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Neues aus der Epileptologie - Österreichische Gesellschaft für ...

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P.b.b. 07Z037411M, Benachrichtigungspostamt 1070 Wien, ISSN 2223-0629<br />

neurologisch<br />

Fachmagazin für Neurologie AUSGABE 1/13<br />

Offizielles Organ<br />

<strong>der</strong> Österreichischen<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Neurologie<br />

MedMedia<br />

Verlags Ges.m.b.H.<br />

<strong>Neues</strong> <strong>aus</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Epileptologie</strong><br />

Part of Medical Opinion Network<br />

Kongresshighlights<br />

European Charcot Foundation 2012<br />

16. Jahrestagung <strong>der</strong> ÖGSF 2013<br />

Für die Praxis<br />

Die Gesundheitspolitik o<strong>der</strong><br />

die Abschaffung des freien<br />

Berufes Arzt<br />

Neurologie aktuell<br />

Gedächtnisstörungen im Alter –<br />

ein diagnostischer Leitfaden


Editorial<br />

Sehr geehrte Frau Kollegin,<br />

sehr geehrter Herr Kollege!<br />

DDie erste Ausgabe von neurologisch im Jahr<br />

2013 soll Ihnen wie<strong>der</strong>um mit einem Schwerpunktthema<br />

und zahlreichen weiteren Beiträgen<br />

Wissenswertes und Updates <strong>aus</strong> unserem<br />

Fachgebiet bieten.<br />

Der Schwerpunkt Epilepsie, redigiert durch<br />

Prof. Eugen Trinka, Salzburg, hebt die Bedeutung<br />

dieser schwerwiegenden und mit<br />

80.000 in Österreich betroffenen PatientInnen<br />

häufigen Erkrankung hervor. Im Speziellen<br />

werden die Themenkreise Frontallappenepilesie,<br />

MR- und nuklearmedizinische Diagnostik,<br />

Neurostimulation und Radiotherapie<br />

behandelt. Ein differenzierter Zugang zur<br />

Arbeitsfähigkeit von EpilepsiepatientInnen<br />

stellt eine sehr praxisrelevante Ergänzung dar.<br />

In <strong>der</strong> Rubrik „Neurologie in Österreich“ zeigt<br />

sich wie<strong>der</strong>um die unermüdliche Produktivität<br />

von Prof. Kurt Jellinger auf dem Gebiet<br />

<strong>der</strong> Neuropathologie. Kongressberichte vom<br />

Charcot-Meeting und von <strong>der</strong> Jahrestagung<br />

<strong>der</strong> Österreichischen Schlaganfallgesellschaft<br />

sowie viele aktuelle Beiträge unserer Beiräte<br />

ergänzen das Angebot dieser Ausgabe.<br />

Ein Blick auf den Kongresskalen<strong>der</strong> wird Ihnen<br />

zeigen, dass die ÖGN wie<strong>der</strong>um zahlreiche<br />

Fortbildungsveranstaltungen anbietet, die<br />

zum Teil bereits bis ins Jahr 2014 im Detail<br />

geplant werden. Natürlich darf ich in diesem<br />

Zusammenhang wie<strong>der</strong> an den Weltkongress<br />

erinnern, den die ÖGN als Gastgebergesellschaft<br />

zusammen mit <strong>der</strong> World Fe<strong>der</strong>ation<br />

of Neurology und <strong>der</strong> European Fe<strong>der</strong>ation of<br />

Neurological Societies von 21. bis 26. September<br />

2013 mit Prof. Eduard Auff als Kongresspräsidenten<br />

in Wien veranstalten wird.<br />

Näheres berichten <strong>der</strong> WFN-Trustee Prof.<br />

Wolfgang Grisold und <strong>der</strong> WFN-Präsident<br />

Prof. Vladimir Hachinski in diesem Heft; einen<br />

historischen Rückblick auf den 1965 bereits<br />

einmal in Wien veranstalteten WFN-Kongress<br />

gibt Prof. Franz Gerstenbrand.<br />

Die Vorbereitungen für den Weltkongress<br />

sind in vollem Gange. Zu den sonstigen<br />

<strong>der</strong>zeitigen Aktivitäten <strong>der</strong> ÖGN darf ich<br />

Ihnen berichten, dass zahlreiche standespolitische<br />

Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ungen, die sich in den<br />

letzten Jahren bereits abgezeichnet hatten,<br />

jetzt auf unsere <strong>Gesellschaft</strong> zukommen. So<br />

ist die Nachbesetzung <strong>der</strong> Kassenordinationen<br />

nach Pensionierung von DoppelfachärztInnen<br />

ein Thema, das die neurologische<br />

Versorgung <strong>der</strong> Bevölkerung direkt betrifft<br />

und wo wir als Fachgesellschaft bemüht sind,<br />

die Entscheidungsträger auf die Notwendigkeit<br />

einer <strong>aus</strong>gewogenen Nachbesetzung<br />

aufmerksam zu machen. Das Idealziel muss<br />

eine Nachbesetzung mit jeweils einem Vertreter/einer<br />

Vertreterin bei<strong>der</strong> Fachrichtungen<br />

sein, wie dies auch dem Credo einer Entlastung<br />

<strong>der</strong> Spitalsambulanzen entsprechen<br />

würde. Realistischer ist es allerdings, in Anbetracht<br />

<strong>der</strong> um sich greifenden Einspartendenzen<br />

zumindest eine weitere Reduktion an<br />

Kassenstellen zu verhin<strong>der</strong>n. Hierfür setzen<br />

wir uns in enger Zusammenarbeit mit den<br />

Fachgruppenobleuten ein.<br />

Auch auf dem Gebiet <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit<br />

arbeiten wir an unserer Zielvorgabe, die<br />

Neurologie <strong>der</strong> Bevölkerung, aber ebenso<br />

den politischen Entscheidungsträgern in ihrer<br />

bereits jetzt bestehenden und im Zuge <strong>der</strong><br />

demografischen Verän<strong>der</strong>ungen stetig wachsenden<br />

Bedeutung nahe zu bringen und auf<br />

den Wandel hin zu einem therapeutisch hoch<br />

aktiven Fach aufmerksam zu machen.<br />

Bei all diesen Bemühungen sind wir auf die<br />

Unterstützung und die Mitarbeit unserer<br />

Mitglie<strong>der</strong> und die weitere gute Zusammenarbeit<br />

mit den assoziierten <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

angewiesen.<br />

Auch für die lebhafte Beteiligung aller AutorInnen<br />

und BeitragsgestalterInnen unserer<br />

Zeitschrift neurologisch möchte ich mich an<br />

dieser Stelle – auch im Namen <strong>der</strong> beiden<br />

Chefredakteure – herzlich bedanken. Wie<br />

immer wünsche ich viel Freude und Anregung<br />

bei <strong>der</strong> Lektüre!<br />

Mit kollegialen Grüßen<br />

Priv.-Doz. Dr. Regina Katzenschlager<br />

Priv.-Doz. Dr.<br />

Regina Katzenschlager<br />

SMZ Ost, Wien,<br />

Präsidentin <strong>der</strong> ÖGN<br />

Wollen Sie mit uns<br />

in Kontakt treten?<br />

Leserbriefe erwünscht:<br />

neurologisch@medmedia.at o<strong>der</strong><br />

Seidengasse 9/Top1.1,<br />

1070 Wien<br />

Chefredaktion<br />

neurologisch<br />

Dr.<br />

Michael Ackerl<br />

Oberpullendorf<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Bruno Mamoli<br />

Generalsekretär<br />

<strong>der</strong> ÖGN<br />

Foto: medcommunications<br />

3


Wissenschaftlicher<br />

Beirat<br />

Leitmotiv <strong>der</strong><br />

aktuellen Ausgabe neurologisch<br />

„Mein Zugang zu dem Thema Epilepsie war die blaue Farbe im Gesicht, weil <strong>der</strong> Patient<br />

blau wird, wenn man ihn nach dem epileptischen Anfall nicht in eine stabile Seitenlage<br />

bringt. Das Bild bezieht sich auf eine Krankheit, von <strong>der</strong> man plötzlich heftig ergriffen<br />

und überwältigt wird. In dem Bild sieht man zwei Köpfe, weil man in <strong>der</strong> Regel erst<br />

nach Auftreten von zwei epileptischen Anfällen von Epilepsie spricht.“<br />

Der 1983 in Babol, Iran, geborene Künstler Farshid Larimian entschied sich nach dem<br />

Abschluss mit einem Bachelor of Chemical Engineering 2007 und mehreren Jahren<br />

autodidaktischer künstlerische Beschäftigung für eine künstlerische Ausbildung in Österreich.<br />

Seit 2008 studiert Larimian an <strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> bildenden Künste in Wien.<br />

Larimian nahm in den letzten Jahren an verschiedenen Gruppen<strong>aus</strong>stellungen teil:<br />

2011 „Show off!“, SPM – Salsali Private<br />

Museum, Dubai; „Hinterland meets Iran“,<br />

Vienna Art Week, Wien; „Division by Zero“,<br />

Carbon12 Gallery, Dubai; „For Whom the<br />

Bell Tolls“, Stadtmuseum St. Pölten<br />

2012 III Moscow International Biennale<br />

for Young Art „Qui Vive?“, National<br />

Museum for Contemporary Art, Moscow;<br />

„Without Bor<strong>der</strong>2“, Museum of Contemporary<br />

Art, Isfahan, Iran<br />

Farshid Larimian<br />

Bewegungsstörungen<br />

Univ.-Prof. Dr. Eduard Auff, Wien<br />

Priv.-Doz. Dr. Regina Katzenschlager, Wien<br />

Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe, Innsbruck<br />

Epilepsie<br />

Univ.-Prof. DI Dr. Christoph Baumgartner, Wien<br />

Priv.-Doz. Dr. Michael Feichtinger, Graz<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Eugen Trinka, Salzburg<br />

Schlafstörungen<br />

Univ.-Prof. Dr. Birgit Högl, Innsbruck<br />

Dr. Stefan Seidel, Wien<br />

Neurorehabilitation<br />

Univ.-Prof. Dr. Eduard Auff, Wien<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Heinrich Bin<strong>der</strong>, Wien<br />

Univ.-Prof. Dr. Leopold Saltuari, Hochzirl<br />

Schlaganfall<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Brainin, Tulln<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Lang, Wien<br />

Univ.-Prof. Dr. Johann Willeit, Innsbruck<br />

Schmerz<br />

Dr. Gerhard Franz, Telfs<br />

Prim. Priv.-Doz. Dr. Christian Lampl, Linz<br />

Prim. Priv.-Doz. Dr. Nenad Mitrovic, Vöcklabruck<br />

Neuromuskuläre Erkrankungen<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold, Wien<br />

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Löscher, Innsbruck<br />

Multiple Sklerose<br />

Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger, Innsbruck<br />

Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas, Graz<br />

Priv.-Doz. Dr. Jörg Kr<strong>aus</strong>, Salzburg<br />

Demenz<br />

Univ.-Prof. Dr. Thomas Benke, Innsbruck<br />

Univ.-Prof. Dr. Peter Dal-Bianco, Wien<br />

Univ.-Prof. Dr. Reinhold Schmidt, Graz<br />

Autonome Störungen<br />

DI Dr. Heinz Lahrmann, Wien<br />

Dr. Walter Struhal, Linz<br />

Univ.-Prof. Dr. Gregor Wenning, Innsbruck<br />

Neurogeriatrie<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Iglse<strong>der</strong>, Salzburg<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ransmayr, Linz<br />

Prim. Univ.-Doz. Dr. Josef Spatt, Wien<br />

Neurochirurgie<br />

Univ.-Prof. Dr. Engelbert Knosp, Wien<br />

Prim. Univ.-Doz. Dr. Manfred Mühlbauer, Wien<br />

Prim. Doz. Dr. Gabriele Wurm, Linz<br />

Neuroimaging<br />

Prim. Univ.-Prof. DDr. Susanne Asenbaum-Nan, Amstetten<br />

Assoz. Prof. Dr. Christian Enzinger, Graz<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Kapeller, Villach<br />

IMPRESSUM Her<strong>aus</strong>geber: Österreichische <strong>Gesellschaft</strong> für Neurologie, Priv.-Doz. Dr. Regina Katzenschlager, Präsidentin <strong>der</strong> ÖGN. Chefredaktion: Dr. Michael Ackerl,<br />

Univ.-Prof. Dr. Bruno Mamoli. Medieninhaber und Verlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H, Seidengasse 9/Top 1.1, A-1070 Wien, Tel.: 01/407 31 11-0, E-Mail: office@<br />

medmedia.at. Verlagsleitung: Mag. Gabriele Jerlich. Redaktion: Maria Uhl. Lektorat: onlinelektorat@aon.at. Layout/DTP: Martin Grill. Projektbetreuung: Natascha Fial. Coverbild:<br />

Farshid Larimian. Print: „agensketterl“ Druckerei GmbH, Mauerbach. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift ist zum Einzelpreis von Euro 9,50 plus MwSt. zu beziehen. Druckauflage:<br />

8.067 Stück im 2. Halbjahr 2012, geprüft von <strong>der</strong> Österreichischen Auflagenkontrolle. Grundsätze und Ziele von neurologisch: Kontinuierliche medizinische Fortbildung für<br />

Neuro logen, Psychiater und Allgemeinmediziner. Allgemeine Hinweise: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche und/o<strong>der</strong> wissenschaftliche Meinung des jeweiligen<br />

Autors wie<strong>der</strong> und fallen somit in den persönlichen Verantwortungsbereich des Verfassers. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen<br />

Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwen<strong>der</strong> auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Medieninhaber und Her<strong>aus</strong>geber<br />

keinerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Ausgewählte Artikel dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.medmedia.at zum Download. Alle<br />

Rechte, insbeson<strong>der</strong>e das Recht <strong>der</strong> Vervielfältigung und Verbreitung sowie <strong>der</strong> Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Fotokopie,<br />

Mikrofilm o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>es Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert o<strong>der</strong> unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet,<br />

vervielfältigt, verwertet o<strong>der</strong> verbreitet werden.<br />

OFFENLEGUNG gemäß §25 Mediengesetz:<br />

Verlag: MedMedia Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. Geschäftsführer: Mag. Wolfgang Maierhofer. Inhaber: 50 % P&V Holding AG, 45 %<br />

Wolfgang Maierhofer Privatstiftung, 5 % Mag. Gabriele Jerlich. Gegenstand des Unternehmens: Herstellung und Vertrieb von Medien aller Art. Medieninhaber: MedMedia<br />

Verlag und Media service Ges.m.b.H. Redaktion: Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien. Hersteller: „agensketterl“ Druckerei GmbH, Mauerbach.<br />

5


Inhalt 1/2013<br />

GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN<br />

8 Neuigkeiten <strong>aus</strong> <strong>der</strong> ÖGN<br />

104 Veranstaltungskalen<strong>der</strong><br />

SCHWERPUNKT:<br />

<strong>Neues</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Epileptologie</strong><br />

17 Einleitung<br />

E. Trinka, Salzburg<br />

18 Diagnose <strong>der</strong> Frontallappenepilepsie<br />

C. Tilz, Regensburg<br />

20 Magnetresonanztomografie:<br />

State of the Art in <strong>der</strong> <strong>Epileptologie</strong><br />

G. Kuchukhidze, Salzburg, E. Pataraia, Wien,<br />

M. McCoy, Salzburg<br />

28 Nuklearmedizinische Diagnostik<br />

J. von Oertzen, Linz<br />

35 Neurostimulation<br />

in <strong>der</strong> Epilepsiebehandlung<br />

M. Leitinger, Salzburg<br />

39 Radiochirurgie und Radiotherapie<br />

H. Stefan, Erlangen<br />

42 Epilepsie – Arbeiten erlaubt!?<br />

Fakten statt Vorurteile<br />

E. Pless, Graz<br />

NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH<br />

51 Aktuelle Studien zu<br />

neurodegenerativen Erkrankungen<br />

K. Jellinger, Wien<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

62 Die Gesundheitspolitik o<strong>der</strong> die<br />

Abschaffung des freien Berufes Arzt<br />

H. Spiss, Imst<br />

65 Buchrezension: Neurologische<br />

Differenzialdiagnostik<br />

M. Ackerl<br />

NEUROLOGIE AKTUELL<br />

67 Bewegungsstörungen<br />

G. Ransmayr, Linz<br />

68 Schlafstörungen<br />

H. Cetin, Wien<br />

74 Schlaganfall<br />

S. Kiechl, J. Willeit, Innsbruck<br />

80 Multiple Sklerose<br />

M. Guger, Linz<br />

86 Demenz<br />

T. Benke, Innsbruck<br />

90 Neurogeriatrie<br />

G. Ransmayr, Linz<br />

90 Autonome Störungen<br />

G. Wenning, F. Krismer, N. Stefanova, Innsbruck<br />

92 Neurochirurgie<br />

G. Wurm, M. Lehner, Linz<br />

94 Neuroimaging<br />

R. Krendl, P. Kapeller, Villach<br />

96 Neuroonkologie<br />

W. Grisold, E. Lindeck-Pozza, Wien<br />

100 Pharma-News<br />

Kongress-highlights<br />

Fotos: Gina San<strong>der</strong>s, arenaphotouk - Fotolia.com<br />

55 Highlights des Charcot-Meetings 2012<br />

M. Guger, Linz, J. Kr<strong>aus</strong>, Salzburg<br />

58 16. Jahrestagung <strong>der</strong> ÖGSF<br />

T. Seifert-Held, Graz<br />

7


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

„Fostering quality neurology and brain health world wide“<br />

World Fe<strong>der</strong>ation of Neurology (WFN)<br />

Der 21. Weltkongress für Neurologie (WCN) wird von 21. bis 26. September 2013 in Wien stattfinden. Damit ist<br />

Wien in <strong>der</strong> glücklichen Lage, nach 1965 bereits zum zweiten Mal Gastgeber des WCN zu sein.<br />

Österreich, seit Langem Mitglied, hat immer aktiv in <strong>der</strong><br />

WFN mitgearbeitet. Aus historischer Sicht sind Hans Hoff,<br />

Gerhard Lechner und Franz Gerstenbrand beson<strong>der</strong>s zu<br />

erwähnen. Aktuell ist Österreich in <strong>der</strong> WFN mit einem<br />

Trustee, Wolfgang Grisold, einem nationalen Delegierten,<br />

Erich Schmutzhard, sowie zahlreichen Mitglie<strong>der</strong>n in Research<br />

Groups vertreten.<br />

World Fe<strong>der</strong>ation of Neurology: Die WFN wurde 1957<br />

in Brüssel gegründet, <strong>der</strong> erste Kongress <strong>der</strong> WFN fand<br />

1961 in Rom statt. Die Entwicklung <strong>der</strong> WFN-Struktur bis<br />

zum heutigen Zeitpunkt erfolgte in mehreren Stufen. Die<br />

<strong>der</strong>zeitige Struktur wird durch zahlreiche Research Groups,<br />

Komitees und die Aufgabe, den WCN regelmäßig zu organisieren,<br />

bestimmt. Von den nationalen Delegierten werden die Officers gewählt,<br />

die als Trustees das oberste Gremium <strong>der</strong> WFN darstellen.<br />

Die WFN hat <strong>der</strong>zeit 114 Mitgliedsgesellschaften in 113 Staaten. Die<br />

Zahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> wird auf 25.000–27.000 geschätzt, wobei die<br />

Angaben beson<strong>der</strong>s in den asiatischen Staaten sehr unterschiedlich<br />

sind. Insbeson<strong>der</strong>e in China ist die Zahl <strong>der</strong> Neurologen/Neurologinnen<br />

aufgrund unterschiedlicher Angaben nur ungenau schätzbar.<br />

Eine wichtige Informationsquelle zur weltweiten Verteilung <strong>der</strong> Neurologie<br />

ist <strong>der</strong> WHO-Atlas von Prof. Johann Aarli, Past-President <strong>der</strong><br />

WFN (www.who.int/mental_health/neurology/epidemiology/en/). Laufende<br />

Informationen über die WFN kann man über die Zeitschrift<br />

„World Neurology“ erhalten (www.wfneurology.org/world-neurology<br />

---december-2011).<br />

Prim. Univ.-Prof.<br />

Dr. Wolfgang<br />

Grisold<br />

WFN-Leitung: Die WFN ist eine Organisation mit britischem Charity-<br />

Status und damit den strengen Statuten von Charity-Organisationen<br />

des UK unterworfen. Die Leitung wird durch die 3 „elected trustees“<br />

als oberstes Gremium gewährleistet, die jeweils für die Dauer von 3<br />

Jahren gewählt werden und die nach englischem Recht mit ihrem<br />

persönlichen Eigentum haftbar sind. Alle 4 Jahre werden ein Präsident<br />

und Vizepräsident gewählt, <strong>der</strong>en Administration dann die weiteren<br />

4 Jahre bestimmt. Außerdem gibt es einen „secretary treasurer general“<br />

mit einer längeren Funktionsperiode. WFN-Präsident ist <strong>der</strong>zeit<br />

Prof. Vladimir Hachinski. Die nächste Präsidentenwahl findet beim<br />

WCN 2013 in Wien statt. Die Statuten können von <strong>der</strong> Website<br />

heruntergeladen werden.<br />

Die Wahlen werden nach Wahlvorschlägen durch ein „nominating<br />

committee“ vorbereitet und in <strong>der</strong> Generalversammlung <strong>der</strong> Delegierten<br />

durchgeführt. Die 6 „Officers“ bestehen <strong>aus</strong> Präsident, Vizepräsident,<br />

„secretary treasurer general“ und 3 „elected<br />

trustees“. Bis zu 2 „trustees“ können kooptiert (<strong>der</strong>zeit<br />

Steve Sergay und Donna Bergen, beide USA) und für spezielle<br />

Aufgaben eingesetzt werden.<br />

Regionale Struktur: Die WFN versteht sich als weltumfassende<br />

Organisation mit regionalen (kontinentalen) <strong>Gesellschaft</strong>en.<br />

In Europa ist das die EFNS (www.efns.org), die<br />

<strong>aus</strong> diesem Grund 2013 auch ihren Kongress zusammen<br />

mit <strong>der</strong> WFN und ÖGN abhält. Regionale <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

gibt es auf allen Kontinenten, die wichtige Anliegen <strong>der</strong><br />

einzelnen Kontinente in die WFN einbringen. In den letzten<br />

Jahren wurden beson<strong>der</strong>s viele Anstrengungen für Afrika<br />

unternommen. In einigen afrikanischen Län<strong>der</strong>n ist die Neurologie<br />

sehr unterrepräsentiert o<strong>der</strong> nicht vorhanden. Der letzte WCN 2011<br />

in Marrakesch war ein Zeichen für das Engagement <strong>der</strong> WFN in<br />

Afrika. Auch zu erwähnen ist, dass die EFNS zusammen mit <strong>der</strong> WFN<br />

Fortbildungen in Afrika veranstaltet. Im Rahmen <strong>der</strong> Initiative für<br />

Asien wird versucht, eine regionale Struktur für den bevölkerungsreichsten<br />

Kontinent zu etablieren.<br />

Research Groups: Historisch hat die WFN Research Groups gebildet,<br />

<strong>aus</strong> denen sich einzelne zu eigenständige <strong>Gesellschaft</strong>en entwickelt<br />

haben. Unter <strong>der</strong> Leitung des „co-opted trustees“ Donna Bergen ist<br />

es gelungen, die Struktur <strong>der</strong> Research Groups in den letzten Jahren<br />

zu verbessern und den Gegebenheiten anzupassen.<br />

WFN und WHO: Eine wichtige Aktivität <strong>der</strong> WFN ist die Kooperation<br />

mit <strong>der</strong> WHO und an<strong>der</strong>en internationalen Gesundheitsorganisationen.<br />

Derzeit wird mit Hilfe <strong>der</strong> WFN zusammen mit <strong>der</strong> IBRO<br />

(International Brain Research Organisation) an Möglichkeiten für eine<br />

verbesserte Ausbildung in Afrika gearbeitet. Die Expertise <strong>der</strong> WFN<br />

wird von <strong>der</strong> WHO geschätzt; die WFN ist an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

neuen ICD-Klassifikation beteiligt.<br />

An<strong>der</strong>e wissenschaftliche <strong>Gesellschaft</strong>en: Innerhalb <strong>der</strong> Neurologie<br />

haben sich in den vergangenen Jahren bedeutende spezialisierte<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en gebildet, wie die Liga gegen Epilepsie, die Movement<br />

Society, die Schlaganfallgesellschaft, die Peripheral Nerve Society und<br />

viele an<strong>der</strong>e. Vorrangiges Ziel <strong>der</strong> WFN wird es sein, diese <strong>Gesellschaft</strong>en<br />

in die weltweite Entwicklung <strong>der</strong> WFN einzubeziehen und<br />

nach Möglichkeit auch gemeinsame Aktivitäten, wie z. B. Fortbildungen,<br />

weltweit ins Leben zu rufen.<br />

8


World Congress of Neurology: Die alle 2 Jahre stattfindenden<br />

Kongresse <strong>der</strong> WFN bieten immer ein weit gespanntes wissenschaftliches<br />

und Fortbildungsprogramm. In den letzten Jahren wurde das<br />

Fortbildungsprogramm dahingehend verän<strong>der</strong>t, dass täglich<br />

„teaching courses“ und auch vermehrt Workshops und „hands-on“<br />

angeboten werden. Die morgendliche „free lecture“ hat sich in<br />

Marrakesch bewährt und soll den weltbesten ReferentInnen ermöglichen,<br />

wichtige Aspekte zu grundlegenden Themen zu präsentieren.<br />

Neben <strong>der</strong> internationalen Neurologie werden bei den Kongressen<br />

auch regionale Aspekte behandelt (heuer Europa).<br />

In Zukunft möchte die WFN auch über ihre Website edukatorische<br />

Inhalte anbieten. Möglicherweise wird die WFN eine Kooperation<br />

mit „e-brain“ eingehen, die Möglichkeit <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> des<br />

Ausb<strong>aus</strong> <strong>der</strong> „Seminars in Neurology“ ist im Gespräch.<br />

Neben <strong>der</strong> Durchführung von Veranstaltungen beteiligt sich die<br />

WFN bei den afrikanischen „teaching courses“ <strong>der</strong> EFNS und möchte<br />

in Zukunft auch zusammen mit den spezialisierten wissenschaftlichen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en (z. B. Schlaganfall, Epilepsie) eigene lokale<br />

„teaching courses“ veranstalten.<br />

Ebenso ist die Anerkennung von Kongressen Teil <strong>der</strong> WFN-Aufgaben,<br />

mit dem Ziel, die Qualität und Unabhängigkeit vor kommerziellen<br />

Einflüssen zu sichern.<br />

Seit 2011 vergibt die WFN auch „grants“ (2012 waren es 10), die<br />

für Projekte von einem unabhängigen Komitee vergeben werden.<br />

Ein Großteil dieser „grants“ hat edukatorische Inhalte und wird<br />

vom Education Committee betreut und monitiert. Themen dieser<br />

„grants“ und Berichte werden auf <strong>der</strong> Website veröffentlicht.<br />

Ein sehr beliebtes und wichtiges Instrument ist das Continuum <strong>der</strong><br />

AAN (www.aan.com). Diese exzellente Fortbildungspublikation <strong>der</strong><br />

AAN wird von <strong>der</strong> WFN und AAN bedürftigen Län<strong>der</strong>n zur Verfügung<br />

gestellt. Die Empfänger sind aufgefor<strong>der</strong>t, regelmäßige Treffen zur<br />

Diskussion <strong>der</strong> Inhalte zu veranstalten und durch einen Bericht zu<br />

bestätigen. Regelmäßige Reports dieser Treffen werden an die WFN<br />

und AAN geleitet und zeigen, wie groß das weltweite Interesse am<br />

Continuum ist.<br />

Seit langer Zeit unterstützt die WFN junge Kollegen/Kolleginnen bei<br />

Kongressbesuchen. „Junior fellow travel grants“ sind ein wichtiger<br />

Bestandteil <strong>der</strong> Unterstützung für ca. 30 Personen pro Jahr.<br />

Department Visits: Zusammen<br />

mit <strong>der</strong> türkischen <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Neurologie wurde im vergangenen<br />

Jahr erstmals ein Department-Visit-Programm<br />

für junge Neurologen/Neurologinnen <strong>aus</strong> Afrika<br />

eingeführt. Diese interessante Aktivität ermöglicht einen Besuch<br />

an einer türkischen Top-Universität für die Dauer von 6 Wochen<br />

und soll nicht nur <strong>der</strong> Erfahrung dienen, son<strong>der</strong>n auch Verbindungen<br />

aufbauen. Bereits 2 afrikanische Kollegen konnten von dieser<br />

Möglichkeit Gebrauch machen. Für 2013 hat die türkische <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Neurologie wie<strong>der</strong> 2 afrikanische Kollegen/Kolleginnen<br />

eingeladen.<br />

Weitere Entwicklung: Die WFN hat das Ziel, weltweit die Neurologie<br />

und ihre Qualität zu för<strong>der</strong>n und den Zugang für Patienten<br />

sicherzustellen. Dieses klare und einfach definierte Ziel ist nicht leicht<br />

umzusetzen, da die Neurologie weltweit sehr unterschiedlich repräsentiert<br />

ist. Auf <strong>der</strong> einen Seite des Spektrums stehen hoch entwickelte<br />

Län<strong>der</strong> mit vielen Ressourcen und guter Verfügbarkeit, auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite Län<strong>der</strong>, in denen es noch keine Neurologen/<br />

Neurologinnen gibt. Die positive Verän<strong>der</strong>ung dieser weltweiten<br />

Unterschiede ist eines <strong>der</strong> Ziele <strong>der</strong> WFN, die sie mit mehreren<br />

Strategien umzusetzen versucht: Unterstützung bei gesundheitspolitischen<br />

(z. B. IBRO), wissenschaftlichen („research groups“) und<br />

vor allem edukatorischen Maßnahmen wie Kongresse, „teaching<br />

courses“, „grants“ und individuelle Unterstützungen.<br />

Publikationen: Das offizielle Journal <strong>der</strong> WFN ist das Journal of<br />

the Neurological Sciences (www.journals.elsevier.com/journal-of-theneurological-sciences/),<br />

das ein breites wissenschaftliches Spektrum<br />

hat. Das regelmäßig erscheinende Informationsmagazin für die<br />

Mitglie<strong>der</strong> ist „World Neurology“, das ab 2013 nur mehr online<br />

mit allen Features einer elektronischen Publikation, wie z. B. Links,<br />

erscheinen wird (www.wfneurology.org). Auf <strong>der</strong> Website sind auch<br />

die „seminars in neurology“ und bei den jeweiligen Kongressen ist<br />

ein Großteil des Lehrmaterials <strong>der</strong> „teaching courses“ zu finden.<br />

Für eine zukünftige, zeitgemäße Entwicklung sollte ein Open-Access-<br />

Format mit edukatorischem Charakter entwickelt werden. u<br />

At work: Von Links nach Rechts: Gustavo Romano (US), Keith Newton (Office), Laura (Office), Riuyi Kaji (Japan),<br />

Donna Bergen (US), Raad Shakir (UK), Werner Hacke (D), Mazzie Sharp (Management Consultant) und Vladimir Hachinski (CND).<br />

9


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

Finanzierung: Die WFN ist eine Non-Profit-Organisation unter UK<br />

Charity Law. Das bedeutet, dass die WFN zwar Einnahmen hat,<br />

aber keine Gewinne machen kann. Einen Teil ihrer Einkünfte generiert<br />

die WFN <strong>aus</strong> den weltweiten Mitgliedsbeiträgen, ein Teil<br />

kommt von den Überschüssen <strong>der</strong> Kongresse und ein weiterer<br />

geringer Teil <strong>aus</strong> den Publikationen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite stehen<br />

Ausgaben für die Organisation. Die WFN hat ein Büro in London<br />

mit nur 2 Angestellten, weitere administrative Leistungen werden<br />

bei Bedarf zugekauft, außerdem gibt es Kosten für die Website<br />

sowie für Treffen und Reisen. Ziel ist es, die laufenden Kosten<br />

möglichst gering zu halten, um Ressourcen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Neurologie zu haben.<br />

Ziele: Neben <strong>der</strong> verbesserten Versorgung für PatientInnen mit<br />

neurologischen Erkrankungen ist die weltweite gesundheitspolitische<br />

Anerkennung neurologischer Erkrankungen (WHO) ein wichtiges Ziel;<br />

im edukatorischen Bereich stehen Einführung und Etablierung von<br />

weltweiten Standards im Sinne <strong>der</strong> Qualitätssicherung an vor<strong>der</strong>ster<br />

Stelle. Die praktische Umsetzung von Standards wird <strong>der</strong>zeit bereits<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Akkreditierung <strong>der</strong> afrikanischen „teaching courses“<br />

und möglicherweise in Zukunft in globalen Programmen umgesetzt.<br />

Wichtige Links:<br />

WFN-Website: www.wfneurology.org/<br />

WCN 2013 Homepage: www.wcn-neurology.com<br />

WCN abstract submission page:<br />

www2.kenes.com/wcn/scientific/Pages/CallforAbstracts.aspx<br />

WCN-Programm: www2.kenes.com/wcn/scientific/Pages/ScientificProgram.aspx<br />

Vienna Hosts World Neurology<br />

„Neurology in the age of globalization“ is the ambitious<br />

theme of the forthcoming World Congress of Neurology<br />

held in Vienna, September 21–26, 2013. The theme is<br />

appropriate and reflects a new reality. The rising number<br />

of neurological diseases forces us to look beyond our traditional<br />

roles and to reach across disciplines and past the<br />

comfortable bounds of our offices and hospitals. We need<br />

to be part of a larger effort to prevent, delay, treat and<br />

rehabilitate neurological disor<strong>der</strong>s.<br />

The World Fe<strong>der</strong>ation of Neurology has changed its mission<br />

„to foster quality neurology and brain health worldwide“,<br />

embracing a much enlarged agenda. In or<strong>der</strong> to help carry<br />

this out, it has formed the World Brain Alliance with a<br />

membership of 10 organizations:<br />

Alzheimer’s Disease International (ADI)<br />

European Brain Council (EBC)<br />

International Brain Research Organization (IBRO)<br />

International Child Neurology Association (ICNA)<br />

International League against Epilepsy (ILAE)<br />

World Fe<strong>der</strong>ation of Neurorehabilitation (WFNR)<br />

World Fe<strong>der</strong>ation of Neurology (WFN)<br />

World Fe<strong>der</strong>ation of Neurosurgical Societies (WFNS)<br />

World Psychiatry Association (WPA)<br />

World Stroke Organization (WSO)<br />

The ABC of the World Brain Alliance is Advocacy, Brain year, Collaborations.<br />

Advocacy: To take advantage of a United Nations Assembly resolution<br />

to advance a brain agenda by working through the World<br />

Health Organization.<br />

Dr. Vladimir<br />

Hachinski,<br />

CM, MD,<br />

FRCPC, DSc<br />

Ontario, Canada<br />

WFN President<br />

The author attended a high-level ministers meeting in<br />

Moscow co-sponsored by the WHO in April of 2011 and<br />

meetings at the United Nations, during consultation with<br />

the President of the General Assembly (June 2011) and<br />

subsequently at the time of adoption of the resolution on<br />

non-communicable diseases in September 2011. The work<br />

continues with emphasis on the three premises of the WBA:<br />

- There is no health without brain health;<br />

- Brain health and health begin with the mother’s and<br />

the child’s and their education and<br />

- Our brains are our future ©<br />

We continue to advocate where we can, including the<br />

World Health Assembly in Geneva, May 2012 and the<br />

Executive of the WHO this year.<br />

The WFN and the WHO have a close working relationship.<br />

Johan Aarli (Norway), past President of the WFN helped the<br />

WHO produce documents and books, including an influential atlas of<br />

neurological disor<strong>der</strong>s. Raad Shakir, Secretary General to the WFN,<br />

chairs an expert committee on the International Classification of Diseases<br />

(ICD-11). The subcommittee on cerebrovascular diseases is<br />

chaired by Bo Norrving and one of its members is the author. For the<br />

first time we are able to reclassify stroke from being a cardiovascular<br />

disease to being a brain disease. We are struggling to wrestle dementia<br />

from the rubric of “mental disor<strong>der</strong>s” and put it where it belongs:<br />

the brain.<br />

Brain Year: The European Brain Council led by its President Mary<br />

Baker (UK) is preparing to launch a brain year in 2014. This is to<br />

celebrate the creativity, vitality and essentiality of the brain in all<br />

human endeavors. It will be characterized by the participation of a<br />

neuroscientist, a high achieving creative individual and an Olympic<br />

10


sports champion, who can highlight the need for a healthy brain.<br />

The hope is that 2014 will be the Brain Year in Europe, among its<br />

highlights will be the construction of giant traveling brain. 2015<br />

will become the Year of the Brain in the Americas and 2016 will<br />

be the Year of the Brain in Asia.<br />

Collaborations: Vice President Werner Hacke (Germany) is forming<br />

a network of subspecialty brain organizations so that we can work<br />

together at an international level and organize future congresses<br />

with the participants of all the relevant subspecialties. The founding<br />

meeting took place at the World Congress in Marrakesh in 2011<br />

and this is being followed up by a survey identifying areas of mutual<br />

interest and collaboration.<br />

This effort has been complemented by the Chair of the Applied<br />

Research committee, Donna Bergen (USA), who has updated and<br />

reorganized the historical „research groups“. It turns out that most<br />

of them were engaged not in research, but in education. Some<br />

have dissolved, while others have grown and become their own<br />

separate organizations such as the Parkinson’s group, yet others<br />

have been created to address emerging areas such as the outcomes<br />

and the palliative care groups.<br />

Austrian neurologists are playing a leading role in all aspects of the<br />

Congress. Eduard Auff will speak on the topic of Neurology in the<br />

Age of Globalization at the Presidential session. Werner Poewe will<br />

give one of the plenary sessions and many of the Austrian neurologists<br />

will participate in the<br />

invited lectures, seminars, symposia<br />

and workshops. Similarly<br />

they have a major role in the key committees.<br />

Local Congress Organizing Committee:<br />

Congress President: Eduard Auff<br />

WFN President: Vladimir Hachinski<br />

First Vice President: Werner Hacke<br />

Secretary-Treasurer General: Raad Shakir<br />

WFN Congress Supervisory Committee Chair: Werner Hacke<br />

WFN Scientific Program Committee Chair: Donna Bergen<br />

WFN Teaching Course Committee Chair: Wolfgang Grisold<br />

OEGN President: Regina Katzenschlager<br />

EFNS President: Richard Hughes<br />

OEGN WFN delegate: Erich Schmutzhard<br />

Local Finance Committee Chair : Elisabeth Fertl<br />

Local Scientific Program Committee Chair: Werner Poewe<br />

Local Education Program Committee Chair: Franz Fazekas<br />

Local Social Program Arrangements<br />

Committee Chair: Bruno Mamoli<br />

Congress Scientific Program Committee<br />

WFN OEGN/EFNS<br />

Donna Bergen, USA, Co-Chair Werner Poewe, Austria, Co-Chair u<br />

11


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

This is the second time that Vienna will host the World Congress,<br />

the first time was in September 1965.<br />

International Committee<br />

Honorary Presidents: Sir Gordon Holmes<br />

th. Alajouanine<br />

H. A. Riley<br />

P. van Gehuchten<br />

M. Gozzano<br />

President:<br />

H. Hoff<br />

Secretary General: H. Tschabitscher<br />

National Committee<br />

President:<br />

H. Hoff<br />

Vice-Presidents: F. Seitelberger<br />

e. Pakesch<br />

H. Ganner<br />

Secretary General: H. Tschabitscher<br />

Scientific Secretaries: K. Gloning<br />

F. Gerstenbrand<br />

Organizing Secretaries: F. Wewalka<br />

P. Prosenz<br />

Treasurer:<br />

K. H. Spitzy<br />

Franz Gerstenbrand will also participate in the XXI World Congress<br />

of Neurology.<br />

Austria has a rich neurological history and will make history with<br />

the forthcoming Congress.<br />

A special treat is that Eric Kandel, Vienna native and Nobel Prize<br />

winner will give a unique prospective based on his recent book<br />

„The Age of Insight: The Quest to Un<strong>der</strong>stand the Unconscious<br />

in Art, Mind, and Brain, from Vienna 1900 to the Present“ (2012).<br />

Come to the Congress and experience a highlight in your professional,<br />

social and cultural life.<br />

Bemerkungen zum Weltkongress<br />

für Neurologie in Wien 1965<br />

em. Univ.-Prof.<br />

Dr. Franz<br />

Gerstenbrand<br />

Thema des 8. Weltkongresses für Neurologie, <strong>der</strong> vor fast<br />

50 Jahren in Wien stattfand, war die „Neuropsychopathologie“.<br />

MacDonald Critchley hatte 1961 beim Weltkongress<br />

in Rom mit <strong>der</strong> „Aphasie“ die Diskussion zu Dysfunktionen<br />

des Gehirns eingeleitet. 4 Jahre später legte <strong>der</strong> Wiener<br />

Kongresspräsident Hans Hoff das „visuelle System“ als<br />

eines <strong>der</strong> Hauptthemen fest. Die Diskussion um die Lokalisationstheorie<br />

und <strong>der</strong>en neuropathologische Erkenntnisse<br />

hatten zu dieser Zeit einen kritischen Punkt erreicht.<br />

Neuroimaging, PET und fMRT, die lebende Pathologie, war<br />

zu dieser Zeit noch Zukunftsmusik.<br />

Das an<strong>der</strong>e Thema des Kongresses in Rom, Innere Medizin<br />

und Neurologie, stellte wohl den Meilenstein im Entscheidungsprozess<br />

dar, dass die Neurologie einen eigenen dynamischen<br />

und autonomen Weg verfolgen müsse. Dieser Weg wurde auch<br />

von G. Bodechtel, <strong>der</strong> dieses Thema in Rom initiiert hatte, „abgesegnet“.<br />

Als Folge dieser Entscheidung begann die Erforschung<br />

zerebrovaskulärer Erkrankungen mit <strong>der</strong> für die Zukunft wichtigsten<br />

Konsequenz, nämlich dass die Neurologie für den Schlaganfall<br />

„zuständig“ ist. Und <strong>aus</strong> <strong>der</strong> „Neurotraumatologie“, dem zweiten<br />

Thema des Wiener Kongresses, entwickelte sich die Neurorehabilitation,<br />

ein Fachgebiet, das ein zweites Standbein <strong>der</strong> klinischen<br />

Neurowissenschaften und wichtiges neurologisches Aufgabengebiet<br />

wurde. Die Kooperation mit <strong>der</strong> World Fe<strong>der</strong>ation for Neurorehabilitation<br />

sollte in Zukunft von neurologischer Seite forciert<br />

werden. Als Beispiel, welche Folgen ein Kongressvortrag<br />

haben kann, soll die Reaktion von Hans Hoff auf das auf<br />

den ersten Blick eher „uninteressante und unbedeutende<br />

Referat von André Barbeau“ herangezogen werden. Durch<br />

den Vortrag wurde Hans Hoff angeregt, seinen Mitarbeitern<br />

anzuordnen, die „Levodopa-Geschichte“ in Wien weiter<br />

zu verfolgen, was den zukünftigen Forschungen von Birkmayer<br />

und Hornykiewicz sehr zugute kam.<br />

In den Kongressprogrammen von 1961 und 1965 fehlten<br />

die meisten <strong>der</strong> aktuell wichtigen Fragen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Neurologie wie Neuroimaging, Neurosonologie, mo<strong>der</strong>ne<br />

Biomarker und viele an<strong>der</strong>e wichtige Themen des klinischen<br />

Alltags. Die Diskussion neurodegenerativer Erkrankungen war noch<br />

in den Kin<strong>der</strong>schuhen. Nur die ersten beachtenswerten Schritte <strong>der</strong><br />

elektroneurophysiologischen Wissenschaft wie das EEG zur Erklärung<br />

<strong>der</strong> Gehirnfunktionen wurden als wichtige Programmpunkte berücksichtigt<br />

– vom heutigen Wissensstand durch PET und fMRT freilich<br />

noch weit entfernt. Klinische Ergebnisse und <strong>der</strong>en detaillierte<br />

Dokumentation, die früher als strategische Forschungsgrundlagen<br />

bei Kongressen akzeptiert wurden, gelten heute als veraltet und<br />

wurden durch Studien mit Testbatterien und statistischen Rekonstruktionen<br />

ersetzt – eine Entwicklung, die als Nachteil in <strong>der</strong> neurologischen<br />

Ausbildung angesehen werden muss.<br />

12


Zusammengestellt von:<br />

Dr. Michael Ackerl und<br />

Univ.-Prof. Dr. Bruno Mamoli<br />

Kongress-Reporter für „neurologisch“<br />

... and the winners are:<br />

Als Anerkennung für die Mühe, die das Verfassen eines Artikels<br />

über die inhaltlichen Höhepunkte eines Kongresses mit sich bringt,<br />

wurde vom MedMedia Verlag für die beiden besten Kongressbeiträge<br />

2012 ein Preis gestiftet.<br />

Aus allen eingesendeten Kongressberichten wurden von einer Jury<br />

<strong>der</strong> Österreichischen <strong>Gesellschaft</strong> für Neurologie (ÖGN) die beiden<br />

besten Beiträge für das Jahr 2012 <strong>aus</strong>gewählt und mit jeweils<br />

750 Euro prämiert.<br />

Die Preisträger sind:<br />

Priv.-Doz. Dr. Jörg Kr<strong>aus</strong>, Salzburg, und<br />

Dr. Paulus Rommer, Wien, für ihren Artikel<br />

„Personalisierte Behandlung bei multipler<br />

Sklerose“ von <strong>der</strong> European Charcot<br />

Foundation 2011 in Marbella (neurologisch<br />

2/2012)<br />

sowie<br />

Dr. Thomas Gattringer, Graz, für seinen<br />

Bericht über die Highlights <strong>der</strong> 21 st European<br />

Stroke Conference 2012 in Lissabon<br />

(neuro logisch 3/12).<br />

Die genannten Beiträge entsprachen den<br />

redaktionellen Intentionen <strong>der</strong> Rubrik<br />

„Kongress-Highlights“ im weitem Maße,<br />

nämlich <strong>aus</strong>gewählte Kongressbeiträge von relevantem wissenschaftlichem<br />

o<strong>der</strong> praxisnahem Inhalt einem breitem Forum zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

Wir sind uns bewusst, dass zahlreiche an<strong>der</strong>e Beiträge ebenso<br />

prämierungswürdig gewesen wären, doch musste eine Entscheidung<br />

getroffen werden.<br />

Allen AutorInnen sei auf diesem Wege für ihre wichtigen Aktivitäten<br />

zum Wohle <strong>der</strong> österreichischen Neurologie gedankt.<br />

Wir freuen uns auf zahlreiche weitere Beiträge!<br />

Dr. Michael Ackerl, Univ.-Prof. Dr. Bruno Mamoli<br />

Foto: brushingup - shutterstock.com<br />

Wie<strong>der</strong>eröffnung Klinikum Malcherhof Baden<br />

Ende Januar wurde das generalsanierte und um einen Zubau ergänzte Klinikum Malcherhof in Baden von SVA und PremiQaMed wie<strong>der</strong><br />

eröffnet. Die mo<strong>der</strong>ne Rehabilitationseinrichtung mit Leistungsschwerpunkt Bewegungs- und Stützapparat verfügt nun über insgesamt<br />

173 Betten. Für die medizinische Behandlung stehen 2 Fachärztinnen für Innere Medizin und Rheumatologie, 7 AllgemeinmedizinerInnen<br />

(z. T. mit Zusatz<strong>aus</strong>bildung in Chiropraktik und Osteopathie) sowie Konsiliarärzte/Konsiliarärztinnen für Neurologie, Orthopädie, Psychiatrie,<br />

Dermatologie, Augenheilkunde, Urologie, Gynäkologie und HNO zur Verfügung.<br />

13


Werden Sie<br />

Kongress-Re<br />

für „neurologis<br />

Teilen Sie Ihre Eindrücke von einer<br />

neurologischen Tagung/einem<br />

neurologischen Kongress* mit unseren<br />

LeserInnen. Die besten Beiträge werden<br />

mit je 750 Euro prämiert!<br />

powered by<br />

* Um Überschneidungen zu vermeiden, kontaktieren Sie bitte vorab das Redaktionsbüro von „neurologisch“ und<br />

teilen uns mit, über welchen Kongress/welche Tagung Sie berichten möchten, bzw. welche Schwerpunkte Sie bei<br />

Ihrer Berichterstattung setzen möchten (bitte per Mail an neurologisch@medmedia.at). Bereits vergebene Themen<br />

finden Sie unter www.neurologisch.at.


porterIn<br />

ch“!<br />

Foto: brushingup - shutterstock.com<br />

Teilnahmeberechtigt sind alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Österreichischen <strong>Gesellschaft</strong> für Neurologie.<br />

Anmeldungen für geplante Berichte werden bis zwei Monate vor Beginn des Kongresses/<strong>der</strong><br />

Tagung entgegengenommen und bis spätestens einen Monat vor Veranstaltungsbeginn beantwortet.<br />

Detaillierte AutorInnenhinweise (Inhalte, Umfang, Form) erhalten Sie unmittelbar nach<br />

Themen annahme zugesendet. Fertige Manuskripte sollen bis 4 Wochen nach Veranstaltungsende<br />

im Redaktionsbüro von „neurologisch“ einlangen. Über die Veröffentlichung befindet die<br />

Chefredaktion von „neurologisch“. Wir bitten um Verständnis, dass unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte nicht berücksichtigt werden können.<br />

Aus allen eingesendeten Kongressberichten wählt eine Jury <strong>der</strong> Österreichischen <strong>Gesellschaft</strong><br />

für Neurologie (ÖGN) die zwei besten Arbeiten für das Jahr 2012 <strong>aus</strong>; diese werden mit jeweils<br />

750 Euro honoriert und in „neurologisch“ geson<strong>der</strong>t vorgestellt.<br />

Redaktionsbüro „neurologisch“: neurologisch@medmedia.at


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Zum Themenschwerpunkt:<br />

Epilepsien, Diagnostik<br />

und innovative Therapien<br />

EEpilepsien stellen die häufigste schwere<br />

neurologische Krankheit dar, die Folgen für<br />

den Betroffenen/die Betroffene hat und<br />

manchmal auch tödlich endet, wie wir in<br />

einer rezenten Studie anhand von chronischen<br />

EpilepsiepatientInnen auch nachweisen<br />

konnten. Viele PatientInnen erhalten immer<br />

noch nicht die notwendige kompetente,<br />

medizinische und fachgerechte nichtmedizinische<br />

Betreuung, die sie brauchen. 70 %<br />

<strong>der</strong> PatientInnen könnten Anfallsfreiheit erreichen,<br />

wenn sie die richtige Diagnostik<br />

(„<strong>der</strong> Arzt/die Ärztin ist das wichtigste Diagnostikum“)<br />

und die richtige Auswahl einer<br />

adäquaten Therapie, sei es medikamentös<br />

o<strong>der</strong> chirurgisch, erhalten.<br />

Lei<strong>der</strong> haben nicht alle Menschen in Europa<br />

dieselben Chancen, Zugang zu eben dieser<br />

adäquaten Therapie zu erhalten, wie in einem<br />

Bericht <strong>der</strong> Global Campaign Against Epilepsy<br />

vom 26.8.2010 festgestellt wurde. In gewissem<br />

Maße trifft das aber auch für Österreich<br />

zu. In <strong>der</strong> WHO-Region Europa sind ca. 6<br />

Millionen Menschen an den verschiedensten<br />

Formen von Epilepsien erkrankt. In Österreich<br />

sind es rund 80.000. Der Anteil <strong>der</strong> Menschen,<br />

die keinen Zugang zu einer „State of<br />

the Art“-Therapie haben (<strong>der</strong> so genannte<br />

Treatment Gap) liegt bei ca. 40 %, in einigen<br />

Regionen Europas sogar bis zu 90 %. In<br />

10 % aller Län<strong>der</strong> gibt es keine EpilepsiespezialistInnen<br />

und in 30 % kein epilepsiechirurgisches<br />

Programm.<br />

Obwohl die Lage in Österreich doch deutlich<br />

besser als im Durchschnitt Europas ist, so<br />

besteht noch immer eine Mangelversorgung<br />

an nie<strong>der</strong>gelassenen Neurologen/Neurologinnen<br />

und EpilepsiespezialistInnen in den ländlichen<br />

Gebieten und Gebirgsregionen Österreichs.<br />

Nie<strong>der</strong>gelassene Neurologen/Neurologinnen<br />

sind oft von <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong><br />

Erkrankung, <strong>der</strong> Verschiedenartigkeit <strong>der</strong><br />

Ursachen und <strong>der</strong> schwerwiegenden Folgen,<br />

die die Krankheit mit sich bringt, nicht nur<br />

<strong>aus</strong> rein zeitlichen Gründen überfor<strong>der</strong>t. Oft<br />

herrscht noch immer therapeutischer Nihilismus<br />

vor: Man hört noch immer, dass „kleine<br />

Anfälle“ ja gar nicht so schlimm seien<br />

und dass <strong>der</strong> Patient ja nur alle paar Monate<br />

wie<strong>der</strong>kommen solle, „um den Blutspiegel<br />

und das EEG zu kontrollieren“. So einfach<br />

stellt sich die Epilepsietherapie jedoch niemals<br />

dar. Dieser Tatsache trägt auch das Zertifikat<br />

<strong>Epileptologie</strong> und <strong>Epileptologie</strong> Plus <strong>der</strong><br />

Österreichischen <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Epileptologie</strong><br />

(ÖGFE, www.ogfe.at) Rechnung.<br />

Was sind die Eckpunkte<br />

einer erfolgreichen<br />

Epilepsiebehandlung?<br />

Erstens muss die richtige Diagnose gestellt<br />

werden. Der Einsatz von hochauflösenden<br />

epilepsiespezifischen MRI-Protokollen sowie<br />

die richtige Interpretation <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

stellen einen <strong>der</strong> wichtigsten Faktoren dar,<br />

<strong>der</strong> auch prognostisch von großer Bedeutung<br />

ist. Wie<strong>der</strong>holt konnten Studien zeigen, dass<br />

so genannte Standard-MRI-Untersuchungen,<br />

die im nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich durchgeführt<br />

werden, bei chronischen EpilepsiepatientInnen<br />

meist kein Resultat bringen. Wertet<br />

ein Experte/eine Expertin diese MRI <strong>aus</strong>, so<br />

werden tatsächlich bei einem Drittel <strong>der</strong><br />

PatientInnen Läsionen gefunden, die schlichtweg<br />

übersehen wurden. Werden dann spezifische<br />

MRI-Protokolle zum Einsatz gebracht,<br />

so wird bei nahezu 90 % aller PatientInnen<br />

eine epileptogene Läsion gefunden.<br />

Univ.-Prof. Dr. Mag.<br />

Eugen Trinka<br />

Universitätsklinik für<br />

Neurologie Salzburg<br />

Christian Doppler Klinik,<br />

Paracelsus Medizinische<br />

Privatuniversität<br />

Als klassische Diagnostik ist das EEG nach<br />

wie vor essenziell, die Interpretation erfor<strong>der</strong>t<br />

jedoch hohe Sachkenntnisse und eine Übung<br />

bei den Befun<strong>der</strong>Innen. Selbstverständlich<br />

stellen Anamnese und Befund die Via Regia<br />

zur korrekten Diagnostik von Epilepsiesyndromen<br />

dar. Diese diagnostischen Schwierigkeiten<br />

sind vor allem bei Frontallappenepilepsien<br />

beson<strong>der</strong>s groß, was in dem Kurzartikel<br />

von C. Tilz in dieser Angabe von<br />

neurologisch exemplarisch dargestellt wird.<br />

G. Kuchukhidze, E. Pataraia, M. McCoy<br />

beleuchten in ihrem Artikel „Magnetresonanztomographie:<br />

State of the Art in <strong>der</strong><br />

<strong>Epileptologie</strong>“ sowohl die strukturelle als<br />

auch die funktionelle Einsatzmöglichkeit von<br />

MRI.<br />

Zweitens muss <strong>der</strong> Arzt/die Ärztin das richtige<br />

Antiepileptikum für ein gegebenes Epilepsiesyndrom<br />

<strong>aus</strong>wählen. Neben dem Epilepsiesyndrom<br />

sind vor allem auch Alter,<br />

Geschlecht, die Ätiologie sowie die Komorbidität<br />

wichtige Einflussfaktoren für die Wahl<br />

des Antiepileptikums. Mittlerweile ist eine<br />

Vielzahl von Medikamenten sowohl für die<br />

Monotherapie als auch für die Zusatztherapie<br />

von fokalen und generalisierten Epilepsien<br />

zugelassen. Die Auswahl des richtigen Antiepileptikums<br />

bereitet oft große Schwierigkeiten,<br />

da die Antiepileptika sich nicht<br />

grundsätzlich in ihrer Wirksamkeit, aber sehr<br />

in ihrer Verträglichkeit unterscheiden. Auch<br />

hier überfor<strong>der</strong>t die komplexe Epilepsietherapie<br />

oft das Zeitkontingent im nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

Bereich.<br />

Drittens benötigen ca. 30–40 % aller PatientInnen<br />

ein weiteres Medikament, da sie<br />

mit einem Antiepileptikum alleine keine<br />

Anfallsfreiheit erreichen. Versagt das u<br />

17


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

zweite Medikament in <strong>der</strong> Therapiegeschichte<br />

des Patienten/<strong>der</strong> Patientin, so ist es<br />

spätestens dann Zeit, den/die Patienten/-in<br />

an ein spezialisiertes Zentrum zu überweisen,<br />

an dem sowohl eine Epilepsiemonitoring-<br />

Einheit als auch ein definiertes, epilepsiechirurgisches<br />

Programm etabliert ist. Es gilt<br />

dabei, die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen<br />

Eingriffs zu prüfen. Zahlreiche Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass bei bestimmten<br />

Epilepsieformen (wie z. B <strong>der</strong><br />

mesialen Temporallappenepilepsie) die Erfolgs<strong>aus</strong>sichten<br />

nach resektiver Epilepsiechirurgie<br />

bei 80–90 % liegen. Bei an<strong>der</strong>en (nicht<br />

läsionell extratemporalen Epilepsien) liegen<br />

sie deutlich darunter. Es ist notwendig, hier<br />

unter Einsatz aller Methoden und einem<br />

interdisziplinären Team die Entscheidung zu<br />

treffen, welche Therapieform am besten für<br />

den Patienten/die Patientin ist.<br />

Exemplarisch wurden dafür neuronuklearmedizinische<br />

Untersuchungen in dem Schwerpunktheft<br />

von neurologisch <strong>aus</strong>gewählt und<br />

von J. von Oertzen in einem Bericht zusammengestellt.<br />

Aber auch nach Ausnutzung von<br />

epilepsiechirurgischen resektiven Verfahren<br />

und bei ungenügen<strong>der</strong> Anfallskontrolle gibt<br />

es weitere mo<strong>der</strong>ne innovative Therapiemethoden,<br />

wie z. B. Neurostimulationsverfahren<br />

sowie Radiochirurgie und Radiotherapie, die<br />

<strong>der</strong>zeit auf dem Prüfstand stehen. M. Leitinger<br />

und H. Stefan haben entsprechende Artikel<br />

zu dem Son<strong>der</strong>heft beigetragen.<br />

In vielen Fällen muss eine antiepileptische<br />

Behandlung auch über viele Jahre hindurch<br />

fortgeführt werden. Dadurch entstehen zahlreiche<br />

psychosoziale Probleme. Während die<br />

Probleme im innerfamiliären Bereich oft erkannt<br />

und psychotherapeutisch behandelt<br />

werden, stellen die sozialen Probleme eine<br />

große Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung dar, da sie nicht unbedingt<br />

dem Einflussbereich <strong>der</strong> behandelnden<br />

Ärzte/Ärztinnen sowie <strong>der</strong> dafür spezialisierten<br />

Kliniken zugänglich sind. E. Pless von<br />

<strong>der</strong> gemeinnützigen Beratungs- und Entwicklungs-GmbH<br />

Epilepsie und Arbeit geht spezifisch<br />

auf die Probleme von epilepsiekranken<br />

Menschen am Arbeitsplatz ein. <br />

•<br />

Ich hoffe, dass das Lesen <strong>der</strong> Artikel in diesem<br />

Schwerpunktheft von neurologisch Ihnen<br />

Freude bereitet und neben Anregungen zum<br />

Nachdenken auch Anstöße zum Handeln gibt.<br />

u Frontallappenepilepsien unterscheiden sich klinisch von an<strong>der</strong>en fokalen Epilepsien. So können<br />

lateralisierende o<strong>der</strong> lokalisierende Zeichen fehlen, die semiologischen Merkmale sind teilweise<br />

irreführend.<br />

u Die Sensitivität des Oberflächen-EEG ist bei Frontallappenepilepsien begrenzt, sodass für die<br />

präoperative Diagnostik weitere elektrophysiologische diagnostische Methoden erfor<strong>der</strong>lich sind.<br />

u Bei Frontallappenepilepsie ist das Outcome nach einem epilepsiechirurgischen<br />

Eingriff ungünstiger als bei Temporallappenepilepsie.<br />

Diagnose <strong>der</strong> Frontallappenepilepsie<br />

DDer Frontallappen umfasst ein Drittel des<br />

menschlichen Kortex und stellt somit den<br />

größten Lappen des menschlichen Gehirns<br />

dar. Anatomisch wird er in 3 Hauptregionen<br />

unterteilt:<br />

• den dorsolateralen Kortex, <strong>der</strong> den<br />

präfrontalen Kortex, den mesiotemporalen<br />

Kortex sowie den Prämotorkortex<br />

umfasst;<br />

• den mesiofrontalen Kortex: Dieser beinhaltet<br />

ebenso Teile des präfrontalen<br />

Kortex, des primären Motorkortex, <strong>der</strong><br />

supplementär-motorischen Region (SMA)<br />

sowie des anterioren Gyrus cinguli;<br />

• den inferioren orbitalen Kortex.<br />

Frontallappenepilepsien stellen nach den<br />

Schläfenlappenepilepsien die zweihäufigsten<br />

fokalen Epilepsien dar. Sie unterscheiden sich<br />

Priv.-Doz. Dr.<br />

Christian Tilz<br />

Klinik für Neurologie,<br />

Krankenh<strong>aus</strong> Barmherzige<br />

Brü<strong>der</strong> Regensburg<br />

18


von an<strong>der</strong>en fokalen Epilepsien durch klinische<br />

Beson<strong>der</strong>heiten. Zudem sind diagnostische<br />

und therapeutische Merkmale kennzeichnend<br />

für Frontallappenanfälle, die im<br />

Folgenden näher erläutert werden sollen.<br />

Abb.: Frontomesialer Anfall: Im Oberflächen-EEG zeigt sich eine frontozentral<br />

betonte Abflachung: Das Anfallsmuster lässt sich im Oberflächen-EEG nicht<br />

lokalisieren (generalisiertes Anfallsmuster)<br />

Klinik: Klinisch können bei Frontallappenanfällen<br />

lateralisierende o<strong>der</strong> lokalisierende<br />

Zeichen fehlen. Die semiologischen Merkmale<br />

sind z. T. irreführend, wodurch die Differenzialdiagnose<br />

erschwert werden kann.<br />

Außerdem gestalten sich hypermotorische<br />

Anfälle klinisch teils sehr variabel und können<br />

somit mit psychogenen Anfällen, Parasomnien<br />

o<strong>der</strong> Bewegungsstörungen verwechselt<br />

werden. Anfälle <strong>aus</strong> dem Gyrus cinguli<br />

zeichnen sich durch kurze Dauer, klaren<br />

Beginn und klares klinisches Ende sowie<br />

durch komplexe stereotype Bewegungen <strong>aus</strong><br />

(Kicken, Greifen, Laufen). Bei PatientInnen<br />

mit Anfällen <strong>aus</strong> dem Gyrus cinguli kann es<br />

– abgesehen von den Anfällen selbst – zu<br />

Verhaltensauffälligkeiten (verbale Aggression)<br />

kommen. Anfälle <strong>aus</strong> <strong>der</strong> supplementärmotorischen<br />

Region (SMA) sind gekennzeichnet<br />

durch asymmetrische tonische Halteschablonen<br />

einer o<strong>der</strong> mehrerer Extremitäten<br />

(Fechterstellung, Vierer-Zeichen). Anfälle des<br />

inferioren orbitalen Kortex sind anteilsmäßig<br />

gering und klinisch variabel. Da <strong>der</strong> inferiore<br />

orbitale Kortex sehr eng mit benachbarten<br />

Regionen (insulär, temporal, frontolateral)<br />

vernetzt ist, kann es rasch zu Propagationsphänomenen<br />

kommen.<br />

EEG: Die Sensitivität des Oberflächen-EEG ist<br />

bei Frontallappenepilepsien insofern begrenzt,<br />

als nur eine relativ geringe Oberfläche<br />

des frontalen Kortex dem Oberflächen-EEG<br />

direkt zugängig ist. Liegt jedoch die irritative<br />

Zone o<strong>der</strong> die Anfallsursprungszone in tiefen<br />

Regionen, so ist die dar<strong>aus</strong> entstehende interiktale<br />

o<strong>der</strong> iktale epilepsietypische Aktivität<br />

mit dem Oberflächen-EEG häufig nicht erfassbar.<br />

Außerdem ist die Sensitivität durch<br />

Muskelartefakte sowie rasche Propagation<br />

des Anfallsursprungs eingeschränkt (Abb.),<br />

sodass kombinierte EEG-fMRT-Analysen, die<br />

Magnetenzephalographie o<strong>der</strong> invasive Ableitungen<br />

als weitere elektrophysiologische<br />

diagnostische Methoden für die präoperative<br />

Diagnostik von Frontallappenanfällen erfor<strong>der</strong>lich<br />

sind.<br />

MRT: Die Sensitivität des MRT ist bei Frontallappenanfällen<br />

deutlich geringer als bei<br />

Temporallappenanfällen 1 . Durch Fortschritte<br />

<strong>der</strong> MRT-Analyse (voxelbasierte morphometrische<br />

Analyse) steht jedoch in den letzten<br />

Jahren zunehmend eine Methode zur Verfügung,<br />

die die Sensitivität des MRT gerade<br />

bei extratemporalen Epilepsien deutlich erhöht.<br />

Therapie: Bezüglich <strong>der</strong> medikamentösen<br />

Therapie von Frontallappenanfällen gibt es<br />

Beobachtungen, die darauf hinweisen, dass<br />

die Kombinationstherapie von Valproinsäure<br />

und Lamotrigin häufiger als bei an<strong>der</strong>en<br />

fokalen Anfällen zu Anfallsfreiheit o<strong>der</strong> deutlicher<br />

Anfallsunterdrückung führen kann. In<br />

einer Open-Label-Studie mit 21 PatientInnen<br />

gelang durch diese Kombinationstherapie<br />

eine komplette Anfallsfreiheit bei 10 PatientInnen,<br />

bei weiteren 4 PatientInnen eine<br />

> 75%ige Anfallsreduktion 2 .<br />

Das Outcome nach einem epilepsiechirurgischen<br />

Eingriff bei Anfällen <strong>aus</strong> dem Frontallappen<br />

ist ungünstiger als nach einem epilepsiechirurgischen<br />

Eingriff bei Temporallappenepilepsie.<br />

Je nach AutorInnen werden<br />

nach einem epilepsiechirurgischen Eingriff bei<br />

frontalem Anfallsursprung nur 10–30 % <strong>der</strong><br />

PatientInnen anfallsfrei, während bei Schläfenlappenepilepsie<br />

bis zu 80 % Chance auf<br />

Anfallsfreiheit haben können. Als Prädiktor<br />

für eine gute Prognose nach Epilepsiechirurgie<br />

im Frontallappen gilt ein im Oberflächen-<br />

EEG lateralisierbarer Anfallsursprung 3 , während<br />

das Fehlen einer Aurasymptomatik<br />

sowie eine Resektion im linken Frontallappen<br />

und in <strong>der</strong> dominanten Hemisphäre als prognostisch<br />

ungünstig anzusehen sind 4 . •<br />

1 Lawson JA et al., Clinical, EEG, and quantitative<br />

MRI-differences in pediatric frontal and temporal lobe<br />

epilepsy. Neurology 2002; 58:723–729<br />

2 McCabe PH et al., Effect of Divalproex-Lamotrigine<br />

Combination Therapy in Frontal Lobe Seizures.<br />

Arch Neurol 2011; 58(8):1264–1268<br />

3 Lazow SP et al., Outcome of frontal lobe epilepsy<br />

surgery, Epilepsia 2012; 53(10):1746–1755<br />

4 Holtcamp M et al., Intracranial EEG in predicting surgical<br />

outcome in frontal lobe epilepsy, Epilepsia 2012;<br />

53(10):1739–1745<br />

19


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Hippocampussklerose (HS): Diese ist die<br />

häufigste Ursache <strong>der</strong> Temporallappenepilepsie<br />

(TLE). Die typischen Merkmale <strong>der</strong> HS im<br />

MRT sind Atrophie, Hyperintensität auf den<br />

T2-gewichteten Aufnahmen und Hypointensität<br />

auf den T1-gewichteten Aufnahmen<br />

sowie Verlust <strong>der</strong> inneren Struktur.<br />

Die verlässlichsten und sensitivsten Sequenzen<br />

für die HS-Diagnostik sind die T2-gewichteten<br />

und FLAIR-Sequenzen 5–9 . Die Oriu<br />

In <strong>der</strong> Diagnostik von Epilepsien ist die Magnetresonanztomografie eine wichtige Untersuchungsmethode,<br />

die insbeson<strong>der</strong>e für den postoperativen Outcome bei PatientInnen mit therapieresistenter<br />

Epilepsie eine entscheidende Bedeutung hat.<br />

u Im vorliegenden Artikel wird <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> MRT für die genaue Diagnose beispielsweise <strong>der</strong><br />

Hippocampussklerose und von Malformationen <strong>der</strong> kortikalen Entwicklung dargestellt.<br />

u Beschrieben werden auch spezielle und quantitative MRT-Verfahren, wie z. B. Magnetstärke und<br />

Oberflächenspule, automatisierte FLAIR-Analyse o<strong>der</strong> Post-Processing sowie funktionelle<br />

MRT-Methoden wie präoperatives Mapping des sensomotorischen Kortex,<br />

<strong>der</strong> Sprachfunktion o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gedächtnisfunktion.<br />

Magnetresonanztomografie:<br />

State of the Art in <strong>der</strong> <strong>Epileptologie</strong><br />

DDie Entwicklung <strong>der</strong> Magnetresonanztomografie<br />

(MRT) eröffnete eine neue Ära für<br />

<strong>Epileptologie</strong>. Heutzutage ist die MRT eine<br />

wichtige Untersuchungsmethode in <strong>der</strong> Epilepsiediagnostik,<br />

die eine entscheidende Rolle<br />

für den postoperativen Outcome bei PatientInnen<br />

mit therapieresistenten Epilepsien<br />

spielt.<br />

Die Kommission für Neuroimaging <strong>der</strong> Internationalen<br />

Liga gegen Epilepsie (ILAE) 1, 2<br />

empfiehlt in nichtakuten Situationen eine<br />

strukturelle Bildgebung mittels <strong>der</strong> Schädel-<br />

MRT bei allen PatientInnen mit Epilepsien,<br />

außer bei jenen mit eindeutiger elektroklinischer<br />

Diagnose einer generalisierten o<strong>der</strong><br />

fokalen idiopathischen Epilepsie.<br />

Es wird empfohlen, mindestens beide T1- und<br />

T2-gewichteten Sequenzen und dreidimensionale<br />

Volumenaufnahmen durchzuführen,<br />

wobei die koronare und axiale Schichtaufnahme<br />

bzw. -rekonstruktion gewährleistet<br />

werden sollte. Die konventionelle MRT-Untersuchung<br />

ist nicht <strong>aus</strong>reichend und inadäquat<br />

für Epilepsiediagnostik, da viele Verän<strong>der</strong>ungen<br />

nicht erfasst werden können.<br />

Das Epilepsieprotokoll <strong>der</strong> MR-Bildgebung inkludiert<br />

das ganze Gehirn vom Nasion bis zum<br />

Inion und T1-gewichtete MPRAGE- o<strong>der</strong> SPGR-<br />

Aufnahmen mit minimaler Schichtdicke (bis<br />

0,9 mm) ohne Abstand zwischen den Schichten.<br />

Diese Abbildungen werden als 3-D-Volumen<br />

aufgenommen und erlauben somit die<br />

Ausrichtungsfehler <strong>der</strong> Aufnahmen zu korrigieren<br />

sowie die Umformatierung<br />

<strong>der</strong> Ansicht in<br />

mehreren Ebenen, um<br />

die subtile Malformation<br />

<strong>der</strong> kortikalen Entwicklung<br />

zu erfassen.<br />

Das Epilepsieprotokoll<br />

<strong>der</strong> MRT inkludiert<br />

auch koronare und axiale<br />

FLAIR-Sequenzen<br />

Dr. Giorgi<br />

Kuchukhidze 1, 2<br />

(„fluid-attenuated inversion recovery sequences“)<br />

mit 2–3 mm Schichtdicke und<br />

einem Abstand von 0–1 mm zwischen den<br />

Schichten. Die dünnen Schichten (2–3 mm)<br />

<strong>der</strong> T2-gewichteten axialen und koronaren<br />

Sequenzen werden ebenfalls mit aufgenommen.<br />

Die Gadoliniumgabe ist nicht notwendig,<br />

außer ein Tumor o<strong>der</strong> eine vaskuläre<br />

Malformation wird vermutet o<strong>der</strong> bei manchen<br />

neurokutanen Syndromen wie dem<br />

Sturge-Weber-Syndrom. Die Anwendung<br />

des speziellen Epilepsieprotokolls an den<br />

Epilepsiezentren kann die Entdeckung von<br />

epileptogenen Läsionen mit größerer Sensitivität<br />

und Spezifität ermöglichen 3, 4 .<br />

Die Erfahrung von Radiologen/Radiologinnen<br />

in <strong>der</strong> Bildgebung von Epilepsie-PatientInnen<br />

ist entscheidend für die Erstellung<br />

hochqualifizierter MRT-Befunde. In einer<br />

Studie wurden MRT-Befunde von „Nicht-<br />

Experten/Nicht-Expertinnen“ mit „Experten/<br />

Expertinnen“-Befunden bei 123 konsekutiven<br />

PatientInnen, die zwischen 1996 und<br />

Univ.-Prof. Dr. Dr. Mark McCoy 4<br />

Ekaterina Pataraia 3<br />

1 Universitätsklinik für Neurologie, Paracelsus Medizinische<br />

Privatuniversität Salzburg<br />

2 Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck<br />

3 Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien<br />

4 Division für Neuroradiologie, Universitätsinstitut für Radiologie,<br />

Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg<br />

1999 einer Epilepsiechirurgie unterzogen<br />

wurden, verglichen. Dabei konnte gezeigt<br />

werden, dass die „Nicht-Experten/Nicht-Expertinnen“<br />

in 39 % <strong>der</strong> Fälle eine fokale<br />

Läsion identifizieren konnten, im Vergleich<br />

zu „Experten/Expertinnen“, die eine 50%ige<br />

Sensitivität zeigten; allerdings konnten Radiologen/Radiologinnen,<br />

die sich mit Epilepsie<br />

beschäftigten, in 91 % die epileptogene<br />

Läsion feststellen 4 .<br />

Epileptogene Läsionen<br />

20


entierung <strong>der</strong> Schichten perpendikulär zur<br />

langen Achse des Hippocampus hilft in den<br />

meisten Fällen, den partiellen Volumeneffekt<br />

zu vermeiden. Die Anwendung <strong>der</strong> T1-gewichteten<br />

Sequenzen (Inversion Recovery, IR)<br />

ist sehr hilfreich bei den Untersuchungen <strong>der</strong><br />

HS, insbeson<strong>der</strong>e wenn <strong>der</strong> Hippocampus<br />

unverän<strong>der</strong>t auf an<strong>der</strong>en Sequenzen dargestellt<br />

wird 8, 9 . Der atrophe Hippocampus zeigt<br />

ein reduziertes Signal in den T1-gewichteten<br />

Aufnahmen, was dem hohen Signal in den<br />

T2-gewichteten Aufnahmen entspricht. Die<br />

IR-Sequenzen ermöglichen die exzellente<br />

anatomische Unterscheidung <strong>der</strong> Strukturen,<br />

was typischerweise mittels T1-Sequenzen<br />

alleine nicht möglich ist. Das alles ist in<br />

koronaren MR-Schichten beson<strong>der</strong>s gut darstellbar.<br />

Die visuelle Begutachtung <strong>der</strong> optimal aufgenommenen<br />

und orientierten Schichten<br />

ermöglicht die verlässliche Diagnosestellung<br />

<strong>der</strong> HS mit einer Sensitivität von 80–85 % 5<br />

und ist bei erfahrenen SpezialistInnen fast so<br />

gut wie die Volumenmessung <strong>der</strong> Hippocampusgröße<br />

10 .<br />

Malrotation des Hippocampus: Die MRT-<br />

Merkmale bestehen <strong>aus</strong> inkompletter Inversion<br />

des Hippocampus mit abnormal runden<br />

Konturen, normaler Signalintensität und<br />

Lage, unscharfer innerer Struktur, abnormem<br />

Winkel des kollateralen Sulcus, abnormer<br />

Position und Größe <strong>der</strong> Fornix, normaler<br />

Größe <strong>der</strong> Temporallappen und <strong>der</strong> Vergrößerung<br />

des Temporalhorns, oft assoziiert mit<br />

<strong>der</strong> Agenesie des Corpus callosum. Die<br />

Malrotation des Hippocampus wird auch als<br />

eine Entwicklungsanomalie angenommen<br />

und ist laut rezenten Studien häufig mit<br />

Anfallserzeugung assoziiert 11 .<br />

Kortikale Entwicklungsstörungen: Kortikale<br />

Entwicklungsstörungen (MCD) werden<br />

durch abnormale neuronale Proliferation/<br />

Apoptose, Migration o<strong>der</strong> Organisation verursacht<br />

12–14 und aufgrund <strong>der</strong> Refraktärität<br />

<strong>der</strong> Anfälle im Kindesalter und auch bei<br />

Erwachsenen zunehmend erkannt 15 . Die<br />

MRT mit hoher Auflösung ermöglicht die<br />

bessere Darstellung des Kortex und <strong>der</strong><br />

Grenze zwischen Kortex und Marklager. Die<br />

subtilen Abnormalitäten <strong>der</strong> weißen Substanz<br />

können wichtige Hinweise für die MCD sein<br />

(insbeson<strong>der</strong>e wenn es sich um Ballonzellen-<br />

Dysplasien handelt). Aus diesem Grund ist es<br />

wichtig, FLAIR-Sequenzen anzufertigen.<br />

Eine beson<strong>der</strong>e Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung stellt die<br />

Diagnose <strong>der</strong> fokalen kortikalen Dysplasie<br />

(FCD) dar. Bei ca. 25 % <strong>der</strong> operierten Erwachsenen<br />

und bei bis zu 50 % <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

werden FCD berichtet 16–21 . Trotzdem ist es<br />

schwer, die exakte Prävalenz <strong>der</strong> FCD nur auf<br />

Basis von Neuroimaging-Studien abzuschätzen.<br />

Mittlerweile wurden verschiedene Klassifikationen,<br />

basierend auf Bildgebung, genetischen<br />

Untersuchungen und Histopathologie,<br />

vorgeschlagen 14, 17, 22–25 . Meistens wird die<br />

Klassifikation von Palmini und Lü<strong>der</strong>s verwendet,<br />

die auch von <strong>der</strong> ILAE unterstützt wird 22, 23 .<br />

Das Spektrum <strong>der</strong> MRT-Verän<strong>der</strong>ungen ist<br />

für FCD Typ II gut <strong>aus</strong>gearbeitet und enthält<br />

folgende Parameter: die Verdickung des<br />

Kortex, die abnormalen Muster von Gyri und<br />

Sulci, die verwaschene Grau-Weiß-Substanz-<br />

Differenzierung und die Transmantel-Lokalisation<br />

<strong>der</strong> Signalän<strong>der</strong>ungen, die die weiße<br />

und auch die graue Substanz betreffen 16,<br />

26–31 . Im Gegensatz zu FCD Typ II ist die<br />

MRT-Diagnostik <strong>der</strong> FCD vom Typ I sehr<br />

her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>nd. Die typische MRT <strong>der</strong> FCD-I<br />

zeigt die regionale Reduktion des Volumens<br />

<strong>der</strong> weißen Substanz und ist assoziiert mit<br />

einer Signalän<strong>der</strong>ung in FLAIR- und T2-gewichteten<br />

Sequenzen.<br />

Einige Studien sind auf die klinischen Unterschiede<br />

zwischen Subtypen <strong>der</strong> FCD fokussiert.<br />

Dennoch ist es evident, dass die unterschiedlichen<br />

FCD-Subgruppen unterschiedliche<br />

elektroklinische und radiologische<br />

Befunde zeigen 25, 27, 29, 31–33 . Die Korrelation<br />

zwischen den unterschiedlichen histopathologischen<br />

Typen <strong>der</strong> FCD und dem chirurgischen<br />

Outcome bleibt ein Diskussionsthema<br />

34–37 .<br />

Duale Pathologie: Die Kombination <strong>der</strong><br />

Hippocampussklerose (HS) mit extrahippocampalen<br />

Läsionen wird oft als „duale Pathologie“<br />

bezeichnet 38–40 . 15–50 % <strong>der</strong><br />

PatientInnen mit HS haben eine duale Pathologie<br />

– eine kortikale Entwicklungsstörung<br />

(MCD) o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Läsionen wie Porenzephalie<br />

und Ulegyrie (verursacht durch eine<br />

perinatale ischämische Hirnläsion) 41–44 . Selten<br />

kommt die „duale Pathologie“ bei PatientInnen<br />

mit vaskulären Malformationen (7 %)<br />

o<strong>der</strong> Hirntumoren (2 %) vor 41 .<br />

An<strong>der</strong>erseits sind etwa 25–30 % <strong>der</strong> PatientInnen<br />

mit MCD von einer Hippocampuspathologie<br />

betroffen 41, 44, 45 . Bei den dualen<br />

Pathologien werden die besten chirurgische<br />

Ergebnisse durch Resektion nicht nur<br />

des sklerotischen Hippocampus, son<strong>der</strong>n<br />

aller Läsionen erzielt 35, 46, 47 . Die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> neuen MRT-Methoden und Post-<br />

Processing-Protokolle ermöglicht die Entdeckung<br />

subtiler kortikaler Entwicklungsstörungen<br />

48–50 .<br />

Ulegyrie: Diese seltene vaskuläre Läsion<br />

zeigt im MRT ein charakteristisches Muster:<br />

Die Gyri werden kleiner dargestellt, mit gut<br />

<strong>aus</strong>geprägtem apikalem Teil und verdünntem<br />

Furchenteil, <strong>der</strong> oft als „champignonähnlicher“<br />

Gyrus bezeichnet wird 51 . Bei Neugeborenen<br />

kommt es in apikalen Teilen <strong>der</strong><br />

Gyri zu einer größeren Perfusion als in <strong>der</strong><br />

Tiefe <strong>der</strong> Furchen. Aus diesem Grund ist das<br />

Gewebe am Grund <strong>der</strong> Gyri stärker anfällig<br />

für hypoxische Schäden 52 . Die kortikalen<br />

Abnormalitäten sind üblicherweise mit Verlust<br />

<strong>der</strong> subkortikalen weißen Substanz und<br />

Gliose assoziiert. Dabei variiert <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong><br />

Abnormalität von ganz kleinen Läsionen bis<br />

zu großen, die die ganze Hemisphäre umfassen.<br />

Die Ulegyrie kann entwe<strong>der</strong> uni- o<strong>der</strong><br />

bilateral vorkommen 42 . Oft ist die Ulegyrie<br />

mit dem Wendepunkt <strong>der</strong> großen zerebralen<br />

Arterien begrenzt und somit entwe<strong>der</strong> in die<br />

vor<strong>der</strong>en o<strong>der</strong> hinteren Regionen <strong>aus</strong>gebreitet<br />

51 . Klinisch ist die Ulegyrie mit therapieresistenten<br />

Anfällen, verzögerter Entwicklung,<br />

visuellen Defiziten und kognitiven Beeinträchtigungen<br />

assoziiert 43, 51, 53 .<br />

Ca. 50 % aller PatientInnen mit Ulegyrie<br />

haben zusätzlich noch eine HS 43 .<br />

Spezielle und<br />

quantitative Verfahren<br />

Bei erfahrenen SpezialistInnen ist die visuelle<br />

Beurteilung <strong>der</strong> MRT ziemlich verlässlich.<br />

Jedoch sind die quantitativen und speziellen<br />

Methoden sehr hilfreich bei <strong>der</strong> Evaluation<br />

<strong>der</strong> sogenannten „MR-negativen“ Temporallappenepilepsien,<br />

da viel zusätzliche Infor- u<br />

21


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Abb. 1: MRT-Postprocessing („junction und extension feature maps“)<br />

zeigt eine Läsion links präzentral bei einer Patientin mit pharmakoresistenter<br />

Frontallappenepilepsie<br />

Die konventionelle MRT wurde als „unauffällig“ beurteilt. Die nochmalige Beurteilung <strong>der</strong> ursprünglichen Bil<strong>der</strong><br />

(nach Durchführung des Postprocessings) bestätigt den Verdacht auf fokale kortikale Dysplasie.<br />

mation gewonnen werden kann, insbeson<strong>der</strong>e<br />

in Hinsicht von dezenten Pathologien.<br />

Magnetstärke und Oberflächenspulen:<br />

25 PatientInnen mit therapieresistenten Epilepsien<br />

wurden einer prächirurgischen Abklärung<br />

mittels 3-T-MRT unterzogen 54 . Diese<br />

PatientInnen wurden entwe<strong>der</strong> als MRT-negativ<br />

(n = 15) o<strong>der</strong> mit unklaren Befunden<br />

(n = 10) bei vorhergehen<strong>der</strong> MRT mit 1,0<br />

bis 1,5 T eingestuft. Zusätzlich wurde eine<br />

Oberflächenspule über <strong>der</strong> verdächtigen epileptogenen<br />

Zone angewandt, insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei MRT-negativen PatientInnen, die anhand<br />

<strong>der</strong> klinischen Anfallssemiologie, des extrakraniellen<br />

Video-EEG und – in einzelnen<br />

Fällen – Subtraktions-SPECT koregistriert mit<br />

MRT und PET, definiert wurden. Dabei konnte<br />

gezeigt werden, dass die Oberflächenspule<br />

die Visualisierung <strong>der</strong> kortikalen Läsionen<br />

mit besserer Demarkierung <strong>der</strong> Details erlaubt,<br />

was allerdings nicht signifikant unterschiedlich<br />

von vordiagnostizierten Läsionen<br />

ist und somit keine zusätzliche Information<br />

in Bezug auf die Art <strong>der</strong> Läsion ergibt. Eine<br />

epileptogene Läsion wurde bei 12/25 (48 %)<br />

<strong>der</strong> PatientInnen suspiziert, die mittels 3-T-<br />

MRT untersucht wurden. Keine zusätzlichen<br />

Abnormalitäten wurde bei 13/25 (52 %) <strong>der</strong><br />

PatientInnen gefunden. Bei 5/25 (20 %) <strong>der</strong><br />

PatientInnen bot das 3-T-MRT eine neue o<strong>der</strong><br />

zusätzliche Information im Vergleich zum<br />

früheren MRT mit 1,0–1,5 T. Die hochauflösende<br />

MRT kann für die Detektion <strong>der</strong> Läsionen<br />

(kortikale Malformationen) behilflich<br />

sein, allerdings mit einem limitierten zusätzlichen<br />

Beitrag <strong>der</strong> ergänzenden Oberflächenspule<br />

im 3 T-MRT im Vergleich zum 1,5 T-<br />

MRT 54 .<br />

Volumetrie: Dies ist eine einfache, aber<br />

verlässliche Methode zur Erfassung <strong>der</strong> Asymmetrie<br />

<strong>der</strong> Hippocampi. Sie kann in fast allen<br />

Zentren mit einem minimalen zusätzlichen<br />

Aufwand <strong>der</strong> Imagebearbeitung o<strong>der</strong> technischer<br />

Erfahrung durchgeführt werden. Der<br />

Verlust des Volumens ist ein sensitiver und<br />

spezifischer Indikator <strong>der</strong> HS im klinischen<br />

Kontext <strong>der</strong> <strong>Epileptologie</strong> 54–61 . Mesiale temporale<br />

Atrophie ipsilateral zur Anfallsursprungszone<br />

scheint für Temporallappenepilepsie<br />

spezifisch zu sein 62 .<br />

T2-Relaxometrie: Die Entwicklung <strong>der</strong> T2-<br />

Relaxometrie für MRT bei Epilepsien entwickelte<br />

sich durch die Beobachtung <strong>der</strong> Signalerhöhung<br />

in T2-gewichteten Aufnahmen des<br />

Hippocampus bei PatientInnen mit HS und<br />

durch den Wunsch, eine quantitative und<br />

schnelle Untersuchungsmethode <strong>der</strong> Messung<br />

<strong>der</strong> Abnormitäten im Hippocampus zu finden,<br />

die objektivierbar mit Standardisierungsmöglichkeiten<br />

zwischen den verschiedenen Zentren<br />

wäre. Die T2-Relaxometrie wurde 1993<br />

als quantitative Methode zur Messung <strong>der</strong><br />

grauen Substanz des Hippocampus zum<br />

ersten Mal eingesetzt 63 . Diese quantitative<br />

Messung ist eine robuste und verlässliche<br />

objektive Methode für die Bestimmung <strong>der</strong><br />

minimalen, bilateralen und progressiven Pathologien<br />

des Hippocampus und somit ein<br />

weiteres Hilfsmittel bei <strong>der</strong> Beurteilung des<br />

Hippocampus mittels visueller Interpretation<br />

<strong>der</strong> optimierten Aufnahmen 64–66 .<br />

Automatisierte FLAIR-Analyse: Die regionale<br />

quantitative FLAIR-Analyse des Hippocampus<br />

ist ein sehr vielversprechendes Werkzeug<br />

für die Erkennung minimaler Signalalterationen.<br />

In <strong>der</strong> Studie, die diese Methode<br />

validierte, wurden die FLAIR-Signale von 103<br />

PatientInnen mit HS mit den MRT von 131<br />

gesunden Kontrollen verglichen. Die Sensitivität<br />

<strong>der</strong> Methode erreichte 97,1 %. Beson<strong>der</strong>s<br />

verlässlich waren die Ergebnisse bei<br />

PatientInnen mit histologisch bestätigter HS.<br />

Diese Methode kann sogar eine bilaterale HS<br />

von den Verän<strong>der</strong>ungen nach einem Status<br />

epilepticus unterscheiden 67 .<br />

Postprocessing: In den letzten Jahren wurden<br />

mehrere Methoden des Image-Postprocessing<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong> Diagnostik <strong>der</strong><br />

FCD im MRT entwickelt 48, 55, 68 . Großteils<br />

wird selbst entwickelte Software verwendet,<br />

was die verbreitete Anwendung sehr einschränkt.<br />

Die voxelbasierte morphometrische<br />

MRT-Analyse wird mittels „statistical parametric<br />

mapping software“ (SPM5; Wellcome<br />

Department of Imaging Neuroscience Group;<br />

http://www.fil.ion.ucl.ac.uk/spm) verwendet.<br />

Diese Methode wurde von Huppertz HJ und<br />

seiner Arbeitsgruppe entwickelt und hat eine<br />

weite Anwendung in vielen europäischen<br />

Epilepsiezentren gefunden 49 . Die Methode<br />

hebt die Hirnareale mit unscharf abgegrenzten<br />

Arealen grauer bzw. weißer Substanz<br />

22


und abnormer Gyrierung hervor. Dabei werden<br />

die dreidimensionalen „feature maps“<br />

erstellt, was bei <strong>der</strong> Detektion <strong>der</strong> FCD sehr<br />

hilfreich ist (Abb. 1). Die Erkennungsrate <strong>der</strong><br />

FCD-IIa wird von 65 % (durch einen Neuroradiologen/eine<br />

Neuroradiologin mit Schwerpunkt<br />

Epilepsie) bis 82 % (bei Anwendung<br />

<strong>der</strong> Postprocessing-Methode) erhöht 69 . Da<br />

die genaue Abgrenzung <strong>der</strong> FCD in <strong>der</strong> MRT<br />

im Rahmen <strong>der</strong> prächirurgischen Abklärung<br />

die Wahrscheinlichkeit für einen guten postoperativen<br />

Outcome deutlich erhöhen kann,<br />

wird empfohlen, die morphometrische Analyse<br />

bei allen PatientInnen, die keine Läsion<br />

in <strong>der</strong> MRT zeigen, durchzuführen.<br />

Abb. 2: Sprach-fMRT („word generation task“) bei einem Patienten mit<br />

Epilepsie und bilateraler perizentraler Polymikrogyrie<br />

Funktionelle MRT<br />

Die funktionelle MRT (fMRT) ermöglicht die<br />

nichtinvasive Darstellung <strong>der</strong> Blutoxygenierung<br />

und <strong>der</strong> Perfusion des menschlichen<br />

Gehirns. Das primäre Phänomen <strong>der</strong> fMRT<br />

ist die Bestimmung des Blutoxygenierungs-<br />

Abhängigkeitsgrades („blood oxygenation<br />

level dependency; BOLD). BOLD reflektiert<br />

die komplexen Interaktionen zwischen Blutstrom,<br />

Blutvolumen und <strong>der</strong> Hämoglobinoxygenierung<br />

70–72 . Den funktionellen Kontrast<br />

kann man beobachten, weil das Eisen im<br />

Hämoglobin nur paramagnetisch wird, wenn<br />

es deoxygeniert wird 73 , dabei kommt es zu<br />

einer lokalen Suszeptibilitätserhöhung, die als<br />

Signalän<strong>der</strong>ung auf den T2-gewichteten Aufnahmen<br />

abgebildet wird. Die typische BOLD-<br />

Antwort beinhaltet 0,5–5 % <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungen<br />

in regionaler Imageintensität, die innerhalb<br />

von 2–8 Sekunden nach Initiierung <strong>der</strong> Aufgabe<br />

einsetzt, typischerweise mit einem Peak<br />

o<strong>der</strong> Overshoot, einem niedrigeren Plateau<br />

und oft einem Un<strong>der</strong>shoot zur Baseline. Diese<br />

Peaklatenz von über mehreren Sekunden ist<br />

<strong>der</strong> größte limitierende Faktor bei <strong>der</strong> zeitlichen<br />

Auflösung <strong>der</strong> fMRT-Methode.<br />

Präoperatives Mapping des sensomotorischen<br />

Kortex: Eine große Anzahl von<br />

Studien zeigte die Aktivierung des sensomotorischen<br />

Kortex entlang des Sulcus centralis<br />

während Bewegungen sowie die Darstellung<br />

<strong>der</strong> somatotopischen Kortexorganisation dieser<br />

Region 74–76 . Dabei kommt es auch zum<br />

A) axiale T2-gewichtete; B) koronare T2-gewichtete und C) sagittale T1-gewichtete Sequenzen zeigen eine<br />

bilaterale perizentrale Polymikrogyrie mit Schizenzephalie. BOLD-Signal bilateral im Wernicke-Areal und links<br />

im Broca-Areal (links > rechts).<br />

R = rechts, L = links<br />

taktilen und propriozeptiven sensorischen<br />

Input, sodass die Aktivierung nicht auf den<br />

motorischen Kortex (anteriorer Anteil des<br />

zentralen Sulcus) beschränkt bleibt, son<strong>der</strong>n<br />

mehr die primär motorischen und sensorischen<br />

Areale involviert 77 .<br />

Ein Test mit Fingerbewegung wird am häufigsten<br />

angewendet, da die Gesichts- o<strong>der</strong><br />

proximale Extremitätenbewegung inakzeptable<br />

Artefakte <strong>aus</strong>löst. Die klinische Wertigkeit<br />

solcher Maps bei <strong>der</strong> präoperativen Bestimmung<br />

<strong>der</strong> funktionellen Organisation des<br />

Kortex ist sehr groß, insbeson<strong>der</strong>e bei den<br />

Tumor- o<strong>der</strong> Anfallsfokusresektionen. Wenn<br />

die Läsion in <strong>der</strong> Nähe des primären sensomotorischen<br />

Kortex liegt, kann die präzise<br />

Lokalisation <strong>der</strong> aktivierten Kortexareale in<br />

Relation zur Läsion potenziell die möglichen<br />

postoperativen Defizite vorhersagen. Die<br />

Lokalisation des motorischen Kortex mittels<br />

fMRT ist hochkonkordant mit intraoperativen<br />

elektrokortikalen Stimulationen 78, 79 .<br />

Präoperatives Mapping <strong>der</strong> Sprachfunktionen:<br />

Ziel <strong>der</strong> präoperativen Lokalisation<br />

<strong>der</strong> Sprache ist die Minimierung des postoperativen<br />

Sprachdefizits, das durch den<br />

epilepsiechirurgischen Eingriff verursacht<br />

werden kann 80 . Das meist verwendete<br />

Sprachparadigma für die Lokalisation <strong>der</strong><br />

Sprachfunktionen mittels fMRT ist <strong>der</strong> so<br />

genannte „word generation task“. Der untersuchten<br />

Person, die ein phonologisch o<strong>der</strong><br />

semantisch assoziiertes Wort abrufen soll,<br />

wird <strong>der</strong> erste Buchstabe, die semantische<br />

Kategorie o<strong>der</strong> ein Wort angesagt. Dieser<br />

Test aktiviert die dominanten inferioren und<br />

dorsolateralen Frontallappenregionen einschließlich<br />

des präfrontalen und prämotorischen<br />

Kortex. Die posterioren Sprachareale,<br />

wie mittlere und inferiore temporale Gyri,<br />

Gyrus fusiformis und Gyrus angularis werden<br />

nur sehr schwach aktiviert 81, 82, 83 .<br />

In fMRT-Studien, die die Sprachlateralisation<br />

von gesunden Rechtshän<strong>der</strong>Innen und u<br />

23


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

erwachsenen EpilepsiepatientInnen verglichen,<br />

wurde bei den EpilepsiepatientInnen<br />

eine hohe Inzidenz <strong>der</strong> atypischen Sprachdominanz<br />

(bilateral o<strong>der</strong> rechtslateralisiert) beobachtet,<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei jenen mit kortikalen<br />

Entwicklungsstörungen 84 (Abb. 2). Dies<br />

ist ein bekanntes Phänomen bei PatientInnen<br />

mit linkshirnigem Anfallsursprung 85, 86 .<br />

In einer Studie wurde ein enger Zusammenhang<br />

zwischen Lateralisationsindex und frühem<br />

Alter zum Zeitpunkt des Anfallbeginns<br />

mit <strong>der</strong> Tendenz des „shifting“ <strong>der</strong> Sprachfunktionen<br />

zur rechten Hemisphäre gefunden<br />

87 . Diese Ergebnisse korrelieren gut mit<br />

den Studien <strong>der</strong> Wada-Testung 88 .<br />

Abb. 3: Gedächtnis-fMRT („Roland’s hometown walking task“) bei einem<br />

Patienten mit mesialer Temporallappenepilepsie und Hippocampussklerose<br />

rechts<br />

Vergleich mit Wada-Test: Es besteht eine<br />

Korrelation zwischen den Ergebnissen des<br />

Wada-Tests und <strong>der</strong> Sprachlateralisation mittels<br />

fMRT 89–92 . Die fMRT bietet eine Alternative<br />

zum invasiven Wada-Test, und es<br />

scheint, dass sie in Zukunft die Wada-Testung<br />

ersetzen könnte. Allerdings sind aufgrund<br />

<strong>der</strong> unterschiedlichen Paradigmen und Methoden<br />

<strong>der</strong> Analyse die Ergebnisse teilweise<br />

nicht konkordant 93 .<br />

Vergleich mit kortikaler Stimulation: Eine<br />

große Anzahl von Studien hat sich mit dem<br />

Vergleich <strong>der</strong> motorischen und Sprachfunktionen<br />

und <strong>der</strong> kortikalen Stimulation <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>gesetzt<br />

78, 94, 95 . Diese Arbeiten sind<br />

von beson<strong>der</strong>er Bedeutung, da die kritischen<br />

Sprachfunktionen direkt überprüft werden<br />

können, obwohl die PatientInnenzahl, die in<br />

die Studien eingeschlossen wurde, nicht groß<br />

war (< 15) 96 . Die unterschiedlichen Methoden<br />

zum Vergleich <strong>der</strong> fMRI-Aktivierungen<br />

und kortikaler Stimulation waren eher subjektiv<br />

und qualitativ als objektiv und quantitativ,<br />

jedoch mit wenigen Ausnahmen 97, 98 .<br />

Vor<strong>aus</strong>sage hinsichtlich des Sprach-Outcomes:<br />

Die an<strong>der</strong>e Möglichkeit, die Validität<br />

<strong>der</strong> fMRT-Sprach-Maps zu überprüfen, ist <strong>der</strong><br />

Vergleich mit dem direkten kortikalen Mapping.<br />

Dabei kann bestimmt werden, inwieweit<br />

das Sprachdefizit postoperativ sein kann.<br />

In einer Studie wurde die Benennstörung bei<br />

A) koronare T2-gewichtete und B) koronare FLAIR-Sequenzen zeigen eine Hippocampussklerose rechts.<br />

BOLD-Signal im linken hippocampal-parahippocampalen Areal. Der rechte Hippocampus (Hippocampussklerose)<br />

zeigt keine Aktivierung. Gesunde ProbandInnen zeigen ein fMRI-Signal bilateral im hippocampal-parahippocampalen<br />

Areal.<br />

R = rechts, L = links.<br />

24 PatientInnen, die einer anteromesialen<br />

Temporallappenresek tion unterzogen wurden,<br />

präoperativ untersucht 99 . Alle PatientInnen<br />

mit linker TLE wurden auch <strong>der</strong> Wada-<br />

Testung und dem intraoperativen Sprach-<br />

Mapping unterzogen. Die Ergebnisse zeigten,<br />

dass die präoperative fMRT die PatientInnen<br />

im Hinblick auf das postoperative Risiko für<br />

ein Sprachdefizit stratifizieren kann. Allerdings<br />

können diese Ergebnisse nicht für<br />

an<strong>der</strong>e fMRT-Protokolle, Patientenpopulationen<br />

o<strong>der</strong> chirurgisches Vorgehen verallgemeinert<br />

werden.<br />

„Guiding“ resections? Obwohl die fMRT-<br />

Ergebnisse immer mehr die diagnostischen<br />

24


und therapeutischen Entscheidungen in <strong>der</strong><br />

Epilepsiechirurgie beeinflussen 100 , sollte die<br />

Anwendbarkeit <strong>der</strong> fMRT-Sprachaktivierung<br />

für die Planung präziser chirurgischer Eingriffe<br />

weiterentwickelt werden. Dabei sind folgende<br />

Probleme hervorzuheben:<br />

• Inkonsistenz <strong>der</strong> Sprach-Maps durch<br />

unterschiedliche Protokolle;<br />

• bis jetzt gibt es kein Protokoll, das den<br />

anterioren Temporallappen, <strong>der</strong> meistens<br />

einer Resektion unterzogen wird, verlässlich<br />

aktivieren würde;<br />

• Inadäquates Verständnis <strong>der</strong> Spezifität<br />

<strong>der</strong> fMRT-Aktivierung.<br />

Das kann folgende Risiken verursachen:<br />

• Es könnten Regionen reseziert werden,<br />

die mittels <strong>der</strong> fMRT aufgrund des<br />

konkret angewendeten Aktivierungsprotokolls<br />

nicht aktiviert wurden, was ein<br />

postoperatives Sprachdefizit verursachen<br />

könnte.<br />

• Es könnten die fMRT-„aktivierten“<br />

Sprachregionen <strong>aus</strong>gespart werden, die<br />

in Wirklichkeit nicht sprachrelevant sind,<br />

und somit wird eine suboptimale Anfallskontrolle<br />

erzielt.<br />

Präoperatives Mapping des medialen<br />

Temporallappen-Gedächtnissystems: Der<br />

Wada-Test bleibt ein Goldstandard für die<br />

präoperative Sprach- und Gedächtnislateralisation,<br />

allerdings handelt es sich um eine<br />

invasive Methode, und man hat nur eine sehr<br />

kurze Zeit für die Testung. Die an<strong>der</strong>en<br />

einschränkenden Faktoren sind <strong>der</strong> Crossflow<br />

von Amobarbital in die kontralaterale Hemisphäre<br />

und auch <strong>der</strong> Fakt, dass <strong>der</strong> Hippocampus<br />

nicht vom anterioren Versorgungsbereich<br />

versorgt wird und somit während <strong>der</strong><br />

Wada-Testung deafferenziert und nicht direkt<br />

anästhesiert wird 101 .<br />

Aus diesem Grund ist die prächirurgische<br />

Untersuchung <strong>der</strong> Gedächtnisfunktionen<br />

von <strong>aus</strong>schlaggeben<strong>der</strong> Bedeutung. Allerdings<br />

ist bekanntermaßen die verlässliche<br />

Aktivierung des Hippocampus schwierig.<br />

Die semantischen Sprachparadigmen zeigten<br />

die Aktivierung <strong>der</strong> medialen Temporallappen<br />

sowie des Netzwerkes <strong>der</strong> inferioren<br />

präfrontalen, lateralen temporalen,<br />

zingularen und zerebellären Areale 102–104 .<br />

In <strong>der</strong> überwiegenden Anzahl <strong>der</strong> PatientInnen<br />

mit mesialer TLE konnte die Hippocampusaktivierung<br />

gezeigt werden. Es<br />

konnte ein signifikanter Unterschied in <strong>der</strong><br />

Hippocampusaktivierung bei PatientInnen<br />

mit linker o<strong>der</strong> rechter TLE beobachtet<br />

werden. Die PatientInnen mit rechter TLE<br />

zeigten ein erhöhtes Signal im linken Hippocampus<br />

im Vergleich zu den linken TLE-<br />

PatientInnen. Im Gegensatz dazu zeigten<br />

die PatientInnen mit <strong>der</strong> linken TLE keine<br />

Signalerhöhung im rechten Hippocampus<br />

102 . Die an<strong>der</strong>en Studien 105, 106 , die die<br />

Gedächtnisfunktionen mittels fMRT und<br />

dem Wada-Test untersuchten, zeigten eine<br />

gute Übereinstimmung <strong>der</strong> Lateralisation<br />

des Gedächtnisses bei diesen zwei Methoden.<br />

Trotzdem muss berücksichtigt werden,<br />

dass die fMRT die endogenen Funktionen<br />

untersucht und <strong>der</strong> Wada-Test<br />

grundsätzlich eine Läsionsuntersuchung ist.<br />

Somit können die Ergebnisse auch unterschiedlich<br />

sein – eher komplementär als<br />

doppelt 107 . Die Abnahme <strong>der</strong> Gedächtnisaktivierungen<br />

mittels <strong>der</strong> fMRT ist auch ein<br />

Hinweis für die Lateralisation <strong>der</strong> Anfallsursprungszone<br />

108 (Abb. 3), und manche<br />

Ergebnisse zeigen, dass die postoperative<br />

Amnesie mit <strong>der</strong> zur Resektion ipsilateralen<br />

fMRT-Aktivierung korreliert. <br />

•<br />

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25


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

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26


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

u Nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden bei Epilepsien kommen vorwiegend in <strong>der</strong><br />

prächirurgischen Epilepsiediagnostik zum Einsatz.<br />

u Zur Untersuchung <strong>der</strong> Schrittmacherzone im iktalen Zustand ist das SISCOM geeignet, zur<br />

funktionellen Messung <strong>der</strong> epileptogenen Zone im interiktalen Zustand – insbeson<strong>der</strong>e bei<br />

Temporallappenepilepsie – das FDG-PET.<br />

u Flumazenil-PET ist eine geeignete Methode, den epileptogenen Fokus bei temporalen und<br />

extratemporalen Epilepsien funktionell darzustellen, ist aber lei<strong>der</strong> nur an wenigen Orten verfügbar.<br />

u Ökonomische Aspekte werden in Zukunft immer wichtiger und sollten in<br />

klinisch-wissenschaftlichen Arbeiten mitbeleuchtet werden.<br />

Nuklearmedizinische Diagnostik<br />

bei Epilepsie<br />

DDie nuklearmedizinische Diagnostik im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Behandlung von Epilepsien erfolgt<br />

für zwei spezifische Fragestellungen:<br />

• In seltenen Fällen bei <strong>der</strong> Initialdiagnostik<br />

von Epilepsien zum Ausschluss an<strong>der</strong>er<br />

zugrunde liegen<strong>der</strong> Erkrankungen<br />

wie neurodegenerativer o<strong>der</strong> paraneoplastischer<br />

Prozesse.<br />

• Zur Lokalisation des epileptogenen Fokus<br />

im Rahmen <strong>der</strong> prächirurgischen Diagnostik<br />

bei therapierefraktärer fokaler<br />

Epilepsie.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Initialdiagnostik einer Epilepsie<br />

(nicht <strong>der</strong> zugrunde liegenden Erkrankungen<br />

wie oben erwähnt) ist eine nuklearmedizinische<br />

Diagnostik nicht indiziert. Es gibt<br />

vereinzelte Publikationen, die eine Diagnose<br />

einer Epilepsie mittels nuklearmedizinischer<br />

Diagnostik (z. B. FDG-PET) postulieren 1 , allerdings<br />

stellt sich selbst in publizierten Serien<br />

die Frage, ob die Epilepsie nicht doch<br />

mittels an<strong>der</strong>er Untersuchungen (z. B. EEG)<br />

zu diagnostizieren ist 2 .<br />

In einer Studie von 90 PatientInnen mit<br />

kryptogener fokaler Epilepsie über einen<br />

zweijährigen Verlauf konnte gezeigt werden,<br />

dass ca. die Hälfte <strong>der</strong> PatientInnen einen<br />

Hypometabolismus im PET zeigt. Dies war<br />

allerdings unabhängig davon, ob es eine<br />

bereits behandelte o<strong>der</strong> noch unbehandelte<br />

Epilepsie war. Auch die PatientInnengruppen<br />

mit anfallsfreier und nicht anfallsfreier Epilepsie<br />

zeigten keinen signifikanten Unterschied<br />

bezüglich des PET-Metabolismus.<br />

Daher eignet sich die PET-Untersuchung nicht<br />

für die Detektion von Non-Respon<strong>der</strong>n (Sensitivität<br />

53 %, Spezifität 59 %) 3 .<br />

Es bleibt festzuhalten, dass die Diagnose<br />

einer Epilepsie primär eine klinische Diagnose<br />

ist, die Zusatzdiagnostik beinhaltet MRT<br />

und EEG sowie Labordiagnostik, in <strong>der</strong> Regel<br />

aber keine nuklearmedizinischen Untersuchungsmethoden.<br />

Der Einsatz nuklearmedizinischer Diagnostik<br />

zur Abklärung von an<strong>der</strong>en zugrunde liegenden<br />

Erkrankungen, die Epilepsie hervorrufen<br />

können, wird in diesem Artikel nicht weiter<br />

beleuchtet. Hier geht es vor allem um den<br />

Einsatz <strong>der</strong> nuklearmedizinischen Diagnostik<br />

(PET und SPECT) im Rahmen <strong>der</strong> prächirurgischen<br />

Epilepsiediagnostik zur Fokuslateralisation<br />

und -lokalisation.<br />

Iktales SPECT/SISCOM<br />

Bereits in den 1980er-Jahren wurden erste<br />

Untersuchungen zur Fokuslokalisation mit<br />

interiktalem SPECT durchgeführt. Bei Temporallappenepilepsien<br />

zeigt ein interiktales<br />

SPECT häufig eine ipsilaterale Hypoperfusion,<br />

allerdings ist die Sensitivität und Spezifität<br />

dieses Befundes mit unter 50 % für die<br />

prächirurgische Diagnostik nicht geeignet.<br />

Daher wurde diese Untersuchung schnell<br />

wie<strong>der</strong> aufgegeben.<br />

Prim. Dr. Joachim<br />

von Oertzen, FRCP<br />

Honorary Senior Lecturer<br />

Abteilung für Neurologie<br />

Landesnervenklinik<br />

Wagner-Jauregg, Linz<br />

Seit Anfang <strong>der</strong> 1990er-Jahre wurden iktale<br />

Untersuchungen durchgeführt, im Verlauf<br />

auch zwei Untersuchungen, eine iktale sowie<br />

eine interiktale zum Vergleich.<br />

Das HMPAO- o<strong>der</strong> ECD-SPECT misst den<br />

regionalen zerebralen Blutfluss (rCBF). Dabei<br />

markiert <strong>der</strong> Tracer das Endothel. In <strong>der</strong> Regel<br />

flutet <strong>der</strong> Tracer in weniger als einer Minute<br />

nach <strong>der</strong> Injektion im Gehirn an und hat<br />

anschließend einen raschen Wash-out. Die<br />

räumliche Auflösung liegt in <strong>der</strong> Regel bei ≥<br />

12 mm. rCBF-SPECT ist eine semiquantitative<br />

Untersuchung.<br />

Aufgrund dieser Eigenschaften eignet sich<br />

die Untersuchung gut zur iktalen Bildgebung,<br />

da <strong>der</strong> Tracer während des Anfalles injiziert<br />

werden, die Bildgebung allerdings später<br />

erfolgen kann (in <strong>der</strong> Regel innerhalb von<br />

2–3 Stunden) nachdem <strong>der</strong> Patient/die Patientin<br />

bereits die postiktale Phase überwunden<br />

hat und kooperativer für eine Bildgebung<br />

ist. Die Spezifität und Sensitivität des iktalen<br />

SPECT gegenüber dem interiktalen SPECT ist<br />

deutlich erhöht. Allerdings konnte dies abermals<br />

gesteigert werden, indem das iktale<br />

28


Abb. 1: Schematische Darstellung des SISCOM-Prozesses bei einem Patienten<br />

mit komplex-fokaler Epilepsie mit akustischer Aura<br />

gegen das interiktale SPECT mittels Postprocessing<br />

verrechnet wurde 4, 5 .<br />

Hier zeigte sich, dass SISCOM (Subtraction<br />

ictal SPECT coregistered to MRI) <strong>der</strong> visuellen<br />

Befundung deutlich überlegen ist. Die Sensitivität<br />

konnte hier mittels <strong>der</strong> Computerberechnung<br />

auf über 80 %, die Spezifität auf<br />

über 70 % gesteigert werden. Die Auswertung<br />

<strong>der</strong> visuellen Befundung in <strong>der</strong> Studie<br />

von O’Brien hatte abermals eine relativ<br />

niedrige Sensitivität und Spezifität von ca.<br />

50 % 4 . Dieser dramatische Unterschied zwischen<br />

SISCOM und <strong>der</strong> visuellen Befundung<br />

konnte in an<strong>der</strong>en Studien nicht eindeutig<br />

reproduziert werden 5 , allerdings besteht Einigkeit,<br />

dass SISCOM eine höhere Sensitivität<br />

und Spezifität zeigt. Es konnte des Weiteren<br />

belegt werden, dass die Ergebnisse des SIS-<br />

COM eine hohe Korrelation mit dem iktalen<br />

ECoG-Onset (Elektrokortikogramm) haben 6 .<br />

Dabei wurden retrospektiv SPECT-Daten von<br />

PatientInnen berechnet, die auch eine Elektrodenimplantation<br />

hatten. Es konnte außerdem<br />

gezeigt werden, dass die iktale Hyperperfusion,<br />

die mit SISCOM nachgewiesen<br />

werden konnte, unabhängige zusätzliche<br />

Informationen verglichen mit <strong>der</strong> MRT lieferte<br />

7 . Die gleiche retrospektive Studie zeigte<br />

auch, dass ein besseres OP-Outcome vorlag,<br />

wenn die maximale Hyperperfusionszone<br />

mitreseziert wurde. Allerdings ist hier festzustellen,<br />

dass die PatientInnengruppe eher<br />

klein war.<br />

Eine rechtslaterale Hyperperfusion ist im iktalen SPECT ersichtlich. SISCOM zeigt die maximale signifikante<br />

Hyperperfusion in Projektion auf die Hessel’schen Querwindungen (Beschreibung des Prozesses siehe Artikel)<br />

SISCOM-Methode<br />

Auch für SISCOM ist die Injektion eines iktalen<br />

rCBF-SPECT sowie eines interiktalen<br />

rCBF-SPECT (möglichst nach einer 24-stündigen<br />

Anfallsfreiheit) nötig. Im ersten Schritt<br />

werden beide digitalen SPECT-Datensätze<br />

(Scans) aufgrund <strong>der</strong> Oberflächenform des<br />

Gehirns koregistriert. Anschließend erfolgt<br />

die Normalisierung <strong>der</strong> Signalintensität im<br />

Gehirn in beiden Scans und dann eine Subtraktion<br />

des interiktalen vom iktalen SPECT.<br />

Auf dem entstandenen Differenzbild kann<br />

man einen unteren Schwellenwert bei zwei<br />

Standardabweichungen oberhalb des Mittelwertes<br />

einstellen, sodass nur die Areale<br />

oberhalb des 95%igen Konfidenzintervalls<br />

als signifikante Hyperperfusionsareale angezeigt<br />

werden.<br />

u<br />

29


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Um eine bessere anatomische Lokalisation<br />

dieser Hyperperfusionsareale zu erreichen, ist<br />

es wichtig, diese auf das MRT zu überlagern.<br />

Dies geschieht abermals mittels Überlagerung<br />

<strong>der</strong> Hirnoberflächenform auf das <strong>aus</strong> einem<br />

3-D-MRT-Datensatz segmentierte Gehirn. Die<br />

Fusion stellt die Koregistrierung, das SISCOM,<br />

dar (nach O’Brien et al. 4 , Abb. 1). Nach<br />

Meinung des Autors ist insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />

Schritt <strong>der</strong> Koregistrierung des interiktalen<br />

und iktalen SPECT ein wesentlicher Bestandteil<br />

<strong>der</strong> erhöhten Sensitivität und Spezifität,<br />

da hier auch im visuellen Vergleich identische<br />

Schichten miteinan<strong>der</strong> verglichen werden.<br />

HMPAO o<strong>der</strong> ECD?<br />

Es gibt eine vergleichende Studie mit 49<br />

PatientInnen, welche die Tracer HMPAO und<br />

ECD vergleicht 8 . Hierbei wurde <strong>der</strong> Tracer-<br />

Uptake im Verhältnis kortikal zu extrazerebral,<br />

kortikal zu subkortikal sowie die Zunahme<br />

des iktalen Uptakes des Tracers gemessen.<br />

Weiterhin wurde die Aussagekraft<br />

bezüglich <strong>der</strong> Lokalisation des SISCOM und<br />

die Latenz <strong>der</strong> Injektionszeit verglichen. Obwohl<br />

die Studie zeigt, dass ECD gegenüber<br />

HMPAO im Verhältnis vom kortikalen zum<br />

extrazerebralen Uptake, vom kortikalen zum<br />

subkortikalen Uptake und bei <strong>der</strong> Lokalisationskraft<br />

des SISCOM signifikant überlegen<br />

ist, ist <strong>der</strong> größte signifikante Unterschied<br />

zwischen beiden Tracern die Injektionslatenz.<br />

Diese betrug bei ECD durchschnittlich 34<br />

Sekunden, bei HMPAO 80 Sekunden.<br />

Dieser dramatische Unterschied kommt dadurch<br />

zustande, dass hier retrospektiv Daten<br />

verglichen wurden. Zu dem früheren Zeitpunkt<br />

war lediglich ein instabiler HMPAO-<br />

Tracer erhältlich, <strong>der</strong> bei Anfallsbeginn zuerst<br />

angemischt werden musste und dann injiziert<br />

werden konnte. Nach Meinung des Autors<br />

ist aufgrund dieses dramatischen Unterschiedes<br />

eine Aussage für heutige Verhältnisse<br />

zwischen stabilem HMPAO und ECD nicht<br />

möglich.<br />

Es sei abermals angemerkt, dass aufgrund<br />

eines Produktionsproblems ECD zurzeit in<br />

Europa nicht erhältlich ist und daher nur<br />

HMPAO zur Verfügung steht.<br />

Ist iktales SPECT<br />

gleich iktalem SPECT?<br />

Neben den Unterschieden bei den Tracern<br />

ist in zahlreichen Arbeiten versucht worden,<br />

weitere Merkmale für die Stärkung <strong>der</strong> Aussagekraft<br />

eines SPECT zu generieren. Hier<br />

zeigt sich, dass die deutlichste Unterscheidung<br />

die Anfallsart ist und dass die höchste<br />

Aussagekraft des iktalen SPECT während<br />

Injektionen bei komplex-fokalen Anfällen<br />

besteht. Dieses ist bei Injektionen bei sekundär<br />

generalisierten tonisch-klonischen Anfällen<br />

o<strong>der</strong> einfach-fokalen Anfällen überlegen<br />

9, 10 .<br />

Dies wird darauf zurückgeführt, dass die<br />

Ausbreitung bei generalisiert tonisch-klonischen<br />

Anfällen zu einer Verschleierung des<br />

Fokus führen kann. Bei einfach-fokalen Anfällen<br />

ist die Frage, ob diese im Durchschnitt<br />

kürzer dauern und daher eventuell schlechter<br />

dargestellt werden können. Alternativ könnte<br />

das Hirnareal, das in den Anfall involviert<br />

ist, im Verhältnis kleiner sein als bei komplexfokalen<br />

Anfällen und daher gegebenenfalls<br />

weniger Hyperperfusion hervorrufen.<br />

Neben <strong>der</strong> Anfallsart scheint auch die Anfallsdauer<br />

eine Rolle zu spielen, allerdings<br />

können hier keine harten Schwellenwerte<br />

definiert werden, was die Kürze o<strong>der</strong> Länge<br />

<strong>der</strong> Anfallsdauer betrifft. Bei schneller Injektion<br />

können Anfälle ab einer Dauer von ca.<br />

15–20 Sekunden mit dem SPECT dargestellt<br />

werden 9–11 .<br />

Neben <strong>der</strong> Anfallsdauer ist auch <strong>der</strong> Injektionszeitpunkt<br />

wichtig. Hier konnte gezeigt<br />

werden, dass eine frühe Injektion wichtig ist.<br />

In einer Vergleichsstudie von SPECT-Injektion<br />

durch medizinisches Fachpersonal o<strong>der</strong><br />

Selbstinjektion des Patienten/<strong>der</strong> Patientin<br />

wurde eindrücklich gezeigt, dass mit einer<br />

kurzen Injektionszeit von durchschnittlich 25<br />

Sekunden bereits eine Propagation, zum Teil<br />

sogar kontralateral, dargestellt wurde. Bei<br />

Selbstinjektion des Patienten/<strong>der</strong> Patientin<br />

während <strong>der</strong> Aura lag die durchschnittliche<br />

Injektionszeit bei 7 Sekunden und bei 3 von<br />

6 PatientInnen stellte sich die Hyperperfusionszone<br />

deutlich umschriebener dar 12 . Es ist<br />

auch klar, dass automatische Injektoren die<br />

Injektionszeit vom Anfallsursprung bis zur<br />

Injektion verkürzen 10, 13, 14 . Weiterhin stellt<br />

sich die Frage, ob auch die Ätiologie <strong>der</strong><br />

Läsion hier eine Rolle spielt, allerdings haben<br />

sich keine harten Kriterien evaluieren lassen<br />

15 .<br />

Anfalls<strong>aus</strong>breitung<br />

In zwei wesentliche Arbeiten wurde die<br />

Ausbreitung von Anfällen betrachtet. Shin<br />

und MitarbeiterInnen stellen die Ausbreitung<br />

<strong>der</strong> Hyperperfusion im iktalen SPECT bei<br />

Temporallappenanfällen nach klinisch unterschiedlichen<br />

semiologischen Anfallsmustern<br />

dar 11 . Diese 5 verschiedenen semiologischen<br />

Ausbreitungsmuster bei Temporallappenepilepsie<br />

wurden bereits zuvor beschrieben 16 .<br />

Neben <strong>der</strong> Anfalls<strong>aus</strong>breitung bei Temporallappenepilepsie<br />

wurde die Anfalls<strong>aus</strong>breitung<br />

bei fokalen kortikalen Dysplasien beschrieben.<br />

Hier zeigt sich, dass bei minimaler Injektionslatenz<br />

von ca. 2 Sekunden eine Hyperperfusion<br />

über <strong>der</strong> Läsion zu sehen ist.<br />

Bei einer kurzen Injektionslatenz (ca. 15<br />

Sekunden) findet sich eine sanduhrartige<br />

Formation, <strong>der</strong>en maximale Hyperperfusion<br />

bereits ein Ausbreitungsphänomen darstellt.<br />

Die Seite <strong>der</strong> Sanduhr mit <strong>der</strong> geringeren<br />

Hyperperfusion ist über <strong>der</strong> Läsion zu finden.<br />

Findet eine spätere Injektionslatenz statt,<br />

o<strong>der</strong> ist <strong>der</strong> Anfall sehr kurz, können getrennte<br />

Hyperperfusionscluster auftreten.<br />

Setzt man den Schwellenwert in dem Differenzbild<br />

herunter, kann sich auch hier eine<br />

zum Teil lappenübergreifende sanduhrförmige<br />

Hyperperfusion nachweisen lassen. Bei<br />

generalisiert tonisch-klonischen Anfällen<br />

konnten keine signifikanten Hyperperfusionen<br />

über den fokalen kortikalen Dysplasien<br />

nachgewiesen werden 17 .<br />

Prospektive SISCOM-Ergebnisse<br />

In den letzten Jahren sind vermehrt Studien<br />

publiziert worden, die SISCOM bereits vor<br />

Elektrodenimplantation o<strong>der</strong> Operation in die<br />

prächirurgische Diagnostik integriert haben.<br />

In einer Auswertung einer größeren Fallserie<br />

bezüglich <strong>der</strong> Lokalisationsdiagnostik von<br />

iktalem SPECT, Multisource Imaging und<br />

FDG-PET konnte <strong>der</strong> höchste prädiktive Wert<br />

für SISCOM gefunden werden (OR 9,9) 18 .<br />

30


Des Weiteren wurde SISCOM verwendet, um<br />

das Implantationsschema zu optimieren 19, 20 .<br />

Dabei konnte eine erhöhte Erfolgsrate des<br />

ECoG erreicht werden. Eine an<strong>der</strong>e Studie<br />

mit ähnlichem Design konnte ebenfalls eine<br />

hohe Lokalisationsrate des SPECT für temporale<br />

(66,7 %), aber insbeson<strong>der</strong>e für extratemporale<br />

Epilepsien (84,6 %) nachweisen,<br />

sodass eine erhöhte Rate von Implantationen<br />

durchgeführt werden konnte 21 .<br />

In einer eigenen Studie konnte <strong>der</strong> Verfasser<br />

bei Temporallappenepilepsien mit nichtkongruenten<br />

prächirurgischen Befunden (Semiologie,<br />

Video-EEG, MRT, Neuropsychologie)<br />

o<strong>der</strong> extratemporalen Epilepsien eine hohe<br />

Lokalisationsrate nachweisen 10 . 59 % <strong>der</strong><br />

PatientInnen hatten keine MRT-Läsion o<strong>der</strong><br />

bereits einen epilepsiechirurgischen Eingriff<br />

hinter sich und im postoperativen MRT keine<br />

weitere epileptogene Läsion. Bei 57 % <strong>der</strong><br />

130 erfolgreich injizierten PatientInnen konnte<br />

ein Implantationsschema erstellt werden.<br />

Für 40 PatientInnen lag ein Goldstandardvergleich<br />

(2-jähriges OP-Outcome o<strong>der</strong> ECoG<br />

bei Nichtoperation) vor. Die Lokalisationsrate<br />

für SISCOM lag bei etwas über 80 %, das<br />

postoperative Outcome dieser eher als<br />

schwierig einzustufenden PatientInnen war<br />

erstaunlich gut. Initial hatten einige PatientInnen<br />

die Implantation abgelehnt, da ihnen<br />

eine maximale Chance auf Anfallsfreiheit von<br />

50 % in dieser Befundkonstellation (insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei nichtläsionellem MRT) eingeräumt<br />

wurde. Nimmt man das Outcome <strong>der</strong><br />

Studie zur Hand, wurde das präoperativ<br />

prognostizierte Outcome sicherlich unterschätzt.<br />

Dies wird von an<strong>der</strong>en Studien, die<br />

Abklärung und Outcome von nichtläsionellen<br />

PatientInnen mit Epilepsiechirurgie beschreiben,<br />

ebenfalls berichtet 22 . Generell ist in<br />

einer Vielzahl dieser Studien mit SISCOMadaptierter<br />

prächirurgischer Epilepsiediagnostik<br />

ein gutes OP-Outcome zu verzeichnen<br />

10, 18, 19, 21 .<br />

Abb. 2: 18 F-FDG-PET bei einem<br />

Patienten mit therapieresistenter<br />

Temporallappenepilepsie<br />

Rechts temporal <strong>aus</strong>gedehnter Hypometabolismus im<br />

Temporallappen<br />

wird eine Metabolismusdarstellung von Glukose<br />

durchgeführt, die zum Beispiel bei<br />

Temporallappenepilepsien häufig einen<br />

ipsilateralen Hypometabolismus darstellt 23<br />

(Abb. 2). Der Glukosehypometabolismus weist<br />

keine Korrelation zur Zellzahl o<strong>der</strong> zur strukturellen<br />

Läsion auf 24 . Allerdings wurde nachgewiesen,<br />

dass eine Korrelation des ipsilateralen<br />

Hypometabolismus zum OP-Outcome<br />

besteht, insbeson<strong>der</strong>e wenn ein größeres<br />

Areal des Hypometabolismus reseziert<br />

wurde 25 . Der pathophysiologische Mechanismus<br />

des Hypometabolismus ist unklar. Es<br />

wurde eine Korrelation zur Glukoseoxidationskapazität<br />

in CA3 im Hippocampus nachgewiesen<br />

26 , allerdings erklärt dies sicherlich<br />

nicht den häufig weit<strong>aus</strong> <strong>aus</strong>gedehnteren<br />

Befund in <strong>der</strong> PET-Bildgebung.<br />

Bei Temporallappenepilepsie ist generell ein<br />

leicht unterschiedliches Muster zwischen<br />

nichtläsionellen Temporallappenepilepsien<br />

und solchen mit Hippocampussklerose zu<br />

verzeichnen 27 . Hierbei zeigt sich bei Hippocampussklerosen<br />

ein ipsilateraler temporomesial<br />

bis -basal reichen<strong>der</strong> Hypometabolismus,<br />

während bei nichtläsionellen temporalen<br />

Epilepsien eher ein temporobasaler<br />

ipsilateraler Hypometabolismus nachgewiesen<br />

werden konnte.<br />

Neben <strong>der</strong> FDG-PET-Untersuchung, die breiten<br />

klinischen Einsatz findet, sind auch an<strong>der</strong>e<br />

PET-Tracer klinisch hochinteressant.<br />

Flumazenil-PET<br />

11 C-FMZ-PET ermöglicht die Darstellung <strong>der</strong><br />

Alpha-Untereinheiten 1, 2, 3 und 5 <strong>der</strong><br />

GABA A -Rezeptoren. Hier zeigen sich ein reduzierter<br />

Uptake sehr fokussiert temporomesial<br />

in Hippocampussklerosen o<strong>der</strong> häufig<br />

fokale Auffälligkeiten in nichtläsioneller Temporallappenepilepsie<br />

und extratemporaler<br />

Epilepsie 28–30 .<br />

Die pathologischen Areale mit vermin<strong>der</strong>ter<br />

GABA A -Rezeptor-Darstellung sind auch u<br />

Abb. 3: Axiale FLAIR-MRT (links) und 18 F-FMZ-PET bei einem Patienten mit<br />

rechtsseitiger Temporallappenepilepsie<br />

Positronenemissionstomografie<br />

FDG-PET<br />

PET-Untersuchungen sind in <strong>der</strong> Regel interiktale<br />

Untersuchungen. Beim 18 F-FDG-PET<br />

Reduzierter Flumazenil-Uptake rechts temporopolar und -mesial. Histologie zeigte eine fokale kortikale Dysplasie<br />

31


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

assoziiert mit <strong>der</strong> Spike-Lokalisation 31 . Zusätzlich<br />

wurde gezeigt, dass eine Resektion<br />

dieser Areale mit einem guten postoperativen<br />

Outcome assoziiert ist 32 . Die klinische Anwendung<br />

dieses Tracers hat sich größtenteils<br />

auf Forschungsserien beschränkt, da 11 C eine<br />

sehr kurze Halbwertszeit besitzt und daher<br />

<strong>der</strong> Transport von Tracern nicht möglich ist.<br />

Somit muss die Untersuchung in einer Institution<br />

mit einem Zyklotron durchgeführt<br />

werden. In <strong>der</strong> Zwischenzeit ist allerdings ein<br />

Flumazenil-Tracer mit 18 F erstellt worden,<br />

sodass eine klinische Anwendung möglich<br />

erscheint 33 .<br />

Kürzlich wurde die Hypothese aufgestellt,<br />

dass 11 C-FMZ ein Substrat des P-Glykoproteins<br />

darstellt. Das P-Glykoprotein befindet<br />

sich u. a. an <strong>der</strong> Blut-Hirn-Schranke und kann<br />

Substanzen aktiv <strong>aus</strong> dem Hirnkompartiment<br />

in das Blutkompartiment pumpen. Dieser<br />

Vorgang wird zum Teil für die Therapieresistenz<br />

für antikonvulsive Substanzen untersucht,<br />

da eine höhere Konzentration des P-<br />

Glykoproteins im epileptogenen Fokus vorliegt.<br />

Hier könnte ein Mechanismus <strong>der</strong><br />

Therapieresistenz sein, dass Antiepileptika<br />

<strong>aus</strong> dem Hirnkompartiment in das Blutkompartiment<br />

zurückgepumpt werden und somit<br />

im Hirngewebe eine geringe Konzentration<br />

<strong>der</strong> Antiepileptika vorliegt.<br />

In einer Studie an Double-Knock-out-Mäusen<br />

für P-Glykoprotein konnte gezeigt werden,<br />

dass <strong>der</strong> Flumazenil-PET-Uptake in den Double-Knock-out-Mäusen<br />

um 70 % höher war<br />

als beim Wildtyp. Nach Gabe von Tariquidar,<br />

einem P-Glykoprotein-Inhibitor, stieg <strong>der</strong><br />

Uptake im Wildtyp um 80 % an, in den<br />

Double-Knock-out-Mäusen war kein Unterschied<br />

zu verzeichnen. Die AutorInnen folgerten<br />

daher, dass Flumazenil ein P-Glykoprotein-Substrat<br />

in Nagetieren darstellt 34 . Die<br />

gleiche Arbeitsgruppe publizierte kurz darauf<br />

ein weiteres Experiment an Ratten des Kainate-Modells.<br />

Hier wurde Flumazenil-PET vor<br />

und nach Tariquidar durchgeführt und kein<br />

Unterschied im Uptake festgestellt. Die AutorInnen<br />

folgerten daher, dass Flumazenil in<br />

diesem Modell kein P-Glykoprotein-Substrat<br />

darstellt 35 . Es bleibt Unklarheit darüber, ob<br />

ein Teil <strong>der</strong> reduzierten Flumazenil-Darstellung<br />

mittels PET bei EpilepsiepatientInnen gegebenenfalls<br />

ein P-Glykoprotein-Effekt sein könnte.<br />

Eine weitere interessante Studie für Flumazenil<br />

verglich 19 PatientInnen mit Partialepilepsien,<br />

die im fMRI mit interiktaler Spike-<br />

Detektion untersucht wurden, mit einer<br />

an<strong>der</strong>en, separaten Gruppe von 18 PatientInnen<br />

mit Partialepilepsie, die im Flumazenil-<br />

PET untersucht wurden. Beide Patientengruppen<br />

wurden im Gruppenvergleich korrelierend<br />

mit <strong>der</strong> Anfallsfrequenz verglichen.<br />

Hierbei zeigte sich für PatientInnen mit<br />

häufigen Anfällen ein Areal in den Stammganglien/Inselrinde<br />

ipsilateral als gemeinsame<br />

Aktivierungszone. Da diese Zonen in beiden<br />

voneinan<strong>der</strong> unterschiedlichen Gruppen nur<br />

bei den Patientinnen aktiviert waren, die eine<br />

hohe Anfallsfrequenz haben, stellt sich hier<br />

die Frage nach aktivierten Netzwerken, die<br />

zur höheren Anfallsfrequenz o<strong>der</strong> gegebenenfalls<br />

auch Therapieresistenz beitragen<br />

können 36 .<br />

Ein Vergleich von FDG- und Flumazenil-PET<br />

zeigte in einer kleinen Patientengruppe (n = 11),<br />

dass FDG-PET eine höhere Sensitivität für die<br />

Lateralisation und Flumazenil-PET eine höhere<br />

Sensitivität für die Lokalisation bei Temporallappenepilepsien<br />

aufweist 37 .<br />

AMP-PET<br />

PET mit Alpha-Methyl-Tryptophan (AMP) ist<br />

eine weitere Methode, die zum Nachweis<br />

von epileptogenen Tubera in tuberöser Sklerose<br />

eingesetzt werden kann. Lei<strong>der</strong> ist dies<br />

nur an wenigen Stellen erhältlich, auch dies<br />

ist ein 11 C-Tracer mit kurzer Halbwertszeit.<br />

AMP-PET stellt den Serotoninmetabolismus<br />

dar, <strong>der</strong> in epileptogenen Tubera erhöht ist 38 .<br />

Es wurde auch gezeigt, dass bei Resektion<br />

von AMP-positiven Tubera ein gutes postoperatives<br />

OP-Outcome erreicht werden<br />

kann 39 . Die klinische Anwendung ist aufgrund<br />

<strong>der</strong> nur auf wenige Zentren beschränkten<br />

Verfügbarkeit des Tracers sehr begrenzt.<br />

Ökonomische Aspekte<br />

Kürzlich wurden zwei Arbeiten veröffentlicht,<br />

die auch ökonomische Aspekte in ihre Diskussionen<br />

aufgenommen haben. Bezüglich<br />

des FDG-PET wurde eine Arbeit mit einem<br />

Entscheidungsbaummodell vorgelegt, in <strong>der</strong><br />

die Stufe Video-EEG-Monitoring und MRT mit<br />

<strong>der</strong> Stufe dieser Untersuchungen plus zusätzlicher<br />

PET-Untersuchung o<strong>der</strong> in einer Kleingruppe<br />

auch plus iktalem SPECT analysiert<br />

wurde. Die Studie umfasste 176 PatientInnen,<br />

von denen 16 implantiert und insgesamt 63<br />

operiert und für mehr als 2 Jahre postoperativ<br />

nachbeobachtet wurden. Es wurde zugrunde<br />

gelegt, dass bei einem Outcome von Engel<br />

I und II 40 eine Einsparung von AUD 440.000<br />

(ca. 342.000 Euro) erreicht wird. Interessanterweise<br />

schnitt die Gruppe, die eine zusätzliche<br />

PET- o<strong>der</strong> SPECT-Untersuchung hatte, im<br />

Verlauf mit einer höheren Kosteneinsparung<br />

ab. Dies wurde darauf zurückgeführt, dass<br />

eine höhere Lokalisationssicherheit bei zusätzlichen<br />

Untersuchungen in <strong>der</strong> prächirurgischen<br />

Diagnostik besteht und damit ein<br />

besseres postoperatives Outcome erreicht<br />

werden kann 41 .<br />

In einer eigenen Studie mit prospektivem<br />

SISCOM wurden die alleinigen Kosten des<br />

SISCOM zugrunde gelegt und die Kosten für<br />

einen Patienten/eine Patientin mit einer positiven<br />

Implantationshypothese sowie für<br />

einen anfallsfreien Patienten/eine anfallsfreie<br />

Patientin (Engel Ia) errechnet 10 . Erstere ergaben<br />

ca. 2-fache SISCOM-Kosten, Letztere<br />

beliefen sich auf ca. 10-fache SISCOM-Kosten.<br />

Es wurde dargestellt, dass dies mit an<strong>der</strong>en<br />

Untersuchungen in Vergleich gesetzt<br />

werden muss. Allerdings sind keine Vergleichszahlen<br />

von an<strong>der</strong>en Untersuchungen<br />

im Rahmen <strong>der</strong> prächirurgischen Diagnostik<br />

verfügbar. Verglichen mit <strong>der</strong> Kostenersparnis,<br />

die in <strong>der</strong> <strong>aus</strong>tralischen Studie berichtet<br />

wurde, kann auch bei diesen hohen Summen<br />

sicherlich noch ein ökonomisch positiver<br />

Outcome erzielt werden. Allerdings ist das<br />

iktale SPECT aufgrund des hohen personellen<br />

32


Aufwandes unter längerer EEG-Monitoring-<br />

Dauer sicherlich eine eher kostenintensivere<br />

Untersuchung.<br />

Resümee<br />

In <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit wird ein Überblick<br />

über klinische Anwendung von nuklearmedizinischen<br />

Methoden in <strong>der</strong> Diagnostik <strong>der</strong><br />

Epilepsie gegeben. Hierbei liegt <strong>der</strong> Schwerpunkt<br />

in <strong>der</strong> prächirurgischen Epilepsiediagnostik<br />

bei therapieresistenten fokalen Epilepsien.<br />

Iktale Bildgebung kann mit iktalem SPECT<br />

und SISCOM dargestellt werden. Bei erfolgreicher<br />

iktaler Injektion zeigt sich vor allem<br />

bei komplex-fokalen Anfällen eine hohe lokalisatorische<br />

Aussagekraft <strong>der</strong> Hyperperfusion.<br />

Diese kann zur Generierung von Implantationshypothesen<br />

o<strong>der</strong> auch zur Bestätigung<br />

<strong>der</strong> OP-Lokalisation beitragen.<br />

FDG-PET stellt bei Temporallappenepilepsien<br />

einen ipsilateralen temporalen Hypometabolismus<br />

dar, <strong>der</strong> mit gutem postoperativem<br />

Anfalls-Outcome korreliert. Temporale hypometabole<br />

Zonen können zwischen mesialer<br />

Temporallappenepilepsie und nichtläsioneller<br />

Temporallappenepilepsie variieren.<br />

Neben FDG-PET, das beson<strong>der</strong>s gut zur Lateralisation<br />

von Temporallappenepilepsien<br />

geeignet ist, wird Flumazenil-PET zur interiktalen<br />

Darstellung des epileptogenen Fokus<br />

eingesetzt. Hier besteht eine hohe Korrelation<br />

zur interiktalen Spike-Aktivität und bei<br />

Resektion zum postoperativen Outcome.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Eigenschaften des Flumazenil-<br />

Tracers ist dieser lei<strong>der</strong> nur an bestimmten<br />

Orten verfügbar. Rezente Publikationen warfen<br />

die Frage auf, ob Flumazenil ein P-Glykoprotein-Korrelat<br />

sein könnte.<br />

Die Wichtigkeit von ökonomischen Faktoren<br />

im Rahmen <strong>der</strong> einzelnen diagnostischen<br />

Schritte in <strong>der</strong> prächirurgischen Epilepsiediagnostik<br />

wird kurz beleuchtet.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Diagnostik von Epilepsien<br />

nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden<br />

nur in <strong>der</strong> prächirurgischen Epilepsiediagnostik<br />

eingesetzt werden sollten. Eine weitere,<br />

seltenere Indikation stellt die Abklärung<br />

an<strong>der</strong>er Erkrankungen dar, die eine Epilepsie<br />

hervorrufen können, wie z. B. Screening für<br />

paraneoplastische Syndrome. <br />

•<br />

Danksagung: Dank gilt Priv.-Doz. Prim. Dr. R. Pichler,<br />

Institut für Nuklearmedizin, Landesnervenklinik<br />

Wagner-Jauregg, für die Bereitstellung <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong><br />

für die Abbildungen 2 und 3.<br />

1 Dong C et al., Aphasic or amnesic status epilepticus<br />

detected on PET but not EEG. Epilepsia 2009;<br />

50(2):251–5<br />

2 Bauer G, Unterberger I, Trinka E, Comment on<br />

„Aphasic or amnesic status epilepticus detected<br />

on PET but not EEG“. Epilepsia 2009;<br />

50(8):2004–5<br />

3 Weitemeyer L et al., The prognostic value of [F]FDG-<br />

PET in nonrefractory partial epilepsy. Epilepsia 2005;<br />

46(10):1654–60<br />

4 O’Brien TJ et al., Subtraction ictal SPECT co-registered<br />

to MRI improves clinical usefulness of SPECT in localizing<br />

the surgical seizure focus. Neurology 1998 Feb;<br />

50(2):445–54<br />

5 Spanaki MV et al., Sensitivity and specificity of quantitative<br />

difference SPECT analysis in seizure localization.<br />

J Nucl Med 1999; 40(5):730–6<br />

6 Spanaki MV et al., Periictal SPECT localization verified<br />

by simultaneous intracranial EEG. Epilepsia 1999;<br />

40(3):267–74<br />

7 O’Brien TJ et al., Subtraction peri-ictal SPECT is<br />

predictive of extratemporal epilepsy surgery outcome.<br />

Neurology 2000 Dec 12; 55(11):1668–77<br />

8 O’Brien TJ et al., Comparative study of 99mTc-ECD<br />

and 99mTc-HMPAO for peri-ictal SPECT: qualitative<br />

and quantitative analysis. J Neurol Neurosurg Psychiatr<br />

1999; 66(3):331–9<br />

9 Lee Sk et al., Ictal SPECT in neocortical epilepsies: clinical<br />

usefulness and factors affecting the pattern of<br />

hyperperfusion. Neuroradiology 2006; 48(9):678–84<br />

10 Von Oertzen TJ et al., Prospective use of subtraction<br />

ictal SPECT coregistered to MRI (SISCOM) in presurgical<br />

evaluation of epilepsy. Epilepsia 2011;<br />

52(12):2239–48<br />

11 Shin WC et al., Ictal hyperperfusion patterns according<br />

to the progression of temporal lobe seizures.<br />

Neurology 2002; 12;58(3):373–80<br />

12 Van Paesschen W et al., Self-injection ictal SPECT<br />

during partial seizures. Neurology 2000 May 23;<br />

54(10):1994–7<br />

13 Lee JJ et al., Ictal SPECT using an attachable automated<br />

injector: clinical usefulness in the prediction of<br />

ictal onset zone. Acta Radiol 2009;<br />

50(10):1160–8<br />

14 Setoain X et al., Validation of an Automatic Dose<br />

Injection System for Ictal SPECT in Epilepsy. J Nucl<br />

Med 2012; 53(2):324–9<br />

15 O’Brien TJ et al., Subtraction SPECT coregistered to<br />

MRI in focal malformations of cortical development:<br />

localization of the epileptogenic zone in epilepsy surgery<br />

candidates. Epilepsia 2004; 45(4):367–76<br />

16 Kotagal P et al., Psychomotor seizures of temporal<br />

lobe onset: analysis of symptom clusters and sequences.<br />

Epilepsy Res 1995; 20(1):49–67<br />

17 Dupont P et al., Ictal perfusion patterns associated<br />

with single MRI-visible focal dysplastic lesions: implications<br />

for the noninvasive delineation of the epileptogenic<br />

zone. Epilepsia 2006; 47(9):1550–7<br />

18 Knowlton RC et al., Functional imaging: II. Prediction<br />

of epilepsy surgery outcome. Ann Neurol 2008;<br />

64(1):35–41<br />

19 Ahnlide JA et al., Does SISCOM contribute to favorable<br />

seizure outcome after epilepsy surgery? Epilepsia<br />

2007; 48(3):579–88<br />

20 Tan KM et al., Influence of subtraction ictal SPECT on<br />

surgical management in focal epilepsy of indeterminate<br />

localization: a prospective study. Epilepsy Res 2008;<br />

82(2-3):190–3<br />

21 Kim DW et al., Predictors of surgical outcome and<br />

pathologic consi<strong>der</strong>ations in focal cortical dysplasia.<br />

Neurology 2009; 20;72(3):211–6<br />

22 Alarcón G et al., Is it worth pursuing surgery for epilepsy<br />

in patients with normal neuroimaging? J Neurol<br />

Neurosurg Psychiatr 2006; 77(4):474–80<br />

23 Theodore WH et al., The role of positron emission<br />

tomography in the evaluation of seizure disor<strong>der</strong>s.<br />

Ann Neurol 1984; 15(Suppl):S176–9<br />

24 Henry TR et al., Hippocampal neuronal loss and regional<br />

hypometabolism in temporal lobe epilepsy. Ann<br />

Neurol 1994; 36(6):925–7<br />

25 Vinton AB et al., The extent of resection of FDG-PET<br />

hypometabolism relates to outcome of temporal<br />

lobectomy. Brain 2007; 130(Pt 2):548–60<br />

26 Vielhaber S et al., Correlation of hippocampal glucose<br />

oxidation capacity and interictal FDG-PET in temporal<br />

lobe epilepsy. Epilepsia 2003; 44(2):193–9<br />

27 Carne RP et al., „MRI-negative PET-positive“ temporal<br />

lobe epilepsy (TLE) and mesial TLE differ with quantitative<br />

MRI and PET: a case control study. BMC Neurol<br />

2007; 7:16<br />

28 Koepp MJ et al., 11C-flumazenil PET, volumetric MRI,<br />

and quantitative pathology in mesial temporal lobe<br />

epilepsy. Neurology 1997; 49(3):764–73<br />

29 Debets RM et al., Is 11C-flumazenil PET superior to<br />

18FDG PET and 123I-iomazenil SPECT in presurgical<br />

evaluation of temporal lobe epilepsy? J Neurol Neurosurg<br />

Psychiatr 1997; 62(2):141–50<br />

30 Richardson MP et al., 11C-flumazenil PET in neocortical<br />

epilepsy. Neurology 1998; 51(2):485–92<br />

31 Muzik O et al., Intracranial EEG versus flumazenil and<br />

glucose PET in children with extratemporal lobe epilepsy.<br />

Neurology 2000 Jan 11; 54(1):171–9<br />

32 Juhász C et al., Relationship between EEG and positron<br />

emission tomography abnormalities in clinical epilepsy.<br />

J Clin Neurophysiol 2000; 17(1):29–42<br />

33 Odano I et al., [18F]flumazenil binding to central benzodiazepine<br />

receptor studies by PET--quantitative analysis<br />

and comparisons with [11C]flumazenil. Neuroimage<br />

2009 Apr 15; 45(3):891–902<br />

34 Froklage FE et al., [11C]Flumazenil brain uptake is<br />

influenced by the blood-brain barrier efflux transporter<br />

P-glycoprotein. EJNMMI Res 2012 Mar 28; 2:12<br />

35 Syvänen S et al., Altered GABAA Receptor Density<br />

and Unaltered Blood-Brain Barrier Transport in a Kainate<br />

Model of Epilepsy: An In Vivo Study Using<br />

11C-Flumazenil and PET. J Nucl Med 2012 Dec;<br />

53(12):1974–83<br />

36 Laufs H et al., Converging PET and fMRI evidence for<br />

a common area involved in human focal epilepsies.<br />

Neurology 2011 Aug 30; 77(9):904–10<br />

37 Ohta Y et al., Voxel- and ROI-based statistical analyses<br />

of PET parameters for guidance in the surgical treatment<br />

of intractable mesial temporal lobe epilepsy.<br />

Ann Nucl Med 2008 Jul; 22(6):495–503<br />

38 Fedi M et al., alpha-[11C]-Methyl-L-tryptophan PET<br />

identifies the epileptogenic tuber and correlates with<br />

interictal spike frequency. Epilepsy Res 2003;<br />

52(3):203–13<br />

39 Kagawa K et al., Epilepsy surgery outcome in children<br />

with tuberous sclerosis complex evaluated with alpha-<br />

[11C]methyl-L-tryptophan positron emission tomography<br />

(PET). J Child Neurol 2005; 20(5):429–38<br />

40 Engel JJ et al., Outcome with respect to epileptic seizures.<br />

Surgical treatment of the epilepsies. 2nd ed.,<br />

Raven Press Ltd, New York 1993; p609–21<br />

41 O’Brien TJ et al., The cost-effective use of 18F-FDG<br />

PET in the presurgical evaluation of medically refractory<br />

focal epilepsy. J Nucl Med 2008; 49(6):931–7<br />

33


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

u Für PatientInnen mit medikamentös therapierefraktärerer Epilepsie mit undurchführbarem o<strong>der</strong><br />

erfolglosem resektivem epilepsiechirurgischem Eingriff stehen neben <strong>der</strong> Vagusnervstimulation (VNS)<br />

zerebrale Stimulationsverfahren (tiefe Hirnstimulation [„deep brain stimulation“, DBS] sowie<br />

„responsive neurostimulation ® “, RNS ® ) zur Verfügung.<br />

u Dieser Artikel zeigt spezifische Phänomene auf und weist kritisch auf mögliche Limitationen<br />

insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Interpretation <strong>der</strong> großen Studien hin.<br />

u Weitere Stimulationsverfahren (transkutane VNS, externe Trigeminus-Nerv-Stimulation,<br />

transkranielle Magnetstimulation [tMS], „transcranial direct current stimulation“ [tDCS])<br />

werden angesprochen.<br />

Neurostimulation in <strong>der</strong> Epilepsiebehandlung –<br />

Grundsätzliches, Chancen und Limitationen<br />

Eine Standortbestimmung<br />

BBei medikamentös therapierefraktären PatientInnen<br />

kann keine anhaltende Anfallsfreiheit<br />

erzielt werden, obwohl bei gegebener<br />

Verträglichkeit zwei, bezogen auf das Epilepsiesyndrom,<br />

adäquate Antiepileptika in <strong>aus</strong>reichen<strong>der</strong><br />

Dosierung (Monotherapie o<strong>der</strong> in<br />

Kombination) zur Anwendung kommen 1 .<br />

Dies ist bei etwa einem Drittel <strong>der</strong> Patienten<br />

mit Epilepsie <strong>der</strong> Fall 2 . Zur Abklärung, ob ein<br />

resektiver epilepsiechirurgischer Eingriff erfolgversprechend<br />

ist, wird ein intensives<br />

Epilepsiemonitoring (kombinierte Video-EEG-<br />

Ableitung) über mehrere Tage sowie eine<br />

zerebrale MRI (einschließlich Dünnschichtdarstellung<br />

anguliert auf die Hippocampi) durchgeführt,<br />

da hier Heilungschancen mit Anfallsfreiheit<br />

bei bis zu ca. 75 % <strong>der</strong> PatientInnen<br />

möglich sind 3 . PatientInnen mit beidseitigen<br />

o<strong>der</strong> multifokalen Anfallsursprungszonen<br />

bzw. mit <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong> deutlichen kognitiven<br />

Verschlechterung durch den Eingriff<br />

scheiden für diesen <strong>aus</strong>. Erst nach epilepsiechirurgischer<br />

Evaluation erfolgt die Erwägung<br />

von elektrischen Stimulationsverfahren,<br />

wobei in diesem Artikel ein Schwerpunkt auf<br />

DBS und RNS gelegt wird.<br />

Technisch wird zwischen einer starren (open<br />

loop) und einer auf zerebrale Aktivität reagierenden<br />

(closed loop) Stimulation unterschieden.<br />

Die Elektroden sind als stiftförmige<br />

Tiefenelektroden o<strong>der</strong> als kleine Platten für<br />

oberflächliche Stimulation <strong>aus</strong>geführt. Die<br />

Stimulation kann kontinuierlich o<strong>der</strong> intermittierend<br />

(mit Phasen <strong>der</strong> Stimulation abwechselnd<br />

mit Stimulationsp<strong>aus</strong>en, meist<br />

jeweils in <strong>der</strong> Größenordnung von Minuten)<br />

erfolgen. Als Stimulationsziel wurden Cerebellum,<br />

Hippocampus/Amygdala, Hypothalamus,<br />

Pars reticularis <strong>der</strong> Substantia nigra,<br />

Locus coeruleus, Mamillarkörperchen, Ncl.<br />

subthalamicus, Thalamus (anteriorer Ncl.,<br />

centromedianer Ncl., ventraler intermediater<br />

Ncl., dorsomedianer Ncl.), Ncl. caudatus,<br />

zerebraler Kortex sowie Hamartome im III.<br />

Ventrikel untersucht.<br />

Man unterscheidet nie<strong>der</strong>frequenter (meist<br />

< 20 Hz) von hochfrequenter (meist > 50 Hz)<br />

Stimulation. Pathomechanisch kann zwischen<br />

einer „indirekten Hemmung“ <strong>der</strong> Anfallsursprungszone<br />

durch Stimulation hemmen<strong>der</strong><br />

Zentren und einer „direkten Hemmung“<br />

unterschieden werden. Eine Frequenz kann<br />

an unterschiedlichen Orten stimulierende<br />

o<strong>der</strong> hemmende Wirkung entfalten. Als<br />

neurophysiologische/neurobiologische Mechanismen<br />

werden die Modulation <strong>der</strong> glutamatergen,<br />

serotonergen bzw. GABA-ergen<br />

Transmission sowie Long-Term-Depression<br />

diskutiert.<br />

Therapieeffekte durch Stimulation können<br />

durch den so genannten Implantationseffekt<br />

vorgetäuscht werden, d. h., dass allein durch<br />

die Insertion <strong>der</strong> Elektroden o<strong>der</strong> vielmehr<br />

durch die dafür notwendige Narkose bzw.<br />

Dr. Markus Leitinger<br />

Universitätsklinik für Neurologie,<br />

Christian-Doppler-Klinik,<br />

Paracelsus Medizinische<br />

Privatuniversität, Salzburg<br />

Schädeltrepanation eine Anfallsreduktion<br />

eintritt, ohne dass die elektrische Stimulation<br />

gestartet wurde 4, 5 . Therapieeffekte können<br />

die Stimulation bis zu 3 Monate überdauern<br />

(carry-over effect), was insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong><br />

Anwendung von Cross-over-Designs zu berücksichtigen<br />

ist 6 . Es wurde versucht, die korrekte<br />

Lage <strong>der</strong> Stimulationselektrode nachzuweisen,<br />

wenn durch Stimulation an <strong>der</strong><br />

implantierten Elektrode ein kortikaler Rekrutierungsrhythmus<br />

im EEG <strong>aus</strong>lösbar ist 4, 7 .<br />

Dies wurde als Surrogatmarker für die spätere<br />

Anfallsreduktion zu etablieren versucht,<br />

Ergebnisse <strong>aus</strong> den großen randomisierten,<br />

kontrollierten Studien sind <strong>aus</strong>ständig.<br />

Historisch finden sich 1941 erste Beschreibungen<br />

einer Anfallskupierung durch elektrische<br />

zerebrale Reizung beim Tier von<br />

Moruzzi 8 . Anfalls<strong>aus</strong>lösung nach kortikaler<br />

Stimulation beobachteten 1954 Penfield und<br />

Jasper 9 sowie nach tiefer Hirnstimulation<br />

1966 Bancaud 10 . Therapeutische Ansätze<br />

begannen mit Cooper 1973 mit Stimulation<br />

des Cerebellums 11 .<br />

Fallserien mit Stimulation verschiedenster<br />

Targets zeigten teilweise Reduktionen <strong>der</strong><br />

Anfallsfrequenz um 90–100 %, kleine u<br />

35


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Tab.: Methodik großer randomisierter klinischer Studien zur Neurostimulation bei Epilepsie<br />

PatientInnenselektion beschrieben (Anzahl <strong>der</strong> auf Einschlussmöglichkeit getesteten<br />

Pat., Anzahl <strong>der</strong> Pat. ohne Erfüllung <strong>der</strong> Einschlusskriterien, Anzahl <strong>der</strong> verweigerten<br />

Teilnahmen, verstorben vor Einschluss …)<br />

SANTE 17 RNS ®18<br />

Nein<br />

Nein<br />

Anteil <strong>der</strong> potenziell epilepsiechirurgisch behandelbaren Pat. angegeben Nein # Nein #<br />

Ort <strong>der</strong> Elektrodenimplantation angegeben Ja Nein *<br />

Stimulationsparameter angegeben Ja Nein<br />

Medikamente konstant in <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Anfallszählung vor Implantation,<br />

Ja<br />

Ja/ Nein ** /Ja<br />

nach Implantation/vor Stimulation, sowie nach Stimulationsbeginn<br />

Medikamente zur Behandlung von Anfallsclustern o<strong>der</strong> prolongierten Anfällen erlaubt Keine Angaben Ja (BDZ)<br />

Bericht über Häufigkeit <strong>der</strong> Anwendung von Benzodiazepinen Nein Nein ***<br />

Erhöhung d. Respon<strong>der</strong>rate Intervention vs. Kontrolle (3 Monate) Nein Nein<br />

Signifikante Anfallsreduktion Ja ## Ja<br />

Angabe <strong>der</strong> Häufigkeit eines Status epilepticus Ja (4,5 %) Nein ****<br />

Depression (3 Monate)<br />

Signifikant<br />

idem<br />

schlechter ###<br />

Kognitive Defizite (3 Monate)<br />

Signifikant<br />

idem<br />

schlechter ####<br />

Lebensqualität idem Signifikant<br />

besser *****<br />

Mortalität 4,5 % 4,5 %<br />

SUDEP (per 1.000 Patientenjahre) 6,2 11,8<br />

Schwere Nebenwirkungen 6,8 % 18,3 %<br />

# Bei Pat. mit nicht operabler o<strong>der</strong> erfolglos operierter medikamentös therapierefraktärer Epilepsie stellt je<strong>der</strong> weitere Respon<strong>der</strong> einen deutlichen Erfolg dar. Wenn in den Studien<br />

jedoch potenziell operable Pat. untersucht wurden, so ist <strong>der</strong> Effekt <strong>der</strong> DBS, gemessen an <strong>der</strong> bis zu 75%igen Heilungsrate unter Epilepsiechirurgie, deutlich unterlegen.<br />

* „… neurostimulator connected to 1 or 2 recording and stimulating depth or subdural cortical strip leads …“ (Eine Angabe, wie sich diese verschiedenen Elektrodentypen auf die<br />

Interventions- bzw. Kontrollgruppe verteilen, wird nicht gemacht. Weiters unbekannt ist, wie häufig <strong>der</strong> jeweilige Elektrodentyp allein o<strong>der</strong> in Kombination eingesetzt wurde.)<br />

** „… maintained stable antiepileptic drug regimens over 12 weeks within the baseline period.“ „AEDs were to be held constant through the blinded evaluation period (BEP).“<br />

(Ein Konstanthalten <strong>der</strong> Medikation in den 8 Wochen nach Implantation/vor Stimulation wurde nicht berichtet. In <strong>der</strong> Mitte dieser 8 Wochen erfolgte die Randomisierung.)<br />

*** „… Benzodiazepines (BDZ) for seizure clusters or prolonged seizures were permitted.“ (Benzodiazepine können den primären Zielparameter Anfallsfrequenz signifikant<br />

beeinflussen. Es findet sich keine Angabe, wie oft BDZ zum Einsatz kamen und wie sich ihr Einsatz auf die Interventions- bzw. Kontrollgruppe verteilt.)<br />

## Die signifikante Anfallsreduktion wurde für das 3. von 3 konsekutiven Monaten nachgewiesen. Es ist nicht erwiesen, dass dies für die gesamte Studie einschließlich des<br />

3. Monats gilt.<br />

**** In <strong>der</strong> RNS-Studie wird keine Frequenz eines Status epilepticus angegeben. Da es sich aufgrund <strong>der</strong> medikamentösen Therapieresistenz um ein Kollektiv mit erhöhtem Risiko<br />

für einen Status epilepticus handelt, ist dies ein unerwarteter Befund. Es kann nicht <strong>aus</strong>geschlossen werden, dass ein Status epilepticus als prolongierter Anfall mit Benzodiazepinen<br />

kupiert wurde. Es gibt keine Angabe <strong>der</strong> Häufigkeit des Auftretens eines „prolongierten Anfalles“.<br />

### „… during the blinded phase: active 14,8 %, control 1,8 %; difference 13 %, p = 0,0162“<br />

#### „… during the blinded phase: active 13 %, control 1,8 %; difference 11,1 %, p = 0,0316“<br />

***** … trotz Angabe <strong>der</strong> signifikanten p-Werte finden sich keine Absolutwerte, weshalb die klinische Relevanz dieser Verbesserungen nicht abgeschätzt werden kann.<br />

kontrollierte Studien konnten jedoch keinen<br />

o<strong>der</strong> einen deutlich geringeren Effekt <strong>der</strong><br />

Stimulation nachweisen. Diese negativen<br />

Studien berücksichtigten später gewonnene<br />

Erkenntnisse noch nicht (Implantationseffekt,<br />

carry-over effect, Dauer <strong>der</strong> Stimulation für<br />

24 h anstatt von 2 h/Tag …) und schließen<br />

aufgrund <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> modifizierbaren<br />

Parameter eine Wirksamkeit <strong>der</strong> Methode<br />

nicht grundsätzlich <strong>aus</strong>.<br />

Weiters sind die Arbeiten in Bezug zu den<br />

relevanten Meilensteinen zu setzen: erste<br />

temporale Resektion zur Behandlung <strong>der</strong><br />

Temporallappenepilepsie bei Hippocampussklerose<br />

1953 (Earle, Baldwin, Penfield) 12 ,<br />

erste kommerzielle CT 1973 (Fa. EMI) 13 , erste<br />

MRI 1977 14 , ILAE-Klassifikation von epileptischen<br />

Anfällen 1981 15 , ILAE-Klassifikation <strong>der</strong><br />

Epilepsien und Epilepsiesyndrome 1989 16 .<br />

Die beiden größeren Studien (mit jeweils<br />

mehr als 100 TeilnehmerInnen) wurden 2010<br />

(SANTE, Firma Medtronic: anteriorer Ncl. des<br />

Thalamus bilateral, open loop) 17 bzw. 2011<br />

(RNS ® , Firma NeuroPace, closed loop) 18<br />

veröffentlicht. Die Ergebnisse dieser Studien<br />

wurden in dieser Serie in neurologisch 2/12<br />

von C. Baumgartner zusammengefasst. Die<br />

Hauptkritikpunkte an diesen Studien sind in<br />

<strong>der</strong> Tabelle angeführt.<br />

Konkrete Anwendung<br />

Hinsichtlich des Einschlusses in eine laufende<br />

Studie war auf ClinicalTrials.gov Anfang 2013<br />

die Studie „CoRaStiR“ (Controlled Randomized<br />

Stimulation Versus Resection;<br />

NCT00431457) <strong>der</strong> Universitätsklinik Gent,<br />

Belgien, abrufbar, bei <strong>der</strong> in Gent, Bonn und<br />

Freiburg PatientInnen mit medikamentös<br />

therapierefraktärer medialer Temporallappenepilepsie<br />

in einen von 3 Armen (Resektion<br />

des medialen TL, sofortige Neurostimulation<br />

des Hippocampus, Implantation mit um 6<br />

Monate verzögertem Stimulationsbeginn)<br />

randomisiert werden.<br />

Das Weill Medical College of Cornell University,<br />

New York, untersucht das EEG vor und<br />

während <strong>der</strong> tiefen Hirnstimulation<br />

(NCT00194870).<br />

PatientInnen, die ein Gerät <strong>der</strong> Firma Medtronic<br />

implantiert bekommen haben, sollten<br />

36


Abb.: Schema tiefe Hirnstimulation<br />

in das „Medtronic Registry for Epilepsy“<br />

(MORE; NCT01521754) eingetragen werden.<br />

Für die VNS wird ebenfalls für Studien rekrutiert.<br />

In Gent sowie New Hampshire/USA<br />

wird <strong>der</strong> „Trial Comparing Different Stimulation<br />

Paradigms in Patients Treated With<br />

Vagus Nerve Stimulation for Refractory Epilepsy“<br />

(NCT00782249) bei PatientInnen mit<br />

refraktärer Epilepsie, in welchem KandidatInnen<br />

für den VNS prospektiv in 3 Arme mit<br />

verschiedenen VNS-Paradigmen randomisiert<br />

werden.<br />

Die Studie „Vagus Nerve Stimulation Clinical<br />

Outcomes Measured Prospectively in Patients<br />

Stimulated“ (V-COMPAS; NCT01281293) ist<br />

eine prospektive Postmarketing-Langzeit-<br />

Outcome-Studie zur Erfassung des klinischen<br />

Verlaufes und <strong>der</strong> Anfallsreduktion von PatientInnen<br />

mit refraktären Anfällen mit VNS-<br />

Therapie.<br />

Die Studie „Seizure Detection and Automatic<br />

Magnet Mode Performance Study“ (E-36;<br />

NCT01325623) untersucht die kardialbasierte<br />

Anfallsdetektion im Modell Cyberonics<br />

VNS Therapy System (Model 106) in Bonn,<br />

Freiburg, Erlangen sowie in an<strong>der</strong>en europäischen<br />

Staaten.<br />

PatientInnen können an einer Studie<br />

(NCT01745952) <strong>der</strong> Universität Ziekenhuizen<br />

Leuven, Belgien, mit Verwendung <strong>der</strong> repetitiven<br />

transkraniellen Magnetstimulation<br />

(rTMS) teilnehmen, bei <strong>der</strong> PatientInnen mit<br />

Quelle: Medtronic/Askovic<br />

voll charakterisierter, refraktärer, unifokaler,<br />

neokortikaler Epilepsie mittels rTMS mit einer<br />

Figur-8- o<strong>der</strong> einer Ringspule o<strong>der</strong> Figur-<br />

8-Sham an <strong>der</strong> epileptogenen Zone im<br />

Rahmen eines Cross-over-Designs behandelt<br />

werden.<br />

DBS und RNS ® : Derzeit ist im Bereich <strong>der</strong><br />

DBS nur die Stimulation des anterioren Ncl.<br />

des Thalamus in Europa zugelassen (Medtronics<br />

® ). In <strong>der</strong> SANTE-Studie 17 , die zur<br />

Zulassung in <strong>der</strong> EU führte, konnte für<br />

Epilepsien mit Anfallsursprung im Temporallappen<br />

eine signifikante Verbesserung nachgewiesen<br />

werden, jedoch nicht für die separat<br />

<strong>aus</strong>gewerteten an<strong>der</strong>en Hirnlappen,<br />

wobei dies durch einen Mangel an PatientInnen<br />

pro Lappen im Sinne einer fehlenden<br />

statistischen Power bedingt sein kann. In <strong>der</strong><br />

RNS ® -Studie wurde sowohl für den Temporallappen<br />

als auch für die als Gruppe zusammengefassten<br />

an<strong>der</strong>en Lappen ein Signifikanznachweis<br />

erbracht (Zulassungsverfahren<br />

läuft) 18 .<br />

Somit sind PatientInnen mit Temporallappenepilepsie<br />

durch die Studienlage am besten<br />

für die DBS abgesichert und kommen somit<br />

infrage, wenn sie sich nicht für einen epilepsiechirurgischen<br />

Eingriff qualifizieren o<strong>der</strong> mit<br />

signifikanten Defiziten (vor allem in kognitiver<br />

Hinsicht) zu rechnen haben, und eine<br />

Resektion daher kontraindiziert ist.<br />

Eine Vorher-nachher-Studie von Velasco 19 an<br />

9 PatientInnen mit Temporallappenepilepsie<br />

zeigte eine Anfallsreduktion von > 95 % bei<br />

normalem MRI im Vergleich zu 50–70 % bei<br />

PatientInnen mit Hippocampussklerose (HS).<br />

Die Anfallsreduktion trat ohne HS bereits<br />

nach 1 Monat ein, mit HS nach 8 Monaten.<br />

Bei PatientInnen mit Lennox-Gastaut-Syndrom<br />

(LGS) liegen keine kontrollierten Studien<br />

vor. Velasco 20 zeigte in einer Vorhernachher-Studie<br />

an 13 PatientInnen mit<br />

schwer einstellbarer Epilepsie, dass durch<br />

elektrische Stimulation des zentromedianen<br />

Ncl. des Thalamus (ESCM) bei den 8 PatientInnen<br />

mit LGS die Rate an generalisierten<br />

tonisch-klonischen Anfällen und atypischen<br />

Absenzen deutlich gebessert werden konnte,<br />

während komplex-partielle Anfälle nicht reduziert<br />

werden konnten.<br />

Bei PatientInnen mit beispielsweise okzipitalem<br />

Anfallsursprung sollte eine Stimulation<br />

des anterioren Nukleus des Thalamus kritisch<br />

hinterfragt werden, da die Projektionen des<br />

Thalamusteils die frontalen Regionen deutlich<br />

bevorzugen und somit eine Wirkungsentfaltung<br />

okzipital fraglich ist.<br />

Die Stimulation sollte nicht unmittelbar nach<br />

Implantation gestartet werden, da sonst ein<br />

„Implantationseffekt“ nicht erkannt wird.<br />

Gemäß SANTE 17 kann zumindest 1 Monat<br />

gewartet werden. Manche Zentren warten<br />

mit dem Einschalten bis zu dem Zeitpunkt,<br />

an dem die Anfallsfrequenz vor Intervention<br />

erreicht wird.<br />

Die Stimulationsparameter sollten ebenfalls<br />

jenen <strong>der</strong> SANTE-Studie entsprechen und<br />

frühestens nach 12–24 Monaten modifiziert<br />

werden, da es im Verlauf noch zu einer<br />

Verbesserung kommen kann (SANTE-Respon<strong>der</strong>raten<br />

unkontrolliert: 13 Monate: 43 %;<br />

25 Monate: 54 %, 37 Monate: 67 %).<br />

Bezüglich neuropsychologischem Ausgangsbefund<br />

und Verlaufskontrollen kann nach<br />

Abstimmung eine Aufnahme in das Register<br />

des „Arbeitskreises Tiefe Hirnstimulation bei<br />

Epilepsie“ <strong>der</strong> DGN bzw. <strong>der</strong> Universitätsklinik<br />

Freiburg (Prof. Dr. Schulze-Bonhage) erfolgen.<br />

Bei <strong>der</strong> Patientenaufklärung sollte auf den<br />

palliativen Charakter mit Respon<strong>der</strong>raten von<br />

etwa 54 % nach 2 Jahren und wenigen<br />

Prozent Anfallsfreiheit (SANTE: 1a: 7,3 %; u<br />

37


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

2a: 3,6 %; 4a: 0,9 %) 17 , die mögliche Verbesserung<br />

im Laufe von Jahren sowie an<strong>der</strong>erseits<br />

auf die mögliche Verschlechterung<br />

einer Depression, Verschlechterung kognitiver<br />

Defizite und Häufigkeit <strong>der</strong> chirurgischen<br />

Revision unter Studienbedingungen hingewiesen<br />

werden. Eine Reduktion komplexpartieller<br />

Anfälle kann zu einer Zunahme<br />

einfach-fokaler Anfälle führen (SANTE: 9/110<br />

= 8 %, nicht signifikant, Intervention vs.<br />

Kontrolle nach 3 Mon) 17 . Beim Einschalten<br />

des Stimulators können Akutanfälle auftreten<br />

(SANTE: 2/110 = 2 %) 17 . Weiters sollte auf<br />

die dem Patientenkollektiv entsprechende<br />

Rate an Status epilepticus und SUDEP aufmerksam<br />

gemacht werden.<br />

Als Alternative steht die VNS zur Verfügung,<br />

wobei hier auf die rezente Gegenüberstellung<br />

durch Baumgartner in neurologisch<br />

2/12 verwiesen wird. Bezüglich <strong>der</strong> seit 2001<br />

in <strong>der</strong> EU (2005, FDA) zur Behandlung <strong>der</strong><br />

Depression zugelassenen VNS ist festzuhalten,<br />

dass die einzigen bisher durchgeführten<br />

randomisiert-kontrollierten Studien (Rush:<br />

Indikation Depression 21 , Elger: Indikation<br />

Epilepsie 22 ) gemäß eines rezenten systematischen<br />

Reviews negativ waren 23 bzw. bei<br />

Rush 21 nur ein sekundärer Outcomeparameter<br />

(Inventory of Depressive Symptomatology<br />

– Self-Report: IDS-SR[30]), positiv war.<br />

Die transkutane VNS (tVNS) wurde 2011 in<br />

<strong>der</strong> EU zugelassen. Eine spezielle Ohrelektrode,<br />

vergleichbar einem Kopfhörer, ist mit<br />

dem Stimulationsgerät verbunden und wird<br />

laut Hersteller zumindest 4-mal täglich für<br />

eine Stunde getragen. Hierfür existieren keine<br />

kontrollierten Studien, jedoch ein „Proof of<br />

Concept Trial“ 24 sowie eine fMRI-Studie 25 .<br />

Die externe trigeminale Stimulation (eTNS)<br />

wurde im September 2012 in <strong>der</strong> EU zugelassen.<br />

Die Elektroden über dem Stirnbereich<br />

befinden sich in einer Kabelschleife, welche<br />

hinter den Ohren nach vorn zum Gerät im<br />

Gürtelbereich geführt wird. Es existiert eine<br />

„Proof of Concept“-Studie 26 sowie eine<br />

Open-Label-Langzeitstudie (12 Monate) zu<br />

Machbarkeit und Sicherheit 27 . Resultate einer<br />

laut Firma (NeuroSigma) abgeschlossenen<br />

kontrollierten Studie sind bislang nicht publiziert.<br />

Für die Anwendung <strong>der</strong> eTNS bei<br />

Major Depression liegt eine „Proof of<br />

Concept“-Studie vor 28 .<br />

Die rTMS wird in Form von Sitzungen in <strong>der</strong><br />

Dauer von meist unter einer Stunde täglich<br />

über 1–2 Wochen durchgeführt. In einer RCT<br />

mit 24 PatientInnen konnte ein mil<strong>der</strong>, kurzlebiger<br />

Effekt gezeigt werden 29 . Das Ergebnis<br />

einer RCT mit 43 PatientInnen mit medikamentös-refraktärere<br />

Epilepsie war nicht<br />

signifikant 30 .<br />

„Transcranial direct current stimulation“<br />

(tDCS) wird mit einer Art Stirnband mit<br />

Elektroden appliziert und war in Fallberichten<br />

erfolgreich (1 Patient mit fokaler kortikaler<br />

Dysplasie 31 , 2 PatientInnen mit Rasmussen-<br />

Enzephalitis 32 ), jedoch nicht in einer kleinen<br />

kontrollierten Studie mit 5 PatientInnen mit<br />

refraktären „continuous spikes and waves<br />

during slow sleep“ 33 .<br />

Fazit<br />

Zusammenfassend stellt die Neurostimulation<br />

für PatientInnen mit kontraindiziertem, abgelehntem<br />

o<strong>der</strong> erfolglosem epilepsiechirurgischem<br />

Eingriff eine wichtige Therapiealternative<br />

dar. Für die Zukunft ist es notwendig,<br />

die Patientenselektion zu optimieren,<br />

die individuelle Ausrichtung von Stimulationsmodalität,<br />

-ort und -parametern zu<br />

etablieren sowie valide Biomarker zu entwickeln,<br />

um den Therapieerfolg vor<strong>aus</strong>sagen<br />

zu können. <br />

•<br />

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Epub 2011 Aug 31<br />

38


u Bei pharmakoresistenten, gut operablen PatientInnen ist häufig die Epilepsiechirurgie Therapie<br />

<strong>der</strong> ersten Wahl.<br />

u In bestimmten Fällen, die nichtinvasiv behandelt werden müssen, kommt die Radiochirurgie o<strong>der</strong>,<br />

im Falle des Anfallsursprunges in <strong>der</strong> eloquenten Kortexregion (z. B. Zentralregion)<br />

Erwachsener, die niedrig dosierte fraktionierte Radiotherapie in Betracht.<br />

u Im vorliegenden Artikel werden die verschiedenen Verfahren dargestellt.<br />

Radiochirurgie und<br />

Radiotherapie bei Epilepsie<br />

B<br />

Bei pharmakoresistenten Epilepsien kann<br />

Epilepsiechirurgie auf Basis verschiedener<br />

Therapiestrategien durchgeführt werden.<br />

Diese sind:<br />

• Resektion des epileptogenen Gewebes,<br />

• Unterbrechung von maßgeblichen Bahnverbindungen<br />

für Propagation wie z. B.<br />

multiple subpiale Transsectio o<strong>der</strong> Callosotomie,<br />

• Anhebung <strong>der</strong> epileptischen Erregbarkeitsschwelle,<br />

z. B. Vagus-Nerv-Stimulation<br />

o<strong>der</strong> tiefe Hirnstimulation.<br />

Eine weitere Alternative könnte eventuell in<br />

<strong>der</strong> niedrig dosierten fraktionierten Radiotherapie<br />

gesehen werden.<br />

Radiochirurgie<br />

Erste Erfahrungen mit <strong>der</strong> fokalen Bestrahlung<br />

wurden in einigen Fällen von Tracy<br />

1905, von Wieser 1939 und Baudouin et al.<br />

1951 mitgeteilt.<br />

Die pathophysiologischen Überlegungen betreffen<br />

die Destruktion <strong>der</strong> epileptogenen<br />

Läsion sowie Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Neurotransmitter<br />

GABA, Glutamat und/o<strong>der</strong> elektrische<br />

Wi<strong>der</strong>standsän<strong>der</strong>ungen, z. B. im Rahmen<br />

von Reorganisationsvorgängen mit Zunahme<br />

von Dendritenfortsätzen 1 . Fokale stereotaktische<br />

Bestrahlungsmethoden werden mit<br />

Gamma-Knife und Linearbeschleuniger<br />

durchgeführt.<br />

Bei <strong>der</strong> einzeitigen Gamma-Knife-Radiochirurgie<br />

wird eine Radionekrose bewirkt, die zu<br />

Nervenzelluntergang, Vaskulopathie und radiogenem<br />

Ödem führt 2 . Eine Langzeitverlaufsuntersuchung<br />

nach stereotaktischer<br />

Gamma-Knife-Radiochirurgie wurde bei 23<br />

PatientInnen mit symptomatischer fokaler<br />

Epilepsie durchgeführt. Die Verlaufsdauer<br />

betrug mehr als 1 Jahr, die mittlere Dosis<br />

22,9 Gy (10–50 Gy), 52 % (12 PatientInnen)<br />

wiesen Engel Klasse I auf. Weitere 8,7 %<br />

(2 PatientInnen) hatten eine Anfallsreduktion<br />

(Klasse II und III). Nach einer Reihe von<br />

Therapieberichten (Synopsis bei Kitchen 3 )<br />

wurde systematisch eine Radiochirurgie bei<br />

pharmakoresistenten mesialen Temporallappen-Epilepsien<br />

durchgeführt 4 .<br />

Als Bestrahlungsvolumen wurden vor<strong>der</strong>e<br />

Anteile des Nucleus amygdalae, Hippokampus<br />

und Parahippokampus avisiert, bei 25<br />

Gy Strahlungsdosis. Im Behandlungsverlauf<br />

wurde ein charakteristisches Zeitmuster des<br />

Auftretens <strong>der</strong> Radionekrose mit Ödem sowie<br />

Rückbildung zur Residualnekrose innerhalb<br />

von 2 Jahren festgestellt 5 . Die Reduktion <strong>der</strong><br />

Anfälle begann im Median nach 6 Monaten<br />

und erreichte nach 18 Monaten das Maximum<br />

(Abb. 1). Bei 4 PatientInnen mit postoperativen<br />

Anfällen nach inkompletter anteriorer<br />

Temporallappenresektion wurde eine<br />

Bestrahlung von Der-Jen Yen et al. 6 mit<br />

24,5–25 Gy durchgeführt. Nach 6 Monaten<br />

zeigte sich eine signifikante Anfallsreduktion,<br />

die während <strong>der</strong> Verlaufsdauer von 2 Jahren<br />

anhielt.<br />

Prof. Dr. med.<br />

Hermann Stefan<br />

Neurologische Klinik,<br />

Universitätsklinikum Erlangen,<br />

Deutschland<br />

Eine multizentrische Studie bei 30 PatientInnen<br />

mit mesialer Temporallappenepilepsie<br />

von Barbaro et al. 7 bestätigte im Wesentlichen<br />

die Behandlungsergebnisse mit 67 %<br />

Anfallskontrolle für die letzten 12 Monate.<br />

Ein verbales Defizit bestand bei 15 %. Bisher<br />

ungeklärt ist eine vorübergehende Zunahme<br />

<strong>der</strong> Auren.<br />

Weitere Applikationen <strong>der</strong> Radiochirurgie<br />

betreffen insuläre Epilepsien, hypothalamische<br />

Hamartome, Callosotomien, symptomatische<br />

Epilepsien bei arteriovenösen Fehlbildungen<br />

sowie interstitielle Radiochirurgie bei<br />

hypothalamischen Hamartomen 8–10 . 8 PatientInnen<br />

mit schwerer generalisierter Epilepsie<br />

und Sturzanfällen wurden in eine radiochirurgischen<br />

Callosotomiestudie eingeschlossen.<br />

Bei 6 PatientInnen wurde das<br />

vor<strong>der</strong>e Drittel des Corpus callosum radiochirurgisch<br />

diskonnektiert. Bei 3 PatientInnen<br />

wurden die Sturzanfälle kontrolliert und bei<br />

2 PatientInnen eine Reduktion <strong>der</strong> Sturzanfälle<br />

um 60 % erreicht.<br />

u<br />

39


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Abb. 1: Gamma-Knife-Radiochirurgie bei mesialen Temporallappenepilepsien<br />

_<br />

7<br />

_<br />

6<br />

_<br />

5<br />

_<br />

4<br />

3<br />

_<br />

2 _<br />

1 _<br />

0 _<br />

_<br />

_<br />

0 1<br />

6 12 18 24<br />

Zeit (Monate)<br />

Präoperative Evaluation (0 Monate),<br />

FU-I (1 Monat), FU-II (6 Monate), FU-III (12 Monate),<br />

FU-IV (18 Monate), und FU-V (24 Monate)<br />

Quelle Regis J et al., Epilepsia 2004; 45(5):504–515<br />

Das Outcome nach Radiochirurgie reicht von<br />

78%iger Anfallskontrolle bis zu fehlendem<br />

Effekt 11, 12 .<br />

Radiotherapie<br />

Medianplot <strong>der</strong> Gesamtzahl <strong>der</strong> Anfälle (21 PatientInnen)<br />

_<br />

Im Tierexperiment stellte Barcia Salorio 1 bei<br />

niedriger Bestrahlungsdosis ohne Radionekrose,<br />

jedoch mit Reafferenzierung durch<br />

Zunahme <strong>der</strong> Dendritenfortsätze einen Behandlungseffekt<br />

fest. Ebenfalls mit subnekrotischen<br />

Dosen wurde eine Anfallskontrolle<br />

im Rattenversuch erzielt 13 .<br />

Dies führte zum Einsatz <strong>der</strong> niedrig dosierten,<br />

fraktionierten fokalen Bestrahlungstherapie.<br />

Diese wurde bei erwachsenen PatientInnen mit<br />

pharmakoresistenten fokalen Epilepsien durchgeführt,<br />

die entwe<strong>der</strong> bereits erfolglos epilepsiechirurgisch<br />

mit und ohne zusätzliches Stimulationsverfahren<br />

vorbehandelt o<strong>der</strong> inoperabel<br />

waren und wegen <strong>der</strong> Anfälle einen hohen<br />

Leidensdruck aufwiesen. Im Falle schwerkranker<br />

PatientInnen mit z. B. internistischer Komorbidität<br />

(dialysepflichtige Niereninsuffizienz,<br />

Leberfunktionsstörung und Antikoagulation)<br />

_<br />

_<br />

wurde die präoperative Diagnostik von Lokalisation<br />

fokaler epileptischer Aktivität und funktionellem<br />

Kortex in <strong>der</strong> Zentralregion nichtinvasiv<br />

unter Einsatz <strong>der</strong> magnetischen Quellenlokalisation<br />

von Magnetenzephalographie<br />

(MEG) und Magnetresonanztomographie (MRT)<br />

als MSI (magne tic source imaging) durchgeführt<br />

14 (Abb. 2). Eine Verlaufsuntersuchung mit<br />

11 PatientInnen im Median über 10 Jahre<br />

zeigte bei diesem Vorgehen keine nennenswerten<br />

neurologischen Komplikationen und<br />

MRT-Läsionen 15 . Neuropsychologische Untersuchungen<br />

stehen noch <strong>aus</strong>.<br />

Weitere Radiound<br />

Laserverfahren<br />

_<br />

Weitere neue Ansätze <strong>der</strong> „Radio-Beam-<br />

Chirurgie“ stellen die stereotaktische Radiofrequenzhyperthermie<br />

und Laserchirurgie<br />

dar. Die stereotaktische Radiofrequenzthermoablation<br />

wurde sowohl bei extratemporalen<br />

als auch mesialen Temporallappenepilepsien<br />

durchgeführt. Über einen 56 Jahre alten<br />

Patienten mit Radiofrequenzablation einer<br />

solitären periventrikulären nodulären Heterotopie<br />

berichten Schmitt et al. 16 . Insgesamt<br />

wurden 20 teilweise überlappende Koagulationen<br />

unter Benutzung von 8 Trajektorien<br />

eingesetzt. Dies wurde über ein einziges<br />

Bohrloch durchgeführt. Der Zustand des<br />

Patienten war postoperativ erheblich gebessert,<br />

er wies jedoch vereinzelt auch Auren<br />

auf. Zur Behandlung <strong>der</strong> Temporallappenepilepsie<br />

benutzten Malikova et al. 17 ein „Leksell<br />

stereotaktisches System ® “ mit einer<br />

Eingangspforte in <strong>der</strong> Okzipitalregion und<br />

einer einzigen Trajektorie. Die Thermokoagulation<br />

des amygdalo-hippokampalen Komplexes<br />

wurde über eine Elektrode durchgeführt<br />

mit 30 Läsionen unter Benutzung des Neuro-<br />

N-50-(Fischer-Leibinger-)Systems entlang des<br />

amygdalo-hippokampalen Komplexes durchgeführt.<br />

Die Temperatur betrug 75–88° C.<br />

Eine Verlaufsuntersuchung nach 1 Jahr zeigte<br />

eine Engel-Klasse-I-Kontrolle bei 77 % <strong>der</strong><br />

35 behandelten PatientInnen und eine Engel-<br />

Klasse II bei 14 % <strong>der</strong> Patienten.<br />

Ergänzend zur Anfallskontrolle wurde eine<br />

Verbesserung des Verbalgedächtnisses<br />

(p = 0,039) und des semantischen Langzeitgedächtnisses<br />

(p = 0,003) berichtet.<br />

Die MR-geführte Laserablation wurde als<br />

minimalinvasives Verfahren kombiniert mit<br />

nichtinvasiver MEG-(MSI)-Technik durchgeführt.<br />

Eine 4-mm-Inzision und 3,2 mm<br />

großes Bohrloch wurden benutzt, um den<br />

Laserapplikator einzuführen. Die Applikation<br />

ist nebenwirkungsarm. Die meisten PatientInnen<br />

befanden sich nur 1 Nacht zur<br />

Überwachung auf <strong>der</strong> Station. Die Transitionszonen<br />

zwischen gesundem und abladiertem<br />

Gewebe kann unter 1 mm liegen und<br />

ist somit vergleichbar mit an<strong>der</strong>en Methoden<br />

18 . Bestimmte Hirnregionen werden als<br />

„no fly zone“ bezeichnet, wie z. B. die inferior<br />

frontale Hirnregion, die superior tem-<br />

40


Abb. 2: Erfolgreiche Behandlung bei fokaler Epilepsie durch fraktionierte<br />

stereotaktische Radiotherapie<br />

poral supramarginal angular präzentrale Insula<br />

und die superior frontalen Applikationen.<br />

Lasertherapien, die bisher durchgeführt<br />

wurden, betrafen sowohl mesiale Temporallappenepilepsien,<br />

neokortikale Epilepsien,<br />

hypothalamische Hamartome und fokale<br />

Epilepsien bei pädiatrischen Patienten.<br />

Fazit<br />

Da zurzeit nur limitierte Erfahrungen vorliegen,<br />

muss zur Einschätzung <strong>der</strong> neueren<br />

Verfahren eine größere Fallzahl abgewartet<br />

werden. Soweit möglich, ist bei pharmakoresistenten,<br />

gut operablen PatientInnen die<br />

Epilepsiechirurgie häufig Therapie <strong>der</strong> ersten<br />

Wahl. Im Gegensatz zur Radiochirurgie setzt<br />

<strong>der</strong> Effekt <strong>der</strong> Chirurgie sofort ein. In bestimmten<br />

Fällen, die nichtinvasiv behandelt<br />

MSI: Lokalisation von MEG Spikes (rote<br />

Dreiecke) und SEF (grüne Punkte) in <strong>der</strong><br />

Nähe einer traumatischen Läsion im<br />

rechten Parietallappen.<br />

Radiotherapie: Koronarbild mit Strahlen- und<br />

Dosisverteilung. 90 % Isodosen in Rot.<br />

Quelle: Stefan H et al., Eur Neurol 1998; 39:248–50<br />

werden müssen, kommt die Radiochirurgie<br />

o<strong>der</strong>, im Falle des Anfallsursprunges in <strong>der</strong><br />

eloquenten Kortexregion (z. B. Zentralregion)<br />

Erwachsener, die niedrig dosierte fraktionierte<br />

Radiotherapie in Betracht. <br />

•<br />

1 Barcia-Salorio JL, Roldan P, Lopez-Gomze L, Radiosurgery<br />

of the central pain. Acta Neurochir Suppl 1987;<br />

39:159–162<br />

2 Vale F, Long term radio surgery effect in the treatment<br />

of temporal lobe epilepsy. Abstract, American Epilepsy<br />

Society 2011, Baltimore<br />

3 Kitchen N, Experimental and clinical studies on the<br />

üutative therapeutic efficacy of cerebral irradiation<br />

(radiotherapy) in epilepsy. Epilepsy Res 1995; 1:1–10<br />

4 Régis J, Mangin JF, Frouin V, Sastre F, Peragut JC,<br />

Samson Y, Generic model for the localization of the<br />

cerebral cortex and preoperative multimodal integration<br />

in epilepsy surgery. Stereotact Funct Neurosurg<br />

1995; 65(1-4):72–80<br />

5 Régis J, Rey M, Bartolomei F, Vladyka V, Liscak R,<br />

Schröttner O, Pendl G, Gamma knife surgery in mesial<br />

temporal lobe epilepsy: a prospective multicenter<br />

study. Epilpesia 2004; 45(5):505–515<br />

6 Yen DJ, Chung WY, Shih YH, Chen C, Lirng JF, Yiu CH,<br />

Yu HY, Su TP, Pan DH, Gamma knife radiosurgery for<br />

the treatment of recurrent seizures after incomplete<br />

anterior temporal lobectomy. Seizure 2009;<br />

18(7):511–514<br />

7 Barbaro NM, Quigg M. Epilepsy – radiosurgery for<br />

epilepsy. Rev Neurol Dis 2009; 6(1):39<br />

8 Regis J, Tuleasca C, Fifteen years of gamma knife surgery<br />

for trigeminal neuralgia in the Journalof Neurosurgery:<br />

history of a revolution in functional neurosurgery.<br />

J Neurosurg 2011; 115 Supp: 2–7<br />

9 Irislimane M, Mathieu D, Bouthillier A, Deacon C,<br />

Nguyen DK, Gamma knife surgery for refractory insular<br />

cortex epilepsy. Stereotact Funct Neurosurg 2013;<br />

91(3):170–176<br />

10 Feichtinger M, Schröttner O, E<strong>der</strong> H, Holth<strong>aus</strong>en H,<br />

Pieper T, Unger F, Holl A, Gruber L, Körner E, Trinka E,<br />

Fazekas F, Ott E, Efficacy and safety of readiosrugical<br />

callsosotmy: a retrospective analysis. Epilepsia 2006;<br />

47(7):1184–1191<br />

11 Yeh HS, Tew JM Jr, Gartner M, Seizure control after<br />

surgery on cerebral arterioovenous malformations.<br />

J Neurosurg 1993; 78(1):12–18<br />

12 Colombo F, Casentini L, Pozza F, Chierego G, Marchetti<br />

C, Development of a second generation stereotactic<br />

apparatus for linear accelerator radiosurgery. Acta<br />

Neurochir Suppl 1991; 52:84–86<br />

13 Maesawa S, Fujii M, Nakahara N, Watanabe T, Wakabayashi<br />

T, Yoshida J. Intraoperative tractography and<br />

motor evoked potential (MEP) monitoring in surgery<br />

for gliomas around the corticospinal tract. World<br />

Neurosurg 2010; 74(1):153–161<br />

14 Stefan H, Hummel C, Grabenbauer GG, Müller RG,<br />

Robeck S, Hofmann W, Buchfel<strong>der</strong> M. Successful<br />

treatment of focal epilepsy by fractionated stereotactic<br />

radiotherapy. Eur Neurol 1998; 39(4):248–250<br />

15 Rauch C, Semrau S, Fietkau R, Rampp S, Kasper B,<br />

Stefan H, Long-term experience with fractionated<br />

stereotactic radiotherapy in pharmacoresistant epilepsy:<br />

Neurological and MRI changes. Epilepsy Res 2012;<br />

99:14–20<br />

16 Schmitt FC, Voges J, Buentjen L, Woermann F, Pannek<br />

HW, Skalej M, Heinze HJ, Ebner A, Radiofrequency<br />

lesioning for epileptogenic perventricular nodular<br />

heterotopia: a rational research. Epilepsia 2011;<br />

52(9):e101–105<br />

17 Malikova H, Kramska L, Liscak R, Vojtech Z, Prochazaka<br />

T, MareckovaI, Lukavsky J, Druga R, Stereotactic<br />

radiofrequency amygdalohippocampectomy for<br />

the treatment of temporal lobe epilepsy: do good<br />

neuropsychological and seizure outcome correlate with<br />

hippocampal volume reduction? Epilepsy Res 2012;<br />

102(1–2):34-44<br />

18 Chez G, Ciricillo S, Ghasseimi C, Lepage HE, Kirsch S,<br />

Honma SM, Mantle MM, Laser ablation of non-mesial<br />

temporal foci with MEG localization and surface EEG<br />

recording during MRI guided ablation: Four pediatric<br />

cases with EEG normalization post-laser ablation.<br />

Abstract, AES 2012, San Diego<br />

Weitere Literatur:<br />

- Tracy SG. High frequency potential current and<br />

X-radiation in the treatment of epilepies. N York<br />

M J 1905; 81:422–424<br />

- Von Wieser W, Die Röntgentherapie <strong>der</strong> traumatischen<br />

Epilepsie. Monatsschr Psychiatr Neurol 1939;<br />

101:171–179<br />

- Baudouin A, Stuhl L, Perrard AC, A case of focal<br />

epilepsy treated by radiotherapy. Rev Neurol 1951;<br />

84:60–63<br />

41


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

u Epilepsie ist auch heute noch ein Diskriminierungsgrund. Die im Vergleich zur Gesamtbevölkerung<br />

2–3-fach erhöhte Arbeitslosenrate von Menschen mit Epilepsie dürfte mit dem mangelnden Wissen<br />

über die Erkrankung und den damit verbundenen Vorurteilen in Zusammenhang stehen.<br />

u Aufgrund <strong>der</strong> individuell verschiedenen Epilepsieformen ist eine Beurteilung <strong>der</strong> Arbeitsfähigkeit<br />

und beruflichen Einsetzbarkeit komplex. Prinzipiell kann es keine generellen Empfehlungen<br />

für o<strong>der</strong> gegen einen Beruf für Menschen mit Epilepsie geben. Für eine Einschätzung<br />

werden die Tätigkeit und das Arbeitsumfeld in Beziehung zum individuellen<br />

Anfallsgeschehen gestellt und so das etwaige Risiko beurteilt.<br />

Epilepsie – Arbeit erlaubt!?<br />

Fakten statt Vorurteile<br />

I<br />

In <strong>der</strong> Bevölkerung ist kaum bekannt, dass<br />

Epilepsie eine <strong>der</strong> häufigsten neurologischen<br />

Erkrankungen ist. Die Häufigkeit aktiver<br />

Epilepsien in Europa wird 2005 von <strong>der</strong> WHO<br />

mit 0,83 % <strong>der</strong> EinwohnerInnen angegeben.<br />

1 Weltweit erkranken vorübergehend<br />

etwa 3 bis 5 % <strong>der</strong> Bevölkerung im Laufe<br />

ihres Lebens. 2, 3 Derzeit befinden sich in <strong>der</strong><br />

Bundesrepublik etwa 500.000 Menschen<br />

aufgrund einer Epilepsie in ärztlicher Behandlung.<br />

Damit sind in Deutschland gen<strong>aus</strong>o<br />

viele Menschen an einer Epilepsie erkrankt<br />

wie beispielsweise an behandlungsbedürftigem<br />

Diabetes. 4 Die jährliche Inzidenz wird<br />

in entwickelten Län<strong>der</strong>n auf 49 bis 190 Erkrankungen<br />

pro 100.000 EinwohnerInnen<br />

geschätzt. 5 Dies entspricht einer Zahl von<br />

jährlich zwischen 3.920 und 15.200 Neuerkrankungen<br />

in Österreich.<br />

Mit mo<strong>der</strong>nen Medikamenten bzw. durch<br />

einen epilepsiechirurgischen Eingriff können<br />

bei optimaler Therapie ca. 75 % <strong>der</strong> Betroffenen<br />

langfristig anfallsfrei werden. 6 Trotz<br />

<strong>der</strong> prinzipiell guten Prognose ist Epilepsie<br />

<strong>aus</strong> Unwissenheit und Angst auch heute noch<br />

ein Diskriminierungsgrund. Vorurteile verhin<strong>der</strong>n<br />

die Integration Betroffener. Meist macht<br />

den Betroffenen und ihren Familien mehr die<br />

soziale Ausgrenzung als die Krankheit selbst<br />

zu schaffen. Mehr als zwei Drittel aller EpilepsiepatientInnen<br />

fühlen sich durch die<br />

Epilepsie in ihrem täglichen Leben beeinträchtigt.<br />

So ist es nicht weiter verwun<strong>der</strong>lich,<br />

dass ca. 60 % aller Menschen mit Epilepsie<br />

zumindest vorübergehend an Depressionen<br />

leiden. Am häufigsten werden Stigmatisierung<br />

und Arbeitslosigkeit als<br />

Gründe für die Depression genannt.<br />

Die mangelnde Integration Betroffener<br />

beginnt in <strong>der</strong> Schule<br />

und wirkt sich auch am Arbeitsmarkt<br />

<strong>aus</strong>. Statistiken belegen,<br />

dass Anfallskranke im Durchschnitt<br />

den gleichen IQ 7 haben wie die<br />

Gesamtbevölkerung. Etwa zwei Drittel aller<br />

Kin<strong>der</strong> mit Epilepsie besuchen die Regelschule<br />

8 , ohne auffällig zu werden. Geht man<br />

davon <strong>aus</strong>, dass Epilepsien in <strong>der</strong> Regel nicht<br />

mit kognitiven Einschränkungen einhergehen,<br />

muss man annehmen, dass viele <strong>der</strong> an<br />

Epilepsie Erkrankten aufgrund ihrer Krankheit<br />

benachteiligt werden, d. h. nicht die gleichen<br />

Bildungschancen erhalten 9 , denn Personen<br />

mit Epilepsie erreichen im Vergleich zur<br />

Gesamtbevölkerung nur unterdurchschnittliche<br />

Bildung. Die Schullaufbahn und <strong>der</strong><br />

Schulabschluss sind entscheidende Faktoren<br />

für den Lebens- und Berufsweg von Kin<strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen. Bekanntermaßen hat eine<br />

schlechtere Schulbildung auch schlechtere<br />

Job<strong>aus</strong>sichten zur Folge.<br />

Epilepsie – Erwerbstätigkeit<br />

o<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

Eine geregelte Arbeit ist die Basis jedes eigenständigen<br />

Lebens. Sie gibt uns nicht nur<br />

die finanziellen Mittel, son<strong>der</strong>n stärkt auch<br />

das Selbstbewusstsein, das Gefühl gebraucht<br />

zu werden und ein wertvolles Mitglied <strong>der</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> zu sein. Der Arbeitsplatz ist auch<br />

Mag. Elisabeth Pless<br />

zertifizierte Epilepsiefachberaterin<br />

Geschäftsführerin <strong>der</strong> Epilepsie<br />

und Arbeit gemeinnützige<br />

Beratungs und Entwicklungs<br />

GmbH<br />

ein wichtiger Ort für soziale Kontakte.<br />

Die Arbeitslosenrate unter Menschen mit<br />

Epilepsie ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung<br />

etwa doppelt bis 3-mal so hoch. 10<br />

Erstaunlicherweise ist diese Arbeitslosigkeit<br />

unabhängig vom Bildungsgrad. AkademikerInnen<br />

und HilfsarbeiterInnen sind gleich<br />

betroffen. Beson<strong>der</strong>s hoch ist auch <strong>der</strong> Anteil<br />

an FrührentnerInnen. Der Anteil an unter<br />

40-jährigen FrührentnerInnen mit Epilepsie<br />

liegt bei 37 % gegenüber 11 % bei allen<br />

FrührentnerInnen. 11<br />

Menschen mit Epilepsie weisen die gleiche<br />

Spannbreite an Intelligenz, Geschicklichkeit<br />

und Belastbarkeit auf wie alle an<strong>der</strong>en Menschen<br />

auch. Viele von ihnen haben ihre<br />

Position im Berufsleben gefunden, auch in<br />

Führungspositionen. Die meisten wagen es<br />

nicht, sich als Betroffene zu outen. Einschränkungen<br />

im Arbeitsleben ergeben sich lediglich<br />

durch Symptome während eines Anfalls<br />

und gegebenenfalls durch zusätzliche Erkrankungen.<br />

Diese Symptome sind individuell sehr<br />

unterschiedlich. Eine individuelle Beratung<br />

bezüglich beruflicher Möglichkeiten ist daher<br />

absolut notwendig. Der hohe Anteil an Arbeitslosen<br />

unter Menschen mit Epilepsie muss<br />

also etwas mit dem mangelnden Wissen über<br />

42


Epilepsie und den damit verbundenen Vorurteilen<br />

zu tun haben.<br />

In <strong>der</strong> Bevölkerung wird Epilepsie meist gleich<br />

gesetzt mit Grand-Mal-Anfällen, Gedächtnisverlust<br />

und Wesensverän<strong>der</strong>ungen. Die<br />

Krankheit gilt als unheilbar. Menschen mit<br />

Epilepsie gelten als wenig leistungsfähig. Zum<br />

Teil werden sogar Bedenken geäußert, dass<br />

Menschen mit Epilepsie einen negativen<br />

Einfluss auf das Betriebsklima hätten. Als<br />

unheimlich empfindet das Umfeld, dass<br />

Anfälle <strong>aus</strong> heiterem Himmel kommen. Bedrohlich<br />

ist, dass ein Anfall mit Unfallrisiken<br />

und Tod assoziiert wird. Viele ErsthelferInnen<br />

fühlen sich oft hilflos und überfor<strong>der</strong>t.<br />

Schließlich muss auch das Vorurteil korrigiert<br />

werden, dass je<strong>der</strong> Anfall ein Notfall ist.<br />

Eine Befragung von Unternehmen unterschiedlicher<br />

Branchen in Deutschland im<br />

Sommer 2007 zeigt, dass einerseits das Interesse<br />

an diesem Thema sehr groß ist, auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite eine große Unsicherheit<br />

aufgrund fehlen<strong>der</strong> Informationen herrscht.<br />

Die Ergebnisse einer Untersuchung des Chemiekonzerns<br />

BASF und des Berufsbildungswerks<br />

Bethel zu anfallsbedingten Fehlzeiten<br />

und zur Unfallhäufigkeit bestätigen, dass<br />

Menschen mit Epilepsie nicht häufiger Arbeitsunfälle<br />

haben als an<strong>der</strong>e MitarbeiterInnen.<br />

Dies gilt für gewerblich-technische Berufe<br />

und auch für Berufe im Dienstleistungssektor.<br />

Menschen mit Epilepsie fehlen<br />

krankheitsbedingt nicht häufiger am Arbeitsplatz<br />

als ArbeitnehmerInnen ohne Epilepsie.<br />

13<br />

Ein großes Hin<strong>der</strong>nis für die Beschäftigung<br />

von Menschen mit Epilepsie ist offensichtlich<br />

die mangelnde Aufklärung über die Krankheit<br />

selbst, wie beispielsweise die Angst <strong>der</strong><br />

UnternehmerInnen bezüglich Haftung, Risiko,<br />

mangelndes Wissen bei Erster Hilfe etc.<br />

Angst vor Haftung<br />

und Regress bei Anfällen<br />

Laut Gesetz (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz<br />

§ 4 und § 6) sind UnternehmerInnen verpflichtet,<br />

die für die Sicherheit und Gesundheit<br />

ihrer ArbeitnehmerInnen bestehenden<br />

Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen.<br />

ArbeitgeberInnen haben bei <strong>der</strong> Übertragung<br />

von Aufgaben an ArbeitnehmerInnen <strong>der</strong>en<br />

Eignung in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit<br />

zu berücksichtigen. Dabei ist insbeson<strong>der</strong>e<br />

auf Konstitution und Körperkräfte, Alter<br />

und Qualifikation Rücksicht zu nehmen. Bei<br />

Beschäftigung von behin<strong>der</strong>ten ArbeitnehmerInnen<br />

ist auf <strong>der</strong>en körperlichen und<br />

geistigen Zustand jede mögliche Rücksicht<br />

zu nehmen. Das Arbeitsinspektorat hat ihre<br />

Beschäftigung mit Arbeiten, die für sie aufgrund<br />

ihres körperlichen o<strong>der</strong> geistigen Zustandes<br />

eine Gefahr bewirken können, durch<br />

Bescheid zu untersagen o<strong>der</strong> von bestimmten<br />

Bedingungen abhängig zu machen.<br />

Ein epileptischer Anfall während <strong>der</strong> Arbeitszeit,<br />

bei dem es zu Verletzungen kommt,<br />

stellt keinen Arbeitsunfall dar (Unfall <strong>aus</strong><br />

„innerer“ Ursache, <strong>der</strong> im Prinzip nicht unter<br />

Versicherungsschutz <strong>der</strong> Unfallversicherung<br />

steht, son<strong>der</strong>n in die Zuständigkeit <strong>der</strong> Krankenversicherung<br />

fällt), außer wenn betriebliche<br />

Umstände zur Entstehung o<strong>der</strong> zur<br />

Schwere des Unfalls beigetragen haben.<br />

Risikoeinschätzung –<br />

Eigen- und Fremdgefährdung<br />

Ein p<strong>aus</strong>chales Verbot für alle Menschen mit<br />

Epilepsie, bestimmte Tätigkeiten <strong>aus</strong>zuüben,<br />

ist nicht sinnvoll, da sich <strong>der</strong> Anfallsablauf<br />

von Person zu Person unterscheidet, bei<br />

Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Anfälle bei <strong>der</strong> gleichen<br />

Person allerdings immer gleichartig ist und<br />

deshalb nicht schematisch, son<strong>der</strong>n individuell<br />

beurteilt werden sollte.<br />

Diese individuell verschiedenen Epilepsieformen<br />

machen eine Beurteilung <strong>der</strong> Arbeitsfähigkeit<br />

und beruflichen Einsetzbarkeit von<br />

Anfallskranken sehr komplex. Prinzipiell kann<br />

es keine generellen Empfehlungen für o<strong>der</strong><br />

gegen einen Beruf für Menschen mit Epilepsie<br />

geben.<br />

Für die Einschätzung ist immer <strong>der</strong> Gesamtkontext<br />

zu berücksichtigen.<br />

Dazu zählen:<br />

• die individuelle Krankheits<strong>aus</strong>prägung<br />

• <strong>der</strong> Stand <strong>der</strong> medizinischen Behandlung,<br />

Einnahme <strong>der</strong> Medikamente<br />

• gegebenenfalls Nebenwirkungen <strong>der</strong><br />

Medikamente sowie<br />

• <strong>der</strong> persönliche Umgang des Einzelnen<br />

mit seiner Krankheit<br />

• die konkrete Arbeitstätigkeit<br />

• die Arbeitsplatz<strong>aus</strong>stattung<br />

• die Arbeitsumgebung einschließlich des<br />

Informationsstandes von KollegInnen und<br />

Vorgesetzten<br />

Bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Eignung bzw. Gefährdung<br />

an einem bestimmten Arbeitsplatz<br />

geht man daher zuerst von einer detaillierten<br />

Anfallsbeschreibung durch den Betroffenen<br />

o<strong>der</strong> Angehörigen <strong>aus</strong>.<br />

Wesentlich sind<br />

• <strong>der</strong> genaue Hergang inklusive Orientierungsphase<br />

(möglicherweise unangemessene<br />

Handlungen nach den Anfällen)<br />

und Dauer <strong>der</strong> Anfälle,<br />

• liegen verlässliche Auren vor (während<br />

<strong>der</strong>er <strong>der</strong>/die Betroffene noch reaktionsfähig<br />

ist),<br />

• tageszeitliche Bindungen <strong>der</strong> Anfälle<br />

(verlässliche Bindung an den Schlaf o<strong>der</strong><br />

die Aufwachsituation),<br />

• verlässliche vermeidbare Anfalls<strong>aus</strong>löser,<br />

• Häufigkeit <strong>der</strong> Anfälle.<br />

Für eine etwaige Aufklärung <strong>der</strong> KollegInnen<br />

ist es auch wichtig, zu wissen: Wie erkennt ein<br />

Laie, dass <strong>der</strong> eigentliche Anfall vorüber ist?<br />

Nach welcher Zeit ist <strong>der</strong>/die Betroffene wie<strong>der</strong><br />

arbeitsfähig? Unter welchen Umständen ist bei<br />

einem Anfall die Rettung zu verständigen?<br />

Wurde ein Notfallmedikament verordnet?<br />

Da naturgemäß die Job<strong>aus</strong>sichten bei Anfallsfreiheit<br />

besser sind, ist bei häufigen<br />

Anfällen auch die Konsultation einer zertifizierten<br />

Epilepsieambulanz zu erwägen, um<br />

entwe<strong>der</strong> eine Medikamentenumstellung<br />

vorzunehmen o<strong>der</strong> die Möglichkeit eines<br />

epilepsiechirurgischen Eingriffes abzuklären.<br />

Risiken am Arbeitsplatz kann es grundsätzlich<br />

geben, wenn bei Anfällen<br />

• Bewusstseinsstörungen auftreten,<br />

• Verlust <strong>der</strong> Haltungskontrolle mit und<br />

ohne Bewusstseinsstörung (Sturz,<br />

Zu- Boden-Gehen) erfolgt,<br />

• Störung <strong>der</strong> Körpermotorik mit und<br />

ohne Bewusstseinsstörung (z. B. Zucken,<br />

Versteifen, Erschlaffen von Muskelgruppen)<br />

auftritt o<strong>der</strong><br />

• unangemessene Handlungen bei gestörtem<br />

Bewusstsein (z. B. Umherlaufen,<br />

Hantieren in <strong>der</strong> Umgebung) gemacht<br />

werden.<br />

Allgemein kann man nur sagen, dass Menschen<br />

mit Epilepsie in ihrer beruflichen u<br />

43


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Eignung für die meisten Berufe nicht beeinträchtigt<br />

sind, wenn die folgenden Faktoren<br />

vorliegen:<br />

• unter medikamentöser Therapie 2 Jahre<br />

Anfallsfreiheit besteht,<br />

• nach operativer Therapie 1 Jahr Anfallsfreiheit<br />

besteht,<br />

• seit mehr als 3 Jahren Anfälle nachweislich<br />

nur im Schlaf o<strong>der</strong> <strong>aus</strong> dem Schlaf<br />

her<strong>aus</strong> auftreten,<br />

• Anfälle mit arbeitsmedizinisch nicht<br />

relevanter Symptomatik auftreten (kein<br />

Sturz, keine Bewusstseinsstörung, keine<br />

Störungen <strong>der</strong> Motorik).<br />

Im Rahmen einer Arbeitsplatzbegehung<br />

erfolgt die Aufnahme des Arbeitsumfeldes<br />

und <strong>der</strong> <strong>aus</strong>geführten Tätigkeiten des/<strong>der</strong><br />

Betroffenen, die verwendeten Geräte und<br />

Maschinen, <strong>der</strong>en Arbeitsweise und Sicherheitsvorkehrungen<br />

etc. Die Tätigkeit<br />

und das Arbeitsumfeld werden in Beziehung<br />

zum individuellen Anfallsgeschehen<br />

gestellt und so das etwaige Risiko beurteilt.<br />

Die Beurteilung erfolgt idealerweise<br />

immer in Zusammenarbeit verschiedener<br />

Experten/Expertinnen (behandeln<strong>der</strong> Neurologe/behandelnde<br />

Neurologin, ArbeitsmedizinerIn,<br />

ergänzt um den Sicherheitsbeauftragten/die<br />

Sicherheitsbeauftragte,<br />

eventuell Betriebsrat/Betriebsrätin und<br />

Behin<strong>der</strong>tenvertrauensperson), in <strong>der</strong>en<br />

Mittelpunkt <strong>der</strong>/die Betroffene selbst<br />

steht. Entscheidend ist, dass <strong>der</strong> behandelnde<br />

Neurologe/die behandelnde Neurologin<br />

die Anfallsbeschreibung bestätigt,<br />

z. B. Vorliegen eines gesicherten Vorgefühls<br />

o<strong>der</strong> schlafgebundene Anfälle länger<br />

als 3 Jahre, und die Gefährdungskategorie<br />

festlegt. Die Aufgabe des Arbeitsmediziners/<strong>der</strong><br />

Arbeitsmedizinerin ist es, die<br />

Risiken <strong>der</strong> <strong>aus</strong>zuführenden Tätigkeiten zu<br />

analysieren. Das Ergebnis ist eine gemeinsame<br />

Stellungnahme.<br />

Beson<strong>der</strong>e Vorsicht ist bei Personen geboten,<br />

die erst seit Kurzem an Epilepsie<br />

leiden. Auch bei Jugendlichen, die vor <strong>der</strong><br />

Berufswahl stehen, sollte man bei <strong>der</strong><br />

Beurteilung eher streng sein, um im angestrebten<br />

Beruf, wenn sich die Anfallssituation<br />

verschlechtert, noch Tätigkeitsfel<strong>der</strong><br />

offen zu haben. Sie sollten bei <strong>der</strong><br />

Berufsorientierung auch diesbezüglich<br />

beraten werden.<br />

Hilfen zur Beurteilung<br />

<strong>der</strong> beruflichen Möglichkeiten<br />

Im Auftrag des Bundessozialamtes erarbeitet<br />

<strong>der</strong>zeit eine Arbeitsgruppe, bestehend <strong>aus</strong><br />

VertreterInnen <strong>der</strong> Österreichischen <strong>Gesellschaft</strong><br />

für <strong>Epileptologie</strong>, Bundessozialamt, Ärztekammer,<br />

AUVA, Arbeitsinspektorat, WK, AK,<br />

ÖGB, AMS, Epilepsie und Arbeit gemeinnützige<br />

Beratungs und Entwicklungs GmbH sowie<br />

<strong>der</strong> Epilepsie Interessengemeinschaft Österreich,<br />

eine Leitlinie zu Epilepsie und Arbeit für<br />

Österreich. Der Abschluss ist für 2013 geplant.<br />

Bis dahin kann als Hilfe für die Gefährdungsbeurteilung<br />

die deutsche „Empfehlung zur<br />

Beurteilung <strong>der</strong> beruflichen Möglichkeiten von<br />

Personen mit Epilepsie“ <strong>der</strong> HVBG (BGI 585)<br />

herangezogen werden.<br />

Zur Schwere <strong>der</strong> Anfälle – insbeson<strong>der</strong>e unter<br />

dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> Selbst- und Fremdgefährdung<br />

– werden 5 verschiedene Kategorien<br />

unterschieden – von gering bis stark gefährdend:<br />

• Kategorie „O“ – erhaltenes Bewusstsein,<br />

erhaltene Haltungskontrolle und Handlungsfähigkeit;<br />

• Kategorie „A“ – Beeinträchtigungen <strong>der</strong><br />

Handlungsfähigkeit bei erhaltenem Bewusstsein<br />

mit Haltungskontrolle<br />

• Kategorie „B“ – Handlungsunterbrechung<br />

bei Bewusstseinsstörung mit<br />

Haltungskontrolle<br />

• Kategorie „C“ – Handlungsfähigkeit mit/<br />

ohne Bewusstseinsstörung bei Verlust<br />

<strong>der</strong> Haltungskontrolle<br />

• Kategorie „D“ – unangemessene Handlungen<br />

bei Bewusstseinsstörungen mit/<br />

ohne Haltungskontrolle<br />

Die Einstufung in die zutreffende Gefährdungskategorie<br />

soll immer durch den behandelnden<br />

Neurologen/die behandelnde<br />

Neurologin erfolgen. Die Kategorie „O“ mit<br />

arbeitsmedizinisch nicht relevanten Anfallssymptomen<br />

führt zu keinerlei beruflichen<br />

Einschränkungen. Kategorie „D“ lässt nur<br />

noch wenige Tätigkeitsfel<strong>der</strong> offen.<br />

Beispielhaft ist in <strong>der</strong> BGI 585 die Gefährdung<br />

in einigen Berufen beschrieben. Sehr hilfreich<br />

sind auch folgende Links:<br />

http://www.rehadat-hilfsmittel.de/de/suche/<br />

index.html?infobox=%2Finfobox1.html&serv<br />

iceCounter=1&detailCounter=0&connectdb=<br />

praxisbeispiele&wsdb=PRA&intlink=true&suc<br />

hbegriffe=Epilepsie<br />

und<br />

http://www.rehadat.de/rehadat/Download/<br />

Hilfsmittel/Epilepsie_und_Arbeitsleben.pdf<br />

(Hier sind Hilfsmittel beschrieben und Fallbeispiele<br />

von ArbeitnehmerInnen mit Epilepsie<br />

angeführt.)<br />

Strukturelle Maßnahmen –<br />

zusätzliche Sicherheitsvorrichtungen<br />

Häufig bedarf es lediglich organisatorischer<br />

Än<strong>der</strong>ungen am Arbeitsplatz, bevor spezielle<br />

Hilfsmittel eingesetzt o<strong>der</strong> weiterreichende<br />

Maßnahmen ergriffen werden müssen.<br />

Interne Maßnahmen, eventuell ergänzt durch<br />

externe Unterstützungsangebote, können<br />

präventiv wirken, um die Arbeitssicherheit zu<br />

gewährleisten. Sie können aber auch zum<br />

Ziel haben, die Arbeitstätigkeit des/<strong>der</strong> Betroffenen<br />

überhaupt erst zu ermöglichen und<br />

den Arbeitsplatz zu erhalten.<br />

Die Vorkehrungen umfassen z. B.:<br />

• Arbeitsaufgaben/Tätigkeitswechsel und<br />

Arbeitsform (z. B. Gruppenarbeit anstelle<br />

von Einzelarbeit)<br />

• spezielle P<strong>aus</strong>enregelung o<strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit, z. B. anstelle Dreischichtsystem<br />

nur zwei Schichten (keine Nachtschicht)<br />

• Nachrüsten von speziellen Schutzvorrichtungen<br />

an Maschinen (z. B. Totmannschalter)<br />

o<strong>der</strong> Verlegen von Arbeitsplatzmatten<br />

• Information von Kollegen/Kolleginnen<br />

und Vorgesetzten über Epilepsie und<br />

eventuelle Einschränkungen bei verschiedenen<br />

Tätigkeiten o<strong>der</strong> Aufklärung über<br />

die uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit<br />

• Aufklärung von Kollegen/Kolleginnen<br />

und Vorgesetzten über richtiges Verhalten<br />

beim Auftreten eines Anfalls und<br />

gemeinsames Bewältigen von Anfällen<br />

(Erste Hilfe)<br />

Unter bestimmten Umständen können ArbeitgeberInnen<br />

für Anpassungsmaßnahmen<br />

För<strong>der</strong>ungen vom Bundessozialamt erhalten.<br />

Mythos<br />

„geschützter“ Arbeitsplatz<br />

Viele Mythen und irrige Annahmen sind mit<br />

diesem Begriff verbunden. Die Bezeichnung<br />

„geschützte Arbeit“ bezeichnet einen geför<strong>der</strong>ten<br />

Arbeitsplatz auf dem freien Arbeits-<br />

44


markt. Die För<strong>der</strong>beträge sind eher gering<br />

und meist kein wirkliches Argument für eine<br />

Einstellung, maximal ein „Zuckerl“.<br />

Personen mit Epilepsie können einen Antrag<br />

auf Ausstellung eines Behin<strong>der</strong>ten<strong>aus</strong>weises<br />

stellen. Art <strong>der</strong> Epilepsie, Verlauf <strong>der</strong> Anfälle,<br />

Häufigkeit und Schwere <strong>der</strong> Epilepsie<br />

bestimmen den Grad <strong>der</strong> Erwerbsmin<strong>der</strong>ung.<br />

14 Ab einer Erwerbsmin<strong>der</strong>ung von 50 %<br />

gibt es die Möglichkeit, einen Antrag auf<br />

Einstufung zum begünstigt Behin<strong>der</strong>ten<br />

nach dem Behin<strong>der</strong>teneinstellungsgesetz zu<br />

stellen. Personen, die einen Bescheid als<br />

begünstigt Behin<strong>der</strong>te haben, erhalten (je<br />

nach Kollektivvertrag) eine Woche Urlaub<br />

zusätzlich. Sie können bei <strong>der</strong> Arbeitnehmerveranlagung<br />

ihre Krankheitskosten ohne<br />

Selbstbehalt geltend machen, und sie haben<br />

nach 4 Jahren Zugehörigkeit zum gleichen<br />

Betrieb einen verbesserten Kündigungsschutz.<br />

15<br />

Ein verbesserter Kündigungsschutz heißt aber<br />

nicht, dass diese Personen unkündbar sind!<br />

Der Unterschied zu einer „normalen“ Kündigung<br />

ist, dass die bevorstehende Kündigung<br />

dem Bundessozialamt mit einer Begründung,<br />

warum <strong>der</strong> Mitarbeiter/die Mitarbeiterin gekündigt<br />

werden soll, im Vor<strong>aus</strong> gemeldet<br />

werden muss. Anschließend wird geprüft, ob<br />

die Kündigung <strong>aus</strong> Diskriminierungsgründen<br />

erfolgt. Üblicherweise gibt es keine Einsprüche<br />

z. B. bei einer Kündigung <strong>aus</strong> wirtschaftlichen<br />

Gründen bei geringer Auftragslage.<br />

Mit <strong>der</strong> Zugehörigkeit zum Kreis <strong>der</strong> begünstigt<br />

Behin<strong>der</strong>ten ist man we<strong>der</strong> unkündbar<br />

noch hat man automatisch die Sicherheit,<br />

einen Arbeitsplatz zu bekommen! ArbeitgeberInnen<br />

haben die Möglichkeit, spezielle<br />

För<strong>der</strong>ungen für die Beschäftigung von begünstigt<br />

Behin<strong>der</strong>ten zu erhalten, außerdem<br />

wirkt sich die Beschäftigung auf die Ausgleichstaxe<br />

<strong>aus</strong>.<br />

Im Einzelfall ist sorgfältig abzuwägen, ob <strong>der</strong><br />

Antrag auf einen Behin<strong>der</strong>ten<strong>aus</strong>weis sinnvoll<br />

ist. Die Frage beispielsweise in Bewerbungsbögen,<br />

ob bei potenziellen ArbeitsplatzwerberInnen<br />

eine Behin<strong>der</strong>ung nach<br />

dem BEinstG vorliegt o<strong>der</strong> nicht, ist grundsätzlich<br />

zulässig und auch nicht als diskriminierend<br />

zu bewerten. Die Frage, welche<br />

Art <strong>der</strong> gesundheitlichen Beeinträchtigung<br />

vorliegt und im Zusammenhang damit, wie<br />

sich diese auf die Tätigkeit <strong>aus</strong>wirkt, ist<br />

nur dann gerechtfertigt, wenn eine Behin<strong>der</strong>ung<br />

unmittelbar Auswirkungen auf den<br />

Arbeitsplatz haben kann (siehe auch § 6<br />

ASchG).<br />

Bei Vorliegen einer aktiven Form <strong>der</strong> Epilepsie<br />

mit Bewusstseinsstörung mit Sturz und<br />

z. B. einer Tätigkeit als MaurerIn im Hochbau<br />

(mit Absturzgefahr) ergibt sich ein maßgebliches<br />

Gefährdungsmoment und somit auch<br />

die Zulässigkeit nach einer diesbezüglichen<br />

Fragestellung o<strong>der</strong> gegebenenfalls auch medizinischen<br />

Einstellungsuntersuchung. Aber<br />

bei Vorliegen einer aktiven Form <strong>der</strong> Epilepsie<br />

mit Bewusstseinsstörung mit Sturz und<br />

z. B. einer Tätigkeit als BuchhalterIn in einem<br />

Großraumbüro ergibt sich kein maßgebliches<br />

Gefährdungsmoment und somit auch keine<br />

Notwendigkeit einer beson<strong>der</strong>en Fragestellung<br />

o<strong>der</strong> gar medizinischen Einstellungsuntersuchung.<br />

Der/die DienstgeberIn wird jedoch<br />

zielführen<strong>der</strong>weise von <strong>der</strong> Epilepsie in<br />

Kenntnis zu setzen sein, zumal die Auswirkungen<br />

im Großraumbüro offensichtlich für<br />

viele wahrnehmbar sind, damit Ängste <strong>der</strong><br />

KollegInnenschaft abgebaut werden können<br />

und somit adäquate Unterstützung organisiert<br />

werden kann.<br />

LEA – Leben mit Epilepsie<br />

in <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

Beson<strong>der</strong>e Unterstützung erhalten Menschen<br />

mit Epilepsie in <strong>der</strong> Steiermark. Hier<br />

zeigt seit 2010 ein Pilotprojekt LEA – Leben<br />

mit Epilepsie in <strong>der</strong> Arbeitswelt – vor wie<br />

Integration funktionieren kann. LEA wird<br />

<strong>aus</strong> Mitteln des Bundessozialamtes und des<br />

Arbeitsmarktservice Steiermark geför<strong>der</strong>t.<br />

Ziel von LEA ist die nachhaltige Integration<br />

von epilepsiekranken Menschen in den Arbeitsmarkt.<br />

Nach einer eingehenden Beratung,<br />

die die Art, Häufigkeit und Schwere<br />

<strong>der</strong> Anfälle beleuchtet, werden die beruflichen<br />

Möglichkeiten im erlernten o<strong>der</strong><br />

gewünschten Beruf individuell erhoben. Gegebenenfalls<br />

wird auch eine Umschulung<br />

empfohlen und ein diesbezüglicher Ausbildungsplatz<br />

gemeinsam gesucht. Meist steht<br />

im Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> Arbeit von LEA, Unwissen<br />

und Berührungsängste sowohl seitens<br />

<strong>der</strong> Betriebe als auch <strong>der</strong> Betroffenen abzubauen<br />

und in weiterer Folge geeignete Jobs<br />

zu vermitteln. Auch <strong>der</strong> Weg in die Selbstständigkeit<br />

ist für manche Betroffene <strong>der</strong><br />

richtige Schritt in die Zukunft.<br />

Gerade bei einer Krisenintervention wegen<br />

plötzlicher Anfälle aber auch bei neuen Arbeitsstellen<br />

erfolgt eine Arbeitsplatzbegehung<br />

möglichst gemeinsam mit dem/<strong>der</strong><br />

Betroffenen, dem/<strong>der</strong> ArbeitsmedizinerIn,<br />

des/<strong>der</strong> Vorgesetzen und des/<strong>der</strong> Sicherheitsbeauftragten.<br />

Danach wird durch die LEA-<br />

MitarbeiterInnen eine Stellungnahme verfasst,<br />

die auf die einzelnen Tätigkeiten genau<br />

eingeht und die Risiken beurteilt. Es wird<br />

abgewogen, ob alle Tätigkeiten möglich sind,<br />

und wenn nötig, werden Umstrukturierungen<br />

o<strong>der</strong> das Anbringen von Hilfsmitteln<br />

vorgeschlagen. Die Stellungnahme wird mit<br />

dem behandelnden Neurologen/<strong>der</strong> behandelnden<br />

Neurologin und dem/<strong>der</strong> ArbeitsmedizinerIn<br />

abgestimmt und schließlich durch<br />

diese bestätigt. Vorgesetzte und Kollegen/<br />

Kolleginnen werden informiert und über<br />

Epilepsie allgemein und das individuelle<br />

Anfallsgeschehen des Kollegen/<strong>der</strong> Kollegin<br />

mit Epilepsie inklusive Erste-Hilfe-Maßnahmen<br />

aufgeklärt.<br />

Das Projekt LEA ist sehr erfolgreich. Die<br />

Nachfrage ist groß, viele Arbeitsplätze für<br />

Betroffene konnten bereits gefunden bzw.<br />

erhalten werden. <br />

•<br />

1 Global Campaign against epilepsy. Atlas: Epilepsy care<br />

in the world. Pro-gramme for Neurological Diseases<br />

and Neuroscience Department of Mental Health and<br />

Substance. WHO/IBE/ILAE Geneva 2005<br />

2 Epilepsie-Bericht Epilepsiekuratorium Deutschland.<br />

Berlin, Verlag Einfälle 1998<br />

3 Neubauer BA, Groß S, Hahn A, Epilepsie im Kindesund<br />

Jugendalter. Dtsch Arztebl 2008; 105(17):319–27<br />

4 Pfäfflin M et al., Epilepsiebedingte Beeinträchtigungen<br />

im täglichen Leben und in <strong>der</strong> Erwerbstätigkeit –<br />

Querschnittsstudie an Patienten nie<strong>der</strong>gelassener Ärzte.<br />

Neurol Rehab 2000; 6(3):140–148)<br />

5 Epilepsy Atlas WHO 2005<br />

6 Krämer G, Das große Trias-Handbuch Epilepsie.<br />

Stuttgart, TRIAS-Verlag 2005<br />

7 Doose H, Zerebrale Anfälle im Kindesalter. Hamburg,<br />

Desitin-Werk Carl Klinke GmbH 1990<br />

8 Bischofberger H et al., Epilepsie im Schulalltag, Fragen,<br />

Antworten und Infor-mationen. Basel, RECOM Gmbh<br />

1995<br />

9 Schöler J, Schaudwet A, Epilepsie bei Kin<strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen in <strong>der</strong> Schu-le, Berlin, Beltz Verlag 2009<br />

10 Pachlatko C, Beran RG (eds.), Economic Aspects of<br />

Epilepsy. An Overview. Summary of the Works by ILAE<br />

Commission on Economic Aspects of Epilep-sy.<br />

Epilepsia 1999; 40(Suppl 8)<br />

11 Epilepsie-Bericht Epilepsiekuratorium Deutschland.<br />

Berlin, Verlag Einfälle 1998<br />

12 Modellprojekt Epilepsie, Ergebnisse <strong>der</strong> Befragung<br />

von Lehrkräften an För-<strong>der</strong>schulen, Modellvorhaben<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong> Ausbildung und Einglie<strong>der</strong>ung<br />

junger Menschen mit Epilepsie. Waiblingen<br />

2009<br />

13 Kleinsorge H, Der Epilepsiekranke im industriellen<br />

Großbetrieb, 2007<br />

14 Bundesgesetzblatt BGBl. II Nr. 261/2010 vom 18. 08.<br />

2010 – www.ris.gv.at<br />

15 http://www.bundessozialamt.gv.at/basb/<br />

DienstnehmerInnen/Beguenstigte_Behin<strong>der</strong>te<br />

45


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Kurt A. Jellinger<br />

Institut für Klinische<br />

Neurobiologie, Wien<br />

Beziehungen zwischen kortikaler<br />

und subkortikaler Tau-Pathologie<br />

Rezente Studien weisen darauf hin, dass die<br />

Tau-Pathologie bei <strong>der</strong> Alzheimer-Krankheit<br />

(AD) initial nicht in <strong>der</strong> Hirnrinde, son<strong>der</strong>n in<br />

<strong>aus</strong>gewählten subkortikalen Kernen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

im Locus coeruleus (LC) auftritt. Wir<br />

korrelierten die Tau-Pathologie im olfaktorischen<br />

System und im Hirnstamm mit den<br />

neuritischen Braak-Stadien. Untersucht wurden<br />

239 unselektierte Autopsiefälle (57,3 %<br />

weiblich; Alter 55–102, im Mittel 82,8 ± 9,7<br />

SD-Jahre; 44,8 % AD, 31,8 % nichtdemente<br />

Kontrollen, 5 % M. Parkinson, 2,5 % Demenz<br />

mit Lewy-Körpern, 15,9 % AD + Lewy-Körper-<br />

Krankheit). Die neuropathologische Untersuchung<br />

nach Standardkriterien umfasste Immunhistochemie<br />

und semiquantitative Erfassung<br />

<strong>der</strong> Tau-Läsionen in LC, Substantia nigra<br />

(SN), dorsalem motorischem Vaguskern (dmX)<br />

und Bulbus olfactorius (BO).<br />

Ergebnisse: Im Braak-Stadium 0 fand sich<br />

Tau-Pathologie (meist sehr spärliches Prä-<br />

Tangle-Material) im BO in 52,9 % und in<br />

SN/LC in 44 % <strong>der</strong> Fälle. Die Prävalenz von<br />

BO und subkortikaler Tau-Pathologie stieg<br />

mit zunehmenden Braak-Stadien an und<br />

erreichte 100 % in BO, SN und LC sowie<br />

95,2 % im dmX im Braak-Stadium VI. Die<br />

Intensität <strong>der</strong> Tau-Pathologie im BO und in<br />

subkortikalen Kernen korrelierte signifikant<br />

(p < 0,0001) mit den Braak-Stadien. Diese<br />

Korrelation blieb auch nach Kontrolle für<br />

begleitende -Synuclein-Pathologie in den<br />

untersuchten Kernen signifikant.<br />

Schlussfolgerungen: Der Nachweis des<br />

Anstieges von Prävalenz und Intensität <strong>der</strong><br />

Tau-Pathologie in OB und subkortikalen<br />

Kernen bei <strong>der</strong> AD mit zunehmenden Braak-<br />

Stadien weist eher darauf hin, dass diese<br />

Regionen während <strong>der</strong> AD-Progression zunehmend<br />

betroffen werden, als dass sie initial<br />

durch AD-assoziierte Tau-Pathologie<br />

betroffene Regionen darstellen.<br />

Correlations between cortical and<br />

subcortical tau pathology.<br />

Autoren: Attems J, Thomas A, Jellinger K<br />

Erschienen: Neuropathology and Applied<br />

Neurobiology 2012; 38:582–90<br />

Neurobiologie kognitiver Störungen<br />

bei <strong>der</strong> Parkinson-Krankheit<br />

Kognitive Beeinträchtigungen sind eine häufige<br />

Komplikation <strong>der</strong> Parkinson-Krankheit<br />

(PD). Milde kognitive Beeinträchtigung (MCI)<br />

kann häufiger und rascher zu Demenz fortschreiten.<br />

Parkinson-Demenz (PDD) und PD-<br />

MCI haben jeweils eine mittlere Prävalenz bis<br />

zu 75 %; eine 4–6-fach erhöhte Zunahme<br />

gegenüber Kontrollen.<br />

Aktuelle klinisch-diagnostische Kriterien für<br />

PDD und PD-MCI bedürfen einer Validierung.<br />

Kognitive Beeinträchtigung bei PD kann klinisch<br />

nachgewiesen werden, wobei <strong>aus</strong>gedehnte<br />

neuropsychologische Testungen den<br />

besten Weg für ihren Nachweis darstellen.<br />

Bildgebende Verfahren zeigten bei beiden<br />

Störungen Rindenatrophie, Hypometabolismus,<br />

Markverän<strong>der</strong>ungen, dopaminerge/<br />

cholinerge Dysfunktion und erhöhte Amyloidbelastung.<br />

Die kombinierte Analyse von<br />

Bildgebung und Liquormarkern (Tau und<br />

-Amyloid 42) ist die günstigste Methode<br />

zum Nachweis von PD-MCI und PDD. Morphologische<br />

Substrate sind Lewy- und Alzheimer-Pathologie,<br />

die eine Unterbrechung<br />

wichtiger neuronaler Netzwerke verursachen.<br />

PDD und Demenz mit Lewy-Körpern werden<br />

als ähnliche Manifestationen eines Krankheitsspektrums<br />

angesehen, zeigen aber klinische<br />

und morphologische Unterschiede.<br />

Die Behandlung mit Cholinesterasehemmern<br />

ergab geringe bis mäßige Resultate.<br />

Neurobiology of cognitive impairment<br />

in Parkinson‘s disease.<br />

Autor: Jellinger KA<br />

Erschienen: Expert Rev Neurother 2012;<br />

12:1451–66<br />

51


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Die Rolle von -Synuclein in <strong>der</strong><br />

Neurodegeneration – ein Update<br />

Genetische, neuropathologische und biochemische<br />

Ergebnisse weisen auf die Rolle von<br />

-Synuclein, ein 140 Aminosäuren umfassendes<br />

präsynaptisches Protein, in <strong>der</strong> Pathogenese<br />

<strong>der</strong> Parkinson-Krankheit (PD) und an<strong>der</strong>er<br />

neurodegenerativer Erkrankungen hin.<br />

Die vorwiegend aberrantes -Synuclein enthaltenden<br />

Proteineinschlüsse in Neuronen<br />

stellen allgemein akzeptierte morphologische<br />

Merkmale <strong>der</strong> -Synucleinopathien dar, doch<br />

wechseln Zusammensetzung und Lokalisation<br />

sowie die betroffenen neuronalen Netzwerke<br />

zwischen den verschiedenen Erkrankungen.<br />

-Synucleine kommen physiologisch<br />

in löslichem und membrangebundenem Zustand,<br />

in unstrukturierter und -helikaler<br />

Konfiguration vor; posttranslationale Verän<strong>der</strong>ungen<br />

durch proteostatische Defizite sind<br />

an seiner -gefalteten Aggregation beteiligt,<br />

die zur Bildung typischer Einschlüsse führt.<br />

Die physiologische Funktion von -Synuclein<br />

und seine Rolle in <strong>der</strong> Neurodegeneration<br />

sind jedoch nur unzureichend bekannt.<br />

Lösliches oligomeres nichtfibrilläres -Synuclein<br />

wird als neurotoxisch angesehen;<br />

Hauptziele sind Synapsen, Axone und Glia.<br />

Die Wirkung aberranten -Synucleins betrifft<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Kalziumhomöostase, Mitochondriendysfunktion,<br />

oxidative und nutritive<br />

Störungen, Wirkungen auf das Zytoskelett<br />

und Neuroinflammation. Proteosomale<br />

Dysfunktion dürfte einen gemeinsamen Mechanismus<br />

<strong>der</strong> neuronalen Degeneration bei<br />

-Synucleinopathien darstellen, doch wie<br />

-Synuclein zur Neurodegeneration führt, ist<br />

ebenso ungeklärt wie seine physiologische<br />

Funktion. Genomweite Assoziationsstudien<br />

demonstrierten die wichtige Rolle genetischer<br />

Varianten des -Synuclein enthaltenden SNC-<br />

Gens in <strong>der</strong> Ätiologie <strong>der</strong> PD vermutlich durch<br />

Wirkungen auf Oxidation, Mitochondrien,<br />

Autophagie und lysosomale Funktionen. Die<br />

Neuropathologie <strong>der</strong> -Synucleinopathien<br />

und die Rolle von -Synuclein als potenzieller<br />

Biomarker werden kurz zusammengefasst.<br />

Wenngleich Tiermodelle neue Einblicke in die<br />

Pathogenese von PD und Multisystematrophie<br />

ergaben, reproduzieren die meisten die<br />

essenziellen Merkmale dieser Erkrankungen<br />

nicht <strong>aus</strong>reichend.<br />

Zunehmende Evidenzen weisen neben synergischen<br />

Interaktionen zwischen -Synuclein<br />

und verschiedenen pathogenen Proteinen<br />

darauf hin, dass eine prionenähnliche Induktion<br />

und Aussaat von -Synuclein zur Ausbreitung<br />

<strong>der</strong> Pathologie und Krankheitsprogression<br />

führt. Interventionen in die frühen<br />

Aggregationsvorgänge, aberranten Zelleffekte<br />

o<strong>der</strong> Sekretion von -Synuclein könnten<br />

Ziele für eine Neuroprotektion und krankheitsmodifizierende<br />

Therapie darstellen.<br />

The role of -synuclein in<br />

neurodegeneration – an Update.<br />

Autor: Jellinger KA<br />

Erschienen: Translational Neuroscience<br />

2012; 3:75–122<br />

Milde kognitive Beeinträchtigung bei<br />

Parkinson-Krankheit: heterogene Mechanismen<br />

Kognitive Beeinträchtigung ist bei <strong>der</strong> Parkinson-Krankheit<br />

(PD) häufig, und langzeitige<br />

Longitudinalstudien berichten über Demenzentwicklung<br />

bei den meisten PD-PatientInnen.<br />

Ein hoher Anteil von PatientInnen mit<br />

PD und mil<strong>der</strong> kognitiver Beeinträchtigung<br />

(MCI) schreitet binnen kurzer Zeit zur Demenz<br />

fort. Die Störungen betreffen eine<br />

Reihe von kognitiven Domänen, doch ist eine<br />

Beeinträchtigung einzelner Domänen wie<br />

multiple, nichtamnestische häufiger als amnestische<br />

Störungen. Obwohl <strong>der</strong> Begriff<br />

„MCI“ bei <strong>der</strong> PD (PD-MCI) wegen des<br />

Fehlens einheitlicher diagnostischer Konsensuskriterien<br />

nicht unumstritten ist, wird die<br />

biologische Validität von PD-MCI durch zahlreiche<br />

rezente Studien unterstützt. Die heterogenen<br />

Mechanismen in klinischer Präsentation,<br />

Neuropsychologie, Bildgebung, Biomarkern<br />

und Neuropathologie lassen<br />

abnorme metabolische Netzwerkaktivitäten<br />

mit Befall verschiedener kortikaler und subkortikaler<br />

Neuronensysteme vermuten. Prospektive<br />

Studien mit Verwendung spezifischer<br />

Biomarker wie Amyloid-Bildgebung und Liquormarker<br />

sind für die Erzielung einer exakten<br />

Diagnose und prognostischen Erfassung<br />

früher kognitiver Defizite bei PD-PatientInnen<br />

erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Mild cognitive impairment in<br />

Parkinson‘s disease: heterogenous<br />

mechanisms.<br />

Autor: Jellinger KA<br />

Erschienen: J Neural Transm 2013;<br />

120:157–67<br />

52


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Highlights des Charcot-Meetings 2012<br />

Das Charcot-Meeting 2012 im spanischen Marbella stand einerseits im Zeichen des natürlichen Verlaufs <strong>der</strong><br />

MS-Erkrankung, an<strong>der</strong>erseits wurde die Thematik <strong>der</strong> Darmimmunologie in Bezug zur Multiplen Sklerose näher<br />

beleuchtet.<br />

Foto: Maurizio Malangone - Fotolia.com<br />

IIn Session 1 wurde auf die verän<strong>der</strong>ten Risiken<br />

für die Entstehung einer Multiplen<br />

Sklerose (MS) eingegangen. Dabei wurde von<br />

M. Pugliatti <strong>aus</strong> Sardinien hervorgehoben,<br />

dass die Inzidenz dieser Erkrankung, insbeson<strong>der</strong>e<br />

bei Frauen, im Zunehmen begriffen<br />

ist. Weiters ist das Alter zu Beginn <strong>der</strong> Erkrankung<br />

ebenso steigend. Mögliche Hypothesen<br />

für diese Entwicklung stellen verän<strong>der</strong>ter<br />

Lifestyle, Hygiene sowie Darminfektionen<br />

dar.<br />

MS-Verlauf<br />

Session 2 beschäftigte sich mit dem natürlichen<br />

Verlauf <strong>der</strong> MS-Erkrankung. Zuerst<br />

wurde von D. Cottrell auf die Begriffe „benigne“<br />

und „aggressive MS“ eingegangen.<br />

Ein Problem stellen die vielen unterschiedlichen<br />

Definitionen dar, wobei ein EDSS < 3<br />

nach 10 Jahren Krankheitsverlauf im Allgemeinen<br />

als benigne eingestuft wird. Relativiert<br />

wird die Einschätzung „benigne“ durch<br />

den Umstand, dass 50 % dieser PatientInnen<br />

bereits an kognitiven Einschränkungen und<br />

Fatigue leiden. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite nehmen<br />

zufällig in Autopsien diagnostizierte<br />

MS-Erkrankungen mit 1 : 500 Fällen zu.<br />

1<br />

Der Begriff „aggressive MS“ wird verwendet,<br />

wenn 2 Schübe o<strong>der</strong> eine EDSS-Verschlechterung<br />

um 2 Punkte in Kombination mit<br />

MRT-Aktivität in den letzten 12 Monaten<br />

vorliegen.<br />

B. Brochet <strong>aus</strong> Bordeaux sprach über Prädiktoren<br />

zu Beginn <strong>der</strong> Erkrankung für die sekundäre<br />

Progression im Krankheitsverlauf.<br />

Diese sind Alter, männliches Geschlecht,<br />

Schwere des Schubes und rascher Verlauf.<br />

Weiters korrelieren die kognitiven Einbußen<br />

mit <strong>der</strong> Progression.<br />

A. Scalfari beleuchtete die Aspekte <strong>der</strong><br />

Schübe auf den weiteren Krankheitsverlauf<br />

in <strong>der</strong> London Ontario Database. Prinzipiell<br />

sind Schübe im frühen Krankheitsverlauf ein<br />

Prädiktor für ein schlechtes Outcome. Umso<br />

mehr Schübe in den ersten 2 Jahren <strong>der</strong><br />

2<br />

OA Dr. Michael Guger 1 ,<br />

Abteilung für Neurologie,<br />

Allgemeines Krankenh<strong>aus</strong> Linz<br />

Priv.-Doz. Dr. Jörg Kr<strong>aus</strong> 2 ,<br />

Universitätsklinik für Neurologie,<br />

Christian-Doppler-Klinik Salzburg<br />

Erkrankung auftreten, desto rascher wird z. B.<br />

EDSS 6 o<strong>der</strong> eine Konversion zu SPMS erreicht.<br />

Ähnlich ist es bezüglich <strong>der</strong> Zeitspanne<br />

zwischen 1. und 2. Schub. Je kürzer diese<br />

Zeitspanne ist, desto schneller wird eine<br />

Progression erreicht. Schübe in einem späteren<br />

Krankheitsverlauf (ab dem 3. Krankheitsjahr)<br />

können sogar den Zeitpunkt <strong>der</strong> Progression<br />

verzögern. Die gesamte Anzahl an<br />

Schüben während <strong>der</strong> Krankheit hat jedoch<br />

keinen Einfluss auf die Progression. Bei PatientInnen<br />

mit mehr als 3 Schüben zu Beginn<br />

entwickeln 65 % eine SPMS, 35 % verlaufen<br />

hingegen „benigne“, nämlich EDSS 3<br />

innerhalb von 16 Jahren. Auch wurde gezeigt,<br />

dass je länger ein/eine PatientIn schubförmig<br />

verbleibt, er/sie umso später EDSS 6<br />

erreicht. Weiters ist <strong>der</strong> Langzeitverlauf u<br />

55


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

umso besser, je länger das Zeitintervall bis<br />

EDSS 3 andauert.<br />

Über den Einfluss des Alters auf die Behin<strong>der</strong>ungsprogression<br />

referierte P. Muraro <strong>aus</strong><br />

London. Dieser erklärte basierend auf den<br />

Daten <strong>der</strong> London Ontario Database, dass je<br />

älter ein/eine PatientIn mit RRMS zu Beginn<br />

<strong>der</strong> Erkrankung ist, desto rascher EDSS 6<br />

o<strong>der</strong> eine SPMS erreicht wird. Falls <strong>der</strong>/die<br />

PatientIn schon in den sekundär chronischprogredienten<br />

Verlauf eingetreten ist, spielt<br />

das Alter keine signifikante Rolle mehr, um<br />

z. B. EDSS 6 zu erreichen. Bei einem primär<br />

chronisch-progredienten Verlauf scheint das<br />

Alter von Anfang an keine Auswirkungen zu<br />

haben. Zunehmendes Alter stellt ebenso<br />

einen Risikofaktor für die Progression dar.<br />

R. Franklin sprach über die Möglichkeiten <strong>der</strong><br />

Regeneration im Alter. Im M<strong>aus</strong>modell konnte<br />

in diesem Zusammenhang gezeigt werden,<br />

dass transformierte Makrophagen eine Remyelinisierung<br />

bewerkstelligen können, diese<br />

Fähigkeit jedoch mit fortschreitendem Alter<br />

abnimmt.<br />

Prognostische Faktoren<br />

In Session 3 erörterte G. Edan die prognostischen<br />

Faktoren, welche den Langzeitverlauf<br />

beeinflussen können. Dazu wurden die PatientInnen<br />

in <strong>der</strong> Kohorte von Rennes in 2<br />

Phasen eingeteilt, nämlich Phase 1 bis zum<br />

Erreichen EDSS 3 und Phase 2 von EDSS 3<br />

bis EDSS 6.<br />

Phase 1 dauerte in dieser Kohorte median<br />

7,4 Jahre, Phase 2 dauerte 7 Jahre. Es<br />

konnte gezeigt werden, dass die Behin<strong>der</strong>ungsprogression<br />

in Phase 2 unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Progression und Dauer in Phase 1<br />

ist. Bei PatientInnen mit RRMS sind Geschlecht<br />

(männlich), Alter zu Beginn, Residuum<br />

nach dem 1. Schub, Schübe während<br />

<strong>der</strong> ersten 2 Jahre <strong>der</strong> Erkrankung und<br />

Verlaufsform <strong>der</strong> MS unabhängige Prädiktoren<br />

für eine Behin<strong>der</strong>ungsprogression in<br />

<strong>der</strong> ersten Phase. Die Progression in Phase<br />

2 ist hingegen bestimmt durch eine Konversion<br />

zu SPMS und Vorhandensein von<br />

Schüben nach EDSS 3. Edan betonte, dass<br />

diese Daten ein 2-Stufen-Konzept in Bezug<br />

auf die Behin<strong>der</strong>ungsprogression untermauern.<br />

Darmimmunologie und MS<br />

Im zweiten Themenschwerpunkt wurden die<br />

Zusammenhänge zwischen Darmimmunologie<br />

und MS beleuchtet. Prof. Hohlfeld <strong>aus</strong><br />

München stellte Ergebnisse <strong>aus</strong> dem Tiermodell<br />

<strong>der</strong> MS vor, demzufolge T-Zellen<br />

vermutlich ein bakterielles Antigen <strong>aus</strong> <strong>der</strong><br />

Darmmukosa benötigen, um aktiviert zu<br />

werden und im Folgenden als autoreaktive<br />

Zellen ins ZNS einzuwan<strong>der</strong>n. Weiters konnte<br />

gezeigt werden, dass ein bakterielles<br />

Antigen <strong>aus</strong> dem Kot bei Mäusen eine <strong>der</strong><br />

MS ähnliche Erkrankung <strong>aus</strong>lösen kann. G.<br />

Gochochov legte dar, dass bei MS-PatientInnen<br />

im Vergleich zu Gesunden eine unterschiedliche<br />

IgA-Immunantwort gegen<br />

häufige Darmbakterien nachgewiesen<br />

wurde. Allerdings ist <strong>der</strong>zeit noch offen, ob<br />

dies zukünftig etwa als diagnostischer Test<br />

Einzug in die klinische Routine hält beziehungsweise<br />

ob diese Ergebnisse auch eine<br />

therapeutische Relevanz haben können. R.<br />

Mebius <strong>aus</strong> Amsterdam gab einen umfassenden<br />

Überblick über das lymphatische<br />

Gewebe im Darm. Dabei ist <strong>der</strong> Darm insbeson<strong>der</strong>e<br />

aufgrund seiner enormen Oberfläche<br />

und des engen Kontakts zu einer<br />

außerordentlich großen Anzahl an vor allem<br />

bakteriellen Antigenen ein sehr wichtiges<br />

immunologisches Organ, dessen Bedeutung<br />

in <strong>der</strong> Entstehung von Autoimmunerkrankungen<br />

bislang sicherlich unterschätzt<br />

wurde.<br />

Es ist festzuhalten, dass es Prof. Hommes,<br />

Präsident <strong>der</strong> European Charcot Foundation,<br />

erneut gelungen ist, ein gleichermaßen abwechslungsreiches<br />

und interessantes, aber<br />

auch perspektivenreiches Programm zusammenzustellen.<br />

<br />

•<br />

FotoS: ctrif (2) - Fotolia.com<br />

56


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

16. Jahrestagung <strong>der</strong> Österreichischen<br />

Schlaganfall-<strong>Gesellschaft</strong> (ÖGSF)<br />

Die diesjährige Jahrestagung <strong>der</strong> Österreichischen Schlaganfall-<strong>Gesellschaft</strong> (ÖGSF) wurde von <strong>der</strong><br />

Universitätsklinik für Neurologie in Graz <strong>aus</strong>gerichtet und fand vom 24. bis 26. 1. 2013 in Graz statt.<br />

PParallel zu ärztlicher Fortbildung und dem<br />

wissenschaftlichen Programm wurde auch<br />

wie<strong>der</strong> ein Pflegesymposium organisiert, das<br />

über 120 an <strong>der</strong> Betreuung von SchlaganfallpatientInnen<br />

Beteiligte aller Berufsgruppen<br />

zum Erfahrungs<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch und zum<br />

Update über aktuelle Entwicklungen anlockte.<br />

Das Programm reichte von Fragen des<br />

interdisziplinären Managements und <strong>der</strong> Triagierung<br />

an interdisziplinären Notaufnahmen<br />

über Versorgungskonzepte bis zum Risikomanagement.<br />

Durch diesen Informations<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch<br />

mit reger Diskussion hat das Pflegesymposium<br />

sicher auch wie<strong>der</strong> ein Stück zu<br />

einer noch besseren Verzahnung <strong>der</strong> Arbeitsabläufe<br />

in <strong>der</strong> Akutversorgung von SchlaganfallpatientInnen<br />

beigetragen. Ein ähnliches<br />

Ziel haben auch die regelmäßig stattfindenden<br />

Analysen von Daten <strong>aus</strong> dem Österreichischen<br />

Stroke-Unit-Register, die im Stroke-<br />

Unit-Betreibertreffen vorgestellt wurden.<br />

Schlaganfall-Akuttherapie<br />

möglich sind. Bei über 40 % <strong>der</strong> PatientInnen<br />

wurde nach 3 Monaten ein gutes funktionelles<br />

Ergebnis erreicht.<br />

Erst nach <strong>der</strong> Tagung wurden Ergebnisse<br />

randomisierter Studien veröffentlicht, die<br />

nicht in die Diskussionen über Methodik und<br />

Logistik <strong>der</strong> endovaskulären Rekanalisation<br />

(EVR) eingehen konnten, hier aber mit dargestellt<br />

werden sollen. Die Studien „Intraarterial<br />

Versus Systemic Thrombolysis for<br />

Acute Ischemic Stroke“ (SYNTHESIS) und<br />

„Interventional Management of Stroke III“<br />

(IMS III) randomisierten PatientInnen im Zeitfenster<br />

bis 3 bzw. 4,5 Stunden zur intravenösen<br />

Thrombolyse (IVT) bzw. EVR. In beiden<br />

Studien mussten alle PatientInnen für eine<br />

IVT geeignet sein, und die Randomisierung<br />

erfolgte im Zeitfenster <strong>der</strong> Zulassung von<br />

Alteplase. Beide Studien zeigten keinen<br />

Vorteil <strong>der</strong> EVT im funktionellen Ergebnis<br />

nach 3 Monaten im Vergleich zur IVT, aber<br />

auch die Rate an Blutungskomplikationen<br />

o<strong>der</strong> schweren Nebenwirkungen unterschied<br />

Priv.-Doz. Dr.<br />

Thomas Seifert-Held<br />

Universitätsklinik für Neurologie,<br />

Medizinische Universität Graz<br />

sich für beide Behandlungsformen nicht. Eine<br />

weitere Studie (MR RESCUE) mit allerdings<br />

nur 118 PatientInnen randomisierte diese<br />

innerhalb von 8 Stunden nach Symptombeginn<br />

zur EVR vs. Standardtherapie. Hier erreichten<br />

insgesamt weniger als 30 % <strong>der</strong><br />

PatientInnen ein gutes funktionelles Ergebnis<br />

nach 3 Monaten (mRS 0–2) ohne signifikante<br />

Unterschiede zwischen Behandlungs- und<br />

Kontrollgruppe. In dieser Studie wurde auch<br />

eine Rekanalisationsrate von nur 67 % erreicht,<br />

was wohl auf die Verwendung inzwischen<br />

veralteter Thrombektomiesysteme<br />

Das wissenschaftliche Programm und die<br />

Fortbildungsakademie waren geprägt durch<br />

Diskussionen zu aktuellen Entwicklungen in<br />

<strong>der</strong> Akuttherapie und neue epidemiologische<br />

Daten zum Schlaganfall im jüngeren Lebensalter.<br />

Abb.: Prof. Joanna Wardlaw, University of Edinburgh, wurde zum<br />

Ehrenmitglied <strong>der</strong> ÖGSF ernannt (links: Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas,<br />

rechts: Univ.-Prof. Dr. Johann Willeit)<br />

Thrombektomie: Ausgesprochenes Interesse<br />

und große Resonanz fanden die Vorträge<br />

über die Akuttherapie mittels mechanischer<br />

Thrombektomie mit o<strong>der</strong> ohne Bridging zur<br />

Wie<strong>der</strong>eröffnung von Gefäßhauptstammverschlüssen.<br />

Detaillierter vorgestellt wurden<br />

dazu die Ergebnisse dreier österreichischer<br />

Zentren (LNK Wagner-Jauregg Linz, LKH<br />

Klagenfurt am Wörthersee, Universitätsklinik<br />

für Neurologie Graz). Dabei zeigte sich, dass<br />

mit den neuen Stent-Retrievern interventionelle<br />

Rekanalisationsraten bis zu 90 %<br />

58


(Merci, Penumbra) zurückzuführen ist. Diese<br />

Studien dämpfen also einerseits eine allzu<br />

große Begeisterung für die EVR, zumindest<br />

im Zeitfenster <strong>der</strong> Zulassung von Alteplase.<br />

Im Rahmen von Protokollen und unter<br />

entsprechen<strong>der</strong> Kontrolle <strong>der</strong> Ergebnisqualität<br />

erscheint die EVR aber weiterhin als<br />

Option, wenn eine IVT nicht o<strong>der</strong> nicht mehr<br />

möglich ist o<strong>der</strong> zu keiner Rekanalisation<br />

geführt hat. Durch die rasche Entwicklung<br />

<strong>der</strong> technischen Möglichkeiten ergibt sich<br />

weiters wohl auch die Notwendigkeit, randomisierte<br />

Studien zur EVR mit den jetzt<br />

zur Verfügung stehenden Stent-Retrievern<br />

durchzuführen.<br />

IST-3: Große Aufmerksamkeit fand auch die<br />

Vorstellung <strong>der</strong> Ergebnisse des „Third International<br />

Stroke Trial-3“ (IST-3) durch Prof.<br />

Joanna Wardlaw von <strong>der</strong> University of Edinburgh<br />

als eine <strong>der</strong> Initiatorinnen <strong>der</strong> Studie.<br />

In IST-3 konnten PatientInnen mit akutem<br />

ischämischem Infarkt nach dem „Unsicherheitsprinzip“<br />

eingeschlossen werden, wenn<br />

sie die Zulassungskriterien für eine Therapie<br />

mit Alteplase nicht erfüllten, d. h. bei einem<br />

Symptombeginn von mehr als 3 bzw. 4,5<br />

Stunden (max. 6 Stunden) o<strong>der</strong> einem Alter<br />

über 80 Jahren. Die PatientInnen erhielten<br />

dann randomisiert eine Open-Label-Behandlung<br />

mit Alteplase o<strong>der</strong> wurden <strong>der</strong> Kontrollgruppe<br />

zugeordnet. Funktionelle Unabhängigkeit<br />

nach 6 Monaten entsprechend<br />

<strong>der</strong> Oxford Handicap Scale war als primäres<br />

Outcome definiert. Die Studie ergab eine<br />

nichtsignifikante Zunahme von 14/1.000<br />

PatientInnen in <strong>der</strong> Behandlungsgruppe mit<br />

Alteplase, die nach einem halben Jahr die<br />

funktionelle Unabhängigkeit erreichten. Obwohl<br />

die Rate symptomatischer intrakranieller<br />

Blutungen als auch <strong>der</strong> Todesfälle innerhalb<br />

<strong>der</strong> ersten Woche in <strong>der</strong> Behandlungsgruppe<br />

signifikant höher war, zeigte sich im<br />

Verlauf nach 6 Monaten kein Unterschied in<br />

<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> verstorbenen behandelten bzw.<br />

unbehandelten PatientInnen.<br />

Die unmittelbare Schlussfolgerung dieser und<br />

vorhergehen<strong>der</strong> Studien zur IVT ist, dass<br />

PatientInnen im Alter über 80 Jahren durch<strong>aus</strong><br />

von einer Behandlung mit Alteplase<br />

profitieren können, das Ausmaß <strong>der</strong> damit<br />

erreichbaren Verbesserung ist allerdings lei<strong>der</strong><br />

sehr gering.<br />

Wardlaw hielt am 2. Kongresstag auch die<br />

Hans-Chiari-Gedenkvorlesung über Epidemiologie<br />

und Pathogenese des lakunären<br />

Schlaganfalls bzw. <strong>der</strong> „small vessel disease“<br />

und wurde zum Ehrenmitglied <strong>der</strong> ÖGSF<br />

ernannt.<br />

Schlaganfall in<br />

jüngerem Lebensalter<br />

Mit Aspekten des Schlaganfalls in jüngerem<br />

Lebensalter befassten sich mehrere Vortragende.<br />

Prof. Tatlisumak von <strong>der</strong> Universität<br />

Helsinki diskutierte die Ergebnisse des „Helsinki<br />

Young Stroke Registry“. Hier zeigte sich<br />

in <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> 15–49-jährigen<br />

SchlaganfallpatientInnen die Bedeutung <strong>der</strong><br />

zerebrovaskulären Risikofaktoren für den<br />

klinischen Langzeitverlauf bereits in dieser<br />

Altersgruppe. Atherosklerotische Makroangiopathie<br />

und kardiale Embolie waren in<br />

dieser finnischen Kohorte die häufigsten<br />

Schlaganfallursachen. Für ein Drittel <strong>der</strong><br />

PatientInnen fand sich allerdings keine bestimmbare<br />

Ätiologie. Bemerkenswert ist<br />

auch, dass fast je<strong>der</strong>/jede zehnte (9,5 %)<br />

dieser jungen PatientInnen innerhalb von 5<br />

Jahren einen Rezidivinsult erlitt.<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> europaweiten „Stroke in<br />

Young Fabry Patients Study“ (SIFAP) trugen<br />

Prof. Kaps von <strong>der</strong> Universitätsklinik Gießen<br />

und Assoz.-Prof. Dr. Christian Enzinger von<br />

<strong>der</strong> Universitätsklinik für Neurologie, Graz,<br />

vor. In dieser Studie (Alter: 18–55 Jahre)<br />

waren atherosklerotische Makroangiopathie<br />

und kardiale Embolie zusammen für ein<br />

Drittel <strong>der</strong> Schlaganfallereignisse ursächlich.<br />

Für ein weiteres Drittel <strong>der</strong> PatientInnen fand<br />

sich – wie in <strong>der</strong> finnischen Kohorte – keine<br />

bestimmbare Schlaganfallursache. Ein Mb.<br />

Fabry fand sich bei nur 0,5 % und ein Verdacht<br />

darauf bei weiteren 0,4 % <strong>der</strong> PatientInnen.<br />

20 % aller StudienteilnehmerInnen<br />

zeigten klinisch stumme Infarktareale in <strong>der</strong><br />

MR-Bildgebung. Mit zunehmendem Alter <strong>der</strong><br />

Untersuchten fanden sich vermehrt zerebrale<br />

Marklagerverän<strong>der</strong>ungen und lakunäre<br />

Schlaganfälle.<br />

Weitere Themenschwerpunkte <strong>der</strong> Tagung<br />

waren ein Überblick über die interventionellen<br />

Möglichkeiten des Schlaganfallmanagements<br />

einschließlich <strong>der</strong> Hemikraniektomie<br />

sowie aktuelle Daten zur medikamentösen<br />

Prophylaxe des Schlaganfalls, zu denen eine<br />

Reihe nationaler und internationaler Experten/Expertinnen<br />

referierte. Abgerundet<br />

wurde die Tagung durch die beeindruckende<br />

Vorstellung <strong>der</strong> Forschungsergebnisse <strong>aus</strong><br />

dem Österreichischen Stroke-Unit-Netzwerk<br />

und eine bunte Reihe freier Vorträge, die das<br />

wissenschaftliche Engagement und die Qualität<br />

<strong>der</strong> Forschung auf dem Gebiet des<br />

Schlaganfalls in Österreich eindrucksvoll belegten.<br />

<br />

•<br />

59


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

Die Gesundheitspolitik o<strong>der</strong><br />

Die Abschaffung des freien Berufes Arzt<br />

„Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte ...“ ob <strong>der</strong> österreichischen Gesundheitspolitik mit<br />

<strong>der</strong> unsäglichen Gesundheitsreform 2012. Mit diesem politisch inkorrekten und unflätigen Statement möchte<br />

ich die Aufmerksamkeit nochmals auf das lenken, was sich in den letzten Monaten im Staate Österreich (jenem,<br />

in dem mittlerweile mehr als nur etwas faul ist) zentral politikgesteuert im Dienstleistungssektor Gesundheit tut<br />

und welche realpolitischen Auswirkungen das auf uns alle haben wird.<br />

IIch denke, dass gerade die Neurologie als in<br />

<strong>der</strong> Geriatrie im Alltag fe<strong>der</strong>führendes Fach<br />

bedingt durch die unaufhaltsame demographische<br />

Entwicklung beson<strong>der</strong>s von diesen<br />

sozioökonomischen Untaten <strong>der</strong> „Herrschenden“<br />

betroffen sein wird, und wir alle schon<br />

über kurz o<strong>der</strong> lang darunter massiv leiden<br />

werden. Mehr noch werden unsere PatientInnen<br />

unter dem endgültigen Bruch des<br />

<strong>Gesellschaft</strong>svertrages zwischen Politik und<br />

einer <strong>der</strong> führenden staatstragenden Gruppierungen,<br />

<strong>der</strong> Ärzteschaft, leiden. Wenige<br />

davon aber werden sich dagegen wehren<br />

können, denn eben die geriatrische Patientengruppe<br />

wie auch alle neurologisch chronisch<br />

Kranken sind definitv jene, die keine<br />

wirkliche Lobby haben. Dies schon allein<br />

aufgrund <strong>der</strong> krankheitsbedingten „Kommunikationsunfähigkeit“<br />

beim Gros <strong>der</strong> PatientInnen<br />

1 .<br />

ÖSG 2012<br />

Irgendwie begann alles mit <strong>der</strong> Aussendung<br />

des Österreichischen Strukturplans Gesundheit<br />

2012 (ÖSG 2012). Eigentlich ohne wesentliche<br />

Neuerungen wurde darin wie<strong>der</strong><br />

die „Bündelung <strong>der</strong> ambulanten fachärztlichen<br />

Leistungserbringung in Behandlungszentren<br />

an geeigneten Standorten (innerhalb<br />

und außerhalb <strong>der</strong> Akutkrankenanstalten)“<br />

gefor<strong>der</strong>t. An sich eine For<strong>der</strong>ung, die im<br />

Sinne <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> extramuralen Versorgung<br />

ja von <strong>der</strong> Ärztekammer mitgetragen<br />

werden kann, ist es doch seit Jahren durch<br />

Studien belegt, dass die Routinemedizin in<br />

<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassung günstiger erbracht werden<br />

kann als in großen organisatorischen Einheiten,<br />

genannt Krankenhäusern. Dies bestätigt<br />

sogar <strong>der</strong> sonst <strong>der</strong> Gesundheitsreform positiv<br />

gesinnte Gesundheitsökonom Dr. Ernest<br />

Pichlbauer in den Mitteilungen <strong>der</strong> Ärztekammer<br />

für Tirol 4/2012. Der Vorsitzende <strong>der</strong><br />

Ausbildungskommission <strong>der</strong> ÖÄK, Dr. Stefan<br />

Kastner, vertritt studienbasiert sogar die<br />

Meinung, dass bei Besetzung <strong>der</strong> 1.300<br />

fehlenden Kassenstellen in Österreich 300<br />

Millionen Euro jährlich eingespart werden<br />

könnten und dabei die Ambulanzen um 50<br />

% entlastet würden.<br />

Allein, beginnt man zwischen den Zeilen des<br />

143-seitigen ÖSG-2012-Konvoluts zu lesen,<br />

dann bemerkt man, dass man hier einem<br />

„Neusprech“ à la George Orwell begegnet.<br />

Der Tiroler ÄK-Vizepräsident Dr. Momen Radi<br />

spricht von einem „Paradigmenwechsel weg<br />

von Ethik, Moral und sozialem Engagement<br />

und persönlicher Verantwortungsbereitschaft<br />

hin zu Materialismus mit Umsatzsteigerungen<br />

als höchstem Ziel und einer Ratio, die glaubt,<br />

Wahrheiten durch statistische Methoden und<br />

durch Kontrollwahn zu sichern.“ Gemeint ist<br />

damit nichts weniger als die Kontrolle <strong>der</strong><br />

Gesundheitsversorgung AUCH im nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

Bereich durch die Finanzakteure<br />

Bund, Hauptverband <strong>der</strong> Sozialversicherungsträger<br />

und Län<strong>der</strong>.<br />

Abschaffung <strong>der</strong><br />

freien Nie<strong>der</strong>lassung?!<br />

Dr. Heinrich K. Spiss<br />

Bundesfachgruppenobmann<br />

Neurologie<br />

Denn keineswegs kommt <strong>aus</strong> dem ÖSG 2012<br />

lesbar hervor, dass es in <strong>der</strong> Reform um eine<br />

Stärkung <strong>der</strong> freien Nie<strong>der</strong>lassung ginge,<br />

son<strong>der</strong>n eigentlich um eine Zentralisierung<br />

aller Bereiche. Auch <strong>der</strong> Vergabe von Kassenstellen.<br />

Am besten direkt als Annex von<br />

Akutkrankenhäusern o<strong>der</strong> unter ungünstigen<br />

lokalen Gegebenheiten vielleicht als „Departments“<br />

von Primariaten an<strong>der</strong>norts. De facto<br />

läuft das Konzept auf das hin<strong>aus</strong>, was man<br />

schon vor etwa 10 Jahren andiskutiert, nach<br />

katastrophalen wirtschaftlichen Misserfolgen<br />

in Län<strong>der</strong>n wie Holland aber wie<strong>der</strong> verworfen<br />

hatte: nämlich die Abschaffung <strong>der</strong><br />

freien Nie<strong>der</strong>lassung und <strong>der</strong> Bündelung <strong>der</strong><br />

Fachärzte in zentral gesteuerten und zentral<br />

finanzierten Zentren, aufbauend auf nur<br />

noch angestellten Ärzten.<br />

Dr. Erwin Rasinger, Gesundheitssprecher <strong>der</strong><br />

ÖVP – also maßgeblicher Mann <strong>der</strong> Gesundheitspolitik<br />

einer <strong>der</strong> Parteien, die diese<br />

Gesundheitsreform auf den Weg gebracht<br />

haben –, geht davon <strong>aus</strong>, dass es den nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

Facharzt nicht mehr geben<br />

wird und fragt sich, ob ein freier, nie<strong>der</strong>gelassener<br />

Arzt nicht ein Wert per se sein<br />

müsste, was in <strong>der</strong> Gesundheitspolitik nicht<br />

einmal thematisiert würde. Wer, bitte, macht<br />

denn die Gesundheitspolitik in <strong>der</strong> ÖVP,<br />

wenn er es auch nicht war und nicht gefragt<br />

wird? Aber hallo!<br />

Volksverdummende Bezeichnungen für die<br />

Zentralisierung à la „Ambulanzzentrum“<br />

o<strong>der</strong> „Facharztzentrum“ o<strong>der</strong> „Gesund-<br />

1 Ich erlaube mir im Weiteren das Auslassen des Binnen-I und spreche beide Geschlechter an, wie dies die deutsche Sprache über Jahrhun<strong>der</strong>te auch ohne Binnen-I konnte.<br />

62


heitszentrum“ lassen sich in „Neusprech“<br />

ohne Weiteres positiv besetzen. In diesem<br />

Sprachgebrauch waren ja durch die Politik<br />

bereits die vorangegangenen Wehen <strong>der</strong><br />

Gesundheitsreform inklusive E-Card, ELGA,<br />

Ökotool, ABS etc. an Frau und Herrn Österreicher<br />

gebracht worden, neuerdings sogar<br />

mit dem Zusatz, das Gesundheitssystem<br />

würde billiger (11 Milliarden Einsparung bis<br />

2020) und besser (für wen?) bei ständig<br />

steigen<strong>der</strong> Zahl an alten und chronisch kranken<br />

Menschen! Stultorum numerus est infinitum.<br />

Warnschreie <strong>der</strong> Ärztekammer<br />

Erst die Warnschreie <strong>der</strong> Ärztekammer im<br />

Herbst 2012 haben dazu geführt, dass überhaupt<br />

<strong>der</strong> wahre Sachverhalt <strong>der</strong> Gesundheitsreform<br />

2012 in halbwegs offenen Worten<br />

an die Bevölkerung herangetragen<br />

wurde, nachdem die ÖÄK zu ihrer eigenen<br />

Überraschung feststellen musste, dass sie<br />

vom Bund als Verhandlungspartner unter<br />

Einschlagung eines beson<strong>der</strong>en Rechtsweges,<br />

<strong>der</strong> so genannten Artikel-15a-Vereinbarung<br />

(einer Art Staatsvertrag zwischen Bund und<br />

Län<strong>der</strong>n), <strong>aus</strong> den Verhandlungen <strong>aus</strong>geschlossen<br />

wurde. Neben dem Erhalt <strong>der</strong><br />

Ausbildungshoheit (einstweilen?), dem Mitspracherecht<br />

beim Stellenplan (einstweilen?)<br />

und <strong>der</strong> Qualitätssicherung über die ÖQMed<br />

(einstweilen?) konnte durch Medienarbeit<br />

und Protestmaßnahmen seitens <strong>der</strong> ÖÄK<br />

dann noch in letzter Minute erreicht werden,<br />

dass die „Stärkung <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassung“ als<br />

Reformziel in die Artikel-15a-Vereinbarung<br />

aufgenommen wurde. Man darf annehmen,<br />

dass es sich bei dieser Phrase wie<strong>der</strong> um<br />

„Neusprech“ handeln könnte.<br />

Wer die mediale Berichterstattung, im Beson<strong>der</strong>en<br />

auch die ORF-Sendung „Im Zentrum“<br />

am 25. 11. 2012 wahrgenommen hat,<br />

konnte erleben, wie zwei komplett gegensätzliche<br />

Diskussionskontrahenten aufeinan<strong>der</strong>trafen,<br />

die eigentlich ja Partner sein<br />

sollten. Auf <strong>der</strong> einen Seite des Boxringes<br />

fanden sich <strong>der</strong> ÄK-Präsident Dr. Artur<br />

Wechselberger und sein chirurgischer Mitstreiter<br />

Dr. Christoph Rötzer ein. Konsensbemüht,<br />

um die Gesprächsbasis nicht zu verspielen,<br />

vielleicht damit etwas zu wenig<br />

publikumswirksam, aber korrekt. Auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite, vertreten von Bundesminister<br />

Stöger (SPÖ), Ex-Bundesministerin Kdolsky<br />

(ÖVP) und Patientenanwältin Pilz (die Grünen),<br />

die eloquenten, wiewohl populistischen<br />

Vertreter <strong>der</strong> Politik. Spätestens hier bemerkte<br />

man, dass sich die Gesprächsbasis <strong>der</strong><br />

Politik mit <strong>der</strong> Ärzteschaft gravierend verän<strong>der</strong>t<br />

hatte. Ohne Zutun <strong>der</strong> Ärzteschaft<br />

wurde diese plötzlich als „Blockierer“ und<br />

„Pfründeerhalter“ dargestellt und so <strong>der</strong><br />

Ärzteschaft <strong>der</strong> Fehdehandschuh regelrecht<br />

ins Gesicht geschlagen.<br />

Einsparungen und Aushungerung<br />

Was bedeutet nun die Wortbrüchigkeit <strong>der</strong><br />

Politik für das Gesundheitssystem <strong>der</strong> nächsten<br />

Jahre?<br />

Einsparungen von 11 Milliarden Euro bis<br />

2020 werden in Anbetracht <strong>der</strong> Demographie<br />

Einschränkungen in den Gesundheitsleistungen<br />

bringen müssen, das wird angesichts<br />

eines Honorarbudgets von etwa<br />

2 Milliarden Euro jährlich für alle nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

Leistungen nicht alleine auf dem<br />

Rücken <strong>der</strong> Ärzte <strong>aus</strong>zutragen sein. Somit<br />

wird die Bevölkerung, die diese Politiker<br />

gewählt hat und die als Zahler eigentlich <strong>der</strong><br />

Souverän über diese staatlichen und öffentlichen<br />

Institutionen sein sollte, für die Stümperei<br />

von ganz oben büßen.<br />

Das Aushungern <strong>der</strong> freien Nie<strong>der</strong>lassung<br />

wird dazu führen, dass die Spitalsambulanzen<br />

(die ja zumindest auf dem Papier zurückgefahren<br />

werden sollten) noch mehr überlastet<br />

werden, <strong>der</strong> Trend zum Ambulanzbesuch<br />

nach Feierabend ist ja jetzt schon allseits<br />

evident. Damit einhergehend wird <strong>der</strong> freie<br />

Beruf Arzt zusehends durch betriebswirtschaftliche<br />

Kontrollfaktoren, Krankenh<strong>aus</strong>informationssysteme,<br />

Ökotools und Qualitätsmanagementverfahren<br />

eingeschränkt, <strong>der</strong><br />

Arzt zum angestellten Verordner einer leitlinienbasierten<br />

Durchschnittsmedizin degradiert.<br />

Individuelles Vorgehen nach Patientenbedürfnissen<br />

wird zwar theoretisch möglich sein,<br />

doch ist ja im Rahmen von ABS heute schon<br />

zu sehen, dass das bessere Medikament<br />

fallweise nicht mehr verschrieben wird, weil<br />

es die Mühe <strong>der</strong> Bewilligung in manchmal 4<br />

bis 5 zeitraubenden Schritten beinhaltet.<br />

Stattdessen wird etwas Ähnliches verordnet,<br />

das man mit dem medizinischen Gewissen<br />

gerade noch vereinbaren kann. Spätestens<br />

nach <strong>der</strong> 5. Ablehnung <strong>der</strong> Bewilligungsanfor<strong>der</strong>ung<br />

gibt <strong>der</strong> engagierteste Arzt auf.<br />

Diese „Motivationsfaktoren“ zeigen auch,<br />

warum die Routinemedizin in <strong>der</strong> Spitalsambulanz,<br />

im Ambulanzzentrum nicht billiger<br />

sein kann als in <strong>der</strong> freien Nie<strong>der</strong>lassung, wo<br />

ja auch ein gewisses Maß an Unternehmertum<br />

vorliegen muss und damit die Demotivation<br />

von oben wenigstens noch etwas<br />

zurückgehalten wird, obschon durch alle<br />

Verwaltungsvereinfachungen, die uns die<br />

Politik in den letzten Jahren beschert hat,<br />

<strong>der</strong> Dokumentations- und Verwaltungsaufwand<br />

massiv angestiegen ist, und damit <strong>der</strong><br />

Kostendruck auch in <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassung deutlich<br />

zunimmt.<br />

Abwan<strong>der</strong>ung von Ärzten<br />

Nun könnte man ja auf dem Standpunkt<br />

stehen, es sei an sich egal, wo <strong>der</strong> „freie<br />

Arzt“ seinen Beruf ethisch-moralisch korrekt<br />

und empathisch <strong>aus</strong>übt, Hauptsache er vertritt<br />

die Anliegen <strong>der</strong> Patienten und versucht<br />

gleichzeitig, kostenminimierend vorzugehen,<br />

um das fragile System nicht zu überlasten<br />

(wer hat eigentlich die Finanzierung <strong>der</strong><br />

Gesundheit auf fragile Beine sprich Budgets<br />

gestellt? Die Ärzte?). Bauen wir also den<br />

nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich durch Facharztzentren<br />

mit angestellten Ärzten <strong>aus</strong>. Mögen sich<br />

die Primarii über Stellenzuwachs freuen.<br />

Mitnichten!<br />

Abgesehen davon, dass es nicht ärztliche<br />

Aufgabe ist, Kosten zu minimieren und an<br />

betriebswirtschaftlichen Konzepten mitzuwirken,<br />

abgesehen davon, dass Ärzte auch –<br />

Gott sei Dank! – nach wie vor nicht betriebswirtschaftlich<br />

<strong>aus</strong>gebildet werden, son<strong>der</strong>n<br />

bestmögliche medizinische Leistung zu erbringen<br />

haben, besteht aufgrund <strong>der</strong> bereits<br />

jetzt gegebenen Kostenmisere im Spitalswesen<br />

<strong>der</strong> absolute Druck, die Stellenzahlen<br />

nicht weiter anzuheben.<br />

Durch den Rückstau von Ärzten, die nicht<br />

mehr in die Praxis gehen können/wollen, wird<br />

dann das Problem des kommenden Medizinermangels<br />

von hinten her gelöst. Die u<br />

63


GESELLSCHAFTS-<br />

NACHRICHTEN<br />

SCHWERPUNKT<br />

NEUROLOGIE IN<br />

ÖSTERREICH<br />

KONGRESS-<br />

HIGHLIGHTS<br />

FÜR DIE PRAXIS<br />

jetzt bereits um ein Drittel geringeren Ärztegehälter<br />

als in den vergleichbaren Umgebungslän<strong>der</strong>n<br />

können weiterhin auf dem<br />

niedrigen Niveau gehalten werden. Dies wird<br />

weitere Studienabgänger dazu bringen, baldigst<br />

nach Abschluss des Studiums das Weite<br />

zu suchen. Durch die schlechten Arbeitsbedingungen<br />

und die miserable Bezahlung <strong>der</strong><br />

angestellten Ärzte ist ja bereits jetzt die<br />

Quote <strong>der</strong> Österreich verlassenden fertig<br />

<strong>aus</strong>gebildete Mediziner von bisher 30 % auf<br />

demnächst 50–70 % prognostiziert.<br />

Der Ausbau <strong>der</strong> Ambulanzen wird also nicht<br />

gelingen, die angestellten Ärzte werden<br />

weiterhin o<strong>der</strong> noch mehr in <strong>der</strong> banalen<br />

Routine <strong>aus</strong>brennen und werden demotiviert,<br />

anstatt in den Kliniken und Spitälern die<br />

wirkliche Spitzenmedizin des Landes bieten<br />

zu können. Das Burn-out-Risiko lag entsprechend<br />

<strong>der</strong> letztjährigen Umfrage <strong>der</strong> ÖÄK<br />

schon 2012 bei 50 % o<strong>der</strong> höher.<br />

Folgen für die Patienten<br />

Wie sieht das System Gesundheit<br />

<strong>der</strong> Zukunft dann für die Patienten<br />

<strong>aus</strong>?<br />

In <strong>der</strong> Stadt: Aufsuchen von Ambulanzen,<br />

Zentren etc. zu je<strong>der</strong> Tages- und Nachtzeit,<br />

egal mit welcher Lappalie, (<strong>der</strong> Wirtschaft<br />

ist’s recht, ein Krankenstand während <strong>der</strong><br />

Arbeitszeit weniger, geht’s <strong>der</strong> Wirtschaft gut<br />

... und so!), Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Compliance<br />

durch ständig wechselnde Behandler, Versorgung<br />

durch demotivierte und schlecht bezahlte,<br />

schlecht beleumundete Ärzte, denen<br />

die Schuld am von oben verordneten Planwirtschafts-Gesundheitssystem<br />

zugeschrieben<br />

wird, Ausbau <strong>der</strong> Patientenanwaltschaft<br />

aufgrund <strong>der</strong> sich häufenden Beschwerden.<br />

Die resultierenden Doppelbehandlungen <strong>der</strong><br />

Unzufriedenen an den städtisch vorhandenen<br />

Kliniken und ländlichen Krankenhäusern<br />

helfen dann, das System weiter billiger zu<br />

machen.<br />

Am Land: Fahrten von 20–30 km mit dem<br />

banalen Schnupfen, da kein H<strong>aus</strong>arzt in<br />

<strong>der</strong> Umgebung mehr verfügbar ist. Macht<br />

fast nix, weil zahlt das Volk selber. Dafür<br />

fliegen wir im Gegenzug jeden gebrochenen<br />

Kleinfinger mit dem Hubschrauber ins<br />

Unfallfachzentrum. Kost fast nix, weil<br />

„Spitzenmedizin“, wie wir sie in Österreich<br />

durch <strong>der</strong>artige Reformen im Begriffe sind<br />

anzubieten, hat eben ihren Preis. Weiterer<br />

Ausbau von Spitälern in gewissen Regionen,<br />

und seien sie noch so überversorgt.<br />

Rührt si nix, denn Regionalkaiser werden<br />

sich weiterhin nicht vom Bund sagen lassen,<br />

was mit den Steuern und Beiträgen<br />

<strong>der</strong> Patienten zu passieren hat, die im Wege<br />

des Finanzlasten<strong>aus</strong>gleichs an die Län<strong>der</strong><br />

zurückfließen.<br />

Für beide Gruppen somit schlechterer Zugang<br />

zur Versorgung, längere Wartezeiten,<br />

erhöhte Rate zu spät stationär aufgenommener<br />

Patienten, höhere Rezeptgebühren, Ambulanzgebühren,<br />

überarbeitete Ärzte bis hin<br />

zum faktischen Ärztemangel sowohl ambulant<br />

als auch stationär.<br />

Weiters droht die Deckelung des Gesundheitsbudgets<br />

auf 3,6 % des Bruttoinlandsproduktes<br />

(BIP). Damit wird gerade in wirtschaftlichen<br />

Krisenzeiten <strong>der</strong> Leistungsumfang<br />

des Systems heruntergefahren. Die<br />

Psychiater dürfen sich auf die nächste Rezession<br />

freuen! Insgesamt Aufbau einer Drei-<br />

Klassen-Medizin:<br />

1. Gruppe (die es auch bisher schon gab):<br />

Die wirklich finanziell begüterten Menschen,<br />

die sich medizinische Leistungen unabhängig<br />

von Versicherungen dort kaufen, wo sie sie<br />

haben wollen – alles geht, alles ist machbar.<br />

2. Gruppe: die durch Privatversicherungen<br />

gut abgedeckten Menschen. Vieles geht,<br />

vieles ist machbar, die Budgets <strong>der</strong> Privatversicherer<br />

werden Limitierungen bieten, diese<br />

sind durch Beitragssteigerungen aber <strong>aus</strong>dehnbar.<br />

3. Gruppe: die kassenversicherten Patienten.<br />

Fast nix geht mehr, vieles ist nicht mehr<br />

machbar, es sei denn, man kennt jemanden,<br />

man tut jemandem leid o<strong>der</strong> man weiß sich<br />

sonstwie durchzusetzen. Man kann sich<br />

<strong>aus</strong>rechnen, wer auf <strong>der</strong> Strecke bleiben<br />

wird. Dieses Szenario beschreibt auch Univ.-<br />

Prof. Kl<strong>aus</strong> Firlei in <strong>der</strong> ÖÄZ vom Dezember<br />

2012: „Ein Teil des Gesundheitswesens wird<br />

privatisiert und die Sozialversicherungsträger<br />

können sich <strong>aus</strong> dem Sachleistungssystem<br />

zurückziehen.“<br />

Fazit<br />

Der Succus: Die Gesundheitsreform 2012 und<br />

<strong>der</strong> ÖSG 2012 zielen darauf ab, WEDER die<br />

Nie<strong>der</strong>lassungen NOCH die Ambulanzen zu<br />

för<strong>der</strong>n respektive zu entlasten. Das Gesundheitssystem<br />

wird teilprivatisiert, denn wer es<br />

sich leisten kann, wird weiterhin unter höherem<br />

direktem Kostenaufwand medizinische<br />

Leistungen einkaufen können. Ein Ärztemangel<br />

wird durch Kostendruck auf fertig<br />

<strong>aus</strong>gebildete Mediziner in Kauf genommen.<br />

Die Versorgung <strong>der</strong> eigentlichen Zahler im<br />

System, <strong>der</strong> Patienten, wird ohne <strong>der</strong>en<br />

Einbeziehung verschlechtert, weil Demotivation,<br />

Einsparungen und Zentralisierung nicht<br />

zu einer Verbesserung führen können. Die<br />

Einsparungen werden im sich weiter aufblähenden<br />

Dokumentations- und Kontrollsystem,<br />

das schließlich zur Abschaffung des<br />

freien Berufes Arzt führen wird, verpuffen.<br />

Wenn das Parkinson’sche Gesetz Gültigkeit<br />

hat, werden die Kosten sogar steigen. Das<br />

soziale System Gesundheit wird also unter<br />

einer SPÖ-Regierung desozialisiert. Aber<br />

hallo!<br />

Daher habe ich meinen Kin<strong>der</strong>n bereits jetzt<br />

verboten, Medizin zu studieren. Daher rufe<br />

ich Euch alle, liebe Kolleginnen und Kollegen<br />

auf: Wehret den Anfängen! Wehren wir uns.<br />

Wehren wir uns in persönlichen Gesprächen<br />

mit Politikern. Wehren wir uns in schriftlicher<br />

Kritik an den Systemträgern. Wehren wir uns<br />

durch Aufklärung von Patienten. Wehren wir<br />

uns im Denken, Tun und Handeln. Wehren<br />

wir uns schon bei <strong>der</strong> nächsten politischen<br />

Wahl! Frei nach dem Tiroler Freiheitshelden<br />

Andreas Hofer: „Man<strong>der</strong> (und Weiberleut)!<br />

’s isch Zeit!“ •<br />

64


Buchrezension<br />

Neurologische Differenzialdiagnostik von<br />

Claudio Bassetti und Marco Mumenthaler<br />

Mit Mai 2012 ist die 6. Auflage des oben genannten Buches erschienen. Die Autoren versprechen uns einen<br />

systematischen Ansatz zur neurologischen Diagnostik und eine Begleitung des Lesers anhand von Leitsymptomen<br />

und typischen Befundkonstellationen. Das Buch ist in seiner ersten Auflage bereits 1980 erschienen, es<br />

stellt sich daher die Frage, ob ein solches Werk auch heute noch zeitgemäß sein kann. In <strong>der</strong> neuen Auflage<br />

wurde das Buch vollständig überarbeitet, es beinhaltet eine neue Systematik <strong>der</strong> Syndrome und den Einsatz<br />

von neuen Abbildungen und Videos.<br />

BBeim Durchblättern des Buches fällt die bereits<br />

bekannte sehr gute systematische Glie<strong>der</strong>ung<br />

auf, es fällt leicht, von einem Symptom<br />

beziehungsweise einem Symptomenkomplex<br />

zur richtigen Diagnose zu kommen.<br />

Die Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Symptome ist anschaulich<br />

und lebhaft, die Systematik logisch<br />

aufgebaut. Es wird ein weitgehend lückenloses<br />

Spektrum <strong>der</strong> klinischen Neurologie<br />

geboten, die häufigen Tabellen sind logisch<br />

und übersichtlich. Beispielhaft seien hier die<br />

differenzialdiagnostischen Tabellen bei beidseitiger<br />

Beinschwäche im Kapitel 27 erwähnt.<br />

Erfreulich ist auch, dass früher verwendete<br />

Ausdrücke für bestimmte Krankheitsbil<strong>der</strong><br />

bei den entsprechenden aktuellen Bezeichnungen<br />

erwähnt werden, wie zum Beispiel<br />

bei den atypischen Parkinson-Syndromen.<br />

Dies ermöglicht auch dem/<strong>der</strong> älteren LeserIn<br />

einen guten Konnex zur heute gebräuchlichen<br />

Terminologie.<br />

DVD: Die dem Buch beigelegte DVD enthält<br />

zahlreiche anschauliche und gut erklärte<br />

Videos, wobei die Videoqualität teilweise<br />

besser sein könnte. Insgesamt wäre auch<br />

mehr Vollständigkeit zu wünschen; so ist zum<br />

Beispiel im weiten Feld des Nystagmus nur<br />

<strong>der</strong> kongenitale Nystagmus auf Video verfügbar.<br />

Die ebenfalls auf <strong>der</strong> DVD vorhandenen<br />

zusammenfassenden pdf-Dateien<br />

neurologischer Krankheitsbil<strong>der</strong> sind gewöhnungsbedürftig<br />

und nicht wirklich verwertbar,<br />

hier sollte bei <strong>der</strong> nächsten Auflage sicher<br />

eine Revision erfolgen. Ebenso ist es<br />

unpraktisch, dass die Suchfunktion nur für<br />

die Videos verfügbar ist, nicht aber für die<br />

pdf-Dateien <strong>der</strong> neurologischen Krankheitsbil<strong>der</strong>.<br />

Positiv hervorzuheben ist, dass die DVD sowohl<br />

für PC als auch für Mac kompatibel<br />

ist, es wäre aber wünschenswert, wenn die<br />

Autorun-Funktion auch beim Mac funktionieren<br />

würde.<br />

Zusammenfassend ist das Werk nach wie<br />

vor brandaktuell, wurde sehr gut revidiert<br />

und auf den neuesten Stand gebracht. Es ist<br />

ein sehr wertvolles Hilfsmittel des/<strong>der</strong> klinischen<br />

tätigen Neurologen/Neurologin im<br />

Dr. Michael Ackerl<br />

Nie<strong>der</strong>gelassener Facharzt für<br />

Neurologie und Psychiatrie<br />

Oberpullendorf<br />

täglichen medizinischen Alltag. Der Preis ist mit<br />

133,70 Euro für das Gebotene durch<strong>aus</strong> in<br />

Ordnung.<br />

Das Buch ist in Details sicher weiter verbesserbar,<br />

ist aber in seiner neuen Auflage<br />

durch<strong>aus</strong> als zeitgemäßer Begleiter in <strong>der</strong><br />

neurologischen Differenzialdiagnostik weiterhin<br />

sehr empfehlenswert. <br />

•<br />

Neurologische Differenzialdiagnostik<br />

Autoren: Claudio Bassetti und<br />

Marco Mumenthaler<br />

6. vollständig überarbeitete Auflage 2012<br />

432 S., 339 Abb., gebunden<br />

ISBN: 9783135924069<br />

65


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Bewegungsstörungen<br />

Zusammengestellt im Namen des Beirates „Bewegungsstörungen“:<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ransmayr<br />

Abteilung für Neurologie, AKH Linz<br />

Risikofaktoren für das Parkinson-Syndrom<br />

DDas idiopathische Parkinson-Syndrom hat<br />

eine Prävalenz von etwa 1 % bei Personen<br />

jenseits des 65. Lebensjahres. Neben genetischen<br />

Risikogruppen (familiärer Parkinson)<br />

wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche<br />

Umwelteinflüsse als Risikofaktoren<br />

für die Parkinson-Krankheit untersucht.<br />

Ende 2012 erschien von einer Arbeitsgruppe<br />

des University College London, Institute<br />

of Neurology, unter <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>führung von<br />

Alastair J. Noyce eine Publikation 1 , in <strong>der</strong><br />

eine systematische Untersuchung <strong>der</strong> Literatur<br />

hinsichtlich verschiedener Risikofaktoren<br />

für das Parkinson-Syndrom erfolgte.<br />

Insgesamt wurden 202 Studien inkludiert.<br />

Ein erhöhtes Risiko fand sich bei positiver<br />

Familienanamnese von Tremor o<strong>der</strong> Parkinson<br />

(Risikofaktor 4,45), bei chronischer<br />

Obstipation (Risikofaktor 2,3), bei Depressionen<br />

(Risikofaktor 1,8), Exposition von<br />

Pestiziden, Schädel-Hirn-Trauma, Leben auf<br />

dem Land, Tätigkeit im landwirtschaftlichen<br />

Bereich, Quellwasserkonsum sowie Verwendung<br />

von Beta-Blockern (Risiko 1,78 und<br />

geringer).<br />

Negative Risikofaktoren stellen früheres und/<br />

o<strong>der</strong> gegenwärtiges Rauchen (Risikofaktoren<br />

0,78 und 0,64), Kaffeekonsum (Risikofaktor<br />

0,67), die arterielle Hypertonie (Risikofaktor<br />

0,74) sowie die Verwendung von nichtsteroidalen<br />

antiinflammatorischen Substanzen<br />

und Kalziumantagonisten (0,83 und 0,9) dar.<br />

Auch Alkohol stellt einen gering protektiven<br />

Faktor dar, während Diabetes mellitus, Krebs,<br />

die Verwendung oraler Antikonzeptiva, chirurgische<br />

Menop<strong>aus</strong>e sowie Geschlechtshormon-Ersatztherapie,<br />

Statine, die Verwendung<br />

von Acetaminophen/Paracetamol, Aspirin,<br />

Teekonsum, die Vorgeschichte einer Allgemeinanästhesie<br />

o<strong>der</strong> Magengeschwüre keinen<br />

Einfluss auf das Parkinson-Risiko nahmen.<br />

Es wurde auch eine negative Assoziation<br />

zwischen Parkinson und erhöhten<br />

Serumharnsäurewerten festgestellt.<br />

Kommentar: Zusammenfassend stellt die Studie<br />

eine wertvolle systematische Literaturübersicht<br />

bekannter möglicher Risikofaktoren für<br />

die Parkinson-Krankheit dar. Die einzelnen<br />

angesprochenen Risikofaktoren sind sicherlich<br />

hinsichtlich ihrer Spezifität und weiterer Details<br />

zu klären. Ungeklärt ist, ob Risikofaktoren mit<br />

genetischen Risikofak toren interagieren. •<br />

1 Noyce AJ et al., Meta-analysis of early nonmotor<br />

features and risk factors for Parkinson disease.<br />

Ann Neurol 2012; 72:893–901<br />

67


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Schlafstörungen<br />

Schlafstörungen bei PatientInnen<br />

mit neuromuskulären Erkrankungen<br />

Schlafstörungen sind ein oft unterschätztes und verkanntes Symptom bei neuromuskulären Erkrankungen<br />

(NME). Einerseits werden die <strong>aus</strong> Schlafstörungen resultierenden Beschwerden von den Betroffenen selbst häufig<br />

nicht als solche erkannt, zumal sich die Symptome allmählich entwickeln und oft nicht im Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong><br />

Gesamtsymptomatik stehen. An<strong>der</strong>erseits wird in neuromuskulären Spezialambulanzen viel zu selten nach<br />

Schlafstörungen gefragt.<br />

EEiner amerikanischen Studie zufolge wird in<br />

neuromuskulären Ambulanzen bei weniger<br />

als 2 % <strong>der</strong> PatientInnen nach Schlafstörungen<br />

gefragt, dagegen liegen Beeinträchtigungen<br />

des Schlafes und nächtliche Atmungsstörungen<br />

bei über 40 % <strong>der</strong> PatientInnen<br />

vor 1 . Diese Diskrepanz verwun<strong>der</strong>t umso<br />

mehr, als bekannt ist, dass Schlafstörungen<br />

und insbeson<strong>der</strong>e schlafbezogene Atmungsstörungen<br />

die Lebensqualität reduzieren und<br />

zur Mortalität bei NME beitragen.<br />

Klinik<br />

Durch Affektion <strong>der</strong> Atemmuskulatur zählen<br />

schlafbezogene Atmungsstörungen (SBA) zu<br />

den häufigsten Schlafstörungen bei NME. Sie<br />

gehen einer auch tagsüber manifesten Ateminsuffizienz<br />

oft lange vor<strong>aus</strong>. Nur selten<br />

können sie Initialsymptom einer NME sein<br />

(wie z. B. beim Morbus Pompe o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

amyotrophen Lateralsklerose 2, 3 ). Es werden<br />

die alveoläre Hypoventilation, das obstruktive<br />

Schlafapnoesyndrom und das zentrale<br />

Schlafapnoesyndrom neben an<strong>der</strong>en, selteneren<br />

SBA unterschieden. Erste Symptome<br />

können sein:<br />

• Schlaffragmentierung<br />

• Durchschlafstörungen<br />

• nächtliche Atem<strong>aus</strong>setzer<br />

• morgendliche Kopfschmerzen<br />

• Konzentrationsstörungen<br />

• Tagesmüdigkeit/-schläfrigkeit<br />

• Fatigue<br />

Weiters sind bei NME-PatientInnen Schmerzen<br />

häufig Ursache von Schlafstörungen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> eingeschränkten Beweglichkeit<br />

ist <strong>der</strong> Lagewechsel im Schlaf erschwert,<br />

sodass druckbedingt Schmerzen entstehen.<br />

Auch verursachen muskuläre Verspannungen<br />

oft Schmerzen, die den Schlaf beeinträchtigen.<br />

Weit<strong>aus</strong> seltener, aber mit bestimmten NME<br />

überzufällig assoziiert sind auch das Restless-<br />

Legs-Syndrom (RLS), das Periodic-Limb-Movement-Syndrom<br />

(PLMS), REM-Schlaf-Verhaltensstörungen<br />

(RBD) und die Narkolepsie<br />

bzw. Hypersomnie 4–7 . Es sind dies v. a. Erkrankungen,<br />

die außer dem motorischen<br />

auch an<strong>der</strong>e Funktionssysteme erfassen und<br />

oft mit einer neurodegenerativen Komponente<br />

einhergehen. Hinweise ergeben sich hier<br />

oft anamnestisch.<br />

Pathophysiologie<br />

Wie bereits erwähnt, sind SBA die häufigste<br />

Ursache von Schlafstörungen bei PatientInnen<br />

mit NME. Bereits unter physiologischen<br />

Bedingungen kommt es im Schlaf zu einer<br />

Reduktion <strong>der</strong> Atmungsaktivität, die im<br />

Schlaf nahezu <strong>aus</strong>schließlich unter metabolischer<br />

Kontrolle steht. Diese Reduktion wird<br />

einerseits durch eine Abnahme <strong>der</strong> Sensitivität<br />

<strong>der</strong> Chemorezeptoren für Verän<strong>der</strong>ungen<br />

des O 2 - bzw. CO 2 -Partialdruckes verursacht<br />

und an<strong>der</strong>erseits durch eine Abnahme des<br />

Tab. 1: SBA-begünstigende Faktoren<br />

Muskeltonus (Tab. 1). Letzteres macht sich<br />

vor allem im REM-Schlaf bemerkbar, in dem<br />

die postsynaptische Hemmung <strong>der</strong> Motoneurone<br />

am <strong>aus</strong>geprägtesten ist. Lediglich das<br />

Zwerchfell nimmt eine Son<strong>der</strong>stellung ein,<br />

denn seine Aktivität bleibt bei Gesunden<br />

auch im REM-Schlaf relativ gut erhalten und<br />

garantiert durch seine Tätigkeit ein suffizientes<br />

Atemzugvolumen, das wie<strong>der</strong>um für<br />

einen adäquaten Gas<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch in den Lungen<br />

sorgt 8 . Ist jedoch die Funktion <strong>der</strong><br />

Atemmuskulatur im Rahmen einer zugrunde<br />

liegenden NME bereits beeinträchtigt, kann<br />

dar<strong>aus</strong> durch eine weitere Einschränkung im<br />

Schlaf eine alveoläre Hypoventilation mit <strong>der</strong><br />

Folge einer Hypoxämie bzw. Hyperkapnie<br />

resultieren. Dies fällt initial nur im REM-Schlaf<br />

auf, mit Fortschreiten <strong>der</strong> Erkrankung aber<br />

auch im NREM-Schlaf und im Wachzustand<br />

(Abb. 1).<br />

Zu unterscheiden ist die alveoläre Hypoventilation<br />

vom Schlafapnoesyndrom (SAS), das<br />

durch Phasen von Apnoen bzw. Hypopnoen<br />

charakterisiert ist. Der erniedrigte Tonus <strong>der</strong><br />

bulbären Muskulatur führt dabei zu einer<br />

Obstruktion <strong>der</strong> oberen Atemwege (obstruktives<br />

Schlafapnoesyndrom, OSAS). Dar<strong>aus</strong><br />

resultieren O 2 -Entsättigungen, die zu kurzen<br />

• Schwäche <strong>der</strong> Atemmuskulatur<br />

• Reduzierte Sensitivität <strong>der</strong> Chemorezeptoren<br />

• Reduziertes Atemminutenvolumen<br />

• Hypotonie <strong>der</strong> oberen Atemwege<br />

• Skelettdeformitäten (Skoliose, Kyphose) mit restriktiver pulmonaler<br />

Einschränkung<br />

• Störungen des zentralen Atemantriebes<br />

nach Chokroverty S, Sleep and breathing in neuromuscular disor<strong>der</strong>s. Handb Clin Neurol 2011; 99:1087–1108<br />

68


Zusammengestellt für den Beirat „Schlafstörungen“:<br />

Dr. Hakan Cetin<br />

Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Wien<br />

Abb. 1: Polysomnogramm eines Patienten mit ALS und bulbärer Symptomatik<br />

Auffallend sind die <strong>aus</strong>geprägten O 2 -Entsättigungen im REM-Schlaf bis 70 % bei nahezu<br />

unauffälliger O 2 -Grundsättigung, die nicht mit Apnoephasen assoziiert sind.<br />

Quelle: Ferguson et al., Sleep-disor<strong>der</strong>ed breathing in amyotrophic lateral sclerosis. Chest 1996; 110:664–9<br />

Aufwachphasen des Patienten/<strong>der</strong> Patientin<br />

führen (Arousals). Im Gegensatz zum OSAS<br />

liegt die Ursache beim zentralen Schlafapnoesyndrom<br />

in Störungen des Atemantriebes,<br />

die zu Hypopnoen und Apnoen führen (Abb. 2).<br />

konsekutiv zu erhöhter Tagesmüdigkeit und<br />

Abgeschlagenheit führen.<br />

Fragebögen: Die Quantifizierung von Schlafstörungen<br />

ist vor allem sinnvoll, um den Grad<br />

<strong>der</strong> Beeinträchtigung und die Wirksamkeit<br />

von Therapien abzuschätzen.<br />

• Der Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI)<br />

ist ein Fragebogen zur Erfassung <strong>der</strong><br />

Schlafqualität. Retrospektiv werden über<br />

einen Zeitraum von 4 Wochen die Häufigkeit<br />

schlafstören<strong>der</strong> Ereignisse, die<br />

Einschätzung <strong>der</strong> Schlafqualität, die<br />

Schlafzeiten, die Latenz und Dauer des<br />

Schlafes, die Tagesmüdigkeit und die<br />

Einnahme von Schlafmedikamenten<br />

erfasst. Der Gesamtscore kann zwischen<br />

0 und 21 variieren – je höher die Punktezahl,<br />

desto schlechter <strong>der</strong> Schlaf. Ein<br />

Cut-off-Wert von 5 unterscheidet einen<br />

guten Schläfer von einem schlechten.<br />

• Die Epworth-Schläfrigkeitsskala (ESS)<br />

erfragt die Neigung, während verschiedener<br />

Tagesaktivitäten einzunicken. Der<br />

Gesamtscore variiert zwischen 0 und 24,<br />

wobei ein Wert ab 10 Punkten als<br />

pathologisch angesehen wird. Zwar<br />

korreliert die ESS gut mit dem Apnoe-<br />

Hypopnoe-Index (AHI) beim OSAS, aber<br />

Untersuchungen zeigten eine nichtsignifikante<br />

Korrelation mit <strong>der</strong> nächtlichen<br />

Hypoxämie, welche bei PatientInnen u<br />

Diagnostik<br />

Die Abklärung von Schlafstörungen umfasst<br />

immer<br />

• die detaillierte Anamnese,<br />

• die Beurteilung mittels spezifischer<br />

Fragebögen und<br />

• die apparative Austestung.<br />

Anamnese: Die Anamnese ist beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig, um die Art und den Schweregrad<br />

einer etwaigen Schlafstörung abzuschätzen<br />

und ergänzende Untersuchungen zu initiieren.<br />

Die Spezifizierung von Ein- bzw. Durchschlafstörungen<br />

und Angaben wie ein nicht<br />

erholsamer Schlaf, eine <strong>aus</strong>geprägte Tagesmüdigkeit<br />

und unwillkürliche Körperbewegungen<br />

im Schlaf sind oft hilfreich bei <strong>der</strong><br />

Beurteilung und Zuordnung <strong>der</strong> Schlafstörung.<br />

Weiters sollte immer eine Schmerzanamnese<br />

erfolgen. Nächtliche Schmerzen können<br />

die Schlafqualität beeinträchtigen und<br />

Abb. 2: Verschiedene Atemmuster bei neuromuskulären Erkrankungen<br />

A<br />

AIR FLOW<br />

EFFORT<br />

B<br />

FLOW<br />

EFFORT<br />

C<br />

AIR FLOW<br />

EFFORT<br />

AIR FLOW<br />

EFFORT<br />

AIR FLOW<br />

THOR<br />

EFFORT<br />

ABD.<br />

EFFORT<br />

AIR FLOW<br />

EFFORT<br />

Abgebildet sind die häufigsten Atemmuster, wie sie bei PatientInnen mit NME polysomnographisch<br />

registriert werden können. (A) normales Atemmuster, (B) obstruktives Schlafapnoesyndrom,<br />

(C) zentrales Schlafapnoesyndrom, (D) gemischtes Schlafapnoesyndrom, (E) paradoxe Atmung,<br />

(F) Hypopnoe<br />

Quelle: Chokroverty S, Sleep and breathing in neuromuscular disor<strong>der</strong>s. Handb Clin Neurol 2011; 99:1087–1108<br />

D<br />

E<br />

F<br />

69


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Schlafstörungen<br />

Tab. 2: Behandlung von Schlafstörungen bei PatientInnen mit NME<br />

mit NME beson<strong>der</strong>s oft im Rahmen <strong>der</strong><br />

alveolären Hypoventilation vorliegt 9 .<br />

• Ein speziell für SBA bei NME entwickelter<br />

Fragebogen stellt <strong>der</strong> Sleep-Disor<strong>der</strong>ed<br />

Breathing in Neuromuscular Disease<br />

Questionnaire-5 (SINQ-5) dar. Es werden<br />

insgesamt 0–10 Punkte vergeben, wobei<br />

in <strong>der</strong> Originalpublikation ab 5 Punkten<br />

die Sensitivität für SBA bei 86,2 % lag<br />

und die Spezifität bei 88,5 %. Der<br />

positive prädiktive Wert betrug 69,4 %<br />

und <strong>der</strong> negative prädiktive Wert<br />

95,5 % 10 .<br />

• Ein sehr einfacher und im ambulanten<br />

Setting durchführbarer Test ist <strong>der</strong> Zähltest<br />

(„single-breath test“) zur Abschätzung<br />

<strong>der</strong> Vitalkapazität. Nach einer<br />

maximalen Inspiration wird mit dem<br />

lauten Zählen begonnen. PatientInnen<br />

mit NME ohne SBA erreichen bis zu<br />

50 Punkte. Kann dagegen nur bis<br />

15 o<strong>der</strong> weniger gezählt werden, ist<br />

eine <strong>aus</strong>geprägte Reduktion <strong>der</strong> Vitalkapazität<br />

anzunehmen 11 .<br />

Apparative Diagnostik: In <strong>der</strong> apparativen<br />

Diagnostik kommen vor allem die Spirometrie<br />

und die Polysomnographie zur Anwendung.<br />

Immer öfter werden auch Geräte zur<br />

ambulanten Polysomnographie bzw. zum<br />

Apnoescreening eingesetzt, wobei manche<br />

AutorInnen die Anwendung solcher außerklinischen<br />

Untersuchungen mit eingeschränkter<br />

Kanalzahl als unzuverlässig ansehen 12 .<br />

Es wird empfohlen, die Lungenfunktion und<br />

den Gas<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch (paO 2 und paCO 2 ) bei<br />

jedem Patienten/je<strong>der</strong> Patientin mit einer<br />

NME zu untersuchen. Spirometrisch scheint<br />

im Beson<strong>der</strong>en die forcierte Vitalkapazität im<br />

Liegen (FVC liegend ) <strong>aus</strong>sagekräftig zu sein, da<br />

die Atemleistung in liegen<strong>der</strong> Position stärker<br />

von <strong>der</strong> Zwerchfellfunktion abhängt. Einer<br />

Studie an PatientInnen mit amyotropher<br />

Lateralsklerose (ALS) zufolge lagen die Sensitivität<br />

und Spezifität für eine pathologische<br />

Zwerchfellfunktion bei einer FVC liegend 75 %<br />

bei 100 % 13 . Beson<strong>der</strong>s wichtig sind auch<br />

das forcierte exspiratorische Volumen in 1<br />

Sekunde (FEV 1 ) und die maximale exspiratorische<br />

und inspiratorische Atemstromstärke<br />

(PE max , PI max ), die ein Maß für die Funktion<br />

<strong>der</strong> exspiratorischen bzw. inspiratorischen<br />

Muskeln sind. Allerdings erfor<strong>der</strong>n diese<br />

• Maskenbeatmung<br />

- CPAP<br />

- NIPPV (BiPAP)<br />

• O 2 -Beatmung<br />

• Chirurgische Therapie<br />

- Zwerchfellschrittmacher<br />

- Tracheostomie<br />

• Pharmakotherapie: Narkolepsie; Tagesmüdigkeit<br />

- Modafinil<br />

• Pharmakotherapie: Restless-Legs-Syndrom;<br />

Periodic-Limb-Movement-Syndrom<br />

- Dopaminagonisten<br />

Untersuchungen die Fähigkeit des Patienten/<br />

<strong>der</strong> Patientin, das Mundstück luftdicht zu<br />

umschließen, was z. B. bei PatientInnen mit<br />

bulbärer Schwäche nicht immer möglich ist.<br />

Wird nur die Pulsoxymetrie als Screeningmethode<br />

eingesetzt, sollte <strong>der</strong> sigmoidale Verlauf<br />

<strong>der</strong> O 2 -Sättigungskurve berücksichtigt<br />

werden. Erst bei einem deutlich erniedrigten<br />

O 2 -Partialdruck nimmt die O 2 -Sättigung<br />

schneller ab, sodass eine alveoläre Hypoventilation<br />

unterschätzt bzw. <strong>der</strong> O 2 -Partialdruck<br />

überschätzt werden kann. Auch sollten mögliche<br />

Anämien o<strong>der</strong> Hämoglobinopathien in<br />

Betracht gezogen werden.<br />

Immer mehr Bedeutung erlangt auch <strong>der</strong><br />

nasale inspiratorische Druck beim Schnupfmanöver<br />

(„sniff nasal inspiratory pressure“,<br />

SNIP). Es konnte bei ALS-PatientInnen gezeigt<br />

werden, dass ein SNIP < 40 cm H 2 O hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> 6-Monate-Mortalität sensitiver<br />

war als ein FVC < 50 % 14 . Eine an<strong>der</strong>e<br />

Studie wies nach, dass <strong>der</strong> SNIP stärker mit<br />

einer nächtlichen Hyperkapnie und mit einem<br />

höheren AHI assoziiert war als die Vitalkapazität<br />

bzw. <strong>der</strong> PI max 15 .<br />

Die Polysomnographie (PSG) ist und bleibt<br />

Goldstandard in <strong>der</strong> Diagnostik von Schlafstörungen.<br />

Empfohlen wird die standardmäßige<br />

Registrierung von EEG (mindestens 3<br />

Kanäle), EOG, EMG (Kinn und Bein), Atemfluss,<br />

Atmungsbewegungen, Pulsoxymetrie<br />

und Körperlage. Dadurch können auch komplexere<br />

Schlafstörungen erkannt werden.<br />

Therapie<br />

Nach Chokroverty S, Sleep and breathing in neuromuscular disor<strong>der</strong>s. Handb Clin Neurol 2011; 99:1087–1108<br />

Das primäre Ziel in <strong>der</strong> Therapie von Schlafstörungen<br />

bei NME ist die Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

eines erholsamen Schlafes und konsekutiv<br />

die Verringerung <strong>der</strong> Tagesmüdigkeit und die<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität (Tab. 2).<br />

Die Maskenbeatmung mittels CPAP-Modus<br />

(„continuous positive airway pressure“)<br />

wird v. a. beim OSAS eingesetzt. Damit<br />

werden Hypopnoen/Apnoen verhin<strong>der</strong>t, die<br />

O 2 -Sättigung normalisiert und die Schlafeffizienz<br />

verbessert. Liegt eine zentrale Apnoe<br />

bzw. eine alveoläre Hypoventilation mit nächtlicher<br />

Hypoxämie vor, wird <strong>der</strong> BiPAP-Modus<br />

(„bilevel positive airway pressure“) als Son<strong>der</strong>form<br />

<strong>der</strong> nichtinvasiven positiven Druckbeatmung<br />

(„noninvasive positive-pressure ventilation“,<br />

NPPV) bevorzugt. Im Gegensatz zum<br />

CPAP-Modus erlaubt das BiPAP-System die<br />

Beatmung mit höheren Druckwerten bei <strong>der</strong><br />

Inspiration und mit niedrigeren bei <strong>der</strong> Exspiration.<br />

Dies kommt insbeson<strong>der</strong>e PatientInnen<br />

zugute, die sich aufgrund einer Schwäche <strong>der</strong><br />

exspiratorischen Atemmuskulatur sonst<br />

schnell erschöpfen würden.<br />

Es konnte gezeigt werden, dass bereits eine<br />

tägliche NPPV-Anwendung von 4 Stunden<br />

mit einem längeren Überleben bei vielen NME<br />

korreliert. Der Nutzen einer NPPV bei NME<br />

ist somit gut belegt 8 . Umstrittener dagegen<br />

ist <strong>der</strong> Zeitpunkt, ab dem eine NPPV zum<br />

Einsatz kommen sollte. Im Jahr 1999 wurden<br />

erstmals Richtlinien hierfür veröffentlicht 16 ,<br />

die 2009 von <strong>der</strong> American Academy of<br />

Neurology mit <strong>der</strong> Empfehlung des früheren<br />

Einsatzes <strong>der</strong> NPPV revidiert wurden 17 (Tab. 3).<br />

Die O 2 -Insufflation wird in <strong>der</strong> Literatur<br />

kontrovers diskutiert, da durch die Verabreichung<br />

von Sauerstoff und konsekutiver<br />

70


Tab. 3: Richtlinien zur Initiierung einer NPPV-Therapie bei NME<br />

Hemmung des zentralen Atemantriebes<br />

durch Reduktion <strong>der</strong> Hypoxämie die CO 2 -<br />

Retention begünstigt werden könnte 18 .<br />

Das primäre Ziel <strong>der</strong> Zwerchfellstimulation<br />

besteht in einer Hin<strong>aus</strong>zögerung <strong>der</strong><br />

NPPV o<strong>der</strong> Tracheostomie. Der Zwerchfellschrittmacher<br />

wurde von <strong>der</strong> FDA 2008 für<br />

hohe spinale Läsionen und 2011 schließlich<br />

auch für ALS-PatientInnen zugelassen. Die<br />

Stimulation durch die subkutan gelegenen<br />

Schrittmacher und Elektroden erfolgt an <strong>der</strong><br />

Verzweigungsstelle des N. phrenicus. Weil<br />

das Verfahren bei <strong>aus</strong>geprägter nervaler<br />

Degeneration bzw. Atrophie des Zwerchfells<br />

keinen <strong>aus</strong>reichenden Nutzen hat, kommt es<br />

bei ALS-PatientInnen vorerst nur bei spastischer<br />

Zwerchfellparese zur Anwendung. Um<br />

die operative Komplikationsrate zu minimieren,<br />

wird sein Einsatz bei einer Vitalkapazität<br />

> 60 % empfohlen.<br />

Die Tracheostomie bleibt die Ultima Ratio<br />

bei <strong>der</strong> Behandlung von Atemstörungen bei<br />

PatientInnen mit fortgeschrittenen NME und<br />

spielt in <strong>der</strong> Therapie von Schlafstörungen<br />

eher eine untergeordnete Rolle. Allenfalls<br />

kann sie bei PatientInnen notwendig werden,<br />

die eine Maskenbeatmung nicht tolerieren.<br />

Pharmakotherapie: Die Narkolepsie und<br />

das RLS/PLMS sollten pharmakotherapeutisch<br />

behandelt werden (Tab. 2). Weiters erfor<strong>der</strong>n<br />

Schmerzen eine suffiziente Analgesie bzw.<br />

Muskelrelaxation, wobei sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

die atemdepressive Nebenwirkung mancher<br />

Schmerzmittel (Opioide) und eine allzu starke<br />

Muskelrelaxation bei NME auch ungünstig<br />

<strong>aus</strong>wirken können.<br />

Ausgewählte neuromuskuläre<br />

Erkrankungen<br />

1999 US Consensus Conference Report Guidelines<br />

• Auf eine SBA hinweisende klinische Symptomatik<br />

• Einer <strong>der</strong> folgenden Punkte<br />

- paCO 2 45 mmHg<br />

- Nächtliche O 2 -Entsättigungen 88 % für 5 aufeinan<strong>der</strong>folgende Minuten<br />

- PI max < 60 cm H 2 O<br />

- FVC < 50 % des Normwertes (bei progressiven Erkrankungen)<br />

American Academy of Neurology 2009 Practice Parameters Update<br />

• In Ergänzung zu oben einer <strong>der</strong> folgenden Punkte<br />

- SNIP < 40 cm H 2 0<br />

- Abnorme nächtliche O 2 -Entsättigungen (> 4 % vom Ausgangs-SaO 2 )<br />

- Nächtliche SaO 2 < 90 % für eine kumulative Zeit > 1 Minute<br />

- Orthopnoe<br />

nach: Clinical indications for noninvasive positive pressure ventilation in chronic respiratory failure due to restrictive<br />

lung disease, COPD, and nocturnal hypoventilation – a consensus conference report. Chest 1999; 116:521–34<br />

Miller RG et al., Practice parameter update: the care of the patient with amyotrophic lateral sclerosis: drug,<br />

nutritional, and respiratory therapies (an evidence-based review): report of the Quality Standards Subcommittee<br />

of the American Academy of Neurology. Neurology 2009; 73:1218–26<br />

Amyotrophe Lateralsklerose: In einer 2011<br />

veröffentlichten italienischen Studie gaben<br />

59 % <strong>der</strong> ALS-PatientInnen Schlafstörungen<br />

an, bei den nach Alter und Geschlecht gematchten<br />

Kontrollen waren es 36 % 19 . Zu<br />

den häufigsten Beschwerden zählten Nykturie<br />

(54 %), Schlaffragmentierung (48 %) und<br />

nächtliche Krämpfe (45 %). Die erhöhte<br />

Schlaffragmentierung dürfte auf SBA zurückzuführen<br />

sein. Viele ALS-PatientInnen scheinen<br />

eine CPAP-Maskenbeatmung nicht zu<br />

tolerieren 20 .<br />

SBA bei ALS-PatientInnen sind häufig eine<br />

Kombination <strong>aus</strong> einer Obstruktion <strong>der</strong> oberen<br />

Atemwege und einer alveolären Hypoventilation,<br />

wobei überraschen<strong>der</strong>weise<br />

keine Korrelation zwischen Ausprägung <strong>der</strong><br />

bulbären Symptomatik und einem frühzeitigen<br />

Auftreten von SBA gezeigt werden<br />

konnte 21 . Auch zeigte eine an<strong>der</strong>e Studie,<br />

dass eventuell zentrale Funktionsstörungen<br />

über eine Hemmung des Atemantriebes<br />

zumindest teilweise für periodisch auftretende,<br />

nicht mit dem REM-Schlaf assoziierte<br />

O 2 -Entsättigungen verantwortlich sind 22 .<br />

Goldstandard in <strong>der</strong> Therapie von SBA bei<br />

ALS-PatientInnen stellt die Beatmung mittels<br />

BiPAP dar, womit das Überleben <strong>der</strong> PatientInnen<br />

bis zu 1 Jahr verlängert werden<br />

kann 23 .<br />

Spinale Muskelatrophien (SMA): Die zur<br />

Evaluierung von Schlafstörungen bei SMA<br />

durchgeführten Untersuchungen betreffen<br />

hauptsächlich die kindlichen Formen. Eine<br />

Studie an Kin<strong>der</strong>n mit SMA Typ 1 und 2<br />

zeigte signifikant höhere AHI als bei Kontrollen<br />

und eine paradoxe Atmung. Mittels<br />

NPPV wurden keine SBA mehr registriert, die<br />

Schlafarchitektur normalisierte sich und die<br />

Schlafqualität und die Aufmerksamkeit tagsüber<br />

verbesserten sich 24, 25 . Aber auch bei<br />

Erwachsenen mit SMA entwickeln sich SBA<br />

im Krankheitsverlauf und erfor<strong>der</strong>n eine<br />

Abklärung und Therapie 26 .<br />

Muskeldystrophie Typ Duchenne (DMD):<br />

Auch bei DMD-PatientInnen ist die alveoläre<br />

Hypoventilation bei Weitem die häufigste<br />

Form von SBA. Zwar ist sie auch hier am<br />

stärksten im REM-Schlaf <strong>aus</strong>geprägt, doch<br />

führen die rasch progrediente Muskelschwäche<br />

und Wirbelsäulenverkrümmungen zu<br />

restriktiven pulmonalen Funktionsstörungen,<br />

die wie<strong>der</strong>um ein frühes Auftreten <strong>der</strong> alveolären<br />

Hypoventilation auch im NREM-Schlaf<br />

verursachen 27 . Auch OSA kommen häufig<br />

vor 28 . Der Nutzen <strong>der</strong> NPPV ist umstritten.<br />

Einer Studie zufolge hat die NPPV bei PatientInnen<br />

mit einer FVC zwischen 20 % und<br />

50 % keinen Nutzen 29 , an<strong>der</strong>e Studien dagegen<br />

zeigten eine Verbesserung des Gas<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ches,<br />

eine Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Tagesmüdigkeit<br />

und eine verlängerte Überlebenszeit<br />

30, 31 .<br />

Myotone Dystrophien (MD): 52 % <strong>der</strong><br />

PatientInnen mit MD Typ 1 klagen über eine<br />

vermehrte Tagesmüdigkeit und 76 % über<br />

eine Fatigue 32 . Auch SBA treten auf, wobei<br />

oft eine Kombination <strong>aus</strong> obstruktiven und<br />

zentralen Apnoen und alveolärer Hypoventilation<br />

besteht. Hinzu kommt, dass etwaige<br />

orofaziale Dysmorphien eine Obstruktion <strong>der</strong><br />

oberen Atemwege begünstigen. Weiters sind<br />

<strong>der</strong> REM-Schlafanteil und die Anteile <strong>der</strong><br />

Tiefschlafstadien bei gleichzeitig reduzierter<br />

Schlafeffizienz und die PLM-Indices signifikant<br />

höher 5, 6 .<br />

Die vermehrte Tagesmüdigkeit korreliert nicht<br />

mit <strong>der</strong> Ausprägung <strong>der</strong> SBA und verbessert<br />

sich auch nicht nach Therapie <strong>der</strong> SBA. u<br />

71


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Schlafstörungen<br />

Die CTG-Repeatzahl scheint auch nicht mit<br />

einer Hypersomnie assoziiert zu sein. Lediglich<br />

mit dem Grad <strong>der</strong> Muskelschwäche konnte<br />

eine schwache Korrelation gefunden werden<br />

33 . Nun haben PatientInnen mit MD Typ<br />

1 auch eine verkürzte Schlaflatenz im multiplen<br />

Schlaflatenztest und weiters Schlaf-onset-<br />

REM-Phasen (SOREMP), sodass insgesamt ein<br />

narkoleptischer Phänotyp vermutet werden<br />

könnte. Allerdings wurden bei Messungen <strong>der</strong><br />

Hypokretinspiegel im Liquor inkonsistente<br />

Ergebnisse erzielt 34, 35 . Zusammenfassend<br />

wird von zentralen Mechanismen als Ursache<br />

für die Schlafstörungen bei PatientInnen mit<br />

MD Typ 1 <strong>aus</strong>gegangen 36 .<br />

Zur MD Typ 2 gibt es deutlich weniger Untersuchungen<br />

als zum Typ 1. In einer Studie<br />

wurden vermehrte Arousals, eine reduzierte<br />

Schlafeffizienz, obstruktive Schlafapnoen und<br />

eine paradoxe Atmung beschrieben 37 . Auch<br />

hier traten vermehrt SOREMP auf, und es gibt<br />

Berichte über REM-Schlaf-Verhaltensstörungen<br />

38 . Ursächlich werden zentrale Funktionsstörungen<br />

von Regionen angenommen, die<br />

die Atmung und den Schlaf-Wach-Rhythmus<br />

regulieren.<br />

Myasthenia gravis (MG): Die Angaben zu<br />

SBA bei MG-PatientInnen in <strong>der</strong> Literatur sind<br />

sehr wi<strong>der</strong>sprüchlich. Einer Studie zufolge<br />

sind bei MG-PatientInnen OSA häufiger als<br />

bei Kontrollen 39 . Auch Patienten, die medikamentös<br />

gut eingestellt waren und spirometrisch<br />

einen normalen Befund aufwiesen,<br />

litten häufiger an OSA 40 . An<strong>der</strong>e Studien<br />

wie<strong>der</strong>um zeigten, dass zentrale Apnoen und<br />

Hypopnoen dominieren 41 bzw. fanden überhaupt<br />

keine SBA 42 . Allerdings waren die<br />

Fallzahlen sehr klein, sodass auf Studien mit<br />

größeren Patientenzahlen gewartet wird.<br />

Guillain-Barré-Syndrom (GBS): PatientInnen<br />

mit GBS scheinen vor allem in <strong>der</strong> ersten Zeit<br />

<strong>der</strong> Erkrankung an Schlafstörungen zu leiden,<br />

wobei verlängerte Schlaflatenzen, erhöhte<br />

Schlaffragmentierung und eine verkürzte<br />

Schlafdauer dominieren 43 . An<strong>der</strong>erseits wurden<br />

auch Symptome wie bei einer Narkolepsie<br />

beschrieben, die mit einem niedrigen Hypokretinspiegel<br />

im Liquor korrelierten 44, 45 . Zentrale<br />

Demyelinisierungen wurden ursächlich für diese<br />

Verän<strong>der</strong>ungen postuliert. Die Symptome treten<br />

hauptsächlich in <strong>der</strong> akuten Phase auf und<br />

bessern sich mit Stabilisierung <strong>der</strong> Erkrankung.<br />

Hereditäre motorisch-sensible Neuropathien<br />

(HMSN): Eine Studie an 12 PatientInnen<br />

erbrachte signifikant höhere AHI-Werte<br />

verglichen mit Kontrollen 46 . Auch klagen die<br />

PatientInnen signifikant häufiger über Fatigue<br />

und Tagesschläfrigkeit. 79 % aller PatientInnen<br />

geben eine vermin<strong>der</strong>te Schlafqualität<br />

an, verglichen mit 17 % bei Kontrollen. Die<br />

Prävalenz eines RLS in diesem Patientenkollektiv<br />

betrug 18,1 %, verglichen mit 5,6 %<br />

bei Kontrollen 47 . <br />

•<br />

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myotonic dystrophy. J Sleep Res 2004; 13:95–100<br />

34 Ciafaloni E et al., The hypocretin neurotransmission system<br />

in myotonic dystrophy type 1. Neurology 2008;<br />

70:226–30<br />

35 Martínez-Rodríguez JE et al., Decreased hypocretin-1<br />

(Orexin-A) levels in the cerebrospinal fluid of patients with<br />

myotonic dystrophy and excessive daytime sleepiness.<br />

Sleep 2003; 26:287–90<br />

36 Giubilei F et al., Excessive daytime sleepiness in myotonic<br />

dystrophy. J Neurol Sci 1999; 164:60–3<br />

37 Bhat S et al., Sleep disor<strong>der</strong>ed breathing and other sleep<br />

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Sleep Med 2012; 13:1207–8<br />

38 Chokroverty S et al., REM behavior disor<strong>der</strong> in<br />

myotonic dystrophy type 2. Neurology 2012;<br />

78(24):2004, DOI: 10.1212/WNL.0b013e318259e28c<br />

39 Nicolle MW et al., Sleep apnea in patients with<br />

myasthenia gravis. Neurology 2006; 67:140–2<br />

40 Shintani S et al., Sleep apnea in well-controlled myasthenia<br />

gravis. Rinsho Shinkeigaku 1989; 29:547–53<br />

41 Stepansky R, Weber G, Zeitlhofer J, Sleep apnea in myasthenia<br />

gravis. Wien Med Wochenschr 1996; 146:209–10<br />

42 Prudlo J et al., Sleep disor<strong>der</strong>ed breathing in medically<br />

stable patients with myasthenia gravis. Eur J Neurol 2007;<br />

14:321–6<br />

43 Karkare K et al., Prevalence and profile of sleep disturbances<br />

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study during 10 days of hospitalization. Acta<br />

Neurol Scand 2013; 127:116–23<br />

44 Cochen V et al., Vivid dreams, hallucinations, psychosis<br />

and REM sleep in Guillain-Barré syndrome. Brain 2005;<br />

128:2535–45<br />

45 Nishino S et al., CSF hypocretin levels in Guillain-Barré<br />

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Neurology 2003; 61:823–5<br />

46 Dziewas R et al., Increased prevalence of obstructive sleep<br />

apnoea in patients with Charcot-Marie-Tooth disease: a<br />

case control study. J Neurol Neurosurg<br />

Psychiatry 2008; 79:829–31<br />

47 Chokroverty S, Sleep and breathing in neuromuscular disor<strong>der</strong>s.<br />

Handb Clin Neurol 2011; 99:1087–1108<br />

72


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Schlaganfall<br />

Therapie und Prophylaxe des Schlaganfalls –<br />

ein Update 2013<br />

Durch den Film „Amour“ von Michael Haneke, <strong>der</strong> dieser Tage mit einem Oscar <strong>aus</strong>gezeichnet wurde, ist <strong>der</strong><br />

Schlaganfall medial in den Mittelpunkt gerückt und hat in <strong>der</strong> Bevölkerung sehr viel Aufmerksamkeit erfahren.<br />

Die Häufigkeit des Schlaganfalls und die damit verbundenen Folgen für Betroffene und Kosten für das<br />

Gesundheitssystem werden über die nächsten Jahrzehnte beträchtlich ansteigen, basierend auf den demografischen<br />

Entwicklungen (Alterspyramide) und <strong>der</strong> Zunahme von Übergewicht und Diabetes. Eine effiziente<br />

Weiterentwicklung <strong>der</strong> Schlaganfallakuttherapie und -prävention ist entscheidend, um diesem Trend<br />

entgegenzuwirken.<br />

DDieser Artikel fasst aktuelle Entwicklungen<br />

und Fortschritte zusammen und gibt einen<br />

Ausblick für die nächsten Jahre. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

wird auf rezente Präsentationen am AHA-<br />

Kongress im November 2012 in Los Angeles<br />

und an <strong>der</strong> International Stroke Conference<br />

(ISC) im Februar 2013 in Honolulu eingegangen.<br />

Akuttherapie<br />

Abb.: Österreichisches Stroke-Unit-Netzwerk (Stand 2013)<br />

Integrative Schlaganfallprojekte und intravenöse<br />

Thrombolyse: Über die vergangenen<br />

Jahre wurde in Österreich <strong>der</strong> Aufbau eines<br />

flächendeckenden Stroke-Unit-Netzwerkes<br />

weiter vorangetrieben und steht nun knapp<br />

vor <strong>der</strong> Fertigstellung (Abb.). Die kontinuierliche<br />

Qualitätsoptimierung <strong>der</strong> Behandlungsstandards<br />

unterstützt durch GÖG-BIQG 1<br />

(Stroke-Unit-Register und Benchmark-Sitzungen)<br />

und die Österreichische Schlaganfallgesellschaft<br />

ÖGSF (Stroke-Unit-Betreibertreffen,<br />

SOP-Erstellung, Positionspapiere 2 ) hat zu<br />

einem österreichweit sehr hohen Standard in<br />

<strong>der</strong> Schlaganfallversorgung geführt. Österreich<br />

hat hier zweifelsfrei eine Vorreiterstellung<br />

in Europa.<br />

Ausgehend von den Schlaganfallzentren wurden<br />

in den letzten Jahren umfassende integrative<br />

Schlaganfallversorgungsprojekte in<br />

den Bundeslän<strong>der</strong>n umgesetzt, die alle Akutkrankenhäuser,<br />

Rettungssysteme und vielfach<br />

auch rehabilitative Einrichtungen und<br />

den nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich miteinbeziehen<br />

und so einen durchgehenden Behandlungspfad<br />

vom Ereignis bis hin zur ambulanten<br />

Grüne Kreise markieren die Standorte. Die Farben in <strong>der</strong> Landkarte beschreiben die Erreichbarkeit <strong>der</strong> nächsten Stroke<br />

Unit (bodengebunden in Minuten): weiß < 45, ocker 45–60, gelb 60–75, orange 75–90, rot > 90<br />

Nachsorge ermöglichen. Mit all diesen Maßnahmen<br />

konnte erreicht werden, dass <strong>der</strong><br />

Einsatz <strong>der</strong> intravenösen Thrombolysetherapie<br />

deutlich zugenommen hat und nun bereits<br />

bei fast 20 % aller SchlaganfallpatientInnen<br />

an Österreichs Stroke Units und 60 %<br />

in einem eingeschränkten Patientenkollektiv<br />

(Alter 80, Zeitfenster von 4,5 Stunden,<br />

<strong>aus</strong>reichen<strong>der</strong> Schweregrad) liegt.<br />

Parallel sind die Zeiten, die vom Eintreffen<br />

<strong>der</strong> PatientInnen im Krankenh<strong>aus</strong> bis zur<br />

Durchführung <strong>der</strong> rekanalisierenden Therapie<br />

vergehen („door-to-needle time“), deutlich<br />

kürzer. Flächendeckend werden in manchen<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n wie Tirol Thrombolyseraten<br />

von über 15 % erreicht. Im Vergleich dazu<br />

variieren die Thrombolyseraten in an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n zwischen 1,7 % und 6,1 %, einzig<br />

<strong>aus</strong> Schweden wird eine Thrombolyserate<br />

von 8,7 % berichtet. 3<br />

Die Zulassung für die intravenöse Thrombolyse<br />

wurde kürzlich in Europa auf das<br />

4,5-Stunden-Fenster erweitert. Ein rezentes<br />

Highlight ist die IST-3-Studie, die im Juli 2012<br />

publiziert wurde. 4 Wird die i. v. Lyse innerhalb<br />

von 3 Stunden nach Symptombeginn<br />

verabreicht, ist die Wirksamkeit bei PatientInnen<br />

auch jenseits des 80. Lebensjahres<br />

gegeben. Die ARTIS-Studie hat untersucht,<br />

ob eine intravenöse ASS-Gabe während o<strong>der</strong><br />

unmittelbar nach <strong>der</strong> intravenösen Thrombolyse<br />

zwecks Verhin<strong>der</strong>ung von Gefäßreokklusionen<br />

die Prognose verbessern kann. Dies<br />

war allerdings nicht <strong>der</strong> Fall, im Gegenteil,<br />

das Outcome fiel durch die Zunahme von<br />

symptomatischen intrazerebralen Blutungen<br />

schlechter <strong>aus</strong>. 5 Entsprechend sollte <strong>der</strong><br />

74


Zusammengestellt im Namen<br />

des Beirats „Schlaganfall“:<br />

Univ.-Prof. Dr. Univ.-Prof. Dr.<br />

Stefan Kiechl Johann Willeit<br />

Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck<br />

bisherige Standard, Thrombozytenfunktionshemmer<br />

frühestens 24 Stunden nach Thrombolyse<br />

zu verabreichen, beibehalten werden.<br />

Endovaskuläre Behandlung: Trotz des<br />

<strong>aus</strong>stehenden wissenschaftlichen Beweises<br />

von Nutzen und Sicherheit <strong>der</strong> endovaskulären<br />

Schlaganfalltherapie (Angiographie mit<br />

lokaler Thrombolyse und/o<strong>der</strong> mechanischer<br />

Thrombusentfernung) findet diese vielerorts<br />

breite Anwendung. Ein Grund hierfür ist sicherlich<br />

die Tatsache, dass beim Herzinfarkt<br />

die endovaskuläre Therapie längst die intravenöse<br />

Thrombolysetherapie als Therapie<br />

erster Wahl abgelöst hat und Ähnliches auch<br />

beim Schlaganfall erwartet wird.<br />

An <strong>der</strong> ISC wurden die ersten drei randomisierten,<br />

kontrollierten Vergleichsstudien zwischen<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Standardtherapie einer<br />

intravenösen Thrombolyse und endovaskulären<br />

Therapieverfahren vorgestellt. Stent-Retriever<br />

kamen in all diesen Studien nur in<br />

geringer Zahl zum Einsatz. In <strong>der</strong> IMS-III-<br />

Studie 6 (n = 656, 2006–2012) erzielte die<br />

Standardbehandlung mit intravenöser<br />

Thrombolyse (3-Stunden-Fenster) hinsichtlich<br />

des klinischen Outcomes nahezu idente Ergebnisse<br />

wie eine kombinierte intravenöse<br />

und intraarterielle Behandlung (Bridging),<br />

obwohl im kombinierten Therapiearm deutlich<br />

häufiger eine Rekanalisation erreicht<br />

werden konnte. Tendenziell hatte das<br />

Bridging bei jungen PatientInnen, schweren<br />

Schlaganfällen (NIHSS 20) und kurzem<br />

Zeitfenster leichte Vorteile.<br />

Diese Meilenstein-Studie belegt außerdem,<br />

dass die Rekanalisationsraten bei <strong>der</strong> intravenösen<br />

Thrombolyse höher sind als angenommen<br />

(distaler Karotisverschluss 35 %,<br />

M1-Verschluss 68 %) und dass Blutungsraten<br />

bei <strong>der</strong> Standardthrombolyse und bei <strong>der</strong><br />

kombinierten intravenösen und intraarteriellen<br />

Behandlung praktisch ident sind. In <strong>der</strong><br />

SYNTHESIS-Expansion-Studie 7 (n = 362)<br />

wurde innerhalb eines 4,5-Stunden-Fensters<br />

die intravenöse Standardthrombolyse gegen<br />

eine primär endovaskuläre Therapie (intraarterielle<br />

Thrombolyse, Thrombektomie, Stent-<br />

Retriever) verglichen. Die endovaskuläre Therapie<br />

war tendenziell unterlegen (nicht signifikant)<br />

speziell bei älteren PatientInnen<br />

> 67 Jahre. Offensichtlich konnte die höhere<br />

Effektivität <strong>der</strong> endovaskulären Therapie<br />

den Nachteil eines späteren Therapiebeginns<br />

nicht wettmachen.<br />

Die MR RESCUE-Studie 8 prüfte das MR-<br />

Mismatch-Konzept in einem 8-Stunden-Fenster<br />

und verglich eine endovaskuläre Therapie<br />

(mit o<strong>der</strong> ohne vorherige intravenöse Thrombolyse)<br />

gegen eine intravenöse Thrombolyse<br />

(30 % innerhalb von 4,5 Stunden) bzw.<br />

keiner rekanalisierenden Therapie (70 %<br />

> 4,5 Stunden). Die endovaskuläre Therapie<br />

war tendenziell unterlegen (nicht signifikant).<br />

Das MR-Diffusions-Perfusions-Mismatch-Konzept<br />

war nicht geeignet, PatientInnen zu<br />

erkennen, die auch nach 4,5 Stunden von<br />

einer Rekanalisierung profitieren.<br />

Aufgrund dieser Studienergebnisse wird die<br />

intravenöse Thrombolyse bis auf Weiteres die<br />

Therapie <strong>der</strong> ersten Wahl beim Schlaganfall<br />

bleiben. Endovaskuläre Therapien können in<br />

<strong>aus</strong>gewählten Fällen als Rescue bei nicht<br />

erfolgreicher intravenöser Thrombolyse zur<br />

Anwendung kommen sowie auch bei Kontraindikationen<br />

gegen die Standardtherapie<br />

(z. B. laufende OAK-Therapie). Kleinere Studien<br />

wie SWIFT 9 o<strong>der</strong> STARS (ISC 2013)<br />

haben gezeigt, dass in diesen Indikationen<br />

mittels Stent-Retriever durch<strong>aus</strong> gute Ergebnisse<br />

erzielt werden können. Zumindest 5<br />

weitere große Vergleichsstudien, in denen<br />

überwiegend die mo<strong>der</strong>nen Stent-Retriever<br />

zur Anwendung kommen, laufen <strong>der</strong>zeit<br />

(THRACE, PISTE, MR CLEAN, REVASCAT,<br />

SWIFT-PRIME).<br />

Hoffnungen liegen auch in <strong>der</strong> Anwendung<br />

neuer intravenöser Thrombolytika mit hoher<br />

Fibrinspezifität wie <strong>der</strong> Tenecteplase und<br />

Desmoteplase. Eine Phase-II-Studie zur<br />

Tenecteplase wurde kürzlich publiziert und<br />

zeigt vielversprechende Ergebnisse (signifikant<br />

besseres 3-Monats-Outcome im Vergleich<br />

zur Alteplase bei niedrigerem Blutungsrisiko).<br />

10 Entsprechend einer eigenen<br />

Studie sind etwa 40 % aller symptomatischen<br />

Blutungen nach intravenöser Thrombolyse<br />

auf die mangelnde Fibrinspezifität von Alteplase<br />

und <strong>der</strong> Entwicklung einer so genannten<br />

Fibrinogen-Depletionskoagulopathie zurückzuführen.<br />

11<br />

Sekundärprävention<br />

Thrombozytenfunktionshemmer: Mehrere<br />

große Studien haben klar belegt, dass eine<br />

duale Plättchenhemmung mit Clopidogrel<br />

und ASS in <strong>der</strong> Langzeitprävention nach<br />

Schlaganfall einer Monotherapie nicht überlegen<br />

ist und Blutungsraten deutlich zunehmen<br />

(CHARISMA, MATCH). Dies wurde rezent<br />

in <strong>der</strong> SPS3-Studie 12 auch für den lakunären<br />

Schlaganfall bestätigt.<br />

Die mögliche Überlegenheit einer dualen<br />

Plättchenhemmung in den ersten Monaten<br />

nach Schlaganfall, wie beim akuten Koronarsyndrom<br />

seit Langem Standard, wurde bislang<br />

nicht in großen Studien untersucht. Die<br />

chinesische CHANCE-Studie, die an <strong>der</strong> ISC<br />

2013 vorgestellt wurde, schließt nun diese<br />

Lücke. Bei über 5.000 PatientInnen mit TIA<br />

(ABCD 2 -Score 4) o<strong>der</strong> „minor stroke“<br />

(NIHSS 3) wurde eine 3-monatige duale<br />

Plättchenhemmung (ASS und Clopidogrel)<br />

versus ASS (Therapiebeginn innerhalb von 24<br />

Stunden nach dem Ereignis) verglichen. Der<br />

Endpunkt ischämischer Schlaganfälle wurde<br />

mit <strong>der</strong> dualen Therapie signifikant gesenkt<br />

(7,9 % vs. 11,4 %, p < 0,0001), ohne dass<br />

es zu einer relevanten Zunahme von Blutungen<br />

kam.<br />

Die vielerorts gängige Praxis, die Thrombozytenfunktion<br />

unter laufen<strong>der</strong> ASS- o<strong>der</strong><br />

Clopidogrel- Therapie zu testen und bei einer<br />

so genannten ASS- o<strong>der</strong> Clopidogrel-Resistenz<br />

Dosisanpassungen o<strong>der</strong> Umstellungen<br />

durchzuführen, hat bislang keine fundierte<br />

wissenschaftliche Basis. In drei rezenten<br />

Studien führte ein <strong>der</strong>artiges Vorgehen nach<br />

Schlaganfall bzw. vor koronarer Stentanlage<br />

(GRAVITAS, ARTIC) zu tendenziell 13, 14 u<br />

75


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Schlaganfall<br />

bzw. sogar signifikant 15 schlechteren Ergebnissen.<br />

Entsprechend sollten nach <strong>der</strong>zeitigem<br />

Wissen keine Therapieentscheidungen<br />

<strong>aus</strong> Ergebnissen von Ex-vivo-Testungen <strong>der</strong><br />

Plättchenhemmung abgeleitet werden. Vor<br />

Kurzem wurden Tests für die In-vivo-Plättchenfunktion<br />

entwickelt. 16 Ob diese für klinische<br />

Entscheidungsfindungen hilfreich sind,<br />

muss erst in Studien untersucht werden.<br />

Orale Antikoagulation bei Vorhofflimmern:<br />

Versorgungsdaten <strong>aus</strong> Deutschland,<br />

Europa und den USA sowie Kanada belegen,<br />

dass bei PatientInnen mit Vorhofflimmern<br />

(VHF) eine Unterversorgung mit einer Antikoagulationstherapie<br />

mit Vitamin-K-Antagonisten<br />

(VKA) besteht. Ebenso ist die Güte<br />

<strong>der</strong> Therapie mit VKA in vielen Fällen unzureichend<br />

(INR-Werte meistens außerhalb des<br />

Zielbereichs von 2,0–3,0). Mittlerweile sind<br />

drei so genannte neue Antikoagulantien<br />

(Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban) in Österreich<br />

in <strong>der</strong> Indikation <strong>der</strong> Schlaganfallprophylaxe<br />

beim VHF zugelassen. Die neuen<br />

oralen Antikoagulantien (NOAK) sind in <strong>der</strong><br />

Handhabung für die PatientInnen wesentlich<br />

einfacher als die herkömmliche orale Antikoagulation<br />

mit VKA.<br />

Alle Interventionsstudien haben gezeigt, dass<br />

die NOAK zumindest gleichwertig mit den<br />

VKA und in vielerlei Hinsicht sogar überlegen<br />

sind. Dabigatran 2-mal 150 mg führte zu<br />

einer statistisch hochsignifikanten Überlegenheit<br />

gegenüber VKA (HR 0,65; 95%-KI:<br />

0,52−0,81; p < 0,0001). Dies bedeutet eine<br />

relative Reduktion des Schlaganfallrisikos um<br />

35 % und eine absolute Risikoreduktion von<br />

0,6 % pro Jahr. Auch Rivaroxaban ist einer<br />

VKA-Therapie überlegen (relative Risikoreduktion<br />

von 21 %). Dabigatran ist in Hinblick<br />

auf die Verhin<strong>der</strong>ung von ischämischen<br />

Schlaganfällen den VKA überlegen. Unter<br />

Apixaban wurde im Vergleich zu Warfarin<br />

auch eine Senkung <strong>der</strong> Gesamtmortalität<br />

dokumentiert. Darüber hin<strong>aus</strong> wurden intrakranielle<br />

Blutungen und tödliche Blutungen<br />

hochsignifikant für alle NOAK reduziert.<br />

Apixaban senkt als einziges NOAK das gesamte<br />

Blutungsrisiko gegenüber VKA effektiv.<br />

Nachteilig für die NOAK ist das Fehlen<br />

eines spezifischen Antidots. Für Dabigatran<br />

wird <strong>der</strong>zeit ein monoklonaler Antikörper<br />

entwickelt. Bei <strong>der</strong> Anwendung von NOAK<br />

und dem Vorgehen in Notfallsituationen sind<br />

die entsprechenden Sicherheitshinweise zu<br />

beachten.<br />

Beim AHA-Kongress 2012 wurden erste<br />

Langzeitdaten zu Dabigatran vorgestellt (kontrollierte<br />

Studiendaten über ein mittleres<br />

Follow-up von 4,3 Jahren – RE-LY-ABLE ® -<br />

Studie mit fast 6.000 PatientInnen). Diese<br />

Untersuchungen zeigen die konstant gute<br />

Effektivität und Sicherheit des Medikaments.<br />

Außerdem wurde von <strong>der</strong> FDA im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Auswertung von großen Datenbanken<br />

von Krankenversicherungen in den USA mit<br />

mehreren 100.000 Patientenjahren festgestellt,<br />

dass es unter Dabigatran zu deutlich<br />

weniger Schlaganfällen und schwerwiegenden<br />

Blutungskomplikationen kommt als<br />

unter Warfarin. In den USA erhalten 90 %<br />

<strong>der</strong> PatientInnen die hohe Dosis von 2-mal<br />

150 mg Dabigatran.<br />

VHF-Screening: Die Häufigkeit von kardioembolischen<br />

Schlaganfällen bedingt durch<br />

VHF wird unterschätzt, da das VHF initial oft<br />

paroxysmal auftritt und so einer Detektion<br />

entgehen kann. An <strong>der</strong> ISC 2013 wurde eine<br />

erste randomisierte, kontrollierte Studie (EM-<br />

BRACE) zum Nachweis von paroxysmalem<br />

VHF bei 572 PatientInnen mit kryptogenem<br />

Schlaganfall o<strong>der</strong> TIA ohne fassbare Ursache<br />

(Alter 55 Jahre) vorgestellt. Es wurde ein<br />

30-tägiges kontinuierliches EKG-Monitoring<br />

mittels extern appliziertem Loop-Recor<strong>der</strong> mit<br />

mehrfachem 24-Stunden-EKG (<strong>der</strong>zeitiges<br />

Standardvorgehen) verglichen. Das kontinuierliche<br />

Monitoring war signifikant überlegen<br />

(p < 0,001) und konnte bei nicht weniger<br />

als 16 % aller PatientInnen bislang noch nicht<br />

bekanntes VHF (Episoden > 30 Sekunden)<br />

detektieren, während dies bei Holter-EKG nur<br />

bei 4 % <strong>der</strong> Fall war. Bei PatientInnen, die<br />

innerhalb von 2 Monaten nach Schlaganfall/<br />

TIA abgeleitet wurden, war die Ausbeute mit<br />

20 % noch höher („number needed to<br />

screen“ = 5). Bei etwa drei Viertel <strong>der</strong> PatientInnen<br />

mit neu diagnostiziertem VHF<br />

wurde eine Antikoagulation eingeleitet. Auf<br />

Basis dieser eindrucksvollen Zahlen sollten<br />

kontinuierliche und langfristige EKG-Ableitungen<br />

beim kryptogenen Schlaganfall <strong>der</strong><br />

neue diagnostische Standard werden. Die<br />

Studie wird demnächst im NEJM publiziert<br />

werden.<br />

PFO: Ende 2012 wurden zwei weitere Studien<br />

zum PFO-Verschluss bei PatientInnen<br />

mit kryptogenem Schlaganfall und PFO vorgestellt<br />

(RESPECT und PC), die – wie auch<br />

die bereits veröffentlichte CLOSURE-I-Studie<br />

– keine Überlegenheit des Schirmchenverschlusses<br />

gegenüber einer medikamentösen<br />

Therapie zeigten. RESPECT (n = 980) und PC<br />

(n = 414) zeichnen sich durch eine sehr<br />

sorgfältige Patientenselektion <strong>aus</strong>. Mittels<br />

einer <strong>aus</strong>führlichen Diagnostik, die dem<br />

Standard an Österreichs Stroke Units entspricht,<br />

wurde versucht, eine paradoxe Embolie<br />

als Schlaganfallursache wahrscheinlich<br />

zu machen respektive an<strong>der</strong>e Ursachen <strong>aus</strong>zuschließen.<br />

Alle drei Studien belegen, dass das Risiko<br />

für Rezidivereignisse in diesem Patientenkollektiv<br />

insgesamt viel niedriger ist als<br />

angenommen und bei neuerlichen Schlaganfällen<br />

dann oft doch eine eindeutige<br />

an<strong>der</strong>e Ursache wie etwa ein paroxysmales<br />

VHF gefunden wird. Das Risiko von Rezidivschlaganfällen<br />

auf Basis von paradoxen<br />

Embolien liegt im medikamentösen Arm<br />

von RESPECT deutlich unter 1 %. Offen ist<br />

das Langzeitrisiko <strong>der</strong> Verschluss-Devices.<br />

In CLOSURE I ergaben sich Hinweise für<br />

erhöhte Raten von VHF nach Device-Implantation.<br />

17 Für die 2 neuen Studien liegen<br />

entsprechende Daten und auch die detaillierten<br />

Komplikationsraten des Eingriffes<br />

noch nicht vor. Offen ist auch, ob es gelingt,<br />

in dem großen Datenpool <strong>der</strong> drei Studien<br />

Subgruppen zu identifizieren, die von einem<br />

Verschluss profitieren. Insgesamt sollten<br />

aufgrund <strong>der</strong> aktuellen Datenlage SchlaganfallpatientInnen<br />

mit kryptogenem Schlaganfall<br />

und PFO nicht bzw. nur <strong>aus</strong>nahmsweise<br />

in begründeten Einzelfällen einem<br />

PFO-Verschluss zugeführt werden.<br />

Cholesterin und Co: Zweifelsfrei sollte je<strong>der</strong>/<br />

jede SchlaganfallpatientIn bei Nachweis von<br />

Arteriosklerose dauerhaft mit Lipidsenkern<br />

behandelt werden. Rezent wurde in Analogie<br />

zum Herzinfarkt <strong>der</strong> LDL-Zielwert für diese<br />

präventive Maßnahme von 100 mg/dl auf 70<br />

mg/dl gesenkt und damit <strong>der</strong> Tatsache Rech-<br />

76


nung getragen, dass SchlaganfallpatientInnen<br />

HochrisikopatientInnen für weitere Gefäßerkrankungen<br />

sind. 18<br />

Eine spannende neue Entwicklung stellen die<br />

Hemmer <strong>der</strong> PCSK9 dar. Es handelt sich hierbei<br />

um eine Konvertase, die den Turn-over von<br />

LDL-Rezeptoren an Leberzellen und damit den<br />

LDL-Spiegel im Blut steuert. Bis zu 3 % <strong>der</strong><br />

Normalbevölkerung haben Mutationen in<br />

PCSK9-Gen und als Folge niedrige LDL-Spiegel<br />

und ein niedriges kardiovaskuläres Risiko. Am<br />

AHA-Kongress 2012 wurden drei Phase-II-<br />

Studien zu Hemmern <strong>der</strong> PCSK9 (s. c. Injektion<br />

von monoklonalen Antikörpern) vorgestellt,<br />

die alle eine sehr hohe Effizienz bei akzeptablem<br />

Sicherheitsprofil zeigten. Bei einzelnen<br />

PatientInnen wurden Myalgien und CK-Erhöhungen<br />

beobachtet. Das Ausmaß <strong>der</strong> LDL-<br />

Senkung übertrifft jenes von hoch potenten<br />

Statinen. Phase-III-Studien sind in Vorbereitung.<br />

Demnächst werden die ersten Lipidomanalysen<br />

bei kardiovaskulären Erkrankungen verfügbar<br />

werden und etliche neue, präventive Ansätze<br />

jenseits <strong>der</strong> Cholesterinsenkung aufzeigen. •<br />

1 Hofer C, Kiechl S, Lang W, The Austrian Stroke Unit<br />

Registry), Wien Med Wochenschr 2008; 158:411–7<br />

2 Positionspapier: Akuttherapie und Sekundärprävention<br />

des Schlaganfalls. Österreichische <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Schlaganfallforschung. Neurologisch 2009; (Supp 1-47)<br />

3 Meretoja A et al., Stroke monitoring on a national<br />

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4 San<strong>der</strong>cock P et al., IST-3 collaborative group, The<br />

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379:2352–63<br />

5 Zinkstok SM, Roos YB, ARTIS investigators, Early<br />

administration of aspirin in patients treated with<br />

alteplase for acute ischaemic stroke: a randomised<br />

controlled trial. Lancet 2012; 380:731–7<br />

6 Bro<strong>der</strong>ick JP et al., the Interventional Management<br />

of Stroke (IMS) III Investigators, Endovascular Therapy<br />

after Intravenous t-PA versus t-PA Alone for Stroke.<br />

NEJM 2013 Feb 7<br />

7 Ciccone A et al., the SYNTHESIS Expansion<br />

Investigators, Endovascular Treatment for Acute<br />

Ischemic Stroke. NEJM 2013 Feb 6<br />

8 Kidwell CS et al., the MR RESCUE Investigators, A Trial<br />

of Imaging Selection and Endovascular Treatment for<br />

Ischemic Stroke. NEJM 2013 Feb 8<br />

9 Saver JL et al., SWIFT Trialists, Solitaire flow<br />

restoration device versus the Merci Retriever in patients<br />

with acute ischaemic stroke (SWIFT): a randomised,<br />

parallel-group, non-inferiority trial. Lancet 2012;<br />

380:1241–9<br />

10 Parsons M et al., A randomized trial of tenecteplase<br />

versus alteplase for acute ischemic stroke. NEJM 2012;<br />

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11 Matosevic B et al., Early fibrinogen degradation coagulopathy<br />

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80:1216–24<br />

12 Benavente OR et al., SPS3 Investigators, Effects of<br />

clopidogrel added to aspirin in patients with recent<br />

lacunar stroke. NEJM 2012; 367:817–25<br />

13 Price MJ et al., Platelet reactivity and cardiovascular<br />

outcomes after percutaneous coronary intervention:<br />

a time-dependent analysis of the Gauging Responsiveness<br />

with a VerifyNow P2Y12 assay: Impact on<br />

Thrombosis and Safety (GRAVITAS) trial. Circulation<br />

2011; 124:1132–7<br />

14 Collet JP et al., ARCTIC Investigators, Bedside<br />

monitoring to adjust antiplatelet therapy for coronary<br />

stenting. NEJM 2012; 367:2100–9<br />

15 Depta JP et al., Clinical outcomes using a platelet<br />

function-guided approach for secondary prevention<br />

in patients with ischemic stroke or transient ischemic<br />

attack. Stroke 2012; 43:2376–81<br />

16 Willeit P et al., Circulating MicroRNAs as Novel Biomarkers<br />

for Platelet Activation. Circ Res 2013; 112:595–600<br />

17 Furlan AJ et al., CLOSURE I Investigators. Study design<br />

of the CLOSURE I Trial: a prospective, multicenter,<br />

randomized, controlled trial to evaluate the safety and<br />

efficacy of the STARFlex septal closure system versus<br />

best medical therapy in patients with stroke or<br />

transient ischemic attack due to presumed paradoxical<br />

embolism through a patent foramen ovale.<br />

Stroke 2010; 41:2872–83<br />

18 Furie KL et al., American Heart Association Stroke<br />

Council, Council on Cardiovascular Nursing, Council<br />

on Clinical Cardiology, and Interdisciplinary Council<br />

on Quality of Care and Outcomes Research, Guidelines<br />

for the prevention of stroke in patients with stroke or<br />

transient ischemic attack: a guideline for healthcare<br />

professionals from the American Heart Association/<br />

American Stroke Association. Stroke 2011; 42:227–76<br />

77


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Multiple Sklerose<br />

Multiple Sklerose<br />

Medikamentöse Behandlung<br />

in <strong>der</strong> Schwangerschaft – ein No-Go?<br />

Prinzipiell sind sämtliche immunmodulierende bzw. immunsuppressive Medikamente in <strong>der</strong> Schwangerschaft<br />

nicht zugelassen und es wird empfohlen, diese Therapien elektiv vor einer geplanten Konzeption abzusetzen. Die<br />

potenzielle Gefahr von Therapien in <strong>der</strong> Schwangerschaft spiegeln am besten die Schwangerschaftskategorien<br />

<strong>der</strong> FDA wi<strong>der</strong> (Tab.) 1 . Therapeutika für Multiple Sklerose liegen größtenteils in den Kategorien C und D, nur<br />

Glatiramerazetat wird <strong>der</strong> Kategorie B zugeordnet.<br />

IInterferon- (IFN-) ist gemäß den Schwangerschaftskategorien<br />

<strong>der</strong> FDA <strong>der</strong> Kategorie<br />

C zugeordnet, da in Tierstudien mit Affen<br />

mit <strong>der</strong> 2- bis 10-fachen vergleichbaren<br />

humanen Dosis erhöhte Abortraten festgestellt<br />

wurden. Vergleichbare Ergebnisse<br />

konnten auch in kleineren humanen Kohorten<br />

2 beobachtet werden. Im<br />

Gegensatz dazu waren in<br />

großen Kohorten mit 329<br />

Patientinnen 3 bzw. 1.022 Patientinnen<br />

4 keine erhöhten<br />

Raten an Fehlgeburten festzustellen.<br />

Ob IFN- auf das<br />

Geburtsgewicht einen Einfluss<br />

hat, wird <strong>der</strong>zeit kontrovers<br />

diskutiert. Einige Studien<br />

zeigten ein reduziertes<br />

Geburtsgewicht 5, 6 , an<strong>der</strong>e<br />

ein normales Gewicht 7, 8 .<br />

Auch gibt es wenige Daten<br />

zu Patientinnen, welche IFN-<br />

durch die gesamte Schwangerschaft<br />

ohne Hinweise auf<br />

erhöhte Raten von Aborten<br />

o<strong>der</strong> Malformationen gespritzt<br />

haben 8 . Einschränkend<br />

muss hinzugefügt werden,<br />

dass die eben angeführten<br />

Daten hauptsächlich für IFN-<br />

-1a intramuskulär und subkutan<br />

gelten, da es für IFN-<br />

-1b keine vergleichbaren<br />

publizierten Kohorten gibt.<br />

Glatiramerazetat ist die einzige<br />

Substanz <strong>der</strong> Kategorie<br />

B. Dies ist unter an<strong>der</strong>em auf Tierstudien mit<br />

Ratten und Kaninchen bis zur 36-fachen<br />

Dosis im Vergleich zur humanen Verabreichung<br />

zurückzuführen. Auch in klinischen<br />

Kohorten konnten keine erhöhten Abortraten<br />

o<strong>der</strong> Hinweise für vermehrte Malformationen<br />

festgestellt werden 9 . Weiters konnte<br />

bei wenigen Patientinnen mit Glatiramerazetat<br />

während <strong>der</strong> gesamten Schwangerschaft<br />

keine erhöhte Komplikationsrate nachgewiesen<br />

werden 8, 10, 11 .<br />

Die bisherigen Studiendaten fokussieren den<br />

Einfluss von MS-Therapeutika auf die Mutter.<br />

Hellwig et al. 7 untersuchten hingegen 32<br />

Väter mit 46 Schwangerschaften,<br />

vor allem therapiert mit<br />

IFN- und Glatiramerazetat.<br />

Dabei konnten keine vermehrten<br />

Spontanaborte und Malformationen,<br />

bis auf möglicherweise<br />

familiär bedingte Hüftdysplasien,<br />

detektiert werden.<br />

Bezüglich Geburtsgewicht und<br />

Geburtslänge bestanden keine<br />

signifikanten Unterschiede zu<br />

einer gesunden Kontrollgruppe.<br />

Natalizumab zeigte in präklinischen<br />

Studien eine vermin<strong>der</strong>te<br />

Überlebensrate <strong>der</strong> Nachkommen<br />

bei Meerschweinchen und<br />

hämatologische Nebenwirkungen<br />

auf den Fötus bei Affen.<br />

Teratogene Effekte konnten im<br />

Tiermodell nicht nachgewiesen<br />

werden. Es gibt <strong>der</strong>zeit etwa 40<br />

publizierte Fälle mit Natalizumab<br />

in <strong>der</strong> Schwangerschaft sowie<br />

375 Patientinnen in einem prospektiven<br />

Schwangerschaftsregister.<br />

Hellwig et al. 12 publizierten<br />

35 Schwangerschaften unter<br />

Natalizumab und verglichen<br />

diese Population mit 23 Patien-<br />

Foto: Fotowerk - Fotolia.com<br />

80


Zusammengestellt für den Beirat „Multiple Sklerose“:<br />

OA Dr. Michael Guger<br />

Abteilung für Neurologie, AKH Linz<br />

Tab.: Schwangerschaftskategorien <strong>der</strong> FDA<br />

FDA-Schwangerschaftskategorien<br />

B<br />

C<br />

D<br />

X<br />

Beschreibung<br />

Tierstudien haben keinen Schaden<br />

für den Fötus gezeigt, adäquate und<br />

gut kontrollierte Studien mit schwangeren<br />

Frauen liegen jedoch nicht vor<br />

o<strong>der</strong><br />

Tierstudien haben unerwünschte<br />

Wirkungen gezeigt, aber in adäquaten<br />

und gut kontrollierten Studien<br />

mit schwangeren Frauen wurde in<br />

keinem Trimenon ein Risiko für den<br />

Fötus gefunden.<br />

Tierstudien haben unerwünschte<br />

Wirkungen gezeigt, und mit<br />

schwangeren Frauen liegen keine<br />

adäquaten und gut kontrollierten<br />

Studien vor<br />

o<strong>der</strong><br />

es wurden keine Tierstudien durchgeführt,<br />

und mit schwangeren Frauen<br />

liegen keine adäquaten und gut<br />

kontrollierten Studien vor.<br />

Adäquate, gut kontrollierte o<strong>der</strong><br />

Beobachtungsstudien mit schwangeren<br />

Frauen haben ein Risiko für den<br />

Fötus gezeigt, aber <strong>der</strong> Nutzen <strong>der</strong><br />

Therapie könnte das potenzielle Risiko<br />

überwiegen; beispielsweise kann das<br />

Medikament akzeptierbar sein, wenn<br />

in lebensbedrohlichen Situationen<br />

o<strong>der</strong> bei schweren Krankheiten sicherere<br />

Medikamente nicht zur Verfügung<br />

stehen o<strong>der</strong> nicht eingesetzt<br />

werden können.<br />

Aus adäquaten, gut kontrollierten<br />

o<strong>der</strong> Beobachtungsstudien mit Tieren<br />

o<strong>der</strong> schwangeren Frauen liegt<br />

Evidenz für embryonale Missbildungen<br />

und Risiken vor. Der Einsatz des<br />

Präparats ist bei Frauen, die schwanger<br />

sind o<strong>der</strong> schwanger werden<br />

könnten, kontraindiziert.<br />

Medikament<br />

Glatiramerazetat<br />

IFN-, Natalizumab,<br />

Fingolimod, Prednisolon,<br />

Dexamethason; IVIG,<br />

Zyklosporin A<br />

Zyklophosphamid,<br />

Azathioprin,<br />

Mitoxantron<br />

Methotrexat<br />

Quelle: Borisow N et al., EPMA J 2012; 22;3(1):9 1<br />

tinnen ohne Immunmodulation. Dabei konnten<br />

keine signifikanten Unterschiede in Bezug<br />

auf Geburtsgewicht und -länge detektiert<br />

werden. Erfreulicherweise war keine erhöhte<br />

Schubrate bzw. kein Rebound-Phänomen<br />

nach dem Absetzen in <strong>der</strong> Schwangerschaft<br />

o<strong>der</strong> postpartal festzustellen. Auch in dem<br />

bereits erwähnten Schwangerschaftsregister<br />

(TPER) waren keine Hinweise auf eine erhöhte<br />

Spontanabortrate o<strong>der</strong> Teratogenität zu<br />

finden. Aus diesem Grund wurde Natalizumab<br />

in Kategorie C eingestuft.<br />

Fingolimod zeigte in Tierstudien teratogene<br />

Effekte und eine erhöhte Letalität <strong>der</strong> Embryonen<br />

bei Ratten und Kaninchen, weswegen<br />

diese Substanz von <strong>der</strong> FDA ebenso in Kategorie<br />

C eingeordnet wurde. In nicht publizierten<br />

Daten, bestehend <strong>aus</strong> den klinischen<br />

Studien und Post-Marketing-Erfahrungen,<br />

war kein eindeutiger Hinweis auf eine erhöhte<br />

Rate an Fehlgeburten o<strong>der</strong> teratogene<br />

Effekte zu finden. Diesbezüglich sind prospektive<br />

Daten <strong>aus</strong> dem Fingolimod-Schwangerschaftsregister<br />

abzuwarten.<br />

Immunglobuline sind ebenfalls <strong>der</strong> Kategorie<br />

C zugeordnet, obwohl präklinische und<br />

klinische Studien bis dato keine Teratogenität<br />

zeigten. In einer retrospektiven Analyse von<br />

Achiron et al. 13 konnte einerseits eine reduzierte<br />

Schubrate in <strong>der</strong> Schwangerschaft und<br />

postpartal gezeigt werden, an<strong>der</strong>erseits<br />

waren, wie bereits erwähnt, keine schwangerschaftsbezogenen<br />

Nebenwirkungen festzustellen.<br />

Kortison: In Bezug auf eine Schubtherapie<br />

mit hoch dosiertem Kortison in <strong>der</strong> Schwangerschaft<br />

scheint nach dem 1. Trimester<br />

keine erhöhte Nebenwirkungsrate vorzuliegen.<br />

Im 1. Trimester wird vor allem von<br />

vermehrten oralen Spaltbildungen, Spontanaborten,<br />

Frühgeburten und reduziertem<br />

Geburtsgewicht berichtet. Beim Stillen ist u<br />

81


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Multiple Sklerose<br />

auf eine <strong>aus</strong>reichende P<strong>aus</strong>e zwischen <strong>der</strong><br />

Applikation von Kortison und dem Stillen zu<br />

achten: Etwa 4 Stunden nach <strong>der</strong> Gabe von<br />

niedrigen und mittleren Dosen und 24–48<br />

Stunden nach einer intravenösen Hochdosisgabe<br />

sollten eingehalten werden. Prednisolon<br />

und Methylprednisolon sind im Gegensatz<br />

zu Dexamethason zu favorisieren, da diese<br />

Substanzen mittels 11--Hydroxysteroid-<br />

Dehydrogenase zu inaktiven Metaboliten in<br />

<strong>der</strong> Plazenta metabolisiert werden.<br />

Teriflunomid, BG-12, Laquinimod: Wenn<br />

man einen Blick in die nahe Zukunft wirft,<br />

sieht man 3 orale Präparate, die 2013 die<br />

Zulassung in Europa anstreben. Teriflunomid<br />

ist bereits von <strong>der</strong> FDA in <strong>der</strong> Basistherapie<br />

zugelassen. Es konnten hier bei Ratten und<br />

Kaninchen teratogene und embryoletale Eigenschaften<br />

nachgewiesen werden, weswegen<br />

diese Substanz bereits in Kategorie X<br />

eingeordnet wurde. Aus diesem Grund ist<br />

eine Schwangerschaft unter Teriflunomid<br />

unbedingt zu vermeiden und damit eine<br />

entsprechende Antikonzeption zu betreiben.<br />

BG-12 hingegen war in präklinischen Studien<br />

nicht teratogen und zeigte auch in klinischen<br />

Studien bis dato keine erhöhte Rate<br />

an Spontanaborten o<strong>der</strong> Fehlbildungen. Bei<br />

Laquinimod waren in verschiedenen Tiermodellen<br />

vermehrte Fehlgeburten (Kaninchen<br />

und Affen) und urogenitale Malformationen<br />

(Ratten) festzustellen. Für beide letztgenannten<br />

Substanzen gibt es noch keine Einstufung<br />

bezüglich <strong>der</strong> FDA-Schwangerschaftskategorien.<br />

Erhöhte Schubrate: Ein viel beklagtes Problem<br />

ist die erhöhte Schubrate im ersten<br />

Trimenon nach <strong>der</strong> Geburt. Es gibt nun<br />

mehrere Ansätze, um diese durch entsprechende<br />

Maßnahmen positiv beeinflussen zu<br />

können. Im Vor<strong>der</strong>grund steht sicherlich die<br />

Immunglobulingabe mit dem Vorteil <strong>der</strong><br />

Möglichkeit des Stillens. Dabei konnte in<br />

mehreren Studien eine verbesserte Schubrate<br />

nachgewiesen werden 13–15 . Eine weitere<br />

Möglichkeit stellt <strong>der</strong> rasche Wie<strong>der</strong>beginn<br />

<strong>der</strong> vorher verwendeten immunmodulativen<br />

Therapie nach <strong>der</strong> Geburt dar. Der Nachteil<br />

hier ist, dass Stillen prinzipiell bei Einnahme<br />

dieser MS-Therapeutika nicht empfohlen<br />

wird. Die monatliche intravenöse Kortisongabe<br />

konnte in einer Arbeit von de Seze et<br />

al. 16 ebenso eine Verbesserung <strong>der</strong> Schubrate<br />

postpartal zeigen. Auch hier gelten die<br />

bereits angeführten Einschränkungen beim<br />

Stillen. Ob die Imitierung <strong>der</strong> Schwangerschaft<br />

mit Progestin und Östradiol auch<br />

postpartal einen Benefit bewirkt, wird <strong>der</strong>zeit<br />

noch im Rahmen <strong>der</strong> POPARTMUS-Studie<br />

untersucht.<br />

Empfehlungen<br />

Zusammenfassend können nun folgende<br />

Empfehlungen für Frauen mit Schwangerschaftswunsch<br />

gegeben werden 17 . Zu Beginn<br />

sollte unbedingt eine entsprechende Information<br />

und Beratung erfolgen. Bei erschwerter<br />

Konzeption wäre eine rasche Vorstellung<br />

bei einem Spezialisten/einer Spezialistin für<br />

Kin<strong>der</strong>wunsch anzustreben, um die Zeitspanne<br />

zwischen Absetzen einer Therapie und<br />

erfolgreicher Konzeption möglichst kurz zu<br />

gestalten. IFN- und Glatiramerazetat sollten<br />

1 Monat, Natalizumab, Fingolimod und Mitoxantron<br />

2–3 Monate vor einer Schwangerschaft<br />

abgesetzt werden. Falls eine Patientin<br />

die Therapiefortsetzung aufgrund des Krankheitsverlaufes<br />

wünscht, sollten Fingolimod<br />

und Mitoxantron vermieden und Interferon-<br />

-1a subkutan o<strong>der</strong> intramuskulär gegenüber<br />

Interferon--1b bevorzugt werden. Natalizumab<br />

wird nur empfohlen, wenn <strong>der</strong><br />

Nutzen dieser Therapie das potenzielle Risiko<br />

für den Fötus überwiegt.<br />

Wenn eine MS-Patientin unerwartet schwanger<br />

wird, sollten sämtliche immunmodulierende<br />

und immunsuppressive Substanzen<br />

abgesetzt werden, insbeson<strong>der</strong>e gilt dies für<br />

Fingolimod und Mitoxantron. Falls eine Exposition<br />

mit Hochrisikomedikamenten im 1.<br />

Trimester vorliegt, wird die Vorstellung beim/<br />

bei <strong>der</strong> PränatalmedizinerIn empfohlen.<br />

Für stillende Mütter gilt es bezüglich einer<br />

Therapie mit IFN-, Glatiramerazetat und<br />

Natalizumab eine entsprechende Risiko-<br />

Nutzen-Abwägung durchzuführen. Fingolimod<br />

und Mitoxantron sollten hingegen<br />

vermieden werden. Immunglobuline gelten<br />

in <strong>der</strong> Stillzeit als sicher, bei intravenösem<br />

Kortison ist auf eine entsprechende Washout-Phase<br />

von 24–48 Stunden zu achten.<br />

Stillen ist nach Gadoliniumgabe im Rahmen<br />

einer Magnetresonanztomographie nach<br />

neuesten Studienerkenntnissen sicher, <strong>aus</strong><br />

diesem Grund ist keine Wash-out-Periode<br />

einzuhalten. <br />

•<br />

1 Borisow N et al., Expert recommendations to<br />

personalization of medical approaches in treatment of<br />

multiple sclerosis: an overview of family planning and<br />

pregnancy. EPMA J 2012; 3(1):9, DOI: 10.1186/1878-<br />

5085-3-9.<br />

2 Boskovic R et al., The reproductive effects of beta interferon<br />

therapy in pregnancy: a longitudinal cohort.<br />

Neurology 2005; 65:807–11<br />

3 Richman S et al., Pregnancy outcomes from the<br />

Avonex (interferon beta-1a) pregnancy exposure<br />

registry. Neurology 2012; 78:P06.191<br />

4 Sandberg-Wollheim M et al., Pregnancy outcomes in<br />

multiple sclerosis following subcutaneous interferon<br />

beta-1a therapy. Mult Scler 2011; 17:423–30<br />

5 Weber-Schoendorfer C, Schaefer C, Multiple sclerosis,<br />

immunomodulators, and pregnancy outcome: a prospective<br />

observational study. Mult Scler 2009;<br />

15:1037–42<br />

6 Amato MP et al., Pregnancy and fetal outcomes after<br />

interferon-beta exposure in multiple sclerosis.<br />

Neuro logy 2010; 75:1794–802<br />

7 Hellwig K, Haghikia A, Gold R, Parenthood and<br />

immunomodulation in patients with multiple sclerosis.<br />

J Neurol 2010; 257:580–3<br />

8 Hellwig K, Gold R, Glatiramer acetate and interferonbeta<br />

throughout gestation and postpartum in women<br />

with multiple sclerosis. J Neurol 2011; 258:502–3<br />

9 Coyle P, Johnson K, Pardo L, Pregnancy outcomes in<br />

patients with multiple sclerosis treated with glatiramer<br />

acetate (Copaxone). 19th ECTRIMS, Milan 2003<br />

10 Fragoso YD et al., Long-term use of glatiramer acetate<br />

by 11 pregnant women with multiple sclerosis: a retrospective,<br />

multicentre case series. CNS Drugs 2010;<br />

24:969–76<br />

11 Salminen HJ, Leggett H, Boggild M, Glatiramer acetate<br />

exposure in pregnancy: preliminary safety and birth<br />

outcomes. J Neurol 2010; 257:2020–3<br />

12 Hellwig K, Haghikia A, Gold R, Pregnancy and natalizumab:<br />

results of an observational study in 35 accidental<br />

pregnancies during natalizumab treatment. Mult<br />

Scler 2011; 17:958–63<br />

13 Achiron A et al., Effect of intravenous immunoglobulin<br />

treatment on pregnancy and postpartum-related<br />

relapses in multiple sclerosis. J Neurol 2004;<br />

251:1133–7<br />

14 Haas J, Hommes OR, A dose comparison study of IVIG<br />

in postpartum relapsing-remitting multiple sclerosis.<br />

Mult Scler 2007; 13:900–8<br />

15 Hellwig K et al., Immunomodulation and postpartum<br />

relapses in patients with multiple sclerosis. Ther Adv<br />

Neurol Disord 2009; 2:7–11<br />

16 de Seze J et al., Intravenous corticosteroids in the postpartum<br />

period for reduction of acute exacerbations in<br />

multiple sclerosis. Mult Scler 2004; 10:596–7<br />

17 Houtchens MK, Kolb CM, Multiple sclerosis and<br />

pregnancy: therapeutic consi<strong>der</strong>ations.<br />

J Neurol 2012 Aug 25 [Epub ahead of print]<br />

82


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Demenz<br />

Die Gedächtnisstörung älterer Menschen –<br />

ein diagnostischer Leitfaden<br />

Gedächtnisstörungen (GS) sind häufige Defizite älterer Personen. Diagnostisch ist zwischen einer objektiven<br />

GS und dem „subjective memory impairment“ (SMI) zu unterscheiden. Hauptursachen für die echte GS des<br />

Alters sind Demenzen und Demenzvorstadien sowie an<strong>der</strong>e neurologische und internistische Erkrankungen. Die<br />

Altersdepression ist eine weitere häufige Ursache. Die Abklärung <strong>der</strong> GS umfasst die Eigen- und Fremdanamnese<br />

und einen neuropsychologischen Befund. Ist die GS neuropsychologisch objektiviert, sind zerebrale Bildgebung<br />

und spezielle Laboruntersuchungen angezeigt.<br />

DDie Gedächtnisstörung (GS) ist ein typisches<br />

Problem älterer Menschen. Klagen über<br />

schlechtes Gedächtnis werden häufig nicht<br />

nur in <strong>der</strong> Gedächtnissprechstunde, son<strong>der</strong>n<br />

auch in <strong>der</strong> Facharztpraxis und im nichtmedizinischen<br />

Kontext geäußert. Eine neu aufgetretene<br />

episodische GS wird in allen Kriterien<br />

als Kernsymptom <strong>der</strong> Alzheimer-Erkrankung<br />

(AE) gewertet, tritt aber auch bei<br />

zahlreichen nichtdemenziellen Erkrankungen<br />

in Erscheinung. Somit stellt sich die Frage,<br />

welche Bedeutung das Symptom GS bei älteren<br />

Personen hat: Ist es ein Anzeichen für<br />

eine beginnende Demenz, durch an<strong>der</strong>e<br />

Erkrankungen verursacht o<strong>der</strong> lediglich altersbedingt?<br />

Die vorliegende Übersicht erstellt<br />

Tab. 1: Fragen zum Charakter <strong>der</strong> GS<br />

Wie gut können Sie sich erinnern an:<br />

• Ereignisse, die in den letzten Tagen passiert sind?<br />

• Termine und Abmachungen <strong>der</strong> letzten Zeit?<br />

• Zeitungsartikel und Fernsehsendungen <strong>der</strong> letzten Tage?<br />

• wichtige Gesprächsinhalte <strong>der</strong> letzten Tage?<br />

• geplante Erledigungen und Einkäufe?<br />

• einen Weg, den Sie vorher erst ein- o<strong>der</strong> zweimal gegangen sind?<br />

Weitere Fragen:<br />

• Ist die GS neu?<br />

• Hat die GS plötzlich o<strong>der</strong> schleichend begonnen?<br />

• Ist die GS alltagsrelevant?<br />

• Ist die GS progredient?<br />

• Verwenden Sie Gedächtnisstützen?<br />

Tab. 2: Neurologische Ursachen für GS bei älteren Menschen<br />

Diagnosesicherung<br />

Demenzielle<br />

Erkrankungen<br />

Zerebrovaskuläre<br />

Erkrankungen<br />

Anfallsartig<br />

auftretende GS<br />

Schlafstörungen<br />

ZNS-Tumoren<br />

und Enzephalitiden<br />

• Demenzvorstufen (MCI)<br />

• degenerative Demenzen (z. B. AE,<br />

Parkinson-Syndrom, Demenz mit Lewy-Körperchen,<br />

frontotemporale Demenzen)<br />

• sekundäre Demenzen (z. B. infektiöse, kardiale, metabolische<br />

Enzephalo pathie, Hypoxie, Trauma, Neoplasma)<br />

„vascular cognitive impairment“ assoziiert mit TIA, rezidivierende<br />

Ischämien (Groß-, Kleingefäßerkrankung), Vaskulitis,<br />

Normaldruckhydrozephalus, Subarachnoidalblutung,<br />

Hämatome, Amyloidangiopathie etc.<br />

z. B. transiente globale Amnesie; epileptische Anfälle<br />

(Temporallappenepilepsie, vaskuläre Spätepilepsie,<br />

subklinischer Status epilepticus); Delir; Synkope<br />

obstruktives Schlafapnoesyndrom, REM-Behaviour-Disor<strong>der</strong><br />

(RBD), Restless-Legs-Syndrom, Insomnie<br />

• primäre, sekundäre Tumoren des ZNS<br />

• limbische Enzephalitis (paraneoplastisch,<br />

nichtparaneoplastisch)<br />

Demenzabklärung<br />

Anamnese, klinischer Befund, Bildgebung<br />

Außenanamnese, EEG, Neuropsycho logie,<br />

Bildgebung<br />

Abklärung im Schlaflabor<br />

Bildgebung, Labor, EEG, Tumorsuche<br />

86


Zusammengestellt im Namen des Beirats „Demenz“:<br />

Univ.-Prof. Dr. Thomas Benke<br />

Leiter <strong>der</strong> Memory-Klinik, Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck<br />

eine Differenzialdiagnose <strong>der</strong> GS beim älteren<br />

Menschen. Sie basiert auf 5 Schlüsselfragen<br />

und den entsprechenden Antworten und<br />

erlaubt eine bessere Einschätzung des Problems<br />

GS beim älteren Menschen.<br />

Frage 1: Welchen<br />

Charakter hat die GS?<br />

Der Charakter <strong>der</strong> GS sollte genau eruiert<br />

werden. Unter einer episodischen GS wird<br />

eine Störung beim Erlernen und Erinnern neu<br />

erlebter Information verstanden. Diese abnorme<br />

Vergesslichkeit muss alltagsrelevant<br />

sein. Personen, die eine Memory-Klinik aufsuchen,<br />

klagen häufig über Wortabrufstörungen<br />

(z. B. Eigennamen, seltene Begriffe) o<strong>der</strong><br />

Aufmerksamkeitsdefizite unter Stress o<strong>der</strong><br />

Ablenkung (z. B. Vergessen von geplanten<br />

Äußerungen und Abläufen, Verwechslungen).<br />

Derartige Fehlleistungen werden oft als<br />

Anzeichen eines nachlassenden Gedächtnisses<br />

interpretiert, entsprechen jedoch keiner<br />

episodischen GS. Fragen nach einer „echten“<br />

GS zielen vor allem auf das Erinnern neuer<br />

Informationen ab (Tab. 1).<br />

Pflege von demenzkranken Angehörigen,<br />

überwundene eigene, schwere Erkrankung),<br />

umfassendes Wissen über die Demenz und<br />

eine Demenzangst häufig. Die psychiatrische<br />

Komorbidität von Personen mit SMI ist hoch,<br />

oft finden sich Depression, Angst-, Zwangso<strong>der</strong><br />

posttraumatische Störungen. Personen<br />

mit SMI streben selbst (oft in wie<strong>der</strong>holtem<br />

Maß) eine diagnostische Abklärung bei<br />

NeurologInnen an, zu dem/<strong>der</strong> sie in <strong>der</strong><br />

Regel allein kommen („attended alone<br />

sign“). Im Gegensatz zu Personen mit SMI<br />

haben die meisten PatientInnen mit beginnen<strong>der</strong><br />

Demenz eine eingeschränkte Wahrnehmung<br />

ihrer tatsächlich nachweisbaren<br />

mnestischen Defizite (Anosognosie) und<br />

kommen meist nur auf Veranlassung und<br />

in Begleitung ihrer Familie zur Abklärung.<br />

Abb. 1: Notizzettel eines Patienten mit SMI<br />

Frage 3: Ist die<br />

GS neurologisch bedingt?<br />

Ist die GS neuropsychologisch objektiviert, so<br />

stellt sich die Frage nach ihrer Ursache. Bei<br />

Personen über 70 ist die GS vor allem dann<br />

ein Warnzeichen für eine beginnende Demenz<br />

o<strong>der</strong> Demenzvorstufe, wenn sie progredient<br />

ist und eine relevante Störung beim<br />

Erinnern wichtiger neuer Informationen darstellt.<br />

Oft zeigt sich die Vergesslichkeit auch<br />

durch iteratives Fragen und Erzählen. Das<br />

MCI ist durch eine schleichend beginnende<br />

GS charakterisiert, bei <strong>der</strong> Alltagsfunktionen<br />

noch nicht eingeschränkt sind. Personen mit<br />

MCI haben ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko.<br />

An<strong>der</strong>e Demenzen und neurologische<br />

Erkrankungen verursachen ebenso eine GS<br />

(Tab. 2). Die Anamnese sollte daher typi- u<br />

Frage 2: Ist die<br />

GS subjektiv o<strong>der</strong> objektiv?<br />

Bei <strong>der</strong> Beurteilung einer GS spielt die Selbsteinschätzung<br />

<strong>der</strong> Gedächtnisleistung eine wichtige<br />

Rolle. Hier ist zwischen einer „nur“ selbst<br />

wahrgenommenen, unbestätigten GS und <strong>der</strong><br />

objektiven GS zu unterscheiden. Eine durch<br />

den neuropsychologischen Befund objektivierte<br />

GS ist bei Personen über 70 das häufigste<br />

Erstsymptom einer AE bzw. einer Demenzvorstufe<br />

(z. B. „mild cognitive impairment“, MCI).<br />

Eine subjektiv wahrgenommene, unbestätigte<br />

GS („subjective memory impairment“, SMI)<br />

entsteht hingegen durch eine überkritische<br />

Selbsteinschätzung des Gedächtnisses.<br />

Personen mit SMI bemerken an sich mnestische<br />

Ausfälle, die meist nicht objektivierbar,<br />

nicht progredient, inkonstant und oft<br />

an bestimmte Situationen gebunden sind<br />

(siehe Beispiel in Abbildung 1). Oft korreliert<br />

das Resultat des Gedächtnistests daher nicht<br />

mit den Klagen des SMI-Patienten/<strong>der</strong> SMI-<br />

Patientin. In <strong>der</strong> Anamnese von PatientInnen<br />

mit SMI sind Belastungssituationen (z. B.<br />

87


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Demenz<br />

Abb. 2: Fallbeispiel: 82-jährige Patientin mit MCI. Noch selbständig, aber<br />

vergesslich. MMSE 26/30<br />

a) Gedächtnisdefizit beim figuralen Gedächtnistest (CERAD, Reproduktion von 4 Figuren <strong>aus</strong> dem Gedächtnis)<br />

Vorlage:<br />

Wie<strong>der</strong>gabe <strong>aus</strong> dem Gedächtnis:<br />

sche Risken und Symptome einer Nicht-<br />

Alzheimer-Demenz (Defizite bei Motorik,<br />

Gang, Sprache, autonome Ausfälle, Psychopathologie<br />

etc.) sowie an<strong>der</strong>er neurologischer<br />

Erkrankungen erfassen. Eine Schlafanamnese<br />

ist von großer Bedeutung, ebenso<br />

Fragen nach Verwirrtheits- o<strong>der</strong> Ausnahmezuständen<br />

und epileptischen Anfällen.<br />

b) Gleiche Patientin – in <strong>der</strong> MRT beidseitige Atrophie <strong>der</strong> Hippocampusregion und des temporoparietalen Neokortex,<br />

morphologisch einer beginnenden AE entsprechend<br />

Frage 4: Hat die<br />

GS nichtneurologische Ursachen?<br />

Auch viele neurologisch unauffällige PatientInnen<br />

klagen über ein schlechtes Gedächtnis<br />

(Tab. 3). Die physiologische, altersbedingte<br />

zerebrale Leistungsmin<strong>der</strong>ung ist eine wichtige<br />

Ursache für nachlassende Gedächtnisleistungen.<br />

Die Abgrenzung zur pathologischen<br />

GS ist mit einer fachgerechten<br />

neuropsychologischen Gedächtnisabklärung<br />

möglich, die alters- (und bildungsabhängige)<br />

Testnormen verwendet. Zahlreiche psychiatrische<br />

Erkrankungen verursachen eine GS,<br />

am häufigsten die Depression, die auch ein<br />

Risikofaktor und potenzieller Vorbote <strong>der</strong><br />

Demenz ist.<br />

Depressive haben meist gut fassbare kognitive<br />

Defizite im Bereich von Gedächtnis,<br />

exekutiven Leistungen und Psychomotorik,<br />

die vom Patienten/von <strong>der</strong> Patientin selbst<br />

als störend und beunruhigend berichtet<br />

werden. Die Diagnose stützt sich auf den<br />

neuropsychologischen Befund, eine Verlaufskontrolle<br />

nach antidepressiver Behandlung<br />

und gegebenenfalls durch eine weiterführende<br />

Diagnostik (Bildgebung, Liquorbefund).<br />

Eine GS kann auch durch chronischen Substanzmissbrauch<br />

(z. B. Benzodiazepine, Analgetika,<br />

Sedativa, Alkohol) und manche<br />

Medikamente (z. B. Anticholinergika, psychotrope<br />

Substanzen) verursacht werden.<br />

Das Delir ist ein bei älteren Menschen durch<br />

organische Erkrankungen verursachter Verwirrtheitszustand,<br />

<strong>der</strong> mit Bewusstseinsstörung<br />

und kognitiven Defiziten einhergeht. Eine<br />

Abgrenzung zur Demenz kann schwierig sein<br />

und erfor<strong>der</strong>t eine umfassende Diagnostik und<br />

88


Tab. 3: Nichtneurologische Ursachen für GS bei älteren Menschen<br />

Altersbedingte<br />

GS<br />

Diagnosesicherung<br />

neuropsychologischer Befund<br />

Psychiatrische<br />

Erkrankungen<br />

Delir<br />

Internistische<br />

Erkrankungen<br />

z. B. Altersdepression; chronische Psychose;<br />

Substanzmissbrauch, Alkohol; Benzodiazepine, Sedativa<br />

z. B. postoperatives D., infektassoziiertes D., Exsikkose;<br />

Schmerzen; metabolische, kardiovas kuläre Ursachen;<br />

Anticholinergika<br />

z. B. Diabetes mellitus, Hypothyreose, COPD, kardiale E.,<br />

Leber-, Nieren insuffizienz, Anämie, Vitaminmangel<br />

(Wernicke-Korsakow-Syndrom)<br />

psychiatrischer und neuropsychologischer<br />

Befund; Demenz abklärung<br />

medizinische Ursache;<br />

Labor; Medikamentenanamnese;<br />

nach Therapie zumindest teilreversibel<br />

Labor und internis tischer Befund;<br />

Bildgebung<br />

Neoplasien z. B. Bronchus-, Mamma-, Prostatakarzinom, Lymphom Tumornachweis; Labor; Bildgebung<br />

An<strong>der</strong>e chronische Schmerzen (Medikamenten-)Anamnese<br />

Verlaufsbeobachtung. Auch viele chronische<br />

internistische Erkrankungen verschlechtern das<br />

Gedächtnis älterer PatientInnen, so z. B. Herz-<br />

(z. B. Insuffizienz, Rhythmusstörungen), Lungen-,<br />

Leber-, Nieren-, Vitaminmangel- (z. B.<br />

Stufe 1:<br />

Eigen- und<br />

Fremdanamnese<br />

Kognitives Screening<br />

Stufe 2:<br />

Klinischer Befund<br />

Neuropsychologische<br />

Untersuchung<br />

Bildgebung<br />

Labor<br />

Verlaufskontrolle<br />

Wernicke-Korsakow-Syndrom), endokrinologische<br />

(z. B. Hypothyreose) und Tumorerkrankungen.<br />

Durch die Polymorbidität älterer Menschen<br />

ist eine GS nicht immer k<strong>aus</strong>al einer<br />

einzelnen Erkrankung zuzuordnen.<br />

Tab. 4: Die Abklärung <strong>der</strong> GS älterer PatientInnen (Zweistufenmodell)<br />

• Eigenanamnese, Selbsteinschätzung <strong>der</strong> GS<br />

• Fremdanamnese: Beginn, Dauer, Ausmaß und Verlauf<br />

<strong>der</strong> GS; weitere kognitive Defizite; Einschränkung von<br />

Alltagsfunktionen; auffällige Psychopathologie;<br />

vaskuläre, genetische Risikofaktoren, Toxika etc.<br />

MMSE, Uhrentest, MOCA, ACE etc.<br />

neurologischer, psychiatrischer Status<br />

relevante medizinische Befunde<br />

• systematische Erfassung von Gedächtnis- und<br />

an<strong>der</strong>en kognitiven Funktionen<br />

• Beurteilung auf Basis alters- und bildungskorrigierter<br />

Normen<br />

MRT, FDG-PET, SPECT<br />

Serum; Liquor; EEG; Schlaflabor<br />

Krankheitsverlauf und Diagnosesicherung<br />

Frage 5: Worin besteht die<br />

fachgerechte Abklärung einer GS?<br />

Bei <strong>der</strong> diagnostischen Abklärung einer GS<br />

sind neurologische, psychologische, psychiatrische<br />

und medizinische Aspekte zu<br />

beachten (Tab. 4). In <strong>der</strong> Praxis hat sich<br />

eine 2-Stufen-Abklärung bewährt. Eine<br />

zentrale Rolle bei <strong>der</strong> Diagnostik spielen<br />

die Anamnese und die Fremdanamnese.<br />

Screeningtests ermöglichen eine erste Einschätzung<br />

<strong>der</strong> GS, haben aber eine zu<br />

geringe Sensitivität und Spezifität zur Klärung<br />

<strong>der</strong> Krankheitsursache. Die genaue<br />

Diagnostik (Stufe 2, wenn Anamnese und/<br />

o<strong>der</strong> Screening positiv) sollte beim Facharzt<br />

und unter Verwendung von aktuellen Demenzkriterien<br />

erfolgen. Eine systematische<br />

neuropsychologische Untersuchung ist bei<br />

typischer Anamnese, Risikofaktoren und<br />

positivem Screening unverzichtbar. Eine<br />

neuropsychologisch gesicherte GS muss in<br />

jedem Fall mit Zusatzuntersuchungen abgeklärt<br />

und nach Möglichkeit behandelt<br />

werden. Die Zusatzdiagnostik umfasst den<br />

neurologischen und psychiatrischen Befund,<br />

eine Bildgebung und Laboruntersuchungen.<br />

Verlaufsuntersuchungen sichern<br />

die Diagnose. <br />

•<br />

89


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Neurogeriatrie<br />

Schlaganfallinzidenz bei<br />

PatientInnen mit Alzheimer-Krankheit<br />

DDie Alzheimer-Erkrankung sowie zerebrovaskuläre<br />

Erkrankungen nehmen mit steigendem<br />

Alter zu. Häufig kommen beide Phänomene<br />

in <strong>der</strong> älteren Population gemeinsam<br />

vor.<br />

In einer gemeinsamen finnisch-schwedischen<br />

Studie 1 wurde untersucht, ob Personen<br />

mit <strong>der</strong> klinischen Diagnose Alzheimer-<br />

Erkrankung ein erhöhtes Schlaganfallrisiko<br />

haben, ob das Geschlecht, das Alter o<strong>der</strong><br />

das Alter zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Alzheimer-Diagnose<br />

einen Einfluss nehmen und in welchem<br />

Verhältnis ischämische und hämorrhagische<br />

Schlaganfälle bei Alzheimer-PatientInnen<br />

stehen.<br />

Studiendesign: Rekrutiert wurden die PatientInnen<br />

<strong>aus</strong> dem finnischen nationalen<br />

Verordnungsregister <strong>der</strong> Sozialversicherung.<br />

Das Alter <strong>der</strong> inkludierten Alzheimer-PatientInnen<br />

betrug 42 bis 101 Jahre, 67,8 % waren<br />

Frauen. 28.093 Alzheimer-PatientInnen und<br />

56.186 Personen ohne Alzheimer-Diagnose<br />

gleichen Alters, Geschlechts und gleichen<br />

Wohngebietes wurden eingeschlossen.<br />

Es wurden zwei Modelle gerechnet:<br />

• Modell 1, ohne Berücksichtigung<br />

NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Autonome Störungen<br />

Blasenstörung in einem transgenen M<strong>aus</strong>modell<br />

<strong>der</strong> Multisystematrophie<br />

DDie Multisystematrophie (MSA) ist eine atypische<br />

Parkinson-Erkrankung, die im Erwachsenenalter<br />

beginnt und durch autonome<br />

Dysfunktion charakterisiert ist 1 . Neuropathologisch<br />

finden sich bei <strong>der</strong> MSA -synucleinpositive,<br />

oligodendrogliale Einschlusskörper<br />

Zusammengestellt im Namen des Beirats „Neurogeriatrie“:<br />

Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ransmayr<br />

Abteilung für Neurologie, AKH Linz<br />

von Begleitpathologie<br />

• Modell 2, angepasst für das Vorhandensein<br />

von Krebs, Diabetes und vaskulären<br />

Herzerkrankungen<br />

Ergebnisse: Die Beobachtungszeit betrug<br />

insgesamt 196.770 Personenjahre. 82 % <strong>der</strong><br />

Schlaganfälle waren ischämisch, 18 % hämorrhagisch.<br />

Das Durchschnittsalter beim<br />

ersten Schlaganfall betrug 83,5 Jahre. Hämorrhagische<br />

Schlaganfälle waren selten<br />

(Alzheimer-Demenz 1 bis 1,2 % in den<br />

unterschiedlichen Altersgruppen im Vergleich<br />

zu 0,5 bis 1,1 % bei den Nicht-Alzheimer-<br />

Personen). Ischämische Schlaganfälle fanden<br />

sich unter Alzheimer-PatientInnen bei 3 bis<br />

5,4 %, bei Nicht-Alzheimer-Personen bei 2,5<br />

bis 6,7 %.<br />

In <strong>der</strong> Gruppe ischämischer Schlaganfälle<br />

wurden in den unterschiedlichen Altersgruppen<br />

(unter 75, 75–79, 80–85 und > 86 Jahre)<br />

zwischen PatientInnen mit und ohne Alzheimer-Diagnose<br />

in den Modellen 1 und 2 keine<br />

Risikounterschiede gefunden. Bezüglich hämorrhagischer<br />

Schlaganfälle zeigte sich ein<br />

signifikant erhöhtes Risiko für PatientInnen<br />

mit Alzheimer-Demenz in beiden Modellen<br />

(glial cytoplasmic inclusions, GCI), die im<br />

gesamten ZNS verbreitet sind und von denen<br />

angenommen wird, dass sie wesentlich zur<br />

Pathogenese <strong>der</strong> Erkrankung beitragen 2, 3 .<br />

Die nichtmotorischen Symptome treten häufig<br />

vor Beginn <strong>der</strong> motorischen auf 4 . Aktuell<br />

altersabhängig (Risk Ratio 1,34). Das erhöhte<br />

Risiko betraf vor allem Personen unter 75<br />

und zwischen 75 und 79 Jahren.<br />

Kommentar: Nicht nur das absolute Alter,<br />

son<strong>der</strong>n auch das Alter, in dem die Alzheimer-Diagnose<br />

festgestellt wurde, stellte<br />

einen Risikofaktor für hämorrhagische<br />

Schlaganfälle bei Alzheimer dar. Die<br />

Altersab hängigkeit des hämorrhagischen<br />

Schlaganfallrisikos könnte mit altersabhängig<br />

unterschiedlichen klinikopathologischen<br />

Subtypen <strong>der</strong> Alzheimer-Krankheit zusammenhängen.<br />

Im jüngeren Alter scheint die<br />

Alzheimer-Erkrankung aggressiver zu sein,<br />

mit rascher progredienter Atrophie, auch<br />

posteriorer Großhirnanteile, im Vergleich zu<br />

Personen mit Beginn <strong>der</strong> Alzheimer-Erkrankung<br />

im späteren Alter. Weiters kann angenommen<br />

werden, dass eine Amyloidangiopathie,<br />

die zu Hämorrhagien disponiert,<br />

bei jüngeren, aggressiveren Verlaufsformen<br />

<strong>der</strong> Alzheimer-Erkrankung stärker <strong>aus</strong>geprägt<br />

ist. <br />

•<br />

1 Tolppanen AM et al., Incidence of stroke in people with<br />

Alzheimer disease: A national register-based approach,<br />

Neurology 2013; 80:353–8<br />

gültige Diagnosekriterien erfor<strong>der</strong>n das Vorhandensein<br />

eines autonomen Versagens mit<br />

urogenitaler Dysfunktion und orthostatischer<br />

Hypotonie sowie fakultativen Symptomen<br />

wie respiratorischen und gastrointestinalen<br />

Funktionsstörungen. Retrospektive Daten<br />

90


Zusammengestellt im Namen des<br />

Beirats „Autonome Störungen“:<br />

Univ.-Prof. Dr.<br />

Gregor K. Wenning<br />

Dr. Florian<br />

Krismer<br />

Priv.-Doz. Dr.<br />

Nadia Stefanova<br />

Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck<br />

weisen darauf hin, dass die urologischen<br />

Symptome früh auftreten und bei den meisten<br />

MSA-PatientInnen <strong>der</strong> motorischen Symptomatik<br />

um einige Jahre vor<strong>aus</strong>gehen 5 . Die<br />

Blasenfunktionsstörung bei <strong>der</strong> MSA ist mit<br />

einer <strong>aus</strong>gedehnten Degeneration sowohl<br />

von dopaminergen Leitungsbahnen in <strong>der</strong><br />

Substantia nigra als auch von nichtdopaminergen<br />

Regionen einschließlich des pontinen<br />

Miktionszentrums (Barrington’s nucleus),<br />

dem periaquäduktalen Grau (Substantia grisea<br />

periaquaeductalis), des Locus coeruleus,<br />

<strong>der</strong> zerebellären Purkinje-Zellen, des dorsalen<br />

motorischen Vaguskerns, des Nucleus intermediolateralis<br />

und dem Onuf´schen Nucleus<br />

im Rückenmark assoziiert. 6, 7<br />

Studie: Zur Reproduktion <strong>der</strong> GCI und zur<br />

Untersuchung <strong>der</strong> relevanten neurodegenerativen<br />

Mechanismen <strong>der</strong> humanen Erkrankung<br />

wurde eine transgene M<strong>aus</strong> mit glialer<br />

Überexpression von humanem Syn (hSyn)<br />

entwickelt 8 . Bislang wurde die Ausprägung<br />

von nichtmotorischen Defiziten in transgenen<br />

MSA-Modellen nicht untersucht. Ziel <strong>der</strong><br />

aktuellen, in Movement Disor<strong>der</strong>s publizierten<br />

Studie war es, die Blasenfunktion und<br />

-struktur bei MSA-Mäusen zu untersuchen<br />

sowie die Relevanz <strong>der</strong> transgenen MSA-<br />

M<strong>aus</strong> als präklinisches Modell zu bestätigen<br />

und <strong>der</strong>en Implikationen für die Untersuchung<br />

<strong>der</strong> zugrunde liegenden Pathomechanismen<br />

<strong>der</strong> MSA-assoziierten urologischen<br />

Dysfunktion zu definieren 9 .<br />

Abb.: Hypertrophie des Urothels bei MSA-Mäusen im Vergleich zu<br />

Wildtyp-Kontrollen<br />

Kontrolle<br />

MSA<br />

Ergebnisse: Die Blasenstruktur und -funktion<br />

<strong>der</strong> transgenen MSA-Mäuse wurde mit jener<br />

von alters- und geschlechtsangepassten (gesunden)<br />

Wildtyp-Kontrollmäusen verglichen.<br />

Die 24-Stunden-Diurese konnte eine normale<br />

Nierenfunktion <strong>der</strong> MSA-Mäuse bestätigen.<br />

Urodynamische Analysen wiesen jedoch auf<br />

eine neurogene Blasenstörung mit einer erhöhten<br />

Amplitude <strong>der</strong> Entleerungskontraktionen,<br />

einer höheren Frequenz <strong>der</strong> Nichtentleerungskontraktionen<br />

und erhöhtem Restharnvolumen<br />

hin. Ex-vivo-Untersuchungen <strong>der</strong><br />

Blasenwand zeigten eine altersassoziierte Hypertrophie<br />

des Detrusormuskels und des<br />

Urothels (Abb.) bei MSA-Mäusen im Vergleich<br />

zu den gesunden Kontrollen. In <strong>der</strong> Lamina<br />

propria und muscularis <strong>der</strong> MSA-Blasen wurde<br />

eine transgene hSyn-Expression in myelinisierenden<br />

Schwann-Zellen beobachtet. Der<br />

frühe Verlust von parasympathischen Neuronen<br />

und die darauffolgende Degeneration des<br />

pontinen Miktionszentrums begleiten die urologischen<br />

Defizite <strong>der</strong> MSA-Mäuse.<br />

Diskussion: Die Blasenfunktionsstörung äußert<br />

sich bei MSA-PatientInnen durch Inkontinenz,<br />

vermehrten Harndrang, Pollakisurie<br />

sowie unvollständige Blasenentleerung mit<br />

erhöhtem Restharnvolumen 7 . Die Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> hier präsentierten experimentellen Studie<br />

liefern die erste Evidenz für ein präklinisches<br />

Modell <strong>der</strong> MSA-assoziierten Blasendysfunktion<br />

10 . Es wurde gezeigt, dass die transgenen<br />

Überexpression von hSyn in Oligodendrozyten<br />

bei Mäusen zu einer Blasendysfunktion<br />

führt, die vorwiegend durch eine eingeschränkte<br />

Blasenentleerung charakterisiert<br />

war und mit einer Schwäche <strong>der</strong> Detrusorkontraktion<br />

in Zusammenhang stand. Die an<br />

<strong>der</strong> Miktionskontrolle beteiligten Nuclei, inklusive<br />

des Nukleus intermediolateralis und<br />

des Barrington’s nucleus, zeigten eine fortschreitende<br />

Neurodegeneration, die auf die<br />

Beteiligung dieser Nuclei bei <strong>der</strong> beobachteten<br />

Blasendysfunktion <strong>der</strong> MSA-Mäuse hindeutet.<br />

Insgesamt konnte im PLP-hSyn-M<strong>aus</strong>modell<br />

die wesentliche urologischen Symptomatik<br />

<strong>der</strong> humanen MSA repliziert werden, wodurch<br />

die MSA-M<strong>aus</strong> als valides Testmodell<br />

zur Entschlüsselung <strong>der</strong> Pathomechanismen<br />

<strong>der</strong> autonomen Dysfunktion bei <strong>der</strong> MSA<br />

herangezogen werden kann. <br />

•<br />

Danksagung: Die Studie wurde durch eine För<strong>der</strong>ung<br />

des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) unterstützt<br />

(SFB F4404-B19)<br />

1 Stefanova N et al., Multiple system atrophy: an update.<br />

Lancet Neurol 2009; 8:1172–1178<br />

2 Inoue M et al., The distribution and dynamic density of<br />

oligodendroglial cytoplasmic inclusions (GCIs) in multiple<br />

system atrophy: a correlation between the density of<br />

GCIs and the degree of involvement of striatonigral<br />

and olivopontocerebellar systems. Acta Neuropathol<br />

(Berl) 1997; 93:585–591<br />

3 Ozawa T et al., The spectrum of pathological<br />

involvement of the striatonigral and olivopontocerebellar<br />

systems in multiple system atrophy:<br />

clinicopathological correlations. Brain 2004;<br />

127:2657–2671<br />

4 Jecmenica-Lukic M et al., Premotor signs and<br />

symptoms of multiple system atrophy. Lancet<br />

Neurol 2012; 11:361–368<br />

5 Kirchhof K et al., Erectile and urinary dysfunction may<br />

be the presenting features in patients with multiple<br />

system atrophy: a retrospective study. Int J Impot Res<br />

2003; 15:293–298<br />

6 Benarroch EE, Neural control of the blad<strong>der</strong>: recent<br />

advances and neurologic implications. Neurology 2010;<br />

75:1839–1846<br />

7 Winge K, Fowler CJ, Blad<strong>der</strong> dysfunction in Parkinsonism:<br />

mechanisms, prevalence, symptoms, and management.<br />

Mov Disord 2006; 21:737–745<br />

8 Stefanova N Wenning GK et al., Animal models of multiple<br />

system atrophy. Trends Neurosci 2005; 28:501–506<br />

9 Boudes M, Wenning GK, Stefanova N et al., Blad<strong>der</strong><br />

dysfunction in a transgenic mouse model of multiple<br />

system atrophy. Mov Disord 2013. in press<br />

10 Kahle PJ et al., Hyperphosphorylation and insolubility of<br />

alpha-synuclein in transgenic mouse oligodendrocytes.<br />

EMBO Rep 2002; 3:583–588<br />

91


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Neurochirurgie<br />

4 th International Intraoperative Imaging Society (IOIS) Meeting 2013<br />

Gateway to the Surgery of the Future<br />

Das Treffen <strong>der</strong> Experten und Expertinnen zum Thema „Intraoperative Bildgebung“ (Intraoperative Imaging<br />

Society, IOIS) fand heuer vom 24. bis 27. Februar in St. Louis, Missouri, USA, statt. Es wurde von Prof. R. Bucholz<br />

<strong>aus</strong>gerichtet, <strong>der</strong> von Anfang an wesentliche Impulse für die Entwicklung diverser intraoperativer bildgeben<strong>der</strong><br />

Verfahren und für die Entwicklung <strong>der</strong> Neuronavigation gegeben hat und immer noch gibt. Er wirkte auch schon<br />

1997 bei <strong>der</strong> Gestaltung des Kongresses über Neuronavigation (CIS 97) in Linz mit.<br />

IIntraoperative MRI: Den wesentlichsten<br />

Anteil an den Vorträgen nahm das Thema<br />

intraoperative MRI (iMRI) ein. Durch Einspielen<br />

<strong>der</strong> intraoperativ angefertigten Bil<strong>der</strong><br />

nach <strong>der</strong> geplanten Entfernung einer Läsion<br />

kann die Navigation aktualisiert werden.<br />

Dadurch können unbeabsichtigte Resttumoranteile<br />

entfernt und das Problem des<br />

„brainshifts“ behoben werden. Die Nachresektionsrate<br />

nach Beurteilung <strong>der</strong> intraoperativen<br />

Bil<strong>der</strong> beträgt je nach Indikation bis<br />

zu 36 %. Auch Wachoperationen können<br />

im iMRI durchgeführt werden. Es besteht<br />

Übereinstimmung, dass klare Vorteile bei <strong>der</strong><br />

Resektion von Gliomen, bei Hypophysenadenomen<br />

und bei Kavernomen bestehen. Für<br />

das Glioblastoma multiforme geben alle<br />

AutorInnen ein längeres Intervall bis zum<br />

Tumorprogress an; für die Gesamtüberlebenszeit<br />

gibt es noch relativ wenig Daten,<br />

aber die vorläufigen Daten lassen ebenfalls<br />

bessere Ergebnisse vermuten.<br />

Drei AutorInnen berichteten beim Glioblastom<br />

über den Vergleich von iMRI mit dem<br />

Einsatz <strong>der</strong> Fluoreszenzmikroskopie nach<br />

Gabe von 5-ALA, wobei hier allerdings keine<br />

identen Parameter zum Tragen kamen (Kontrastmittelanreicherung<br />

im MR versus Infiltrationszone<br />

bei 5-ALA), sodass dieser Vergleich<br />

mehrheitlich als nicht zulässig beurteilt<br />

wurde.<br />

Bei niedriggradigen Gliomen ist in den meisten<br />

Berichten die Nachuntersuchungszeit<br />

noch zu kurz, um definitive Aussagen machen<br />

zu können. Als weitere Indikationen für<br />

den iMRI wurden Arachnoidalzysten (endoskopische<br />

Fensterung), die endoskopische<br />

Ventrikulostomie, zerebrale Angiome, zervikale<br />

intramedulläre Läsionen und das Arnold-<br />

Chiari-Syndrom besprochen. Bei Aneurysmen<br />

stellen die Artefakte durch den eingebrachten<br />

Klipp ein <strong>der</strong>zeit offensichtlich unüberwindliches<br />

Problem für eine adäquate Beurteilung<br />

dar. Der Einsatz in <strong>der</strong> Schädelbasischirurgie<br />

(außer Hypophysenadenome)<br />

wurde kontrovers beurteilt; möglicherweise<br />

bietet hier das intraoperative CT (iCT) Vorteile.<br />

Warum <strong>der</strong> Einsatz in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>neurochirurgie<br />

<strong>der</strong>zeit noch kaum stattfindet,<br />

konnte nicht schlüssig beantwortet werden;<br />

dieses Gebiet bietet allerdings hohe Chancen<br />

auf Verbesserung <strong>der</strong> Ergebnisse.<br />

Die Entwicklung geht insgesamt eindeutig in<br />

Richtung Installation von High-Field-iMRI,<br />

obwohl im Vergleich zu diversen Low-FieldiMRI<br />

noch sehr wenige <strong>der</strong>artige Einheiten<br />

weltweit in Betrieb sind.<br />

Intraoperative CT: Zum Thema iCT gab es<br />

nur wenige Beiträge und Kommentare. Positiv<br />

beurteilt wurde die intraoperative Kontrolle<br />

<strong>der</strong> Implantation von Pedikelschrauben,<br />

weil hier Schraubenfehllagen in einem hohen<br />

Ausmaß verhin<strong>der</strong>t werden können. Interessant<br />

war jedoch, dass <strong>der</strong> O-Arm, <strong>der</strong> bei<br />

uns als 3-D-Röntgen gilt, international als iCT<br />

eingestuft wurde.<br />

Die neuesten Anwendungen betreffen die<br />

Applikation des O-Arms bei <strong>der</strong> Implantation<br />

von Tiefenhirnstimulationssonden. Es sollen<br />

durch die direkte visuelle intraoperative<br />

Kontrolle in Kombination mit <strong>der</strong> Neuronavigation<br />

eventuelle Abweichungen <strong>der</strong> Trajektorien<br />

bzw. <strong>der</strong> definitiven Lokalisation <strong>der</strong><br />

Elektroden verbessert werden. Ein direkter<br />

Vergleich zu den stereotaktisch implantierten<br />

Elektroden steht noch <strong>aus</strong>.<br />

Intraoperative Ultraschallanwendungen:<br />

Obwohl diese seit Langem angewendet<br />

werden und weit verbreitet sind, wurde<br />

92


Zusammengestellt im Namen<br />

des Beirats „Neurochirurgie“:<br />

Prim. Priv.-Doz. Dr.<br />

OA Dr.<br />

Gabriele Wurm Michael Lehner<br />

Neurochirurgische Abteilung, Landesnervenklinik Wagner-Jauregg, Linz<br />

diesem Thema kaum Bedeutung zugemessen.<br />

Dies entspricht auch den Erfahrungen<br />

unserer Klinik, denn die mangelnde Auflösung<br />

<strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> lässt trotz Anbindung an<br />

Navigationssysteme einen zu hohen Interpretationsspielraum<br />

zu.<br />

ICG: Im Kapitel neurovaskuläre Chirurgie wurde<br />

berichtet, dass die ICG (Indocyanin-Videoangiographie)<br />

mittels Fluoreszenzmikroskopie<br />

eine unmittelbare Kontrolle <strong>der</strong> Durchgängigkeit<br />

<strong>der</strong> Gefäße zeigt, aber manchmal nur<br />

eine eingeschränkte Beurteilbarkeit <strong>der</strong> definitiven<br />

Ausschaltung des Aneurysmas bieten<br />

kann. Unserer Erfahrung nach ist durch eine<br />

verlängerte Aufnahmezeit von mindestens<br />

einer Minute und durch repetitive Videoanalyse<br />

eine gute Aussage über die Vollständigkeit<br />

des Klippungsergebnisses möglich. Da<br />

aber nur die freigelegten Gefäßabschnitte<br />

beurteilbar sind, dürfte man in <strong>der</strong> Aneurysmachirurgie<br />

auch in Zukunft nicht grundsätzlich<br />

auf die intraoperative Angiographie (iAG)<br />

verzichten können. Die Applikation <strong>der</strong> ICG<br />

bei zerebralen Angiomen wurde kontroversiell<br />

beurteilt. Eventuell würde eine Kontrolle<br />

mittels intraoperativer CT-Angiographie<br />

(iCT-AG) eine Verbesserung bei Angiomen,<br />

aber auch bei Aneurysmen darstellen. Wegen<br />

<strong>der</strong> seltenen Fälle wird das allerdings ökonomisch<br />

schwer argumentierbar sein.<br />

LITT: Eine neue Errungenschaft ist die intraoperative<br />

Anwendung des Lasers zu therapeutischen<br />

Zwecken unter visueller und<br />

Echtzeit-Thermographie (LITT, „laser interstitial<br />

thermal therapy“). Die Hitzeentwicklung<br />

und die entsprechende Generation <strong>der</strong><br />

gewünschten zerebralen Läsion werden<br />

dabei sowohl visuell wie auch thermografisch<br />

dargestellt. Vorgestellt wurde das System für<br />

kleine Läsionen, die chirurgisch nicht o<strong>der</strong><br />

nur erschwert zugänglich sind. Im Beson<strong>der</strong>en<br />

waren das tief gelegene kleine Gliome,<br />

Metastasen und epilepsiechirurgisch zu behandelnde<br />

Läsionen im Hippocampus und<br />

Hypothalamus. Inwieweit sich hier die Indikationen<br />

mit <strong>der</strong> klassischen Neurochirurgie<br />

und mit <strong>der</strong> Radiochirurgie überschneiden<br />

und welche Ergebnisse mit welcher Methode<br />

zu erzielen sind, bleibt abzuwarten. Das<br />

System ist <strong>der</strong>zeit für Europa noch nicht<br />

zugelassen.<br />

Hybridlösungen: Beson<strong>der</strong>er Raum wurde<br />

<strong>der</strong> Multimodalität in <strong>der</strong> Navigation mittels<br />

Bildfusion und <strong>der</strong> Entwicklung von klinikspezifischen<br />

Lösungen für spezielle Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

gewidmet. Dabei wurden verschiedene<br />

Hybridlösungen für spezielle Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

mit Implementation von iCT, iAG, iMRI usw.<br />

vorgestellt. Manche dieser Visionen sind <strong>der</strong>zeit<br />

noch nicht in <strong>der</strong> Praxis umgesetzt, wirken<br />

aber sehr engagiert und zukunftsorientiert.<br />

Ob die gemeinsame Nutzung dieser Hybrid-<br />

Operationssäle von verschiedenen Disziplinen<br />

(5 Disziplinen hätten demnach je einen Operationstag<br />

zur Verfügung) auch im realen<br />

Alltag mit den bekannten Notfällen tatsächlich<br />

durchführbar ist, bleibt unserer Meinung nach<br />

abzuwarten.<br />

Zusätzlich wurde auch auf verschiedene Transportsysteme<br />

zwischen den Geräten eingegangen.<br />

Es gibt bodengestützte und deckenmontierte<br />

Systeme, wobei entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Patient/<br />

die Patientin zum Gerät o<strong>der</strong> das Gerät zum<br />

Patienten/zur Patientin zum Zweck <strong>der</strong> intraoperativen<br />

Untersuchung transferiert wird.<br />

Erfahrungen in Linz: In unserer Klinik steht<br />

uns für die neurovaskuläre Chirurgie seit<br />

jeher die iAG zur Verfügung, die durch die<br />

eng kooperierende Neuroradiologie durchgeführt<br />

wird. Zusätzlich führen wir seit 2010<br />

die ICG-AG in <strong>der</strong> Aneurysmachirurgie<br />

durch.<br />

Seit 2010 haben wir 350 Eingriffe mittels<br />

O-Arm durchgeführt, wobei diese Operationen<br />

hauptsächlich zum Einbringen von<br />

Pedikelschrauben bei komplexen Wirbelsäulenerkrankungen<br />

durchgeführt werden.<br />

Unsere Erfahrungen mit dem konventionellen<br />

3-D-Röntgen entsprachen nicht unseren Erwartungen,<br />

ebenso wenig wie die Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Implementation des intraoperativen<br />

Ultraschalles in die Neuronavigation, daher<br />

führen wir diese beiden Methoden auch nicht<br />

mehr durch.<br />

Seit Mai 2011 verfügen wir über die Möglichkeit,<br />

unsere PatientInnen in einem speziell<br />

<strong>aus</strong>gerüsteten Operationssaal zu operieren<br />

und mittels High-Field-iMRI (1,5 T) zu<br />

kontrollieren. Unsere Hauptindikationen<br />

dafür betreffen zerebrale Gliome, Hypophysenadenome,<br />

zerebrale Kavernome und<br />

zervikale Läsionen. Bislang wurden 160<br />

PatientInnen im iMRI-OP erfolgreich operiert,<br />

wobei 1–3 iMRI pro PatientIn angefertigt<br />

wurden. Die intraoperativ von Neuroradiologen/Neuroradiologinnen<br />

beurteilten<br />

Bil<strong>der</strong> werden unmittelbar im Operationssetting<br />

mit den operierenden NeurochirurgInnen<br />

besprochen, wonach die Indikation<br />

zu einer eventuellen Nachresektion gestellt<br />

wird. Unsere Erfahrungen entsprechen denjenigen<br />

<strong>der</strong> Literatur und den im Meeting<br />

<strong>der</strong> Experten/Expertinnen vorgestellten Ergebnissen.<br />

Das nächste Meeting <strong>der</strong> IOIS wird 2015<br />

in Neu-Delhi stattfinden. Es eignet sich nicht<br />

nur für Experten/Expertinnen und Anwen<strong>der</strong>Innen,<br />

son<strong>der</strong>n auch für speziell an <strong>der</strong><br />

intraoperativen Bildgebung Interessierte.<br />

iOIS Secretariat, PO Box 29041,<br />

Tel Aviv 61290, Israel<br />

Tel.: +972 3/517 51 50<br />

Fax: +972 3/517 51 55<br />

E-Mail: iois@targetconf.com <br />

•<br />

93


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Neuroimaging<br />

Diagnostischer Weg bei akuter Myelopathie unter<br />

beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung <strong>der</strong> Bildgebung<br />

Die Abklärung akuter Erkrankungen des Rückenmarks (RM) stellt uns aufgrund <strong>der</strong> Heterogenität <strong>der</strong> möglichen<br />

Ätiologien und einer Vielzahl von sich teilweise überschneidenden Begriffsdefinitionen (auch abhängig vom<br />

deutschen o<strong>der</strong> englischen Sprachgebrauch) nicht selten vor größere Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ungen. Der aktuelle Artikel<br />

bezieht sich auf einen nosologischen Einteilungsversuch und Behandlungsalgorithmus <strong>der</strong> „Transverse Myelitis<br />

Consortium Working Group“ (TMCWG) <strong>aus</strong> dem Jahr 2002 1 .<br />

DDer Ansatz <strong>der</strong> TMCWG hat in großen Zügen<br />

bis heute Gültigkeit und stellt unserer Meinung<br />

nach eine im klinischen Alltag praktikable<br />

Herangehensweise an dieses oft<br />

schwierige Thema dar. Wir fokussieren auf<br />

den Beitrag <strong>der</strong> Magnetresonanztomographie<br />

(MRT) in <strong>der</strong> Diagnostik.<br />

Diagnostisches Vorgehen: Wenn sich ein<br />

Patient/eine Patientin mit den klinischen<br />

Zeichen einer Rückenmarksläsion auf einem<br />

bestimmten Querschnittsniveau präsentiert,<br />

sollte nach <strong>der</strong> Anamneseerhebung und <strong>der</strong><br />

neurologischen Statuierung innerhalb von 4<br />

Stunden/möglichst rasch eine Kontrastmittel(KM)-unterstützte<br />

MRT-Untersuchung<br />

des gesamten Rückenmarks durchgeführt<br />

werden. In diesem ersten Schritt soll eine<br />

kompressive Myelopathie (vertebragen, diskogen,<br />

intraspinale Raumfor<strong>der</strong>ung ...) als<br />

für die Symptomatik <strong>aus</strong>reichende Ursache<br />

erkannt und gegebenenfalls einer sofortigen<br />

chirurgischen Intervention zugeführt werden.<br />

Wenn keine kompressive Myelopathie vorliegt,<br />

liegt die Konzentration im Folgenden<br />

auf <strong>der</strong> Abgrenzung entzündliche versus<br />

nichtentzündliche Ätiologie. Bei dieser Beurteilung<br />

ist zum einen die Lumbalpunktion<br />

(LP) notwendig, zum an<strong>der</strong>en werden die<br />

KM-Studien <strong>der</strong> MRT-Untersuchung heran-<br />

Abb. 1: Bild einer Multiplen Sklerose mit 2 Läsionen im<br />

Conus medullaris<br />

Abb. 2: Spinale Ischämie mit typischem Bild <strong>der</strong> Signalanhebung<br />

im Rückenmarksgrau (siehe T2 im Querschnitt)<br />

Deutlich erkennbar sind die signalhyperintensen, kugeligen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

bei T2, beide Läsionen sind KM-aufnehmend; typisch auch die<br />

exzentrische Lokalisation und die eher fleckförmige Ausdehnung,<br />

welche sich über weniger als 2 Wirbelkörper erstreckt.<br />

Die positive Diffusion ist nicht immer so eindrucksvoll, wenn aber<br />

vorhanden, dann ein schöner zusätzlicher Nachweis.<br />

94


Zusammengestellt im Namen<br />

des Beirats „Neuroimaging“:<br />

Dr. Reinhard Prim. Univ.-Prof. Dr.<br />

Krendl Peter Kapeller<br />

Abteilung für Neurologie, Landeskrankenh<strong>aus</strong> Villach<br />

Abb. 3: Die NMO zeichnet sich<br />

immer durch den Befall des Rückenmarks<br />

auf einer Strecke von mehr<br />

als 3 Wirbelkörperhöhen <strong>aus</strong><br />

gezogen, wobei hier <strong>der</strong> LP eine entscheidende<br />

Bedeutung zukommt, da <strong>der</strong> makroskopische<br />

Nachweis einer RM-Läsion mittels<br />

MRT nicht immer gelingen muss. Speziell in<br />

<strong>der</strong> Frühphase kann die MRT negativ sein,<br />

was am besten wohl für die Differenzialdiagnose<br />

<strong>der</strong> spinalen Ischämie beschrieben ist 2 .<br />

Sollte we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> LP eine Pleozytose o<strong>der</strong><br />

ein erhöhter IgG-Index noch eine gadoliniumaufnehmende<br />

Läsion im MRT nachzuweisen<br />

sein, müssen in weiterer Folge nichtentzündliche<br />

Ätiologien einer Myelopathie<br />

(spinale Ischämie, metabolisch und medikamentös/toxisch,<br />

spinaler Strahlenschaden<br />

o<strong>der</strong> eine fibrokartilaginäre Embolie) in Betracht<br />

gezogen werden. Bei inkonklusiver<br />

Befundlage (Cave: falsch negativer Liquorbefund<br />

bei früher LP) sollte aber in jedem Fall<br />

die Punktion, gegebenenfalls aber auch die<br />

MRT kurzfristig wie<strong>der</strong>holt werden.<br />

Sprechen Liquor und MRT für eine entzündliche<br />

Ätiologie, können das longitudinale Ausmaß<br />

und die Lage <strong>der</strong> spinalen Läsion bezogen auf<br />

den RM-Querschnitt weitere Informationen<br />

liefern. Besteht <strong>der</strong> Verdacht auf eine demyelinisierende<br />

Ätiologie, sollten eine begleitende<br />

zerebrale MRT sowie visuell evozierte Potenziale<br />

ergänzend erhoben werden.<br />

Gibt es keine Anhaltspunkte für eine demyelinisierende<br />

Ätiologie, liegt nach <strong>der</strong> „Transverse<br />

Myelitis Consortium Working Group“<br />

eine akute transverse Myelitis (ATM) vor.<br />

Dieser Überbegriff umfasst wie<strong>der</strong>um eine<br />

Vielzahl von möglichen Ursachen, die wichtigsten<br />

sind erregerbedingte, parainfektiöse,<br />

paraneoplastische, postvakzinale o<strong>der</strong> im<br />

Rahmen einer Vaskulitis o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er (autoimmunologischer)<br />

Grundkrankheiten auftretende<br />

ATM mit jeweils spezifischen Behandlungsoptionen.<br />

Ergeben sich jedoch Hinweise für eine demyelinisierende<br />

Ursache <strong>der</strong> RM-Läsion, ist<br />

aufgrund <strong>der</strong> therapeutischen und prognostischen<br />

Konsequenz möglichst eine weitere<br />

Aufteilung in die zugrunde liegenden Krankheitsbil<strong>der</strong><br />

akute disseminierte Enzephalomyelitis<br />

(ADEM), Multiple Sklerose (MS) und<br />

Neuromyelitis optica (NMO) vorzunehmen.<br />

Die wichtigsten Fragen an die Bildgebung<br />

sind in dieser Hinsicht: Ist das Läsionsauftreten<br />

einzeln o<strong>der</strong> multipel? Liegen die Läsionen<br />

zentral o<strong>der</strong> exzentrisch im RM? Nehmen<br />

nur einzelne Läsionen KM auf o<strong>der</strong> alle<br />

gleichzeitig? Wie lange ist die Längs<strong>aus</strong>dehnung?<br />

Gibt es einen raumfor<strong>der</strong>nden Charakter?<br />

Die Tabelle zeigt einen Überblick <strong>der</strong><br />

häufigsten Differenzialdiagnosen. •<br />

1 Transverse Myelitis Consortium Working Group.<br />

Proposed diagnostic criteria and nosology of ACT.<br />

Neurology 2002; 59:499–505<br />

2 Alblas CL et al., Acute spinal-cord ischemia: evolution of<br />

MRI findings. J Clin Neurol 2012; 8(3):218–23<br />

Tab.: Überblick über die MRT-Charakteristika einzelner häufiger<br />

Krankheitsbil<strong>der</strong><br />

Ausdehnung<br />

Läsionszahl und Form<br />

Lage und Ausdehnung<br />

im RM-Querschnitt<br />

KM-Verhalten<br />

Multiple<br />

Sklerose<br />

< 2 Wirbelkörperhöhen<br />

oft multiple<br />

kleine kugelige<br />

Läsionen<br />

exzentrisch,<br />

meist weniger als<br />

½ Querschnitt<br />

einnehmend<br />

Anreicherung<br />

einzelner, akut<br />

entzündlicher<br />

Plaques<br />

Spinalis-anterior-<br />

Syndrom<br />

variabel<br />

meist<br />

1 zusammenhängende<br />

Läsion<br />

zentral auf RM-<br />

Grau konzentriert<br />

„Eulenaugen-<br />

Phänomen“<br />

nicht typisch<br />

NMO<br />

> 3 Wirbelkörperhöhen<br />

meist<br />

1 zusammenhängende<br />

langstreckige<br />

Läsion<br />

meist den<br />

gesamten<br />

Querschnitt<br />

einnehmend<br />

Raumfor<strong>der</strong>ung nein nein möglich<br />

nicht<br />

notwendigerweise<br />

95


NEUROLOGIE AKTUELL<br />

Neuroonkologie<br />

Kaum Evidenz zur Therapie paraneo<br />

plastischer Polyneuropathien (PNP)<br />

Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS) sind sehr seltene Erkrankungen, und entsprechend spärlich<br />

ist auch die Evidenz zur Therapie <strong>der</strong> paraneoplastischen Polyneuropathie (PNP), die in einer aktuellen<br />

Cochrane-Review 1 analysiert wurde.<br />

PParaneoplastische neurologische Syndrome<br />

sind Symptome von Organ- o<strong>der</strong> Gewebeschäden<br />

im Bereich des zentralen und/o<strong>der</strong><br />

des peripheren Nervensystems aufgrund<br />

einer Tumorfernwirkung. Neben häufigen<br />

PNS wie <strong>der</strong> subakuten sensorischen Neuropathie<br />

(SSN) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Dysautonomie wurden<br />

verschiedene weitere, weniger gut charakterisierte<br />

paraneoplastische Neuropathien identifiziert.<br />

Die Konsequenzen von PNS können<br />

gravieren<strong>der</strong> sein als <strong>der</strong> Tumor selbst.<br />

PNS werden we<strong>der</strong> durch den Tumor selbst<br />

noch durch seine Metastasen und auch nicht<br />

durch toxische, metabolische o<strong>der</strong> vaskuläre<br />

Effekte hervorgerufen. Die sehr seltenen<br />

Erkrankungen finden sich bei weniger als<br />

einem Prozent <strong>der</strong> TumorpatientInnen und<br />

treten oft Monate o<strong>der</strong> sogar Jahre vor <strong>der</strong><br />

Tumordiagnose in Erscheinung. Bei <strong>der</strong> diagnostischen<br />

Abklärung werden häufig noch<br />

unerkannte Tumorerkrankungen entdeckt.<br />

Zur Therapie von PNS lagen bisher lediglich<br />

nichtsystematische Reviews vor. Eine kürzlich<br />

publizierte Cochrane-Analyse 1 umfasst nun<br />

die Daten aller randomisierten, kontrollierten<br />

Studien zur Therapie <strong>der</strong> PNP.<br />

Spärliche Datenlage: Die Sichtung <strong>der</strong><br />

Datenlage zeigt, dass zur Therapie <strong>der</strong> peripheren<br />

PNP kaum Studien mit hohem Evidenzgrad<br />

vorliegen. Die Analyse aller 332 in<br />

Datenbanken identifizierten Publikationen<br />

zur peripheren PNS fokussierte primär auf<br />

randomisierte, kontrollierte o<strong>der</strong> annähernd<br />

randomisierte, kontrollierte Studien. Nach<br />

Entfernung <strong>der</strong> Duplikate blieben 191 Publikationen,<br />

darunter keine randomisierte,<br />

kontrollierte Studie. Da keine einzige Studie<br />

den Auswahlkriterien entsprach, war eine<br />

formale Analyse <strong>der</strong> Daten unmöglich. Daher<br />

wurden qualitativ hochwertige nichtrandomisierte<br />

Studien in die Diskussion einbezogen.<br />

Insgesamt wurden lediglich 6 Studien mit<br />

<strong>aus</strong>reichen<strong>der</strong> Qualität identifiziert, die den<br />

Kriterien für die Diskussion entsprachen. Sie<br />

umfassten insgesamt 54 PatientInnen.<br />

Unterschiedlichste Therapieformen: In die<br />

Analyse wurden die verschiedensten therapeutischen<br />

Interventionen einbezogen (Tab.).<br />

Endpunkte in den meisten Studien waren die<br />

Verän<strong>der</strong>ungen verschiedener Parameter für<br />

Funktionseinschränkung und Behin<strong>der</strong>ung<br />

Tab.: Analysierte Therapieformen bei paraneoplastischen Syndromen<br />

(Cochrane-Analyse 2012)<br />

• chirurgische Eingriffe<br />

• Strahlentherapie<br />

• Chemotherapie<br />

• immunmodulierende Therapien und an<strong>der</strong>e biologische Therapien (Kortikosteroide,<br />

intravenöse Immunglobuline, Plasmapherese, Immunsuppressiva,<br />

zielgerichtete Therapien)<br />

• Kombinationstherapien und supportive Therapien<br />

• alleinige Physiotherapie<br />

Giometto B et al., Cochrane Database Syst Rev 2012 Dec 12; 12:CD007625<br />

Prim. Univ.-Prof Dr. Dr. Elisabeth<br />

Wolfgang Grisold Lindeck-Pozza<br />

Abteilung für Neurologie, Sozialmedizinisches Zentrum Süd,<br />

Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien<br />

durch die jeweilige Therapie. Als primärer<br />

Endpunkt <strong>der</strong> Cochrane-Analyse wurde eine<br />

Stabilisierung, eine Verbesserung o<strong>der</strong> eine<br />

Verschlechterung <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung zumindest<br />

3 Monate nach Diagnosestellung anhand<br />

einer modifizierten Ranking Scale definiert.<br />

Als Verbesserung o<strong>der</strong> Verschlechterung<br />

wurde die Verän<strong>der</strong>ung im Ausmaß von zumindest<br />

einem Punkt gewertet. Sekundäre<br />

Endpunkte waren Verän<strong>der</strong>ungen des Neuropathy<br />

Impairment Score (NIS), Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Lebensqualität, gemessen an <strong>der</strong> SF-36-<br />

Skala, Tod und unerwünschte Ereignisse.<br />

Ergebnis und Schlussfolgerung<br />

Derzeit sind keine randomisierten, kontrollierten<br />

Studien o<strong>der</strong> annähernd randomisierte,<br />

kontrollierte Studien verfügbar, auf die sich<br />

eine evidenzbasierte Therapie von PNP gründen<br />

könnte. Die 6 in die Diskussion eingeschlossenen<br />

Studien, in denen die Therapie auf die<br />

Tumorbehandlung und auf Immunmodulation<br />

fokussierte, waren nicht vergleichbar.<br />

Evidenz gibt es lediglich <strong>aus</strong> Fallserien, Fallberichten<br />

und Meinungen von Experten/Expertinnen<br />

(Klasse-IV-Evidenz) für den Effekt<br />

<strong>der</strong> Immunmodulation (intravenöses Immunglobulin,<br />

Plasma<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch, Steroidtherapie<br />

o<strong>der</strong> Chemotherapie).<br />

Es wären Studien mit homogenen Einschlusskriterien,<br />

Therapiestrategien und Outcome-<br />

Parametern notwendig. Aufgrund <strong>der</strong> geringen<br />

Inzidenz von PNS ist es aber fraglich, ob<br />

solche Studien realisierbar sind. •<br />

Quelle: Giometti B, Vitaliani R, Lindeck-Pozza E, Grisold<br />

W, Vedeler C: Treatment for paraneoplastic neuropathies.<br />

Cochrane Database Syst Rev 2012 Dec 12;<br />

12:CD007625<br />

96


Service –Veranstaltungstermine<br />

The 4 th London-Innsbruck Colloquium on<br />

Status Epilepticus and Acute Seizures<br />

4.–6. April<br />

Radisson Blu Hotel & Conference Centre, Salzburg<br />

Information: M. Schnei<strong>der</strong> Manns Au,<br />

Schnei<strong>der</strong> Manns Au PR & Kommunikation KG<br />

5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1<br />

E-Mail: office@se2013.eu<br />

Webinfo: www.statusepilepticus2013.eu<br />

27. Röntgenseminar – Postgradueller Workshop<br />

10.–13. April<br />

Burghotel Oberlech/Arlberg<br />

Information: KA Rudolfstiftung<br />

Tel.: +43 (0)1/711 65-3107<br />

E-Mail: oberlech@tscholakoff.eu<br />

The 7 th World Congress on Controversies<br />

in Neurology (CONy)<br />

11.–14. April<br />

Istanbul, Türkei<br />

Information: ComtecMed<br />

Tel.: +972 3/566 61 66<br />

Fax: +972 3/566 61 77<br />

E-Mail: cony@comtecmed.com<br />

Webinfo: www.comtecmed.com/cony<br />

Klinische Liquordiagnostik<br />

12.–13. April<br />

Graz<br />

Information: Univ.-Prof. Dr. Juan Archelos-Garcia<br />

Tel.: +43 (0)316/385-84871<br />

Fax: +43 (0)316/385-12342<br />

E-Mail: juan.archelos@medunigraz.at<br />

ÖGN Facharzt<strong>aus</strong>bildungsseminar Sommersemester<br />

18.–20. April<br />

Innsbruck<br />

Information: ÖGN-Sekretariat<br />

9 th International Congress on Mental Disor<strong>der</strong>s<br />

Other Non-Motor Features in Parkinson‘s Disease<br />

and Related Disor<strong>der</strong>s<br />

18.–21. April<br />

Seoul, Südkorea<br />

Information: MDPD 2013 Registration Department<br />

Tel.: +41 22/906-0488<br />

Fax: +41 22/906-9140<br />

E-Mail: mdpd2013_reg@kenes.com<br />

Webinfo: www.kenes.com/mdpd2013<br />

EMG-Seminar im Rahmen des Ausbildungscurriculums<br />

<strong>der</strong> Österreichischen <strong>Gesellschaft</strong> für klinische<br />

Neurophysiologie<br />

19.–20. April<br />

Neurologisches Rehabilitationszentrum Rosenhügel, 1130 Wien<br />

Information: Schnei<strong>der</strong> Gabriele<br />

Tel.: +43 (0)2 88000 266<br />

E-Mail: gabriele.schnei<strong>der</strong>@wienkav.at<br />

Grazer Parkinsontage<br />

19.–20. April<br />

Hotel Paradies, Graz<br />

Information: AG für Neurologie und Psychiatrie<br />

8045 Graz, Auersperggasse 10a<br />

E-Mail: karoline.wenzel@medunigraz.at<br />

39. Jahrestagung <strong>der</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Neuropädiatrie<br />

25.–28. April<br />

Innsbruck<br />

Information: Priv.-Doz. Dr. Kevin Rostásy<br />

E-Mail: neuropaediatrie@intercongress.de<br />

Webinfo: www.neuropaediatrie-congress.de<br />

Neuronuklearmedizin in Klinik & Praxis II<br />

26. April<br />

Linz<br />

Fax: +43 05055462-22247<br />

E-Mail: fortbildung.wj@gespag.at<br />

1. Internationaler Kongress für Neurogeriatrie<br />

2.–4. Mai<br />

Villach<br />

Tel.: +43 (0)4242/420 00-53<br />

Fax.: +43 (0)4242/420 00-42<br />

E-Mail: kathrin.brugger@sanicademia.eu<br />

Neural Stem Cells in Development<br />

and for Brain Repair<br />

4.–12. Mai<br />

Cortona, Italien<br />

Information: Elena Cattaneo<br />

E-Mail: info@nsas.it<br />

International Conference on Recent Advances in<br />

Neurorehabilitation 2013<br />

7.–8. Mai<br />

Valencia, Spanien<br />

E-Mail: info@icranconference.com<br />

Webinfo: www.icranconference.com<br />

25. Praxisseminar über Epilepsie<br />

12.–15. Mai<br />

Gargnano am Gardasee, Italien<br />

E-Mail: post@stiftung-michael.de<br />

Webinfo: www.seminargargnano.de<br />

6 th International Epilepsy Colloquium<br />

20.–24. Mai<br />

Renaissance Cleveland Hotel, Cleveland, USA<br />

Information: Joan Farmer<br />

E-Mail: medcme@case.edu<br />

Webinfo: informatics.case.edu/iec2013/index.php/Main_Page<br />

4 th International Congress on Neuropathic Pain<br />

23.–26. May<br />

Toronto, Kanada<br />

Information: Kenes International<br />

Tel.: + 41 22/908 04 88<br />

E-Mail: neuropathic@kenes.com<br />

Webinfo: www2.kenes.com/Neuropathic/Pages/Home.aspx<br />

104


8. Innsbrucker EEG-Aufbaukurs<br />

24.–26. Mai<br />

Hall in Tirol<br />

Information: pco tyrol congress<br />

Tel.: +43 (0)512/57 56 00<br />

Fax: +43 (0)512/57 56 07<br />

E-Mail: eeg2013@cmi.at<br />

European Stroke Conference<br />

28.–31. Mai<br />

London, Großbritannien<br />

Information: Prof. Michael G. Hennerici<br />

E-Mail: m.g.hennerici@eurostroke.eu<br />

Webinfo: www.eurostroke.org/default.html<br />

26. Jahrestagung <strong>der</strong> Deutschsprachigen<br />

Medizinischen <strong>Gesellschaft</strong> für Paraplegie (DMGP)<br />

5.–8. Juni<br />

Kultur- und Tageszentrum Murnau, Deutschland<br />

Information: Justus G. Appelt/Nadia Al-Hamadi<br />

Tel.: +49 (0)3641/311 63 11-15<br />

Fax: +49 (0)3641/311 62 41<br />

E-Mail: justus.appelt@conventus.at<br />

nadia.al-hamadi@conventus.de<br />

Webinfo: www.conventus.de<br />

Botulinumtoxin-Workshop – Torticollis<br />

6. Juni<br />

Innsbruck<br />

Information: Gabriele Schobesberger<br />

Universitätsklinik für Neurologie Innsbruck<br />

E-Mail: gabriele.schobesberger@i-med.ac.at<br />

Twenty-third Meeting of the<br />

European Neurological Society<br />

8.–11. Juni<br />

Barcelona, Spanien<br />

Information: European Neurological Society<br />

Tel.: +41 61/691 51 11<br />

Fax: +41 61/686 77 88<br />

E-Mail: info@ensinfo.org<br />

Webinfo: www.ensinfo.org<br />

40. Jahrestagung – Deutsche <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Prävention und Rehabilitation von Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen (DGPR) e. V.<br />

14.–15. Juni<br />

Berlin, Deutschland<br />

Tel.: +49 (0)261/30 92 31<br />

Fax: +49 (0)261/30 92 32<br />

E-Mail: info@dgpr.de<br />

Webinfo: www.dgpr.de<br />

Doppler- und Duplexsonographie<br />

<strong>der</strong> hinversorgenden Arterien<br />

15.–16. Juni<br />

Medizinische Universität Innsbruck<br />

Information: Sekretariat des Neurosonologischen Labors<br />

Tel.: +43 (0)512/504 23-871<br />

E-Mail: christine.span@uki.at<br />

ÖGN-Sekretariat: Tanja Weinhart<br />

Skodagasse 14–16, 1080 Wien<br />

Tel.: +43 (0)1/512 80 91-19<br />

E-Mail: oegn@admicos.com<br />

The Movement Disor<strong>der</strong> Society‘s<br />

17 th International Congress of Parkinson‘s Disease<br />

and Movement Disor<strong>der</strong>s<br />

16.–20. Juni<br />

Sydney, Australien<br />

Webinfo: http://www.movementdisor<strong>der</strong>s.org/<br />

congress/past_and_future.php<br />

30 th International Epilepsy Congress Montreal<br />

23.–27. Juni<br />

Montreal, Kanada<br />

Information: ILAE/IBE Congress Secretariat<br />

Tel.: +353 1/205 67 20<br />

Fax: +353 1/205 61 56<br />

E-Mail: montreal@epilepsycongress.org<br />

Webinfo: www.epilepsymontreal2013.org/<br />

2 nd European Neurorehabilitation Congress<br />

27.–29. Juni<br />

Bukarest, Rumänien<br />

Information: The society for the study of Neuroprotection and<br />

Neuroplasticity<br />

Tel.: +40 (0)2/64 43 19 24<br />

E-Mail: contact@ssnn.ro<br />

Webinfo: www.ecnr2013.com/<br />

13 th European Congress of Psychology<br />

9.–12. Juli<br />

Stockholm, Schweden<br />

Webinfo: http://www.ecp2013.se/<br />

Botulinumtoxin-Workshop – Spastizität<br />

12. September<br />

Innsbruck<br />

Information: Gabriele Schobesberger<br />

Universitätsklinik für Neurologie Innsbruck<br />

E-Mail: gabriele.schobesberger@i-med.ac.at<br />

Psychotherapiewoche 2013 – Psychosoziale,<br />

Psychosomatische, Psychotherapeutische Medizin<br />

14.–20. September<br />

Bad Hofgastein<br />

Information:<br />

Tel.: +43 (0)1/804 17 06<br />

Mobil: +43 0664/307 75 85<br />

E-Mail: info@psychotherapiewoche.at<br />

Webinfo: www.psychotherapiewoche.at<br />

86. DGN-Jahreskongress<br />

18.–21. September<br />

Dresden, Deutschland<br />

Webinfo: www.dgn.org<br />

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Service –Veranstaltungstermine<br />

XXI World Congress of Neurology<br />

21.–26. September<br />

Reed Messe Wien<br />

Information: Michal Krasny, Project Manager<br />

E-Mail: mkrasny@kenes.com<br />

o<strong>der</strong> ÖGN-Sekretariat<br />

3 rd World Parkinson Congress<br />

1.–4. Oktober<br />

Montreal, Kanada<br />

E-Mail: info@worldpdcongress.org<br />

Webinfo: www.worldpdcongress.org/<br />

29 th Congress of the European Commitee for<br />

Treatment and Research in Multiple Sclerosis<br />

2.–5. Oktober<br />

Kopenhagen, Dänemark<br />

Webinfo: www.congrex.ch/ectrims2013<br />

ÖGN Neuromuskuläre Erkrankungen<br />

11.–12. Oktober<br />

Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien<br />

Information: ÖGN-Sekretariat<br />

The 8 th International Congress on Vascular<br />

Dementia & The First Cognitive Impairment<br />

European Meeting<br />

17.–20. Oktober<br />

Athen, Griechenland<br />

E-Mail: icvd@kenes.com<br />

Webinfo: www.kenes.com/icvd<br />

ÖGN Schmerzakademie – Modul 1<br />

18.–20. Oktober<br />

Hotel Friesacher, Anif<br />

Information: ÖGN-Sekretariat<br />

11. Neurophysiologisches Wochenende<br />

25.–27. Oktober<br />

Sand in Taufers, Italien<br />

Prüfungsanmeldung: Prof. Dr. Peter Rappelsberger<br />

peter.rappelsberger@meduniwien.ac.at<br />

E-Mail: kurs@neuro-akademie.de<br />

Jahrestagung <strong>der</strong><br />

Österreichischen Parkinsongesellschaft<br />

7.–9. November<br />

Bad Ischl<br />

Information: Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ransmayr<br />

Allgemeines Krankenh<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Stadt Linz, Abteilung für<br />

Neurologie, Krankenh<strong>aus</strong>straße 9, 4020 Linz<br />

E-Mail: neurologie@akh.linz.at<br />

ÖGN Facharzt<strong>aus</strong>bildungsseminar Wintersemester<br />

14.–16. November<br />

Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien<br />

Information: ÖGN-Sekretariat<br />

Botulinumtoxin-Workshop – Aktionsspezifische<br />

Dystonie, Sialorrhö, Hypersalivation<br />

21. November<br />

Innsbruck<br />

Information: Frau Gabriele Schobesberger<br />

Universitätsklinik für Neurologie Innsbruck<br />

E-Mail: gabriele.schobesberger@i-med.ac.at<br />

ÖGN Schmerzakademie – Modul 2<br />

22.–24. November<br />

Hotel Friesacher, Anif<br />

Information: ÖGN-Sekretariat<br />

Termine 2014<br />

ÖGN Schmerzakademie – Modul 3<br />

14.–16. Februar<br />

Hotel Friesacher, Anif<br />

Information: ÖGN-Sekretariat<br />

58. Jahrestagung <strong>der</strong> Deutschen <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Klinische Neurophysiologie und Funktionelle<br />

Bildgebung (DGKN)<br />

20.–23. März<br />

Berlin, Deutschland<br />

Webinfo: www.dgkn-kongress.de<br />

30. International Congress<br />

of Clinical Neurophysiology (ICCN)<br />

21.–24. März<br />

Berlin, Deutschland<br />

Webinfo: www.iccn2014.de<br />

ÖGN Schmerzakademie – Modul 4<br />

11.–13. April<br />

Hotel Friesacher, Anif<br />

Information: ÖGN-Sekretariat<br />

ÖGN Schmerzakademie – Modul 5<br />

23.–25. Mai<br />

Hotel Friesacher, Anif<br />

Information: ÖGN-Sekretariat<br />

ÖGN Pain Summer School<br />

1.–5. Juli<br />

Information: ÖGN-Sekretariat<br />

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