Thyssenkrupp techforum 2/2007
Thyssenkrupp techforum 2/2007
Thyssenkrupp techforum 2/2007
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ThyssenKrupp<br />
<strong>techforum</strong><br />
Heft 2 I <strong>2007</strong>
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER<br />
ThyssenKrupp AG, Zentralbereich Technology, August-Thyssen-Straße 1, 40211 Düsseldorf,<br />
Telefon 0211/8 24-3 62 91, Telefax 0211/8 24-3 62 85<br />
ERSCHEINUNGSWEISE<br />
Titelbild<br />
Das Titelbild zeigt eine Dampfturbine für die Hochdruckstufe eines<br />
Kernkraftwerkes nach Montage der Schaufeln. Diese Turbine –<br />
installiert in einem neuen Kernkraftwerk auf der Insel Olkiluoto<br />
vor der Westküste Finnlands – ist von Siemens Power Generation<br />
entworfen und gefertigt worden. Die Turbinensektion ist eine zweigehäusige<br />
Konstruktion, bestehend aus einer zweiflutigen Hochdruckturbine<br />
und einer sechsflutigen Niederdruckturbine mit starr<br />
angekoppeltem Dreiphasen-Synchrongenerator. Die Bemühungen<br />
zum Erreichen höchster Dampftemperaturen und -drücke, zum Bau<br />
größerer Turbinen und zum Einsatz modernster Technologien tragen<br />
dazu bei, die Effizienz großer thermischer Kraftwerke zu steigern<br />
und deren Emissionen zu verringern. Das Kraftwerk von Olkiluoto<br />
liefert ca. 1.600 MW bei einem Wirkungsgrad von rund 37 %.<br />
Für dieses Projekt mit der größten Dampfturbine der Welt hat die<br />
italienische Società delle Fucine, ein Unternehmen von ThyssenKrupp<br />
Acciai Speciali Terni, die aus einem Stück geschmiedete Rotorwelle<br />
der Hochdruckstufe gefertigt und geliefert. Società delle Fucine ist<br />
von Siemens Power Generation als ein wichtiger Lieferant solcher<br />
Komponenten anerkannt worden und wurde im August <strong>2007</strong> mit<br />
dem Lieferantenpreis „Pionier bei der Herstellung von Schmiedeteilen<br />
für die größte Dampfturbine der Welt“ ausgezeichnet.<br />
„ThyssenKrupp <strong>techforum</strong>“ erscheint ein- bis zweimal jährlich in deutscher und englischer Sprache. Nachdruck nur mit<br />
Genehmigung des Herausgebers. Fotomechanische Vervielfältigung einzelner Aufsätze ist erlaubt. Der Versand des<br />
„ThyssenKrupp <strong>techforum</strong>“ erfolgt über eine Adressdatei, die mit Hilfe der automatisierten Datenverarbeitung geführt wird.<br />
ISSN 1612-2763
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Energie ist in der Wirtschaft und im Alltag unverzichtbar. Wir benötigen Primärenergieträger beispielsweise<br />
für Wärme und Mobilität. Bis heute wird Energie überwiegend aus fossilen Rohstoffen wie Kohle, Öl, Gas<br />
sowie aus Uran gewonnen. Die Reserven sind jedoch endlich, sodass der Ressourcenschonung eine<br />
immer wichtigere Rolle zukommt. Der weltweit wahrzunehmende Klimawandel mit seinen Auswirkungen<br />
betrifft uns alle und verlangt ein Umdenken in der Energiepolitik sowie eine Erhöhung der Effizienz der<br />
Umwandlung und Nutzung von Energie. Die Industrie ist gefordert, innovative Lösungen zu entwickeln,<br />
mit denen sich CO2-Emissionen im Sinne eines nachhaltigen Umweltschutzes bei gleichzeitiger Schonung<br />
der knapper werdenden Ressourcen reduzieren lassen.<br />
Mit dieser Ausgabe von ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> möchten wir Ihnen einige der vielfältigen Leistungen<br />
unseres Konzerns in diesem Themenbereich vorstellen.<br />
Werkstoffseitig berichten wir über nichtrostende Stähle, die bei der Aufbereitung von Meerwasser zu<br />
Trinkwasser Verwendung finden und die für den automobilen Leichtbau aufgrund hervorragender Eigenschaften<br />
eingesetzt werden. Neue Nickellegierungen sowie niedrig legierte Stahlsorten finden in Dampfturbinen<br />
von Kraftwerken mit höheren Wirkungsgraden Verwendung. Der Einsatz von höher- und höchstfesten<br />
Stahlsorten trägt bei innovativen Pkw-Achsträgern zum Leichtbau und somit zur Emissionsreduzierung<br />
bei. Emissionen lassen sich auch durch geeignete Maßnahmen im Rahmen der Herstellung von<br />
Weißzement, bei der Müllverbrennung sowie bei energetisch effizienteren Banddurchlaufanlagen zur<br />
Herstellung von Stahlblechen senken. Im Transportbereich werden durch den Einsatz von energieeffizienten<br />
Magnetschwebebahnen, wie dem Transrapid, Schadstoff- und Schallemissionen reduziert. Umweltorientierte<br />
Technologien und Verfahren finden auch im Tagebau und im Tiefbau Anwendung. Eine Wissensdatenbank<br />
wurde entwickelt, um die Umweltrelevanz von Produkten und Entfallstoffen bewerten zu können. Auch im<br />
Rahmen der immer mehr an Bedeutung gewinnenden erneuerbaren Energien leistet ThyssenKrupp u.a.<br />
durch die Produktion von Großwälzlagern, die in Windenergieanlagen zum Einsatz kommen, einen Beitrag.<br />
Schließlich wird am Beispiel eines Kupolofen-Projektes gezeigt, wie Unternehmen ihre Produktionsverfahren<br />
an neue Umweltbestimmungen anpassen.<br />
ThyssenKrupp ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung beim nachhaltigen Umweltschutz durch<br />
Emissionsreduzierung sowie Ressourceneffizienz bewusst und handelt entsprechend. Wir wollen Ihnen<br />
dieses mit den Beiträgen dieser Ausgabe vermitteln. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre.<br />
Dr.-Ing. Ekkehard D. Schulz,<br />
Vorsitzender des Vorstands der ThyssenKrupp AG<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Vorwort | 3
4 | Inhalt<br />
10 | 16 |<br />
24 |<br />
28 |<br />
10 | DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung<br />
von Banddurchlaufanlagen<br />
DR.-ING. HERBERT EICHELKRAUT Direktor Standort Bruckhausen | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
DIPL.-ING. HANS-JOACHIM HEILER Teamkoordinator | ThyssenKrupp Steel AG, Finnentrop<br />
20 |<br />
DIPL.-ING. HANS PETER DOMELS Teamleiter Energie/Anlagenwirtschaft | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
WERNER HÖGNER Fachkoordinator Energie/Anlagenwirtschaft | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
Mit der Entwicklung des Verfahrens ’Direct Flame Impingement (DFI)-Oxyfuel’, der direkten Beaufschlagung von<br />
Wärmgut mit einer Sauerstoff-Brenngas-Flamme, ist es gelungen, die Ofentechnik an Banddurchlaufanlagen weiterzuentwickeln.<br />
Zusammen mit dem Kooperationspartner Linde wurde das Verfahren erstmals an einer Feuerbeschichtungsanlage<br />
von ThyssenKrupp Steel im Werk Finnentrop eingesetzt. Dort erbrachte es von Anfang an hervorragende<br />
Ergebnisse in Bezug auf Steigerung der Durchsatzleistung, Produktqualität, Qualitätsverbesserung der Anlage, Energieeffizienz<br />
und somit auch Minderung der direkten CO2-Emissionen. Eine weitere Bandverzinkungs- und Aluminierungsanlage<br />
im Werk Duisburg-Bruckhausen ist inzwischen ebenfalls mit dieser Technologie im Einsatz.<br />
16 | Entwicklung einer Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten,<br />
Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />
DR. RER. NAT. ALFONS ESSING Projektkoordinator, Werkstoffkompetenzzentrum | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
DIPL.-INFORM. AXEL TEICHMANN Teamleiter Informationstechnik, Werkstoffkompetenzzentrum | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
Die vielfältigen gesetzlichen Regelungen und die daraus resultierenden Kundenspezifikationen führen zu verstärkten<br />
Anforderungen an die umweltgerechte Herstellung, Verwendung und Entsorgung der Produkte von ThyssenKrupp Steel.<br />
Um die Vielzahl der Anforderungen zu bündeln und eine schnelle und eindeutige Entscheidungshilfe anbieten zu<br />
können, wird eine Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />
aufgebaut. Hier werden alle relevanten produktspezifischen Informationen, wie z.B. Recyclingfähigkeit,<br />
Angaben zu Inhaltsstoffen und das Gefährdungspotenzial von einzelnen Stoffen, gesammelt sowie jederzeit schnell<br />
und aussagekräftig zur Verfügung gestellt. Durch die logische Verknüpfung der gespeicherten Produktdaten mit den<br />
ebenfalls abgelegten Richtlinien, Normen oder kundenspezifischen Anforderungen ist gleichzeitig eine schnelle Analyse<br />
auf Konformität möglich.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Inhalt I 5<br />
20 | StahlLeichtbau-Chassis SLC – die innovative und kostengünstige Leichtbaulösung für Pkw-Achsträger<br />
DIPL.-ING. PETER SEYFRIED Leitung Leichtbau & InnovationsZentrum Auto (LIZA) | ThyssenKrupp Steel AG, Dortmund<br />
DIPL.-ING. ULF SUDOWE Leiter Engineering Chassis | ThyssenKrupp Umformtechnik GmbH, Bielefeld<br />
Halb so teuer wie die Referenz, eine Aluminium-Lösung aus der Oberklassen-Großserie, und nur 5 % schwerer ist der<br />
innovative Hinterachsträger: Das StahlLeichtbau-Chassis SLC genannte Konzept ist das Ergebnis enger Zusammenarbeit<br />
zwischen ThyssenKrupp Steel, ThyssenKrupp Umformtechnik und ThyssenKrupp Automotive Systems. Das<br />
Konzept überzeugt durch seine optimale Mischung aus Werkstoffexpertise, Werkzeug- und System-Know-how.<br />
24 | Nichtrostende Stähle für Meerwasserentsalzungsanlagen<br />
DR.-ING. GEORG UHLIG Technischer Produktmanager | ThyssenKrupp Nirosta GmbH, Krefeld<br />
Mit Hilfe von Meerwasserentsalzungsanlagen kann Trinkwasser mit niedrigen Chloridgehalten erzeugt werden. Nichtrostende<br />
Stähle bilden dabei einen elementaren Bestandteil für die verschiedenen Verfahrenstechnologien. Aufgrund<br />
des steigenden Bedarfes an Trinkwasser speziell in den arabischen Staaten, aber auch in Südeuropa, stellen Meerwasserentsalzungsanlagen<br />
ein sehr interessantes Anwendungsgebiet für nichtrostende Stähle mit steigender wirtschaftlicher<br />
Bedeutung dar.<br />
28 | Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle<br />
in der Automobilindustrie<br />
ING. ANDREA BRUNO Produktmanager | ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni SpA, Terni/Italien<br />
Rostfrei-Stähle sind zwar in erster Line wegen ihrer Korrosionsbeständigkeit bekannt, doch sie besitzen darüber<br />
hinaus – und insbesondere die neue Klasse austenitischer N-Mn-Sorten – hervorragende mechanische Eigenschaften.<br />
In der Transportbranche, speziell im Automobilsektor, haben sich diese Eigenschaften als erfolgreich nutzbar erwiesen,<br />
insbesondere bei der Konstruktion von Fahrzeugen, die nicht nur umweltfreundlich, sondern auch äußerst leistungsfähig<br />
und deshalb auf dem Markt begehrt sind.
6 | Inhalt<br />
34 | 40 | 48 |<br />
54 | 60 |<br />
34 | Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen<br />
DIPL.-ING. STEFANO NERI Qualitätsmanagement | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />
DIPL.-ING. DANIELE MARSILI Metallurgie | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />
DR. RER. OEC. GIOVANNI SANSONE Vertriebsmanagement Kraftwerkskomponenten | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />
Die ständigen Bemühungen um höhere Effizienz und geringere Emissionen von großen Wärmekraftwerken haben den<br />
Trend zu immer höheren Dampftemperaturen und -drücken sowie modernster Turbinentechnologie mit sich gebracht.<br />
Vor diesem Hintergrund hat die italienische Società delle Fucine (SdF), ein Unternehmen der ThyssenKrupp Acciai<br />
Speciali Terni, die Rotorwelle der größten Hochdruckdampfturbine der Welt hergestellt und an Siemens geliefert. Das<br />
Kraftwerk mit dem Namen Olkiluoto 3 befindet sich inmitten einer einsamen finnischen Landschaft. Als Rohling für<br />
diese Hochdruckturbinenwelle hat SdF einen riesigen, ca. 230 t schweren Gussblock aus niedriglegiertem Spezialstahl<br />
verwendet.<br />
40 | Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft<br />
DR.-ING. JUTTA KLÖWER Leiterin Forschung und Entwicklung | ThyssenKrupp VDM, Werdohl<br />
DR. RER. NAT. BODO GEHRMANN Projektleiter Superlegierungen, Forschung und Entwicklung | ThyssenKrupp VDM, Werdohl<br />
Wirkungsgradsteigerungen in fossil befeuerten Kraftwerken führen zunehmend zu höheren Temperaturen sowie Drücken<br />
und machen den Einsatz von Nickellegierungen erforderlich. In der Gasturbine der Gas- und Dampfkraftwerke haben<br />
Superlegierungen auf Nickelbasis bereits ihren festen Platz gefunden. Mit der Entwicklung der 700-°C-Technologie für<br />
Kohlekraftwerke werden Nickellegierungen in der nächsten Kraftwerksgeneration nun auch in Kessel und Dampfturbinen<br />
eingesetzt werden. ThyssenKrupp VDM hat gemeinsam mit Kraftwerksbetreibern und Herstellern von Kraftwerkskesseln<br />
mit der Legierungsvariante Nicrofer 5520CoB-alloy 617B einen Werkstoff entwickelt, der bereits seine Eignung für<br />
das 700-°C-Kraftwerk in einer Pilotanlage bewiesen hat.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
48 | Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
DIPL.-ING. LUIS LAGAR-GARCÍA Fachbereich Forschung und Entwicklung, Leiter Wärme- und Umwelttechnik | Polysius AG, Neubeckum<br />
DR.-ING. DIETMAR SCHULZ Leiter Forschung und Entwicklung | Polysius AG, Neubeckum<br />
Die Herstellung von Zement ist ein energieintensiver Prozess, da die eingesetzten Rohstoffe bei über 1.400 °C<br />
gebrannt werden müssen. Das Potenzial, Emissionen zu senken, ist daher gerade bei älteren Anlagen groß.<br />
Das Beispiel einer Weißzementanlage zeigt, dass durch den Einsatz modernster Technologie eine deutliche<br />
Emissionsminderung auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglich ist.<br />
54 | Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik<br />
DR.-ING. VIKTOR RAAZ Projektleiter Forschung & Entwicklung, Abt. Business Development | ThyssenKrupp Fördertechnik GmbH, Essen<br />
DIPL.-ING. BERGBAU ULRICH MENTGES Manager Vertrieb und Bergbauplanung | ThyssenKrupp Fördertechnik GmbH, Essen<br />
Inhalt | 7<br />
Eine Systemveränderung im weltweiten Tagebau hin zu kontinuierlicher Tagebautechnik führt nicht nur zu einer<br />
Senkung der laufenden Betriebskosten, sondern – wie in einem laufenden Forschungsvorhaben untersucht –<br />
insbesondere auch zu einem Einsparungspotenzial an CO2-Emissionen. Auf dem wachsenden Rohstoffmarkt können<br />
vor allem neu konzipierte vollmobile Brechanlagen in Kombination mit innovativer Bandanlagentechnik gegenüber<br />
herkömmlichem Truck-Transport Reduzierungen des CO2-Ausstoßes in Größenordnungen von bis zu 150.000 Tonnen<br />
pro Jahr und pro installiertem System in der Rohstoffgewinnung erzielen.<br />
60 | Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard<br />
WILLIAM POWELL (B.S. MET. E.) Direktor Schmelz- und Guss-Technologien | ThyssenKrupp Waupaca, Inc., Waupaca, Wisconsin/USA<br />
JEFFREY LOEFFLER (B.S. CH. E.) Umweltkoordinator | ThyssenKrupp Waupaca, Inc., Waupaca, Wisconsin/USA<br />
Das Werk 1 des Unternehmens ThyssenKrupp Waupaca nahm im Januar <strong>2007</strong> den Betrieb eines neuen Kupolofensystems<br />
zum Schmelzen von Eisen auf. Dieses bedeutende Projekt war die Reaktion auf neue Umweltbestimmungen<br />
für die US-Gussindustrie und bot gleichzeitig die Möglichkeit, die Produktion in dieser Anlage zu steigern.
8 | Inhalt<br />
66 | 74 | 82 |<br />
90 |<br />
66 | CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager<br />
DR.-ING. UWE BREUCKER Hauptabteilungsleiter Qualitätsmanagement, Forschung und Erprobung | Rothe Erde GmbH, Lippstadt<br />
Eine Form der CO2-freien Energieumwandlung liefert die Windtechnik, welche die kinetische Energie des Windes<br />
in elektrische Energie umsetzt. Rothe Erde hat diese Technik bereits im Entwicklungsstadium begleitet. Das Lieferprogramm<br />
für Windkraftanlagen umfasst wichtige Komponenten, wie z.B. Blattlager, Turmlager und Rotorlager.<br />
Technische Lösungen für Forderungen, wie Minimierung der Riffelbildung, Optimierung des Schmierstoffes und<br />
der Abdichtung sowie hoher Korrosionsschutz, sind im FuE-Zentrum von Rothe Erde erarbeitet worden. Die<br />
Dimensionierung der Großwälzlager erfolgt mittels eigens entwickelter Finite-Elemente Software. Auch in andere<br />
Gebiete der CO2-freien Stromerzeugung, wie Gezeitenströmungen und Solartechnik, haben Großwälzlager von<br />
Rothe Erde Einzug gefunden.<br />
74 | Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität<br />
DR.-ING. FRIEDRICH LÖSER Geschäftsführung | ThyssenKrupp Transrapid GmbH, München<br />
DR. RER. NAT. QINGHUA ZHENG Leiter Systemtechnik | ThyssenKrupp Transrapid GmbH, München<br />
Mit der Realisierungsvereinbarung für das Transrapid-Projekt München Hauptbahnhof/Flughafen zwischen dem<br />
Freistaat Bayern, der Deutsche Bahn AG und dem Konsortium der System- und Bauindustrie wurde eine wesentliche<br />
Voraussetzung geschaffen, dass die Transrapid-Technologie ihre vorteilhaften Eigenschaften auch in Deutschland<br />
unter Beweis stellen kann. Der Beitrag erläutert die für die Umweltverträglichkeit wesentlichen Eigenschaften bzgl.<br />
Schall-, Schadstoffemission sowie Energieeffizienz und stellt das Prototypfahrzeug TR09 für Flughafenanbinder vor.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
82 | Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
DIPL.-ING. WERNER AUEL Leiter Feuerungsbau | ThyssenKrupp Xervon Energy GmbH, Duisburg<br />
PETER DIEKMANN Öffentlichkeitsarbeit | ThyssenKrupp Services AG, Düsseldorf<br />
Eine effizientere Verbrennung, geringere Emissionen sowie deutlich niedrigere Betriebs- und Instandhaltungskosten –<br />
das garantiert das Feuerungskonzept von ThyssenKrupp Xervon Energy. Herzstück des Systems ist ein Vorschubrost<br />
mit patentierter Wasserkühlung. Er sorgt für einen höheren Durchsatz und einen besseren Ausbrand. Vor allem aber<br />
ermöglicht er auch das Verbrennen von Brennstoffen mit hohen Heizwerten. Der energetische Umsatz des Brennstoffes<br />
legt die erforderliche Kühlwirkung für den Rostbelag fest. Die Wasserkühlung nimmt hier bezüglich der Standzeit und<br />
der Variabilität der Verbrennungsluftverteilung einen hohen Stellenwert ein. Die Möglichkeiten zur Einbindung des über<br />
den Rostbelag ausgekoppelten Wärmestromes in den Energieprozess haben einen Einfluss auf den Anlagenwirkungsgrad.<br />
90 | Zukunftweisende bautechnische Verfahren schonen die Umwelt<br />
DR.-ING. BERND BERGSCHNEIDER Geschäftsführer Vertrieb und Technik | ThyssenKrupp Bauservice GmbH, Hückelhoven<br />
Inhalt | 9<br />
Produkte und Dienstleistungen von Emunds+Staudinger, ein Geschäftsbereich der ThyssenKrupp Bauservice GmbH,<br />
tragen zu rationellen, sicheren und wirtschaftlich erfolgreichen Bauabläufen bei vielen Tiefbauprojekten im In- und<br />
Ausland bei. Das Unternehmen bietet den Baupartnern Lösungen nach Maß. Hierzu zählen ein baustellengerechter<br />
Service, Beratung auf hohem Niveau, eine umfassende Projektbetreuung und eine fristgerechte Lieferung der für<br />
die jeweilige Baumaßnahme ausgewählten Systeme. Gemeinsam mit mittelständischen Unternehmen und großen<br />
Konzernen entwickelt Emunds+Staudinger überzeugende Konzepte, die sich rechnen. Die eingesetzten Produkte und<br />
Verfahren sind auf die jeweiligen Baumaßnahmen zugeschnitten und sorgen für reibungslose Bauabläufe. Dabei trägt<br />
das Unternehmen auch den hohen Anforderungen des Umweltschutzes Rechnung. Zum Beispiel mit der Entwicklung<br />
und dem Einsatz umweltorientierter Technologien und Verfahren, wie dem Terra-Star Recycler zur Bodenaufbereitung,<br />
mobilen Baustraßensystemen oder dem so genannten tiefergehenden Linearverbau.
10 |<br />
| Brenneranordnung DFI-Booster (oben), DFI-Hüllflamme (unten)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung,<br />
Leistungs- und Qualitätssteigerung<br />
von Banddurchlaufanlagen<br />
DR.-ING. HERBERT EICHELKRAUT Direktor Standort Bruckhausen | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
DIPL.-ING. HANS-JOACHIM HEILER Teamkoordinator | ThyssenKrupp Steel AG, Finnentrop<br />
DIPL.-ING. HANS PETER DOMELS Teamleiter Energie/Anlagenwirtschaft | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
WERNER HÖGNER Fachkoordinator Energie/Anlagenwirtschaft | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
Mit der Entwicklung des Verfahrens ’Direct Flame Impingement (DFI)-Oxyfuel’, der direkten Beaufschlagung<br />
von Wärmgut mit einer Sauerstoff-Brenngas-Flamme, ist es gelungen, die Ofentechnik an Banddurchlaufanlagen<br />
weiterzuentwickeln. Zusammen mit dem Kooperationspartner Linde wurde das Verfahren erstmals<br />
an einer Feuerbeschichtungsanlage von ThyssenKrupp Steel im Werk Finnentrop eingesetzt. Dort erbrachte<br />
es von Anfang an hervorragende Ergebnisse in Bezug auf Steigerung der Durchsatzleistung, Produktqualität,<br />
Qualitätsverbesserung der Anlage, Energieeffizienz und somit auch Minderung der direkten CO2-Emissionen.<br />
Eine weitere Bandverzinkungs- und Aluminierungsanlage im Werk Duisburg-Bruckhausen ist inzwischen<br />
ebenfalls mit dieser Technologie im Einsatz.<br />
Leistungssteigerung an Banddurchlaufanlagen<br />
ThyssenKrupp Steel bedient in zunehmendem Maße den Markt mit<br />
durch metallische Schutzschichten (Zink und Aluminium) veredeltem<br />
Kalt- sowie Warmband und betreibt zu diesem Zwecke heute in<br />
mehreren Ländern neun eigene Anlagen und eine weitere im Joint-<br />
Venture mit einem chinesischen Partner. Für das kontinuierliche galvanische<br />
Verzinken von Coils gibt es zwei unterschiedliche Anlagentypen,<br />
sog. Horizontal- und Vertikalanlagen mit den entsprechenden<br />
Ofenbauarten I Bild 1 I. Diese Art der kontinuierlich arbeitenden<br />
Verzinkungsanlagen stellt eine Kombination mehrerer Prozessstufen<br />
in einer Anlage dar: Das Band wird im einem Banddurchlauf durch<br />
die Anlage gereinigt, wärmebehandelnd geglüht, verzinkt, eventuell<br />
nachgeglüht (galvanealed), dressiert und adjustiert.<br />
In den letzten Jahren wurden bei ThyssenKrupp Steel überwiegend<br />
Vertikalanlagen errichtet, aber auch die Horizontalanlagen haben ihre<br />
Besonderheiten, z.B. für das Verzinken von Warmband und speziellen<br />
Stahlqualitäten. Allen Anlagen gemein ist die Forderung, kontinuierlich<br />
Möglichkeiten der Leistungssteigerung mit wirtschaftlichsten Maß-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
| 11<br />
nahmen auszuschöpfen. Dies bedingt, dass leistungssteigernde<br />
Veränderungen ohne größere Umbauten und Ofenverlängerungen<br />
bei gegebenen Hallenlängen in die vorhandene Anlagenstruktur<br />
integriert werden müssen. Dazu ist im Vorfeld jeweils eine umfangreiche<br />
Systemanalyse der vorhandenen Anlage erforderlich, um die<br />
Engpassaggregate der jeweiligen Produktionslinie zu ermitteln. Liegt<br />
der Engpass für einen großen Teil der Produktpalette einer Banddurchlaufanlage<br />
im Ofenteil, so waren bisher stets eine höchst aufwendige<br />
Verlängerung der Ofenstrecke und eine Leistungserhöhung<br />
der Beheizung erforderlich. Alternativ wurden an einigen Anlagen<br />
Leistungssteigerungen erreicht, indem das Band mit einem vorgeschalteten<br />
elektrisch betriebenen Induktions-Booster nach Bedarf<br />
zusätzlich aufgewärmt wird.<br />
Neue Möglichkeiten der Leistungssteigerung eröffneten sich nach<br />
Entwicklung und Anpassung der Direct Flame Impingement-Oxyfuel-<br />
Technologie an die Verhältnisse der Bandbeschichtungsanlage.<br />
Zusammen mit dem Unternehmen Linde, das bereits Erfahrungen<br />
mit derartiger Beheizungstechnik an Edelstahl-Glühanlagen in Skandi-
12 | DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen<br />
navien gemacht hatte, wurde das Verfahren weiterentwickelt und in<br />
der Feuerbeschichtungsanlage FBA 3 erstmals großtechnisch für die<br />
Erwärmung von Qualitätsflachstahl eingesetzt, ohne dass die Ofengesamtlänge<br />
geändert werden musste.<br />
Energetischer Vorteil der DFI-Oxyfuel-Technologie<br />
Die Beheizung von Wärmöfen mit der Oxyfuel-Technologie ist bereits<br />
länger bekannt als eine Maßnahme zur Leistungssteigerung und<br />
Energieeinsparung mit höchsten Prozesstemperaturen. Als einfacher<br />
Einstieg in die Oxyfuel-Technologie wird in speziellen Feuerungen die<br />
Verbrennungsluft zusätzlich mit Sauerstoff angereichert. Der Vorteil<br />
dieser Maßnahme liegt in der Reduzierung des Stickstoffanteiles, der<br />
als Ballast in der Feuerung ebenfalls auf Prozesstemperatur erwärmt<br />
werden muss und lediglich einen geringen Beitrag zur Erwärmung des<br />
Einsatzgutes leisten kann. Je höher der Grad der Sauerstoffanreicherung<br />
gewählt werden kann, desto weniger macht sich der nachteilige<br />
Einfluss des inerten Stickstoffes bemerkbar. Der Wärmeverlust, der<br />
durch die Abführung des heißen Verbrennungsgases am Ende des<br />
Erwärmungsprozesses auftritt, wird somit immer weiter minimiert. In<br />
gleichem Maße steigt der sog. feuerungstechnische Wirkungsgrad als<br />
Maßzahl für die Effizienz eines Ofens an.<br />
Die Anreicherung der Brennluft kann in technischen Feuerungen<br />
bis zum Einsatz von reinem Sauerstoff als Oxidationsmittel reichen.<br />
Die durch die Sauerstofferzeugung verursachten Kosten haben in der<br />
Vergangenheit jedoch nur bei wenigen Projekten spezieller Feuerungsanlagen<br />
eine ausreichende Wirtschaftlichkeit – meist nur in Verbindung<br />
mit Leistungssteigerungen – erreichen lassen, z.B. an den Pfannenfeuern<br />
im Stahlwerk. Bei Verbrennung von Erdgas mit reinem Sauerstoff<br />
entsteht ein Verbrennungsgas, das idealerweise lediglich die<br />
Bestandteile Wasserdampf und Kohlendioxid enthält. Beides sind<br />
Gase, die gegenüber Stickstoff ausgezeichnete Strahlungseigeschaften<br />
für die Wärmeübertragung besitzen. Bei den hohen erreichbaren<br />
Flammentemperaturen konnte somit gegenüber der konventionellen<br />
Verbrennung mit Luft eine deutlich bessere Wärmeübertragung an<br />
ein Wärmgut erreicht werden I Bild 2 I.<br />
Neue Möglichkeiten für die Sauerstoff-Erdgasflamme eröffneten<br />
sich durch die Kombination mit der Technik des Direct Flame Impingements,<br />
d.h. der direkten Beaufschlagung des Wärmgutes mit einer<br />
Flamme, als ein hocheffizienter Effekt zur Steigerung der Wärmeübertragung.<br />
Gegenüber einer konventionellen Feuerung, bei der die<br />
Wärmeübertragung überwiegend durch Strahlung und nur untergeordnet<br />
durch Konvektion erreicht wird, steigt der Wärmeübegangskoeffizient<br />
als Maßzahl für die Übertragung etwa um den Faktor 10.<br />
Da Oxyfuel-Brenner in Relation zur Gas-Luft-Verbrennung nur kurze<br />
kompakte Flammen erzeugen (Hüllflamme), muss für die Anwendung<br />
der DFI-Oxyfuel-Technologie eine große Anzahl von kleinen Brennern<br />
zu einer Einheit, der sog. Brennerrampe, zusammengebaut werden<br />
I Bild 3 I. Mehrere Rampen auf der Ober- und Unterseite des Wärmgutes<br />
ergeben eine sog. Boostereinheit, die in kompakter Bauform<br />
mit hoher Leistungsdichte relativ einfach in den vorderen Teil von<br />
bestehenden Banddurchlaufanlagen am Ende oder alleine als kompletter<br />
Ofen eingebaut werden können.<br />
Anwendung von DFI-Oxyfuel an vorhandenen Öfen<br />
Aus den Laborversuchen an einer Testanlage des Unternehmens<br />
Linde in Schweden wurden die Grundlagen für eine Anwendung der<br />
DFI-Oxyfuel-Technologie an einer Wärmofenanlage für Band ermittelt.<br />
Das Ergebnis war die Konzeption einer nur 2 m langen DFI-Oxyfuel-<br />
Boostereinheit, bestehend aus 4 Brennerrampen mit insgesamt 120<br />
Oxyfuel-Flammen, die eine max. Brennerleistung von 5.000 kW darstellen.<br />
Durch Ausprägung aller Einzelflammen zu einer dem Material<br />
umspannenden Hüllflamme wird eine gleichmäßige Oberflächenbehandlung<br />
erreicht. Anlagentechnisch wurde außerdem der Platz für<br />
zwei weitere Brennerrampen vorgesehen, die zusätzliche 2.500 kW<br />
Heizleistung erbringen können.<br />
Durch diese kompakte Bauform war es möglich, den Booster als<br />
erste Stufe der Erwärmung in den Ofen unmittelbar am Einlauf zu<br />
integrieren, ohne den Ofen zu verlängern. Somit konnten erhebliche<br />
Umbaumaßnahmen an der Gesamtanlage umgangen werden: Ohne<br />
den Einsatz der DFI-Oxyfuel-Booster hätte der vorhandene Ofen der<br />
FBA 3 in Finnentrop um etwa 10 m im Vorwärmteil verlängert werden<br />
müssen, um die gleiche Leistungssteigerung zu erreichen.<br />
Für die Anwendung dieses Boosters an der FBA 3 ergab sich im<br />
Laufe der Planung die Möglichkeit, den Anlagenstillstand für den<br />
Einbau auf 12 Tage zu begrenzen. Der konventionelle Umbau mit<br />
Verlängerung des Vorwärmofens und des dann notwendigen Versetzens<br />
der Einlaufrollen am Ofenanfang hätte erheblich längere Stillstandszeiten<br />
erfordert.<br />
Auswirkungen auf den Ofenbetrieb<br />
Die vorliegenden Betriebsergebnisse belegen, dass die Kapazität<br />
der Ofenanlage um 30 % gesteigert werden konnte. Dies wurde<br />
möglich, da der thermische Wirkungsgrad des Boosters bei etwa<br />
85 % und damit deutlich über dem Wirkungsgrad der konventionellen<br />
Beheizungstechnik bzw. der induktiven Boosteranlagen liegt. Die<br />
Nennleistung der Verzinkungsanlage FBA 3 lag vor dem Umbau bei<br />
82 t/h und konnte durch den DFI-Oxyfuel-Booster auf maximal 109 t/h<br />
gesteigert werden. Durch die gezielte Anpassung der betriebenen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Vertikaler Ofen<br />
Horizontaler Ofen<br />
Zinkbad<br />
Zinkbad<br />
Bild 1 | Ofenbauarten von Banddurchlaufanlagen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen | 13<br />
Kühlstrecke<br />
Reduktionsofen<br />
Kühlstrecke<br />
Reduktionsofen<br />
Vorwärmofen konvektiv<br />
Booster<br />
Bandeinlauf<br />
Vorwärmofen beheizt<br />
Bandeinlauf<br />
Vorwärmofen konvektiv<br />
Booster
14 | DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen<br />
relative Wärmestromdichte [%]<br />
1.200<br />
1.100<br />
1.000<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Air-Fuel<br />
Bild 2 | Verbesserte Wärmeübertragung durch DFI-Oxyfuel-Flammen<br />
Oxyfuel-Brenner an die jeweils aktuelle Bandbreite stellt sich nach<br />
ersten Messungen und Beobachtungen eine gleichmäßigere Erwärmung<br />
über die Bandbreite ein, was zu verbesserten Glüheigenschaften<br />
führt.<br />
Die Technik bietet weiterhin die Möglichkeit, auf einfache Weise<br />
eine kontrollierte Voroxidation des Bandes zu erreichen. Dies wird<br />
in zunehmendem Maße bei der Herstellung bestimmter Qualitäten<br />
in den Bandverzinkungsanlagen erforderlich.<br />
Vorteil für die Bandreinigung<br />
Oxyfuel DFI-Oxyfuel<br />
Vorlaufende Labortests ließen überraschend erkennen, dass die DFI-<br />
Oxyfuel-Technologie noch einen weiteren wesentlichen Vorteil beim<br />
Einsatz an Bandverzinkungsanlagen aufweisen könnte: Der direkte<br />
Kontakt der Flamme mit dem Bandmaterial befreite die Bandoberfläche<br />
von unerwünschten Fremdstoffen wie Emulsionen, Ölen, Schmierstoffen<br />
und Partikeln aus dem Kaltwalzprozess. Die Erwartungen aus<br />
den Vorversuchen wurden inzwischen im Anlagenbetrieb der FBA 3<br />
bestätigt, sodass die Anforderungen für eine hochqualitative Metalllauflage<br />
sicher erfüllt werden. Dadurch war es möglich, über eine<br />
reine Leistungssteigerung hinaus auch die konventionelle mechanische<br />
und elektrolytische Bandreinigung aus dem Fertigungsprozess zu entfernen<br />
und lediglich mit dem DFI-Oxyfuel-Booster das Band zu reinigen.<br />
Diese Maßnahme der Leistungssteigerung trägt durch den verbesserten<br />
Wirkungsgrad gleichzeitig dazu bei, den spezifischen Brenngaseinsatz<br />
der Produktionsanlage zu vermindern. Aus den Ergebnissen<br />
der inzwischen mehrmonatigen Betriebszeit hat sich gezeigt, dass bei<br />
Einsatz des DFI-Oxyfuel-Boosters der spezifische Brenngasverbrauch<br />
um 5,2 % gesenkt werden konnte. Bei der typischen Produktion der<br />
Verzinkungsanlage von 36.000 t/Monat werden damit im Jahr fast<br />
450.000 m3 Erdgas eingespart. Mit dieser Menge können etwa 500<br />
moderne Einfamilienhäuser ein Jahr lang beheizt werden.<br />
Der verminderte Gasverbrauch bedeutet auch eine Verringerung<br />
der Emission an Kohlendioxid, sodass monatlich ca. 95 t CO2 weniger<br />
erzeugt werden. Durch die Verbrennung von Erdgas mit reinem Sauerstoff<br />
werden durch den fehlenden Stickstoff trotz der hohen Prozesstemperaturen<br />
kaum Stickoxide gebildet. Die verbleibenden NOX-Emissionen<br />
der Gesamtanlage (der größte Anteil stammt vom Abgas des<br />
unveränderten Ofenteiles mit Erdgas-Luft-Verbrennung) konnten somit<br />
infolge des Boosteranteils bezogen auf die gesamte Heizleistung um<br />
20 % reduziert werden.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Ausblick<br />
Der Erfolg der Anwendung des Oxyfuel-Boosters mit DFI-Technologie<br />
hat dazu geführt, dass inzwischen auch die Horizontalanlage FBA 1<br />
im Werk Duisburg-Bruckhausen damit ausgerüstet wurde, sie ist im<br />
September <strong>2007</strong> in Betrieb gegangen. Für weitere Banddurchlaufanlagen<br />
werden zzt. die Wirtschaftlichkeiten derartiger Ofenerweiterungen<br />
ermittelt.<br />
Für die technisch anders ausgeführten vertikalen Verzinkungsanlagen<br />
werden ebenfalls Überlegungen zum Einsatz eines DFI-Oxyfuel-<br />
Boosters angestellt. Hier ist die Integration in bestehende Anlagen<br />
jedoch aus verfahrenstechnischen Gründen schwieriger.<br />
Bild 3 | Einbausituation des DFI-Oxyfuel-Boosters an der FBA 3<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen | 15<br />
Es sind bereits Gespräche mit Anlagenbauern für die Errichtung<br />
von vier modernen Vertikal-Verzinkungsanlagen für den Standort<br />
des neu zu errichtenden Werkes in Alabama/USA aufgenommen<br />
worden. Die durch die DFI-Oxyfuel-Booster mögliche kompaktere<br />
Anlagenbauweise und damit der Entfall von bis zu 40 Strahlrohren<br />
sowie einer Bandreinigungseinheit könnten Vorteile auch in diesem<br />
Projekt bieten.<br />
Weitere Einsatzgebiete der DFI-Oxyfuel-Booster könnten in kontinuierlichen<br />
Bandglüh- und Erwärmungsanlagen bzw. CSP (Compact Strip<br />
Production) und Grobblechdurchlauföfen liegen. Auch hierzu werden<br />
zzt. technische und wirtschaftliche Untersuchungen durchgeführt.
16 |<br />
| Ergebnisdarstellung in der Wissensdatenbank am Beispiel Stahlwerksschlacke<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Entwicklung einer Wissensdatenbank zur<br />
Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten,<br />
Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />
DR. RER. NAT. ALFONS ESSING Projektkoordinator, Werkstoffkompetenzzentrum | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
DIPL.-INFORM. AXEL TEICHMANN Teamleiter Informationstechnik, Werkstoffkompetenzzentrum | ThyssenKrupp Steel AG, Duisburg<br />
Die vielfältigen gesetzlichen Regelungen und die daraus resultierenden Kundenspezifikationen führen zu<br />
verstärkten Anforderungen an die umweltgerechte Herstellung, Verwendung und Entsorgung der Produkte<br />
von ThyssenKrupp Steel. Um die Vielzahl der Anforderungen zu bündeln und eine schnelle und eindeutige<br />
Entscheidungshilfe anbieten zu können, wird eine Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von<br />
Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen aufgebaut. Hier werden alle relevanten produktspezifischen<br />
Informationen, wie z.B. Recyclingfähigkeit, Angaben zu Inhaltsstoffen und das Gefährdungspotenzial von<br />
einzelnen Stoffen, gesammelt sowie jederzeit schnell und aussagekräftig zur Verfügung gestellt. Durch die<br />
logische Verknüpfung der gespeicherten Produktdaten mit den ebenfalls abgelegten Richtlinien, Normen<br />
oder kundenspezifischen Anforderungen ist gleichzeitig eine schnelle Analyse auf Konformität möglich.<br />
Anforderungen an die Wissensdatenbank<br />
Die Anforderungen an Produkte bezüglich umweltgerechter Herstellung,<br />
Verwendung und Entsorgung nehmen nicht zuletzt durch die Umweltgesetzgebung<br />
ständig zu. Die Kunden haben mit entsprechenden<br />
Konformitätsanfragen und auch eigenen, spezifischen Anforderungen<br />
reagiert und werden dies auch zukünftig weiterhin tun.<br />
Je nach Einsatzzweck der Produkte sind unterschiedlichste Informationen<br />
relevant. Zur Bündelung des vorhandenen, allerdings auf<br />
viele Mitarbeiter verteilten, umfangreichen Wissens zu dieser Thematik<br />
bietet sich der Aufbau einer Wissensdatenbank an. Hierzu wurde<br />
folgendes Anforderungsprofil definiert:<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
| 17<br />
Die Wissensdatenbank versteht sich als Sammlung von Wissen<br />
und Fakten, verbunden mit einer klaren Strukturierung aller<br />
Informationen.<br />
Durch die Implementierung von benutzerfreundlichen Such- und<br />
Auswertefunktionalitäten soll sie eine komfortable und vor allem<br />
effektive Möglichkeit darstellen, das hinterlegte Wissen vielen<br />
berechtigten Personen zur Verfügung zu stellen.<br />
Die logische Verknüpfung der gespeicherten Produktdaten mit den<br />
ebenfalls abgelegten Richtlinien, Normen oder kundenspezifischen<br />
Anforderungen erlaubt eine schnelle Analyse auf Konformität.<br />
Die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden stehen im Vordergrund<br />
der Betrachtungen.
18 | Entwicklung einer Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />
Um eine hohe Praxisrelevanz zu gewährleisten, wurden von Beginn<br />
an alle potenziellen Anwender vom Vertrieb der Hauptprodukte über<br />
den Verkauf der Nebenprodukte bis hin zu den Entsorgungsbetrieben<br />
in ein Projektteam integriert. Als externe Partner konnten das Institut<br />
für Energie- und Umwelttechnik e.V., IUTA, Duisburg, sowie für die<br />
Programmierung der Datenbankstruktur die science + computing<br />
ag, Tübingen, gewonnen werden.<br />
Von der Idee zum Prototyp<br />
In der ersten Projektphase wurde die zunächst abstrakte Idee in eine<br />
konkrete Software-Anwendung entwickelt. Die Erarbeitung der Grundstruktur<br />
der Wissensdatenbank erfolgte anhand folgender typischer<br />
Produkte seitens ThyssenKrupp Steel:<br />
weichlegierter Stahl, elektrolytisch verzinkt, dünnfilmbeschichtet,<br />
Walzzunder, ölhaltig und<br />
Stahlwerksschlacke.<br />
Die im Team abgestimmte Auswahl dieser sehr unterschiedlichen<br />
Produkte erforderte bereits in dieser ersten Projektphase eine breite<br />
Auslegung der Wissensdatenbankstruktur. Weichlegiertes Stahlblech<br />
wird im Kundenauftrag für die Automobilindustrie hergestellt. Es handelt<br />
sich um einen Stahl gemäß DIN EN 10152, der elektrolytisch<br />
verzinkt wird und anschließend eine organische Dünnfilmbeschichtung<br />
erhält. Der Walzzunderschlamm fällt beim Warmwalzprozess an.<br />
Walzzunder besteht zu über 60 % aus Eisenoxid und wird zu einem<br />
großen Anteil werksintern recycelt, d.h. er wird u.a. im Schachtofen<br />
zur Stahlerzeugung eingesetzt. Die Stahlwerksschlacke ist ein Nebenprodukt<br />
der Stahlherstellung und besteht aus einem Gemisch aus<br />
verschiedenen Kalziumsilicaten mit erheblichen Anteilen an Freikalk<br />
sowie weiteren Metalloxiden. Entsprechend der Korngrößenklassifizierung<br />
sind für die Schlacke verschiedene Verwertungswege relevant:<br />
Düngemittel, Straßen- und Wasserwegebau.<br />
In die Zusammenstellung der notwendigen Kenngrößen auf Basis<br />
kundenspezifischer und gesetzlicher Anforderungen war das gesamte<br />
Projektteam eingebunden. Damit war sichergestellt, dass sowohl<br />
das notwendige Fachwissen als auch die Bedürfnisse des potenziellen<br />
Anwenders in das Datenbankprofil eingingen. I Bild 1 I stellt die<br />
grundsätzliche Vorgehensweise bei der Profilentwicklung dar.<br />
Ausgehend vom betrachteten Stoff erfordert die Wissensdatenbank<br />
die Entwicklung eines Profiles, das den Anwendungsbereich<br />
sowie die gesetzlichen und kundenspezifischen Anforderungen<br />
definiert. Zusätzlich wurden in der Datenbank die betriebsintern vorhandenen<br />
Sicherheitsdatenblätter und Analysedaten der ausgewählten<br />
Produkte sowie externe einzelstoffbezogene Informationen aus verschiedenen<br />
Datenbanken zur Toxikologie und Ökologie hinterlegt.<br />
Nach Aufbereitung in der Wissensdatenbank erfolgt die Gegenüberstellung<br />
und der Vergleich dieser Daten, wobei die ausgegebene<br />
Bewertung entsprechend des Einsatzbereiches der Produkte aus rechtlicher<br />
und besonders aus kundenspezifischer Sicht im Vordergrund<br />
steht. Die Ergebnisse des Datenvergleiches werden in kurzer und übersichtlicher<br />
Form so zusammengefasst, dass alle wesentlichen Informationen<br />
zum Gefährdungspotenzial der Produkte enthalten sind und<br />
dem Anwender schnell zur Verfügung stehen I siehe Titelbild Bericht I.<br />
Für die Darstellung ist eine Ampelfärbung gewählt worden:<br />
Grün<br />
Das Produkt entspricht allen Anforderungen und Richtlinien.<br />
Gelb<br />
Parametergehalte müssen deklariert werden oder die Bewertung<br />
kann aufgrund fehlender Produktdaten nicht erfolgen.<br />
Rot<br />
Grenzwertüberschreitungen sind gegeben, was den Ausschluss<br />
des gewählten Einsatzbereiches des Produktes zur Folge hat.<br />
Aus der Wissensdatenbank können zu den einzelnen Produkten<br />
ebenfalls die Sicherheitsdatenblätter (SDB) und die Analysedaten<br />
in Tabellenform ausgegeben sowie Lieferanten- oder Konformitätserklärungen<br />
erstellt werden. Neben einer einsatzbezogenen Bewertung<br />
der einzelnen Produkte ist auch eine richtlinienabhängige<br />
Bewertung der Produkte möglich I Bild 2 I.<br />
Ausblick<br />
Um die Anwendung der Wissensdatenbank werksintern zu fördern<br />
und deren Einsatz segmentübergreifend zu ermöglichen, wird in der<br />
jetzt beginnenden zweiten Projektphase der vorliegende Prototyp<br />
der Wissensdatenbank in ein web-basiertes Produktiv-System überführt.<br />
Gleichzeitig wird die Wissensdatenbank hinsichtlich der Stoffe<br />
und Richtlinien vervollständigt. Besonderes Augenmerk liegt hierbei<br />
auf einer offenen Systemarchitektur, die auf Dauer eine leichte<br />
Anpassung an neue gesetzliche, betriebliche und kundenorientierte<br />
Anforderungen zulässt.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Stoff<br />
Entwicklung einer Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz von Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen | 19<br />
Produkt<br />
Nebenprodukt<br />
Entfallstoff<br />
Datenrecherche intern<br />
Sicherheitsdatenblatt<br />
Analysedaten<br />
Physikalische Daten<br />
Abfrage Anwender<br />
Bild 1 | Profilentwicklung für die Wissensdatenbank<br />
Gesetzliche Regelungen und kundenspezifische Anforderungen<br />
Bundesbodenschutz- und Atlasten-Verordnung – inkl. Informationsblätter<br />
für den Vollzug der LABO (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz)<br />
TLW – Technische Lieferbedingungen für Wasserbausteine<br />
LAGA – Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall)<br />
(Merkblatt 20/Schlacken Z1, Z2)<br />
Düngemittelverordnung<br />
TA (Technische Anleitung) Abfall, TA Siedlungsabfall<br />
Deponieverordnung<br />
Altautoverordnung<br />
GADSL – Global Automotive Declarable Substance List (<strong>2007</strong>)<br />
Bild 2 | Gesetzliche Regelungen und kundenspezifische Anforderungen in der Wissensdatenbank (Auswahl)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Profilentwicklung<br />
Anwendungsbereiche<br />
Gesetzliche Anforderungen<br />
Kundenspezifische Vorgaben<br />
Datenbank<br />
Vergleich<br />
Bewertung<br />
Auswertung<br />
Darstellung der Ergebnisse<br />
Datenrecherche extern<br />
Toxikologische/<br />
ökologische Daten<br />
Sicherheitsrelevante Daten<br />
Analysewerte der drei Stoffe
20 |<br />
| Virtuell entwickelter und hergestellter Prototyp<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
StahlLeichtbau-Chassis SLC –<br />
die innovative und kostengünstige<br />
Leichtbaulösung für Pkw-Achsträger<br />
DIPL.-ING. PETER SEYFRIED Leitung Leichtbau & InnovationsZentrum Auto (LIZA) | ThyssenKrupp Steel AG, Dortmund<br />
DIPL.-ING. ULF SUDOWE Leiter Engineering Chassis | ThyssenKrupp Umformtechnik GmbH, Bielefeld<br />
Halb so teuer wie die Referenz, eine Aluminium-Lösung aus der Oberklassen-Großserie, und nur 5 %<br />
schwerer ist der innovative Hinterachsträger: Das StahlLeichtbau-Chassis SLC genannte Konzept ist<br />
das Ergebnis enger Zusammenarbeit zwischen ThyssenKrupp Steel, ThyssenKrupp Umformtechnik und<br />
ThyssenKrupp Automotive Systems. Das Konzept überzeugt durch seine optimale Mischung aus Werkstoffexpertise,<br />
Werkzeug- und System-Know-how.<br />
Gemeinschaftsprojekt StahlLeichtbau-Chassis<br />
In den vergangenen Jahren hat die Stahlindustrie erfolgreich neue<br />
Stahlgüten mit verbesserten mechanischen Eigenschaften und darauf<br />
aufbauende Leichtbaulösungen für den Karosseriebereich entwickelt.<br />
Die hierbei eingesetzten höher- und höchstfesten Stahlgüten lassen<br />
sich auch in anderen Fahrzeugbereichen nutzen. Welches Potenzial<br />
neue Stahlwerkstoffe, profilintensive Bauweise und innovative Fügetechnologien<br />
beispielsweise im Fahrwerk besitzen, zeigt das Stahl-<br />
Leichtbau-Chassis SLC. Der Hinterachsträger wurde im Rahmen eines<br />
Gemeinschaftsprojektes segmentübergreifend von ThyssenKrupp<br />
Steel, ThyssenKrupp Umformtechnik und ThyssenKrupp Automotive<br />
Systems entwickelt. Referenz für die innovative Stahllösung ist eine<br />
moderne Hilfsrahmenstruktur aus Aluminium, die gegenwärtig<br />
in einem Serienfahrzeug des Premiumsegmentes eingesetzt wird.<br />
Der neu entwickelte Hinterachsträger aus Stahl I Bild 1 I ist bei<br />
gleicher Performance hinsichtlich Steifigkeiten und Haltbarkeit sowie<br />
lediglich geringem Mehrgewicht etwa 40 % kostengünstiger als die<br />
Referenz-Baugruppe.<br />
Anspruchsvoller Benchmark – wettbewerbsfähige Stahllösung<br />
Der als Referenzstruktur ausgewählte Serien-Hinterachsträger darf<br />
als besonders anspruchsvoller Benchmark gelten. So umfasst die<br />
Baugruppe eine Reihe von Aluminium-Gussteilen, deren Umsetzung<br />
in Stahl-Pressteilen höchste Ansprüche an Bauteilgestaltung und<br />
Umformtechnologie stellt. Gleichzeitig muss die Stahlstruktur einen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
gleichwertigen Korrosionsschutz gegenüber Aluminium aufweisen.<br />
Hierbei stellt die Verwendung dünner Bleche aus höchstfestem<br />
Stahl eine besondere Herausforderung dar. Um die komplexen Anschlussbedingungen<br />
an Lenker, Aufnahmen etc. ohne nachteilige<br />
Auswirkungen auf das Gewicht der Baugruppe zu erfüllen, mussten<br />
sowohl bei der Teileproduktion als auch beim Zusammenbau neue<br />
Fertigungsmethoden angewendet werden. Das virtuell entwickelte<br />
Modell wurde hinsichtlich des Projektanspruches der Serienherstell-<br />
Bild 1 | Maßgeschneiderte Lösung für eine komplexe Einbausituation:<br />
StahlLeichtbauChassis im Achssystem<br />
| 21
22 |<br />
Bild 2 | Prozessichere Schweißbarkeit wurde mit realen Prototypenteilen nachgewiesen.<br />
Bild 3 | Flanschlose Leichtbauprofile mit Halbschalentechnik: Auch komplexeste<br />
Geometrien lassen sich prozesssicher mit dem hochfesten Complexphasenstahl<br />
CP-W 800 darstellen.<br />
barkeit durch eine Kleinserie von Prototypen I Bild 2 I, die letztendlich<br />
einer dynamischen Bauteilprüfung unterzogen worden sind, in der<br />
Praxis erprobt.<br />
Ganzheitliche Entwicklung<br />
Die interdisziplinäre Zusammensetzung des Projektteams ermöglichte<br />
die optimale Bündelung von Werkstoff-, Produkt-, und Prozess-Knowhow<br />
über den gesamten Projektverlauf. Anspruch des Projektes war<br />
es, Automobilherstellern eine serientaugliche Lösung anzubieten. Bei<br />
der Validierung des SLC-Konzeptes wird der fertige Hinterachsträger<br />
gemäß gängiger Standards in einem mehrachsigen Nachfahrprüfstand<br />
hinsichtlich Betriebsfestigkeit überprüft. Dehnungsmessstreifen auf<br />
dem zu prüfenden Bauteil sorgen dabei für einen Rückfluss der real<br />
gemessenen Spannungen am Prüfteil in die Bauteilsimulation. Hieraus<br />
lassen sich sowohl weitere Optimierungen als auch Erkenntnisse<br />
für zukünftige Entwicklungen ableiten.<br />
Beim StahlLeichtbau-Chassis kommt unter anderem der warmgewalzte<br />
Complexphasenstahl CP-W 800 zum Einsatz. Mit einer<br />
Streckgrenze von 680 MPa ist der Werkstoff deutlich fester als die<br />
gegenwärtig im Fahrwerkbau überwiegend verwendeten Stähle mit<br />
Streckgrenzen von 355 bis 420 MPa. Damit ermöglicht entsprechend<br />
dünnwandigere Konstruktionen, stellt allerdings auch höhere Anforderungen<br />
an die umformtechnischen Fähigkeiten der Verarbeiter.<br />
Entsprechende Erfahrung ist insbesondere bei der Auslegung der<br />
Werkzeugmethode und der Auswahl der richtigen Beschichtung für<br />
die Werkzeuge erforderlich. Hinsichtlich des Korrosionsschutzkonzeptes<br />
bietet der CP-W 800 insbesondere aufgrund seiner Gefügestruktur<br />
und der damit verbundenen Unempfindlichkeit gegenüber<br />
Wärmeeinbringung Vorteile. So ist es zum Beispiel möglich, die<br />
geforderte Korrosionsfestigkeit auf dem Wege der Stückverzinkung<br />
zu realisieren. Je nach Beanspruchung des Trägers hinsichtlich Steinschlag<br />
und Korrosion lassen sich die höchstfesten Complexstähle<br />
vorbeschichtet einsetzen oder auch nachträglich entsprechend der<br />
gängigen Verfahren behandeln, ohne eine nennenswerte Verringerung<br />
der Festigkeiten in Kauf nehmen zu müssen.<br />
Technische Highlights<br />
Mit dem StahlLeichtbau-Chassis ist es dem Projektteam gelungen,<br />
den Einsatzbereich höchstfester Stahlgüten auf umformtechnisch<br />
anspruchsvollere, komplexere Geometrien auszuweiten. Angewendet<br />
wird der CP-W 800 unter anderem für die Längsträger I Bild 3 I und<br />
den hinteren Querträger des Hinterachsträgers, die aus weniger als<br />
2 mm dicken Blechen gefertigt sind I Bild 4 I. Würde man hierfür die<br />
bislang gebräuchlichen Werkstoffe einsetzen, müsste die Blechdicke<br />
rund 2,5 mm betragen.<br />
Eine weitere Gewichtsersparnis bringt der Einsatz von ThyssenKrupp<br />
Tailored Blanks, die aus unterschiedlich dicken CP-W 800 Einzelblechen<br />
bestehen. Unmittelbar gewichtsrelevant ist ferner die verwendete<br />
Fügetechnologie, bei der Bauteile, die aus zwei Halbschalen<br />
zusammengesetzt sind, im so genannten I-Stoß geschweißt werden.<br />
Das Verfahren kommt ohne die sonst üblichen Schweißflansche aus,<br />
die bereits bis zu 5 % des Bauteilgewichtes ausmachen können.<br />
Hinzu kommt, dass flanschlos geschweißte Teile vorhandenen Bauraum<br />
wesentlich effektiver nutzen.<br />
Gestalterische Flexibilität hinsichtlich Kosten und Gewicht<br />
Durch den flexiblen Einsatz von Tailored Blanks ist es ferner gelungen,<br />
einen modularen Baukasten innerhalb der vorgegebenen Geometrie<br />
darzustellen. So wurde die Möglichkeit geschaffen, durch den Austausch<br />
der als Tailored Blanks ausgelegten Längs- bzw. Querträger<br />
gegen Pressteile gleicher Geometrie, aber mit konstanter Blechdicke,<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
eine beanspruchungsgerechte Variantenbildung darzustellen. Dieser<br />
Ansatz ermöglicht es, je nach Kundenwunsch entweder das Gewicht<br />
auf ein Minimum zu reduzieren oder eine ausgewogene Mischung aus<br />
Kosten- und Gewichtsvorteilen darzustellen. In Zahlen bedeutet dies<br />
bei einer Kostenreduzierung von ca. 40 % ein minimales Mehrgewicht<br />
von 5 % zur Referenzstruktur. Bei einer kostengetriebenen Variante<br />
ist eine Auslegung mit ca. 50 % Kostenreduzierung bei einem vertretbaren<br />
Mehrgewicht von 10 % möglich.<br />
CO2-Bilanz<br />
Einer aktuellen Studie zufolge, die im Auftrage des IISI (International<br />
Iron and Steel Institute) an der in internationalen Umweltschutzkreisen<br />
anerkannten University of California, Santa Barbara/USA (UCSB) erstellt<br />
wurde, können folgende Aussagen abgeleitet werden:<br />
Basierend auf einer vergleichenden Ökobilanz und unter Berücksichtigung<br />
der derzeitig bekannten Datenbasis wurde ermittelt, dass<br />
Karosseriekonzepte aus Aluminium im Vergleich zu solchen aus hochfesten<br />
Stählen, wie z.B. ULSAB-AVC (Ultra Light Steel Automotive<br />
Body-Advanced Vehicles Concepts), in der Gesamtbilanz keine Einsparungen<br />
von Treibhausgas-Emissionen ermöglichen. Die über den<br />
vollständigen Produktlebenszyklus innerhalb üblicher Fahrzeuglebensdauern<br />
betrachteten Treibhausgas-Emissionen liegen stattdessen auf<br />
einem in etwa vergleichbaren Niveau. Der Grund hierfür liegt hauptsächlich<br />
in der Produktionsphase des Werkstoffes Aluminium, die<br />
StahlLeichtbau–Chassis SLC – die innovative und kostengünstige Leichtbaulösung für Pkw-Achsträger | 23<br />
schon vor der Nutzungsphase vergleichsweise hohe Treibhausgas-<br />
Emissionen verursacht, welche durch Einsparungen in der Nutzungsphase<br />
bei unterstelltem Gewichtsvorteil der Aluminiumlösung kaum<br />
wieder kompensiert werden können.<br />
Übertragen auf das Chassis-Szenario bedeutet dies, dass der<br />
leichte Gewichtsvorteil der Aluminiumstruktur durch den höheren<br />
CO2- Ausstoß bei der Aluminiumproduktion wieder kompensiert wird.<br />
Ausblick<br />
Bild 4 | Geringes Gewicht durch Einsatz blechdickenoptimierter Tailored Blanks und des hochfesten Complexphasenstahl CP-W 800<br />
PAS 460 t = 2,15 mm<br />
CP-W 800 t = 1,5 mm<br />
CP-K t = 1,3 mm<br />
CP-W 800 t = 1,8 mm<br />
ThyssenKrupp Steel entwickelt zurzeit innovative Zink-Magnesium-<br />
Beschichtungen, mit denen sich das Korrosionsschutzkonzept für das<br />
StahlLeichtbau-Chassis gezielt weiterentwickeln lässt. So kann beispielsweise<br />
der Einsatz ZMg vorbeschichteter Bleche in Kombination<br />
mit einer Nachbehandlung der Schweißnähte und anschließender<br />
KTL(kathodische Tauchlackierung)-Beschichtung zu weiteren, deutlichen<br />
Kostenvorteilen führen.<br />
Ein weiterer Baustein zur Reduzierung von Gewicht und Kosten<br />
sind hochfeste Stahlgüten mit höheren Umformgraden, durch die<br />
komplexere Geometrien und damit verbunden weitere Funktionsintegrationen<br />
möglich sind. Die ganzheitliche Betrachtung zukünftiger<br />
Entwicklungen umfasst auch die Weiterentwicklungen der Fügeprozesse.<br />
Hier bieten sowohl kalte (z.B. Nieten, Kleben) als auch warme<br />
Fügeverfahren noch ein deutliches Potenzial.<br />
PAS 460 t = 1,5 mm<br />
PAS 460 t = 2,15 mm<br />
CP-W 800 t = 1,5 mm<br />
CP-W 800 t = 1,5 mm
24 |<br />
| Wärmetauscherrohrbündel für Meerwasserentsalzungsanlagen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Nichtrostende Stähle<br />
für Meerwasserentsalzungsanlagen<br />
DR.-ING. GEORG UHLIG Technischer Produktmanager | ThyssenKrupp Nirosta GmbH, Krefeld<br />
Mit Hilfe von Meerwasserentsalzungsanlagen kann Trinkwasser mit niedrigen Chloridgehalten erzeugt<br />
werden. Nichtrostende Stähle bilden dabei einen elementaren Bestandteil für die verschiedenen Verfahrenstechnologien.<br />
Aufgrund des steigenden Bedarfes an Trinkwasser speziell in den arabischen Staaten, aber<br />
auch in Südeuropa, stellen Meerwasserentsalzungsanlagen ein sehr interessantes Anwendungsgebiet<br />
für nichtrostende Stähle mit steigender wirtschaftlicher Bedeutung dar.<br />
Trinkwasserbedarf global<br />
Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser stellt in vielen Ländern<br />
des nahen und mittleren Ostens, in Nordafrika und in bestimmten<br />
Regionen Südeuropas eine der wichtigsten Aufgaben dar. Ein erhöhter<br />
Bedarf ist insbesondere in Ländern mit starkem Bevölkerungswachstum<br />
gegeben, wobei die vorhandenen natürlichen Trinkwasservorkommen<br />
teilweise nicht mehr ausreichen. Ebenso können die<br />
vorhandenen Trinkwasserreserven bedingt durch klimatische Veränderungen<br />
zurückgehen, sodass die Grundwasserspiegel fallen oder<br />
das bisher benutzte Oberflächenwasser zum Beispiel in Küstenregionen<br />
verbrackt. Die begrenzte Verfügbarkeit natürlicher Trinkwasservorkommen<br />
macht es deshalb in vielen Ländern erforderlich, zusätzliche<br />
Mengen mittels verfahrenstechnischer Methoden zu generieren.<br />
Eine dieser Möglichkeiten stellen Meerwasserentsalzungsanlagen dar.<br />
Verfahren zur Meerwasserentsalzung<br />
Mit Hilfe von Meerwasserentsalzungsanlagen ist es möglich, den<br />
Chloridgehalt des Meerwassers I Bild 1 I auf niedrige Gehalte entsprechend<br />
der jeweiligen nationalen Verordnungen bzw. Regelwerke<br />
für Trinkwasser abzusenken. In Deutschland werden zum Beispiel<br />
maximale Chloridgehalte im Trinkwasser von 250 mg/l vorgeschrieben.<br />
In der Praxis liegen übliche Chloridkonzentrationen im Leitungswasser<br />
meist deutlich unter 100 mg/l.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Verfahrenstechnisch stehen zur Entsalzung von Meerwasser im<br />
Prinzip drei verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die großtechnisch<br />
eingesetzt werden:<br />
das MSF(Multi Stage Flash)-Verfahren,<br />
das MED(Multiple Effect Distillation)-Verfahren und<br />
das RO(Reverse Osmose)-Verfahren.<br />
Die beiden ersten Verfahren basieren auf der Verdampfung des Meerwassers<br />
und Gewinnung des entsalzten Kondensates, während das<br />
RO-Verfahren nach dem Prinzip der Umkehr-Osmose funktioniert<br />
Salzgehalte Meerwasser<br />
normal: 35.000 ppm<br />
örtlich von: 7.000 ppm (baltisches Meer)<br />
bis zu: 50.000 ppm (persischer Golf)<br />
Brackwasser: 1.000 -10.000 ppm<br />
Bild 1 | Salzgehalte im Meerwasser<br />
| 25
26 | Nichtrostende Stähle für Meerwasserentsalzungsanlagen<br />
Thermisches Verfahren Membran-Verfahren<br />
Meerwasser<br />
Heizen<br />
Wasserdampf<br />
Kondensat<br />
Kühlen<br />
Bild 2 | Verfahrensprinzipien zur Meerwasserentsalzung<br />
Meerwasser<br />
I Bild 2 I. Dabei wird das Meerwasser unter hohem Druck durch eine<br />
semipermeable Membrane gedrückt. Diese Membrane ist für das<br />
Wasser durchlässig, hält aber die Salzanteile zurück.<br />
Aufgrund des steigenden Bedarfes an Trinkwasser wurden in den<br />
letzten Jahren zahlreiche neue Kapazitäten geschaffen. Allein für die<br />
thermischen Verfahren MSF und MED werden weltweit etwa 25 neue<br />
Anlagen pro Jahr gebaut. Gleichzeitig wurde die Anlagenkapazität<br />
kontinuierlich gesteigert. Von den heute betriebenen Meerwasserentsalzunganlagen<br />
entfallen etwa 68 % auf das MSF-Verfahren,<br />
während ca. 14 % nach der MED-Technologie arbeiten. Die restlichen<br />
18 % entfallen auf die Umkehr-Osmose (RO-Verfahren). Insbesondere<br />
das MED-Verfahren und das RO-Verfahren weisen in jüngster Zeit<br />
überproportionale Wachstumsraten auf.<br />
Speziell für die thermischen Verfahren sind korrosionsbeständige<br />
Werkstoffe ein elementarer Bestandteil der Anlagen. Die Auswahl<br />
der Werkstoffe wird dabei durch die lokale Chloridbeaufschlagung<br />
und die einwirkenden Temperaturen bestimmt. Das MSF-Verfahren<br />
besteht anlagentechnisch im Wesentlichen aus mehreren hintereinander<br />
angeordneten Verdampferkammern, in denen das Meerwasser<br />
mit fallender Temperatur und abnehmenden Druck verdampft wird.<br />
Das verdampfte Meerwasser kondensiert danach an Rohrbündeln,<br />
die im Dampfraum der Kammern angeordnet sind. Die Rohre werden<br />
von innen durch Meerwasser gekühlt, welches sich dabei erwärmt<br />
und anschließend den Verdampferkammern zugeführt wird I Bild 3 I.<br />
Für die Verdampferkammern sind prinzipiell verschiedene Werkstoffe<br />
geeignet. Gebräuchlich sind im Wesentlichen Kohlenstoffstahl,<br />
Flussrichtung<br />
Membran<br />
Entsalztes<br />
Wasser<br />
Verdampferkammer<br />
Wärmetauscherrohrbündel<br />
Entsalztes<br />
Kondensat<br />
Wasserdampf<br />
Meerwasser<br />
Bild 3 | Prinzip des MSF-Verfahrens<br />
der mit dem Werkstoff 1.4404 ausgekleidet ist oder mit einer Epoxidbeschichtung<br />
versehen wird. In jüngster Zeit kommen hier auch verstärkt<br />
nichtrostende Duplexstähle (1.4462) zur Anwendung. Höchsten<br />
korrosiven Beanspruchungen insbesondere in den ersten Verdampferstufen<br />
sind die Rohrbündel in den Verdampferkammern ausgesetzt<br />
I siehe Titelbild Bericht I. Die Temperatur in der ersten Stufe kann<br />
dabei bis zu maximal 120 °C bei Drücken von etwa 1,3 bar betragen.<br />
Für diese Rohrbündel kommen überwiegend Kupferbasis- und Titanlegierungen<br />
zum Einsatz. Die Bodenplatten der Rohrbündel bestehen<br />
dagegen überwiegend aus dem Werkstoff 1.4404. Auch für weitere<br />
Anlagenteile wie Pumpen, Behälter und Verrohrungen werden nichtrostende<br />
Stähle, wie 1.4404 und 1.4539, eingesetzt.<br />
Bei dem MED-Verfahren sind die korrosiven Anforderungen bedingt<br />
durch die unterschiedliche Prozessführung in der Regel weniger hoch<br />
als bei dem MSF-Verfahren. Das Meerwasser wird bei diesem Verfahren<br />
in mehreren Stufen auf Rohrbündel gesprüht und dabei verdampft.<br />
Der Dampf wird anschließend in die Rohre geführt und kondensiert<br />
dort als entsalzenes Wasser. Bei dieser Verfahrenstechnologie<br />
bestehen die Verdampferkammern und die Tanks für das Destillat in<br />
der Regel aus den nichtrostenden Stählen 1.4404 oder 1.4462. Die<br />
Temperaturbeanspruchung der Rohrbündel ist beim MED-Verfahren<br />
mit maximal 70 °C weniger hoch als beim MSF-Verfahren. Aus diesem<br />
Grund eignen sich für das MED-Verfahren unter anderem hochlegierte<br />
nichtrostende Stähle vom Typ 1.4565 für die möglichst dünnwandigen<br />
Rohrbündel I Bild 4 I. Werkstoffalternativen wären für diesen Anlagenteil<br />
Titan- oder Kupferbasislegierungen.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 4 | Wärmetauscherrohrbündel aus NIROSTA ® 4565<br />
Darüber hinaus kommen auch bei weiteren Komponenten beim<br />
MED-Verfahren nichtrostende Stähle der Sorten 1.4404 und 1.4462<br />
unter anderem für den Transport und die Lagerung des Rohwassers<br />
und des Destillats zur Anwendung.<br />
Moderne Anlagen nach dem MED-Verfahren weisen eine Kapazität<br />
von etwa 250.000 m3 /d auf. Für derartige Anlagen werden nichtrostende<br />
Stähle mit einer Tonnage von mehreren tausend Tonnen<br />
in Form von warm- und kaltgewalzten Blechen und Bändern sowie<br />
Rohren benötigt I Bilder 5 und 6 I.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Fazit<br />
Nichtrostende Stähle für Meerwasserentsalzungsanlagen | 27<br />
Entsprechend der Prognose für den zukünftigen Bedarf an Trinkwasser<br />
stellen Meerwasserentsalzungsanlagen damit ein sehr interessantes<br />
Anwendungsgebiet für nichtrostende Stähle dar, das auch in den<br />
nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.<br />
Bild 5 | ’Demi Water Plant’ zur Entsalzung von Brackwasser in Rotterdam, Niederlande Bild 6 | Meerwasserentsalzungsanlage Al Hidd, Bahrain
28 |<br />
| Spaceframe-Karosserie des Prototypen Nido (Nest) von Pininfarina – eine Leichtbaukonstruktion aus austenitischem Rostfrei-Stahl<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Leistungsstark und umweltfreundlich<br />
– Einsatz moderner<br />
hochfester Rostfrei-Stähle im Auto<br />
ING. ANDREA BRUNO Produktmanager | ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni SpA, Terni/Italien<br />
Rostfrei-Stähle sind zwar in erster Line wegen ihrer Korrosionsbeständigkeit<br />
bekannt, doch sie besitzen darüber hinaus – und insbesondere die neue Klasse<br />
austenitischer N-Mn-Sorten – hervorragende mechanische Eigenschaften. In der<br />
Transportbranche, speziell im Automobilsektor, haben sich diese Eigenschaften<br />
als erfolgreich nutzbar erwiesen, insbesondere bei der Konstruktion von Fahrzeugen,<br />
die nicht nur umweltfreundlich, sondern auch äußerst leistungsfähig<br />
und deshalb auf dem Markt begehrt sind.<br />
| 29
30 | Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto<br />
Rostfrei-Stähle<br />
Als Rostfrei-Stähle gelten per Definition alle Fe-Cr-Legierungen mit<br />
einem Chrom-Gehalt von mindestens 10,5 %. Solche Stähle sind<br />
seit ihrer Erfindung bestens bekannt für ihre typische Oxidationsbeständigkeit<br />
und Warmfestigkeit. Das Chrom bildet eine dichte, fest<br />
mit der Oberfläche des Grundmetalles verbundene, schützende Oxidschicht<br />
(Cr2O3), die ein weiteres Oxidieren des darunter befindlichen<br />
Metalles verhindert und so den Stahl schützt. Der Vorgang ähnelt dem,<br />
was von Natur aus bei Ti- und – wenn auch in geringerem Maße –<br />
bei Al-Legierungen geschieht. Aufgrund dieser Eigenschaft sind<br />
Stähle dieser Art für den Einsatz in unterschiedlichsten aggressiven<br />
Umgebungen geeignet. Weniger bekannt ist allerdings, dass Rostfrei-Stahl<br />
auch ausgezeichnete mechanische Eigenschaften hat und<br />
sich gut verarbeiten lässt. Alles in allem bieten Rostfrei-Stähle aufgrund<br />
dieser Eigenschaften eine echte Alternative zu Kohlenstoff-<br />
Baustählen und in manchen Fällen auch zu Aluminiumlegierungen.<br />
Zwar sind die Werkstoffkosten höher, doch ermöglichen sie erhebliche<br />
Ersparnisse bei den Gesamtkosten bezogen auf die Lebensdauer;<br />
darüber hinaus bieten sie Vorteile beim Umweltschutz, beispielsweise<br />
durch Einsparung von Kraftstoff. Im hier betrachteten Rahmen zieht<br />
eine neue Klasse von Rostfrei-Baustählen, die austenitischen N-Mn-<br />
Sorten aufgrund ihrer Eigenheit, sowohl korrosionsbeständig als auch<br />
hochfest zu sein, immer mehr Interesse auf sich. Das in Italien beheimatete<br />
Unternehmen ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni ist zweifellos<br />
an führender Position hinsichtlich Forschung, Entwicklung und<br />
Vermarktung dieser Klasse von Werkstoffen, die neue Perspektiven<br />
bzgl. Effizienz und Leistungsfähigkeit eröffnet.<br />
Bruchdehnung A 80 [%]<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Konventionell<br />
FB-W ®<br />
Bild 1 | Eigenschaften von STR18 im Vergleich zu den Hauptklassen hochfester Stähle<br />
DP<br />
Allgemeine Eigenschaften moderner hochfester Rostfrei-Stähle<br />
Austenitische Rostfrei-Stähle der N-Mn-Sorten stellen eine einzigartige<br />
Kombination von Festigkeit, Formbarkeit I Bild 1 I und natürlich<br />
Korrosionsbeständigkeit dar. Die kürzlich von ThyssenKrupp Acciai<br />
Speciali Terni auf den Markt gebrachte Sorte STR18 repräsentiert weltweit<br />
gesehen die neueste Entwicklung von Stählen dieser Klasse. Es<br />
handelt sich dabei um einen voll austenitischen N-Mn-Rostfrei-Stahl<br />
mit 18 % Cr. Er ist durch hohe Festigkeit in Verbindung mit ausgezeichneter<br />
Formbarkeit/Verarbeitbarkeit gekennzeichnet, was durch<br />
Ausnutzen von TWIP/TRIP(Twinning Induced Plasticity/Transformation<br />
Induced Plasticity)-Effekten geschieht. Allgemein zeichnet er sich<br />
typischerweise durch folgende Eigenschaften aus:<br />
hohe Festigkeit: Rp > 420 MPa, Rm > 750 MPa,<br />
hervorragende Formbarkeit (insbesondere unter Berücksichtigung<br />
seiner Festigkeit): A% > 45 %,<br />
gute Schweißbarkeit und hohe Korrosionsbeständigkeit (im Wesentlichen<br />
gemäß AISI 304/EN 1.4301).<br />
Darüber hinaus weisen austenitische Mikrostrukturen an sich – und<br />
insbesondere Sorten mit hohem N-Mn-Gehalt – einen höheren Kaltverfestigungskoeffizienten<br />
auf. Infolgedessen verbessern sich die<br />
mechanischen Eigenschaften durch Kaltumformung ganz erheblich,<br />
wenn auch bei einer Verschlechterung der Umformbarkeit I Bilder 2<br />
und 3 I. Das ermöglicht den Materialdesignern die Freiheiten, die<br />
Werkstoffeigenschaften durch Kaltwalzen entsprechend dem Einsatzfall<br />
einzustellen.<br />
STR18<br />
RA<br />
Zugfestigkeit R m [MPa]<br />
FB-W ®: Ferrit-Bainitphasen (warmgewalzt)<br />
DP: Dualphasen<br />
RA: Restaustenitphasen (TRIP)<br />
CP: Complexphasen<br />
MS-W ®: Martensitphasen (warmgewalzt)<br />
X-IP: extreme Festigkeit und Umformbarkeit<br />
induzierte Plastizität<br />
CP<br />
MS-W ®<br />
200 300 400 500 600 700 800 900 1.000 1.100 1.200 1.300 1.400 1.500<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Spannung, R p0,2 , R m [MPa]<br />
Wahre Spannung [MPa]<br />
1.500<br />
1.000<br />
500<br />
1.600<br />
1.500<br />
1.400<br />
1.300<br />
1.200<br />
1.100<br />
1.000<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
Bild 3 | Änderung der mechanischen Eigenschaften von STR18 in Abhängigkeit von der Vordehnung (Kaltwalzen)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
0<br />
DP 1000<br />
AISI 304 3/4H<br />
DP 800<br />
DP 600<br />
Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto | 31<br />
380TM<br />
AISI 304 1/2H<br />
AISI 304 1/4H<br />
AISI 420 ann<br />
Wahre Dehnung<br />
400<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65<br />
Kaltumformrate [%]<br />
AISI 301 1/4H<br />
DP 500<br />
220 BH<br />
FePO4<br />
AISI 304 ann<br />
0 0,05 0,1 0,15 0,2 0,25 0,3 0,35 0,4<br />
Bild 2 | Spannungs-/Dehnungs-Kurven von STR18 bei unterschiedlichen Vordehnungen, verglichen mit Spannungs-/Dehnungs-Kurven typischer<br />
Kohlenstoff- und Rostfrei-Stahlsorten<br />
R m<br />
R p0,2<br />
A<br />
STR 18<br />
48<br />
44<br />
40<br />
36<br />
32<br />
28<br />
24<br />
20<br />
16<br />
12<br />
8<br />
4<br />
0<br />
Bruchdehnung A [%]
32 | Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto<br />
Die mechanischen Eigenschaften hängen ferner von der Umformgeschwindigkeit<br />
ab. Der Widerstand des Werkstoffes ist umso größer,<br />
je schneller die Last aufgebracht wird. Rostfrei-Stähle, insbesondere<br />
austenitische, haben gegenüber „Leichtlegierungen“ oder Kohlenstoffstählen<br />
den beträchtlichen Vorteil einer größeren Abhängigkeit<br />
von der Umformgeschwindigkeit. Diese Eigenschaft ist insbesondere<br />
dort vorteilhaft, wo es um passive Sicherheit (Crash-Sicherheit) geht:<br />
Es lassen sich Komponenten konstruieren, die bei gleicher Leistung<br />
sehr viel leichter sind als herkömmliche.<br />
Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto<br />
Die beschriebenen Eigenschaften bieten Konstrukteuren umfangreiche<br />
Möglichkeiten für gewichtsreduzierende Konzepte. Die Auswirkungen<br />
dieser Möglichkeiten sieht man besonders im Automobilsektor,<br />
wo sie zu verbessertem Fahrverhalten und verringertem Kraftstoffverbrauch<br />
führen. Speziell der Automobilsektor muss als strategisch<br />
wichtig betrachtet werden, sowohl wegen seiner hohen Umsätze als<br />
auch, weil er mehr als andere Sektoren die Forschungs- und Entwicklungsstrategien<br />
beeinflusst. Die Entwicklung neuer Technologien,<br />
Produkte, Produktionsprozesse, Qualitätssicherungs-Methoden und<br />
Partnerschaften sowie neuer Konzepte für Distribution, Organisation<br />
und Logistik in der Automobilindustrie sind Beispiele für die Weiterentwicklung<br />
unterschiedlicher Marktbereiche. Die Autohersteller haben<br />
wiederholt darauf hingewiesen, wie wichtig der Einsatz immer leistungsfähigerer<br />
Stähle ist, um folgenden Notwendigkeiten Rechnung tragen<br />
zu können:<br />
höhere Steifigkeit der Struktur bei gleichzeitiger Gewichtsverringerung<br />
zur Verbesserung des Fahrverhaltens,<br />
höhere Leistung hinsichtlich passiver Sicherheit (Crash-Verhalten),<br />
Gewichtsersparnis zwecks Senkung des Kraftstoffverbrauches,<br />
dadurch Einhalten von Emissionsschutzstandards.<br />
Der letzte der vorgenannten Punkte ist im Zuge des Umweltschutzes<br />
besonders wichtig, weil eine Gewichtsreduzierung maßgeblich den<br />
Kraftstoffverbrauch verringert. Von Autoherstellern durchgeführte,<br />
umfangreiche Untersuchungen zeigen, dass die Faktoren Gewicht und<br />
Reifenrollwiderstand lediglich vom Faktor Luftwiderstand übertroffen<br />
werden, wenn es um den Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch geht.<br />
Deshalb ist es offensichlich, dass die richtige Wahl des Werkstoffes,<br />
wie z.B. Spezialstahl, ein sehr wirkungsvolles Mittel zur Optimierung<br />
der Kraftstoffeffizienz von Fahrzeugen ist. Andererseits steigen die<br />
Fahrzeuggewichte und damit der Kraftstoffverbrauch ständig, weil die<br />
Käufer selbst in der Kleinwagenklasse heute immer mehr optionales<br />
Zubehör, wie beispielsweise Multimedia-Geräte, Einparkhilfen, Fahrerassistenzsysteme<br />
(z.B. Automatikgetriebe), verlangen.<br />
Der Einsatz hochfester Rostfrei-Stähle kann also ein wirksames<br />
Mittel zum Senken des Kraftstoffverbrauches sein. Das Ergebnis einer<br />
vor kurzem von Ford durchgeführten umfangreichen Untersuchung<br />
war, dass man durch den Einsatz von Rostfrei-Stahl verglichen mit<br />
herkömmlichen Konstruktionsstählen bis zu 25 % an Gewicht einsparen<br />
kann. Diesbezüglich beobachtete Werte stimmen gut mit<br />
denen überein, die in den letzten Jahren von mehreren internen Arbeitsgruppen,<br />
die ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni beim größten italienischen<br />
Nutzfahrzeughersteller eingesetzt hat, ermittelt worden sind.<br />
Thema dieser Untersuchungen war der Einsatz moderner Werkstoffe<br />
für Teile, die der passiven Sicherheit dienen. Dabei wurden unterschiedliche<br />
Werkstoffe mit einer Referenzlösung aus Kohlenstoffstahl verglichen.<br />
Das Ergebnis wurde vom Forschungszentrum des erwähnten<br />
Unternehmens bestätigt. Die STR18-Lösung war gegenüber der Referenzlösung<br />
diejenige mit der größten Gewichtsersparnis, sie zeigte<br />
sich auch dem Werkstoff Aluminium gegenüber leicht überlegen. Die<br />
spezifische Dichte von Aluminium beträgt zwar nur ungefähr ein Drittel<br />
der spezifischen Stahldichte jedoch sind auch dessen E-Modul und<br />
die Fließgrenze nur etwa ein Drittel so hoch im Vergleich zu hochfesten<br />
Stählen I Bild 4 I.<br />
Ein weiterer wichtiger Vorteil von Rostfrei-Stählen ist ihre Korrosionsbeständigkeit,<br />
wodurch kostspielige und möglicherweise<br />
gesundheitsschädliche Korrosionsschutzmaßnahmen eingespart<br />
werden können. Dies ist insbesondere für sicherheitsrelevante Bauteile<br />
vorteilhaft, da sie im Rohzustand eingebaut und somit Kosten<br />
gespart werden können. Auf diesem Gebiet sind bereits äußerst<br />
interessante Ergebnisse erzielt worden, da Bauteile für die passive<br />
Sicherheit üblicherweise getrennt von der Karosserie gefertigt und<br />
erst später mit dieser verbunden werden. So kann man die Korrosionsbeständigkeit<br />
voll ausnutzen. Durch den Entfall von schützenden<br />
Behandlungen ergeben sich wirtschaftliche und den Umweltschutz<br />
betreffende Nutzeffekte.<br />
Sehr positiv zu bewerten ist auch die äußerst wichtige Möglichkeit<br />
der Wiederverwertung von Rostfrei-Stahl, schließlich fallen in der EU<br />
jährlich 8 bis 9 Mio t Schrott in Form von Altautos an. Um das Demontieren<br />
dieser Autos und das Recycling des entstehenden Schrott-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 4 | Vergleich der mechanischen Eigenschaften hochfester Stähle und Aluminiumlegierungen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Leistungsstark und umweltfreundlich – Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle im Auto | 33<br />
Material Duplex STR18 Austenitischer 6061 Hochfester Kohlen-<br />
Rostfreistahl Rostfrei-Stahl Aluminiumlegierung stoffstahl (HSLA)<br />
Geglüht CR 6 CR 9 CR 12 CR 15 T4 T6<br />
Beschaffenheit (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)<br />
Dichte ρ [g/cm 3 ] 7,80 7,90 7,90 7,90 7,90 7,90 2,70 2,70 7,83<br />
Relative Dichte zu Stahl 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 0,35 0,35 1,00<br />
Fließgrenze Rp 0,2 [N/mm 2 ] 640 450 533 647 690 813 145 275 410<br />
Zugfestigkeit R m [N/mm 2 ] 850 750 762 833 861 944 240 310 480<br />
Spezif. Festigkeit R p /ρ [N/mm 2 /g/cm 3 ) 82,1 57,0 67,5 81,9 87,3 102,9 53,7 101,9 52,4<br />
Spezif. Festigkeit rel. zu HSLA-Stahl 1,57 1,09 1,29 1,56 1,67 1,97 1,03 1,95 1,00<br />
Dehnung [%] 35,00 45,00 39,00 33,00 29,4 20 15,00 8,00 22,00<br />
Dehnung rel. zu HSS 1,59 2,05 1,77 1,50 1,34 0,91 0,68 0,36 1,00<br />
E-Modul E [kN/mm 2 ] 200 200 200 200 200 200 70 70 200<br />
Spezif. Steifigkeit E/ρ 26 25 25 25 25 25 26 26 26<br />
(1): Lösungsgeglüht<br />
(2): Kalt gewalzt mit 6 % Reduzierung<br />
(3): Kalt gewalzt mit9 % Reduzierung<br />
(4): Kalt gewalzt mit 12 % Reduzierung<br />
(5): Kalt gewalzt mit 15 % Reduzierung<br />
(6): T4 Temper ist lösungsgeglüht, Wärmebehandlung bei 503 °C, dann wassergehärtet<br />
(7): T6 Temper ist ausscheidungsgeglüht, Wärmebehandlung bei 160 °C für 18 h, oder Wärmebehandlung bei 180 °C für 8 h und dann in Luft abgekühlt<br />
berges umweltfreundlicher zu gestalten, hat die EU-Kommission im<br />
Jahr 1997 die so genannte Altfahrzeugrichtlinie beschlossen. Diese<br />
Richtlinie fordert von der Automobilindustrie einen Mindestanteil an<br />
recyclingfähigen Werkstoffen von 75 % im Jahr 2006 bis 95 % im<br />
Jahr 2015.<br />
Rostfrei-Stahl ist ohne jegliche Verschlechterung aufgrund seiner<br />
Eigenschaften im Gegensatz zu vielen anderen Konstruktionswerkstoffen<br />
100-%-ig recyclingfähig. Heutige Teile aus Rostfrei-Stahl<br />
bestehen zu 60 % aus recyceltem Stahl (25 % stammen aus verschrotteten<br />
Altprodukten anderer Art, 35 % aus relativ neuen Produkten<br />
derselben Art). Der Anteil an recyceltem Material ist haupt-<br />
sächlich deswegen nicht größer, weil die Nachfrage nach Rostfrei-<br />
Stahl derzeit ständig wächst.<br />
Fazit<br />
Der Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle in modernen Fahrzeugen<br />
kann erheblich zur Gewichtsreduzierung und somit zur Senkung<br />
des Kraftstoffverbrauches beitragen. Gleichzeitig tragen diese<br />
Werkstoffe aufgrund ihrer ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften<br />
dazu bei, die passive Sicherheit hinsichtlich des Crash-<br />
Verhaltens zu erhöhen, sodass dem Umweltschutz und gleichzeitig<br />
dem Insassenschutz Rechnung getragen wird.
34 |<br />
| Von Società delle Fucine hergestellte geschmiedete Welle im Werk der Siemens Power Generation (PG)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Große geschmiedete Wellen<br />
für Kraftwerksturbinen<br />
DIPL.-ING. STEFANO NERI Qualitätsmanagement | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />
DIPL.-ING. DANIELE MARSILI Metallurgie | Società delle Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />
DR. RER. OEC. GIOVANNI SANSONE Vertriebsmanagement Kraftwerkskomponenten | Società delle<br />
Fucine S.r.l., Terni/Italien<br />
Die ständigen Bemühungen um höhere Effizienz und geringere<br />
Emissionen von großen Wärmekraftwerken haben den Trend zu<br />
immer höheren Dampftemperaturen und -drücken sowie modernster<br />
Turbinentechnologie mit sich gebracht. Vor diesem Hintergrund hat<br />
die italienische Società delle Fucine (SdF), ein Unternehmen der<br />
ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni, die Rotorwelle der größten Hochdruckdampfturbine<br />
der Welt hergestellt und an Siemens geliefert.<br />
Das Kraftwerk mit dem Namen Olkiluoto 3 befindet sich inmitten<br />
einer einsamen finnischen Landschaft. Als Rohling für diese Hochdruckturbinenwelle<br />
hat SdF einen riesigen, ca. 230 t schweren Gussblock<br />
aus niedriglegiertem Spezialstahl verwendet.<br />
| 35
36 | Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen<br />
Dampfturbine für ein Kernkraftwerk in Finnland<br />
Das im Bau befindliche Kernkraftwerk auf der Insel Olkiluoto (Gemeinde<br />
Eurajoki) nahe der finnischen Westküste ist für die kostengünstige<br />
Deckung des Grundlastbedarfes vorgesehen. Die ökologischen Bedingungen<br />
auf Olkiluoto werden ständig mithilfe bewährter Programme<br />
überwacht. Das umfangreiche Mess- und Beobachtungssystem war<br />
bereits vor Inbetriebnahme des ersten Reaktorblockes installiert<br />
worden. Die Auswirkungen des Kernkraftwerkes auf die Umwelt werden<br />
durch Anwendung der Prinzipien „Vorbeugung“ und „Kontinuierliche<br />
Verbesserung“ gering gehalten.<br />
Hersteller der konventionellen Dampfturbinenanlage von Olkiluoto 3<br />
ist Siemens Power Generation (PG). Der Turbinenteil enthält eine zweiflutige<br />
Hochdruckstufe mit Doppelgehäuse, wobei Außen- und Innengehäuse<br />
horizontal geteilt sind. Der Rotor dieser Turbine besteht aus<br />
einer aus einem Stück geschmiedeten Welle mit aufgeschmiedeten<br />
Verbindungsflanschen, die Laufschaufeln werden in Nuten gehalten.<br />
Ein starrer Rotor hat funktionelle Vorteile gegenüber einem flexiblen<br />
Bild 1 | Beschaufelte Dampfturbinenwelle<br />
Rotor: Der Spalt zum Gehäuse hin bleibt immer relativ klein, beim<br />
Anfahren entstehen keine Instabilitäten durch das Durchlaufen von<br />
Resonanzbereichen, die Leistung wird nicht durch Dampfwirbel<br />
begrenzt, und es können keine selbstangeregten Ölfilmvibrationen<br />
entstehen. Die Beschaufelung ermöglicht einen variablen Reaktionsgrad.<br />
Sämtliche Leit- und Laufschaufeln sind mit Deckband versehen<br />
und fest miteinander verbunden I siehe Titelbild Bericht und Bild 1 I.<br />
Die Dampfturbine für das neue finnische Kernkraftwerk ist für eine<br />
Nutzleistung von circa 1.600 MW bei einem Wirkungsgrad von etwa<br />
37 % ausgelegt. Der Turbinenteil ist eine zweigehäusige Konstruktion,<br />
bestehend aus einer zweiflutigen Hochdruckturbine und einer sechsflutigen<br />
Niederdruckturbine, fest angekoppelt an einen Dreiphasen-<br />
Synchrongenerator mit direkt angeschlossener Erregermaschine. Die<br />
aus einem Stück geschmiedete Welle der Hochdruckstufe wurde nach<br />
Zeichnungen des Unternehmens Siemens Power Generation (PG) von<br />
Società delle Fucine gefertigt.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Herstellung der Dampfturbine<br />
Herstellung des Gussrohlings<br />
Der Stahlblock für den Olkiluoto-Rotor wurde wie folgt hergestellt:<br />
Elektrolichtbogenofen<br />
Einschmelzen ausgewählten Schrottes, Entphosphorisieren, Abschlacken<br />
und Schlackenneubildung, Erhitzen auf Abstichtemperatur,<br />
Abstechen in die Gießpfanne, Beruhigen durch Siliziumzugabe.<br />
Frischen<br />
Frischen des flüssigen Stahls in einer Anlage der Fa. Asea Brown<br />
Boverie Ltd., Abschlacken und Zugeben neuer Schlackenbildner, kurze<br />
Vakuumbehandlung zum Desoxidieren der Stahlschlacke, Erhitzen<br />
und Zugeben von Legierungsstoffen, Vakuumentgasen, Argonspülen.<br />
Vergießen<br />
Bild 2 | FE(Finite-Elemente)-Analyse der Kohlenstoff-<br />
Makroseigerung bei Ende der Erstarrung<br />
Der 230 t schwere Block wurde im Vakuumverfahren gegossen. Zuvor<br />
wurden der Erstarrungsvorgang und die Kohlenstoff-Makroseigerung<br />
anhand von FE-Modellen untersucht I Bild 2 I. Präzise Analysen mit<br />
Wärmebildern I Bild 3 I dienten zum Optimieren des Blockgewichtes<br />
und der Wärmeisolierung des Gießaufsatzes.<br />
Schmieden der Welle<br />
Nach dem Abstreifen wurde der Block in einer 12.600 t Presse geschmiedet.<br />
Das Warmumformen erfolgte in mehreren Schritten, be-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen | 37<br />
Bild 3 | Prüfung der Wärmeisolierung des Gießaufsatzes mittels Wärmebildern<br />
Temperatur [°C]<br />
293,6<br />
ginnend bei einer Temperatur von 1.200 °C. Das Werkstück wurde<br />
mehrfach bis in die Nähe des zulässigen Temperatur-Mindestwertes<br />
geschmiedet und anschließend im Ofen erwärmt. Auf diese Weise<br />
wurde sichergestellt, dass der Stahl korrekt verformt wurde. Das<br />
Schmiedeverfahren dauerte mehrere Stunden bis die vorgegebene<br />
Form des Werkstückes erreicht war; das Gewicht des Fertigteiles<br />
betrug 138 t.<br />
Das Schmieden solcher Wellen muss äußerst präzise erfolgen,<br />
selbst bei schwersten Blöcken von 230 t und in einer starken Presse<br />
von 12.600 t I Bild 4 I. Dieses Umformverfahren ist zweifellos der<br />
kritischste Herstellprozess, dort bilden sich die gewünschte Mikrostruktur<br />
(gleichmäßig angelassenes Bainitgefüge) und die Kornfeinheit<br />
aus.<br />
Spezielle Wärmebehandlung<br />
Nach dem Schmieden wurde das Werkstück einer Reihe von vorbereitenden<br />
Wärmebehandlungen (Normalglühen, Anlassen) und<br />
Vergüten (Härten, Anlassen) nach einem speziellen Plan unterzogen,<br />
um die gewünschten mechanischen Eigenschaften zu erzielen. Das<br />
Härten erfolgte durch Abschrecken in einer Flüssigkeit in der Art und<br />
Weise, dass gleichmäßige Eigenschaften erzielt wurden. Die Welle<br />
wurde abgeschreckt, bis die Temperatur in der Mitte des Rotorkörpers<br />
niedriger als 100 °C war. Die Anlasstemperatur wurde so gewählt,<br />
dass die vorgegebene 0,2-%-Dehngrenze sowie eine bestmögliche<br />
Zähigkeit erreicht wurden. Die Dauer des Anlassens und die kontrol-<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50,0
38 |<br />
Bild 4 | Schmieden auf einer 12.600 t Presse<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
lierte Abkühlgeschwindigkeit wurden derart geplant, dass möglichst<br />
geringe Eigenspannungen verblieben – gemessen mit einem speziell<br />
entwickelten und zugelassenen Verfahren (z.B. Ringkernmethode der<br />
Kraftwerkunion KWU). Zielvorgabe war, dass die Eigenspannungen<br />
(Druck) an der Oberfläche nicht mehr als 60 MPa betrugen.<br />
Mechanische Prüfungen<br />
Nach der Wärmebehandlung wurden mehrere mechanische Prüfungen,<br />
wie z.B. Zugversuch und Charpy-V-Probe durchgeführt, um die erreichten<br />
mechanischen Eigenschaften zu bestätigen. Die Herstellung<br />
der Proben erfolgte gemäß den Siemens-Vorgaben. Die Stücke für<br />
Zug- und Schlagversuche wurden in einem Abstand von 40 mm zu<br />
den wärmebehandelten Oberflächen entnommen. Bei Raumtemperatur<br />
wurden folgende Werte der mechanischen Eigenschaften erreicht:<br />
0,2-%-Dehngrenze: 580-680 MPa<br />
Zugfestigkeit: < 820 MPa<br />
Bruchdehnung: > 16 %<br />
Brucheinschnürung: > 50 %<br />
Kerbschlagarbeit: > 100 J<br />
Vordrehen und Ultraschallprüfung<br />
Nach Ermittlung und Überprüfung der mechanischen Eigenschaften<br />
wurde das Werkstück spanend bearbeitet, um eine Oberflächenform<br />
und -güte zu erzielen, die für einen Ultraschalltest gemäß dem<br />
Siemens-Verfahren geeignet war. Die Brauchbarkeit aller Teile der<br />
Bild 5 | Fertigbearbeitung der Turbinenwelle<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen | 39<br />
Rotorwelle wurde unter Anwendung sehr strenger Kriterien erfolgreich<br />
geprüft; Fehlstellen im axialen Bereich durften einen äquivalenten<br />
Durchmesser von nicht mehr als 3 mm aufweisen.<br />
Fertigbearbeitung und Magnetpulvertest<br />
Nach positivem Ergebnis der Ultraschallprüfung erfolgte die Fertigbearbeitung<br />
auf einer Horizontaldrehbank, um die endgültige Form<br />
gemäß Kundenzeichnung herzustellen I Bild 5 I. Das Liefergewicht<br />
betrug 96 t bei einem Durchmesser von 1.830 mm und einer Gesamtlänge<br />
von 7.698 mm. Erst nach dem Fertigbearbeiten wurde die<br />
Oberfläche der Rotorwelle einem Magnetpulvertest unterzogen.<br />
Fazit<br />
Die erfolgreiche Herstellung eines solch wichtigen Schmiedeteiles ist<br />
ein Beweis allerhöchster Produktionsqualität, wie sie im Kraftwerksbau<br />
erforderlich ist. Das Unternehmen Società delle Fucine wird von<br />
Siemens Power Generation (PG) als wichtiger Lieferant solcher Komponenten<br />
betrachtet und hat im August <strong>2007</strong> den Lieferantenpreis<br />
„Pionier bei der Herstellung von Schmiedeteilen für die größte Dampfturbine<br />
der Welt“ bekommen.<br />
Società delle Fucine wird sich aufgrund der positiven Erfahrungen<br />
weiterhin mit großem Engagement mit der Entwicklung derartiger<br />
Komponenten und Ausrüstungen, die hohen Qualitätsanforderungen<br />
genügen müssen, befassen.
40 |<br />
| Rohre aus Nicrofer 5520CoB - alloy 617B in der Komponententestanlage COMTES 700 im Kraftwerk Scholven<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Nickellegierungen<br />
für Kraftwerke der Zukunft<br />
DR.-ING. JUTTA KLÖWER Leiterin Forschung und Entwicklung | ThyssenKrupp VDM, Werdohl<br />
DR. RER. NAT. BODO GEHRMANN Projektleiter Superlegierungen, Forschung und Entwicklung | ThyssenKrupp VDM, Werdohl<br />
Wirkungsgradsteigerungen in fossil befeuerten Kraftwerken führen zunehmend<br />
zu höheren Temperaturen sowie Drücken und machen den Einsatz von Nickellegierungen<br />
erforderlich. In der Gasturbine der Gas- und Dampfkraftwerke haben<br />
Superlegierungen auf Nickelbasis bereits ihren festen Platz gefunden. Mit der<br />
Entwicklung der 700-°C-Technologie für Kohlekraftwerke werden Nickellegierungen<br />
in der nächsten Kraftwerksgeneration nun auch in Kessel und Dampfturbinen<br />
eingesetzt werden. ThyssenKrupp VDM hat gemeinsam mit Kraftwerksbetreibern<br />
und Herstellern von Kraftwerkskesseln mit der Legierungsvariante<br />
Nicrofer 5520CoB-alloy 617B einen Werkstoff entwickelt, der bereits seine<br />
Eignung für das 700-°C-Kraftwerk in einer Pilotanlage bewiesen hat.<br />
| 41
42 | Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft<br />
Wirkungsgrade in der Kraftwerkstechnologie<br />
Bedingt durch den weltweit steigenden Energiebedarf werden hocheffiziente<br />
Kohlekraftwerke, trotz aller Fortschritte bei den regenerativen<br />
Energien, auf absehbare Zeit die Stromversorgung sicherstellen<br />
müssen. Weltweit wird von einer Verdoppelung des Bedarfes an elektrischer<br />
Energie bis zum Jahr 2030 ausgegangen I Bild 1 I, allein in<br />
der EU 15 bestehen ein Energie-Zusatzbedarf von 100.000 MW und<br />
ein Ersatzbedarf von 200.000 MW, was dem Neubau von 300 Kraftwerken<br />
mit der Leistung von je 1.000 MW entspricht. Vor diesem<br />
Hintergrund werden Technologie-Innovationen im Zusammenhang<br />
mit fossil befeuerten Kraftwerken zum entscheidenden Schlüssel für<br />
effizienten Klimaschutz und zur Ressourcenschonung.<br />
Moderne Kohlekraftwerke erreichen heute Wirkungsgrade von 43 %.<br />
Sie liegen damit deutlich über dem weltweiten Durchschnitt, der 31 %<br />
beträgt. Da der CO2-Ausstoß umgekehrt proportional zum Wirkungsgrad<br />
ist, kann bereits durch Ersatz veralteter Kraftwerke auf Basis<br />
neuer Technologien der Ausstoß dieses Treibhausgases erheblich<br />
vermindert werden.<br />
Eine bereits etablierte technologische Entwicklung sind die sogenannten<br />
Gas- und Dampfkraftwerke (GuD-Anlagen), bei denen die<br />
Abwärme der erdgasbetriebenen Gasturbine genutzt wird, um den<br />
Dampf für die Dampfturbine zu produzieren. In I Bild 2 I ist die Funktion<br />
einer GuD-Anlage schematisch dargestellt. Solche Anlagen erreichen<br />
bereits heute Wirkungsgrade nahezu 60 %. Weiterentwicklungen der<br />
GuD-Technologie zielen auf die Substitution des Erdgases, z.B. durch<br />
Gas aus der Kohlevergasung, ab.<br />
Erzeugte elektrische Energie [TWh]<br />
40.000<br />
35.000<br />
30.000<br />
25.000<br />
20.000<br />
15.000<br />
10.000<br />
5.000<br />
0<br />
1990<br />
Bild 1 | Schätzung des Weltenergiebedarfes bis 2030<br />
Jüngste technologische Entwicklungen beschäftigen sich mit der<br />
weiteren Wirkungsgradsteigerung von Kohlekraftwerken. Da der<br />
Wirkungsgrad jedes Kraftwerkes in erster Linie von der Temperatur<br />
abhängt, zielen die meisten Maßnahmen zur Wirkungsgradsteigerung<br />
auf eine Erhöhung der Frischdampftemperatur ab. Vergleichbar dem<br />
Schnellkochtopf können auch im Kraftwerkskessel höhere Temperaturen<br />
nur über eine Erhöhung des Druckes erzielt werden. Sind heute<br />
Temperaturen von etwa 620 °C bei Drücken von 270 bar Stand der<br />
Technik, so sind bereits Kraftwerke mit Temperaturen von 700 °C<br />
bei Drücken von 350 bar in Planung.<br />
Die steigenden Temperaturen bei höheren Drücken sowie der<br />
zunehmende Einsatz korrosiver Brenngase stellen hohe Anforderungen<br />
an die verwendeten Werkstoffe und machen zunehmend den<br />
Einsatz von Nickellegierungen erforderlich.<br />
Zukünftige Anwendungen von Nickellegierungen<br />
im Kraftwerksbereich<br />
Nickellegierungen in der Gasturbine<br />
Die Verwendung von Nickellegierungen in Industriegasturbinen I Bild 3 I<br />
ist bereits Stand der Technik. Wie schon lange im Flugzeugtriebwerk<br />
üblich, werden heute auch in der Industriegasturbine Nickellegierungen<br />
eingesetzt, sei es für Bleche der Brennkammer und Heißgasleitungen,<br />
Schmiedeteile für Scheiben, Ringe und Schaufeln oder für<br />
gegossene Einkristalle bei thermisch besonders beanspruchten Schaufeln.<br />
Die Anforderungen sind hoch: Neben ausreichenden Zeitstandfestigkeiten<br />
von mehr als 100.000 Stunden bei mehr als 1.000 °C<br />
2000<br />
2010<br />
2020<br />
Gas<br />
Kohle,<br />
Neue Technologien<br />
Kohle<br />
Andere<br />
Nuklear<br />
Alternative<br />
Wasser<br />
2030<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Gas/Öl<br />
Luft<br />
Kühlwasser<br />
Bild 2 | Flussbild GuD-Technologie<br />
müssen die Werkstoffe auch beständig gegen Ermüdung durch thermische<br />
Wechselbeanspruchung, gegen Hochtemperaturkorrosion<br />
und gegen Hochtemperaturkriechen sein. Zur Herstellung komplizierter<br />
Brennkammerkomponenten sind gute Verformbarkeit und<br />
gute Schweißbarkeit wichtig. Es gibt nur wenige Werkstoffe, die diese<br />
Anforderungen erfüllen. I Bild 4 I zeigt die Zusammensetzung typischer<br />
Gasturbinenwerkstoffe aus dem Portfolio von ThyssenKrupp VDM.<br />
Nickel in Verbindung mit Molybdän, Kobalt und Wolfram sorgt für die<br />
nötige Zeitstand,- Kriech- und Ermüdungsfestigkeit. Chrom in der<br />
Größenordnung von etwa 20 % sorgt für die Beständigkeit gegen<br />
Hochtemperaturkorrosion. Aluminium und Titan erhöhen ebenfalls<br />
die Zeitstandfestigkeit durch die Ausscheidung festigkeitssteigernder<br />
intermetallischer NiX(Al,Ti)y-Phasen bei Betriebstemperatur. Diese<br />
Elemente müssen jedoch sehr sorgfältig dosiert werden, da ein Zuviel<br />
an intermetallischen Phasen einen spröden, nicht mehr verform- und<br />
schweißbaren Werkstoff verursacht. Das Unternehmen ThyssenKrupp<br />
VDM verfügt hier über ein langjähriges Know-how.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Kondensator<br />
Wasserstoffreiches Gas<br />
Brennkammer<br />
Gasturbine<br />
Dampfturbine<br />
Abgas<br />
Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft | 43<br />
Wärmerückgewinnung<br />
mittels Dampfgenerator<br />
Gasturbinen-<br />
Generator<br />
Dampfturbinen-<br />
Generator<br />
Strom<br />
Strom<br />
Werkstoffweiterentwicklungen betreffen in erster Linie die Verarbeitbarkeit<br />
der verwendeten Blechwerkstoffe. Eng tolerierte Analysen und<br />
die Verwendung moderner Umschmelztechnologien stellen sicher,<br />
dass die Gefüge der Blechwerkstoffe frei von oxidischen Einschlüssen<br />
sind. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass die Werkstoffe auch<br />
mit modernen Umformverfahren verarbeitbar und mit Hochleistungsschweißverfahren<br />
schweißbar sind.<br />
Nickellegierungen im Kessel von 700-°C-Kraftwerken<br />
Im Kessel von Kohlekraftwerken werden bis heute üblicherweise<br />
warmfeste Baustähle oder martensitische Stähle vom Typ P91 oder<br />
P92 eingesetzt. Diese so genannten Kesselstähle weisen bis zu einer<br />
Dampftemperatur von 600 °C gute Festigkeiten auf. Bei Kesseltemperaturen<br />
von 700 °C und Dampfdrücken von 350 bar kommen konventionelle<br />
Kesselstähle jedoch nicht mehr in Frage, da diese bei<br />
700 °C praktisch keine Warmfestigkeit mehr aufweisen, wie I Bild 5 I<br />
am Beispiel der 100.000 Stunden Zeitstandfestigkeit für den marten-
44 |<br />
Bild 3 | Gasturbine<br />
sitischen Kesselstahl P91 zeigt. Standard-Edelstähle sind bis zu<br />
höheren Temperaturen einsetzbar, die geforderte Zeitstandfestigkeit<br />
von mindestens 100 MPa bei 700 °C wurde jedoch von keinem<br />
Edelstahl erreicht.<br />
Für den Kessel des ersten Kohlekraftwerkes in 700-°C-Technologie<br />
wurde daher nach umfangreichen Untersuchungen durch ein Team<br />
aus Kraftwerksbetreibern, Kessel,- Komponenten-, Rohr- und Werkstoffherstellern<br />
der Gasturbinenwerkstoff Nicrofer 5520Co - alloy 617<br />
(2.46630) ausgewählt. Die langjährigen Erfahrungen mit diesem<br />
Werkstoff im Gasturbinenbau, die Zeitstandfestigkeit von mehr als<br />
100 MPa bei 700 °C und die gute Verarbeitbarkeit und Schweißbarkeit<br />
haben zur Wahl dieses Werkstoffes geführt. Nicrofer 5520Co<br />
ist darüber hinaus bis zu einer Einsatztemperatur von 1.050 °C für<br />
den Druckbehälterbau zugelassen.<br />
Um möglichst dünnwandig konstruieren zu können, wird speziell<br />
für die Anwendung im Kraftwerkskessel die Sondervariante Nicrofer<br />
5520CoB - alloy 617B hergestellt. Durch Zulegieren von Bor und das<br />
Einstellen eng tolerierter Zusätze der festigkeitssteigernden Elemente<br />
Aluminium, Titan, Kobalt und Kohlenstoff wird mit der Sondervariante<br />
eine weitere Steigerung der zulässigen mechanischen Spannungen<br />
um 20 % erreicht. I Bild 6 I zeigt die chemische Zusammensetzung<br />
der Sondervariante im Vergleich zur „Normalvariante“, in I Bild 7 I<br />
ist die 100.000-Stunden-Zeitstandfestigkeit der modifizierten Variante<br />
nach Einzelgutachten des TÜV Rheinland im Vergleich mit der Standardvariante<br />
dargestellt.<br />
Die Eignung des Werkstoffes für den Einsatz bei 700 °C konnte<br />
bereits erfolgreich nachgewiesen werden. Gepilgerte und geschmiedete<br />
Rohre und Komponenten aus Nicrofer 5520CoB laufen bereits<br />
in der Komponententestanlage COMTES (COMponent TESt Facility)<br />
an einem Kraftwerksstandort von E.ON in Scholven, Nordrhein-<br />
Westfalen I siehe Titelbild Bericht I. Die dünnwandigen Rohre wurden<br />
im Kaltpilgerverfahren hergestellt, die dickwandigen Zwischenüberhitzerrohre<br />
(bis 60 mm) wurden aus dem Vollen gebohrt.<br />
Der Baubeginn für das erste 700-°C-Kraftwerk von E.ON in<br />
Wilhelmshaven ist für das Jahr 2010 geplant. Für die Werkstoff- und<br />
Komponentenhersteller geht es nun in die zweite Phase: Die wirtschaftliche<br />
Standardfertigung von Rohren und Komponenten aus<br />
Nickellegierungen unter Berücksichtigung der extremen Qualitätsanforderungen<br />
der Energieversorgungsunternehmen an Kesselwerkstoffe<br />
steht künftig im Vordergrund.<br />
Werkstoffe für die übernächste Generation von Kohlekraftwerken<br />
Im Jahre 2005 wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft<br />
die Initiative COORETEC (CO2 – REduktions-TEChnologien)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Zeitstandfestigkeit Rm [MPa]<br />
gestartet. Die Initiative hat neben der Entwicklung eines emissionsfreien<br />
(’Zero-Emission’) Kraftwerkes durch CO2-Speicherung auch die<br />
weitere Steigerung des Wirkungsgrades fossil befeuerter Kraftwerke<br />
auf mittelfristig 60 bis 65 % zum Ziel. Gegenstand der Betrachtung<br />
sind die Weiterentwicklung und Charakterisierung von Werkstoffen<br />
sowie die Weiterentwicklung von Prozessen und Komponenten.<br />
Werkstoffe spielen in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle über<br />
den gesamten Entwicklungszeitrahmen: Zum einen ist die Kostenoptimierung<br />
bei Werkstoffeinsatz und Komponentenherstellung von<br />
Bedeutung, da die Investitionskosten durch die Material- und Herstellkosten<br />
der Rohrleitungen im Kessel entscheidend mitbestimmt werden.<br />
Je höher die Festigkeit, desto dünnwandiger kann konstruiert werden<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft | 45<br />
Werkstoff Alloy Typische Zusammensetzung in Masse %<br />
Ni Cr Co Mo Fe Sonstige<br />
Nicrofer 4722Co X 48 22 1 9 18<br />
Nicrofer 5520Co 617 54 22 11,5 9 < 2 1 Al<br />
Nicrofer 5120CoTi C-263 51 20 20 6 0,5 2,2 Ti, 0,5 Al<br />
Nicrofer 6020hMo 625 62 22 9 2,5 3,5 Nb<br />
Bild 4 | Zusammensetzungen von Gasturbinenwerkstoffen<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
500<br />
550<br />
600<br />
Nicrofer 5520CoB - alloy 617B<br />
Kesselstahl P 91<br />
650<br />
Temperaturen [°C]<br />
Bild 5 | Festigkeit von Kesselstahl P91 im Vergleich zur Nickellegierung<br />
Nicrofer 5520CoB – alloy 617B<br />
700 750<br />
und desto einfacher ist die Rohrherstellung. Noch wichtiger als die<br />
wirtschaftlichen Aspekte sind die Fragen der Sicherheit. Bei einem<br />
Riss in einem Hochdruckrohr tritt Dampf mit Schallgeschwindigkeit<br />
aus – das bedeutet Lebensgefahr für die im Kraftwerk beschäftigen<br />
Mitarbeiter. Ziel des Projektes ist auch die Vermehrung des Wissens<br />
über die Wechselwirkung zwischen den Prozessbedingungen und den<br />
Werkstoffen, um die technischen und kommerziellen Risiken im Fall<br />
der Einführung von verbesserten oder neuen Kraftwerkskonzepten<br />
sicher einschätzen zu können. Jeder neue Werkstoff und jedes neue<br />
Werkstoffkonzept muss im Rahmen des Projektes umfangreiche<br />
Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen.<br />
Nicrofer 5520Co - Nicrofer 5520CoB -<br />
alloy 617 (VdTÜV 485) alloy 617B<br />
Nickel REST REST<br />
Cr 20 - 23 21 - 23<br />
Fe < 2 < 1,5<br />
Mo 8 - 10 8 - 10<br />
Co 41548 11 - 13<br />
Al 0,6 - 1,5 0,8 - 1,3<br />
Ti 0,2 - 0,5 0,3 - 0,5<br />
B 0,002 - 0,005<br />
C 0,05 - 0,10 0,05 - 0,08<br />
Si < 0,7 < 0,3<br />
N < 0,05<br />
Mn < 0,7 < 0,3<br />
S < 0,008 < 0,008<br />
P < 0,012 < 0,012<br />
Cu < 0,05<br />
Bild 6 | Vergleich der Zusammensetzungen von Nicrofer 5520Co und Nicrofer 5520CoB
46 | Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft<br />
Zeitstandfestigkeit Rm [10 5 MPa]<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Bild 7 | Festigkeitsvergleich der Werkstoffe Nicrofer 5520Co und Nicrofer 5520CoB<br />
Die größten Chancen für die übernächste Generation der 700-°C-<br />
Kraftwerke hat nach derzeitigem Kenntnisstand die Nickellegierung<br />
Nicrofer 5120CoTi - alloy C-263. Dieser Werkstoff weist eine Zeitstandfestigkeit<br />
auf, die bei 700 °C etwa 100 % über der des Nicrofer<br />
5520Co - alloy 617 liegt. Für die höhere Festigkeit sind in erster Linie<br />
die höheren Gehalte an Aluminium und Titan verantwortlich, die einen<br />
höheren Anteil feinster Ausscheidungen intermetallischer γ´-Phasen<br />
auf Basis NiX(Al,Ti)y bewirken. Der hohe Gehalt an Kobalt sorgt dafür,<br />
dass Aluminium und Titan während des Herstellungs- und Schweißprozesses<br />
im Gefüge gelöst sind und die festigkeitssteigernden,<br />
aber die Schweiß- und Verarbeitbarkeit erschwerenden γ´-Phasen<br />
erst bei gezielter Wärmebehandlung in den fertigen Komponenten<br />
erzeugt werden.<br />
Während der Werkstoff Nicrofer 5520CoB-alloy 617B bereits seine<br />
Eignung für die 700-°C-Technologie bewiesen hat und ein umfangreiches<br />
Untersuchungs- und Qualifizierungsprogramm durchlaufen<br />
hat, muss dies für die Legierung Nicrofer 5120CoTi-alloy C-263 im<br />
Rahmen des COORETEC-Projektes noch erfolgen.<br />
Nicrofer 5520Co - alloy 617 (2.46630) Nicrofer 5520CoB - alloy 617B<br />
600 620 640 660 680 700 720 740<br />
Temperatur [°C]<br />
Fazit<br />
Gleich, wie das Kraftwerk der Zukunft aussehen wird: Bleche, Bänder<br />
Rohre, Draht und Schmiedeteile aus Nickellegierungen werden eine<br />
bedeutende Rolle spielen I Bild 8 I. In der Gasturbine haben sich<br />
Nickellegierungen bereits ihren festen Platz erobert, mit der Entwicklung<br />
der 700-°C-Technologie im Kohlekraftwerk kommen Nickellegierungen<br />
nun auch im Kohlekraftwerk zum Einsatz. Mit dem Werkstoff<br />
Nicrofer 5520CoB-alloy 617B steht nun ein Werkstoff zur Verfügung,<br />
der seine Eignung für die 700-°C-Kraftwerkstechnologie bereits<br />
bewiesen hat. Nun geht es in die nächste Phase: die wirtschaftliche<br />
Herstellung von Komponenten.<br />
ThyssenKrupp VDM ist bereits jetzt für die nächste Kraftwerksgeneration<br />
mit höheren Wirkungsgraden gut gerüstet. Und während<br />
sich die Ingenieure um die Herstellung längstnahtgeschweißter dickwandiger<br />
Rohre und großformatiger Schmiedestücke aus der hochwarmfesten<br />
Nickellegierung bemühen, arbeiten die Forscher in den<br />
Labors weiter an Werkstoffen für die übernächste Generation von<br />
Kohlekraftwerken.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 8 | Halbzeuge aus Nickellegierungen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft | 47
48 |<br />
| Neuer Calcinator der Weißzementanlage in El Alto, Spanien<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Umweltfreundliche und energetisch<br />
effiziente Weißzementherstellung<br />
mit modernster Technologie<br />
DIPL.-ING. LUIS LAGAR-GARCÍA Fachbereich Forschung und Entwicklung, Leiter Wärme- und Umwelttechnik | Polysius AG, Neubeckum<br />
DR.-ING. DIETMAR SCHULZ Leiter Forschung und Entwicklung | Polysius AG, Neubeckum<br />
Die Herstellung von Zement ist ein energieintensiver Prozess, da die eingesetzten Rohstoffe bei über<br />
1.400 °C gebrannt werden müssen. Das Potenzial, Emissionen zu senken, ist daher gerade bei älteren<br />
Anlagen groß. Das Beispiel einer Weißzementanlage zeigt, dass durch den Einsatz modernster Technologie<br />
eine deutliche Emissionsminderung auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglich ist.<br />
Einleitung<br />
Beton ist nach Wasser das meist verbrauchte Kosumgut der Welt<br />
und damit ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Weltweit<br />
werden jährlich 2,6 Mrd t Zement verbraucht. Die Herstellung von<br />
Zement ist ein energieintensives Verfahren, da die eingesetzten Rohstoffe<br />
bei 1.400 °C gebrannt werden, um den so genannten Klinker<br />
zu erzeugen. Nach der Kühlung des Klinkers wird dieser zusammen<br />
mit unterschiedlichen Zuschlagstoffen, wie beispielsweise Gips,<br />
gemahlen, um schließlich den Zement herzustellen.<br />
Die Zementindustrie wird mit strengen gesetzlichen Bestimmungen<br />
und mit der Verantwortung als Mitglied der Gesellschaft konfrontiert,<br />
die mit dem Zementherstellungsprozess verbundenen Emissionen zu<br />
reduzieren, während gleichzeitig im Rahmen eines wachsenden Wettbewerbsumfeldes<br />
die beste Produktqualität zu gewährleisten ist und<br />
die Herstellungskosten zu minimieren sind. Diese anspruchsvollen<br />
Ziele sind ausschließlich durch den Einsatz modernster Technologien<br />
zu erfüllen.<br />
Klinkerherstellung und Emissionen<br />
Bei der Klinkerherstellung fallen Emissionen unterschiedlicher Art an,<br />
welche teilweise der energieintensiven Verbrennung aber auch prozessbezogener<br />
chemischer Reaktionen anzurechnen sind:<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
CO2-Emissionen<br />
Die CO2-Emissionen bei der Herstellung von reinem Portlandzement<br />
(ohne Sekundärbrennstoffe, ohne Zusatzstoffe wie Hüttensand, Flugasche<br />
etc.) entstehen aus drei unterschiedlichen Quellen | Bild 1 |:<br />
Rohmaterial bedingte CO2-Emissionen:<br />
Der als Rohstoff eingesetzte Kalkstein (CaCO3) zersetzt sich beim<br />
Brennen in CaO und CO2 (etwa 61 % der gesamten spezifischen<br />
CO2-Emissionen pro Tonne Klinker).<br />
Brennstoffbedingte CO2-Emissionen:<br />
Ca. 32 % der spezifischen CO2-Emissionen bei der Klinkerherstellung<br />
sind auf den energieintensiven Verbrennungsprozess<br />
zurückzuführen.<br />
CO2 aus elektrischer Energie:<br />
| 49<br />
Der kleinste Anteil der CO2-Emissionen bei der Zementherstellung<br />
ist dem elektrischen Energieverbrauch zuzuordnen (ca. 7 % des<br />
gesamten CO2-Ausstoßes bei der Zementherstellung).<br />
NOX-Emissionen<br />
Stickstoffoxide entstehen während der Verbrennung von Brennstoffen<br />
bei hohen Temperaturen (> 1.300 °C) aus der Oxidation des Luftstickstoffes<br />
(sog. thermisches NO) und bei ausreichendem Sauerstoffangebot<br />
aus der Oxidation des im Brennstoff enthaltenen Stickstoffes<br />
(sog. Brennstoff NO).
50 | Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie<br />
Bild 1 | CO2-Entstehung bei der Herstellung von reinem Portlandzement<br />
SO2-Emissionen<br />
SO2 entsteht bei der Oxidation von Schwefelverbindungen. Die Ur-<br />
sachen für die Entstehung von SO2-Emissionen bei der Zementher-<br />
stellung sind der Einsatz schwefelhaltiger Rohmaterialien und bei<br />
älteren Anlagen der Einsatz schwefelhaltiger Brennstoffe. In modernen<br />
Anlagen wird durch Einsatz eines so genannten Calcinators das<br />
bei der Verbrennung freigesetzte SO2 wieder absorbiert und mit dem<br />
Klinker aus dem System ausgetragen, sodass nur das Rohmaterial<br />
zur SO2-Emission beiträgt.<br />
Energetisch effiziente und umweltfreundliche Zementherstellung<br />
durch den Einsatz modernster Technologie<br />
Nur durch den Einsatz modernster Technologie ist eine energieeffiziente<br />
und umweltfreundliche Zementherstellung möglich. Polysius<br />
ist als führender Anbieter von hochtechnologischen Maschinen und<br />
Anlagen für die Zementherstellung bestrebt, die Effizienz und die<br />
Umweltfreundlichkeit seiner Anlagen immer weiter zu verbessern.<br />
Am Beispiel der Modernisierung der Weißzementanlage in El Alto,<br />
Spanien, wird ein Ergebnis dieses Bestrebens vorgestellt.<br />
Modernisierung der Weißzementanlage in El Alto, Spanien<br />
Projektziele<br />
Die Weißzementanlage in El Alto bei Madrid gehört zu Cementos<br />
Portland Valderrivas, dem größten Zementhersteller Spaniens, mit<br />
Werken in Spanien, USA, Argentinien, Uruguay and Tunesien. Die<br />
jährliche Gesamtproduktion des Konzerns liegt bei ca. 19 Mio t Zement.<br />
Die Linie in El Alto wurde im Jahr 1998 von einem dänischen Anlagenbauer<br />
gebaut und 1999 in Betrieb genommen. Die Anlage hatte eine<br />
Leistung von ca. 750 t Klinker pro Tag und der Betrieb war durch<br />
einen hohen Wärmeverbrauch und sehr hohe SO2- und NOX-Emissionen<br />
gekennzeichnet.<br />
Die Reduzierung der hohen Emissionen war das Hauptziel der<br />
Anlagenmodernisierung durch Polysius. Weitere Ziele waren eine<br />
Erhöhung der Produktion der Anlage, eine Reduzierung des Energie-<br />
Rohmaterial 61 % Elektrische Energie 7 % Brennstoff 32 %<br />
verbrauches, eine Minimierung des Wasserverbrauches und eine generelle<br />
Optimierung des Anlagenbetriebes, um die Verfügbarkeit der<br />
Anlage zu erhöhen. Dazu sollte die beste Produktqualität, die sich bei<br />
Weißzement direkt im Preis niederschlägt, gewährleistet werden. Eine<br />
weitere wichtige Anforderung an das Projekt bestand in der Minimierung<br />
der Anlagenstillstandzeit während der Modernisierung.<br />
Polysius-Konzept zur Modernisierung der Ofenlinie<br />
Um die oben genannten äußerst anspruchsvollen Ziele erreichen<br />
zu können, entwickelte Polysius ein maßgeschneidertes innovatives<br />
und integriertes Konzept für die Modernisierung des Werkes El Alto.<br />
Vor der Modernisierung war die Weißzementanlage eine einfache<br />
Produktionslinie nach dem klassischen Konzept: ein 2-stufiger Zyklonvorwärmer,<br />
ein Luft-Luft-Wärmetauscher für die Vorwärmung der<br />
Verbrennungsluft, ein sehr langer Drehrohrofen und eine große Kühltrommel<br />
für die Endkühlung des Klinkers mit Wasser | Bild 2 |. Das<br />
von Polysius entwickelte Konzept für den Umbau der Ofenlinie beinhaltet<br />
die folgenden Modifikationen | Bild 3 |:<br />
Die Installation eines Calcinators mit 2 speziellen Calcinierbrennern.<br />
Der Calcinator war speziell für den Einsatz von 100 % Petrolkoks<br />
ausgelegt. Folgende Ziele konnten erreicht werden:<br />
- Verringerung der thermischen Sinterzonenbelastung um 25-30 %:<br />
Dadurch war die Steigerung der Durchsatzleistung möglich.<br />
- Realisierung der Schwefelabsorption im Calcinator aufgrund des<br />
Überschusses an CaO, das als Schwefelfalle dient und damit die<br />
SO2-Emissionen drastisch senkt,<br />
- Aufteilung der Brennstoffe auf zwei Brennstellen (Calcinator und<br />
Sinterzone) und dadurch eine signifikante Reduzierung der NOX-<br />
Emissionen;<br />
Weitere Modifikationen betrafen den Umbau der untersten Zyklonstufe<br />
auf die neuen Gegebenheiten, die Installation eines neuen<br />
Ofeneinlaufgehäuses sowie eines neuen Abgasventilators. Zudem<br />
wurde der Schlauchfilter, der für die Einhaltung der Partikelemissionen<br />
verantwortlich ist, von einem Überdruck- auf einen Unter-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
druckbetrieb umgebaut. Schließlich musste ein neuer Ofenhauptantrieb<br />
installiert werden, um die neue Produktionsleistung durch<br />
Erhöhung der Ofendrehzahl zu gewährleisten.<br />
Eine Schlüsselkomponente in dem Weißzementkonzept von Polysius,<br />
die für das Erreichen der ambitionierten Emissionsminderungen<br />
notwendig ist, stellt der Sinterzonenbrenner Polflame VN dar.<br />
Durch seine spezielle Konstruktion kann die Flammenformung in<br />
sehr weiten Bereichen auf den Brennprozess angepasst werden.<br />
Ein neuer Ofenkopf wurde installiert, mit dem die Verbrennungsluft<br />
in den Drehofen eingeleitet wird.<br />
Filter-Fan<br />
Frischluft<br />
Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie | 51<br />
Vorgewärmte Verbrennungsluft, T = 230 °C<br />
Luft-Luft Wärmetauscher<br />
Rohmehlaufgabe<br />
Bild 2 | Weißzementanlage in El Alto vor der Modernisierung<br />
ID-Fan<br />
Tertiärluftleitung<br />
Ofeneinlauf<br />
Ofenantrieb<br />
2-Stufen Vorwärmer<br />
Drehrohrofen<br />
(95 x 4,35 m)<br />
Bild 3 | Weißzementanlage in El Alto nach der Modernisierung, Neuanlagen rot<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Ofenkopf<br />
Calcinator<br />
Kühltrommel<br />
(11,3 x 3,95 m)<br />
Mehlschurren<br />
und Dach des Zyklon 1<br />
Polflame Hauptbrenner<br />
Ofenauslaufdichtung<br />
Das Herz des Herstellungsprozesses für Weißzement ist jedoch der<br />
Kühler. Das innovative Twin Cooler-Konzept von Polysius erlaubt<br />
eine schnelle Abkühlung des 1.450 °C heißen Klinkers binnen<br />
kürzester Zeit unter inerten Bedingungen sowie die größtmögliche<br />
Wiederverwertung der restlichen Klinkerwärme für den Brennprozess.<br />
Der gesamte ursprüngliche Kühlerbereich in El Alto wurde<br />
ersetzt durch den Twin Cooler, bestehend aus:<br />
einem Rohrkühler für die Abschreckung des Klinkers mit Wasser,<br />
einem Walzenbrecher zur Zerkleinerung von Ansatzstücken aus<br />
dem Drehrohrofen,<br />
4<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Brüdenfilter<br />
Klinkertransport<br />
Twin-Cooler<br />
1 Kühltrommel<br />
2 Walzenbrecher<br />
3 Polytrack-Kühler<br />
4<br />
Heißgaserzeuger
52 | Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie<br />
Bild 4 | Montage im Kühlerbereich während der laufenden Produktion<br />
einem Polytrack, ein Rostkühler der 3. Generation, der die Restwärme<br />
des Klinkers im Anschluss an die Wasserkühlung durch<br />
Kühlung mit Luft dem Brennprozess wieder zuführt; der Klinker<br />
wird dabei von 600 °C auf nahezu Umgebungstemperatur abgekühlt<br />
sowie<br />
einer Brennkammer, die die vorgewärmte Verbrennungsluft<br />
weiter aufheizt, um ideale Brennbedingungen im Drehrohrofen<br />
bereit zu stellen.<br />
Montage, Inbetriebnahme und Betrieb<br />
Eine wesentliche Anforderung an die Modernisierung des Werkes<br />
in El Alto war eine minimale Stillstandszeit der Anlage während des<br />
Umbaus. Zu diesem Zweck wurde daher ein ambitioniertes Konzept<br />
entwickelt und umgesetzt, sodass nach nur zwei Monaten Stillstand<br />
das Werk die Produktion wieder aufnehmen konnte. Erreicht wurde<br />
dies dadurch, dass ein großer Teil der neuen Maschineneinrichtung<br />
bereits während des laufenden Produktionsprozesses an Ort und<br />
Stelle aufgebaut wurde. Dies war zum Beispiel für den Calcinator<br />
und den Kühlerbereich der Fall. | Bild 4 | zeigt einige Phasen der<br />
Montage des Kühlers. Sowohl die verschiedenen Ebenen des Kühlergebäudes,<br />
als auch die Gasleitungen, der Entstaubungszyklon sowie<br />
die Brennkammer wurden im Werk vormontiert und dann mit großen<br />
Kränen in die richtige Position gehoben, während die Anlage weiter<br />
produzierte. Dieser hohe Grad an Vormontage während des laufenden<br />
Betriebes ermöglichte es, die restlichen notwendigen Anschlussarbeiten<br />
innerhalb kürzester Zeit durchzuführen. | Bild 5 | zeigt einen<br />
generellen Überblick über die neu installierte Kühlersektion.<br />
Die Ofenlinie nahm im Oktober 2006 die Produktion wieder auf,<br />
und bereits nach kurzer Laufzeit konnten alle Garantiewerte erreicht<br />
werden. | Bild 6 | zeigt die erreichten Verbesserungen:<br />
Die Klinkerproduktion konnte auf über 950 t pro Tag gesteigert<br />
werden. Dies entspricht einer Zunahme von mehr als 25 %.<br />
Gleichzeitig konnte der Wärmeverbrauch deutlich gesenkt werden,<br />
sodass insgesamt etwa 10 % der aus dem Brennstoff stammenden<br />
CO2-Emissionen eingespart werden konnten.<br />
Durch die geänderte Brennstoffaufteilung sowie durch die Installation<br />
der neuen Brenner in der Sinterzone und im Calcinator,<br />
konnte die NOX-Emission um mehr als 75 % abgesenkt werden.<br />
Diese deutliche Reduktion der NOX-Emissionen erlaubte es auf<br />
zusätzliche Maßnahmen, wie das Eindüsen von Ammoniakhaltigen<br />
Lösungen, zu verzichten, sodass die spezifischen Produktionskosten<br />
weiter gesenkt werden konnten.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 5 | Twin Cooler nach der Inbetriebnahme<br />
Fazit<br />
Die vor dem Umbau herrschenden hohen SO2-Emissionen konnten<br />
durch den Einbau des Calcinators drastisch gesenkt werden. Da<br />
dieser als Schwefelfalle wirkt, nahmen die Emissionen um etwa<br />
95 % ab.<br />
Ein weiterer wichtiger Umweltfaktor ist der Wasserverbrauch zum<br />
Kühlen des Weißzementklinkers unter inerten Bedingungen. Durch<br />
das Twin Cooler-Konzept konnte der Wasserverbrauch um etwa<br />
10 % gesenkt werden, unter Wahrung höchster Qualitätsanforderungen<br />
an die Weiße des Klinkers.<br />
Die Modernisierung der Weißzementlinie in EL Alto und die erzielten<br />
verfahrenstechnischen Prozess- und Produktionsverbesserungen<br />
zeigen den Weg, um die strengen wirtschaftlichen und gesetzlichen<br />
Rahmenbedingungen in Europa einhalten zu können. Durch den<br />
Einsatz modernster Technologie als Ergebnis zahlreicher Erfahrungen,<br />
Know-how-Gewinnung sowie Forschung und Entwicklung, kann die<br />
beste Produktqualität bei der Zementherstellung gewährleistet werden,<br />
während gleichzeitig der Energieverbrauch und die Emissionen<br />
reduziert werden können.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung mit modernster Technologie | 53<br />
%<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
-10<br />
-20<br />
-30<br />
-40<br />
-80<br />
-90<br />
-100<br />
Lesitung<br />
Wärmebedarf<br />
Bild 6 | Erreichte Werte nach erfolgreichem Umbau (vor Umbau alle Werte = 0 %)<br />
CO2<br />
NO2<br />
SO2
54 |<br />
| Beispielsimulation einer vollmobilen Brechanlage in einem Kohletagebau<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Emissionsreduzierung durch Einsatz<br />
kontinuierlicher Tagebautechnik<br />
DR.-ING. VIKTOR RAAZ Projektleiter F&E, Abt. Business Development | ThyssenKrupp Fördertechnik GmbH, Essen<br />
DIPL.-ING. BERGBAU ULRICH MENTGES Manager Vertrieb/Bergbauplanung | ThyssenKrupp Fördertechnik GmbH, Essen<br />
Eine Systemveränderung im weltweiten Tagebau hin zu kontinuierlicher Tagebautechnik<br />
führt nicht nur zu einer Senkung der laufenden Betriebskosten,<br />
sondern – wie in einem laufenden Forschungsvorhaben untersucht – insbesondere<br />
auch zu einem Einsparungspotenzial an CO2-Emissionen. Auf dem<br />
wachsenden Rohstoffmarkt können vor allem neu konzipierte vollmobile<br />
Brechanlagen in Kombination mit innovativer Bandanlagentechnik gegenüber<br />
herkömmlichem Truck-Transport Reduzierungen des CO2-Ausstoßes in Größenordnungen<br />
von bis zu 150.000 Tonnen pro Jahr und pro installiertem System<br />
in der Rohstoffgewinnung erzielen.<br />
| 55
56 | Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik<br />
Hintergrund<br />
Die Technologie von ThyssenKrupp Fördertechnik trägt auch zur Verminderung<br />
klimaschädlicher Gase bei. Um Treibhausgasemissionen<br />
zu vermindern, werden kontinuierlich Produktionsprozesse optimiert.<br />
Die Produktlinie von ThyssenKrupp Fördertechnik verfolgt dieses Ziel<br />
unter anderem mit ihren kontinuierlich arbeitenden Großanlagen und<br />
Bergbaumaschinen.<br />
Im Rahmen eines Forschungsvorhabens untersuchen Ingenieure<br />
des Unternehmens derzeit den positiven Einfluss des Einsatzes kontinuierlicher<br />
Gewinnungstechnik – insbesondere im Vergleich vollmobiler<br />
Brechanlagen zu diskontinuierlich arbeitenden Schwerlastkraftwagen,<br />
den Trucks.<br />
Tagebautechniken<br />
Der Fokus der Untersuchung ist aufgrund der unternehmensspezifischen<br />
Produktlinie in der internationalen kontinuierlichen Tagebautechnik<br />
zu sehen. Hierzu zählen in erster Linie Gewinnungs-, Transport-<br />
und Verkippungsgeräte wie beispielsweise Schaufelradbagger,<br />
versetzbare oder mobile Brechanlagen, Bandanlagen sowie Absetzer.<br />
Grundsätzlich sind Tagebaue über verschiedene Gewinnungstechnologien<br />
erschließbar. Das zum Einsatz kommende System hat entsprechende<br />
Auswirkung auf die Auswahl der Maschinen und damit<br />
auf die spezifischen CO2 -Emissionen.<br />
Diskontinuierliche Systeme<br />
Hier kommen zumeist Hydraulik- und Seillöffelbagger zur Gewinnung<br />
der Rohstoffe zum Einsatz. Der Transport erfolgt mit großen Trucks mit<br />
Zuladungen von bis zu 400 t, die teils den gesamten Transportweg<br />
von der Gewinnungsstelle im Tagebau bis zur kilometerweit entfernten<br />
Außenkippe für Abraummaterial oder die außerhalb des Tagebaus<br />
liegenden Aufbereitungsanlagen für das Wertmineral übernehmen.<br />
Kombination diskontinuierlicher Systeme mit semi-mobilen<br />
Brechanlagen und kontinuierlich arbeitenden Bandanlagen<br />
(’In-Pit Crushing’) I Bild 1 I<br />
Das Lösen und Laden des Materials übernehmen auch hier Hydraulikund<br />
Seillöffelbagger. Der Weitertransport innerhalb des Tagebaus<br />
erfolgt nun ebenfalls mittels Truck-Einsatzes, jedoch nur bis zu einer<br />
in unmittelbarer Nähe stehenden semi-mobilen Brechanlage, die<br />
das Material grob zerkleinert und damit für den sich anschließenden<br />
Bandanlagentransport bereitstellt. Der diskontinuierliche Einsatz von<br />
Trucks wird hierdurch erheblich reduziert. Es erfolgt nur noch ein<br />
sog. Shuttle-Betrieb.<br />
Kontinuierliche Systeme<br />
Lockergesteinstagebaue<br />
Hier kann die Löse- und Ladearbeit aufgrund der sprengstofflosen<br />
Gewinnbarkeit und der geringen Materialdruckfestigkeit in-situ direkt<br />
von einem Schaufelradbagger übernommen werden. Anschließend<br />
erfolgt der Weitertransport – teils mit zwischengeschalteten mobilen<br />
Bandmodulen – per Bandanlage und im Falle von Abraumsystemen<br />
direkt zur Verkippungsstelle unter Einsatz von Absetzern.<br />
Festgesteinstagebaue<br />
Hier wird das Material zumeist durch vorangegangene Sprengtätigkeit<br />
aus dem Gesteinsverband herausgelöst. Hydraulik- oder Seillöffelbagger<br />
übernehmen nun die Ladearbeit des gesprengten Haufwerkes<br />
und laden direkt in den Aufgabetrichter einer vollmobilen Brechanlage.<br />
Diese zerkleinern das noch sehr grobe Material in der ersten Brechstufe<br />
unmittelbar am Gewinnungsort und bereiten es so für den anschließenden<br />
Bandtransport und für nachfolgende Prozesse auf.<br />
Wesentliche Unterschiede der oben genannten Tagebautechniken<br />
liegen bezüglich der CO2-Relevanz im Energieaufwand und in der<br />
Energieversorgung. Kontinuierliche Tagebaugeräte werden fast ausschließlich<br />
elektrisch angetrieben, während diskontinuierliche Tagebaugeräte<br />
überwiegend mit einem Dieselaggregat ausgerüstet sind.<br />
Die charakteristische Lagerstättenform von Locker- und Festgesteinstagebauen<br />
nimmt auch erheblichen Einfluss auf die Transportentfernungen<br />
für das gewonnene Material oder den überlagernden<br />
Abraum und beeinflusst daher auch wesentlich den Energieeinsatz<br />
und damit den resultierenden CO2-Ausstoß. Flache Lockergesteinslagerstätten<br />
erfordern meist Transportwege über große Entfernungen,<br />
jedoch mit geringem Höhenunterschied. Erzlagerstätten hingegen<br />
weiten sich mehr in die ’Teufe’ (bergmännische Bezeichnung für Tiefe)<br />
aus und erfordern daher zu ihrer Gewinnung sehr hohe Teufenunterschiede.<br />
Der Energieeinsatz beim Transport unter Einsatz von Trucks<br />
steigt dabei erheblich.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Mit innovativen Techniken, wie dem Einsatz vollmobiler Brechanlagen,<br />
ist in diesen Tagebauen heute der Lade- und Zerkleinerungsvorgang<br />
direkt am Abbauort möglich und somit als ein Ressourcen<br />
schonender Weitertransport mittels Bandanlagen anzusehen.<br />
Konzeptionelle Vorgehensweise zur Ermittlung<br />
der CO2-Emissionen<br />
Das generelle Konzept der CO2-Emissionsermittlung bei ThyssenKrupp<br />
Fördertechnik erlaubt die Abschätzung des CO2-Ausstoßes für typische<br />
Tagebau- und Abbautechnologien im Vergleich zwischen kontinuierlichem<br />
und diskontinuierlichem Maschineneinsatz. Für diesen Zweck<br />
wird der gesamte Abbauvorgang in ’n’ Teilprozesse zerlegt, die jeweils<br />
einen Zerkleinerungs- und/oder Transportvorgang beinhalten.<br />
Eine allgemein gültige Berechnungsformel für den CO2-Ausstoß stellt<br />
sich folgendermaßen dar:<br />
n<br />
ECO2 = ∑Mi · (Ai · fAi · fMi · qi + zi) · fCO2 ,i<br />
i=1<br />
Mi zu transportierende Gesamt-Materialmasse in einem Teilprozess i<br />
Ai kürzester Abstand zwischen dem Massenschwerpunkt und dem<br />
Endpunkt der Transportstrecke im dreidimensionalen Raum<br />
fAi Der Transportlängenfaktor drückt das Verhältnis zwischen<br />
tatsächlicher Transportlänge je nach Abbautechnologie und<br />
dem kürzesten Abstand Ai aus. Der Wert wird empirisch ermittelt<br />
und ist beim Einsatz von Trucks in der Regel deutlich<br />
höher als von Bandanlagen.<br />
fMi Nutzlastfaktor als Verhältnis der gesamt zu transportierenden<br />
Masse zur Gesamt-Materialmasse Mi; Der Wert wird rechnerisch<br />
ermittelt und ist beim Einsatz von Trucks ca. doppelt so hoch<br />
wie bei Bandanlagen.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik | 57<br />
Bild 1 | Verlauf einer ’In-Pit Crushing’-Bandanlage im Tagebau<br />
qi<br />
zi<br />
Entfernungs- und massenbezogener Energie- bzw. Kraftstoffverbrauch<br />
für Materialtransport, der unter der Berücksichtigung<br />
der Steigung von Transportstrecken, Reibungszahlen bzw. Rollwiderständen,<br />
Wirkungsgraden und Auslastungsfaktoren zu<br />
ermitteln ist<br />
Massenbezogener Energie- bzw. Kraftstoffverbrauch für die<br />
Gewinnung und Zerkleinerung in dem Teilprozess i<br />
fCO2 ,i Umrechnungsfaktor der Energie- bzw. des Kraftstoffverbrauches<br />
in die erzeugte CO2-Masse; Dabei werden die länderspezifischen<br />
Werte für die Erzeugung elektrischer Energie und spezifische<br />
Werte bei der Verbrennung von Kraftstoff verwendet.
58 | Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik<br />
Zur Ermittlung der Reduktion der CO2-Emission beim Einsatz umweltfreundlicher<br />
Technologien wird bezüglich der gesamten Gewinnungskette<br />
oder nur einer Teilstrecke für die jeweiligen Alternativen der<br />
CO2-Ausstoß errechnet und die Differenz gebildet.<br />
Einsatz vollmobiler und semimobiler Brechanlagen<br />
Fallbeispiel 1<br />
In den letzten 2 Jahren wurde in Zusammenarbeit mit einem kasachischen<br />
Kupferproduzenten der Neuaufschluss einer Kupfererzlagerstätte<br />
geplant I Bild 2 I. Hier soll eine semimobile Brechanlagenvariante,<br />
die nur einen kurzen Truck-Shuttle-Betrieb erfordert, mit<br />
einer Stundenleistung von 8.000 t/h zum Einsatz kommen. Dies entspricht<br />
einer jährlichen Förderleistung von etwa 40 Mio t. Bei einer<br />
durchschnittlichen Transportentfernung von 0,75 km und einer Teufe<br />
von bis zu 600 m läge die Einsparung an CO2-Emissionen im Vergleich<br />
zu einem reinen Truck-Transport bei rund 150.000 t/a.<br />
Fallbeispiel 2<br />
Im Kohletagebau Yiminhe, China, ist im Herbst <strong>2007</strong> ein kontinuierliches<br />
Gewinnungs- und Transportsystem für die Kohlegewinnung in<br />
Betrieb gegangen I Bild 3 I. Eingesetzt wird hier eine vollmobile Brechanlage<br />
mit einer Stundenleistung von 3.500 t/h. Dies entspricht einer<br />
jährlichen Förderleistung von etwa 16 Mio t. Bei einer zurzeit im Tagebau<br />
bestehenden durchschnittlichen Transportentfernung der gewonnenen<br />
Kohle von 1,2 km liegt die Einsparung an CO2-Emissionen in<br />
Höhe von etwa 50.000 t/a.<br />
Fallbeispiel 3<br />
In den großen Ölsandlagerstätten Kanadas wird derzeit zumeist mit<br />
semi-mobilen Brechanlagen in Kombination mit Trucks im zuführenden<br />
Shuttle-Betrieb gearbeitet. Eine künftige Alternative wird der Einsatz<br />
vollmobiler Brechanlagen sein, die einen Truckeinsatz gänzlich erübrigen<br />
I Bild 4 I. ThyssenKrupp Fördertechnik unterzeichnete im<br />
Oktober einen ersten Vertrag zur Lieferung eines vollmobilen Brechers<br />
als Ersatz für das bestehende semi-mobile System. Für diese vollmobile<br />
Brechanlage mit einer stündlichen Förderleistung von 7.000 t/h<br />
(ca. 31 Mio t/a) errechnet sich bei einer durchschnittlichen Transportentfernung<br />
der Trucks zum semi-mobilen Brecher von zzt. 2,5 km<br />
eine Einsparung an CO2-Emissionen in Höhe von etwa 95.700 t/a.<br />
Fazit<br />
Die bisher gewonnenen Erkenntnisse deuten auf Reduzierungen des<br />
jährlichen CO2-Ausstoßes hin, die in großen Tagebauen in Größenordnungen<br />
von ca. 50.000 – 150.000 t/a liegen, bezogen auf den<br />
Einsatz eines alternativen kontinuierlichen bzw. eines kombinierten<br />
’In-Pit Crushing’-Systems. Wesentliche Faktoren, die zur CO2-Reduzierung<br />
beitragen, sind geringere Transportentfernungen, Senkung<br />
der insgesamt zu bewegenden Massen und Rollwiderstände sowie<br />
Nutzung elektrischer Energie.<br />
ThyssenKrupp Fördertechnik untersucht derzeit weitere Details der<br />
Einsparpotenziale an CO2-Emissionen durch den weltweiten Einsatz<br />
kontinuierlicher Tagebautechnik.<br />
Bild 2 | 3-D-Planung für den Abbau einer Kupfererzlagerstätte in Kasachstan<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 3 | Vollmobile Brechanlage für einen Kohletagebau in China<br />
Bild 4 | 3D-Simulation für eine vollmobile Brechanlage im kanadischen Ölsand<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik | 59
60 |<br />
| Luftbild des Werkes 1 von ThyssenKrupp Waupaca<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Kupolofen-Projekt –<br />
Reaktion auf den MACT-Standard<br />
WILLIAM POWELL (B.S. MET. E.) Direktor Schmelz- und Guss-Technologien | ThyssenKrupp Waupaca, Inc., Waupaca, Wisconsin/USA<br />
JEFFREY LOEFFLER (B.S. CH. E.) Umweltkoordinator | ThyssenKrupp Waupaca, Inc., Waupaca, Wisconsin/USA<br />
Das Werk 1 des Unternehmens ThyssenKrupp Waupaca nahm im Januar <strong>2007</strong> den Betrieb eines neuen<br />
Kupolofensystems zum Schmelzen von Eisen auf. Dieses bedeutende Projekt war die Reaktion auf neue<br />
Umweltbestimmungen für die US-Gussindustrie und bot gleichzeitig die Möglichkeit, die Produktion in<br />
dieser Anlage zu steigern.<br />
Überblick über das Werk 1<br />
Das Werk 1 von ThyssenKrupp Waupaca ist eine Eisengießerei in<br />
Waupaca, Wisconsin/USA. Es beschäftigt 550 Vollzeitarbeiter und ist in<br />
Gebäuden mit einer Gesamtfläche von ca. 17.000 m2 untergebracht.<br />
Jährlich werden ca. 200.000 Tonnen Gussteile an die Kunden geliefert.<br />
Das Werk gilt als Auftragsfertigungsgießerei mit einem breit<br />
gefächerten Kundenstamm u.a. aus der Automobil-, Landwirtschaftsund<br />
Bauindustrie.<br />
Das Werk arbeitet mit einem Kupolofen-Schmelzsystem, um das<br />
geschmolzene Eisen zu erzeugen, das in der Gießerei benötigt wird. Ein<br />
Kupolofen ist ein hoher, senkrecht stehender, feuerfest ausgemauerter<br />
zylindrischer Schacht. Zu Beginn eines Betriebszyklusses wird am<br />
Boden des Ofens ein Koksbett gezündet. Nachdem eine nachhaltige<br />
Verbrennung erreicht ist, erfolgt die Beschickung mit Schrottmaterial<br />
von oben an der so genannten Gicht. Die Hitze des brennenden Kokses<br />
bringt das Schrottmaterial zum Schmelzen. Das geschmolzene Eisen<br />
fließt aus der Schmelzzone des Ofens aus einer Öffnung ab und wird<br />
abgestochen. Während des gesamten Schmelzvorganges, wird oben<br />
kontinuierlich Material (Schrottmetall und Koks) nachfüllt.<br />
Um die Verbrennung aufrechtzuerhalten, wird in der Schmelzzone<br />
mit hoher Geschwindigkeit Luft durch so genannte Winddüsen in den<br />
Ofen geblasen. Die Gebläseluft und die erzeugten Verbrennungsgase<br />
steigen im Kupolofen auf und werden durch einen seitlichen Auslass-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
kanal in das Emissionsbegrenzungssystem geleitet. Das ursprüngliche<br />
’Emission Control System’ bestand aus einer Verbrennungskammer,<br />
um Gase auf Kohlenstoffbasis zu verbrennen, gefolgt von<br />
einem Nasswäscher und einem Filterkammersystem (Baghouse), die<br />
in einer Parallelanordnung betrieben wurden. Die Verwendung des<br />
Nasswäschers erforderte den Betrieb einer Abwasserkläranlage, von<br />
wo aus das gereinigte Wasser in den Fluss Waupaca geleitet wurde.<br />
Das ursprüngliche Emissionsbegrenzungssystem wies eine geprüfte<br />
Emissionsrate von 0,012 Feinstaubpartikeln pro Trockennormalkubikfuß<br />
(gr/dscf = grains/dry standard cubic foot) auf.<br />
Überblick über den MACT-Standard<br />
Im April 2004 gab die US-Umweltschutzbehörde EPA (Environmental<br />
Protection Agency) eine endgültige Verordnung heraus, um die<br />
Emissionen von giftigen Luftverunreinigungen aus Eisen- und Stahlgießereien<br />
zu reduzieren. Die Verordnung beinhaltet Emissionsgrenzen<br />
für Herstellungsprozesse und Anforderungen zur Prävention von<br />
Luftverunreinigungen, die darauf ausgelegt sind, Lufttoxine zu reduzieren.<br />
Gefährliche Luftverunreinigungen oder Lufttoxine sind Stoffe,<br />
von denen man weiß oder die in Verdacht stehen, dass sie Krebs oder<br />
andere Gesundheitsschäden verursachen. Die Verordnung enthält<br />
auch die Anforderung, dass bestehende Kupolofen-Schmelzsysteme<br />
nicht mehr als 0,006 gr/dscf Feinstaub abgeben dürfen. Die EPA<br />
| 61
62 | Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard<br />
entschied sich, Feinstaub stellvertretend für metallhaltige gefährliche<br />
Luftverunreinigungen zu regulieren.<br />
Als sie den MACT(Maximum Achievable Control Technology)-<br />
Standard entwickelte, richtete sich die EPA nach den Emissionsbegrenzungswerten,<br />
die von den leistungsbesten ähnlichen Quellen<br />
in der gesamten Gussindustrie erzielt wurden. Die neueren Kupolofensysteme<br />
des ThyssenKrupp Waupaca Werkes 5 in Tell City, Indiana<br />
und der Werke 2/3 in Waupaca, Wisconsin, wurden in der anfänglichen<br />
Bewertungsmaßnahme der EPA als diejenigen mit den besten<br />
Leistungen identifiziert. Diese Emissionswerte stellten den Maßstab<br />
dar und wurden als „MACT-Minimum” referenziert. Das MACT-Minimum<br />
für existierende Kupolofen-Gießereien bedeutet eine Begrenzung<br />
auf 0,006 gr/dscf.<br />
Seit April <strong>2007</strong> wird von allen U.S.-Gießereien verlangt, dass sie<br />
die MACT-Emissionsstandards einhalten. Das Werk 1 wäre mit seinem<br />
vorhandenen System nicht in der Lage gewesen, den neuen Standard<br />
einzuhalten und stand vor der Wahl, das vorhandene Kupolofenschmelzsystem<br />
gegen ein modernisiertes System auszutauschen oder<br />
auf das Elektroschmelzverfahren umzusteigen.<br />
Reaktion auf den MACT-Standard<br />
Der Entschluss, nach vorn zu gehen und das vorhandene Kupolofenund<br />
Emissionsbegrenzungssystem im Werk 1 zu modernisieren, war<br />
für ThyssenKrupp Waupaca keine schwere Entscheidung. Die Fähigkeit,<br />
den neuen MACT-Standard einzuhalten, war bereits in drei<br />
separaten Systemen innerhalb der unternehmenseigenen Gießereigruppe<br />
bewiesen worden. Die Basistechnologie und Betriebsparameter<br />
existierten bereits. Die Frage, ob der neue Standard mit vorhandener<br />
Technologie eingehalten werden kann, wurde eindeutig<br />
positiv beantwortet.<br />
Darüber hinaus wurden noch weitere Faktoren berücksichtigt,<br />
die den Erfolg des Projektes sicherstellen sollten. Bereits in einem<br />
frühen Stadium stand fest, dass der größte Teil der Infrastruktur des<br />
vorhandenen Systems wieder verwendet werden kann. Wichtige<br />
Komponenten wie z.B. Eisenbahngleise, Materialbeförderungskräne,<br />
Vorratsbehälter, Waagen und Transportkübel waren an Ort und Stelle<br />
vorhanden und in relativ gutem Betriebszustand, weshalb nur minimale<br />
Störungen der weiterlaufenden Produktion während des Projektes zu<br />
erwarten waren. Darüber hinaus standen Schrott- und andere<br />
Rohmateriallieferanten in etablierten Geschäftsbeziehungen mit<br />
ThyssenKrupp Waupaca. Die Rohmaterial-Lieferkette war auf den<br />
Einsatz in einem Kupolofenschmelzbetrieb eingerichtet und zugeschnitten.<br />
In vielen Fällen belieferten speziell zugeordnete Verarbeitungsanlagen<br />
die Kupolofenschmelzanlage, weshalb bei einem<br />
neuen System keine Veränderungen im Materialfluss oder in der qualitativen<br />
Ausbildung notwendig waren. Ferner sind die Beschäftigten<br />
und das Management gleichermaßen gut geschult und vertraut mit<br />
dem Kupolofenschmelzprozess sowie mit den Wärmerückgewinnungsund<br />
Trocken-Gasreinigungssystemen. Wegen dieser Faktoren lag die<br />
Entscheidung nahe, den Kupolofenschmelzprozess beizubehalten<br />
und ein Baghouse-Emissionsbegrenzungssystem mit Wärmerückgewinnung<br />
zu installieren.<br />
Projektziele und Systemdesign<br />
Das Ziel des Projektes bestand nicht einfach nur darin, ein anderes<br />
MACT-gerechtes Abgasreinigungssystem zu installieren, sondern auch<br />
Verbesserungen an den bisher installierten Systemen vorzunehmen.<br />
Sicherheit steht bei <strong>Thyssenkrupp</strong> Waupaca stets an erster Stelle,<br />
und hatte auch bei diesem Projekt oberste Priorität. Das Schmelzen<br />
im Kupolofen gilt als das sicherste Schmelzverfahren, dennoch gab<br />
es Verbesserungspotenziale. Die An- und Abtransportwege im Umkreis<br />
des Kupolofens wurden erweitert. Wasserkühlungszonen mit Kühlmänteln<br />
wurden entfernt und durch Kaskadenkühlsysteme ersetzt.<br />
Bei der früheren Bauweise der Wärmetauscher ist die Möglichkeit<br />
eines Brandes stets präsent, weil dabei Thermalöl als Wärmeträger<br />
dient. Bei der neuen Bauweise wurde das leicht brennbare Thermalöl<br />
durch ein inertes Glykol-Wasser-System ersetzt. Glykol hat eine<br />
geringere Wärmekapazität, einen niedrigeren Siedepunkt und eine<br />
geringere Wärmeleitfähigkeit. Der Kompromiss, der für eine höhere<br />
Sicherheit des Wärmeübertragungssystems eingegangen wurde,<br />
bestand in größeren Wärmetauschern, höheren Pumpraten und einem<br />
größeren Fluidspeicherbedarf.<br />
Die Steuerung und Überwachung dieses Systems wurden schon<br />
in einer frühen Phase des Designs berücksichtigt. Die schnelleren<br />
Computersysteme heutiger Generation lassen größere Datenerfassungs-<br />
und Datenhaltungskapazitäten zu. Eine bessere Datenanalyse<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Abzugskamin<br />
führt zu einem besseren Verständnis der Systemvorgänge, einer verbesserten<br />
operativen Steuerung und potenziell größeren Energiewirkungsgraden<br />
mit entsprechenden Kosteneinsparungen.<br />
| Bild 1 | zeigt eine Computerdarstellung des Kupolofensystems,<br />
das im Werk 1 installiert ist. Der Gasauslassbereich des Kupolofens<br />
stellt ein multi-funktionelles Segment des Ofenschachtes dar, durch<br />
das Schrottmetall in den Kupolofen aufgegeben werden kann und<br />
die heißen Gase aufgefangen und zum Gasreinigungssystem geleitet<br />
werden können. Der Luftstrom muss eine ausreichende Geschwindigkeit<br />
aufweisen, um die Schmutz- und Gasvolumina abzuführen. Diese<br />
darf jedoch nicht zu hoch sein, da sonst leichte Metallteilchen aus<br />
dem Beschickungsmaterial mitgerissen werden würden. Noch ent-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Rückgewinnungssystem<br />
Baghouse-Filterkammer<br />
Bild 1 | Hauptkomponenten des neuen Schmelzemissionssystems<br />
Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard | 63<br />
Verbrennungskammer<br />
Grobkornabscheider<br />
Kupolofen<br />
scheidender ist dabei, dass die brennbaren Kupolofengase mit der<br />
eintretenden Luft aufgrund der Bauweise in einem solchen Verhältnis<br />
gemischt werden, dass sich keine explosive Mischung aus Sauerstoff<br />
und Kohlenmonoxidgas aufbauen kann.<br />
Die Kühlwassermäntel des Kupolofens wurden entfernt, um zu<br />
verhindern, dass Wasser in den Kupolofen migrieren kann, wenn<br />
ein Riss im Stahlmantel auftreten sollte. Wenn Wasser diesen hohen<br />
Temperaturen ausgesetzt wird, zerfällt es und bildet potenziell explosives<br />
Wasserstoffgas.<br />
Die zweite Prozesskomponente ist der Grobkornabscheider. Er hat<br />
die Aufgabe, größere und schwerere Partikel aus dem Gasstrom zu<br />
entfernen. Er ist so gebaut, dass die Partikelgeschwindigkeit ohne zu
64 | Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard<br />
starken Druckabfall im System reduziert wird. Der Trichterbereich ist<br />
glatt und hat steile Seitenwände, um eine Brückenbildung der herausfallenden,<br />
sehr heißen körnigen Partikel zu verhindern, wodurch sie über<br />
ein Pendelklappenventil leicht aus dem System austreten können.<br />
Die dritte Hauptkomponente ist der schwerste Teil des Systems –<br />
eine Gas-Verbrennungskammer mit niedrigem Wärmewert. Die Aufgabe<br />
der Verbrennungskammer besteht darin, die hohen Kohlenmonoxidanteile<br />
(CO) im Abgas zu verbrennen und in das weniger<br />
umweltschädliche Kohlendioxid (CO2) zu verwandeln. Bei dem Verbrennungsprozess<br />
werden große Wärmemengen frei, die sich für<br />
eine Rückgewinnung in nachgelagerten Systembereichen eignen.<br />
Die vierte Hauptkomponente ist der Abwärmeverwerter und Gaskühlturm.<br />
Der Gasstrom muss von der Verbrennungstemperatur von<br />
800-850 °C auf eine Temperatur abgekühlt werden, die für einen<br />
Filterkammerbetrieb geeignet ist, d.h. auf 180-225 °C. Diese Temperaturverringerung<br />
ist notwendig, damit die Staubfiltermedien in<br />
den Filterkammern nicht beschädigt werden. Überschüssige Wärme<br />
aus dem Gasstrom des Kupolofens wird über ein geschlossenes<br />
Glykol-Kreislaufsystem abgeleitet, das ähnlich funktioniert wie der<br />
Kühler eines Autos. | Bild 2 | zeigt das Glykolsystem, das sich auf dem<br />
Dach des Werkes 1 befindet.<br />
Die Abgaskühlung erfolgt mit einem primären Luft-Luft-Wärmetauscher.<br />
Diese Luft wird benutzt, um die Verbrennungsprozessluft<br />
zu erhitzen, die in dem Kupolofen zum Schmelzen des Eisenschrottes<br />
dient. Ein Teil der enthaltenen Hitze wird über Luft-Flüssigkeits-Kühlrohre<br />
auf den Flüssig-Glykolkreislauf übertragen. Diese erhitzte<br />
Flüssigkeit enthält Energie in einer Form, die zurückgewonnen und<br />
in einer Vielzahl von Nebenprozessen verwendet werden kann, z.B.<br />
zur Gebäudeheizung oder zur Erzeugung von elektrischem Strom.<br />
Die jetzt abgekühlte Abluft tritt in die letzte Systemkomponente<br />
ein, den Filterkammer-Staubabscheider. Der Gasstrom enthält noch<br />
feine Staubpartikel und muss durch Gewebemedien gefiltert werden,<br />
um die Feinstaubanteile vor der Ableitung in die Atmosphäre zu entfernen.<br />
Eine Filterkammer ist nichts anderes als ein Stahlkasten mit<br />
einer Reihe von Gewebefiltern, die an aufgehängten Stahlkäfigen<br />
befestigt sind und als Rahmen für die Filtermedien dienen.<br />
Die letzten Hauptsystemkomponenten sind der Saugventilator<br />
und der Abluftkamin. Der hohe Kamin ist so gebaut, dass er die<br />
Verteilung der winzigen Restpartikel in die Atmosphäre unterstützt,<br />
die in den gefilterten Abgasen enthalten sind. | Bild 3 | zeigt den<br />
unteren Teil des Abluftkamins.<br />
Ergebnisse<br />
Bild 2 | Glykolkühlsystem für überschüssige Wärme<br />
Die Installation des neuen Kupolofen- und Emissionsbegrenzungssystems<br />
wurde im Januar <strong>2007</strong> abgeschlossen. Die Emissionsprüfung<br />
wurde im Juni <strong>2007</strong> durchgeführt, um die Einhaltung des MACT-<br />
Standards zu verifizieren. In | Bild 4 | werden die Prüfergebnisse vom<br />
Juni mit den Anforderungen des MACT-Standards und den Leistungen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 3 | Abluftkamin<br />
des vorherigen Begrenzungssystems verglichen. Die Prüfung zeigt,<br />
dass das neue System mit einer Feinstaubemissionsrate von nur<br />
0,0021 gr/dscf gut arbeitet, denn die MACT-Anforderungen werden<br />
um 65 % unterschritten. Die Emissionen des neuen Systems sind<br />
5,7 Mal niedriger als beim alten System, was eine bedeutende Verbesserung<br />
für die Umwelt bedeutet.<br />
Außerdem wurde durch die Umwandlung des Kupolofen-Emissionsbegrenzungssystems<br />
in ein vollkommen trocken arbeitendes Gewebefiltersystem<br />
der Betrieb der Abwasserkläranlage unnötig: es werden<br />
keine Abwässer mehr in den Fluss Waupaca geleitet. Dies befreit das<br />
Werk von diesbezüglichen Umweltverpflichtungen und reduziert den<br />
Wasserverbrauch der Anlage um mehr als 380.000 Liter pro Tag.<br />
Der Wegfall der Abwasserbehandlung führte darüber hinaus zu Einsparungen<br />
bei den Arbeitsstunden und Wartungskosten.<br />
Das gesamte System hat primär die Funktion, die Verbrennungsgase<br />
zu reinigen, den eingefangenen Staub zu neutralisieren und<br />
den CO-reichen Luftstrom in CO2 umzuwandeln. Bei guter Durchführung<br />
winkt als Belohnung die Energierückgewinnung. Seit vielen<br />
Jahren übersteigt die zur Verfügung gestellte Energie die rückgewinnbare<br />
Energie beim Schmelzbetrieb im Kupolofen. Der nächste Schritt<br />
bestand darin, den sehr hohen Temperaturanteil des Abgasstromes<br />
zurückzugewinnen, um gasgefeuerte Lufterhitzer durch Prozessluft<br />
ersetzen zu können. Die übrigen, weniger heißen Gase erwisen sich<br />
für die Wärmerückgewinnung als unwirtschaftlich. Durch die Entwick-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
lung besserer Wärmerückgewinnungstürme und praktikabler Flüssig-<br />
Flüssig-Wärmetauscher steht rückgewonnene Wärme für die Raumheizung<br />
von Werken zur Verfügung, die sich in kalten Klimazonen<br />
befinden. Mehrere Anlagen von ThyssenKrupp Waupaca setzen<br />
diese Technologie heute ein. Als weitere Option kommt in Frage, die<br />
Abwärme in elektrische Energie umzuwandeln, wofür die Niedertemperatur-Niederdruck-Turbinensysteme<br />
verwendet werden können, die<br />
gerade auf den Markt kommen. ThyssenKrupp Waupaca führt zurzeit<br />
eine technische Machbarkeitsstudie durch, um die Realisierbarkeit<br />
eines Systems zur Umwandlung von Abwärme in Energie zu prüfen.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard | 65<br />
Feinstaubemissionen-Vergleich<br />
MACT-Standard 0,006 gr/dscf<br />
Altes System Werk 1 0,012 gr/dscf<br />
Neues System Werk 1 0,0021 gr/dscf<br />
35 % des MACT-Standards, Verbesserung um 570 %<br />
Bild 4 | Prüfergebnisse<br />
ThyssenKrupp Waupaca gilt als Technologieführer bei der Reinigung<br />
von Abgasströmen und der Wärmerückgewinnung in der Gussindustrie.<br />
Frühzeitige Installationen von Systemen auf Basis dieser<br />
Technologien haben das Unternehmen in die Lage versetzt, Verfeinerungen<br />
im Equipment-Design und Verbesserungen der Betriebszuverlässigkeit<br />
voranzutreiben. Die Wärmerückgewinnung hat zu<br />
zahlreichen Kostenreduzierungen geführt, die die Betriebskosten der<br />
Gießerei insgesamt verringern.<br />
Erfolgreiche Installationen, wie z.B. das im Werk 1 abgeschlossene<br />
Projekt, werden ThyssenKrupp Waupaca in die Lage versetzen, in<br />
den nächsten Jahrzehnten auf eine nachhaltig umweltfreundliche<br />
Weise zu wachsen.
66 |<br />
| Windenergieanlagen mit Großwälzlagern von Rothe Erde<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
CO2-freie Energieumwandlung dank<br />
Rothe Erde Großwälzlager<br />
DR.-ING. UWE BREUCKER Hauptabteilungsleiter Qualitätsmanagement, Forschung und Erprobung | Rothe Erde GmbH, Lippstadt<br />
Eine Form der CO2-freien Energieumwandlung liefert die Windtechnik, welche die kinetische Energie des<br />
Windes in elektrische Energie umsetzt. Rothe Erde hat diese Technik bereits im Entwicklungsstadium<br />
begleitet. Das Lieferprogramm für Windkraftanlagen umfasst wichtige Komponenten, wie z.B. Blattlager,<br />
Turmlager und Rotorlager. Technische Lösungen für Forderungen, wie Minimierung der Riffelbildung,<br />
Optimierung des Schmierstoffes und der Abdichtung sowie hoher Korrosionsschutz, sind im FuE-Zentrum<br />
von Rothe Erde erarbeitet worden. Die Dimensionierung der Großwälzlager erfolgt mittels eigens entwickelter<br />
Finite-Elemente Software. Auch in andere Gebiete der CO2-freien Stromerzeugung, wie Gezeitenströmungen<br />
und Solartechnik, haben Großwälzlager von Rothe Erde Einzug gefunden.<br />
Einführung<br />
Das mit menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbare Gas CO2 belastet<br />
unsere Umwelt. Dies wird dadurch hervorgerufen, dass ein vermehrter<br />
Anteil dieses Gases in der Atmosphäre eine Erwärmung der Erde<br />
nach sich zieht, was nach Expertenmeinung zu einem Abschmelzen<br />
der Eiskappen an den Polen und damit zu einer Überflutung von<br />
Küstengebieten führt. Darüber hinaus wird die fortschreitende Erwärmung<br />
für das zunehmende Auftreten von Orkanen und Sturmfluten<br />
verantwortlich gemacht.<br />
Die Erdbevölkerung ist von 1960 bis heute auf mehr als das<br />
Doppelte angewachsen. Zu deren Versorgung ist entsprechend viel<br />
Energie notwendig. Ohne ausreichenden Zugriff auf Energie können<br />
wir nicht überleben. Aber hier ist man heutzutage immer noch zum<br />
überwiegenden Teil auf die chemische Energieumwandlung in Form<br />
von Verbrennung fossiler Stoffe angewiesen, was die CO2-Produktion<br />
bekanntermaßen erhöht.<br />
Energie kann man weder erzeugen noch vernichten, sondern<br />
lediglich umwandeln. Eine Form der Energieumwandlung, die ohne<br />
chemische Verbrennungsreaktion abläuft, ist die Umsetzung der<br />
kinetischen Energie des Windes in elektrische Energie. Die Anfänge<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
| 67<br />
der Windtechnik gehen zurück auf die 80er Jahre. Die damals öffentlich<br />
geförderte Windkraftanlage GROWIAN (Große Windkraftanlage)<br />
galt lange Zeit als die weltweit größte. Sie war zwar zum Teil noch<br />
mit Problemen behaftet, jedoch konnte sie auch mit vielen Neuentwicklungen<br />
aufwarten. In den letzten 20 Jahren hat sich diese Technik<br />
vom Garagenhofdasein zu einem stattlichen Industriezweig entwickelt.<br />
Momentan werden in Deutschland 5 % des Stromes durch<br />
Windkraft erzeugt.<br />
Rothe Erde hat die Entwicklung der Windtechnik von Beginn an<br />
mit seinen Produkten begleitet. Der Wind ist variabel, sowohl von<br />
der Stärke als auch von der Richtung her. Hierauf muss sich eine<br />
Windenergieanlage einstellen. Dazu sind folgende konstruktive Maßnahmen<br />
erforderlich:<br />
1. Blattlager ermöglichen die optimale Anströmung der Rotorblätter.<br />
2. Die gesamte Rotorblattebene muss zum Wind hin ausgerichtet<br />
sein. Hierfür finden Turmlager Anwendung.<br />
3. Der Rotorkopf, der den Generator antreibt, muss gelagert werden.<br />
Hierzu werden Rotorlager verwendet.<br />
Daraus ergeben sich in einer Windenergieanlage drei Lagerstellen,<br />
die für Rothe Erde Großwälzlager prädestiniert sind | Bild 1 |.
68 |<br />
Bild 1 | Einsatz von Rothe Erde Großwälzlagern in Windenergieanlagen<br />
Rotorlager<br />
Großwälzlager als dreireihiges<br />
Zylinder-Rollenlager oder<br />
als zweireihiges Kegel-Rollenlager<br />
mit Spezialdichtungen<br />
Turmlager<br />
Großwälzlager als<br />
Kugellager mit<br />
Spezialdichtungen<br />
Blattlager<br />
Großwälzlager<br />
als vorgespanntes<br />
Kugellager mit<br />
Spezialdichtungen<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 2 | Blattlager im Querschnitt<br />
Blattlager<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Verzahnung<br />
Dichtung<br />
Innenring<br />
Das Gros der Windenergieanlagen hat eine Nennleistung zwischen<br />
1,5 MW und 2 MW und besitzt 3 Rotorblätter. Der von den Blättern<br />
überstrichene Rotordurchmesser beträgt in diesem Leistungsbereich<br />
ca. 70 m, d.h. ein Blatt hat eine ungefähre Länge von 34 m (exklusive<br />
Nabenradius).<br />
Blattlager gestatten dem Flügelprofil, einen anderen Anstellwinkel<br />
einzunehmen. Das Flügelprofil selbst erfährt eine Anströmung, die<br />
sich vektoriell aus Windgeschwindigkeit und Umfangsgeschwindigkeit<br />
des Blattes addiert. Von ausschlaggebender Bedeutung für den<br />
Wirkungsgrad der Anlage ist, dass diese Anströmung optimal erfolgt.<br />
Hierzu muss das Blattprofil je nach Stärke des Windes relativ zur<br />
Anströmung verstellt werden.<br />
Weiterhin gewährleisten Blattlager, dass bei Stillstand der Anlage<br />
das Flügelprofil in eine auftriebsfreie Position verstellt werden kann. Dies<br />
ist unbedingt notwendig, um Rotoren dieser Größenordnung abzubremsen.<br />
Der Winkel beträgt dann etwa 90° relativ zur Betriebsstellung.<br />
Konstruktiver Aufbau<br />
Die hier eingesetzten Blattlager zeichnen sich dadurch aus, dass sie<br />
eine Kombination aus Axial- und Radialkraft sowie ein Kippmoment<br />
CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager | 69<br />
übertragen können. Im | Bild 2 | erkennt man, dass die beiden<br />
Lagerringe durch Schrauben mit den umgebenden Konstruktionen<br />
verbunden werden. Vom Laufbahnsystem her sind die Lager als so<br />
genannte Doppelvierpunktlager ausgebildet.<br />
Je Ring und Wälzkörperreihe existieren 2 Laufbahnen, die einen<br />
etwas größeren Radius als den der Kugel besitzen. Die Laufbahnen<br />
selbst sind induktiv oberflächengehärtet. Der Mechanismus der Lastübertragung<br />
wird deutlich, wenn man sich das Lager mit dem angeschlossenen<br />
Blatt in 9-Uhr-Position vorstellt | Bild 3 |. Das aus der<br />
Eigenlast des Blattes resultierende Kippmoment wird in der unteren<br />
Hälfte durch die Bahnen A und D „aufliegend“, in der oberen Hälfte<br />
durch die Bahnen B und C „abhebend“, d.h. unter Beanspruchung<br />
der Schraubverbindung übertragen. Die reine Eigenlast des Blattes<br />
wird in der unteren Hälfte über die Bahnen C und D abgesetzt. Beim<br />
Durchlauf des Blattes von der 9-Uhr- in die 3-Uhr-Position kommt<br />
es zu einem Wechsel der lastübertragenden Kontakte jeweils in die<br />
andere Bahn.<br />
Riffelbildung<br />
Bohrungen für Schraubverbindung<br />
Außenring<br />
Fettablaufbohrung<br />
Schmierstoffzufuhr<br />
Durchgangsbohrung<br />
für Lagerverschraubung<br />
Walzkörper<br />
Käfig<br />
Während einer Umdrehung des Rotors werden bei heutigen Anlagen<br />
die Anstellwinkel nicht verstellt. Aber während dieser Umdrehung
70 | CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager<br />
wechselt die Richtung der Lastübertragung von einem Bahnpaar in<br />
das andere, wobei der Wälzkörper in Position bleibt. Diese Art der<br />
Kontaktstellenbeanspruchung erzeugt Riffelbildung oder auch ’false<br />
brinelling’ genannt, eine Art von Reibverschleiß. Riffelbildung ist<br />
nicht grundsätzlich vermeidbar, aber man kann sie eindämmen.<br />
Konstruktiv geschieht dies dadurch, dass die Lager ohne Spiel, d.h.<br />
mit Vorspannung montiert werden.<br />
Schmierung<br />
Eine weitere Maßnahme, die Riffelbildung zu minimieren, liegt in der<br />
sorgfältigen Auswahl des Schmierstoffes. Da keine Wälzbewegung,<br />
die die Kugel mit immer neuem Schmierstoff benetzen würde, vorliegt,<br />
muss ein Fett mit hoher Ölabgabe aus der Seife bei gleichzeitig<br />
gutem Korrosionsschutzverhalten gewählt werden. Die Nachschmierung<br />
mit Frischfett erfolgt über eine Vielzahl von Fettbohrungen. Hierzu<br />
werden in der Regel automatisch arbeitende Dosiereinrichtungen<br />
verwendet. Zwischen den Fettzulaufbohrungen befinden sich Ablaufbohrungen,<br />
durch die verbrauchter und überschüssiger Schmierstoff<br />
in speziell angebrachte Auffangbehälter abgeleitet und während der<br />
nächsten planmäßigen Wartung entsorgt wird. Für eine Bewertung<br />
Blatt Position 9 Uhr<br />
Blatt Position 3 Uhr<br />
Bild 3 | Belastung Blattlager in 3- und 9-Uhr-Position relativ zur Rotornabe<br />
Bild 4 | Prüfaufbau Riffeltest<br />
des Schmierstoffes hat Rothe Erde einen eigenen Riffeltest entwickelt.<br />
Es wird ein genormtes Prüflager mit dem zu untersuchenden Schmierstoff<br />
gefüllt und in einem Pulsator 106 Be- und Entlastungen ausgesetzt.<br />
Gleichzeitig wird durch das Prüflager ein vorgegebener<br />
Volumenstrom an Salzwasser geleitet. Nach Beendigung des Tests<br />
werden der Korrosionszustand des Testlagers sowie die Riffeltiefe<br />
bewertet und mit internen Mindestvorgaben verglichen | Bild 4 |.<br />
Dichtsystem<br />
Zuführung Salzlösung<br />
1 % Salzlösung<br />
Aus der Forderung einer guten Schmierung des Wälzsystems erwächst<br />
eine weitere Forderung: die Abdichtung des Lagerinnenraumes nach<br />
außen. Zwei Situationen sind zu vermeiden: Zum einen der Durchtritt<br />
des Fettes durch die Dichtung nach außen und zum anderen das<br />
Eindringen von Staub und Regenwasser ins Innere. Rothe Erde hat<br />
hierfür eine zweilippige Spaltabdichtung entwickelt | Bild 2 |.<br />
An den Dichtungswerkstoff selbst werden hohe Anforderungen<br />
gestellt. Durch die Lastwechsel während einer Umdrehung atmet der<br />
Spalt zwischen Innen- und Außenring. Diese Spaltweitenänderung ist<br />
in der Regel in einem Temperaturbereich von – 25 °C bis + 50 °C vom<br />
Dichtungswerkstoff elastisch zu überbrücken. Hierbei muss die Wider-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
standsfähigkeit gegenüber Ozoneinwirkung gegeben sein. Geprüft<br />
werden die Dichtungen in ihrem elastischen Langzeitverhalten in einem<br />
speziell entwickelten Dichtungspulser, der so konzipiert ist, dass er<br />
in einer Klimakammer unterschiedlichste Temperaturbereiche durchfahren<br />
kann | Bild 5 |.<br />
Korrosionsschutz<br />
Die Wälzlagerringe sind aus dem Vergütungswerkstoff 42CrMo4 hergestellt.<br />
Unter normalen Witterungsbedingungen und ganz besonders<br />
in seenahen Landstrichen mit salzhaltiger Luft neigt der Werkstoff zur<br />
Korrosionsbildung. Um die den Umgebungseinflüssen ausgesetzten<br />
Oberflächen zu schützen, wird ein Korrosionsschutz aus Zink mittels<br />
Flammspritzverfahren aufgebracht. Dabei wird eine Zinkelektrode<br />
abgeschmolzen und der flüssige Zinktropfen mit hoher Geschwindigkeit<br />
auf die Ringoberfläche aufgespritzt | Bild 6 |. Eine Vorbehandlung<br />
der Oberfläche durch Strahlen ist dabei ein unabdingbares Muss.<br />
Die Oberflächenbehandlung erfolgt, nachdem die Ringe mechanisch<br />
fertigbearbeitet sind. Dies bedingt, dass nicht zu beschichtende<br />
Oberflächen sorgfältig vor dem Eindringen von Strahlgut zu schützen<br />
sind. Die Schichtdicke beträgt zwischen 100 und 200 µm und erfüllt<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Käfigjustierung<br />
Abfluss Salzlösung<br />
CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager | 71<br />
Bild 5 | Dichtungspulser<br />
mit zusätzlicher Deckschicht die Anforderungen für schweren Korrosionsschutz<br />
nach DIN EN ISO 12944 Teil 6. Darüber hinaus liefert<br />
das Zink aufgrund seiner Lage in der elektrischen Spannungsreihe<br />
einen kathodischen Schutz bei Ritzverletzung der Schicht.<br />
Dimensionierung<br />
Eine besondere Bedeutung kommt der Dimensionierung des Blattlagers<br />
zu. Die vom Blatt vornehmlich über den Innenring in das Wälzsystem<br />
eingeleiteten Lasten werden dann weiter vom Außenring in<br />
die Nabe abgeleitet. Der Anschlussflansch der Nabe weist aufgrund<br />
seiner Formgebung über seinem Umfang stark variierende Steifigkeiten
72 | CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager<br />
auf. Dies bestimmt zusammen mit der entsprechenden Steifigkeit<br />
des Blattanschlusses rückwirkend wieviel Last jeder Wälzkörper überträgt.<br />
Die Berechnung der Lastverteilung in den Wälzkörperreihen aus<br />
den vorgegebenen Blattlasten ist mit analytischen Methoden nur sehr<br />
bedingt möglich.<br />
Ein zweites, direkt damit zusammenhängendes Dimensionierungsproblem<br />
bildet die Schraubverbindung. Bei abhebender Belastung ist<br />
eine Spaltöffnung zwischen Anschlussflansch und Lagerring denkbar.<br />
| Bild 7 | zeigt die Verhältnisse anhand einer einfachen Flanschanbindung.<br />
Die von der Kugel übertragene Wälzkörperkraft hat eine<br />
exzentrische Komponente zur Schraubenachse. Dadurch wird in die<br />
Schraubverbindung neben einer zentrisch wirkenden Zugkraft zusätzlich<br />
ein Biegemoment als Betriebslast eingetragen. Tritt ein Klaffen in<br />
der vorgespannten Verbindung auf, kommt es zu einer gravierenden<br />
Umverteilung durch Entlasten der verspannten Platten und Zusatzbeanspruchungen<br />
in der Schraube, was entscheidend die Dauerhaltbarkeit<br />
der Verbindung beeinflusst. Um dieser Dimensionierungsaufgabe<br />
gerecht zu werden, hat Rothe Erde eigens ein Finite-Elemente(FE)-<br />
Programmsystem entwickelt, was die Lastverteilung im Lager und<br />
die Beanspruchung der Schraubverbindung unter Berücksichtigung<br />
gegebener Anschlusssteifigkeiten berechnet.<br />
Bild 6 | Zinkflammspritzen<br />
Das System weist den besonderen Vorteil auf, dass die 3 Teilsysteme<br />
äußerer Lageranschluss (hier Rotornabe),<br />
Blattlager und<br />
innerer Lageranschluss (hier Blattanschluss)<br />
als separate FE-Modelle erstellt werden können. Die Anschlusssteifigkeiten<br />
von Blatt und Nabe werden dem Modell der Drehverbindung<br />
überlagert und liefern als Ergebnis die oben genannten Größen.<br />
| Bild 8 | zeigt das FE-Modell eines Nabenanschlusses.<br />
Turmlager<br />
Anschlusskonstruktion<br />
(z.B. Blatt)<br />
Fugen öffnen<br />
Fugen öffnen<br />
Anschlusskonstruktion<br />
(z.B. Nabe)<br />
Bild 7 | FE-Modell Lager-Flanschanschluß<br />
Turmlager gewährleisten, dass die Rotorblattebene stets zum Wind hin<br />
ausgerichtet ist. Sie tragen das gesamte Maschinenhaus mit Generator,<br />
Hilfseinrichtungen und den Rotor. In der Regel ist das Maschinenhaus<br />
kopflastig, die Momentenbelastung auf das Lager wechselt auch<br />
im Betrieb ihr Vorzeichen nicht. Mit den Blattlagern gemein ist, dass<br />
Schwenkbewegungen eher selten auftreten. Wegen des Fehlens der<br />
wechselnden Belastung können als trennendes Element zwischen den<br />
Wälzkörpern Kunststoffzwischenstücke statt Käfige verwendet werden.<br />
Auch ist bei Turmlagern das Phänomen der Riffelbildung nicht zu<br />
beobachten. Hinsichtlich Abdichtung und Korrosionsschutz sind die<br />
Forderungen mit denen von Blattlagern identisch.<br />
M<br />
Schrauben<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 8 | FE-Modell Nabenanschluß Bild 9 | Prüfstand für Rotorlager<br />
Rotorlager<br />
Bei Rotorlagern ist die Situation eine gänzlich andere. Hier sind<br />
Überrollungen gefragt. Zum Einsatz kommen Rollenlager, die wegen<br />
ihrer Linienberührung im Wälzkontakt bei gleicher Last eine geringere<br />
Flächenpressung als Kugeln haben und daher in der Berechnung eine<br />
wesentlich höhere Lebensdauer aufweisen. Es kommen 3-reihige<br />
Rollendrehverbindungen oder alternativ Kegelrollenlager zur Anwendung.<br />
Mit der ersten Bauform hat Rothe Erde bei der Schildlagerung<br />
von Tunnelbohrmaschinen gute Erfahrungen gemacht.<br />
Die Laufbahnen sind mit Hilfe eines aufwendigen Härteverfahrens<br />
’schlupffrei’ gehärtet. Im Gegensatz dazu verbleibt bei der gewöhnlich<br />
angewandten Vorschubhärtung eine schmale, ungehärtete<br />
Restlücke (Schlupf), die durch Hinterschleifen als nicht tragender<br />
Bereich konstruiert ist.<br />
In der Regel findet eine Ölumlaufschmierung Anwendung. Damit<br />
soll eine hydrodynamische Schmierfilmbildung zwischen den relativ<br />
zueinander bewegten Teilen erzielt werden – mit dem Nebeneffekt<br />
einer guten Wärmeabfuhr aus dem Lager. Um den Verschleiß an<br />
den Käfigen zu minimieren, wird als Werkstoff Bronze eingesetzt.<br />
Als Abdichtung kommen überdimensionale Radial-Wellendichtringe<br />
zur Anwendung.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager | 73<br />
Rotorlager liegen in einem Durchmesserbereich von ca. 1,6 m bis<br />
2,5 m. Um einen störungsfreien Betrieb dieser Lager im Feld sicherzustellen,<br />
hat Rothe Erde einen Prüfstand konzipiert, der die Prüfung<br />
der Lager in Originalgröße unter realen Belastungszuständen ermöglicht<br />
| Bild 9 |.<br />
Ausblick<br />
Außer der kinetischen Energie des Windes ist auch möglich, die<br />
kinetische Energie des Wassers in Meeres- und Gezeitenströmungen<br />
zu nutzen. Wegen der enorm höheren Dichte des Wassers sind die<br />
Blätter der Rotoren um einige Größenordnungen kleiner. Prototypen<br />
derartiger Anlagen laufen in 20 m Wassertiefe vor der Küste Schottlands<br />
– ausgerüstet mit Rothe Erde Blattlagern. Als Kernpunkt der<br />
Entwicklungsarbeit erscheint hier die Abdichtung des Laufsystems.<br />
In den letzten Jahren hat die Solartechnik als weitere CO2-freie<br />
Energieumwandlung an Bedeutung zugenommen. Auch hier haben<br />
Rothe Erde Großwälzlager Einzug gefunden. Auf ihnen sind große<br />
Tafeln mit Solarzellen montiert, die dem Sonnenstand nachgeführt<br />
werden. Ähnlich wie in den Anfängen der Windtechnik sind diese<br />
Lager heute noch von einfacher Bauart.
74 |<br />
| Transrapid in München (Animation)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
| 75<br />
Transrapid – die Verkehrstechnik<br />
für umweltverträgliche Mobilität<br />
DR.-ING. FRIEDRICH LÖSER Geschäftsführung | ThyssenKrupp Transrapid GmbH, München<br />
DR. RER. NAT. QINGHUA ZHENG Leiter Systemtechnik | ThyssenKrupp Transrapid GmbH, München<br />
Mit der Realisierungsvereinbarung für das Transrapid-Projekt München<br />
Hauptbahnhof/Flughafen zwischen dem Freistaat Bayern, der Deutsche<br />
Bahn AG und dem Konsortium der System- und Bauindustrie wurde<br />
eine wesentliche Voraussetzung geschaffen, dass die Transrapid-<br />
Technologie ihre vorteilhaften Eigenschaften auch in Deutschland unter<br />
Beweis stellen kann. Der Beitrag erläutert die für die Umweltverträglichkeit<br />
wesentlichen Eigenschaften bzgl. Schall-, Schadstoffemission<br />
sowie Energieeffizienz und stellt das Prototypfahrzeug TR09 vor.
76 | Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität<br />
Münchner Transrapid-Projekt<br />
Beim Umweltschutz setzen immer mehr Länder auf Technik aus<br />
Deutschland. Deutsche Solar- und Windenergie-Technologien sind<br />
international führend. Anlagen „Made in Germany“ leisten zum<br />
Beispiel weltweit einen stetig wachsenden Beitrag zur Reduzierung<br />
von Kohlendioxid (CO2). Durch ihren Export wurden in Deutschland<br />
bereits tausende von Arbeitsplätzen geschaffen.<br />
Mit dem Transrapid steht ein innovatives Bahnsystem bereit, das<br />
durch seine hohe Attraktivität noch mehr Autofahrer zum Umsteigen<br />
bringen und damit zur Schonung der Umwelt beitragen kann. Der<br />
bereits mehrjährige Einsatz des Transrapid in Shanghai, China hat<br />
gezeigt, das die bis zu 500 km/h schnelle Magnetschwebebahn konkurrenzlos<br />
leise ist und höchsten Sicherheitsstandards entspricht. Mit<br />
Unterzeichnung der Realisierungsvereinbarung für das Transrapid-<br />
Kohlendioxid (kg) Pkw allgemein<br />
Stickoxid (g)<br />
Schwefeldioxid (g)<br />
Taxi<br />
Airport-Bus<br />
S-Bahn**<br />
Magnetschwebebahn*<br />
Pkw allgemein<br />
Taxi<br />
Airport-Bus<br />
S-Bahn**<br />
Magnetschwebebahn*<br />
Pkw allgemein<br />
Taxi<br />
Airport-Bus<br />
S-Bahn**<br />
2,4<br />
2,0<br />
3,3<br />
2,6<br />
2,5<br />
Magnetschwebebahn* 3,2<br />
4,7<br />
3,8<br />
7,9<br />
7,5<br />
12,6<br />
Projekt München durch den bayerischen Ministerpräsidenten, den<br />
bayerischen Staatsminister, den Vorstandsvorsitzenden der Deutsche<br />
Bahn AG und die Vorstände des Konsortiums der System- und Bauindustrie<br />
am 24. September <strong>2007</strong> wurden die Signale auf Grün gestellt.<br />
Die beteiligten Industrieunternehmen sind davon überzeugt, dass<br />
die Realisierung dieses Projektes auch Schubkraft für den Technologiestandort<br />
Deutschland haben wird. Das Münchner Transrapid-<br />
Projekt wird ein bedeutendes Signal für die Leistungsfähigkeit und<br />
Wettbewerbsfähigkeit deutscher Ingenieure sein.<br />
Mobilität und Umwelt<br />
In nahezu allen großen Industrieländern stellt sich das gleiche Problem:<br />
Die Mobilität unserer Gesellschaft nimmt ständig weiter zu. Bei der<br />
Bewältigung der stetig wachsenden Verkehrsströme dürfen Mensch<br />
31,4<br />
47,5<br />
4,5 Nebenstehende Werte beziehen sich<br />
auf Schadstoffausstoß bei Erzeugung<br />
5,3<br />
des Betriebsstroms.<br />
Auf der Strecke hinterlässt die Magnetbahn<br />
keine Schadstoffe.<br />
Bild 1 | Umweltbilanz im Straßenverkehr (Angaben pro beförderte Person vom Hauptbahnhof zum Flughafen München)<br />
* Bayern-Strom-Mix: geringer Anteil an fossilen<br />
Brennstoffen bei der Stromerzeugung<br />
**bundesweiter Energiemix<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 2 | Trag- und Führsystem<br />
und Umwelt nicht auf der Strecke bleiben. Dies stellt auch hohe Anforderungen<br />
an den spurgeführten Verkehr, der attraktiver, leistungsfähiger,<br />
wirtschaftlicher und umweltverträglicher werden muss. Das<br />
macht den Transrapid, der diese Eigenschaften in vollem Maße erfüllt,<br />
zum Verkehrssystem für das 21. Jahrhundert I Bild 1 I.<br />
Berührungsfreie Technik<br />
Die Entwicklung und Einführung eines neuen Verkehrssystems wie der<br />
Magnetschnellbahn macht nur Sinn, wenn es auch unter ökologischen<br />
Aspekten Vorteile bietet und insgesamt zu einer Reduzierung der<br />
Umweltbelastung durch den Verkehr beiträgt. Beim Transrapid werden<br />
die Funktionen von Rad und Schiene, das Tragen, Führen, Antreiben<br />
und Bremsen durch ein berührungsfreies Schwebe- und Antriebssystem<br />
realisiert I Bild 2 I. Es beruht auf den sich anziehenden Kräften<br />
zwischen den im Fahrzeug angeordneten Elektromagneten und den<br />
Statorpaketen, die unterhalb des Fahrwegtisches installiert sind.<br />
Dabei ziehen die Tragmagnete das Fahrzeug von unten an den Fahrweg<br />
heran, die Führmagnete halten es seitlich in der Spur. Tragund<br />
Führmagnete sind beidseitig über die gesamte Fahrzeuglänge<br />
angeordnet. Ein hochzuverlässiges elektronisches Regelsystem stellt<br />
sicher, dass das Fahrzeug in einem gleichbleibenden Abstand von<br />
10 mm zu seinem Fahrweg getragen und geführt wird. Das Schwebesystem<br />
wie auch die Bordeinrichtungen werden während der Fahrt<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 77<br />
„Antreiben und Bremsen“<br />
berührungsfrei über Lineargeneratoren in den Tragmagneten mit<br />
Energie versorgt.<br />
Während des Aufenthaltes am Bahnsteig wird die Bordenergie<br />
durch eine berührungslose induktive Energieübertragung (Inductive<br />
Power Supply IPS) eingespeist. Daher benötigt der Transrapid weder<br />
Oberleitungen noch Stromabnehmer. Der Antrieb erfolgt mittels eines<br />
im Fahrweg befindlichen synchronen Langstatormotors. Seine Funktionsweise<br />
lässt sich von einem rotierenden Elektromotor ableiten,<br />
dessen Stator aufgeschnitten, gestreckt und an beiden Seiten unter<br />
dem Fahrweg verlegt wird. Der Strom in den Wicklungen erzeugt<br />
somit anstelle eines magnetischen Drehfeldes ein magnetisches<br />
Wanderfeld. Von ihm wird das Fahrzeug durch seine als Erregerteil<br />
wirkenden Tragmagnete berührungsfrei mitgezogen I Bild 3 I.<br />
Schallemission<br />
Tragen<br />
Antrieb<br />
Führen<br />
Die berührungsfreie Technik des Transrapid ermöglicht eine im<br />
Vergleich zu anderen Verkehrssystemen deutlich niedrigere Schallemission.<br />
Bei Geschwindigkeiten um 200 km/h entsteht ein nur durch<br />
die Aerodynamik geprägtes Schallempfinden, das einem Luftzug<br />
gleicht und kaum wahrnehmbar ist. Selbst bei höheren Geschwindigkeiten<br />
bleibt das Geräuschniveau moderat. So ist der Transrapid<br />
bei 300 km/h lediglich halb so laut wie ein Hochgeschwindigkeitszug<br />
und nicht lauter als eine S-Bahn I Bild 4 I. Die aerodynamischen
80<br />
S-Bahn<br />
73<br />
Transrapid<br />
82<br />
ICE<br />
80 km/h 200 km/h 300 km/h 400 km/h<br />
Bild 6 | Schallschutz (Angaben in dB(A) nach Magnetschwebebahn-Lärmschutzverordnung)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
85<br />
TGV<br />
Bild 4 | Schallemissionen im Vergleich, Vorbeifahrpegel in 25 m Abstand, Angaben in dB(A)<br />
39<br />
80<br />
Transrapid<br />
90<br />
ICE<br />
92<br />
TGV<br />
88,5<br />
Transrapid<br />
Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 79<br />
Bild 5 | Wesentliche Schallquellen am Transrapid<br />
44 54<br />
49<br />
44<br />
34 Schallschutz<br />
Messabstand zum Gebäude ca. 46 m<br />
Abschirmwall Abkommenschutzwall<br />
59<br />
Messabstand zum Gebäude ca. 60 m<br />
200 km/h 300 km/h 400 km/h<br />
Bild 7 | Schallschutzmaßnahmen Bild 8 | Spezifischer Energiebedarf, Angaben in Wattstunde (Wh) pro Sitzplatzkilometer<br />
24<br />
ICE<br />
22<br />
Transrapid<br />
46<br />
ICE<br />
34<br />
Transrapid<br />
39<br />
Bei Tempo 250 ist der<br />
Transrapid leiser als<br />
ein Lkw mit 50 km/h.<br />
mit ICE nicht erreichbar<br />
52<br />
Transrapid
80<br />
S-Bahn<br />
73<br />
Transrapid<br />
82<br />
ICE<br />
80 km/h 200 km/h 300 km/h 400 km/h<br />
Bild 6 | Schallschutz (Angaben in dB(A) nach Magnetschwebebahn-Lärmschutzverordnung)<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
85<br />
TGV<br />
Bild 4 | Schallemissionen im Vergleich, Vorbeifahrpegel in 25 m Abstand, Angaben in dB(A)<br />
39<br />
80<br />
Transrapid<br />
90<br />
ICE<br />
92<br />
TGV<br />
88,5<br />
Transrapid<br />
Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 79<br />
Bild 5 | Wesentliche Schallquellen am Transrapid<br />
44 54<br />
49<br />
44<br />
34 Schallschutz<br />
Messabstand zum Gebäude ca. 46 m<br />
Abschirmwall Abkommenschutzwall<br />
59<br />
Messabstand zum Gebäude ca. 60 m<br />
200 km/h 300 km/h 400 km/h<br />
Bild 7 | Schallschutzmaßnahmen Bild 8 | Spezifischer Energiebedarf, Angaben in Wattstunde (Wh) pro Sitzplatzkilometer<br />
24<br />
ICE<br />
22<br />
Transrapid<br />
46<br />
ICE<br />
34<br />
Transrapid<br />
39<br />
Bei Tempo 250 ist der<br />
Transrapid leiser als<br />
ein Lkw mit 50 km/h.<br />
mit ICE nicht erreichbar<br />
52<br />
Transrapid
80 | Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität<br />
Beschleunigungsstrecke bis 300 km/h Steigungsfähigkeit<br />
Transrapid<br />
HGV<br />
0 5 10 15 20 km<br />
0 5 10 15 20 km<br />
Vergleich Flächenbedarf [m 2/m]<br />
HGV<br />
2<br />
Bild 9 | Systemvergleich Transrapid/HGV (Hochgeschwindigkeitsverkehr, schienengebunden)<br />
Brandschutz erfüllt und neue Wege beim aktiven und passiven Brandschutz<br />
beschritten.<br />
Eine konsequent angewandte Leichtbauweise sowie eine Schallund<br />
Vibrationsentkopplung des Innenraumes I Bild 11 I tragen sowohl<br />
zum Komfort für den Fahrgast als auch zur Effizienz des Energieeinsatzes<br />
bei.<br />
Fazit und Ausblick<br />
Transrapid<br />
ebenerdig<br />
Transrapid<br />
aufgeständert<br />
Da weltweit umweltfreundliche Lösungen zur Entlastung überfüllter<br />
Straßen, Bahnkorridore und Lufträume überfällig sind, wie ein Blick<br />
auf die Verkehrssituation in vielen großen Ballungsräumen zeigt, stellt<br />
der Transrapid als geräuscharmes, auf kurze Taktzeiten und hohe<br />
Beförderungsdichte ausgelegtes und gleichzeitig effizientes Verkehrs-<br />
12<br />
14<br />
Transrapid<br />
(Fahrwegseitiger Antrieb)<br />
Kurvenradien<br />
3,2 km<br />
1,4 km<br />
HGV<br />
300 km/h<br />
200 km/h<br />
Transrapid<br />
Anstieg (max. 10 %)<br />
HGV<br />
(Fahrzeugseitiger Antrieb) Anstieg (max. 4 %)<br />
1,6 km<br />
0,7 km<br />
system eine sinnvolle und notwendige Ergänzung der vorhandenen<br />
Infrastrukturen dar und konnte dies mit seinem mehrjährigen Einsatz<br />
in Shanghai, China erfolgreich demonstrieren. Mit seinen prinzipbedingt<br />
niedrigen Emissionen und der hohen Energieeffizienz weist<br />
der Transrapid unter dem Aspekt weltweit wachsender Bevölkerungsdichte<br />
und gestiegenen Umweltanforderungen entscheidende strategische<br />
Vorteile auf.<br />
Dabei ist mit dem erstmalig in München zum Einsatz kommenden<br />
Fahrzeugtyp TR09 das Potenzial des Transrapid noch lange nicht<br />
erschöpft. Die rasanten Fortschritte in der Elektronik und vor allem in<br />
den Bereichen neuer Werkstoffe und Verfahren des Leichtbaus kommen<br />
der Transrapid-Technologie unmittelbar zugute, da sie das Schallverhalten<br />
und die Energieeffizienz noch weiter verbessern können.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Betreiberanforderungen:<br />
• breite Einstiegstüren, großflächiger Eingangsbereich<br />
• gleicher Türabstand über Fahrzeuglänge, „Mitteleinstieg“<br />
• Fahrkomfort wie im Fernverkehr<br />
(Innenschallpegel, Druckdichtigkeit, Klimatisierung)<br />
Bild 10 | Neue Fahrzeuggeneration TR09<br />
Bild 11 | Innenraum des TR09<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
76 m<br />
Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 81<br />
Maßnahmen:<br />
• Einstiegstüren mit lichter Weite 1,3 m<br />
• Wagenkasten 150 mm höher, „doppelter Boden“,<br />
Führung der Klimaluft unterhalb und oberhalb der Türöffnungen<br />
• Schall- und Vibrationsentkopplung des Innenraumes<br />
• Minimierung der Schallreflexion im Innenraum
82 |<br />
| Ein wassergekühlter Vorschubrost fördert den zur Müllverbrennung notwendigen Brennstoff durch die Verbrennungszonen.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Wassergekühlter Vorschubrost für<br />
eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />
DIPL.-ING. WERNER AUEL Leiter Feuerungsbau | ThyssenKrupp Xervon Energy GmbH, Duisburg<br />
PETER DIEKMANN Öffentlichkeitsarbeit | ThyssenKrupp Services AG, Düsseldorf<br />
Eine effizientere Verbrennung, geringere Emissionen sowie deutlich niedrigere Betriebs- und Instandhaltungskosten<br />
– das garantiert das Feuerungskonzept von ThyssenKrupp Xervon Energy. Herzstück des<br />
Systems ist ein Vorschubrost mit patentierter Wasserkühlung. Er sorgt für einen höheren Durchsatz und<br />
einen besseren Ausbrand. Vor allem aber ermöglicht er das Verbrennen von Brennstoffen mit hohen<br />
Heizwerten. Der energetische Umsatz des Brennstoffes legt die erforderliche Kühlwirkung für den Rostbelag<br />
fest. Die Wasserkühlung nimmt hier bezüglich der Standzeit und der Variabilität der Verbrennungsluftverteilung<br />
einen hohen Stellenwert ein. Die Möglichkeiten zur Einbindung des über den Rostbelag<br />
ausgekoppelten Wärmestromes in den Energieprozess haben einen Einfluss auf den Anlagenwirkungsgrad.<br />
Optimierte Müllverbrennung<br />
Gestiegener Umweltschutz, eine geänderte Abfallwirtschaft und damit<br />
eine völlig veränderte Müllzusammensetzung machen viele Müllverbrennungsanlagen<br />
ineffizient. Was heute in die Verbrennung gelangt,<br />
ist kaum mehr anderweitig verwertbar und hat meist einen hohen<br />
Heizwert. Das führt nicht nur zu höheren Verbrennungstemperaturen,<br />
sondern produziert darüber hinaus andere, enorm korrosive Rauchgasbestandteile,<br />
vor denen die Umwelt, aber auch die Anlage geschützt<br />
werden müssen.<br />
Vorhandene Anlagen hinsichtlich des Verbrennungsablaufes, der<br />
Feuerung und des Dampferzeugers zu optimieren, zählt zu den Kernkompetenzen<br />
von ThyssenKrupp Xervon Energy. Von der Planung<br />
über das detaillierte Engineering bis hin zur Inbetriebnahme bietet<br />
das Duisburger Unternehmen alle erforderlichen Dienstleistungen<br />
aus einer Hand. Eine Modernisierung betrifft die gesamte Kesselkonstruktion<br />
und deren Nebenaggregate. Anlagenkomponenten<br />
wie Kessel-Druckteil, Müllaufgabe, Verbrennungsrost, Entschlacker,<br />
Verbrennungsluftsystem, Hydraulikanlage, E-MSR(Elektro-Mess,<br />
Steuer- und Regelungstechnik)-/ Automatisierungstechnik wie auch<br />
die Feuerungsleistungsregelung müssen angepasst oder gar neu<br />
installiert werden. Herzstück des Optimierungskonzeptes für eine<br />
moderne Müllverbrennung ist der modular aufgebaute, wasserge-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
| 83<br />
kühlte Vorschubrost. Er fördert schürend den Brennstoff durch die<br />
diversen Verbrennungszonen und bringt die Rückstände zum Schlackeschacht.<br />
Die zur Verbrennung notwendige Primärluft wird für jedes<br />
Rostmodul separat geregelt. Sie wird den einzelnen Verbrennungszonen<br />
zugeführt und dient zusätzlich als Kühlung der thermisch enorm<br />
beanspruchten Rostbeläge.<br />
Während die meisten und vor allem älteren Rostbauarten mit<br />
dieser Luftkühlung auskommen müssen, besitzt die Vorschubrostfeuerung<br />
von ThyssenKrupp Xervon Energy eine zusätzliche Wasserkühlung<br />
mit patentiertem Roststab. Im Inneren jedes einzelnen Roststabes<br />
sind Kühlrohre eingegossen, in denen Kühlwasser zirkuliert.<br />
Abgekühlt wird die relativ geringe Kühlwassermenge in einem<br />
geschlossenen Kreislauf mittels eines Wärmetauschers. Er sorgt für<br />
eine kontrollierte Wärmeabfuhr und führt die gewonnene Abwärme<br />
wieder dem Gesamtprozess zu.<br />
Bereits seit März 2003 ist ThyssenKrupp Xervon Energy exklusiver<br />
Lizenznehmer der sog. ’Koch-Rosttechnologie’ und hat den wassergekühlten<br />
Vorschubrost seitdem in viele Müllverbrennungsanlagen,<br />
u.a. in Bremen, Weener, Stavenhagen und Iserlohn, eingebaut. Im<br />
Jahr 2006 wurden schließlich auch sämtliche Patente und Rechte von<br />
der Koch AG erworben. Des Weiteren erfolgte die Übernahme des<br />
verfahrenstechnischen und konstruktiven Know-hows in Form von
84 | Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />
Referenzen, Zeichnungen und Auslegungsdaten. Mit dem Erwerb<br />
ist ThyssenKrupp Xervon Energy weltweit der einzige Anbieter und<br />
Lieferant dieser erfolgreichen Koch-Rosttechnologie.<br />
Anforderungen an ein modernes Feuerungskonzept<br />
Brennstoffcharakteristik<br />
Unaufbereitete Abfälle aus Haushaltungen, DSD(Duales System<br />
Deutschland)-Rückführungen, Sortierreste und Ersatzbrennstoffe<br />
weisen ein unterschiedliches Abbrennverhalten in der Feuerung auf.<br />
Die charakteristischen Brennstoffparameter führen, aufgrund der<br />
Zusammensetzung des Brennstoffes, zu einer kurzfristig wechselnden<br />
Energiefreisetzung. Das Feuerungssystem muss nunmehr diesen hieraus<br />
resultierenden ungleichen Wärme- und Stofftransport ausgleichen.<br />
Qualitätsmerkmale einer Feuerung<br />
Unter Beachtung dieser Gegebenheiten werden an eine optimale Verbrennung<br />
verschiedene Bedingungen gestellt I Bild 1 I. Die Qualität<br />
der Verbrennungsprodukte sowie eine wirtschaftliche Betriebsweise<br />
stehen als Resultat im Vordergrund. Die Grundvoraussetzung für ein<br />
derartiges Ergebnis liegt in der sorgfältigen Abstimmung der einzelnen<br />
Verfahrensbereiche untereinander mit Bezugnahme auf die konstruktive<br />
Ausgestaltung des Feuerungssystems.<br />
Systeme der Feuerung<br />
Die Anordnung der feuerungsrelevanten Verfahrensbereiche stellt<br />
I Bild 2 I dar. Die eingetragenen Anhaltswerte zur Luftverteilung werden<br />
den jeweiligen Brennstoffbedingungen angepasst. Die Aufgabevorrichtung,<br />
der Verbrennungsrost, die Luftversorgung, die Primär- und<br />
Sekundärluftverteilung bilden mit ihren Stellorganen die maßgeblichen<br />
Funktionsbereiche, die das Regelungskonzept unter Bezugnahme auf<br />
die gemessenen Verbrennungsparameter und Lastvorgaben aufeinander<br />
abstimmt. Der Rost-Entascher fährt im Normalbetrieb mit einer<br />
festen Einstellung.<br />
Positive Auswirkung<br />
auf betriebswirtschaftliche Aspekte<br />
· Lange Reisezeit<br />
· Hohe Verfügbarkeit<br />
Bild 1 | Qualitätsmerkmale einer Feuerung<br />
Feuerungsleistungsregelung<br />
Vorrangiges Ziel der Feuerungsleistungsregelung ist es, unter Einbeziehung<br />
der verfahrenstechnischen Variabilität sowie konstruktiven<br />
Gegebenheiten eine leistungs- und emissionsoptimierte Feuerführung<br />
umzusetzen.<br />
Optimierung des Verbrennungsraumes<br />
Der Geometrie des Feuer-/Nachbrennraumes kommt im Zusammenhang<br />
mit der Sekundärluftzuführung eine hervorzuhebende Bedeutung<br />
zu. Die Güte der Verbrennungsgase orientiert sich einerseits<br />
an einem niedrig zu haltenden Emissionspotenzial und gibt andererseits<br />
die Bedingungen für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb<br />
vor. Die Reisezeit des Dampferzeugers, d.h. die Zeit, die ein Kessel<br />
betrieben werden kann, ohne dass die Abgastemperatur am Ende<br />
des Kessels oder der rauchgasseitige Druck einen festgelegten Wert<br />
überschreiten, hängt in erster Linie von einer gleichförmigen Verbrennung<br />
ab. Die hohen Anforderungen, die an den Wärme- und<br />
Stofftransport im ersten Strahlungszug gestellt werden, lassen sich<br />
durch den Einsatz von CFD(Computational Fluid Dynamics)-Untersuchungen<br />
umsetzen. Die Simulation betrachtet die Größen Rauchgastemperatur,<br />
Rauchgasgeschwindigkeit, O2- sowie CO-Gehalt im<br />
Verlauf des Rauchgaspfades und lässt Rückschlüsse auf das Betriebsverhalten<br />
zu. I Bild 3 I zeigt anhand eines Beispieles ein typisches<br />
Simulationsergebnis hinsichtlich der Temperaturverteilung. Je nach<br />
Intensität der Sekundärluftzuführung im Vorderwand- oder Rückwandbereich<br />
kann der Strömungsverlauf eindeutig gelenkt werden.<br />
Vergleichende Netzmessungen bestätigen die Aussagen dieser<br />
Rechenmodelle.<br />
Grundlegende Betrachtungen zur Auslegung<br />
Die Auslegung eines Rostsystems richtet sich vorrangig nach den<br />
Eigenschaften des Brennstoffes, die das Zündverhalten und Abbrennverhalten<br />
des Feststoffes bestimmen und somit die Eingangsgrößen<br />
Optimale Verbrennung<br />
Verwertungsgerechte<br />
Reststoffqualität<br />
· Geringer Anteil von Unverbranntem<br />
· Minimierung der Eluierbarkeit<br />
der Rostaschen<br />
Hohe rauchgasseitige<br />
Ausbrandgüte<br />
· Minimierung CO-/C ges-Gehalt<br />
· Minimierung NOX-Gehalt<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Verbrennungsrost<br />
Primärluftverteilung<br />
70-50 %<br />
Bild 2 | Systeme der Rostfeuerung<br />
Temperatur [°C]<br />
1.500<br />
1.000<br />
500<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Fall 1a<br />
20 %<br />
30 %<br />
Bild 3 | Temperaturprofile einer CFD-Untersuchung<br />
Aufgabevorrichtung<br />
Anteile der Sekundärluftmenge<br />
30 %<br />
30 %<br />
Fall 1b<br />
25 %<br />
25 %<br />
Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung | 85<br />
25 %<br />
25 %<br />
Fall 1c<br />
30 %<br />
30 %<br />
Nachbrennraumgestaltung<br />
Sekundärluftverteilung 30-50 %<br />
Feuerraumgeometrie<br />
20 %<br />
20 %<br />
Fall 1d<br />
30 %<br />
20 %<br />
Regelungskonzept<br />
Rost-Entascher<br />
V R V R V R V R<br />
V= Vorderwand, R= Rückwand<br />
25 %<br />
25 %
86 | Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />
normaler Betriebsbereich<br />
100 %<br />
60 %<br />
Bruttowärmeleistung<br />
Qmax<br />
Qmin<br />
für die Festlegung der Rostlänge sowie der Brennstoffschichthöhe<br />
darstellen. Darüber hinaus ist die Stückigkeit des Brennstoffes hinsichtlich<br />
des Transportverhaltens sowie der Ausbrandqualität mit in<br />
die Betrachtung einzubeziehen.<br />
Neben diesen brennstoffbedingten Parametern definiert sich die<br />
Rostfläche über Erfahrungswerte bezüglich der mechanischen und<br />
thermischen Rostflächenbelastung. In Verbindung mit den Auslegungsdaten<br />
des Feuerungsleistungsdiagrammes – festgelegt durch Bruttowärmeleistung<br />
und Abfallmassenstrom – errechnet sich die erforderliche<br />
Rostfläche.<br />
Feuerungsleistungsdiagramm<br />
3<br />
8<br />
4<br />
mmin<br />
60 %<br />
normaler Betriebsbereich<br />
100 %<br />
Eine allgemeingültige Darstellung des Feuerungsleistungsdiagrammes<br />
mit den Lastpunkten 1 bis 8 zeigt I Bild 4 I. Je nach Höhe des Heiz-<br />
2<br />
Hu, max<br />
Bild 4 | Standardisiertes Feuerungsleistungsdiagramm<br />
Vorschubrost ’Koch-Rosttechnologie’<br />
Heizwert 6.000 - 30.000 kJ/kg<br />
H u 6.000 - 12.000 kJ/kg<br />
H u 8.000 - 15.000 kJ/kg<br />
Bild 5 | Auswahlkriterien für Rostbelag<br />
5<br />
Abfallmassenstrom<br />
H u 12.000 - 30.000 kJ/kg<br />
Luftgekühlt<br />
Hu, MCR<br />
1<br />
7<br />
Hu, min<br />
6<br />
mmax<br />
MCR= Maximum Continuous Rate<br />
Teilweise wassergekühlt<br />
Wassergekühlt<br />
wertes kennzeichnet die schraffierte Fläche den Einsatzbereich eines<br />
dampfbeheizten Luftvorwärmers bzw. der Zusatzfeuerung zur Einhaltung<br />
der Verbrennungsbedingungen sowie der Mindestrauchgastemperatur<br />
von 850 °C bei einer Verweilzeit größer als 2 Sekunden.<br />
Auswahl des Rostbelages<br />
Die Auswahl des Rostbelages richtet sich nach dem spezifischen<br />
Energiepotenzial des Brennstoffes. I Bild 5 I kennzeichnet die Art<br />
der Roststabkühlung anhand des Heizwertes. Demgemäß kommt<br />
für niederkalorische Abfälle der luftgekühlte und für höherkalorische<br />
Abfälle der wassergekühlte Rostbelag zum Einsatz, der sich durch<br />
eine längere Standzeit gegenüber der reinen Luftkühlung auszeichnet<br />
und höhere thermische Belastungen zulässt. Erst die intensive Wasserkühlung<br />
des Roststabes ermöglicht eine prozessoptimierte Reduzie-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
ung des Primärluftanteiles einhergehend mit der Senkung des Luftüberschusses<br />
und somit auch hinsichtlich eines günstigeren Einflusses<br />
auf die NOX-Bildung.<br />
Konstruktionsmerkmale des Verbrennungsrostsystems<br />
Abfallaufgabe<br />
Eine Krananlage nimmt im Normalfall den Abfall im Bunker auf und<br />
transportiert ihn zum Aufgabetrichter der Feuerung. Den unteren Teil<br />
des nach oben mittels einer Klappe absperrbaren Aufgabeschachtes<br />
umfasst ein Doppelmantel mit Wasserkühlung als Schutz vor Wärmebelastung,<br />
beispielsweise während des Anfahrvorganges. Ein- oder<br />
mehrteilige Aufgabeschieber dosieren den Abfall geregelt auf den<br />
Verbrennungsrost.<br />
Verbrennungsrost<br />
Den Aufbau des Verbrennungsrostes, ausgeführt als Vorschubrost mit<br />
einer Neigung zur Horizontalen von 10 Grad, stellt I Bild 6 I dar. Außen<br />
liegende hydraulische Antriebe steuern die Vorschub- und Rückhubbewegungen<br />
der beweglichen Roststabreihen gemäß den regelungstechnischen<br />
Anforderungen. Die feststehenden und beweglichen<br />
Roststabreihen liegen im Wechsel hintereinander in einer Rostbahn<br />
und sind jeweils auf separaten Rostrahmen aufgelegt. Der<br />
gleichförmige Bewegungsablauf und die aufgrund der Roststabkonstruktion<br />
lange Hubbewegung im Vorschub führen zu einer ruhigen<br />
Feuerführung. Der Rückhub folgt mit gleicher Geschwindigkeit. Dieser<br />
Bewegungsablauf zeichnet sich im Gegensatz zu einem kurzhubigen<br />
Vorgang durch geringeren Verschleiß aus.<br />
Rostbelegung<br />
Je nach den brennstoffseitigen Gegebenheiten kommen luftgekühlte<br />
Roststäbe, ausgeführt als Wenderoststab oder wassergekühlte Roststäbe<br />
zum Einsatz. Die Art der Belegung kann im Grenzbereich von<br />
Heizwertbändern beide Roststabarten umfassen. Zur Unterstützung<br />
des Ausbrandverhaltens auf der dritten Rostzone wird diese dann<br />
mit herkömmlichen, luftgekühlten Roststäben belegt.<br />
Konzept des wassergekühlten Rostbelages<br />
Wärmeauskopplung<br />
Die Effektivität der Wärmeeinbindung in den Stoffkreislauf, das heißt<br />
die wirtschaftliche Dimensionierung des Wärmetauschers, hängt in<br />
der Hauptsache von der Grädigkeit (Differenz der Wärme abgebenden<br />
bzw. Wärme aufnehmenden Stoffströme) ab. Das Maximierungsbestreben<br />
bezüglich der Kühlwassertemperatur sollte hierbei in Grenzen<br />
gehalten werden. Einerseits vermindern steigende Kühlwassertemperaturen<br />
die Kühlwirkung, bezogen auf die Roststaboberfläche,<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung | 87<br />
und andererseits können temperaturbedingte Ermüdungserscheinungen<br />
beispielsweise in den Verbindungsschläuchen auftreten.<br />
Kühlwasserkreislauf<br />
Die Prinzipschaltung des Kühlkreislaufes ist I Bild 7 I zu entnehmen.<br />
Beginnend mit dem wassergekühlten Rostbelag, den einzelnen Roststabreihen,<br />
den wassergekühlten Dehnungselementen des seitlichen<br />
Rostabschlusses und des Mittelbalkens als Wärme aufnehmende<br />
Komponenten übernimmt ein nachgeschaltetes Wärmetauschersystem<br />
die zweckgerichtete Auskopplung der Wärme. Die Rücklauftemperatur<br />
vom Rostsystem bestimmt hierbei als Regelgröße das Lastverhalten<br />
des Wärmetauschers.<br />
Umwälzpumpen fördern das Kühlwasser in einem geschlossenen<br />
Kreislauf, wobei eine Druckhalteeinrichtung den erforderlichen Ruhedruck<br />
aufprägt. Sicherheitseinrichtungen schützen das Kühlsystem<br />
gegen Drucküberschreitungen. Eine Nachspeis-Einrichtung dient dem<br />
Ausgleich von etwaigen Wasserverlusten.<br />
Komponenten des Kühlsystems<br />
Die Verbindungselemente der beweglichen Roststabreihen, die den<br />
Bewegungsablauf zum feststehenden weiterführenden Rohrleitungssystem<br />
ausgleichen, beeinflussen in besonderem Maße die Betriebssicherheit<br />
des Kühlsystems. Schlauchverbindungen und Komponenten<br />
nach mechanischen Wirkprinzipien stellen eine Methode zur<br />
Bewegungskompensation dar. Die Einsatzmöglichkeit der Komponenten<br />
hängt jedoch stark von der Höhe der Kühlwassertemperatur ab.<br />
Verbindungsschläuche, ausgeführt als Hochdruck-Dampfschläuche,<br />
eignen sich beim Einsatz flüssiger Medien nur bis zu einem Anwendungsbereich<br />
bis 100 °C (Kaltwasserbereich) mit begrenzter Möglichkeit<br />
zur optimalen Wärmeauskopplung. Dichtungselemente in<br />
mechanisch wirkenden Komponenten begrenzen zurzeit die freie<br />
Wahl der Kühlwassertemperatur auf 160 bis 180 °C.<br />
Rostbelag<br />
Das Konstruktionsprinzip des wassergekühlten Roststabes ist aus<br />
I Bild 8 I ersichtlich. Untereinander verbinden U-Rohrstücke die<br />
einzelnen Roststäbe. Der Roststab zeichnet sich durch folgende<br />
Merkmale aus:<br />
Der aus einem hitzebeständigen Guss gefertigte Roststab umfasst<br />
ein eingegossenes Stahlrohr, infolgedessen keine gussgefügebedingten<br />
Undichtigkeiten auftreten können. Den thermischen<br />
Belastungen aus dem Verbrennungsverlauf sowie mechanischen<br />
Belastungen aus dem Bewegungsablauf werden durch die konstruktive<br />
Ausgestaltung des Roststabes Rechnung getragen.
88 | Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung<br />
Rostwagen<br />
Bild 6 | Aufbau des Vorschubrostes<br />
FISA PISA<br />
Lager<br />
Hydraulikzylinder<br />
FISA = Flow Indication Switch Alarm<br />
PISA= Pressure Indication Switch Alarm<br />
TICA= Temperature Indication Control Alarm<br />
TI = Temperature Indication<br />
Bild 7 | Prinzipschema des Kühlkreislaufes<br />
M<br />
Umwälzpumpe<br />
TICA<br />
TI<br />
Wärmetauscher<br />
M M<br />
M = Motor<br />
LSA= Level Switch Alarm<br />
LS = Level Switch<br />
Roststäbe beweglich<br />
Roststäbe feststehend<br />
Druckhaltung<br />
LS+<br />
LSA-<br />
Nachspeisepumpe<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Bild 8 | Prinzip des wassergekühlten Roststabes<br />
Das eingegossene Stahlrohr garantiert eine definierte Strömung<br />
ohne wirbelbedingte Toträume eckiger Kanäle, die eine Überhitzungsgefährdung<br />
mit sich bringen würden.<br />
Die qualitätsgesicherte Fertigung der Roststäbe sichert im oberflächennahen<br />
Bereich des Stahlrohres eine Materialverbindung<br />
zum Gusskörper, sodass kein Luftringspalt den Wärmeübergang<br />
mindert.<br />
Betriebserfahrungen zum wassergekühlten Rostbelag<br />
Beendigung der Erprobungsphase<br />
Die wassergekühlten Roststäbe auf Basis der ’Koch-Rosttechnologie’<br />
sind seit dem Jahr 1999 großtechnisch in einer thermischen Abfallbehandlungsanlage<br />
im Einsatz. Die Betriebserfahrungen mit den<br />
anfänglich breiten Roststäben führten zu einer Weiterentwicklung mit<br />
reduzierter Roststabbreite. Dieses bewährte Konstruktionskonzept<br />
bildete die Grundlage für den weiteren Einsatz.<br />
Betriebsverhalten<br />
Störfälle traten in der Vergangenheit bei der Verwendung von Schläuchen<br />
in Verbindung mit heißen Kühlsystemen bei Temperaturen über<br />
120 °C auf. Bei diesen Betriebsbedingungen bewiesen die Verbindungselemente<br />
der beweglichen Roststabreihen, ausgeführt als<br />
Hochdruck-Dampfschläuche, keine ausreichende Standzeit. Abhilfe<br />
schaffte hier der Einsatz mechanischer Verbindungselemente, die<br />
einer höheren Temperaturbelastung standhalten.<br />
Fazit<br />
Der Einsatz von wassergekühlten Roststäben garantiert einen uneingeschränkten<br />
Anwendungsbereich zwischen hohen und tiefen Heizwerten<br />
von Hu= 7 bis 20 MJ/kg. Für luftgekühlte Roststäbe liegt der<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung | 89<br />
Anwendungsbereich bei einem mittleren und tiefen Heizwert von<br />
lediglich Hu ≤12 MJ/kg.<br />
Die Betriebserfahrungen entsprechen zum jetzigen Zeitpunkt dem<br />
erwarteten Langzeitverschleißverhalten, sodass der eindeutige Vorteil<br />
der wassergekühlten Roststäbe mit einer Erwartungshaltung an die<br />
Standzeit der Roststäbe von über 32.000 Stunden (bei gestufter<br />
Auswechselungsrate) belegt ist. Die Standzeit luftgekühlter Roststäbe<br />
liegt in einem vergleichbaren Anwendungsfall in der Hauptbrennzone<br />
um zirka 75 % niedriger. Der geringe Verschleiß des wassergekühlten<br />
Rostbelages führt zu einer gleichbleibenden Primärluftverteilung über<br />
die Reisezeit. Somit bestehen die Grundvoraussetzungen für eine<br />
optimierte Fahrweise und lange Reisezeiten.<br />
Aufgrund der konstruktiven Gegebenheiten ergeben sich weitere<br />
Vorteile: Beispielsweise sind keine Schweißarbeiten am Gussroststab<br />
erforderlich, durch die Wasserkühlung und den langen Hub besteht<br />
kaum mechanischer Verschleiß der Roststäbe und es ist nur eine<br />
minimale Anzahl von flexiblen Schlauchverbindungen zur Bewegungskompensation<br />
dank patentierter mechanischer Verbindungselemente<br />
notwendig.<br />
So sorgt nicht allein das außergewöhnliche Kühlprinzip für hohe<br />
Effizienz. Neben der höheren Energieausbeute des eingebrachten<br />
Brennstoffes und der umweltfreundlichen Entsorgung des Müllaufkommens<br />
führt die Verwendung des Rostfeuerungskonzeptes von<br />
ThyssenKrupp Xervon Energy auch zu einer Reduzierung der laufenden<br />
Instandhaltungskosten und einer Verlängerung der Revisionsintervalle<br />
bei gleichzeitig verringerter Ersatzteilvorhaltung.<br />
Die bisherigen Betriebserfahrungen belegen, dass wegen der<br />
gesicherten Standzeit der wassergekühlten Rostbeläge verbunden<br />
mit den verfahrenstechnischen Vorteilen in der Feuerführung ein optimaler<br />
Betrieb der Verbrennungsanlage gegeben ist.
90 |<br />
| Verbausystem in einer neuen Dimension: Beim tiefergehenden Linearverbau werden zwei Einheiten miteinander gekoppelt,<br />
die sich nach dem Einbau in ihrer Wirkungsweise ergänzen.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Zukunftweisende bautechnische<br />
Verfahren schonen die Umwelt<br />
DR.-ING. BERND BERGSCHNEIDER Geschäftsführer Vertrieb und Technik | ThyssenKrupp Bauservice GmbH, Hückelhoven<br />
Produkte und Dienstleistungen von Emunds+Staudinger, ein Geschäftsbereich der ThyssenKrupp<br />
Bauservice GmbH, tragen zu rationellen, sicheren und wirtschaftlich erfolgreichen Bauabläufen bei vielen<br />
Tiefbauprojekten im In- und Ausland bei. Das Unternehmen bietet den Baupartnern Lösungen nach Maß.<br />
Hierzu zählen ein baustellengerechter Service, Beratung auf hohem Niveau, eine umfassende Projektbetreuung<br />
und eine fristgerechte Lieferung der für die jeweilige Baumaßnahme ausgewählten Systeme.<br />
Gemeinsam mit mittelständischen Unternehmen und großen Konzernen entwickelt Emunds+Staudinger<br />
überzeugende Konzepte, die sich rechnen. Die eingesetzten Produkte und Verfahren sind auf die jeweiligen<br />
Baumaßnahmen zugeschnitten und sorgen für reibungslose Bauabläufe. Dabei trägt das Unternehmen<br />
auch den hohen Anforderungen des Umweltschutzes Rechnung. Zum Beispiel mit der Entwicklung und<br />
dem Einsatz umweltorientierter Technologien und Verfahren, wie dem Terra-Star Recycler zur Bodenaufbereitung,<br />
mobilen Baustraßensystemen oder dem so genannten tiefergehenden Linearverbau.<br />
Einleitung<br />
Die Begriffe ’Bauen’ und ’Umweltschutz’ sind heute untrennbar miteinander<br />
verbunden. Bauen heißt, unseren Lebensraum zu verändern<br />
und entsprechend den Anforderungen der Gesellschaft zu gestalten.<br />
Gleichgültig, ob es um die Realisierung von Hoch- oder Tiefbauprojekten<br />
geht, ob ein Parkplatz oder ein Weg angelegt wird, Straßen<br />
mit einer neuen Decke versehen, Böschungen oder Lärmschutzwälle<br />
gebaut werden oder im Bereich einer Kanalisation gearbeitet wird:<br />
der Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten kommt ein hoher<br />
Stellenwert zu. Dies fängt bei der Wahl der Baustoffe sowie dem Einkauf<br />
und den Einsatz von Geräten an, geht über Lärm-, Wasser- und<br />
Bodenschutz und endet schließlich bei der Entsorgung von Bodenaushub,<br />
Straßenaufbruch und Baustellenabfällen. Auf diese Entwicklung<br />
und die damit verbundenen Anforderungen haben sich ausführende<br />
Unternehmen und Hersteller von Bauprodukten eingestellt.<br />
Neue Technologien, neue Arbeitsverfahren und neue Bauprodukte<br />
haben die Bauprozesse und die Arbeitsabläufe in der Bauwirtschaft<br />
sukzessive verändert. Ein Umstand, dem auch Emunds+Staudinger,<br />
ein Geschäftsbereich der ThyssenKrupp Bauservice GmbH, Rechnung<br />
trägt, u.a. mit der Entwicklung und dem Einsatz umweltorientierter<br />
Technologien und Verfahren. Hierzu gehören beispielsweise der so<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
genannte tiefergehende Linearverbau – ein neues Verbauverfahren,<br />
bei dem zwei Linearverbaueinheiten miteinander gekoppelt werden,<br />
die sich nach dem Einbau in ihrer Wirkungsweise ergänzen I siehe<br />
Titelbild Bericht I – oder der Terra-Star Schaufelseparator zur Bodenaufbereitung<br />
I Bild 1 I. Mit Hilfe des Terra-Star Schaufelseparators<br />
wird der auf der Baustelle entnommene Boden für den direkten<br />
Wiedereinbau aufbereitet und recycelt. Dadurch entstehen deutliche<br />
wirtschaftliche Vorteile, da der entnommene Boden nicht kostenintensiv<br />
abtransportiert und deponiert werden muss. Gleichzeitig<br />
werden wesentliche Umweltaspekte berücksichtigt: Aushub oder<br />
Abfallprodukte werden – wenn möglich – recycelt und wieder verwertet,<br />
anstatt sie zu deponieren.<br />
Sicherheit und Umweltschutz bei Emunds+Staudinger<br />
Emunds+Staudinger sorgt weltweit bei vielen Tiefbaumaßnahmen<br />
für Sicherheit und Umweltschutz. Knapp 60 % des Gesamtumsatzes<br />
werden auf dem europäischen Markt außerhalb Deutschlands und<br />
auf den Märkten in Übersee erwirtschaftet. In Europa ist das Unternehmen<br />
in fast allen Ländern vertreten. Darüber hinaus gibt es<br />
Handelspartner in den USA, in Mittel- und Südamerika, im Nahen<br />
Osten sowie in Asien. Neben Grabenverbausystemen zur Sicherung<br />
| 91
92 |<br />
Bild 1 | Terra-Star Schaufelseparator zur Bodenaufbereitung Bild 2 | Mit Hilfe des Terra-Star Schaufelseparators wird der auf der Baustelle entnommene<br />
Boden für den direkten Wiedereinbau aufbereitet und recycelt. Dadurch entstehen deutliche<br />
wirtschaftliche Vorteile, da der entnommene Boden nicht kostenintensiv abtransportiert<br />
und deponiert werden muss.<br />
von Gräben und Baugruben gegen Einsturz bilden moderne Maschinen<br />
und Geräte, wie zum Beispiel gesteuerte und ungesteuerte Bohrpressgeräte<br />
für den grabenlosen Rohrvortrieb, eine sinnvolle Erweiterung<br />
der Produktpalette. Darüber hinaus tragen ein Recycler für<br />
die Bodenaufbereitung mit Wiedereinbau, eine mobile Baustraße,<br />
ein Sortiment von Rohrgreifern, Rohrzugmaschinen, eine Hydraulikkupplung<br />
für Schnellwechselvorrichtungen sowie weitere Ergänzungsgeräte<br />
zu wirtschaftlichen Abläufen und einem reibungslosen Arbeiten<br />
auf den Baustellen bei. Verbausysteme, Bohrgeräte, Baustraße,<br />
Recycler und Ergänzungsprodukte können je nach Wunsch gekauft<br />
oder gemietet werden. Entscheidend für die Baupartner ist, dass<br />
Emunds+Staudinger kosten- und qualitätsorientierte Lösungen bietet,<br />
bei denen die ständig wachsenden Anforderungen an die Sicherheitstechnik,<br />
die Wirtschaftlichkeit und den Umweltgedanken im Vordergrund<br />
stehen.<br />
Bodenaufbereitung<br />
Wirtschaftlich arbeiten und gleichzeitig umweltschonend zu agieren,<br />
gehört weltweit zu den größten Herausforderungen eines Bauunternehmens.<br />
Mit dem Recycler Terra-Star zur Bodenaufbereitung bei<br />
Kanal- und Straßenbauarbeiten bietet Emunds+Staudinger insbesondere<br />
dem Tiefbauunternehmer ein Produkt für wirtschaftliches<br />
und umweltschonendes Arbeiten vor Ort auf den Baustellen. Weltweit<br />
wird in den meisten Fällen nach wie vor der bei der Herstellung<br />
von Straßen, Gräben und Baugruben entnommene Boden zur Entsorgung<br />
zu oft weit entfernten Deponien transportiert. Unbeladene<br />
Lkw fahren zu den vielfach in den Innenstädten liegenden Baustellen<br />
und transportieren den häufig naturbelassenen und unbelasteten<br />
Aushubboden unnötigerweise zu Deponien, wo das Bodenmaterial<br />
kostenaufwendig entsorgt wird. Ein Rechenbeispiel veranschaulicht<br />
den enormen Aufwand: Für eine repräsentative innerstädtische Tiefbaumaßnahme<br />
– der Graben zur Leitungsverlegung ist etwa 4 m tief,<br />
3 m breit und 100 m lang – fahren rund 120 Lkw mit einem Transportvolumen<br />
von jeweils 10 m3 im ungünstigsten Fall leer zur Baustelle<br />
und voll beladen zur Deponie. Die gleiche Anzahl Lkw ist für die Anlieferung<br />
des neuen Bodens zur Verfüllung der Baugrube erforderlich.<br />
Mit Hilfe des Recyclers Terra-Star kann alternativ der auf der Baustelle<br />
entnommene Boden vor Ort aufbereitet und in der gleichen<br />
Kubatur wieder eingebaut werden I Bild 2 I. Hierzu wird der entnommene<br />
Boden sukzessive mit einem in einem bestimmten Mischungsverhältnis<br />
zugegebenen umweltverträglichen Kalk-Zement-Bindemittel<br />
im Recycler für die Dauer von ca. 30 Sekunden durchmischt.<br />
Die Mengenzugabe an Kalk-Zement-Bindemittel ist abhängig vom<br />
Feuchtigkeitsgehalt des entnommenen Bodens und von der beim<br />
Wiedereinbau gewünschten Festigkeit des aufbereiteten Bodens.<br />
Gröbere Steine, die sich im Aushubmaterial befinden, werden beim<br />
Durchmischen im Recycler in einer Art Sieb zerkleinert, sodass die<br />
in den einschlägigen DIN-Normen für den Bodenwiedereinbau erforderliche<br />
Bodenkörnung gegeben ist. Der aufbereitete Boden wird<br />
entweder direkt wieder eingebaut oder zunächst zwischengelagert.<br />
Diese Form der Bodenaufbereitung ist nicht nur unter Umweltgesichtspunkten<br />
zukunftweisend. Auch unter wirtschaftlichen Aspekten<br />
stellt das Verfahren eine kostengünstige Alternative zum herkömmlichen<br />
Aushub, Abtransport mit Deponierung und Wiedereinbau von<br />
neuem Boden dar. Damit entspricht das Verfahren dem Kreislaufwirtschafts-<br />
und Abfallgesetz (KrW/AbfG) bzgl. der Verpflichtung zur<br />
Abfallvermeidung und schadlosen Abfallverwertung mit der Maßgabe,<br />
Bodenaushub und Abfälle zu recyceln anstatt zu deponieren.<br />
Flexible Baustraßensysteme<br />
Mobile Baustraßensysteme werden im Rahmen des Produktportfolios<br />
von ThyssenKrupp Bauservice zur Befahrung von unwegsamen,<br />
schlammigen oder morastigen Untergründen, vor allen Dingen aber<br />
zur Schonung von Untergründen I Bild 3 I eingesetzt. Auch dieses<br />
Produkt kann gekauft oder gemietet werden. Ein Element des Baustraßensystems<br />
ist 2,34 m lang, 3,80 m breit, 0,16 m hoch und<br />
wiegt rund 860 kg. Es ist für eine Achslast ≥ 12 t ausgelegt. Die einfach<br />
zu transportierenden, leicht zu handhabenden und flexibel ein-<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
setzbaren, äußerst robusten Stahlplatten schützen somit Untergründe<br />
und Oberflächen in Forst-, Wald- und Naturschutzgebieten vor der<br />
direkten Befahrung und damit Zerstörung, zum Beispiel durch Bagger<br />
und andere baustellentypische Fahrzeuge.<br />
Tiefergehender Linearverbau<br />
Der so genannte Linearverbau als spezielle Form des Gleitschieneverbaus<br />
wird weltweit zum Graben- oder Baugrubenverbau bis in Tiefen<br />
von ca. 8 m wirtschaftlich eingesetzt. Ab dieser Tiefe ist die beim<br />
Einbau und Absenken des Verbaus zu überwindende Bodenreibung<br />
zu groß, um Zeit sparend und damit wirtschaftlich arbeiten zu können<br />
(siehe Artikel 'Modifiziertes Linearverbausystem', ThyssenKrupp<br />
<strong>techforum</strong>, Heft 2/2006).<br />
Heute liegen die Anforderungen im Tiefbau weltweit in immer<br />
tieferen Schächten und Baugruben, häufig auch zur Auskofferung von<br />
tiefer liegenden, kontaminierten Bodenbereichen – zum Beispiel unter<br />
ehemaligen, rückgebauten Tankstellenanlagen oder Industriebranchen.<br />
Hieraus ergeben sich vor allem hinsichtlich einer wirtschaftlichen<br />
Ausführung neue Anforderungen für die ausführenden Unternehmen.<br />
Um auch in diesen größeren Tiefen Verbausysteme wirtschaftlich<br />
einsetzen zu können, hat Emunds+Staudinger den so genannten<br />
tiefergehenden Linearverbau entwickelt. Es handelt sich hierbei um<br />
ein neues Verbauverfahren, bei dem zwei Linearverbaueinheiten<br />
miteinander gekoppelt werden, die sich nach dem Einbau in ihrer<br />
Wirkungsweise ergänzen, wobei das Ziel in der Überwindung der<br />
Bodenreibung beim Einbau besteht. Als Basis des neuen Verfahrens<br />
dient der herkömmliche Linearverbau. Im ersten Arbeitsschritt wird ein<br />
Modul dieses Verbausystems – bestehend aus Schienen, Platten und<br />
Rahmenwagen – eingebaut. Danach wird ein zweites Modul in das<br />
bereits eingebaute Feld eingesetzt, indem mittels neuer Konstruktionen<br />
und Systemkomponenten das zweite Modul als innen laufendes Modul<br />
„auf Kontakt“ an das zuerst eingebrachte äußere Modul angepasst<br />
wird. Auf diese Weise übernehmen die inneren Verbaukomponenten<br />
beim Durchfahren des äußeren Moduls die auftretenden Lasten. Im<br />
Endeinbauzustand ergänzen sich die beiden Verbaumodule, deren<br />
Komponenten über die gleichen Baulängen verfügen und völlig unabhängig<br />
voneinander dem Erddruck entgegen wirken. Die Einsatzgebiete<br />
des neuen Verbauverfahrens sind tiefere Baugruben für<br />
den Kanalbau, Schächte und Pressgruben bis in Tiefen von ca. 10 bis<br />
12 m, je nach Bodenbeschaffenheit.<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Zukunftweisende bautechnische Verfahren schonen die Umwelt | 93<br />
Bild 3 | Mit dem Einsatz einer Baustraße erfüllt das ausführende Unternehmen<br />
die behördlichen Auflagen in Bezug auf sensible Baugründe.<br />
Fazit<br />
Die Beispiele zeigen, wie Tiefbaumaßnahmen auch unter Einhaltung<br />
umweltschutztechnischer Aspekte wirtschaftlich realisiert werden<br />
können. Gefordert sind hier nicht zuletzt die Anbieter und Hersteller<br />
von Verfahren und Geräten. ThyssenKrupp Bauservice hat dahingehend<br />
die bestehende Produktpalette in ökonomischer und ökologischer<br />
Hinsicht praxisnah weiterentwickelt sowie neue, innovative<br />
Produkte und Sonderlösungen für spezielle Bauaufgaben im Markt<br />
eingeführt und stellt somit den ausführenden Unternehmen das<br />
erforderliche Rüstzeug für eine erfolgreiche und reibungslose Abwicklung<br />
der Baumaßnahme zur Verfügung. Ein weiterer wichtiger Baustein<br />
ist der bereits im Firmennamen verankerte Servicegedanke mit<br />
Gesprächen der Fachberater vor Ort auf der Baustelle. Das bietet eine<br />
hervorragende Möglichkeit für Auftraggeber und ausführende Unternehmen,<br />
baustellenbezogene und technisch ausgereifte Lösungen für<br />
die unterschiedlichen (Kanal-)Bauaufgaben zu entwickeln und damit<br />
vertrieblich äußerst markt- und kundenorientiert zu agieren. International,<br />
mit Schwerpunkten in Europa, den USA sowie dem Nahen<br />
Osten, wird über die in den jeweiligen Ländern ansässigen Vertriebspartner<br />
ebenso servicegerecht gehandelt.
94 | Inhalt Band 9 | <strong>2007</strong><br />
Ausgabe 1 | <strong>2007</strong><br />
Dualphasenstahl mit Korrosionsschutzprimer für die Pkw-Außenhaut | 10<br />
DR. RER. NAT. JÖRG LEWANDOWSKI | ThyssenKrupp Steel<br />
DIPL.-ING. REINHILD HAUBRUCK | ThyssenKrupp Steel<br />
DR. RER. NAT. SILKE STRAUß | ThyssenKrupp Steel<br />
ING. GRAD. HORST OEMKES | ThyssenKrupp Steel<br />
DR.-ING. BERNHARD SCHINKINGER | DOC Dortmunder OberflächenCentrum<br />
DR. RER. NAT. JOSEF SCHNEIDER | ThyssenKrupp Steel<br />
Die T 3 -Profiliertechnik – Voraussetzung für mehr Hohlprofile aus Stahl im Fahrzeug | 14<br />
DR.-ING. THOMAS FLEHMIG | ThyssenKrupp Steel<br />
DIPL.-ING. (FH) MICHAEL BRÜGGENBROCK | ThyssenKrupp Steel<br />
WLADIMIR RITUPER | ThyssenKrupp Steel<br />
LOTHAR HÖMIG | ThyssenKrupp Steel<br />
MOHAMMED TOHFA | ThyssenKrupp Steel<br />
OxyCup ® -Schlacke – ein neues Produkt für anspruchsvolle Märkte | 22<br />
DIPL.-ING. KLAUS KESSELER | ThyssenKrupp Steel<br />
DR. RER. NAT. RONALD ERDMANN | ThyssenKrupp Steel<br />
NIROSTA ® 4521 – ein nichtrostender CrMo-Stahl mit überzeugender Korrosionsbeständigkeit | 30<br />
DR.-ING. JÖRG-FRIEDRICH HOLZHAUSER | ThyssenKrupp Nirosta<br />
DIPL.-ING. HEINZ KOCH | ThyssenKrupp Nirosta<br />
Walzen mikroskopisch feiner Oberflächenstrukturen |34<br />
DIPL.-ING. MATHIAS BÄRWOLF | ThyssenKrupp Nirosta Präzisionsband<br />
DIPL.-ING. MICHAEL ULLRICH | ThyssenKrupp Nirosta Präzisionsband<br />
KAI MASCHMEIER | ThyssenKrupp Nirosta Präzisionsband<br />
HPPO-Verfahren zur koppelproduktfreien Herstellung von Propylenoxid | 38<br />
DIPL.-ING., DIPL.-WIRTSCH.-ING. NORBERT ULLRICH | Uhde<br />
DR.-ING. BÄRBEL KOLBE | Uhde<br />
DR. RER. NAT. NIELS BREDEMEYER | Uhde<br />
Prüfmethoden zur Qualitätssicherung bei der Herstellung von Gussteilen<br />
für die Automobil- und Transportindustrie |44<br />
GENE JOHNSON | ThyssenKrupp Waupaca<br />
TIMOTHY OWENS | ThyssenKrupp Waupaca<br />
CODY RHODES (BS) | ThyssenKrupp Waupaca<br />
RONALD THURSTON | ThyssenKrupp Waupaca<br />
Seite<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
Ganzflächenhärten – ein Verfahren zur vollständigen induktiven Randschichthärtung | 50<br />
der Laufbahnen von Großwälzlagern<br />
DR.-ING. JÖRG ROLLMANN | Rothe Erde<br />
DR.-ING. WILFRIED SPINTIG | Rothe Erde<br />
DIPL.-ING. BERND STAKEMEIER | Rothe Erde<br />
Presta Produktions- und Logistiksystem PPLS – auf dem Weg zum 5-Tage-Lenksystem | 56<br />
DR.-ING. DIPL.-WI.-ING. DANIEL FITZEK, MSC | ThyssenKrupp Presta<br />
PETER SPALT, MBA | ThyssenKrupp Presta<br />
ANJA TISCHLER (MAG. FH) | ThyssenKrupp Presta<br />
DIPL.-ING. (FH) STEFAN OBERHAUSER, MSC | ThyssenKrupp Presta<br />
Neuartige Tragstruktur für Einzelradaufhängungen bei schweren Nutzfahrzeugen | 62<br />
DIPL.-ING. STEFFEN SCHMIDT | ThyssenKrupp Automotive Systems<br />
DR.-ING. DIRK ZIESING | ThyssenKrupp Automotive Systems<br />
TurboTrack – lange Wege werden kürzer |68<br />
DIPL.-ING. MIGUEL GONZÁLEZ ALEMANY I ThyssenKrupp Elevator (ES/PBB)<br />
DR. MONICA SOFFRITTI I ThyssenKrupp Elevator<br />
MARTINA BEHREND I ThyssenKrupp Elevator<br />
THIES EISELE I ThyssenKrupp Elevator<br />
Stufenmodell für die kundenspezifische Bündelung von Werkstoff- und Industriedienstleistungen | 76<br />
JÜRGEN WESTPHAL | ThyssenKrupp Schulte<br />
DIPL.-ING. CHRISTIAN BÖTTGER | ThyssenKrupp Schulte<br />
DIPL.-ING. ANDREAS MITSCHKE | ThyssenKrupp Schulte<br />
MAIK WERNER Vertriebsbeauftragter | ThyssenKrupp Schulte<br />
Verfahren zur NOX-armen Verbrennung von Steinkohle in Kombination | 82<br />
mit einem neuartigen Schmelzzyklon<br />
DIPL.-ING. WERNER AUEL | ThyssenKrupp Xervon Energy<br />
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Inhalt Band 9 | <strong>2007</strong> | 95<br />
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96 | Inhalt Band 9 | <strong>2007</strong><br />
Ausgabe 2 | <strong>2007</strong><br />
DFI-Oxyfuel-Verfahren zur Energieeinsparung, Leistungs- und | 10<br />
Qualitätssteigerung von Banddurchlaufanlagen<br />
DR.-ING. HERBERT EICHELKRAUT | ThyssenKrupp Steel<br />
DIPL.-ING. HANS-JOACHIM HEILER | ThyssenKrupp Steel<br />
DIPL.-ING. HANS PETER DOMELS | ThyssenKrupp Steel<br />
WERNER HÖGNER | ThyssenKrupp Steel<br />
Entwicklung einer Wissensdatenbank zur Bewertung der Umweltrelevanz | 16<br />
von Produkten, Nebenprodukten und Entfallstoffen<br />
DR. RER. NAT. ALFONS ESSING | ThyssenKrupp Steel<br />
DIPL.-INFORM. AXEL TEICHMANN | ThyssenKrupp Steel<br />
StahlLeichtbau-Chassis SLC – die innovative |20<br />
und kostengünstige Leichtbaulösung für Pkw-Achsträger<br />
DIPL.-ING. PETER SEYFRIED | ThyssenKrupp Steel<br />
DIPL.-ING. ULF SUDOWE | ThyssenKrupp Umformtechnik<br />
Nichtrostende Stähle für Meerwasserentsalzungsanlagen | 24<br />
DR.-ING. GEORG UHLIG | ThyssenKrupp Nirosta<br />
Leistungsstark und umweltfreundlich – |28<br />
Einsatz moderner hochfester Rostfrei-Stähle in der Automobilindustrie<br />
ING. ANDREA BRUNO | ThyssenKrupp Acciai Speciali Terni<br />
Große geschmiedete Wellen für Kraftwerksturbinen |34<br />
DIPL.-ING. STEFANO NERI | Società delle Fucine<br />
DIPL.-ING. DANIELE MARSILI | Società delle Fucine<br />
DR. RER. OEC. GIOVANNI SANSONE | Società delle Fucine<br />
Nickellegierungen für Kraftwerke der Zukunft |40<br />
DR.-ING. JUTTA KLÖWER | ThyssenKrupp VDM<br />
DR. RER. NAT. BODO GEHRMANN | ThyssenKrupp VDM<br />
Umweltfreundliche und energetisch effiziente Weißzementherstellung | 48<br />
mit modernster Technologie<br />
DIPL.-ING. LUIS LAGAR-GARCÍA | Polysius<br />
DR.-ING. DIETMAR SCHULZ | Polysius<br />
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ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong>
ThyssenKrupp <strong>techforum</strong> 2 | <strong>2007</strong><br />
Inhalt Band 9 | <strong>2007</strong> | 97<br />
Emissionsreduzierung durch Einsatz kontinuierlicher Tagebautechnik | 54<br />
DR.-ING. VIKTOR RAAZ | ThyssenKrupp Fördertechnik<br />
DIPL.-ING. BERGBAU ULRICH MENTGES | ThyssenKrupp Fördertechnik<br />
Kupolofen-Projekt – Reaktion auf den MACT-Standard |60<br />
WILLIAM POWELL (B.S. MET. E.) | ThyssenKrupp Waupaca<br />
JEFFREY LOEFFLER (B.S. CH. E.) | ThyssenKrupp Waupaca<br />
CO2-freie Energieumwandlung dank Rothe Erde Großwälzlager | 66<br />
DR.-ING. UWE BREUCKER | Rothe Erde<br />
Transrapid – die Verkehrstechnik für umweltverträgliche Mobilität | 74<br />
DR.-ING. FRIEDRICH LÖSER | ThyssenKrupp Transrapid<br />
DR. RER. NAT. QINGHUA ZHENG | ThyssenKrupp Transrapid<br />
Wassergekühlter Vorschubrost für eine rückstandsarme Müllverbrennung | 82<br />
DIPL.-ING. WERNER AUEL | ThyssenKrupp Xervon Energy<br />
PETER DIEKMANN | ThyssenKrupp Services<br />
Zukunftweisende bautechnische Verfahren schonen die Umwelt | 90<br />
DR.-ING. BERND BERGSCHNEIDER | ThyssenKrupp Bauservice<br />
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