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Multimodales Neuroimaging in der Diagnostik kortikaler Dysplasien

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NEUROLOGIE AKTUELL<br />

<strong>Neuroimag<strong>in</strong>g</strong><br />

Zusammengestellt für den Beirat „<strong>Neuroimag<strong>in</strong>g</strong>“:<br />

Priv.-Doz. Dr. Michael Feicht<strong>in</strong>ger<br />

Abteilung für Spezielle Neurologie, Universitätskl<strong>in</strong>ik für Neurologie, Mediz<strong>in</strong>ische Universität Graz<br />

Fokale Epilepsien<br />

<strong>Multimodales</strong> <strong>Neuroimag<strong>in</strong>g</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diagnostik</strong> <strong>kortikaler</strong> <strong>Dysplasien</strong><br />

Etwa e<strong>in</strong> Drittel aller PatientInnen, die an Epilepsie erkrankt s<strong>in</strong>d, können nicht erfolgreich medikamentös<br />

behandelt werden. Für sie ist e<strong>in</strong>e exakte Identifikation e<strong>in</strong>er möglichen fokalen Läsion im Gehirn e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s<br />

wichtiger Teil <strong>in</strong> <strong>der</strong> weiterführenden <strong>Diagnostik</strong>. Denn nur so können verlässliche Aussagen über Möglichkeit<br />

und Erfolg e<strong>in</strong>es epilepsiechirurgischen E<strong>in</strong>griffs gemacht werden.<br />

Im Zuge e<strong>in</strong>er prächirurgischen Epilepsiediagnostik<br />

hat die strukturelle und funktionelle<br />

Bildgebung e<strong>in</strong>en vorrangigen Platz e<strong>in</strong>genommen<br />

und kann neben <strong>der</strong> elektrophysiologischen<br />

Abklärung (Video-EEG-Monitor<strong>in</strong>g)<br />

als zweiter Stützpfeiler e<strong>in</strong>er validen Fokuslokalisation<br />

angesehen werden. Aufgrund<br />

dieser wesentlichen Bedeutung – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

für die Detektion kle<strong>in</strong>ster fokaler Pathologien<br />

im Bereich des Kortex – besteht<br />

hohes Interesse, aktuell kl<strong>in</strong>isch gebräuchliche<br />

Techniken zu perfektionieren und neue<br />

Technologien zu implementieren.<br />

Bei medikamentös therapierefraktären PatientInnen<br />

s<strong>in</strong>d kortikale <strong>Dysplasien</strong> zu e<strong>in</strong>em<br />

hohen Prozentsatz für die chronische Exzitabilität<br />

<strong>der</strong> Hirnr<strong>in</strong>de und <strong>der</strong> daraus resultierenden<br />

Anfälle verantwortlich. Häufig s<strong>in</strong>d<br />

diese Störungen <strong>der</strong> Kortex-Struktur jedoch<br />

sehr subtil und können sich <strong>der</strong> <strong>Diagnostik</strong><br />

bei Durchführung mit herkömmlichen Sequenzen<br />

entziehen. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d die<br />

Grenzen <strong>der</strong> dysplastischen Regionen oft unklar,<br />

sie können über die sichtbare Läsion h<strong>in</strong>ausreichen<br />

und bee<strong>in</strong>trächtigen den Kortex<br />

viel ausgedehnter als durch e<strong>in</strong>e mögliche dargestellte<br />

Signalalteration zu vermuten wäre.<br />

Klassifikation<br />

<strong>der</strong> kortikalen <strong>Dysplasien</strong><br />

E<strong>in</strong> Vorschlag zur E<strong>in</strong>teilung <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Untergruppen <strong>kortikaler</strong> <strong>Dysplasien</strong>, <strong>der</strong><br />

sowohl histopathologische als auch kl<strong>in</strong>ische<br />

und bildgebende Faktoren berücksichtigt, 1<br />

ist <strong>in</strong> Tabelle 1 dargestellt. Kortikale <strong>Dysplasien</strong><br />

werden dabei <strong>in</strong> „milde Malformationen<br />

<strong>der</strong> kortikalen Entwicklung“ (mMCD, mild<br />

malformations of the cortical development),<br />

„fokale kortikale <strong>Dysplasien</strong> Typ I (FCD I, focal<br />

cortical dysplasia type I) und „fokale kortikale<br />

<strong>Dysplasien</strong> Typ II“ (FCD II, focal cortical dysplasia<br />

type II) e<strong>in</strong>geteilt.<br />

Strukturelle<br />

MRI-Verän<strong>der</strong>ungen<br />

Typische H<strong>in</strong>weise für das Vorliegen e<strong>in</strong>er dysplastisch<br />

verän<strong>der</strong>ten Hirnr<strong>in</strong>de s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>erseits<br />

e<strong>in</strong>e Verdickung des Kortex und e<strong>in</strong>e unscharfe<br />

R<strong>in</strong>den-Mark-Grenze, verbunden mit<br />

e<strong>in</strong>em abnormen Signal (zumeist hyper<strong>in</strong>tens<br />

<strong>in</strong> T1 / T2 und FLAIR) im Bereich <strong>der</strong> R<strong>in</strong>de.<br />

An<strong>der</strong>erseits können aber auch e<strong>in</strong>e Verbreiterung<br />

<strong>der</strong> Sulci sowie e<strong>in</strong>e Atrophie <strong>der</strong> weißen<br />

Substanz <strong>in</strong> diesem Areal als <strong>in</strong>direkte<br />

Zeichen auftreten (Tab. 2).<br />

Charakteristische MRI-Verän<strong>der</strong>ungen bei bestimmten<br />

Untergruppen <strong>der</strong> kortikalen <strong>Dysplasien</strong><br />

s<strong>in</strong>d bislang noch nicht e<strong>in</strong>deutig detektiert<br />

worden, mithilfe neuer hochqualitativer<br />

Auflösungsverfahren (3 bzw. 7 Tesla<br />

Magnetfeldstärke) besteht allerd<strong>in</strong>gs die<br />

Hoffnung, dass e<strong>in</strong>e genauere Abgrenzung<br />

und Zuordnung <strong>der</strong> Läsionen <strong>in</strong> die oben erwähnten<br />

Untergruppen möglich se<strong>in</strong> wird.<br />

Basierend auf mehreren Studien, die e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Identifikation fokaler<br />

Abnormalitäten und e<strong>in</strong>e klarere Zuordnung<br />

unsicherer Signalverän<strong>der</strong>ungen bei bis<br />

zu 20 % berichteten, wird heute für e<strong>in</strong>e<br />

weiterführende (prächirurgische) Epilepsiediagnostik<br />

regulär e<strong>in</strong>e 3-T-MRI-Unter- u<br />

Tab. 1: Klassifikation <strong>kortikaler</strong> <strong>Dysplasien</strong> (Palm<strong>in</strong>i et al. 2004)<br />

Milde Malformationen <strong>der</strong> kortikalen Entwicklung<br />

Typ I Ektope Neuronen <strong>in</strong>/angrenzend an Schicht 1<br />

Typ II mikroskopisch neuronale Heterotopien außerhalb Schicht 1<br />

Fokal kortikale Dysplasie<br />

Typ I<br />

Typ II<br />

ke<strong>in</strong>e dysmorphischen Neurone, ke<strong>in</strong>e Ballon-Zellen<br />

I A<br />

I B<br />

Abnorme Schichtarchitektur<br />

Abnorme Schichtarchitektur + große o<strong>der</strong> unreife Neuronen<br />

Taylor-type mit dysmorphischen Neuronen<br />

II A<br />

II B<br />

Abnorme Schichtarchitektur<br />

Abnorme Schichtarchitektur + Ballon-Zellen<br />

93


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

<strong>Neuroimag<strong>in</strong>g</strong><br />

Tab. 2: MRI-Verän<strong>der</strong>ungen bei kortikalen <strong>Dysplasien</strong><br />

Kortex<br />

hyper<strong>in</strong>tens <strong>in</strong> T2/FLAIR<br />

hyper<strong>in</strong>tens <strong>in</strong> T1<br />

verdickter Kortex<br />

fokale Hypoplasie/Atrophie<br />

Verbreiterung des Gyrus<br />

tiefer Sulcus<br />

R<strong>in</strong>den-Mark-Grenze<br />

verschwommen <strong>in</strong> T2/FLAIR<br />

verschwommen <strong>in</strong> T1<br />

suchung empfohlen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wenn bei<br />

niedrigerer Feldstärke e<strong>in</strong> unauffälliger Befund<br />

gefunden wurde.<br />

Auch <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz so genannten „Phased-<br />

Array“-Oberflächenspulen (bis zu 32-Kanal)<br />

führt aufgrund <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>geren Entfernung<br />

<strong>der</strong> Spulen zum Gehirn zu e<strong>in</strong>em deutlich<br />

verbesserten Signal aus dem Kortex und zu<br />

e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>deutigen Verbesserung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diagnostik</strong><br />

<strong>kortikaler</strong> <strong>Dysplasien</strong> 2 .<br />

E<strong>in</strong>satz automatisierter<br />

Detektionsmethoden<br />

Weiße Substanz<br />

Abnahme des Signals vom Kortex Richtung Ventrikel<br />

(T2/FLAIR hyper<strong>in</strong>tens, manchmal T1 hypo<strong>in</strong>tens)<br />

diffuse Hyper<strong>in</strong>tensität T2/FLAIR<br />

diffuse Atrophie<br />

In <strong>der</strong> visuellen Analyse ist die e<strong>in</strong>deutige<br />

Diagnose und Beurteilung <strong>der</strong> Ausdehnung<br />

<strong>kortikaler</strong> <strong>Dysplasien</strong> durch die natürlich variierende<br />

Dicke und Signalunterschiede <strong>der</strong><br />

Hirnr<strong>in</strong>de sowie <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> Hirnw<strong>in</strong>dungen<br />

und den dadurch entstehenden<br />

Anschnittphänomenen deutlich erschwert.<br />

Automatisierte Methoden wie die „Voxelbased“<br />

Morphometrie sollen die diagnostische<br />

Genauigkeit optimieren, <strong>in</strong>dem durch<br />

Vergleich jedes e<strong>in</strong>zelnen Voxels im Patientenscan<br />

mit analogen Voxels e<strong>in</strong>er Kontrollgruppe<br />

Abweichungen <strong>in</strong> Volumen, Signal<strong>in</strong>tensität<br />

o<strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Hirnr<strong>in</strong>de bzw. Kontrast<br />

<strong>der</strong> R<strong>in</strong>den-Mark-Grenze registriert wird.<br />

Trotz des Risikos, falsch positive und falsch<br />

negative H<strong>in</strong>weise durch diese Methode zu<br />

f<strong>in</strong>den, eignet sich diese Methode hervorragend,<br />

um subtile kortikale Verän<strong>der</strong>ungen,<br />

die sonst <strong>in</strong> <strong>der</strong> visuellen Auswertung übersehen<br />

worden wären, zu f<strong>in</strong>den. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

s<strong>in</strong>d durch solche computerunterstützte Techniken<br />

noch ke<strong>in</strong>e nur pathologisch verifizierbaren<br />

kortikalen Verän<strong>der</strong>ungen detektiert<br />

worden.<br />

Diffusion Tensor<br />

Imag<strong>in</strong>g/Traktographie<br />

Bislang erbrachte die Anwendung diffusionsgewichteter<br />

Sequenzen ke<strong>in</strong>en Benefit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Diagnostik</strong> und Beurteilung <strong>der</strong> Ausdehnung<br />

<strong>kortikaler</strong> <strong>Dysplasien</strong>. Indirekt könnte jedoch<br />

die Darstellung größerer Faserverb<strong>in</strong>dungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> weißen Substanz mittels <strong>der</strong> Traktographie<br />

für die Planung e<strong>in</strong>es chirurgischen<br />

E<strong>in</strong>griffes bei ausgedehnten kortikalen Malformationen<br />

hilfreich se<strong>in</strong>. Außerdem wäre<br />

es dadurch auch möglich, e<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

subkortikal verlaufen<strong>der</strong> Faserverb<strong>in</strong>dungen<br />

durch die kortikale Dysplasie zu visualisieren.<br />

EEG-gekoppelte<br />

funktionelle MRT<br />

Die Darstellung regionaler Än<strong>der</strong>ungen des<br />

zerebralen Blutflusses während <strong>in</strong>teriktaler<br />

Spikeaktivität im Bereich <strong>kortikaler</strong> <strong>Dysplasien</strong><br />

kann durch die simultane EEG-fMRI-Untersuchung<br />

ermöglicht werden. In e<strong>in</strong>zelnen Studien<br />

konnte bereits e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen<br />

<strong>der</strong> dadurch lokalisierbaren <strong>in</strong>teriktalen<br />

R<strong>in</strong>denaktivität und <strong>der</strong> iktalen Anfallsaktivität<br />

nachgewiesen werden.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> prächirurgischen Epilepsiediagnostik<br />

könnte daher diese Modalität<br />

wichtige Zusatz<strong>in</strong>formationen h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />

genauen Lokalisation <strong>der</strong> durch die kortikalen<br />

<strong>Dysplasien</strong> ausgelösten Spikes bieten und<br />

damit helfen, das geplante Resektionsausmaß<br />

exakter zu lokalisieren bzw. e<strong>in</strong>zugrenzen.<br />

Derzeit ist jedoch diese Technik noch<br />

sehr aufwändig und artefaktanfällig, sodass<br />

e<strong>in</strong>e rout<strong>in</strong>emäßige Anwendung im kl<strong>in</strong>ischen<br />

Bereich <strong>in</strong> nächster Zeit noch nicht zu<br />

erwarten ist.<br />

Resümee<br />

Kortikale <strong>Dysplasien</strong> stellen im Bereich <strong>der</strong><br />

Epileptologie und <strong>der</strong> prächirurgischen Epilepsiediagnostik<br />

e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

dar. Neue Entwicklungen im <strong>Neuroimag<strong>in</strong>g</strong><br />

bieten e<strong>in</strong>e deutlich erhöhte Sensitivität<br />

für die Darstellung dieser kortikalen Läsionen<br />

an und helfen damit, die postoperativen Ergebnisse<br />

nach epilepsiechirurgischem E<strong>in</strong>griff<br />

deutlich zu verbessern. Vor allem im Bereich<br />

computerunterstützter automatisierter Detektionsmethoden<br />

und <strong>der</strong> simultanen EEGfMRI<br />

besteht <strong>in</strong> nächster Zukunft e<strong>in</strong> hohes<br />

Potenzial für den kl<strong>in</strong>ischen E<strong>in</strong>satz.<br />

1 Palm<strong>in</strong>i A et al., Term<strong>in</strong>ology and classification of the<br />

cortical dysplasias. Neurology 2004; 62 (6 Suppl 3):S2–8<br />

2 Knake S et al., 3T phased array MRI improves the<br />

presurgical evaluation <strong>in</strong> focal epilepsies: a prospective<br />

study. Neurology 2005; 65(7):1026–31<br />

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