />

Verbrennungskammer<br />

Grobkornabscheider<br />

Kupolofen<br />

scheidender ist dabei, dass die brennbaren Kupolofengase mit der<br />

eintretenden Luft aufgrund der Bauweise in einem solchen Verhältnis<br />

gemischt werden, dass sich keine explosive Mischung aus Sauerstoff<br />

und Kohlenmonoxidgas aufbauen kann.<br />

Die Kühlwassermäntel des Kupolofens wurden entfernt, um zu<br />

verhindern, dass Wasser in den Kupolofen migrieren kann, wenn<br />

ein Riss im Stahlmantel auftreten sollte. Wenn Wasser diesen hohen<br />

Temperaturen ausgesetzt wird, zerfällt es und bildet potenziell explosives<br />

Wasserstoffgas.<br />

Die zweite Prozesskomponente ist der Grobkornabscheider. Er hat<br />

die Aufgabe, größere und schwerere Partikel aus dem Gasstrom zu<br />

entfernen. Er ist so gebaut, dass die Partikelgeschwindigkeit ohne zu


64 | Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard<br />

starken Druckabfall im System reduziert wird. Der Trichterbereich ist<br />

glatt und hat steile Seitenwände, um eine Brückenbildung der herausfallenden,<br />

sehr heißen körnigen Partikel zu verhindern, wodurch sie über<br />

ein Pendelklappenventil leicht aus dem System austreten können.<br />

Die dritte Hauptkomponente ist der schwerste Teil des Systems –<br />

eine Gas-Verbrennungskammer mit niedrigem Wärmewert. Die Aufgabe<br />

der Verbrennungskammer besteht darin, die hohen Kohlenmonoxidanteile<br />

(CO) im Abgas zu verbrennen und in das weniger<br />

umweltschädliche Kohlendioxid (CO2) zu verwandeln. Bei dem Verbrennungsprozess<br />

werden große Wärmemengen frei, die sich für<br />

eine Rückgewinnung in nachgelagerten Systembereichen eignen.<br />

Die vierte Hauptkomponente ist der Abwärmeverwerter und Gaskühlturm.<br />

Der Gasstrom muss von der Verbrennungstemperatur von<br />

800-850 °C auf eine Temperatur abgekühlt werden, die für einen<br />

Filterkammerbetrieb geeignet ist, d.h. auf 180-225 °C. Diese Temperaturverringerung<br />

ist notwendig, damit die Staubfiltermedien in<br />

den Filterkammern nicht beschädigt werden. Überschüssige Wärme<br />

aus dem Gasstrom des Kupolofens wird über ein geschlossenes<br />

Glykol-Kreislaufsystem abgeleitet, das ähnlich funktioniert wie der<br />

Kühler eines Autos. | Bild 2 | zeigt das Glykolsystem, das sich auf dem<br />

Dach des Werkes 1 befindet.<br />

Die Abgaskühlung erfolgt mit einem primären Luft-Luft-Wärmetauscher.<br />

Diese Luft wird benutzt, um die Verbrennungsprozessluft<br />

zu erhitzen, die in dem Kupolofen zum Schmelzen des Eisenschrottes<br />

dient. Ein Teil der enthaltenen Hitze wird über Luft-Flüssigkeits-Kühlrohre<br />

auf den Flüssig-Glykolkreislauf übertragen. Diese erhitzte<br />

Flüssigkeit enthält Energie in einer Form, die zurückgewonnen und<br />

in einer Vielzahl von Nebenprozessen verwendet werden kann, z.B.<br />

zur Gebäudeheizung oder zur Erzeugung von elektrischem Strom.<br />

Die jetzt abgekühlte Abluft tritt in die letzte Systemkomponente<br />

ein, den Filterkammer-Staubabscheider. Der Gasstrom enthält noch<br />

feine Staubpartikel und muss durch Gewebemedien gefiltert werden,<br />

um die Feinstaubanteile vor der Ableitung in die Atmosphäre zu entfernen.<br />

Eine Filterkammer ist nichts anderes als ein Stahlkasten mit<br />

einer Reihe von Gewebefiltern, die an aufgehängten Stahlkäfigen<br />

befestigt sind und als Rahmen für die Filtermedien dienen.<br />

Die letzten Hauptsystemkomponenten sind der Saugventilator<br />

und der Abluftkamin. Der hohe Kamin ist so gebaut, dass er die<br />

Verteilung der winzigen Restpartikel in die Atmosphäre unterstützt,<br />

die in den gefilterten Abgasen enthalten sind. | Bild 3 | zeigt den<br />

unteren Teil des Abluftkamins.<br />

Ergebnisse<br />

Bild 2 | Glykolkühlsystem für überschüssige Wärme<br />

Die Installation des neuen Kupolofen- und Emissionsbegrenzungssystems<br />

wurde im Januar <strong>2007</strong> abgeschlossen. Die Emissionsprüfung<br />

wurde im Juni <strong>2007</strong> durchgeführt, um die Einhaltung des MACT-<br />

Standards zu verifizieren. In | Bild 4 | werden die Prüfergebnisse vom<br />

Juni mit den Anforderungen des MACT-Standards und den Leistungen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 3 | Abluftkamin<br />

des vorherigen Begrenzungssystems verglichen. Die Prüfung zeigt,<br />

dass das neue System mit einer Feinstaubemissionsrate von nur<br />

0,0021 gr/dscf gut arbeitet, denn die MACT-Anforderungen werden<br />

um 65 % unterschritten. Die Emissionen des neuen Systems sind<br />

5,7 Mal niedriger als beim alten System, was eine bedeutende Verbesserung<br />

für die Umwelt bedeutet.<br />

Außerdem wurde durch die Umwandlung des Kupolofen-Emissionsbegrenzungssystems<br />

in ein vollkommen trocken arbeitendes Gewebefiltersystem<br />

der Betrieb der Abwasserkläranlage unnötig: es werden<br />

keine Abwässer mehr in den Fluss Waupaca geleitet. Dies befreit das<br />

Werk von diesbezüglichen Umweltverpflichtungen und reduziert den<br />

Wasserverbrauch der Anlage um mehr als 380.000 Liter pro Tag.<br />

Der Wegfall der Abwasserbehandlung führte darüber hinaus zu Einsparungen<br />

bei den Arbeitsstunden und Wartungskosten.<br />

Das gesamte System hat primär die Funktion, die Verbrennungsgase<br />

zu reinigen, den eingefangenen Staub zu neutralisieren und<br />

den CO-reichen Luftstrom in CO2 umzuwandeln. Bei guter Durchführung<br />

winkt als Belohnung die Energierückgewinnung. Seit vielen<br />

Jahren übersteigt die zur Verfügung gestellte Energie die rückgewinnbare<br />

Energie beim Schmelzbetrieb im Kupolofen. Der nächste Schritt<br />

bestand darin, den sehr hohen Temperaturanteil des Abgasstromes<br />

zurückzugewinnen, um gasgefeuerte Lufterhitzer durch Prozessluft<br />

ersetzen zu können. Die übrigen, weniger heißen Gase erwisen sich<br />

für die Wärmerückgewinnung als unwirtschaftlich. Durch die Entwick-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

lung besserer Wärmerückgewinnungstürme und praktikabler Flüssig-<br />

Flüssig-Wärmetauscher steht rückgewonnene Wärme für die Raumheizung<br />

von Werken zur Verfügung, die sich in kalten Klimazonen<br />

befinden. Mehrere Anlagen von ThyssenKrupp Waupaca setzen<br />

diese Technologie heute ein. Als weitere Option kommt in Frage, die<br />

Abwärme in elektrische Energie umzuwandeln, wofür die Niedertemperatur-Niederdruck-Turbinensysteme<br />

verwendet werden können, die<br />

gerade auf den Markt kommen. ThyssenKrupp Waupaca führt zurzeit<br />

eine technische Machbarkeitsstudie durch, um die Realisierbarkeit<br />

eines Systems zur Umwandlung von Abwärme in Energie zu prüfen.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard | 65<br />

Feinstaubemissionen-Vergleich<br />

MACT-Standard 0,006 gr/dscf<br />

Altes System Werk 1 0,012 gr/dscf<br />

Neues System Werk 1 0,0021 gr/dscf<br />

35 % des MACT-Standards, Verbesserung um 570 %<br />

Bild 4 | Prüfergebnisse<br />

ThyssenKrupp Waupaca gilt als Technologieführer bei der Reinigung<br />

von Abgasströmen und der Wärmerückgewinnung in der Gussindustrie.<br />

Frühzeitige Installationen von Systemen auf Basis dieser<br />

Technologien haben das Unternehmen in die Lage versetzt, Verfeinerungen<br />

im Equipment-Design und Verbesserungen der Betriebszuverlässigkeit<br />

voranzutreiben. Die Wärmerückgewinnung hat zu<br />

zahlreichen Kostenreduzierungen geführt, die die Betriebskosten der<br />

Gießerei insgesamt verringern.<br />

Erfolgreiche Installationen, wie z.B. das im Werk 1 abgeschlossene<br />

Projekt, werden ThyssenKrupp Waupaca in die Lage versetzen, in<br />

den nächsten Jahrzehnten auf eine nachhaltig umweltfreundliche<br />

Weise zu wachsen.


66 |<br />

| Windenergieanlagen mit Großwälzlagern von Rothe Erde<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


CO2-freie Energieumwandlung dank<br />

Rothe Erde Großwälzlager<br />

DR.-ING. UWE BREUCKER Hauptabteilungsleiter Qualitätsmanagement, Forschung und Erprobung | Rothe Erde GmbH, Lippstadt<br />

Eine Form der CO2-freien Energieumwandlung liefert die Windtechnik, welche die kinetische Energie des<br />

Windes in elektrische Energie umsetzt. Rothe Erde hat diese Technik bereits im Entwicklungsstadium<br />

begleitet. Das Lieferprogramm für Windkraftanlagen umfasst wichtige Komponenten, wie z.B. Blattlager,<br />

Turmlager und Rotorlager. Technische Lösungen für Forderungen, wie Minimierung der Riffelbildung,<br />

Optimierung des Schmierstoffes und der Abdichtung sowie hoher Korrosionsschutz, sind im FuE-Zentrum<br />

von Rothe Erde erarbeitet worden. Die Dimensionierung der Großwälzlager erfolgt mittels eigens entwickelter<br />

Finite-Elemente Software. Auch in andere Gebiete der CO2-freien Stromerzeugung, wie Gezeitenströmungen<br />

und Solartechnik, haben Großwälzlager von Rothe Erde Einzug gefunden.<br />

Einführung<br />

Das mit menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbare Gas CO2 belastet<br />

unsere Umwelt. Dies wird dadurch hervorgerufen, dass ein vermehrter<br />

Anteil dieses Gases in der Atmosphäre eine Erwärmung der Erde<br />

nach sich zieht, was nach Expertenmeinung zu einem Abschmelzen<br />

der Eiskappen an den Polen und damit zu einer Überflutung von<br />

Küstengebieten führt. Darüber hinaus wird die fortschreitende Erwärmung<br />

für das zunehmende Auftreten von Orkanen und Sturmfluten<br />

verantwortlich gemacht.<br />

Die Erdbevölkerung ist von 1960 bis heute auf mehr als das<br />

Doppelte angewachsen. Zu deren Versorgung ist entsprechend viel<br />

Energie notwendig. Ohne ausreichenden Zugriff auf Energie können<br />

wir nicht überleben. Aber hier ist man heutzutage immer noch zum<br />

überwiegenden Teil auf die chemische Energieumwandlung in Form<br />

von Verbrennung fossiler Stoffe angewiesen, was die CO2-Produktion<br />

bekanntermaßen erhöht.<br />

Energie kann man weder erzeugen noch vernichten, sondern<br />

lediglich umwandeln. Eine Form der Energieumwandlung, die ohne<br />

chemische Verbrennungsreaktion abläuft, ist die Umsetzung der<br />

kinetischen Energie des Windes in elektrische Energie. Die Anfänge<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

| 67<br />

der Windtechnik gehen zurück auf die 80er Jahre. Die damals öffentlich<br />

geförderte Windkraftanlage GROWIAN (Große Windkraftanlage)<br />

galt lange Zeit als die weltweit größte. Sie war zwar zum Teil noch<br />

mit Problemen behaftet, jedoch konnte sie auch mit vielen Neuentwicklungen<br />

aufwarten. In den letzten 20 Jahren hat sich diese Technik<br />

vom Garagenhofdasein zu einem stattlichen Industriezweig entwickelt.<br />

Momentan werden in Deutschland 5 % des Stromes durch<br />

Windkraft erzeugt.<br />

Rothe Erde hat die Entwicklung der Windtechnik von Beginn an<br />

mit seinen Produkten begleitet. Der Wind ist variabel, sowohl von<br />

der Stärke als auch von der Richtung her. Hierauf muss sich eine<br />

Windenergieanlage einstellen. Dazu sind folgende konstruktive Maßnahmen<br />

erforderlich:<br />

1. Blattlager ermöglichen die optimale Anströmung der Rotorblätter.<br />

2. Die gesamte Rotorblattebene muss zum Wind hin ausgerichtet<br />

sein. Hierfür finden Turmlager Anwendung.<br />

3. Der Rotorkopf, der den Generator antreibt, muss gelagert werden.<br />

Hierzu werden Rotorlager verwendet.<br />

Daraus ergeben sich in einer Windenergieanlage drei Lagerstellen,<br />

die für Rothe Erde Großwälzlager prädestiniert sind | Bild 1 |.


68 |<br />

Bild 1 | Einsatz von Rothe Erde Großwälzlagern in Windenergieanlagen<br />

Rotorlager<br />

Großwälzlager als dreireihiges<br />

Zylinder-Rollenlager oder<br />

als zweireihiges Kegel-Rollenlager<br />

mit Spezialdichtungen<br />

Turmlager<br />

Großwälzlager als<br />

Kugellager mit<br />

Spezialdichtungen<br />

Blattlager<br />

Großwälzlager<br />

als vorgespanntes<br />

Kugellager mit<br />

Spezialdichtungen<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 2 | Blattlager im Querschnitt<br />

Blattlager<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Verzahnung<br />

Dichtung<br />

Innenring<br />

Das Gros der Windenergieanlagen hat eine Nennleistung zwischen<br />

1,5 MW und 2 MW und besitzt 3 Rotorblätter. Der von den Blättern<br />

überstrichene Rotordurchmesser beträgt in diesem Leistungsbereich<br />

ca. 70 m, d.h. ein Blatt hat eine ungefähre Länge von 34 m (exklusive<br />

Nabenradius).<br />

Blattlager gestatten dem Flügelprofil, einen anderen Anstellwinkel<br />

einzunehmen. Das Flügelprofil selbst erfährt eine Anströmung, die<br />

sich vektoriell aus Windgeschwindigkeit und Umfangsgeschwindigkeit<br />

des Blattes addiert. Von ausschlaggebender Bedeutung für den<br />

Wirkungsgrad der Anlage ist, dass diese Anströmung optimal erfolgt.<br />

Hierzu muss das Blattprofil je nach Stärke des Windes relativ zur<br />

Anströmung verstellt werden.<br />

Weiterhin gewährleisten Blattlager, dass bei Stillstand der Anlage<br />

das Flügelprofil in eine auftriebsfreie Position verstellt werden kann. Dies<br />

ist unbedingt notwendig, um Rotoren dieser Größenordnung abzubremsen.<br />

Der Winkel beträgt dann etwa 90° relativ zur Betriebsstellung.<br />

Konstruktiver Aufbau<br />

Die hier eingesetzten Blattlager zeichnen sich dadurch aus, dass sie<br />

eine Kombination aus Axial- und Radialkraft sowie ein Kippmoment<br />

CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager | 69<br />

übertragen können. Im | Bild 2 | erkennt man, dass die beiden<br />

Lagerringe durch Schrauben mit den umgebenden Konstruktionen<br />

verbunden werden. Vom Laufbahnsystem her sind die Lager als so<br />

genannte Doppelvierpunktlager ausgebildet.<br />

Je Ring und Wälzkörperreihe existieren 2 Laufbahnen, die einen<br />

etwas größeren Radius als den der Kugel besitzen. Die Laufbahnen<br />

selbst sind induktiv oberflächengehärtet. Der Mechanismus der Lastübertragung<br />

wird deutlich, wenn man sich das Lager mit dem angeschlossenen<br />

Blatt in 9-Uhr-Position vorstellt | Bild 3 |. Das aus der<br />

Eigenlast des Blattes resultierende Kippmoment wird in der unteren<br />

Hälfte durch die Bahnen A und D „aufliegend“, in der oberen Hälfte<br />

durch die Bahnen B und C „abhebend“, d.h. unter Beanspruchung<br />

der Schraubverbindung übertragen. Die reine Eigenlast des Blattes<br />

wird in der unteren Hälfte über die Bahnen C und D abgesetzt. Beim<br />

Durchlauf des Blattes von der 9-Uhr- in die 3-Uhr-Position kommt<br />

es zu einem Wechsel der lastübertragenden Kontakte jeweils in die<br />

andere Bahn.<br />

Riffelbildung<br />

Bohrungen für Schraubverbindung<br />

Außenring<br />

Fettablaufbohrung<br />

Schmierstoffzufuhr<br />

Durchgangsbohrung<br />

für Lagerverschraubung<br />

Walzkörper<br />

Käfig<br />

Während einer Umdrehung des Rotors werden bei heutigen Anlagen<br />

die Anstellwinkel nicht verstellt. Aber während dieser Umdrehung


70 | CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager<br />

wechselt die Richtung der Lastübertragung von einem Bahnpaar in<br />

das andere, wobei der Wälzkörper in Position bleibt. Diese Art der<br />

Kontaktstellenbeanspruchung erzeugt Riffelbildung oder auch ’false<br />

brinelling’ genannt, eine Art von Reibverschleiß. Riffelbildung ist<br />

nicht grundsätzlich vermeidbar, aber man kann sie eindämmen.<br />

Konstruktiv geschieht dies dadurch, dass die Lager ohne Spiel, d.h.<br />

mit Vorspannung montiert werden.<br />

Schmierung<br />

Eine weitere Maßnahme, die Riffelbildung zu minimieren, liegt in der<br />

sorgfältigen Auswahl des Schmierstoffes. Da keine Wälzbewegung,<br />

die die Kugel mit immer neuem Schmierstoff benetzen würde, vorliegt,<br />

muss ein Fett mit hoher Ölabgabe aus der Seife bei gleichzeitig<br />

gutem Korrosionsschutzverhalten gewählt werden. Die Nachschmierung<br />

mit Frischfett erfolgt über eine Vielzahl von Fettbohrungen. Hierzu<br />

werden in der Regel automatisch arbeitende Dosiereinrichtungen<br />

verwendet. Zwischen den Fettzulaufbohrungen befinden sich Ablaufbohrungen,<br />

durch die verbrauchter und überschüssiger Schmierstoff<br />

in speziell angebrachte Auffangbehälter abgeleitet und während der<br />

nächsten planmäßigen Wartung entsorgt wird. Für eine Bewertung<br />

Blatt Position 9 Uhr<br />

Blatt Position 3 Uhr<br />

Bild 3 | Belastung Blattlager in 3- und 9-Uhr-Position relativ zur Rotornabe<br />

Bild 4 | Prüfaufbau Riffeltest<br />

des Schmierstoffes hat Rothe Erde einen eigenen Riffeltest entwickelt.<br />

Es wird ein genormtes Prüflager mit dem zu untersuchenden Schmierstoff<br />

gefüllt und in einem Pulsator 106 Be- und Entlastungen ausgesetzt.<br />

Gleichzeitig wird durch das Prüflager ein vorgegebener<br />

Volumenstrom an Salzwasser geleitet. Nach Beendigung des Tests<br />

werden der Korrosionszustand des Testlagers sowie die Riffeltiefe<br />

bewertet und mit internen Mindestvorgaben verglichen | Bild 4 |.<br />

Dichtsystem<br />

Zuführung Salzlösung<br />

1 % Salzlösung<br />

Aus der Forderung einer guten Schmierung des Wälzsystems erwächst<br />

eine weitere Forderung: die Abdichtung des Lagerinnenraumes nach<br />

außen. Zwei Situationen sind zu vermeiden: Zum einen der Durchtritt<br />

des Fettes durch die Dichtung nach außen und zum anderen das<br />

Eindringen von Staub und Regenwasser ins Innere. Rothe Erde hat<br />

hierfür eine zweilippige Spaltabdichtung entwickelt | Bild 2 |.<br />

An den Dichtungswerkstoff selbst werden hohe Anforderungen<br />

gestellt. Durch die Lastwechsel während einer Umdrehung atmet der<br />

Spalt zwischen Innen- und Außenring. Diese Spaltweitenänderung ist<br />

in der Regel in einem Temperaturbereich von – 25 °C bis + 50 °C vom<br />

Dichtungswerkstoff elastisch zu überbrücken. Hierbei muss die Wider-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


standsfähigkeit gegenüber Ozoneinwirkung gegeben sein. Geprüft<br />

werden die Dichtungen in ihrem elastischen Langzeitverhalten in einem<br />

speziell entwickelten Dichtungspulser, der so konzipiert ist, dass er<br />

in einer Klimakammer unterschiedlichste Temperaturbereiche durchfahren<br />

kann | Bild 5 |.<br />

Korrosionsschutz<br />

Die Wälzlagerringe sind aus dem Vergütungswerkstoff 42CrMo4 hergestellt.<br />

Unter normalen Witterungsbedingungen und ganz besonders<br />

in seenahen Landstrichen mit salzhaltiger Luft neigt der Werkstoff zur<br />

Korrosionsbildung. Um die den Umgebungseinflüssen ausgesetzten<br />

Oberflächen zu schützen, wird ein Korrosionsschutz aus Zink mittels<br />

Flammspritzverfahren aufgebracht. Dabei wird eine Zinkelektrode<br />

abgeschmolzen und der flüssige Zinktropfen mit hoher Geschwindigkeit<br />

auf die Ringoberfläche aufgespritzt | Bild 6 |. Eine Vorbehandlung<br />

der Oberfläche durch Strahlen ist dabei ein unabdingbares Muss.<br />

Die Oberflächenbehandlung erfolgt, nachdem die Ringe mechanisch<br />

fertigbearbeitet sind. Dies bedingt, dass nicht zu beschichtende<br />

Oberflächen sorgfältig vor dem Eindringen von Strahlgut zu schützen<br />

sind. Die Schichtdicke beträgt zwischen 100 und 200 µm und erfüllt<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Käfigjustierung<br />

Abfluss Salzlösung<br />

CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager | 71<br />

Bild 5 | Dichtungspulser<br />

mit zusätzlicher Deckschicht die Anforderungen für schweren Korrosionsschutz<br />

nach DIN EN ISO 12944 Teil 6. Darüber hinaus liefert<br />

das Zink aufgrund seiner Lage in der elektrischen Spannungsreihe<br />

einen kathodischen Schutz bei Ritzverletzung der Schicht.<br />

Dimensionierung<br />

Eine besondere Bedeutung kommt der Dimensionierung des Blattlagers<br />

zu. Die vom Blatt vornehmlich über den Innenring in das Wälzsystem<br />

eingeleiteten Lasten werden dann weiter vom Außenring in<br />

die Nabe abgeleitet. Der Anschlussflansch der Nabe weist aufgrund<br />

seiner Formgebung über seinem Umfang stark variierende Steifigkeiten


72 | CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager<br />

auf. Dies bestimmt zusammen mit der entsprechenden Steifigkeit<br />

des Blattanschlusses rückwirkend wieviel Last jeder Wälzkörper überträgt.<br />

Die Berechnung der Lastverteilung in den Wälzkörperreihen aus<br />

den vorgegebenen Blattlasten ist mit analytischen Methoden nur sehr<br />

bedingt möglich.<br />

Ein zweites, direkt damit zusammenhängendes Dimensionierungsproblem<br />

bildet die Schraubverbindung. Bei abhebender Belastung ist<br />

eine Spaltöffnung zwischen Anschlussflansch und Lagerring denkbar.<br />

| Bild 7 | zeigt die Verhältnisse anhand einer einfachen Flanschanbindung.<br />

Die von der Kugel übertragene Wälzkörperkraft hat eine<br />

exzentrische Komponente zur Schraubenachse. Dadurch wird in die<br />

Schraubverbindung neben einer zentrisch wirkenden Zugkraft zusätzlich<br />

ein Biegemoment als Betriebslast eingetragen. Tritt ein Klaffen in<br />

der vorgespannten Verbindung auf, kommt es zu einer gravierenden<br />

Umverteilung durch Entlasten der verspannten Platten und Zusatzbeanspruchungen<br />

in der Schraube, was entscheidend die Dauerhaltbarkeit<br />

der Verbindung beeinflusst. Um dieser Dimensionierungsaufgabe<br />

gerecht zu werden, hat Rothe Erde eigens ein Finite-Elemente(FE)-<br />

Programmsystem entwickelt, was die Lastverteilung im Lager und<br />

die Beanspruchung der Schraubverbindung unter Berücksichtigung<br />

gegebener Anschlusssteifigkeiten berechnet.<br />

Bild 6 | Zinkflammspritzen<br />

Das System weist den besonderen Vorteil auf, dass die 3 Teilsysteme<br />

äußerer Lageranschluss (hier Rotornabe),<br />

Blattlager und<br />

innerer Lageranschluss (hier Blattanschluss)<br />

als separate FE-Modelle erstellt werden können. Die Anschlusssteifigkeiten<br />

von Blatt und Nabe werden dem Modell der Drehverbindung<br />

überlagert und liefern als Ergebnis die oben genannten Größen.<br />

| Bild 8 | zeigt das FE-Modell eines Nabenanschlusses.<br />

Turmlager<br />

Anschlusskonstruktion<br />

(z.B. Blatt)<br />

Fugen öffnen<br />

Fugen öffnen<br />

Anschlusskonstruktion<br />

(z.B. Nabe)<br />

Bild 7 | FE-Modell Lager-Flanschanschluß<br />

Turmlager gewährleisten, dass die Rotorblattebene stets zum Wind hin<br />

ausgerichtet ist. Sie tragen das gesamte Maschinenhaus mit Generator,<br />

Hilfseinrichtungen und den Rotor. In der Regel ist das Maschinenhaus<br />

kopflastig, die Momentenbelastung auf das Lager wechselt auch<br />

im Betrieb ihr Vorzeichen nicht. Mit den Blattlagern gemein ist, dass<br />

Schwenkbewegungen eher selten auftreten. Wegen des Fehlens der<br />

wechselnden Belastung können als trennendes Element zwischen den<br />

Wälzkörpern Kunststoffzwischenstücke statt Käfige verwendet werden.<br />

Auch ist bei Turmlagern das Phänomen der Riffelbildung nicht zu<br />

beobachten. Hinsichtlich Abdichtung und Korrosionsschutz sind die<br />

Forderungen mit denen von Blattlagern identisch.<br />

M<br />

Schrauben<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 8 | FE-Modell Nabenanschluß Bild 9 | Prüfstand für Rotorlager<br />

Rotorlager<br />

Bei Rotorlagern ist die Situation eine gänzlich andere. Hier sind<br />

Überrollungen gefragt. Zum Einsatz kommen Rollenlager, die wegen<br />

ihrer Linienberührung im Wälzkontakt bei gleicher Last eine geringere<br />

Flächenpressung als Kugeln haben und daher in der Berechnung eine<br />

wesentlich höhere Lebensdauer aufweisen. Es kommen 3-reihige<br />

Rollendrehverbindungen oder alternativ Kegelrollenlager zur Anwendung.<br />

Mit der ersten Bauform hat Rothe Erde bei der Schildlagerung<br />

von Tunnelbohrmaschinen gute Erfahrungen gemacht.<br />

Die Laufbahnen sind mit Hilfe eines aufwendigen Härteverfahrens<br />

’schlupffrei’ gehärtet. Im Gegensatz dazu verbleibt bei der gewöhnlich<br />

angewandten Vorschubhärtung eine schmale, ungehärtete<br />

Restlücke (Schlupf), die durch Hinterschleifen als nicht tragender<br />

Bereich konstruiert ist.<br />

In der Regel findet eine Ölumlaufschmierung Anwendung. Damit<br />

soll eine hydrodynamische Schmierfilmbildung zwischen den relativ<br />

zueinander bewegten Teilen erzielt werden – mit dem Nebeneffekt<br />

einer guten Wärmeabfuhr aus dem Lager. Um den Verschleiß an<br />

den Käfigen zu minimieren, wird als Werkstoff Bronze eingesetzt.<br />

Als Abdichtung kommen überdimensionale Radial-Wellendichtringe<br />

zur Anwendung.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager | 73<br />

Rotorlager liegen in einem Durchmesserbereich von ca. 1,6 m bis<br />

2,5 m. Um einen störungsfreien Betrieb dieser Lager im Feld sicherzustellen,<br />

hat Rothe Erde einen Prüfstand konzipiert, der die Prüfung<br />

der Lager in Originalgröße unter realen Belastungszuständen ermöglicht<br />

| Bild 9 |.<br />

Ausblick<br />

Außer der kinetischen Energie des Windes ist auch möglich, die<br />

kinetische Energie des Wassers in Meeres- und Gezeitenströmungen<br />

zu nutzen. Wegen der enorm höheren Dichte des Wassers sind die<br />

Blätter der Rotoren um einige Größenordnungen kleiner. Prototypen<br />

derartiger Anlagen laufen in 20 m Wassertiefe vor der Küste Schottlands<br />

– ausgerüstet mit Rothe Erde Blattlagern. Als Kernpunkt der<br />

Entwicklungsarbeit erscheint hier die Abdichtung des Laufsystems.<br />

In den letzten Jahren hat die Solartechnik als weitere CO2-freie<br />

Energieumwandlung an Bedeutung zugenommen. Auch hier haben<br />

Rothe Erde Großwälzlager Einzug gefunden. Auf ihnen sind große<br />

Tafeln mit Solarzellen montiert, die dem Sonnenstand nachgeführt<br />

werden. Ähnlich wie in den Anfängen der Windtechnik sind diese<br />

Lager heute noch von einfacher Bauart.


74 |<br />

| Transrapid in München (Animation)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

| 75<br />

Transrapid – die Verkehrstechnik<br />

für umweltverträgliche Mobilität<br />

DR.-ING. FRIEDRICH LÖSER Geschäftsführung | ThyssenKrupp Transrapid GmbH, München<br />

DR. RER. NAT. QINGHUA ZHENG Leiter Systemtechnik | ThyssenKrupp Transrapid GmbH, München<br />

Mit der Realisierungsvereinbarung für das Transrapid-Projekt München<br />

Hauptbahnhof/Flughafen zwischen dem Freistaat Bayern, der Deutsche<br />

Bahn AG und dem Konsortium der System- und Bauindustrie wurde<br />

eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, dass die Transrapid-<br />

Technologie ihre vorteilhaften Eigenschaften auch in Deutschland unter<br />

Beweis stellen kann. Der Beitrag erläutert die für die Umweltverträglichkeit<br />

wesentlichen Eigenschaften bzgl. Schall-, Schadstoffemission<br />

sowie Energieeffizienz und stellt das Prototypfahrzeug TR09 vor.


76 | Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität<br />

Münchner Transrapid-Projekt<br />

Beim Umweltschutz setzen immer mehr Länder auf Technik aus<br />

Deutschland. Deutsche Solar- und Windenergie-Technologien sind<br />

international führend. Anlagen „Made in Germany“ leisten zum<br />

Beispiel weltweit einen stetig wachsenden Beitrag zur Reduzierung<br />

von Kohlendioxid (CO2). Durch ihren Export wurden in Deutschland<br />

bereits tausende von Arbeitsplätzen geschaffen.<br />

Mit dem Transrapid steht ein innovatives Bahnsystem bereit, das<br />

durch seine hohe Attraktivität noch mehr Autofahrer zum Umsteigen<br />

bringen und damit zur Schonung der Umwelt beitragen kann. Der<br />

bereits mehrjährige Einsatz des Transrapid in Shanghai, China hat<br />

gezeigt, das die bis zu 500 km/h schnelle Magnetschwebebahn konkurrenzlos<br />

leise ist und höchsten Sicherheitsstandards entspricht. Mit<br />

Unterzeichnung der Realisierungsvereinbarung für das Transrapid-<br />

Kohlendioxid (kg) Pkw allgemein<br />

Stickoxid (g)<br />

Schwefeldioxid (g)<br />

Taxi<br />

Airport-Bus<br />

S-Bahn**<br />

Magnetschwebebahn*<br />

Pkw allgemein<br />

Taxi<br />

Airport-Bus<br />

S-Bahn**<br />

Magnetschwebebahn*<br />

Pkw allgemein<br />

Taxi<br />

Airport-Bus<br />

S-Bahn**<br />

2,4<br />

2,0<br />

3,3<br />

2,6<br />

2,5<br />

Magnetschwebebahn* 3,2<br />

4,7<br />

3,8<br />

7,9<br />

7,5<br />

12,6<br />

Projekt München durch den bayerischen Ministerpräsidenten, den<br />

bayerischen Staatsminister, den Vorstandsvorsitzenden der Deutsche<br />

Bahn AG und die Vorstände des Konsortiums der System- und Bauindustrie<br />

am 24. September <strong>2007</strong> wurden die Signale auf Grün gestellt.<br />

Die beteiligten Industrieunternehmen sind davon überzeugt, dass<br />

die Realisierung dieses Projektes auch Schubkraft für den Technologiestandort<br />

Deutschland haben wird. Das Münchner Transrapid-<br />

Projekt wird ein bedeutendes Signal für die Leistungsfähigkeit und<br />

Wettbewerbsfähigkeit deutscher Ingenieure sein.<br />

Mobilität und Umwelt<br />

In nahezu allen großen Industrieländern stellt sich das gleiche Problem:<br />

Die Mobilität unserer Gesellschaft nimmt ständig weiter zu. Bei der<br />

Bewältigung der stetig wachsenden Verkehrsströme dürfen Mensch<br />

31,4<br />

47,5<br />

4,5 Nebenstehende Werte beziehen sich<br />

auf Schadstoffausstoß bei Erzeugung<br />

5,3<br />

des Betriebsstroms.<br />

Auf der Strecke hinterlässt die Magnetbahn<br />

keine Schadstoffe.<br />

Bild 1 | Umweltbilanz im Straßenverkehr (Angaben pro beförderte Person vom Hauptbahnhof zum Flughafen München)<br />

* Bayern-Strom-Mix: geringer Anteil an fossilen<br />

Brennstoffen bei der Stromerzeugung<br />

**bundesweiter Energiemix<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 2 | Trag- und Führsystem<br />

und Umwelt nicht auf der Strecke bleiben. Dies stellt auch hohe Anforderungen<br />

an den spurgeführten Verkehr, der attraktiver, leistungsfähiger,<br />

wirtschaftlicher und umweltverträglicher werden muss. Das<br />

macht den Transrapid, der diese Eigenschaften in vollem Maße erfüllt,<br />

zum Verkehrssystem für das 21. Jahrhundert I Bild 1 I.<br />

Berührungsfreie Technik<br />

Die Entwicklung und Einführung eines neuen Verkehrssystems wie der<br />

Magnetschnellbahn macht nur Sinn, wenn es auch unter ökologischen<br />

Aspekten Vorteile bietet und insgesamt zu einer Reduzierung der<br />

Umweltbelastung durch den Verkehr beiträgt. Beim Transrapid werden<br />

die Funktionen von Rad und Schiene, das Tragen, Führen, Antreiben<br />

und Bremsen durch ein berührungsfreies Schwebe- und Antriebssystem<br />

realisiert I Bild 2 I. Es beruht auf den sich anziehenden Kräften<br />

zwischen den im Fahrzeug angeordneten Elektromagneten und den<br />

Statorpaketen, die unterhalb des Fahrwegtisches installiert sind.<br />

Dabei ziehen die Tragmagnete das Fahrzeug von unten an den Fahrweg<br />

heran, die Führmagnete halten es seitlich in der Spur. Tragund<br />

Führmagnete sind beidseitig über die gesamte Fahrzeuglänge<br />

angeordnet. Ein hochzuverlässiges elektronisches Regelsystem stellt<br />

sicher, dass das Fahrzeug in einem gleichbleibenden Abstand von<br />

10 mm zu seinem Fahrweg getragen und geführt wird. Das Schwebesystem<br />

wie auch die Bordeinrichtungen werden während der Fahrt<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 77<br />

„Antreiben und Bremsen“<br />

berührungsfrei über Lineargeneratoren in den Tragmagneten mit<br />

Energie versorgt.<br />

Während des Aufenthaltes am Bahnsteig wird die Bordenergie<br />

durch eine berührungslose induktive Energieübertragung (Inductive<br />

Power Supply IPS) eingespeist. Daher benötigt der Transrapid weder<br />

Oberleitungen noch Stromabnehmer. Der Antrieb erfolgt mittels eines<br />

im Fahrweg befindlichen synchronen Langstatormotors. Seine Funktionsweise<br />

lässt sich von einem rotierenden Elektromotor ableiten,<br />

dessen Stator aufgeschnitten, gestreckt und an beiden Seiten unter<br />

dem Fahrweg verlegt wird. Der Strom in den Wicklungen erzeugt<br />

somit anstelle eines magnetischen Drehfeldes ein magnetisches<br />

Wanderfeld. Von ihm wird das Fahrzeug durch seine als Erregerteil<br />

wirkenden Tragmagnete berührungsfrei mitgezogen I Bild 3 I.<br />

Schallemission<br />

Tragen<br />

Antrieb<br />

Führen<br />

Die berührungsfreie Technik des Transrapid ermöglicht eine im<br />

Vergleich zu anderen Verkehrssystemen deutlich niedrigere Schallemission.<br />

Bei Geschwindigkeiten um 200 km/h entsteht ein nur durch<br />

die Aerodynamik geprägtes Schallempfinden, das einem Luftzug<br />

gleicht und kaum wahrnehmbar ist. Selbst bei höheren Geschwindigkeiten<br />

bleibt das Geräuschniveau moderat. So ist der Transrapid<br />

bei 300 km/h lediglich halb so laut wie ein Hochgeschwindigkeitszug<br />

und nicht lauter als eine S-Bahn I Bild 4 I. Die aerodynamischen


80<br />

S-Bahn<br />

73<br />

Transrapid<br />

82<br />

ICE<br />

80 km/h 200 km/h 300 km/h 400 km/h<br />

Bild 6 | Schallschutz (Angaben in dB(A) nach Magnetschwebebahn-Lärmschutzverordnung)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

85<br />

TGV<br />

Bild 4 | Schallemissionen im Vergleich, Vorbeifahrpegel in 25 m Abstand, Angaben in dB(A)<br />

39<br />

80<br />

Transrapid<br />

90<br />

ICE<br />

92<br />

TGV<br />

88,5<br />

Transrapid<br />

Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 79<br />

Bild 5 | Wesentliche Schallquellen am Transrapid<br />

44 54<br />

49<br />

44<br />

34 Schallschutz<br />

Messabstand zum Gebäude ca. 46 m<br />

Abschirmwall Abkommenschutzwall<br />

59<br />

Messabstand zum Gebäude ca. 60 m<br />

200 km/h 300 km/h 400 km/h<br />

Bild 7 | Schallschutzmaßnahmen Bild 8 | Spezifischer Energiebedarf, Angaben in Wattstunde (Wh) pro Sitzplatzkilometer<br />

24<br />

ICE<br />

22<br />

Transrapid<br />

46<br />

ICE<br />

34<br />

Transrapid<br />

39<br />

Bei Tempo 250 ist der<br />

Transrapid leiser als<br />

ein Lkw mit 50 km/h.<br />

mit ICE nicht erreichbar<br />

52<br />

Transrapid


80<br />

S-Bahn<br />

73<br />

Transrapid<br />

82<br />

ICE<br />

80 km/h 200 km/h 300 km/h 400 km/h<br />

Bild 6 | Schallschutz (Angaben in dB(A) nach Magnetschwebebahn-Lärmschutzverordnung)<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

85<br />

TGV<br />

Bild 4 | Schallemissionen im Vergleich, Vorbeifahrpegel in 25 m Abstand, Angaben in dB(A)<br />

39<br />

80<br />

Transrapid<br />

90<br />

ICE<br />

92<br />

TGV<br />

88,5<br />

Transrapid<br />

Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 79<br />

Bild 5 | Wesentliche Schallquellen am Transrapid<br />

44 54<br />

49<br />

44<br />

34 Schallschutz<br />

Messabstand zum Gebäude ca. 46 m<br />

Abschirmwall Abkommenschutzwall<br />

59<br />

Messabstand zum Gebäude ca. 60 m<br />

200 km/h 300 km/h 400 km/h<br />

Bild 7 | Schallschutzmaßnahmen Bild 8 | Spezifischer Energiebedarf, Angaben in Wattstunde (Wh) pro Sitzplatzkilometer<br />

24<br />

ICE<br />

22<br />

Transrapid<br />

46<br />

ICE<br />

34<br />

Transrapid<br />

39<br />

Bei Tempo 250 ist der<br />

Transrapid leiser als<br />

ein Lkw mit 50 km/h.<br />

mit ICE nicht erreichbar<br />

52<br />

Transrapid


80 | Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität<br />

Beschleunigungsstrecke bis 300 km/h Steigungsfähigkeit<br />

Transrapid<br />

HGV<br />

0 5 10 15 20 km<br />

0 5 10 15 20 km<br />

Vergleich Flächenbedarf [m 2/m]<br />

HGV<br />

2<br />

Bild 9 | Systemvergleich Transrapid/HGV (Hochgeschwindigkeitsverkehr, schienengebunden)<br />

Brandschutz erfüllt und neue Wege beim aktiven und passiven Brandschutz<br />

beschritten.<br />

Eine konsequent angewandte Leichtbauweise sowie eine Schallund<br />

Vibrationsentkopplung des Innenraumes I Bild 11 I tragen sowohl<br />

zum Komfort für den Fahrgast als auch zur Effizienz des Energieeinsatzes<br />

bei.<br />

Fazit und Ausblick<br />

Transrapid<br />

ebenerdig<br />

Transrapid<br />

aufgeständert<br />

Da weltweit umweltfreundliche Lösungen zur Entlastung überfüllter<br />

Straßen, Bahnkorridore und Lufträume überfällig sind, wie ein Blick<br />

auf die Verkehrssituation in vielen großen Ballungsräumen zeigt, stellt<br />

der Transrapid als geräuscharmes, auf kurze Taktzeiten und hohe<br />

Beförderungsdichte ausgelegtes und gleichzeitig effizientes Verkehrs-<br />

12<br />

14<br />

Transrapid<br />

(Fahrwegseitiger Antrieb)<br />

Kurvenradien<br />

3,2 km<br />

1,4 km<br />

HGV<br />

300 km/h<br />

200 km/h<br />

Transrapid<br />

Anstieg (max. 10 %)<br />

HGV<br />

(Fahrzeugseitiger Antrieb) Anstieg (max. 4 %)<br />

1,6 km<br />

0,7 km<br />

system eine sinnvolle und notwendige Ergänzung der vorhandenen<br />

Infrastrukturen dar und konnte dies mit seinem mehrjährigen Einsatz<br />

in Shanghai, China erfolgreich demonstrieren. Mit seinen prinzipbedingt<br />

niedrigen Emissionen und der hohen Energieeffizienz weist<br />

der Transrapid unter dem Aspekt weltweit wachsender Bevölkerungsdichte<br />

und gestiegenen Umweltanforderungen entscheidende strategische<br />

Vorteile auf.<br />

Dabei ist mit dem erstmalig in München zum Einsatz kommenden<br />

Fahrzeugtyp TR09 das Potenzial des Transrapid noch lange nicht<br />

erschöpft. Die rasanten Fortschritte in der Elektronik und vor allem in<br />

den Bereichen neuer Werkstoffe und Verfahren des Leichtbaus kommen<br />

der Transrapid-Technologie unmittelbar zugute, da sie das Schallverhalten<br />

und die Energieeffizienz noch weiter verbessern können.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Betreiberanforderungen:<br />

• breite Einstiegstüren, großflächiger Eingangsbereich<br />

• gleicher Türabstand über Fahrzeuglänge, „Mitteleinstieg“<br />

• Fahrkomfort wie im Fernverkehr<br />

(Innenschallpegel, Druckdichtigkeit, Klimatisierung)<br />

Bild 10 | Neue Fahrzeuggeneration TR09<br />

Bild 11 | Innenraum des TR09<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

76 m<br />

Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 81<br />

Maßnahmen:<br />

• Einstiegstüren mit lichter Weite 1,3 m<br />

• Wagenkasten 150 mm höher, „doppelter Boden“,<br />

Führung der Klimaluft unterhalb und oberhalb der Türöffnungen<br />

• Schall- und Vibrationsentkopplung des Innenraumes<br />

• Minimierung der Schallreflexion im Innenraum


82 |<br />

| Ein wassergekühlter Vorschubrost fördert den zur Müllverbrennung notwendigen Brennstoff durch die Verbrennungszonen.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Wassergekühlter Vorschubrost für<br />

eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />

DIPL.-ING. WERNER AUEL Leiter Feuerungsbau | ThyssenKrupp Xervon Energy GmbH, Duisburg<br />

PETER DIEKMANN Öffentlichkeitsarbeit | ThyssenKrupp Services AG, Düsseldorf<br />

Eine effizientere Verbrennung, geringere Emissionen sowie deutlich niedrigere Betriebs- und Instandhaltungskosten<br />

– das garantiert das Feuerungskonzept von ThyssenKrupp Xervon Energy. Herzstück des<br />

Systems ist ein Vorschubrost mit patentierter Wasserkühlung. Er sorgt für einen höheren Durchsatz und<br />

einen besseren Ausbrand. Vor allem aber ermöglicht er das Verbrennen von Brennstoffen mit hohen<br />

Heizwerten. Der energetische Umsatz des Brennstoffes legt die erforderliche Kühlwirkung für den Rostbelag<br />

fest. Die Wasserkühlung nimmt hier bezüglich der Standzeit und der Variabilität der Verbrennungsluftverteilung<br />

einen hohen Stellenwert ein. Die Möglichkeiten zur Einbindung des über den Rostbelag<br />

ausgekoppelten Wärmestromes in den Energieprozess haben einen Einfluss auf den Anlagenwirkungsgrad.<br />

Optimierte Müllverbrennung<br />

Gestiegener Umweltschutz, eine geänderte Abfallwirtschaft und damit<br />

eine völlig veränderte Müllzusammensetzung machen viele Müllverbrennungsanlagen<br />

ineffizient. Was heute in die Verbrennung gelangt,<br />

ist kaum mehr anderweitig verwertbar und hat meist einen hohen<br />

Heizwert. Das führt nicht nur zu höheren Verbrennungstemperaturen,<br />

sondern produziert darüber hinaus andere, enorm korrosive Rauchgasbestandteile,<br />

vor denen die Umwelt, aber auch die Anlage geschützt<br />

werden müssen.<br />

Vorhandene Anlagen hinsichtlich des Verbrennungsablaufes, der<br />

Feuerung und des Dampferzeugers zu optimieren, zählt zu den Kernkompetenzen<br />

von ThyssenKrupp Xervon Energy. Von der Planung<br />

über das detaillierte Engineering bis hin zur Inbetriebnahme bietet<br />

das Duisburger Unternehmen alle erforderlichen Dienstleistungen<br />

aus einer Hand. Eine Modernisierung betrifft die gesamte Kesselkonstruktion<br />

und deren Nebenaggregate. Anlagenkomponenten<br />

wie Kessel-Druckteil, Müllaufgabe, Verbrennungsrost, Entschlacker,<br />

Verbrennungsluftsystem, Hydraulikanlage, E-MSR(Elektro-Mess,<br />

Steuer- und Regelungstechnik)-/ Automatisierungstechnik wie auch<br />

die Feuerungsleistungsregelung müssen angepasst oder gar neu<br />

installiert werden. Herzstück des Optimierungskonzeptes für eine<br />

moderne Müllverbrennung ist der modular aufgebaute, wasserge-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

| 83<br />

kühlte Vorschubrost. Er fördert schürend den Brennstoff durch die<br />

diversen Verbrennungszonen und bringt die Rückstände zum Schlackeschacht.<br />

Die zur Verbrennung notwendige Primärluft wird für jedes<br />

Rostmodul separat geregelt. Sie wird den einzelnen Verbrennungszonen<br />

zugeführt und dient zusätzlich als Kühlung der thermisch enorm<br />

beanspruchten Rostbeläge.<br />

Während die meisten und vor allem älteren Rostbauarten mit<br />

dieser Luftkühlung auskommen müssen, besitzt die Vorschubrostfeuerung<br />

von ThyssenKrupp Xervon Energy eine zusätzliche Wasserkühlung<br />

mit patentiertem Roststab. Im Inneren jedes einzelnen Roststabes<br />

sind Kühlrohre eingegossen, in denen Kühlwasser zirkuliert.<br />

Abgekühlt wird die relativ geringe Kühlwassermenge in einem<br />

geschlossenen Kreislauf mittels eines Wärmetauschers. Er sorgt für<br />

eine kontrollierte Wärmeabfuhr und führt die gewonnene Abwärme<br />

wieder dem Gesamtprozess zu.<br />

Bereits seit März 2003 ist ThyssenKrupp Xervon Energy exklusiver<br />

Lizenznehmer der sog. ’Koch-Rosttechnologie’ und hat den wassergekühlten<br />

Vorschubrost seitdem in viele Müllverbrennungsanlagen,<br />

u.a. in Bremen, Weener, Stavenhagen und Iserlohn, eingebaut. Im<br />

Jahr 2006 wurden schließlich auch sämtliche Patente und Rechte von<br />

der Koch AG erworben. Des Weiteren erfolgte die Übernahme des<br />

verfahrenstechnischen und konstruktiven Know-hows in Form von


84 | Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />

Referenzen, Zeichnungen und Auslegungsdaten. Mit dem Erwerb<br />

ist ThyssenKrupp Xervon Energy weltweit der einzige Anbieter und<br />

Lieferant dieser erfolgreichen Koch-Rosttechnologie.<br />

Anforderungen an ein modernes Feuerungskonzept<br />

Brennstoffcharakteristik<br />

Unaufbereitete Abfälle aus Haushaltungen, DSD(Duales System<br />

Deutschland)-Rückführungen, Sortierreste und Ersatzbrennstoffe<br />

weisen ein unterschiedliches Abbrennverhalten in der Feuerung auf.<br />

Die charakteristischen Brennstoffparameter führen, aufgrund der<br />

Zusammensetzung des Brennstoffes, zu einer kurzfristig wechselnden<br />

Energiefreisetzung. Das Feuerungssystem muss nunmehr diesen hieraus<br />

resultierenden ungleichen Wärme- und Stofftransport ausgleichen.<br />

Qualitätsmerkmale einer Feuerung<br />

Unter Beachtung dieser Gegebenheiten werden an eine optimale Verbrennung<br />

verschiedene Bedingungen gestellt I Bild 1 I. Die Qualität<br />

der Verbrennungsprodukte sowie eine wirtschaftliche Betriebsweise<br />

stehen als Resultat im Vordergrund. Die Grundvoraussetzung für ein<br />

derartiges Ergebnis liegt in der sorgfältigen Abstimmung der einzelnen<br />

Verfahrensbereiche untereinander mit Bezugnahme auf die konstruktive<br />

Ausgestaltung des Feuerungssystems.<br />

Systeme der Feuerung<br />

Die Anordnung der feuerungsrelevanten Verfahrensbereiche stellt<br />

I Bild 2 I dar. Die eingetragenen Anhaltswerte zur Luftverteilung werden<br />

den jeweiligen Brennstoffbedingungen angepasst. Die Aufgabevorrichtung,<br />

der Verbrennungsrost, die Luftversorgung, die Primär- und<br />

Sekundärluftverteilung bilden mit ihren Stellorganen die maßgeblichen<br />

Funktionsbereiche, die das Regelungskonzept unter Bezugnahme auf<br />

die gemessenen Verbrennungsparameter und Lastvorgaben aufeinander<br />

abstimmt. Der Rost-Entascher fährt im Normalbetrieb mit einer<br />

festen Einstellung.<br />

Positive Auswirkung<br />

auf betriebswirtschaftliche Aspekte<br />

· Lange Reisezeit<br />

· Hohe Verfügbarkeit<br />

Bild 1 | Qualitätsmerkmale einer Feuerung<br />

Feuerungsleistungsregelung<br />

Vorrangiges Ziel der Feuerungsleistungsregelung ist es, unter Einbeziehung<br />

der verfahrenstechnischen Variabilität sowie konstruktiven<br />

Gegebenheiten eine leistungs- und emissionsoptimierte Feuerführung<br />

umzusetzen.<br />

Optimierung des Verbrennungsraumes<br />

Der Geometrie des Feuer-/Nachbrennraumes kommt im Zusammenhang<br />

mit der Sekundärluftzuführung eine hervorzuhebende Bedeutung<br />

zu. Die Güte der Verbrennungsgase orientiert sich einerseits<br />

an einem niedrig zu haltenden Emissionspotenzial und gibt andererseits<br />

die Bedingungen für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb<br />

vor. Die Reisezeit des Dampferzeugers, d.h. die Zeit, die ein Kessel<br />

betrieben werden kann, ohne dass die Abgastemperatur am Ende<br />

des Kessels oder der rauchgasseitige Druck einen festgelegten Wert<br />

überschreiten, hängt in erster Linie von einer gleichförmigen Verbrennung<br />

ab. Die hohen Anforderungen, die an den Wärme- und<br />

Stofftransport im ersten Strahlungszug gestellt werden, lassen sich<br />

durch den Einsatz von CFD(Computational Fluid Dynamics)-Untersuchungen<br />

umsetzen. Die Simulation betrachtet die Größen Rauchgastemperatur,<br />

Rauchgasgeschwindigkeit, O2- sowie CO-Gehalt im<br />

Verlauf des Rauchgaspfades und lässt Rückschlüsse auf das Betriebsverhalten<br />

zu. I Bild 3 I zeigt anhand eines Beispieles ein typisches<br />

Simulationsergebnis hinsichtlich der Temperaturverteilung. Je nach<br />

Intensität der Sekundärluftzuführung im Vorderwand- oder Rückwandbereich<br />

kann der Strömungsverlauf eindeutig gelenkt werden.<br />

Vergleichende Netzmessungen bestätigen die Aussagen dieser<br />

Rechenmodelle.<br />

Grundlegende Betrachtungen zur Auslegung<br />

Die Auslegung eines Rostsystems richtet sich vorrangig nach den<br />

Eigenschaften des Brennstoffes, die das Zündverhalten und Abbrennverhalten<br />

des Feststoffes bestimmen und somit die Eingangsgrößen<br />

Optimale Verbrennung<br />

Verwertungsgerechte<br />

Reststoffqualität<br />

· Geringer Anteil von Unverbranntem<br />

· Minimierung der Eluierbarkeit<br />

der Rostaschen<br />

Hohe rauchgasseitige<br />

Ausbrandgüte<br />

· Minimierung CO-/C ges-Gehalt<br />

· Minimierung NOX-Gehalt<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Verbrennungsrost<br />

Primärluftverteilung<br />

70-50 %<br />

Bild 2 | Systeme der Rostfeuerung<br />

Temperatur [°C]<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Fall 1a<br />

20 %<br />

30 %<br />

Bild 3 | Temperaturprofile einer CFD-Untersuchung<br />

Aufgabevorrichtung<br />

Anteile der Sekundärluftmenge<br />

30 %<br />

30 %<br />

Fall 1b<br />

25 %<br />

25 %<br />

Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung | 85<br />

25 %<br />

25 %<br />

Fall 1c<br />

30 %<br />

30 %<br />

Nachbrennraumgestaltung<br />

Sekundärluftverteilung 30-50 %<br />

Feuerraumgeometrie<br />

20 %<br />

20 %<br />

Fall 1d<br />

30 %<br />

20 %<br />

Regelungskonzept<br />

Rost-Entascher<br />

V R V R V R V R<br />

V= Vorderwand, R= Rückwand<br />

25 %<br />

25 %


86 | Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />

normaler Betriebsbereich<br />

100 %<br />

60 %<br />

Bruttowärmeleistung<br />

Qmax<br />

Qmin<br />

für die Festlegung der Rostlänge sowie der Brennstoffschichthöhe<br />

darstellen. Darüber hinaus ist die Stückigkeit des Brennstoffes hinsichtlich<br />

des Transportverhaltens sowie der Ausbrandqualität mit in<br />

die Betrachtung einzubeziehen.<br />

Neben diesen brennstoffbedingten Parametern definiert sich die<br />

Rostfläche über Erfahrungswerte bezüglich der mechanischen und<br />

thermischen Rostflächenbelastung. In Verbindung mit den Auslegungsdaten<br />

des Feuerungsleistungsdiagrammes – festgelegt durch Bruttowärmeleistung<br />

und Abfallmassenstrom – errechnet sich die erforderliche<br />

Rostfläche.<br />

Feuerungsleistungsdiagramm<br />

3<br />

8<br />

4<br />

mmin<br />

60 %<br />

normaler Betriebsbereich<br />

100 %<br />

Eine allgemeingültige Darstellung des Feuerungsleistungsdiagrammes<br />

mit den Lastpunkten 1 bis 8 zeigt I Bild 4 I. Je nach Höhe des Heiz-<br />

2<br />

Hu, max<br />

Bild 4 | Standardisiertes Feuerungsleistungsdiagramm<br />

Vorschubrost ’Koch-Rosttechnologie’<br />

Heizwert 6.000 - 30.000 kJ/kg<br />

H u 6.000 - 12.000 kJ/kg<br />

H u 8.000 - 15.000 kJ/kg<br />

Bild 5 | Auswahlkriterien für Rostbelag<br />

5<br />

Abfallmassenstrom<br />

H u 12.000 - 30.000 kJ/kg<br />

Luftgekühlt<br />

Hu, MCR<br />

1<br />

7<br />

Hu, min<br />

6<br />

mmax<br />

MCR= Maximum Continuous Rate<br />

Teilweise wassergekühlt<br />

Wassergekühlt<br />

wertes kennzeichnet die schraffierte Fläche den Einsatzbereich eines<br />

dampfbeheizten Luftvorwärmers bzw. der Zusatzfeuerung zur Einhaltung<br />

der Verbrennungsbedingungen sowie der Mindestrauchgastemperatur<br />

von 850 °C bei einer Verweilzeit größer als 2 Sekunden.<br />

Auswahl des Rostbelages<br />

Die Auswahl des Rostbelages richtet sich nach dem spezifischen<br />

Energiepotenzial des Brennstoffes. I Bild 5 I kennzeichnet die Art<br />

der Roststabkühlung anhand des Heizwertes. Demgemäß kommt<br />

für niederkalorische Abfälle der luftgekühlte und für höherkalorische<br />

Abfälle der wassergekühlte Rostbelag zum Einsatz, der sich durch<br />

eine längere Standzeit gegenüber der reinen Luftkühlung auszeichnet<br />

und höhere thermische Belastungen zulässt. Erst die intensive Wasserkühlung<br />

des Roststabes ermöglicht eine prozessoptimierte Reduzie-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


ung des Primärluftanteiles einhergehend mit der Senkung des Luftüberschusses<br />

und somit auch hinsichtlich eines günstigeren Einflusses<br />

auf die NOX-Bildung.<br />

Konstruktionsmerkmale des Verbrennungsrostsystems<br />

Abfallaufgabe<br />

Eine Krananlage nimmt im Normalfall den Abfall im Bunker auf und<br />

transportiert ihn zum Aufgabetrichter der Feuerung. Den unteren Teil<br />

des nach oben mittels einer Klappe absperrbaren Aufgabeschachtes<br />

umfasst ein Doppelmantel mit Wasserkühlung als Schutz vor Wärmebelastung,<br />

beispielsweise während des Anfahrvorganges. Ein- oder<br />

mehrteilige Aufgabeschieber dosieren den Abfall geregelt auf den<br />

Verbrennungsrost.<br />

Verbrennungsrost<br />

Den Aufbau des Verbrennungsrostes, ausgeführt als Vorschubrost mit<br />

einer Neigung zur Horizontalen von 10 Grad, stellt I Bild 6 I dar. Außen<br />

liegende hydraulische Antriebe steuern die Vorschub- und Rückhubbewegungen<br />

der beweglichen Roststabreihen gemäß den regelungstechnischen<br />

Anforderungen. Die feststehenden und beweglichen<br />

Roststabreihen liegen im Wechsel hintereinander in einer Rostbahn<br />

und sind jeweils auf separaten Rostrahmen aufgelegt. Der<br />

gleichförmige Bewegungsablauf und die aufgrund der Roststabkonstruktion<br />

lange Hubbewegung im Vorschub führen zu einer ruhigen<br />

Feuerführung. Der Rückhub folgt mit gleicher Geschwindigkeit. Dieser<br />

Bewegungsablauf zeichnet sich im Gegensatz zu einem kurzhubigen<br />

Vorgang durch geringeren Verschleiß aus.<br />

Rostbelegung<br />

Je nach den brennstoffseitigen Gegebenheiten kommen luftgekühlte<br />

Roststäbe, ausgeführt als Wenderoststab oder wassergekühlte Roststäbe<br />

zum Einsatz. Die Art der Belegung kann im Grenzbereich von<br />

Heizwertbändern beide Roststabarten umfassen. Zur Unterstützung<br />

des Ausbrandverhaltens auf der dritten Rostzone wird diese dann<br />

mit herkömmlichen, luftgekühlten Roststäben belegt.<br />

Konzept des wassergekühlten Rostbelages<br />

Wärmeauskopplung<br />

Die Effektivität der Wärmeeinbindung in den Stoffkreislauf, das heißt<br />

die wirtschaftliche Dimensionierung des Wärmetauschers, hängt in<br />

der Hauptsache von der Grädigkeit (Differenz der Wärme abgebenden<br />

bzw. Wärme aufnehmenden Stoffströme) ab. Das Maximierungsbestreben<br />

bezüglich der Kühlwassertemperatur sollte hierbei in Grenzen<br />

gehalten werden. Einerseits vermindern steigende Kühlwassertemperaturen<br />

die Kühlwirkung, bezogen auf die Roststaboberfläche,<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung | 87<br />

und andererseits können temperaturbedingte Ermüdungserscheinungen<br />

beispielsweise in den Verbindungsschläuchen auftreten.<br />

Kühlwasserkreislauf<br />

Die Prinzipschaltung des Kühlkreislaufes ist I Bild 7 I zu entnehmen.<br />

Beginnend mit dem wassergekühlten Rostbelag, den einzelnen Roststabreihen,<br />

den wassergekühlten Dehnungselementen des seitlichen<br />

Rostabschlusses und des Mittelbalkens als Wärme aufnehmende<br />

Komponenten übernimmt ein nachgeschaltetes Wärmetauschersystem<br />

die zweckgerichtete Auskopplung der Wärme. Die Rücklauftemperatur<br />

vom Rostsystem bestimmt hierbei als Regelgröße das Lastverhalten<br />

des Wärmetauschers.<br />

Umwälzpumpen fördern das Kühlwasser in einem geschlossenen<br />

Kreislauf, wobei eine Druckhalteeinrichtung den erforderlichen Ruhedruck<br />

aufprägt. Sicherheitseinrichtungen schützen das Kühlsystem<br />

gegen Drucküberschreitungen. Eine Nachspeis-Einrichtung dient dem<br />

Ausgleich von etwaigen Wasserverlusten.<br />

Komponenten des Kühlsystems<br />

Die Verbindungselemente der beweglichen Roststabreihen, die den<br />

Bewegungsablauf zum feststehenden weiterführenden Rohrleitungssystem<br />

ausgleichen, beeinflussen in besonderem Maße die Betriebssicherheit<br />

des Kühlsystems. Schlauchverbindungen und Komponenten<br />

nach mechanischen Wirkprinzipien stellen eine Methode zur<br />

Bewegungskompensation dar. Die Einsatzmöglichkeit der Komponenten<br />

hängt jedoch stark von der Höhe der Kühlwassertemperatur ab.<br />

Verbindungsschläuche, ausgeführt als Hochdruck-Dampfschläuche,<br />

eignen sich beim Einsatz flüssiger Medien nur bis zu einem Anwendungsbereich<br />

bis 100 °C (Kaltwasserbereich) mit begrenzter Möglichkeit<br />

zur optimalen Wärmeauskopplung. Dichtungselemente in<br />

mechanisch wirkenden Komponenten begrenzen zurzeit die freie<br />

Wahl der Kühlwassertemperatur auf 160 bis 180 °C.<br />

Rostbelag<br />

Das Konstruktionsprinzip des wassergekühlten Roststabes ist aus<br />

I Bild 8 I ersichtlich. Untereinander verbinden U-Rohrstücke die<br />

einzelnen Roststäbe. Der Roststab zeichnet sich durch folgende<br />

Merkmale aus:<br />

Der aus einem hitzebeständigen Guss gefertigte Roststab umfasst<br />

ein eingegossenes Stahlrohr, infolgedessen keine gussgefügebedingten<br />

Undichtigkeiten auftreten können. Den thermischen<br />

Belastungen aus dem Verbrennungsverlauf sowie mechanischen<br />

Belastungen aus dem Bewegungsablauf werden durch die konstruktive<br />

Ausgestaltung des Roststabes Rechnung getragen.


88 | Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />

Rostwagen<br />

Bild 6 | Aufbau des Vorschubrostes<br />

FISA PISA<br />

Lager<br />

Hydraulikzylinder<br />

FISA = Flow Indication Switch Alarm<br />

PISA= Pressure Indication Switch Alarm<br />

TICA= Temperature Indication Control Alarm<br />

TI = Temperature Indication<br />

Bild 7 | Prinzipschema des Kühlkreislaufes<br />

M<br />

Umwälzpumpe<br />

TICA<br />

TI<br />

Wärmetauscher<br />

M M<br />

M = Motor<br />

LSA= Level Switch Alarm<br />

LS = Level Switch<br />

Roststäbe beweglich<br />

Roststäbe feststehend<br />

Druckhaltung<br />

LS+<br />

LSA-<br />

Nachspeisepumpe<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Bild 8 | Prinzip des wassergekühlten Roststabes<br />

Das eingegossene Stahlrohr garantiert eine definierte Strömung<br />

ohne wirbelbedingte Toträume eckiger Kanäle, die eine Überhitzungsgefährdung<br />

mit sich bringen würden.<br />

Die qualitätsgesicherte Fertigung der Roststäbe sichert im oberflächennahen<br />

Bereich des Stahlrohres eine Materialverbindung<br />

zum Gusskörper, sodass kein Luftringspalt den Wärmeübergang<br />

mindert.<br />

Betriebserfahrungen zum wassergekühlten Rostbelag<br />

Beendigung der Erprobungsphase<br />

Die wassergekühlten Roststäbe auf Basis der ’Koch-Rosttechnologie’<br />

sind seit dem Jahr 1999 großtechnisch in einer thermischen Abfallbehandlungsanlage<br />

im Einsatz. Die Betriebserfahrungen mit den<br />

anfänglich breiten Roststäben führten zu einer Weiterentwicklung mit<br />

reduzierter Roststabbreite. Dieses bewährte Konstruktionskonzept<br />

bildete die Grundlage für den weiteren Einsatz.<br />

Betriebsverhalten<br />

Störfälle traten in der Vergangenheit bei der Verwendung von Schläuchen<br />

in Verbindung mit heißen Kühlsystemen bei Temperaturen über<br />

120 °C auf. Bei diesen Betriebsbedingungen bewiesen die Verbindungselemente<br />

der beweglichen Roststabreihen, ausgeführt als<br />

Hochdruck-Dampfschläuche, keine ausreichende Standzeit. Abhilfe<br />

schaffte hier der Einsatz mechanischer Verbindungselemente, die<br />

einer höheren Temperaturbelastung standhalten.<br />

Fazit<br />

Der Einsatz von wassergekühlten Roststäben garantiert einen uneingeschränkten<br />

Anwendungsbereich zwischen hohen und tiefen Heizwerten<br />

von Hu= 7 bis 20 MJ/kg. Für luftgekühlte Roststäbe liegt der<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung | 89<br />

Anwendungsbereich bei einem mittleren und tiefen Heizwert von<br />

lediglich Hu ≤12 MJ/kg.<br />

Die Betriebserfahrungen entsprechen zum jetzigen Zeitpunkt dem<br />

erwarteten Langzeitverschleißverhalten, sodass der eindeutige Vorteil<br />

der wassergekühlten Roststäbe mit einer Erwartungshaltung an die<br />

Standzeit der Roststäbe von über 32.000 Stunden (bei gestufter<br />

Auswechselungsrate) belegt ist. Die Standzeit luftgekühlter Roststäbe<br />

liegt in einem vergleichbaren Anwendungsfall in der Hauptbrennzone<br />

um zirka 75 % niedriger. Der geringe Verschleiß des wassergekühlten<br />

Rostbelages führt zu einer gleichbleibenden Primärluftverteilung über<br />

die Reisezeit. Somit bestehen die Grundvoraussetzungen für eine<br />

optimierte Fahrweise und lange Reisezeiten.<br />

Aufgrund der konstruktiven Gegebenheiten ergeben sich weitere<br />

Vorteile: Beispielsweise sind keine Schweißarbeiten am Gussroststab<br />

erforderlich, durch die Wasserkühlung und den langen Hub besteht<br />

kaum mechanischer Verschleiß der Roststäbe und es ist nur eine<br />

minimale Anzahl von flexiblen Schlauchverbindungen zur Bewegungskompensation<br />

dank patentierter mechanischer Verbindungselemente<br />

notwendig.<br />

So sorgt nicht allein das außergewöhnliche Kühlprinzip für hohe<br />

Effizienz. Neben der höheren Energieausbeute des eingebrachten<br />

Brennstoffes und der umweltfreundlichen Entsorgung des Müllaufkommens<br />

führt die Verwendung des Rostfeuerungskonzeptes von<br />

ThyssenKrupp Xervon Energy auch zu einer Reduzierung der laufenden<br />

Instandhaltungskosten und einer Verlängerung der Revisionsintervalle<br />

bei gleichzeitig verringerter Ersatzteilvorhaltung.<br />

Die bisherigen Betriebserfahrungen belegen, dass wegen der<br />

gesicherten Standzeit der wassergekühlten Rostbeläge verbunden<br />

mit den verfahrenstechnischen Vorteilen in der Feuerführung ein optimaler<br />

Betrieb der Verbrennungsanlage gegeben ist.


90 |<br />

| Verbausystem in einer neuen Dimension: Beim tiefergehenden Linearverbau werden zwei Einheiten miteinander gekoppelt,<br />

die sich nach dem Einbau in ihrer Wirkungsweise ergänzen.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Zukunftweisende bautechnische<br />

Verfahren schonen die Umwelt<br />

DR.-ING. BERND BERGSCHNEIDER Geschäftsführer Vertrieb und Technik | ThyssenKrupp Bauservice GmbH, Hückelhoven<br />

Produkte und Dienstleistungen von Emunds+Staudinger, ein Geschäftsbereich der ThyssenKrupp<br />

Bauservice GmbH, tragen zu rationellen, sicheren und wirtschaftlich erfolgreichen Bauabläufen bei vielen<br />

Tiefbauprojekten im In- und Ausland bei. Das Unternehmen bietet den Baupartnern Lösungen nach Maß.<br />

Hierzu zählen ein baustellengerechter Service, Beratung auf hohem Niveau, eine umfassende Projektbetreuung<br />

und eine fristgerechte Lieferung der für die jeweilige Baumaßnahme ausgewählten Systeme.<br />

Gemeinsam mit mittelständischen Unternehmen und großen Konzernen entwickelt Emunds+Staudinger<br />

überzeugende Konzepte, die sich rechnen. Die eingesetzten Produkte und Verfahren sind auf die jeweiligen<br />

Baumaßnahmen zugeschnitten und sorgen für reibungslose Bauabläufe. Dabei trägt das Unternehmen<br />

auch den hohen Anforderungen des Umweltschutzes Rechnung. Zum Beispiel mit der Entwicklung und<br />

dem Einsatz umweltorientierter Technologien und Verfahren, wie dem Terra-Star Recycler zur Bodenaufbereitung,<br />

mobilen Baustraßensystemen oder dem so genannten tiefergehenden Linearverbau.<br />

Einleitung<br />

Die Begriffe ’Bauen’ und ’Umweltschutz’ sind heute untrennbar miteinander<br />

verbunden. Bauen heißt, unseren Lebensraum zu verändern<br />

und entsprechend den Anforderungen der Gesellschaft zu gestalten.<br />

Gleichgültig, ob es um die Realisierung von Hoch- oder Tiefbauprojekten<br />

geht, ob ein Parkplatz oder ein Weg angelegt wird, Straßen<br />

mit einer neuen Decke versehen, Böschungen oder Lärmschutzwälle<br />

gebaut werden oder im Bereich einer Kanalisation gearbeitet wird:<br />

der Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten kommt ein hoher<br />

Stellenwert zu. Dies fängt bei der Wahl der Baustoffe sowie dem Einkauf<br />

und den Einsatz von Geräten an, geht über Lärm-, Wasser- und<br />

Bodenschutz und endet schließlich bei der Entsorgung von Bodenaushub,<br />

Straßenaufbruch und Baustellenabfällen. Auf diese Entwicklung<br />

und die damit verbundenen Anforderungen haben sich ausführende<br />

Unternehmen und Hersteller von Bauprodukten eingestellt.<br />

Neue Technologien, neue Arbeitsverfahren und neue Bauprodukte<br />

haben die Bauprozesse und die Arbeitsabläufe in der Bauwirtschaft<br />

sukzessive verändert. Ein Umstand, dem auch Emunds+Staudinger,<br />

ein Geschäftsbereich der ThyssenKrupp Bauservice GmbH, Rechnung<br />

trägt, u.a. mit der Entwicklung und dem Einsatz umweltorientierter<br />

Technologien und Verfahren. Hierzu gehören beispielsweise der so<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

genannte tiefergehende Linearverbau – ein neues Verbauverfahren,<br />

bei dem zwei Linearverbaueinheiten miteinander gekoppelt werden,<br />

die sich nach dem Einbau in ihrer Wirkungsweise ergänzen I siehe<br />

Titelbild Bericht I – oder der Terra-Star Schaufelseparator zur Bodenaufbereitung<br />

I Bild 1 I. Mit Hilfe des Terra-Star Schaufelseparators<br />

wird der auf der Baustelle entnommene Boden für den direkten<br />

Wiedereinbau aufbereitet und recycelt. Dadurch entstehen deutliche<br />

wirtschaftliche Vorteile, da der entnommene Boden nicht kostenintensiv<br />

abtransportiert und deponiert werden muss. Gleichzeitig<br />

werden wesentliche Umweltaspekte berücksichtigt: Aushub oder<br />

Abfallprodukte werden – wenn möglich – recycelt und wieder verwertet,<br />

anstatt sie zu deponieren.<br />

Sicherheit und Umweltschutz bei Emunds+Staudinger<br />

Emunds+Staudinger sorgt weltweit bei vielen Tiefbaumaßnahmen<br />

für Sicherheit und Umweltschutz. Knapp 60 % des Gesamtumsatzes<br />

werden auf dem europäischen Markt außerhalb Deutschlands und<br />

auf den Märkten in Übersee erwirtschaftet. In Europa ist das Unternehmen<br />

in fast allen Ländern vertreten. Darüber hinaus gibt es<br />

Handelspartner in den USA, in Mittel- und Südamerika, im Nahen<br />

Osten sowie in Asien. Neben Grabenverbausystemen zur Sicherung<br />

| 91


92 |<br />

Bild 1 | Terra-Star Schaufelseparator zur Bodenaufbereitung Bild 2 | Mit Hilfe des Terra-Star Schaufelseparators wird der auf der Baustelle entnommene<br />

Boden für den direkten Wiedereinbau aufbereitet und recycelt. Dadurch entstehen deutliche<br />

wirtschaftliche Vorteile, da der entnommene Boden nicht kostenintensiv abtransportiert<br />

und deponiert werden muss.<br />

von Gräben und Baugruben gegen Einsturz bilden moderne Maschinen<br />

und Geräte, wie zum Beispiel gesteuerte und ungesteuerte Bohrpressgeräte<br />

für den grabenlosen Rohrvortrieb, eine sinnvolle Erweiterung<br />

der Produktpalette. Darüber hinaus tragen ein Recycler für<br />

die Bodenaufbereitung mit Wiedereinbau, eine mobile Baustraße,<br />

ein Sortiment von Rohrgreifern, Rohrzugmaschinen, eine Hydraulikkupplung<br />

für Schnellwechselvorrichtungen sowie weitere Ergänzungsgeräte<br />

zu wirtschaftlichen Abläufen und einem reibungslosen Arbeiten<br />

auf den Baustellen bei. Verbausysteme, Bohrgeräte, Baustraße,<br />

Recycler und Ergänzungsprodukte können je nach Wunsch gekauft<br />

oder gemietet werden. Entscheidend für die Baupartner ist, dass<br />

Emunds+Staudinger kosten- und qualitätsorientierte Lösungen bietet,<br />

bei denen die ständig wachsenden Anforderungen an die Sicherheitstechnik,<br />

die Wirtschaftlichkeit und den Umweltgedanken im Vordergrund<br />

stehen.<br />

Bodenaufbereitung<br />

Wirtschaftlich arbeiten und gleichzeitig umweltschonend zu agieren,<br />

gehört weltweit zu den größten Herausforderungen eines Bauunternehmens.<br />

Mit dem Recycler Terra-Star zur Bodenaufbereitung bei<br />

Kanal- und Straßenbauarbeiten bietet Emunds+Staudinger insbesondere<br />

dem Tiefbauunternehmer ein Produkt für wirtschaftliches<br />

und umweltschonendes Arbeiten vor Ort auf den Baustellen. Weltweit<br />

wird in den meisten Fällen nach wie vor der bei der Herstellung<br />

von Straßen, Gräben und Baugruben entnommene Boden zur Entsorgung<br />

zu oft weit entfernten Deponien transportiert. Unbeladene<br />

Lkw fahren zu den vielfach in den Innenstädten liegenden Baustellen<br />

und transportieren den häufig naturbelassenen und unbelasteten<br />

Aushubboden unnötigerweise zu Deponien, wo das Bodenmaterial<br />

kostenaufwendig entsorgt wird. Ein Rechenbeispiel veranschaulicht<br />

den enormen Aufwand: Für eine repräsentative innerstädtische Tiefbaumaßnahme<br />

– der Graben zur Leitungsverlegung ist etwa 4 m tief,<br />

3 m breit und 100 m lang – fahren rund 120 Lkw mit einem Transportvolumen<br />

von jeweils 10 m3 im ungünstigsten Fall leer zur Baustelle<br />

und voll beladen zur Deponie. Die gleiche Anzahl Lkw ist für die Anlieferung<br />

des neuen Bodens zur Verfüllung der Baugrube erforderlich.<br />

Mit Hilfe des Recyclers Terra-Star kann alternativ der auf der Baustelle<br />

entnommene Boden vor Ort aufbereitet und in der gleichen<br />

Kubatur wieder eingebaut werden I Bild 2 I. Hierzu wird der entnommene<br />

Boden sukzessive mit einem in einem bestimmten Mischungsverhältnis<br />

zugegebenen umweltverträglichen Kalk-Zement-Bindemittel<br />

im Recycler für die Dauer von ca. 30 Sekunden durchmischt.<br />

Die Mengenzugabe an Kalk-Zement-Bindemittel ist abhängig vom<br />

Feuchtigkeitsgehalt des entnommenen Bodens und von der beim<br />

Wiedereinbau gewünschten Festigkeit des aufbereiteten Bodens.<br />

Gröbere Steine, die sich im Aushubmaterial befinden, werden beim<br />

Durchmischen im Recycler in einer Art Sieb zerkleinert, sodass die<br />

in den einschlägigen DIN-Normen für den Bodenwiedereinbau erforderliche<br />

Bodenkörnung gegeben ist. Der aufbereitete Boden wird<br />

entweder direkt wieder eingebaut oder zunächst zwischengelagert.<br />

Diese Form der Bodenaufbereitung ist nicht nur unter Umweltgesichtspunkten<br />

zukunftweisend. Auch unter wirtschaftlichen Aspekten<br />

stellt das Verfahren eine kostengünstige Alternative zum herkömmlichen<br />

Aushub, Abtransport mit Deponierung und Wiedereinbau von<br />

neuem Boden dar. Damit entspricht das Verfahren dem Kreislaufwirtschafts-<br />

und Abfallgesetz (KrW/AbfG) bzgl. der Verpflichtung zur<br />

Abfallvermeidung und schadlosen Abfallverwertung mit der Maßgabe,<br />

Bodenaushub und Abfälle zu recyceln anstatt zu deponieren.<br />

Flexible Baustraßensysteme<br />

Mobile Baustraßensysteme werden im Rahmen des Produktportfolios<br />

von ThyssenKrupp Bauservice zur Befahrung von unwegsamen,<br />

schlammigen oder morastigen Untergründen, vor allen Dingen aber<br />

zur Schonung von Untergründen I Bild 3 I eingesetzt. Auch dieses<br />

Produkt kann gekauft oder gemietet werden. Ein Element des Baustraßensystems<br />

ist 2,34 m lang, 3,80 m breit, 0,16 m hoch und<br />

wiegt rund 860 kg. Es ist für eine Achslast ≥ 12 t ausgelegt. Die einfach<br />

zu transportierenden, leicht zu handhabenden und flexibel ein-<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


setzbaren, äußerst robusten Stahlplatten schützen somit Untergründe<br />

und Oberflächen in Forst-, Wald- und Naturschutzgebieten vor der<br />

direkten Befahrung und damit Zerstörung, zum Beispiel durch Bagger<br />

und andere baustellentypische Fahrzeuge.<br />

Tiefergehender Linearverbau<br />

Der so genannte Linearverbau als spezielle Form des Gleitschieneverbaus<br />

wird weltweit zum Graben- oder Baugrubenverbau bis in Tiefen<br />

von ca. 8 m wirtschaftlich eingesetzt. Ab dieser Tiefe ist die beim<br />

Einbau und Absenken des Verbaus zu überwindende Bodenreibung<br />

zu groß, um Zeit sparend und damit wirtschaftlich arbeiten zu können<br />

(siehe Artikel 'Modifiziertes Linearverbausystem', ThyssenKrupp<br />

<strong>techforum</strong>, Heft 2/2006).<br />

Heute liegen die Anforderungen im Tiefbau weltweit in immer<br />

tieferen Schächten und Baugruben, häufig auch zur Auskofferung von<br />

tiefer liegenden, kontaminierten Bodenbereichen – zum Beispiel unter<br />

ehemaligen, rückgebauten Tankstellenanlagen oder Industriebranchen.<br />

Hieraus ergeben sich vor allem hinsichtlich einer wirtschaftlichen<br />

Ausführung neue Anforderungen für die ausführenden Unternehmen.<br />

Um auch in diesen größeren Tiefen Verbausysteme wirtschaftlich<br />

einsetzen zu können, hat Emunds+Staudinger den so genannten<br />

tiefergehenden Linearverbau entwickelt. Es handelt sich hierbei um<br />

ein neues Verbauverfahren, bei dem zwei Linearverbaueinheiten<br />

miteinander gekoppelt werden, die sich nach dem Einbau in ihrer<br />

Wirkungsweise ergänzen, wobei das Ziel in der Überwindung der<br />

Bodenreibung beim Einbau besteht. Als Basis des neuen Verfahrens<br />

dient der herkömmliche Linearverbau. Im ersten Arbeitsschritt wird ein<br />

Modul dieses Verbausystems – bestehend aus Schienen, Platten und<br />

Rahmenwagen – eingebaut. Danach wird ein zweites Modul in das<br />

bereits eingebaute Feld eingesetzt, indem mittels neuer Konstruktionen<br />

und Systemkomponenten das zweite Modul als innen laufendes Modul<br />

„auf Kontakt“ an das zuerst eingebrachte äußere Modul angepasst<br />

wird. Auf diese Weise übernehmen die inneren Verbaukomponenten<br />

beim Durchfahren des äußeren Moduls die auftretenden Lasten. Im<br />

Endeinbauzustand ergänzen sich die beiden Verbaumodule, deren<br />

Komponenten über die gleichen Baulängen verfügen und völlig unabhängig<br />

voneinander dem Erddruck entgegen wirken. Die Einsatzgebiete<br />

des neuen Verbauverfahrens sind tiefere Baugruben für<br />

den Kanalbau, Schächte und Pressgruben bis in Tiefen von ca. 10 bis<br />

12 m, je nach Bodenbeschaffenheit.<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Zukunftweisende bautechnische Verfahren schonen die Umwelt | 93<br />

Bild 3 | Mit dem Einsatz einer Baustraße erfüllt das ausführende Unternehmen<br />

die behördlichen Auflagen in Bezug auf sensible Baugründe.<br />

Fazit<br />

Die Beispiele zeigen, wie Tiefbaumaßnahmen auch unter Einhaltung<br />

umweltschutztechnischer Aspekte wirtschaftlich realisiert werden<br />

können. Gefordert sind hier nicht zuletzt die Anbieter und Hersteller<br />

von Verfahren und Geräten. ThyssenKrupp Bauservice hat dahingehend<br />

die bestehende Produktpalette in ökonomischer und ökologischer<br />

Hinsicht praxisnah weiterentwickelt sowie neue, innovative<br />

Produkte und Sonderlösungen für spezielle Bauaufgaben im Markt<br />

eingeführt und stellt somit den ausführenden Unternehmen das<br />

erforderliche Rüstzeug für eine erfolgreiche und reibungslose Abwicklung<br />

der Baumaßnahme zur Verfügung. Ein weiterer wichtiger Baustein<br />

ist der bereits im Firmennamen verankerte Servicegedanke mit<br />

Gesprächen der Fachberater vor Ort auf der Baustelle. Das bietet eine<br />

hervorragende Möglichkeit für Auftraggeber und ausführende Unternehmen,<br />

baustellenbezogene und technisch ausgereifte Lösungen für<br />

die unterschiedlichen (Kanal-)Bauaufgaben zu entwickeln und damit<br />

vertrieblich äußerst markt- und kundenorientiert zu agieren. International,<br />

mit Schwerpunkten in Europa, den USA sowie dem Nahen<br />

Osten, wird über die in den jeweiligen Ländern ansässigen Vertriebspartner<br />

ebenso servicegerecht gehandelt.


94 | Inhalt Band 9 | <strong>2007</strong><br />

Ausgabe 1 | <strong>2007</strong><br />

Dualphasenstahl mit Korrosionsschutzprimer für die Pkw-Außenhaut | 10<br />

DR. RER. NAT. JÖRG LEWANDOWSKI | ThyssenKrupp Steel<br />

DIPL.-ING. REINHILD HAUBRUCK | ThyssenKrupp Steel<br />

DR. RER. NAT. SILKE STRAUß | ThyssenKrupp Steel<br />

ING. GRAD. HORST OEMKES | ThyssenKrupp Steel<br />

DR.-ING. BERNHARD SCHINKINGER | DOC Dortmunder OberflächenCentrum<br />

DR. RER. NAT. JOSEF SCHNEIDER | ThyssenKrupp Steel<br />

Die T 3 -Profiliertechnik – Voraussetzung für mehr Hohlprofile aus Stahl im Fahrzeug | 14<br />

DR.-ING. THOMAS FLEHMIG | ThyssenKrupp Steel<br />

DIPL.-ING. (FH) MICHAEL BRÜGGENBROCK | ThyssenKrupp Steel<br />

WLADIMIR RITUPER | ThyssenKrupp Steel<br />

LOTHAR HÖMIG | ThyssenKrupp Steel<br />

MOHAMMED TOHFA | ThyssenKrupp Steel<br />

OxyCup ® -Schlacke – ein neues Produkt für anspruchsvolle Märkte | 22<br />

DIPL.-ING. KLAUS KESSELER | ThyssenKrupp Steel<br />

DR. RER. NAT. RONALD ERDMANN | ThyssenKrupp Steel<br />

NIROSTA ® 4521 – ein nichtrostender CrMo-Stahl mit überzeugender Korrosionsbeständigkeit | 30<br />

DR.-ING. JÖRG-FRIEDRICH HOLZHAUSER | ThyssenKrupp Nirosta<br />

DIPL.-ING. HEINZ KOCH | ThyssenKrupp Nirosta<br />

Walzen mikroskopisch feiner Oberflächenstrukturen |34<br />

DIPL.-ING. MATHIAS BÄRWOLF | ThyssenKrupp Nirosta Präzisionsband<br />

DIPL.-ING. MICHAEL ULLRICH | ThyssenKrupp Nirosta Präzisionsband<br />

KAI MASCHMEIER | ThyssenKrupp Nirosta Präzisionsband<br />

HPPO-Verfahren zur koppelproduktfreien Herstellung von Propylenoxid | 38<br />

DIPL.-ING., DIPL.-WIRTSCH.-ING. NORBERT ULLRICH | Uhde<br />

DR.-ING. BÄRBEL KOLBE | Uhde<br />

DR. RER. NAT. NIELS BREDEMEYER | Uhde<br />

Prüfmethoden zur Qualitätssicherung bei der Herstellung von Gussteilen<br />

für die Automobil- und Transportindustrie |44<br />

GENE JOHNSON | ThyssenKrupp Waupaca<br />

TIMOTHY OWENS | ThyssenKrupp Waupaca<br />

CODY RHODES (BS) | ThyssenKrupp Waupaca<br />

RONALD THURSTON | ThyssenKrupp Waupaca<br />

Seite<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


Ganzflächenhärten – ein Verfahren zur vollständigen induktiven Randschichthärtung | 50<br />

der Laufbahnen von Großwälzlagern<br />

DR.-ING. JÖRG ROLLMANN | Rothe Erde<br />

DR.-ING. WILFRIED SPINTIG | Rothe Erde<br />

DIPL.-ING. BERND STAKEMEIER | Rothe Erde<br />

Presta Produktions- und Logistiksystem PPLS – auf dem Weg zum 5-Tage-Lenksystem | 56<br />

DR.-ING. DIPL.-WI.-ING. DANIEL FITZEK, MSC | ThyssenKrupp Presta<br />

PETER SPALT, MBA | ThyssenKrupp Presta<br />

ANJA TISCHLER (MAG. FH) | ThyssenKrupp Presta<br />

DIPL.-ING. (FH) STEFAN OBERHAUSER, MSC | ThyssenKrupp Presta<br />

Neuartige Tragstruktur für Einzelradaufhängungen bei schweren Nutzfahrzeugen | 62<br />

DIPL.-ING. STEFFEN SCHMIDT | ThyssenKrupp Automotive Systems<br />

DR.-ING. DIRK ZIESING | ThyssenKrupp Automotive Systems<br />

TurboTrack – lange Wege werden kürzer |68<br />

DIPL.-ING. MIGUEL GONZÁLEZ ALEMANY I ThyssenKrupp Elevator (ES/PBB)<br />

DR. MONICA SOFFRITTI I ThyssenKrupp Elevator<br />

MARTINA BEHREND I ThyssenKrupp Elevator<br />

THIES EISELE I ThyssenKrupp Elevator<br />

Stufenmodell für die kundenspezifische Bündelung von Werkstoff- und Industriedienstleistungen | 76<br />

JÜRGEN WESTPHAL | ThyssenKrupp Schulte<br />

DIPL.-ING. CHRISTIAN BÖTTGER | ThyssenKrupp Schulte<br />

DIPL.-ING. ANDREAS MITSCHKE | ThyssenKrupp Schulte<br />

MAIK WERNER Vertriebsbeauftragter | ThyssenKrupp Schulte<br />

Verfahren zur NOX-armen Verbrennung von Steinkohle in Kombination | 82<br />

mit einem neuartigen Schmelzzyklon<br />

DIPL.-ING. WERNER AUEL | ThyssenKrupp Xervon Energy<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Inhalt Band 9 | <strong>2007</strong> | 95<br />

Seite


96 | Inhalt Band 9 | <strong>2007</strong><br />

Ausgabe 2 | <strong>2007</strong><br />

DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und | 10<br />

Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen<br />

DR.-ING. HERBERT EICHELKRAUT | ThyssenKrupp Steel<br />

DIPL.-ING. HANS-JOACHIM HEILER | ThyssenKrupp Steel<br />

DIPL.-ING. HANS PETER DOMELS | ThyssenKrupp Steel<br />

WERNER HÖGNER | ThyssenKrupp Steel<br />

Entwicklung einer Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz | 16<br />

von Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />

DR. RER. NAT. ALFONS ESSING | ThyssenKrupp Steel<br />

DIPL.-INFORM. AXEL TEICHMANN | ThyssenKrupp Steel<br />

StahlLeichtbau-Chassis SLC – die innovative |20<br />

und kostengünstige Leichtbaulösung für Pkw-Achsträger<br />

DIPL.-ING. PETER SEYFRIED | ThyssenKrupp Steel<br />

DIPL.-ING. ULF SUDOWE | ThyssenKrupp Umformtechnik<br />

Nichtrostende Stähle für Meerwasserentsalzungsanlagen | 24<br />

DR.-ING. GEORG UHLIG | ThyssenKrupp Nirosta<br />

Leistungsstark und umweltfreundlich – |28<br />

Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle in der Automobilindustrie<br />

ING. ANDREA BRUNO | ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni<br />

Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen |34<br />

DIPL.-ING. STEFANO NERI | Società delle Fucine<br />

DIPL.-ING. DANIELE MARSILI | Società delle Fucine<br />

DR. RER. OEC. GIOVANNI SANSONE | Società delle Fucine<br />

Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft |40<br />

DR.-ING. JUTTA KLÖWER | ThyssenKrupp VDM<br />

DR. RER. NAT. BODO GEHRMANN | ThyssenKrupp VDM<br />

Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung | 48<br />

mit modernster Technologie<br />

DIPL.-ING. LUIS LAGAR-GARCÍA | Polysius<br />

DR.-ING. DIETMAR SCHULZ | Polysius<br />

Seite<br />

ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>


ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />

Inhalt Band 9 | <strong>2007</strong> | 97<br />

Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik | 54<br />

DR.-ING. VIKTOR RAAZ | ThyssenKrupp Fördertechnik<br />

DIPL.-ING. BERGBAU ULRICH MENTGES | ThyssenKrupp Fördertechnik<br />

Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard |60<br />

WILLIAM POWELL (B.S. MET. E.) | ThyssenKrupp Waupaca<br />

JEFFREY LOEFFLER (B.S. CH. E.) | ThyssenKrupp Waupaca<br />

CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager | 66<br />

DR.-ING. UWE BREUCKER | Rothe Erde<br />

Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 74<br />

DR.-ING. FRIEDRICH LÖSER | ThyssenKrupp Transrapid<br />

DR. RER. NAT. QINGHUA ZHENG | ThyssenKrupp Transrapid<br />

Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung | 82<br />

DIPL.-ING. WERNER AUEL | ThyssenKrupp Xervon Energy<br />

PETER DIEKMANN | ThyssenKrupp Services<br />

Zukunftweisende bautechnische Verfahren schonen die Umwelt | 90<br />

DR.-ING. BERND BERGSCHNEIDER | ThyssenKrupp Bauservice<br />

Seite

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!