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über Sr. Lia

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Z U m T h e m a<br />

10<br />

„In jeden Napf<br />

ein Löffel Suppe“<br />

Abtei Tokwon<br />

Die zerstörte Pfarrkirche in der Hafenstadt Wonsan<br />

(in der Nähe der Abtei Tokwon) durch das kommunistische<br />

Regime.<br />

von Johannes Mahr<br />

HINTERGRUND<br />

Br. Vitus Stenger OSB wurde am 17. Mai<br />

1908 in Michelbach geboren. Seine zeitliche<br />

Profess legte er 1927 ab und ging<br />

als gelernter Buchbinder im Jahre 1939<br />

nach Tokwon/Korea. Während des Koreakrieges<br />

1949 wurde Br. Vitus verschleppt<br />

und lebte unter extremen Bedingungen<br />

in verschiedenen Lagern in Nordkora bis<br />

er im Jahre 1954 über Nordkorea, China,<br />

Russland und die ehemalige DDR nach<br />

Deutschland heimkehren durfte. Im Jahre<br />

1959 kehrte er jedoch in seine geliebte<br />

Koreamission zurück, dieses Mal ins Kloster<br />

Waegwan. Br. Vitus verstarb am 28.<br />

April 2003.<br />

Nach der Vertreibung der Mönche aus<br />

den Klöstern in Yenki, Mandschurei/<br />

China und Tokwon/Nordkorea wurde<br />

im Süd-Westen von Südkorea 1952 das<br />

Kloster Waegwan gegründet und 1964<br />

zur Abtei erhoben. Mehr als 130 Mönche<br />

gehören heute zur größten Abtei in Asien,<br />

die vor allem in der Seelsorge, Presseapostolat<br />

und in verschiedenen Werkstätten<br />

(Druckerei, Schreinerei, Goldschmiede<br />

etc.) tätig sind.<br />

Auf die Begegnung mit Br. Vitus Stenger<br />

an Ostern 2002 in der Abtei Waegwan<br />

freute ich mich besonders. Er war der letzte,<br />

der in der zerstörten Abtei Tokwon in<br />

(Nord)Korea zwischen 1939 und 1949<br />

noch entscheidende Jahre mit den von<br />

den Kommunisten umgebrachten Münsterschwarzacher<br />

Missionaren erlebt hatte, mit<br />

Br. Petrus Gernert, dem ersten Schwarzacher<br />

Missionar überhaupt, der schon 1909<br />

von St. Ludwig aus nach Korea geschickt<br />

wurde, dort die großen Bauvorhaben überwachte<br />

(ohne das je gelernt zu haben) und<br />

als erster im Gefangenenlager in Oksadok<br />

am 3. Juli 1949 starb, und mit Br. Gregor<br />

Giegerich, dem Elektromeister von Tokwon,<br />

wie Br. Vitus seit 1939 in Korea, der vermutlich<br />

am 4. Oktober in Pjöngjang von<br />

den Kommunisten erschossen wurde. Br.<br />

Petrus und Br. Gregor stehen auf der Liste<br />

jener Märtyrer-Mönche der Ottilianer<br />

Kongregation, für die soeben ein Seligsprechungsprozess<br />

eingeleitet wurde.<br />

Br. Vitus selbst musste vier lange schreckliche<br />

Jahre ins Gefangenenlager Oksadok,<br />

bis er, grau und still wie die anderen<br />

Überlebenden, am 24. Januar 1954 nach<br />

Münsterschwarzach zurückkam. Es war<br />

eine jener Szenen, die keiner vergisst, der<br />

sie erlebt hat. Fünf Jahre später kehrte Br.<br />

Vitus nach Korea zurück und leitete fast<br />

25 Jahre lang die Verlagsbuchbinderei der<br />

Abtei Waegwan.<br />

Er freute sich sichtbar, dass er auf seine alten<br />

Tage noch einmal gefragt wurde nach<br />

einer lang vergangenen Zeit, dass ihm jemand<br />

zuhörte, wenn er von Mitbrüdern erzählte,<br />

die er offenkundig gemocht hatte,<br />

richtete sich mit hellen Augen auf in seinem<br />

Rollstuhl, in dem ihn Br. Bonaventura<br />

liebevoll herumschob – brach nach einer<br />

Weile plötzlich ab, verlor das Ende seiner<br />

Sätze, machte hilflose Gesten und als ihm<br />

vollends die Worte ausgingen, begann er<br />

zu weinen. Ich kam zu spät. Bekümmert<br />

entschuldigte er sich am nächsten Tag,<br />

dass die Erinnerungen nicht mehr zu formulieren<br />

waren, aber als ich mich von ihm<br />

verabschiedete, erhob er sich in seinem<br />

Rollstuhl und umarmte mich so heftig er<br />

konnte, als wolle er mit dieser Geste alles<br />

mitteilen, was sich nicht mehr sagen ließ.<br />

Statt nüchtern die Daten seines Lebens zu<br />

nennen, sei nur von einer denkwürdigen<br />

Szene berichtet, die P. Eligius Kohler aufgeschrieben<br />

hat. Im Gefangenenlager bewahrte<br />

man den selbst angebauten Mais,<br />

der den Winter über reichen musste, in<br />

einer kleinen Hütte auf. Es gab täglich so<br />

wenig davon, dass alle ständig Hunger<br />

hatten. Am 30. Januar 1952 holte Br. Vi-

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