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<strong>Polar</strong>NEWS<br />

Zeits<strong>ch</strong>rift über polare Regionen<br />

www.polar-news.com<br />

Ausgabe 7 /Juni 2008 Auflage 50’000<br />

Ts<strong>ch</strong>ukotka<br />

Eine Reise auf Motors<strong>ch</strong>litten<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

wird zur Abenteuer-Fahrt<br />

S<strong>ch</strong>iffsuntergang<br />

Peter Kunz aus Zür<strong>i<strong>ch</strong></strong> überlebt<br />

den Untergang der «Explorer»<br />

Dinosaurier<br />

Das «Monster» aus Spitzbergen<br />

entpuppt s<strong>i<strong>ch</strong></strong> als Sensation


Expedition<br />

Kaiserpinguin<br />

Snow Hill<br />

8. – 24.10. 2009<br />

Für Astronauten ist es der<br />

Mond. Für m<strong>i<strong>ch</strong></strong> sind es die<br />

Kaiserpinguine auf Snow Hill.<br />

Für Pinguin-Fans einfa<strong>ch</strong><br />

das Spektakulärste.<br />

Das ultimative Erlebnis jedes Pinguin-Fans!<br />

S<strong>i<strong>ch</strong></strong>ern Sie s<strong>i<strong>ch</strong></strong> jetzt Ihren Logenplatz beim grossen Kaiserpinguin-Konzert.<br />

Jetzt bu<strong>ch</strong>en: Die Plätze sind auf dieser<br />

einzigartigen Reise bes<strong>ch</strong>ränkt. Lesen Sie mehr auf der Seite 41.<br />

Detailinfos<br />

www.kontiki-eiszeit.<strong>ch</strong> · 056 203 66 11<br />

www.polar-<strong>reisen</strong>.<strong>ch</strong> · 044 342 36 60<br />

Heiner Kubny<br />

Exklusive Leserreise<br />

mit <strong>Polar</strong>News und<br />

Kontiki-Saga<br />

Ihr Begleiter<br />

Ihr Zuhause<br />

Ihr Abenteuer<br />

<strong>Polar</strong>spezialist<br />

und Fotograf<br />

Heiner Kubny.<br />

Der Eisbre<strong>ch</strong>er<br />

Kapitan<br />

Khlebnikov.<br />

Mit dem<br />

Helikopter zur<br />

Kaiserpinguinkolonie.<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Wieder mal ist es soweit, Sie halten die neuste<br />

Ausgabe von <strong>Polar</strong>NEWS in Ihren<br />

Händen. Viel Lob erhielten wir für die letzte<br />

Ausgabe, es soll bis anhin die beste gewesen<br />

sein! Sol<strong>ch</strong>es Lob tut gut, ma<strong>ch</strong>en wir do<strong>ch</strong><br />

<strong>Polar</strong>NEWS mit viel Liebe zum Detail.<br />

Jedesmal erhalten wir viel Post – vor allem<br />

jene von Kindern lässt uns im Glauben,<br />

unsere Arbeit gut zu ma<strong>ch</strong>en. Wir <strong>mö<strong>ch</strong>te</strong>n<br />

mit <strong>Polar</strong>NEWS weiterhin die S<strong>ch</strong>önheit der<br />

polaren Regionen, aber au<strong>ch</strong> deren Probleme<br />

unseren Lesern näher bringen.<br />

Erinnern Sie s<strong>i<strong>ch</strong></strong> an Pia? Sie su<strong>ch</strong>te in der<br />

letzten Ausgabe einen Mann, der mit ihr ein<br />

Jahr in einer Trapperhütte auf Spitzbergen<br />

leben <strong>mö<strong>ch</strong>te</strong>. Nun, einen Mann hat sie zwar<br />

gefunden. Aber jetzt will sie mit ihm lieber<br />

vor dem warmen Kaminfeuer kus<strong>ch</strong>eln als<br />

auf der Jagd na<strong>ch</strong> Rentieren frieren. Ist au<strong>ch</strong><br />

eine gute Lösung. Herzwärme ist immer<br />

eine gute Lösung! Bloss aus unserer geplanten<br />

Abenteuerges<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>te wird jetzt n<strong>i<strong>ch</strong></strong>ts.<br />

Aber vielle<strong>i<strong>ch</strong></strong>t melden s<strong>i<strong>ch</strong></strong> andere Wag -<br />

halsige bei uns. Wir wären bereit.<br />

E<strong>ch</strong>te Dramatik erlebten die Passagiere auf<br />

der «Explorer», und zwar so, wie man s<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

das nie im Leben wüns<strong>ch</strong>t: Das S<strong>ch</strong>iff<br />

s<strong>ch</strong>lug in der Antarktis leck und sank,<br />

Besatzung und Gäste mussten evakuiert<br />

werden und auf ihre Rettung warten. Lesen<br />

Sie ab Seite 14 den Ber<strong>i<strong>ch</strong></strong>t von Peter Kunz,<br />

der an Bord der «Explorer» war. Und <strong>lesen</strong><br />

Sie ans<strong>ch</strong>liessend den Ber<strong>i<strong>ch</strong></strong>t von Arne<br />

Kertelhein: Er gehörte als Crew-Mitglied<br />

der «Nordnorge» zu jenem S<strong>ch</strong>iff, das die<br />

«Explorer»-Passagiere aus dem Wasser zog.<br />

Ein Drama gle<strong>i<strong>ch</strong></strong>ermassen aus der S<strong>i<strong>ch</strong></strong>t der<br />

zur Rettenden als au<strong>ch</strong> der Retter...<br />

Neue Gebiete erfors<strong>ch</strong>en: <strong>Polar</strong>NEWS<br />

ma<strong>ch</strong>t’s mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>! Im April war <strong>i<strong>ch</strong></strong> mit dabei,<br />

als zum ersten Mal überhaupt Fremde offiziell<br />

das Landesinnere von Ts<strong>ch</strong>ukotka besu<strong>ch</strong>en<br />

durften. Fasziniert vom Land und den<br />

Mens<strong>ch</strong>en ganz im Osten von Russland, entstand<br />

mein Reiseber<strong>i<strong>ch</strong></strong>t (ab Seite 32).<br />

Bereits im kommenden August wird<br />

<strong>Polar</strong>NEWS mit einer grösseren Reise -<br />

gruppe diese Gegend besu<strong>ch</strong>en.<br />

Wir haben also wieder mal viele spannende<br />

Ges<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>ten für Sie zusammengetragen:<br />

Viel Spass beim Lesen!<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

Rosamaria und Heiner Kubny<br />

Inhaltsverze<strong>i<strong>ch</strong></strong>nis<br />

News aus der <strong>Polar</strong>fors<strong>ch</strong>ung 4<br />

Alte Eisbären, resistente Tundravögel, tieftau<strong>ch</strong>ender<br />

Krill und die w<strong>i<strong>ch</strong></strong>tigsten<br />

Down loads.<br />

Tierwelt: Das Walross 6<br />

Die Pfundskerle fressen fast nur Mus<strong>ch</strong>eln.<br />

Aber n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mit ihren Stoss zähnen.<br />

Serie: Vergessene Helden 12<br />

Der deuts<strong>ch</strong>e Klimafors<strong>ch</strong>er Alfred Wegener<br />

entdeckte Pangäa und fand in Grönland den<br />

Tod.<br />

Drama: Untergang der «Explorer» 14<br />

Ein Geretteter und ein Retter erzählen, wie<br />

sie die Katastrophe in der Antarktis erlebten.<br />

Service: Marktplatz 27<br />

Von Karten bis Foulards: Alles, was das<br />

Herz eines <strong>Polar</strong>NEWS-Fans begehrt.<br />

Tierwelt: Pinguin-Mauser 28<br />

Zum We<strong>ch</strong>seln ihres Federkleids haben<br />

Pinguine wenig Zeit. Eine effiziente Lösung<br />

tut Not.<br />

<strong>Polar</strong>NEWS<br />

Seit mehr als 25 Jahren reise <strong>i<strong>ch</strong></strong> mehrmals jährl<strong>i<strong>ch</strong></strong> in<br />

die kanadis<strong>ch</strong>e Arktis. Diesmal war <strong>i<strong>ch</strong></strong> mit einem<br />

erfahrenen Inuitjäger in einem kleinen Fiberglasboot<br />

unterwegs. In der Nähe von Igloolik (Nunavut) näherten<br />

wir uns kurz na<strong>ch</strong> Mitterna<strong>ch</strong>t der Walrossmutter,<br />

die auf einer kleinen Eiss<strong>ch</strong>olle kurz vorher ihr Junges<br />

geboren hatte. So gelang mir eines meiner besten<br />

Walrossbilder.<br />

Norbert Rosing<br />

Abenteuer: Ts<strong>ch</strong>ukotka 32<br />

Heiner Kubny war einer der allerersten<br />

Touristen ganz im wilden Osten von Russ -<br />

land.<br />

Reisen: <strong>Polar</strong>NEWS-Reisen 40<br />

Expeditionen in die Antarktis und die<br />

Arktis: Exklusive Angebote für <strong>Polar</strong>NEWS-<br />

Leser.<br />

Wissens<strong>ch</strong>aft: Dinosaurier 42<br />

Der Fund eines Pliosauriers in Spitz bergen<br />

entwickelt s<strong>i<strong>ch</strong></strong> zur wissens<strong>ch</strong>aftl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en<br />

Sensation.<br />

Dies & Das / Impressum 53<br />

Globi wird endl<strong>i<strong>ch</strong></strong> zum <strong>Polar</strong>fors<strong>ch</strong>er. Den<br />

Film dazu ma<strong>ch</strong>t allerdings die <strong>Polar</strong>NEWS-<br />

Crew.<br />

Lexikon: Antarktis<strong>ch</strong>e Pelzrobbe 54<br />

Sie waren einst fast ausgerottet. Jetzt balzen<br />

die Antarktis<strong>ch</strong>en Seebären wieder.<br />

Die Crew:<br />

Ruedi und Priska Abbühl 58<br />

Das Ehepaar ist für die Swiss mit der<br />

Kamera im ewigen Eis unterwegs.<br />

Zum Titelbild<br />

3


Fors<strong>ch</strong>ung<br />

News aus der <strong>Polar</strong>fors<strong>ch</strong>ung<br />

Antarktis<strong>ch</strong>er Krill<br />

tau<strong>ch</strong>t Tiefenrekord<br />

Die Kapitel über Lebensweise und Tiefen -<br />

verteilung des Antarktis<strong>ch</strong>en Krills müssen<br />

neu ges<strong>ch</strong>rieben werden, na<strong>ch</strong>dem Wissen -<br />

s<strong>ch</strong>aftler des British Antarctic Survey<br />

entlang der Antarktis<strong>ch</strong>en Halb insel ausgewa<strong>ch</strong>senen<br />

Krill (Euphausia superba) in<br />

einer Meerestiefe von 3000 Metern gefunden<br />

haben. Bisher ist man davon ausgegangen,<br />

dass diese bis 6 Zentimeter lange<br />

Leu<strong>ch</strong>t garnele mehrheitl<strong>i<strong>ch</strong></strong> in den obersten<br />

150 Metern der Wassersäule vorkommt.<br />

Krill ist eine der grössten Proteinquellen der<br />

Erde und stellt ein w<strong>i<strong>ch</strong></strong>tiges Glied in der<br />

Nahrungskette des Südozeans dar: Von ihm<br />

ernähren s<strong>i<strong>ch</strong></strong> Pinguine, Fis<strong>ch</strong>e, Bartenwale<br />

und Robben. Seit den siebziger Jahren<br />

s<strong>ch</strong>eint die Menge an Krill um 80 Prozent<br />

zurückgegangen zu sein, was auf die steigenden<br />

Temperaturen zurückgeführt wird –<br />

an der Antarktis<strong>ch</strong>en Halbinsel allein<br />

werden 2,5 Grad höhere Jahres tempe -<br />

raturen gemessen als no<strong>ch</strong> vor 50 Jahren.<br />

Weddellrobbe sammelt Daten<br />

Sie wiegen 100 Gramm, kosten je 15’000<br />

Franken und sollen mithelfen, die Ge heim -<br />

nisse des gefrorenen Südozeans im Winter zu<br />

lüften: kleine Satellitensender. Natürl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

haben s<strong>i<strong>ch</strong></strong> die Zoologen der Universität von<br />

Tasmanien au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> einem geeigneten<br />

«Transporteur» umgesehen: die Weddell -<br />

robbe. Diese antarktis<strong>ch</strong>e Robbenart lebt im<br />

Packeis und tau<strong>ch</strong>t bis über 800 Meter Tiefe<br />

hinab.<br />

Die Sender, wel<strong>ch</strong>e mit Leim am Kopf der<br />

Weddellrobbe befestigt werden, sammeln bei<br />

diesen Tau<strong>ch</strong>gängen Daten über Bewegungs -<br />

muster, Verhalten und Nutzung des Lebens -<br />

raums. Au<strong>ch</strong> ozeanografis<strong>ch</strong>e Werte werden<br />

gemessen wie Temperatur und Salzgehalt des<br />

Wassers. Zoologen wie au<strong>ch</strong> Meeresfors<strong>ch</strong>er<br />

hatten bisher no<strong>ch</strong> keine Mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>keit, Daten<br />

von unterhalb des winterl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Packeises zu<br />

erhalten, weil diese Region während dieser<br />

Zeit für S<strong>ch</strong>iffe unerre<strong>i<strong>ch</strong></strong>bar ist. Die Weddell -<br />

robbe, das südl<strong>i<strong>ch</strong></strong>ste Säugetier der Erde, hilft<br />

jetzt also mit, spannende Fragen zu lösen. So<br />

interessiert zum Beispiel, wie Tiere an der<br />

Spitze der Nahrungskette auf klimabedingte<br />

Veränderungen des Meereises reagieren.<br />

(Quelle: University of Tasmania)<br />

Zusammengestellt von Peter Balwin<br />

(Quelle: Current Biology)<br />

Tundravögel entwickeln<br />

Resistenz gegen Antibiotika<br />

Selbst Vögel, die auf der mens<strong>ch</strong>enleeren<br />

Tundra der Arktis leben, sind resistent gegen<br />

Antibiotika. Dies belegt eine Studie der<br />

Universität Uppsala. Die s<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>en<br />

Fors<strong>ch</strong>er nahmen Kotproben von 97<br />

Tundravögeln aus dem Norden Sibiriens, aus<br />

Nordalaska und dem nördl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Grönland,<br />

unter anderen von Berg- und Alpenstrand -<br />

läufer, Eis- und <strong>Polar</strong>möwe und S<strong>ch</strong>neegans.<br />

Spezialisten für Infektions krankheiten staunten<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, als sie in diesen Proben<br />

antibiotikaresistente Colibakterien fanden –<br />

s<strong>ch</strong>liessl<strong>i<strong>ch</strong></strong> stammen die Vögel aus extrem<br />

abgelegenen Tundragebieten, wo Kontakte<br />

zu Mens<strong>ch</strong>en ausges<strong>ch</strong>lossen sind. Die<br />

Vögel zeigten Resistenzen auf 14 von den<br />

insgesamt 17 getesteten Antibiotikatypen.<br />

Als die wahrs<strong>ch</strong>einl<strong>i<strong>ch</strong></strong>ste von mehreren<br />

Erklärungen wird angeführt, dass Vögel aus<br />

diesen Regionen den Winter auf se<strong>ch</strong>s vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Kontinenten verbringen und auf<br />

ihrem Zugweg antibiotikaresistente Bak terien<br />

aufnehmen und in die Arktis transportieren.<br />

Diese Funde bestätigen einmal mehr, dass die<br />

Antibiotikaresistenz zu einem weltweiten<br />

Phänomen geworden ist. Und dass alle<br />

Regionen der Erde davon betroffen sind –<br />

ausgenommen mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>erweise die Antarktis.<br />

(Quelle: Emerging Infectious Diseases,<br />

Januar 2008)<br />

Eisbär ist älter als geda<strong>ch</strong>t<br />

Der Fund eines alten Kieferkno<strong>ch</strong>ens auf<br />

Spitzbergen lässt die Lebensges<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>te des<br />

Eisbären in neuem L<strong>i<strong>ch</strong></strong>t ers<strong>ch</strong>einen. Der<br />

Kno<strong>ch</strong>en lag eingebettet in die Sedi ment -<br />

s<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>ten bei Poolepynten auf Prins Karls<br />

Forland, wo er dur<strong>ch</strong> Wissens<strong>ch</strong>aftler der<br />

Uni versität von Island gefunden wurde. Der<br />

23 Zentimeter lange Kieferkno<strong>ch</strong>en liess s<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

eindeutig einem Eisbären zuordnen.<br />

Sein Alter wurde auf maximal 130’000 Jahre<br />

bestimmt, was ihn rund doppelt so alt ma<strong>ch</strong>t<br />

wie der bisher älteste (vermeintl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e) Eisbären -<br />

kno<strong>ch</strong>en aus London. Der Fund zeigt, dass der<br />

Eisbär seit gut 100’000 Jahren eine morphologis<strong>ch</strong><br />

ausgeprägte Tierart darstellt, und trägt<br />

deshalb dazu bei, der no<strong>ch</strong> ungelösten Frage<br />

einen S<strong>ch</strong>ritt näher zu kommen: Wann genau<br />

begann s<strong>i<strong>ch</strong></strong> der Eisbär als eigene Art zu entwickeln<br />

und von seinem Artverwandten, dem<br />

Braunbären, zu trennen?<br />

UN-Report zum Downloaden<br />

Das Umweltprogramm der Vereinten Natio -<br />

nen (Unep) hat einen 64-seitigen Be r<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

publiziert über die Gefahren der Klima er -<br />

wärmung für arktis<strong>ch</strong>e Gewässer. Das Gut -<br />

a<strong>ch</strong>ten formuliert au<strong>ch</strong> den weltweiten Ein -<br />

fluss von Ver s<strong>ch</strong>mutzung, Raubbau, gebietsfremden<br />

Arten und Klimaveränderung auf die<br />

Weltmeere. Download in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e<br />

unter www.unep.org/pdf/InDeadWater_LR.pdf.<br />

(Quelle: WWF und Unep)<br />

Grundlagen kurz und bündig<br />

Der WWF International stellt auf der<br />

Webseite zu seinem Arktisprogramm zahlre<strong>i<strong>ch</strong></strong>e<br />

ho<strong>ch</strong>interessante Grundlagenpapiere<br />

über aktuelle Themen der Arktis zum<br />

Download zur Verfügung. Die in englis<strong>ch</strong>er<br />

Spra<strong>ch</strong>e gs<strong>ch</strong>riebenen Ber<strong>i<strong>ch</strong></strong>te fassen das<br />

W<strong>i<strong>ch</strong></strong>tigste über Klimaveränderungen in der<br />

Arktis, Eisbären, Ölvers<strong>ch</strong>mutzung, Wale<br />

und weitere Themen auf wenigen Seiten<br />

zusammen. Zu finden unter diesem Link:<br />

www.panda.org/arctic/publications.<br />

(Quelle: WWF Arctic Bulletin)<br />

Bauplatz Südpol<br />

Am geografis<strong>ch</strong>en Südpol mitten in der<br />

Antarktis haben die USA im Januar eine<br />

brandneue Fors<strong>ch</strong>ungsstation eingeweiht.<br />

Dies ist das dritte Bauwerk seit 1957 am südl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en<br />

Ende der Erda<strong>ch</strong>se. Die neue<br />

Amundsen-Scott-Südpolstation ist grösser,<br />

moderner, s<strong>i<strong>ch</strong></strong>erer und gilt als ar<strong>ch</strong>itektonis<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>öner als deren Vorgänger. Die<br />

Bauzeit betrug 12 Südsommer. Mit 925<br />

Materialflügen wurden rund 1100 Tonnen<br />

Baumaterialien heranges<strong>ch</strong>afft.<br />

(Quelle: National Science Foundation NSF)<br />

Baffininsel ist bald eisfrei<br />

Auf der kanadis<strong>ch</strong>en Baffininsel, der fünftgrössten<br />

Insel der Erde, s<strong>ch</strong>melzen die<br />

Eiskappen. Über 20 kleinere Eiskappen mit<br />

bis zu 7 Kilometern Ausdehnung und rund<br />

100 Metern Dicke im nördl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Teil dieser<br />

Arktisinsel sind jetzt kleiner als jemals zuvor<br />

in den vergangenen 1600 Jahren. In den letzten<br />

fünfzig Jahren sind sie um die Hälfte<br />

ges<strong>ch</strong>rumpft. Man befür<strong>ch</strong>tet, dass die globale<br />

Erwärmung diese Eisfelder bis zur Mitte<br />

unseres Jahrhunderts gänzl<strong>i<strong>ch</strong></strong> zum Ver -<br />

s<strong>ch</strong>winden gebra<strong>ch</strong>t haben wird.<br />

(Quelle: University of Colorado at<br />

Boulder/UCB)<br />

(Quelle: BBC News)<br />

4 <strong>Polar</strong> NEWS<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

5


Tierwelt<br />

Der sanfte Koloss<br />

Walrosse ernähren s<strong>i<strong>ch</strong></strong> fast nur von kleinen Mus<strong>ch</strong>eln. Wie bringen sie die aus dem<br />

Boden? Mit ihren Stosszähnen, vermutete man bisher. Das stimmt n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t.<br />

<strong>Polar</strong> NEWS


Von Peter Balwin (Text)<br />

und Norbert Rosing (Bilder)<br />

Rund um den Nordpol lebt ein Tier, das es<br />

dem Mens<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>on immer angetan hat –<br />

im guten wie im s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Sinne. Dabei<br />

kennen wir Mitteleuropäer dieses arktis<strong>ch</strong>e<br />

Charaktertier seit erst fünfhundert Jahren.<br />

Vielen, denen es vergönnt war, diesem Tier<br />

wenigstens einmal im Leben gegenüber zu<br />

stehen, begegnen ihm heute no<strong>ch</strong> mit einer<br />

undefinierbaren Mis<strong>ch</strong>ung aus Neugierde,<br />

Abneigung, Faszination und einem kleinen<br />

biss<strong>ch</strong>en widerwilligem S<strong>ch</strong>audern vielle<strong>i<strong>ch</strong></strong>t:<br />

das Walross!<br />

Die grösste Robbe der nördl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Halbkugel<br />

erhielt von Anbeginn ihrer Kontakte zu europäis<strong>ch</strong>en<br />

Seefahrern des 16. Jahrhunderts<br />

keine löbl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Attribute zugespro<strong>ch</strong>en. Der<br />

erste Eindruck von einem Walross sei «kein<br />

günstiger», wusste Tierfors<strong>ch</strong>er Alfred<br />

Brehm selbst no<strong>ch</strong> in den 1870er-Jahren in<br />

seinem berühmten «Thierleben» zu ber<strong>i<strong>ch</strong></strong>ten.<br />

Das «ozeanis<strong>ch</strong>e Monsters<strong>ch</strong>wein» oder<br />

die «Meereskuh» trug «sta<strong>ch</strong>lige Bürsten<br />

rund um sein O<strong>ch</strong>senmaul» (1671) und regte<br />

die Phantasie der damaligen Entdecker<br />

regelre<strong>ch</strong>t an. Das «Seepferd mit zwei langen,<br />

abstehenden Zähnen» (Holland, 1578)<br />

«klettert mit seinen Zähnen auf die Gipfel<br />

der Felsen, von wo es s<strong>i<strong>ch</strong></strong> wieder zurück ins<br />

Meer wälzt – falls es n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t an den Felsen<br />

hängen bleibt, vom S<strong>ch</strong>lafe überras<strong>ch</strong>t»<br />

(Olaus Magnus, 1539).<br />

Bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert hatte<br />

no<strong>ch</strong> kaum jemand bei uns ein e<strong>ch</strong>tes<br />

Walross gesehen – oder als sol<strong>ch</strong>es erkannt.<br />

Die markanten Stosszähne dieser riesigen<br />

Robbe hingegen waren seit dem 9.<br />

Jahrhundert begehrte Handelsobjekte. So<br />

etwa zahlte das Bistum der Wikinger auf<br />

Grönland 1282 seinen Zehnten an Rom in<br />

O<strong>ch</strong>senhäuten, Robbenfellen und –<br />

Walrosszähnen. Im Jahre 1520 wollte ein<br />

Bis<strong>ch</strong>of im norwegis<strong>ch</strong>en Trondheim wohl<br />

besonders gut dastehen, indem er n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t nur<br />

die Zähne des Walrosses na<strong>ch</strong> Rom lieferte,<br />

sondern gle<strong>i<strong>ch</strong></strong> den ganzen eingesalzenen<br />

Kopf an Papst Leo X. spedierte. Jener<br />

Walrosskopf, unterwegs in die Heilige Stadt,<br />

wurde via Strassburg befördert, wo ihn der<br />

Maler Albre<strong>ch</strong>t Dürer meisterhaft abze<strong>i<strong>ch</strong></strong>nete<br />

und so den wissbegierigen Mens<strong>ch</strong>en<br />

Europas zum ersten Mal eine brau<strong>ch</strong>bare<br />

Darstellung dieses «Ungeheuers» lieferte.<br />

Mit der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> einem s<strong>ch</strong>nelleren Weg<br />

zu den Gewürzinseln im Fernen Osten sta<strong>ch</strong>en<br />

im 16. und 17. Jahrhundert immer mehr<br />

europäis<strong>ch</strong>e Expeditionen in See und nahmen<br />

Kurs in die Arktis. Den ersehnten<br />

Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>lupf na<strong>ch</strong> Japan fanden sie allerdings<br />

dann no<strong>ch</strong> n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t, aber jede dieser oft<br />

tragis<strong>ch</strong> verlaufenden S<strong>ch</strong>iffs<strong>reisen</strong> lüftete<br />

den S<strong>ch</strong>leier des Unbekannten über der<br />

Arktis mehr und mehr. Ges<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>ten über<br />

neue Inseln, fremdartige Mens<strong>ch</strong>en und seltsame<br />

Tiere erre<strong>i<strong>ch</strong></strong>ten die Handelsherren in<br />

Europa. Und die ersten gefangenen «Wal -<br />

pferde» fanden ihren Weg wiederholt und<br />

unfreiwillig zu den staunenden Aristokraten,<br />

das erste na<strong>ch</strong>weisl<strong>i<strong>ch</strong></strong> im Jahre 1608.<br />

Damals jedo<strong>ch</strong> versetzte n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t das Walross<br />

die Kommerzialräte, Navigatoren und Com -<br />

pa nien in Aufregung, sondern die Meldung<br />

von arktis<strong>ch</strong>en Meeren, in denen es vor lauter<br />

Wal-Leibern zu brodeln s<strong>ch</strong>ien. Die Jagd<br />

auf Wale in Spitzbergen und Grönland galt<br />

damit als eröffnet, mit den bekannten tragis<strong>ch</strong>en<br />

Konsequenzen für die Walpopu -<br />

lationen, die wir heute, 400 Jahre später,<br />

immer no<strong>ch</strong> deutl<strong>i<strong>ch</strong></strong> wahrnehmen können.<br />

Erst als es bald keine Wale mehr zu erlegen<br />

gab, wandte man s<strong>i<strong>ch</strong></strong> notgedrungen anderen<br />

Tierarten zu – und das Walross geriet ins<br />

Visier der erbarmungslosen Robbenjäger.<br />

«Sie werden alleine umb der Zähne gefangen»,<br />

gibt Frider<strong>i<strong>ch</strong></strong> Martens in seiner<br />

Reisebes<strong>ch</strong>reibung von 1671 zu. Und weiter<br />

s<strong>ch</strong>reibt er: «Wann der Wall Ross getödtet<br />

ist, hauet man ihm den Kopf abe, den Leib<br />

lassen sie liegen oder lassen ihn im Wasser<br />

treiben. Den Kopf nehmen sie mit an das<br />

S<strong>ch</strong>iff, da werden die Zähne aussgehauen,<br />

die zwo grossen Zahn gehören den Redern<br />

oder Kauffleuten des S<strong>ch</strong>iffes, die kleinen<br />

Backen-Zähn werden wenig gea<strong>ch</strong>tet.»<br />

Der Zahnläufer als Ziels<strong>ch</strong>eibe<br />

Die Gier na<strong>ch</strong> diesen beiden hauerartig verlängerten<br />

oberen Eckzähnen ma<strong>ch</strong>te den<br />

Walrossen beinahe den Garaus. Diese Zähne<br />

lieferten das von alters her begehrte Elfen -<br />

bein für S<strong>ch</strong>nitzereien, wel<strong>ch</strong>es über Jahr -<br />

hunderte hinweg gesu<strong>ch</strong>t war, weshalb das<br />

Walross weit oben stehen blieb auf der Jagd -<br />

liste europäis<strong>ch</strong>er und nordamerikanis<strong>ch</strong>er<br />

Ges<strong>ch</strong>äftsleute. Man s<strong>ch</strong>ätzt, dass es in<br />

Nordamerika und dem europäis<strong>ch</strong>en Nord -<br />

polar gebiet viele hunderttausend Walrosse<br />

gegeben haben musste, bevor die Europäer<br />

die Neue Welt entdeckten.<br />

Im späten 18. Jahrhundert, als der Walfang<br />

zu Ende ging, begann die kommerzielle Jagd<br />

auf Walrosse. N<strong>i<strong>ch</strong></strong>t nur das Elfenbein der<br />

Hauer war begehrt. Walrosse mit ihrer bis zu<br />

zehn Zentimeter dicken Specks<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>t lieferten<br />

Öl. Und au<strong>ch</strong> die zwei bis vier Zenti -<br />

Wenn s<strong>i<strong>ch</strong></strong> ein Eisbär einer Walrossherde nähert, kann s<strong>ch</strong>on mal Panik ausbre<strong>ch</strong>en. Dann stürzen s<strong>i<strong>ch</strong></strong> die Tiere Hals über Kopf ins Wasser.<br />

meter starke Haut wurde verwertet; unter<br />

anderem stellte man daraus Treibriemen für<br />

Mas<strong>ch</strong>inen her. Se<strong>ch</strong>zig oder mehr Männer<br />

könnten an einem Walross-Lederriemen ziehen,<br />

ohne ihn zu zerreissen, heisst es in<br />

einem Dokument aus dem 13. Jahrhundert.<br />

Das Abs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ten nahm ein ungeheuerl<strong>i<strong>ch</strong></strong>es<br />

Ausmass an. Bis zur Mitte des 20. Jahr -<br />

hunderts ist die gesamte Population des<br />

Atlantis<strong>ch</strong>en Walrosses (Odobenus rosmarus<br />

rosmarus) in jedem Winkel seines Ver -<br />

breitungsgebietes beinahe völlig ausgerottet<br />

worden. Die Gesetze zum S<strong>ch</strong>utz dieser <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>en<br />

Robbe in den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Anrainerstaaten der Arktis kamen fast zu<br />

spät. Als Erste erkannten die Russen den<br />

Ernst der Lage und erliessen bereits 1921<br />

Jagdvors<strong>ch</strong>riften, wel<strong>ch</strong>e 1956 no<strong>ch</strong> ausgeweitet<br />

wurden, so dass seither nur no<strong>ch</strong> die<br />

Ureinwohner Russlands, für wel<strong>ch</strong>e die Jagd<br />

Lebensgrundlage ist, dort in bes<strong>ch</strong>ränktem<br />

Masse Walrossen na<strong>ch</strong>stellen dürfen.<br />

Ähnl<strong>i<strong>ch</strong></strong>es gilt au<strong>ch</strong> für Grönland, an dessen<br />

wilder Ostküste 1956 ein vollständiges Jagd -<br />

verbot für Walrosse verhängt wurde. Trotz -<br />

dem werden heute no<strong>ch</strong> jedes Jahr 20 bis 30<br />

dieser Tiere erlegt. An der grönländis<strong>ch</strong>en<br />

Westküste hingegen ist eine na<strong>ch</strong>haltige Jagd<br />

für Einheimis<strong>ch</strong>e erlaubt. Kanada zog An -<br />

fang der dreissiger Jahre na<strong>ch</strong>, und in Alaska<br />

ist die Jagd heute den Ureinwohnern (Indi -<br />

anern, Aleuten und Eskimos) vorbehalten.<br />

In Spitzbergen sind diese Tiere seit 1952<br />

vollständig ges<strong>ch</strong>ützt, als klar wurde, dass<br />

damals dort gerade mal rund hundert<br />

Walrosse das Gemetzel überlebt hatten.<br />

Abgesehen von denjenigen Walrossen, die<br />

heute no<strong>ch</strong> Jagdopfer der indigenen Völker<br />

werden, kann s<strong>i<strong>ch</strong></strong> der urtüml<strong>i<strong>ch</strong></strong>e «Zahn -<br />

läufer», wie Odobenus auf Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> heisst,<br />

heute endl<strong>i<strong>ch</strong></strong> wieder unbekümmert an den<br />

Stränden der kalten Küsten ausruhen. Seit<br />

gut einem dreiviertel Jahrhundert stehen die<br />

Vertreter der beiden Walross-Unterarten, des<br />

Atlantis<strong>ch</strong>en und des Pazifis<strong>ch</strong>en, mehr oder<br />

minder unter S<strong>ch</strong>utz.<br />

S<strong>ch</strong>wergew<strong>i<strong>ch</strong></strong>tige Unterarten<br />

Und jetzt bemerken wir Mens<strong>ch</strong>en, dass wir<br />

von diesem Tier, das so lange verfolgt wurde,<br />

no<strong>ch</strong> gar n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t alles aus seinem spannenden<br />

Leben kennen. Dabei tummelten s<strong>i<strong>ch</strong></strong> die<br />

ersten Walrosse bereits vor 18 Millio nen<br />

Jahren in den Gewässern des frühen<br />

Miozäns. No<strong>ch</strong> vor etwa 2000 Jahren gehörte<br />

das Walross zur ganz normalen Tierwelt<br />

der Nordsee, wohin es s<strong>i<strong>ch</strong></strong>, nota bene, hin<br />

und wieder immer no<strong>ch</strong> zurück verirrt: Aus<br />

dem 20. Jahrhundert gibt es se<strong>ch</strong>s gemeldete<br />

Walross-Beoba<strong>ch</strong>tungen aus der Nordsee.<br />

Während Zoologen – hätte es sie dann s<strong>ch</strong>on<br />

gegeben – in prähistoris<strong>ch</strong>er Zeit 13 Arten<br />

des Walrosses hätten unters<strong>ch</strong>eiden können,<br />

Brehm bes<strong>ch</strong>rieb die Tasthaare einst abs<strong>ch</strong>ätzig als «sta<strong>ch</strong>elige Bürsten rund um sein O<strong>ch</strong>senmaul».<br />

R<strong>i<strong>ch</strong></strong>tig ist: Sie sind ein ho<strong>ch</strong>sensibles Instrument für die Nahrungssu<strong>ch</strong>e.<br />

kommt heute nur mehr eine Art vor, das<br />

Walross eben, oder Odobenus rosmarus.<br />

Allerdings unters<strong>ch</strong>eiden Fa<strong>ch</strong>leute zwei<br />

Unterarten, deren Trennung gute 500’000<br />

bis 785’000 Jahre zurück liegt und deren<br />

körperl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e Unters<strong>ch</strong>iede selbst für Laien<br />

erkennbar sind.<br />

Da sind zum einen die 20’000 bis 30’000<br />

Individuen des Atlantis<strong>ch</strong>en Walrosses<br />

(Odobenus rosmarus rosmarus) «unserer»<br />

Region. Sein Lebensraum re<strong>i<strong>ch</strong></strong>t von der<br />

zentralen kanadis<strong>ch</strong>en Arktis über Grönland<br />

und Spitzbergen bis zur russis<strong>ch</strong>en Karasee<br />

östl<strong>i<strong>ch</strong></strong> von Nowaja Semlja. Während die 3,5<br />

Meter langen Männ<strong>ch</strong>en bis 1500 Kilo -<br />

gramm auf die Waage bringen, s<strong>ch</strong>einen die<br />

Weib<strong>ch</strong>en mit ihrer Körperlänge von 2,5<br />

Metern und einem Gew<strong>i<strong>ch</strong></strong>t von 700 bis 900<br />

Kilogramm geradezu zierl<strong>i<strong>ch</strong></strong>. No<strong>ch</strong> weiter<br />

östl<strong>i<strong>ch</strong></strong> an der Nordküste Sibiriens stösst man<br />

auf das Laptev-Walross (Odobenus rosmarus<br />

laptevi), wel<strong>ch</strong>es man<strong>ch</strong>mal als dritte Unter -<br />

art angeführt wird.<br />

Zum anderen leben in der Region der Beringstrasse<br />

zwis<strong>ch</strong>en Russland und Alaska etwa<br />

200’000 Tiere, die zur Unterart des Pazi fi -<br />

s<strong>ch</strong>en Walrosses (Odobenus rosmarus divergens)<br />

gehören. Sie sind merkl<strong>i<strong>ch</strong></strong> grösser als<br />

ihre europäis<strong>ch</strong>en Artver wandten. Ein<br />

Männ<strong>ch</strong>en bringt dort s<strong>ch</strong>nell mal 1700<br />

Kilogramm auf die Waage und erre<strong>i<strong>ch</strong></strong>t eine<br />

Körperlänge von 4 Metern. Au<strong>ch</strong> die Zähne<br />

sind beim Pazifis<strong>ch</strong>en Walross länger und<br />

ers<strong>ch</strong>einen deshalb s<strong>ch</strong>ön auseinander gebogen<br />

oder weggedreht (lateinis<strong>ch</strong> divergens).<br />

Typis<strong>ch</strong> für diese Unterart sind die Fotos, die<br />

wir alle s<strong>ch</strong>on irgendwo einmal gesehen<br />

haben: Weite Strände, von denen man<br />

eigentl<strong>i<strong>ch</strong></strong> gar n<strong>i<strong>ch</strong></strong>ts sieht – weil jeder Qua -<br />

dratmeter von einem dicken, rosaroten<br />

Walross belegt ist und s<strong>i<strong>ch</strong></strong> Tausende dieser<br />

Tiere ins Bild drängeln...<br />

Wedeln beim Essen<br />

Walrosse ernähren s<strong>i<strong>ch</strong></strong> hauptsä<strong>ch</strong>l<strong>i<strong>ch</strong></strong> von<br />

eher kleinen Lebewesen des Meeresgrundes<br />

(des Benthals). So stehen etwa benthis<strong>ch</strong>e<br />

Wirbellose wie zweis<strong>ch</strong>alige Mus<strong>ch</strong>eln (zum<br />

Beispiel die Felsenbohrmus<strong>ch</strong>el, au<strong>ch</strong><br />

Nordis<strong>ch</strong>er Steinbohrer genannt) ganz oben<br />

auf der Menükarte. Für Abwe<strong>ch</strong>slung auf<br />

dem Speisezettel sorgen Tintenfis<strong>ch</strong>e,<br />

<strong>Polar</strong>dors<strong>ch</strong>, Würmer, Krabben und Floh -<br />

krebse, Seegurken – und ab und zu eine<br />

Ringelrobbe.<br />

N<strong>i<strong>ch</strong></strong>ts geht einem Walross aber über seine<br />

geliebten Mus<strong>ch</strong>eln. S<strong>ch</strong>ätzungen zufolge<br />

konsumiert ein Walross dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittl<strong>i<strong>ch</strong></strong> 6,2<br />

Prozent seines Körpergew<strong>i<strong>ch</strong></strong>tes dur<strong>ch</strong> den<br />

Verzehr von wirbellosen Tieren des Meeres -<br />

grundes. Umgere<strong>ch</strong>net heisst das, dass ein<br />

1000 Kilogramm wiegendes Walross jeden<br />

Tag 180 bis 240 Kilogramm an Mus<strong>ch</strong>eln<br />

auss<strong>ch</strong>lürfen muss, um an die notwendige<br />

tägl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e Ration von 60 Kilogramm we<strong>i<strong>ch</strong></strong>em<br />

Mus<strong>ch</strong>elfleis<strong>ch</strong> zu gelangen. Zu diesem<br />

Zweck muss ein Walross zwis<strong>ch</strong>en 4000 und<br />

6000 Mus<strong>ch</strong>eln pro Tag aufspüren. Führen<br />

wir dieses Unterwasserre<strong>ch</strong>nen no<strong>ch</strong> etwas<br />

weiter, so kommen wir auf die stolze Zahl<br />

von 8900 Tonnen Nahrung, wel<strong>ch</strong>e allein die<br />

gesamte Population des Pazifis<strong>ch</strong>en Wal -<br />

rosses in der Region des Beringmeeres jeden<br />

Tag vers<strong>ch</strong>lingt – oder 3,2 Millionen Tonnen<br />

pro Jahr.<br />

Weil s<strong>i<strong>ch</strong></strong> die Mahlzeiten in den obersten,<br />

s<strong>ch</strong>lammigen S<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>ten des Meeresbodens<br />

verstecken, muss ein Walross gehörig Staub<br />

aufwirbeln, um an sein Mittagessen zu<br />

gelangen. Die Nahrungssu<strong>ch</strong>e des Walrosses »<br />

8<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

<strong>Polar</strong> NEWS 9


Antarktis-Expeditionsreise<br />

7. bis 26. Februar 2009<br />

Mit dem neuen Luxus-S<strong>ch</strong>iff von<br />

Silversea, der «Prinz Albert II»<br />

Die beliebte «World Discoverer» ist<br />

zurück! Renoviert und vers<strong>ch</strong>önert<br />

fährt Sie ab sofort für die bekannte<br />

Luxus-Reederei Silversea. Kommen<br />

Sie mit an Bord und entdecken Sie die<br />

einzigartigen Naturs<strong>ch</strong>önheiten der<br />

Antarktis.<br />

Highlights:<br />

• Besu<strong>ch</strong> der antarktis<strong>ch</strong>en Halbinsel<br />

• Majestätis<strong>ch</strong>e Eisberge<br />

• Einzigartige Tierwelt<br />

• Kuoni-Reiseleitung ab/bis S<strong>ch</strong>weiz<br />

Ihr Reiseprogramm:<br />

7.2.09 Zür<strong>i<strong>ch</strong></strong>–BuenosAires mit Lufthansa<br />

2 Überna<strong>ch</strong>tungen in Buenos Aires<br />

9.2.09 Buenos Aires – Ushuaia<br />

Eins<strong>ch</strong>iffung auf die Prinz Albert II<br />

11./12.2.09 Falkland Inseln inkl. Stanley<br />

15./16.2.09 Südgeorgien<br />

18./19.2.09 Südorkney-/Südshetland-Inseln<br />

20.–22.2.09 Antarktis<strong>ch</strong>e Halbinsel<br />

23./24.2.09 Drake Passage<br />

25.2.09 Auss<strong>ch</strong>iffung in Ushuaia.<br />

Flug na<strong>ch</strong> BuenosAires – Zür<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

(Ankunft 26.2.09)<br />

Alle n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t genannten Tage sind Seetage.<br />

Preise:<br />

Bu<strong>ch</strong>ungscode: 1SL ANTARC<br />

Suiten-Kategorie Deck Preis / Person<br />

View Suite Deck 3 Fr. 17990.–<br />

Vista Suite Deck 4 Fr. 18590.–<br />

Weitere Kategorien und Suiten zur Alleinbenützung gegen<br />

Zus<strong>ch</strong>lag auf Anfrage mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>. Preisänderungen vorbehalten.<br />

Im Preis inbegriffen:<br />

• An- und Rückreise Zür<strong>i<strong>ch</strong></strong> –Buenos Aires–<br />

Zür<strong>i<strong>ch</strong></strong> sowie alle benötigten Transfers<br />

• Hotelunterkunft in Buenos Aires<br />

• Charterflug Buenos Aires–Ushuaia (retour)<br />

• Unterkunft in der gebu<strong>ch</strong>ten Suiten-<br />

Kategorie mit Vollpension<br />

• Kuoni-Reiseleitung ab/bis S<strong>ch</strong>weiz (ab 15 P.)<br />

• Lektorenvorträge an Bord<br />

• Halbtägige Stadtrundfahrt in Buenos Aires<br />

• Teils kostenlose, geführte Landausflüge<br />

• Getränke an Bord (inkl.Champagner/Weine)<br />

• Hafentaxen und Trinkgelder<br />

Im Preis n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t inbegriffen:<br />

• Anwendungen im Spa Bere<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

• Oblig. Annullationskosten-Vers<strong>i<strong>ch</strong></strong>erung<br />

• Evtl. Bu<strong>ch</strong>ungsgebühren Ihrer Bu<strong>ch</strong>ungsstelle<br />

Es gelten die «Allgemeinen Reise- und Vertragsbedingungen»<br />

der Reederei sowie der Kuoni Reisen AG.<br />

Wir beraten Sie gerne per Telefon: 044 277 49 36 (Mo–Fr 9 –18 Uhr),<br />

in Ihrer Kuoni Filiale oder in jedem anderen guten Reisebüro.<br />

An Land wirken Walrosse plump und s<strong>ch</strong>werfällig. Do<strong>ch</strong> im Wasser manövrieren sie flink und s<strong>ch</strong>nell.<br />

Dann geht man ihnen s<strong>i<strong>ch</strong></strong>erheitshalber besser aus dem Weg.<br />

am Meeresgrund führt deshalb ganz nebenbei<br />

dazu, dass grosse Mengen der oberen<br />

Sediments<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>t stark umgepflügt werden.<br />

Dies wiederum könnte wesentl<strong>i<strong>ch</strong></strong> dazu beitragen,<br />

dass die Produktivität in den Nah -<br />

rungsgebieten der Walrosse mä<strong>ch</strong>tig angeheizt<br />

wird, weil dur<strong>ch</strong> das Pflügen Nähr -<br />

stoffe freigesetzt werden. Ohne das Zutun<br />

der Walrosse würden diese Stoffe im Boden -<br />

s<strong>ch</strong>lick einges<strong>ch</strong>lossen bleiben.<br />

Für ein Walross heisst essen also gle<strong>i<strong>ch</strong></strong>zeitig<br />

au<strong>ch</strong> tau<strong>ch</strong>en. Das Meer sollte aber n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

tiefer als rund 80 Meter sein. Am Meeres -<br />

grund angekommen, bringt das Walross ein<br />

weiteres Merkmal seines ur<strong>ch</strong>igen Aus -<br />

sehens ins Spiel, die Tastborsten auf der<br />

Nase, au<strong>ch</strong> Vibrissae genannt. 600 bis 700<br />

sol<strong>ch</strong>er Nasenhaare – mehr als bei anderen<br />

Robben arten – zieren eine Walrosss<strong>ch</strong>nauze<br />

und geben dem Tier sein typis<strong>ch</strong> unrasiertes<br />

Äusseres.<br />

Diese Borsten sind empfindl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e Organe,<br />

jede einzelne ist mit Nerven und Blutbahnen<br />

versorgt und an kleine Muskeln angehängt.<br />

Walrosse können die Tasthaare also gruppenweise<br />

bewegen und mit ihrer Hilfe Form<br />

und Grösse ihrer Beute erkennen. Dank<br />

Filmaufnahmen dur<strong>ch</strong> wissens<strong>ch</strong>aftl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e<br />

Tau<strong>ch</strong>er vor Ostgrönland konnte vor ein paar<br />

Jahren erstmals na<strong>ch</strong>gewiesen werden, wie<br />

denn nun ein Walross an seine Nahrung<br />

gelangt.<br />

Erstaunl<strong>i<strong>ch</strong></strong>es Ergebnis dieses Fors<strong>ch</strong>ungs -<br />

projektes: Walrosse neigen dazu, während<br />

der Nahrungssu<strong>ch</strong>e vor allem die re<strong>ch</strong>te<br />

Vorderflosse zu benutzen. Damit wedeln sie<br />

die Sediments<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>t weg und legen so die<br />

Mus<strong>ch</strong>eln frei. Diese Beoba<strong>ch</strong>tung wurde<br />

no<strong>ch</strong> erhärtet dur<strong>ch</strong> Messungen an gut zwei<br />

Dutzend Walrossskeletten aus Museums -<br />

sammlungen. Tatsä<strong>ch</strong>l<strong>i<strong>ch</strong></strong>, bei allen waren<br />

die vorderen Gliedmassen (S<strong>ch</strong>ulterblatt,<br />

Oberarmkno<strong>ch</strong>en, Elle) re<strong>ch</strong>ts bedeutend<br />

länger als links.<br />

Neben dieser bevorzugten Methode, ihre<br />

Nahrung freizulegen, benutzen Walrosse<br />

au<strong>ch</strong> öfters mal die linke Vorderflosse, produzieren<br />

mit dem Mund einen extrem starken<br />

Wasserstrahl oder ruts<strong>ch</strong>en auf der<br />

S<strong>ch</strong>nauze dur<strong>ch</strong>s Sediment – womit man den<br />

alten Grie<strong>ch</strong>en wieder Re<strong>ch</strong>t geben muss:<br />

Odobenus, der Zahnläufer...<br />

Und die Hauer? Die alte Meinung, Walrosse<br />

würden ihre Nahrung mit den mä<strong>ch</strong>tigen<br />

Eckzähnen ausgraben, ist fals<strong>ch</strong> und längst<br />

widerlegt. Die Zähne dienen als Waffen,<br />

haben eine soziale Signalfunktion, sind dienl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

beim Heraushieven auf eine Eiss<strong>ch</strong>olle,<br />

vergrössern im Nu ein Atemlo<strong>ch</strong> im Packeis<br />

oder geben ein praktis<strong>ch</strong>es «Kopfkissen» ab<br />

bei plötzl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Müdigkeitsanfällen an Land.<br />

Und dorthin kommt ein Walross nur, um s<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

auszuruhen, denn das Leben ausserhalb des<br />

Wassers ist für eine derart s<strong>ch</strong>were, plumpe<br />

Robbe gar n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t lustig. Walross-Ruhepätze<br />

findet man denn au<strong>ch</strong> nur an fla<strong>ch</strong>en arktis<strong>ch</strong>en<br />

Stränden, meist nahe bei guten<br />

Nahrungsgebieten in se<strong>i<strong>ch</strong></strong>ten Meeres regio -<br />

nen und nur wenige Dutzend Meter vom<br />

Meer entfernt.<br />

Lange Tragzeit und Aufzu<strong>ch</strong>t<br />

Im Sommer kehren diese leistungsstarken<br />

S<strong>ch</strong>wimmer na<strong>ch</strong> einem opulenten Mus<strong>ch</strong>el -<br />

mahl beinahe weisshäutig zu einem Ruhe -<br />

platz zurück, wo sie d<strong>i<strong>ch</strong></strong>t an d<strong>i<strong>ch</strong></strong>t gedrängt,<br />

zu Dutzenden bis zu Tausenden friedl<strong>i<strong>ch</strong></strong> an<br />

der arktis<strong>ch</strong>en Sonne dösen. S<strong>ch</strong>on na<strong>ch</strong> kurzer<br />

Zeit sind die dicken Speck- und Haut -<br />

s<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>ten wieder wohlig dur<strong>ch</strong>blutet, und die<br />

Tiere nehmen eine rosarote Farbe an. Im<br />

Winter allerdings leben Walrosse südl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

ihrer dann vereisten Sommerplätze, weit im<br />

Meer, an der Grenze des Packeises.<br />

Irgendwo dort draussen im Eismeer, während<br />

des düster-dämmrigen <strong>Polar</strong>winters,<br />

paaren s<strong>i<strong>ch</strong></strong> die Walrosse. Es dauert 15 bis 16<br />

Monate, bis das Walrossbaby geboren wird,<br />

worauf es gute zwei Jahre gestillt wird – mit<br />

ein Grund, weshalb Walross-Weib<strong>ch</strong>en nur<br />

alle zwei bis drei Jahre ein Junges austragen<br />

können. Bei keiner anderen Robbenart ist<br />

die Fortpflanzungsrate derart tief.<br />

Und wenn man nun einem Walross lange<br />

genug in seine kleinen, kurzs<strong>i<strong>ch</strong></strong>tigen, roten<br />

Augen blickt, an seine traurige Ges<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>te<br />

und sein faszinierendes Leben denkt, dann<br />

wird man «diese ungeheuerl<strong>i<strong>ch</strong></strong>ste aller<br />

Robben» (Brehms «Thierleben») unwillkürl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

in sein Herz s<strong>ch</strong>liessen.<br />

<strong>Polar</strong>NEWS<br />

Walross-Webtipps:<br />

Auf einer Internetseite des US Geological<br />

Survey lassen s<strong>i<strong>ch</strong></strong> kürzl<strong>i<strong>ch</strong></strong> besenderte<br />

Walrosse im Beringmeer verfolgen:<br />

http://alaska.usgs.gov/science/biology/<br />

walrus/2008animation.html.<br />

Zurzeit können im Internet unter<br />

www.biomedcentral.com/1472-6785/3/9,<br />

dort im Kapitel «Results», zwei Film -<br />

sequenzen herunter geladen werden, wel<strong>ch</strong>e<br />

die eigentüml<strong>i<strong>ch</strong></strong>e Nahrungssu<strong>ch</strong>e<br />

eines Walrosses auf dem Meeresgrund<br />

vor Ostgrönland verans<strong>ch</strong>aul<strong>i<strong>ch</strong></strong>en.<br />

10 <strong>Polar</strong> NEWS<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

11


Serie<br />

erdmannpeisker<br />

Vergessene Helden Teil III<br />

Der Welt-Versteher<br />

Es dauerte Hunderte von Jahren,<br />

bis die Mens<strong>ch</strong>heit fähig war,<br />

das Antlitz unseres Planeten als<br />

exakte Landkarte wiederzugeben.<br />

Und au<strong>ch</strong> dann verstr<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

viel Zeit, bis endl<strong>i<strong>ch</strong></strong> jemand<br />

genau hins<strong>ch</strong>aute und bemerkte,<br />

dass die Ostküste Südamerikas<br />

wie ein Puzzleteil an die West -<br />

küste Afrikas passte. Es war der<br />

Deuts<strong>ch</strong>e Alfred Wegener, 1880<br />

als Pfarrerssohn geboren, Wetterund<br />

Weltallfors<strong>ch</strong>er, Physiker<br />

und Familienvater und einer, der<br />

die Welt in den ganz grossen<br />

Zusammenhängen zu verstehen<br />

versu<strong>ch</strong>te.<br />

Wenn also, so da<strong>ch</strong>te Wegener,<br />

Südamerika und Afrika zu -<br />

sammen passen, dann kann es ja<br />

sein, dass sämtl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e Kontinente<br />

einst eine einzige Landmasse<br />

bildeten. Wegener nannte diesen<br />

Urkontinent Pangäa. Do<strong>ch</strong>, o<br />

weh, seine Wissens<strong>ch</strong>aftler -<br />

kollegen la<strong>ch</strong>ten ihn bloss aus,<br />

nannten seine Idee den «Taum<br />

eines Poeten» und ihn selber<br />

einen «von der Pols<strong>ch</strong>ubseu<strong>ch</strong>e<br />

s<strong>ch</strong>wer Befallenen». Wegener<br />

solle s<strong>i<strong>ch</strong></strong> do<strong>ch</strong> lieber wieder<br />

dem zuwenden, was er kann:<br />

Der Meteorologie.<br />

Als erster Fors<strong>ch</strong>er bes<strong>ch</strong>rieb<br />

Wegener näml<strong>i<strong>ch</strong></strong> Turbulenzen Alfred Wegner.<br />

in der Erdatmosphäre, veröffentl<strong>i<strong>ch</strong></strong>te<br />

Arbeiten über die Entstehung von Zirruswolken und teilte als<br />

erster Fors<strong>ch</strong>er die Atmosphäre in vers<strong>ch</strong>iedene S<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>ten auf – was ihn<br />

zur wissens<strong>ch</strong>aftl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Erklärung über die Entstehung von Fata<br />

Morganas führte. Bloss dass seine Idee eines Urkontinents keine Fata<br />

Morgana war, das konnte er nie hinre<strong>i<strong>ch</strong></strong>end beweisen. Immerhin:<br />

Wegener reiste dur<strong>ch</strong> die Kontinente und fand überall dieselben<br />

Gesteinsarten.<br />

Sein liebstes Fors<strong>ch</strong>ungsgebiet aber war Grönland. Hierhin war<br />

Wegener 1906 zum ersten Mal gereist als Teilnehmer einer 28-köpfigen<br />

Expedition, die den Auftrag hatte, die Ostküste Grönlands zu<br />

erkunden und Daten über das Wetter zu sammeln. Zwei Jahre dauerte<br />

diese Expedition, und was er (unter vielem anderem) herausfand,<br />

stützte seinen Urkontinent-Theorie: Man fand Fossilien von Bäumen,<br />

die heute am Mittelmeer wa<strong>ch</strong>sen.<br />

Auf seiner zweiten Grönlandreise dur<strong>ch</strong>querte er mit seinen Kameraden<br />

zum ersten Mal überhaupt die grösste Insel der Welt von Küste zu Küste<br />

auf dem ewigen Eis. Eine dritte Expedition 1929 diente zur Vorbereitung<br />

der vierten Reise, die ein Jahr<br />

später losging.<br />

Wegener war s<strong>i<strong>ch</strong></strong> der Gefahren<br />

des ewigen Eises dur<strong>ch</strong>aus<br />

bewusst: Auf seinem ersten<br />

Grönlandtrip starben der Expe -<br />

ditionsleiter und zwei seiner<br />

Kollegen. Die zweite Reise geriet<br />

zum Fiasko, die Mens<strong>ch</strong>en hatten<br />

bereits alle Ponys und Hunde<br />

notges<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tet und wurden erst<br />

im allerletzten Moment von<br />

einem Missionar vor dem Er -<br />

frieren gerettet. Dass Wegener als<br />

Reserveoffizier während des<br />

Ersten Weltkrieges zweimal an<br />

der Front verletzt wurde, war<br />

dagegen eine Bagatelle. Immer -<br />

hin: Die dritte Expedition verlief<br />

ohne Zwis<strong>ch</strong>enfälle.<br />

Aber seine vierte war dann definitiv<br />

seine letzte: Auf dem<br />

Rückweg von einer Station zur<br />

anderen starb Alfred Lothar<br />

Wegener, vermutl<strong>i<strong>ch</strong></strong> am 16.<br />

November 1930 und ebenso vermutl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

an einem Herzversagen<br />

infolge Überanstrengung, definitiv<br />

nur ein paar Tage na<strong>ch</strong> seinem<br />

fünfzigsten Geburtstag. Ein<br />

Jahr später fand man sein sauber<br />

herger<strong>i<strong>ch</strong></strong>tetes Grab. Von seinem<br />

damaligen grönländis<strong>ch</strong>en Be -<br />

gleiter Rasmus Villumsen, der<br />

ihn wohl begraben hat, fehlt bis<br />

heute jede Spur. Und mit ihm<br />

bleibt leider au<strong>ch</strong> Wegeners Tagebu<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>ollen.<br />

So ist es halt: Helden sterben einsam. Vor allem in Grönland. Zum<br />

Trost: Ein Superheld wurde Wegener Jahrzehnte später: Seit den 70er-<br />

Jahren gilt seine Urkontinent-Theorie als wissens<strong>ch</strong>aftl<strong>i<strong>ch</strong></strong> anerkannt.<br />

Und damit au<strong>ch</strong> Wegeners Ans<strong>i<strong>ch</strong></strong>t, dass die Bergmassive am<br />

Meeresboden eine Folge der Kontinentalvers<strong>ch</strong>iebung sind. Sogar<br />

seine Theorie, dass die Mondkrater eine Folge von Meteoreins<strong>ch</strong>lägen<br />

sind, gilt heute als Selbstverständl<strong>i<strong>ch</strong></strong>keit. Na<strong>ch</strong> ihm ist heute das<br />

Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven benannt, weltweit eines der<br />

w<strong>i<strong>ch</strong></strong>tigsten Zentren für <strong>Polar</strong>- und Meeresfors<strong>ch</strong>ung.<br />

Und, a<strong>ch</strong> ja: Für die Teilnehmer an seinen letzten Grönland ex -<br />

peditionen entwarf Wegener Spezialkleidung na<strong>ch</strong> dem Vorbild des<br />

grönländis<strong>ch</strong>en Anoraks. Das Modell wurde später im Wesentl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en<br />

von der europäis<strong>ch</strong>en Wintersportmode übernommen.<br />

Greta Paulsdottir<br />

S<strong>ch</strong>lafl abor.<br />

2700 Meter Höhe. Minus 15 Grad. Das Mammut-Team testet den Ajungilak Altitude. Bekommen die Teilnehmer<br />

au<strong>ch</strong> unter härtesten Bedingungen keine kalten Füsse? Ist der S<strong>ch</strong>lafsack für Extrembedingungen wirkl<strong>i<strong>ch</strong></strong> extrem<br />

gut? Alles über den Test und Anmeldungen für das nä<strong>ch</strong>ste Testevent mit Mammut-Fans und Freunden unter:<br />

www.mammut.<strong>ch</strong>/testevent<br />

12<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

Absolute Alpine.<br />

13


Drama<br />

S<strong>ch</strong>iffsuntergang<br />

Am 23. November 2007 rammte das Kreuzfahrts<strong>ch</strong>iff «Explorer» vor der<br />

Antarktis<strong>ch</strong>en Halbinsel einen Eisberg und sank. Alle 154 Passagiere und<br />

Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden. Der Zür<strong>ch</strong>er Peter Kunz war<br />

einer von ihnen. Hier sein Ber<strong>i<strong>ch</strong></strong>t.<br />

14 <strong>Polar</strong> NEWS<br />

15


Von Peter Kunz (Text und Bilder)<br />

und Arne Kertelhein (Bilder)<br />

Na<strong>ch</strong> elf Uhr gehen meine Partnerin Dora<br />

und <strong>i<strong>ch</strong></strong> zu Bett. Wir hören in der Kabine, wie<br />

s<strong>ch</strong>on so oft, wie das Eis kratzend um den<br />

Bug herum gedrückt und weggepresst wird.<br />

Zweimal allerdings knallt es so laut, dass wir<br />

uns fragen, ob wir diese Na<strong>ch</strong>t werden s<strong>ch</strong>lafen<br />

können. I<strong>ch</strong> habe eben das L<strong>i<strong>ch</strong></strong>t gelös<strong>ch</strong>t,<br />

als die Alarmglocke das Notsignal gibt. Was<br />

ist los? Es folgt die Laut spre<strong>ch</strong>er dur<strong>ch</strong>sage<br />

des Kapitäns: Be sammlung mit S<strong>ch</strong>wimm -<br />

westen im offiziellen Meeting point im<br />

obersten Aufenthalts raum, wie am ersten Tag<br />

geübt. Einige Minuten später folgt der beruhigende<br />

Dur<strong>ch</strong>sage-Zusatz, es sei im untersten<br />

Deck aus no<strong>ch</strong> unbekannter Ursa<strong>ch</strong>e<br />

etwas Wasser eingedrungen, die Pumpen<br />

seien jedo<strong>ch</strong> aktiviert worden; aus S<strong>i<strong>ch</strong></strong>er -<br />

heitsgründen möge man s<strong>i<strong>ch</strong></strong> aber denno<strong>ch</strong><br />

ankleiden und s<strong>i<strong>ch</strong></strong> aufs obere Deck begeben.<br />

Meine Partnerin Dora ist zieml<strong>i<strong>ch</strong></strong> ras<strong>ch</strong><br />

bereit und eilt na<strong>ch</strong> oben. I<strong>ch</strong> dagegen bin<br />

etwas verärgert: I<strong>ch</strong> weiss zwar, dass S<strong>i<strong>ch</strong></strong>er -<br />

heit hier stets das oberste Gebot ist und allen<br />

anderen Überlegungen vorangestellt wird.<br />

Aber mitten in der Na<strong>ch</strong>t ist’s lästig, weil es<br />

jetzt wohl zwei bis drei Stunden dauern wird,<br />

bis wir in unsere Kabine zurück können.<br />

I<strong>ch</strong> lasse mir deshalb Zeit und kleide m<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

voll an, wie für einen Zodiakausflug mit<br />

Stiefeln und dicker Jacke. Denn falls wir aufs<br />

Da war no<strong>ch</strong> klar S<strong>ch</strong>iff: Die «Explorer» vor der Antarktis<strong>ch</strong>en Halbinsel.<br />

Baujahr 1969, Tiefgang 4,2 Meter, 72,8 Meter lang, 14 Meter breit. Ges<strong>ch</strong>windigkeit: 11 Knoten.<br />

Freideck müssen, wird’s kalt. I<strong>ch</strong> gehe in den<br />

Korridor und s<strong>ch</strong>aue im Treppenhaus hinunter<br />

zum unteren Kabinendeck: Da steht tatsä<strong>ch</strong>l<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

etwa eine Handbreit ho<strong>ch</strong> Wasser im<br />

Gang. I<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>e in unserer Kabine also no<strong>ch</strong><br />

die Chips hervor, auf denen alle Fotos unserer<br />

Reise gespe<strong>i<strong>ch</strong></strong>ert sind, und greife zu den<br />

Pillen, die <strong>i<strong>ch</strong></strong> tägl<strong>i<strong>ch</strong></strong> einnehmen muss.<br />

S<strong>i<strong>ch</strong></strong>er ist s<strong>i<strong>ch</strong></strong>er.<br />

Am Besammlungsort herrs<strong>ch</strong>t eine sonderbare<br />

Stimmung. Einige sind sehr still, andere<br />

ma<strong>ch</strong>en Spässe. Es herrs<strong>ch</strong>t Uns<strong>i<strong>ch</strong></strong>erheit.<br />

Die Crew beantwortet Fragen und regt an,<br />

Witze ins Mikrofon zu spre<strong>ch</strong>en – man kennt<br />

s<strong>i<strong>ch</strong></strong> ja mittlerweile re<strong>ch</strong>t gut. Mit den voluminösen<br />

S<strong>ch</strong>wimmwesten, die wir anziehen<br />

müssen, sind deren Träger in ihrer Be -<br />

wegungs freiheit einges<strong>ch</strong>ränkt, man kann<br />

damit kaum bequem sitzen. Die Situation ist<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t extrem angespannt: Alle glauben, bald<br />

wieder in der Kabine zu sein, um so mehr, als<br />

der Kapitän nun persönl<strong>i<strong>ch</strong></strong> ers<strong>ch</strong>eint und<br />

vers<strong>i<strong>ch</strong></strong>ert, dass die Pumpen funktionieren<br />

und das Wasser zurückgeht.<br />

I<strong>ch</strong> lege m<strong>i<strong>ch</strong></strong> in einer dunklen Ecke auf den<br />

Boden und versu<strong>ch</strong>e zu dösen, na<strong>ch</strong>dem <strong>i<strong>ch</strong></strong> das<br />

verantwortl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e Crewmitglied informiert habe,<br />

dass es mir gut geht, dass <strong>i<strong>ch</strong></strong> nur müde bin.<br />

Das nä<strong>ch</strong>ste, was <strong>i<strong>ch</strong></strong> mitbekomme, ist die<br />

Meldung, dass es s<strong>i<strong>ch</strong></strong> beim S<strong>ch</strong>aden am<br />

S<strong>ch</strong>iff zwar nur um ein faustgrosses Leck<br />

handle, dass die Pumpen aber denno<strong>ch</strong> Mühe<br />

hätten, das eindringende Wasser wieder hinauszubefördern,<br />

denn das alte S<strong>ch</strong>iff hat<br />

keine Doppelwandung. Einer der Passagiere<br />

erzählt, er sei erwa<strong>ch</strong>t, als es ihm auf den<br />

Kopf tropfte und das eiskalte Wasser s<strong>ch</strong>on<br />

knö<strong>ch</strong>eltief im Kabinenboden stand.<br />

Dann geht es n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mehr lange, bis der<br />

Kapitän wieder persönl<strong>i<strong>ch</strong></strong> ers<strong>ch</strong>eint und<br />

informiert, dass er – natürl<strong>i<strong>ch</strong></strong> nur aus S<strong>i<strong>ch</strong></strong>er -<br />

heitsgründen – «Mayday» abgegeben hat.<br />

Dieser Funkspru<strong>ch</strong>, erklärt er, werde global<br />

ausgesendet, er habe Reaktionen sogar aus<br />

dem Mittelmeer erhalten. Ein S<strong>ch</strong>wester -<br />

s<strong>ch</strong>iff der «Explorer» sei 10 Stunden entfernt,<br />

zwei andere nur etwa 5 Stunden. Sie alle hätten<br />

ihren Kurs geändert und eilten herbei.<br />

Zurück in die Kabine<br />

Do<strong>ch</strong> sowas tut man n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t nur s<strong>i<strong>ch</strong></strong>erheitshalber,<br />

sondern meiner Meinung na<strong>ch</strong> nur im Ernstfall.<br />

Okay: Ab jetzt wird’s konkret... Die Leute werden<br />

leiser. Das S<strong>ch</strong>iff liegt s<strong>ch</strong>on bedenkl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

s<strong>ch</strong>räg im Wasser. I<strong>ch</strong> will aufs Salondeck hinunter<br />

zur Toilette, was eine Sondererlaubnis<br />

vom Personal erfordert, da niemand mehr zu<br />

den unteren Decks darf. I<strong>ch</strong> kriege die<br />

Erlaubnis. Die quer im S<strong>ch</strong>iff liegende Treppe<br />

ist inzwis<strong>ch</strong>en enorm steil geworden.<br />

Tatsä<strong>ch</strong>l<strong>i<strong>ch</strong></strong> will <strong>i<strong>ch</strong></strong> jedo<strong>ch</strong> zu unserer Kabine<br />

hinunter, um den Tresors<strong>ch</strong>lüssel zu holen,<br />

denn dort liegt unsere ganze Bars<strong>ch</strong>aft. Über<br />

die Treppen und dur<strong>ch</strong> die Korridore auf dem<br />

Kabinendeck ziehen s<strong>i<strong>ch</strong></strong> S<strong>ch</strong>läu<strong>ch</strong>e, Mann -<br />

s<strong>ch</strong>aft rennt herum, im untersten Deck steht<br />

das Wasser jetzt deutl<strong>i<strong>ch</strong></strong> über einen Meter<br />

ho<strong>ch</strong>. Das sieht n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t gut aus...<br />

In unserer Kabine angelangt, ziehe <strong>i<strong>ch</strong></strong>, um<br />

den Rucksack zu dur<strong>ch</strong>wühlen, die störende<br />

S<strong>ch</strong>wimmweste aus, finde endl<strong>i<strong>ch</strong></strong> den<br />

Tresors<strong>ch</strong>lüssel, s<strong>ch</strong>meisse no<strong>ch</strong> einige nützl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e<br />

Dinge in den Rucksack – da wird’s<br />

plötzl<strong>i<strong>ch</strong></strong> stockdunkel. S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tes Ze<strong>i<strong>ch</strong></strong>en.<br />

Die Mas<strong>ch</strong>ine oder wenigstens die elektris<strong>ch</strong>e<br />

Anlage steht unter Wasser, das vers<strong>ch</strong>ärft<br />

die Situation erhebl<strong>i<strong>ch</strong></strong>. Nur no<strong>ch</strong> im<br />

Dunkeln den halboffenen Rucksack s<strong>ch</strong>nappen.<br />

I<strong>ch</strong> taste m<strong>i<strong>ch</strong></strong> zur Treppe, und dann<br />

ras<strong>ch</strong> hinauf.<br />

Als <strong>i<strong>ch</strong></strong> im Salondeck ankomme, brennt wieder<br />

L<strong>i<strong>ch</strong></strong>t. I<strong>ch</strong> stosse auf den Purser, wie der<br />

Versorgungsoffizier in der S<strong>ch</strong>iffsspra<strong>ch</strong>e<br />

heisst, und bitte ihn, zusammen mit seinem<br />

S<strong>ch</strong>lüssel meinen Tresor zu öffnen. Do<strong>ch</strong><br />

dafür hat er nun gar kein Musikgehör: keine<br />

Zeit! Die Wertsa<strong>ch</strong>en aller Passagiere werden<br />

aufgegeben! Wieder am Meetingpoint, sehe<br />

<strong>i<strong>ch</strong></strong>, dass die vier Rettungsboote bis zum<br />

obersten Deck hinuntergelassen und für die<br />

Evakuation bereitgestellt worden sind. Mit<br />

S<strong>ch</strong>recken stelle <strong>i<strong>ch</strong></strong> ebenfalls fest, dass <strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

meine Rettungsweste in der dunklen Kabine<br />

liegengelassen habe. Hinunter kann <strong>i<strong>ch</strong></strong> n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

mehr, und ein Ersatz ist n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t aufzutreiben<br />

hier oben.<br />

Immer mehr S<strong>ch</strong>lagseite<br />

Immerhin: I<strong>ch</strong> entdecke eine Weste für<br />

Zodiakboote, die zwar viel kleiner ist als die<br />

Rettungs-S<strong>ch</strong>wimmwesten, aber mir dafür<br />

mehr Bewegungsfreiheit gibt. Das ma<strong>ch</strong>t<br />

allerdings kaum einen Unters<strong>ch</strong>ied: Wer<br />

hier ins Wasser fällt, ist na<strong>ch</strong> spätestens drei<br />

Minuten ohnehin weggetreten, mit oder<br />

ohne Weste.<br />

Das S<strong>ch</strong>iff hat nun merkl<strong>i<strong>ch</strong></strong> mehr S<strong>ch</strong>lag -<br />

seite. Wie <strong>i<strong>ch</strong></strong> später erfahre, dringt wegen<br />

Kurz von Mitterna<strong>ch</strong>t rammt die «Explorer» wahrs<strong>ch</strong>einl<strong>i<strong>ch</strong></strong> einen Eisberg und s<strong>ch</strong>lägt leck.<br />

Es dringt mehr Wasser ins S<strong>ch</strong>iff, als die Pumpen wieder rausbefördern können.<br />

der extremen S<strong>ch</strong>räglage Wasser dur<strong>ch</strong> die<br />

Toiletten ins obere Kabinendeck, sozusagen<br />

aus vollen Rohren. Als der Kapitän, na<strong>ch</strong>dem<br />

au<strong>ch</strong> die Steuerung ausgefallen ist,<br />

«abandon ship» erklärt, besetzen wir die<br />

Rettungs boote. Das geht ganz unspektakulär,<br />

ohne Panik und na<strong>ch</strong> dem System «first<br />

come, first served». Glückl<strong>i<strong>ch</strong></strong>erweise stehen<br />

wir im Besammlungsraum vorne bei der<br />

Türe. Es gibt kein Gedränge und keine<br />

Panik, aber der Rucksack wird mir weggenommen:<br />

Mit allen Klamotten am Leibe<br />

und mit den S<strong>ch</strong>wimm westen wird’s ohnehin<br />

grauenhaft eng.<br />

Im Rettungsboot sitzen 35 Passagiere so eng<br />

zusammen wie Kaiserpinguine während der<br />

Brutzeit – und das ist vorteilhaft. Denn der<br />

Wind bläst kalt. Na<strong>ch</strong> zwanzig Minuten<br />

werde <strong>i<strong>ch</strong></strong> langsam unruhig. Wieso lässt niemand<br />

unser Boot zu Wasser? Bei dieser<br />

S<strong>ch</strong>räglage können wir s<strong>ch</strong>on längst n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

mehr senkre<strong>ch</strong>t hinunter gelassen werden,<br />

sondern nur dem Bug entlang hinunters<strong>ch</strong>aben.<br />

Sofern das überhaupt no<strong>ch</strong> geht!<br />

Nur ein Boot funktioniert<br />

Einige Philippinos aus der Manns<strong>ch</strong>aft werkeln<br />

ununterbro<strong>ch</strong>en am Motor unseres<br />

Bootes. Mal geht wieder einer weg, mal<br />

kommt einer. Später erfahren wir die Ur -<br />

sa<strong>ch</strong>e: Obwohl vor jeder Fahrt routinemässig<br />

alle Boote geprüft werden, lässt s<strong>i<strong>ch</strong></strong> ausgere<strong>ch</strong>net<br />

jetzt von den vier Booten der<br />

«Ex plorer» nur in einem einzigen der Motor<br />

starten... Der Kapitän will die Boote aber<br />

erst wassern, wenn die Motoren laufen,<br />

damit sie auf dem Wasser sofort vom S<strong>ch</strong>iff<br />

wegkommen.<br />

»<br />

Eilt mit voller Kraft dem Unfallort entgegen: Die «Endavour» ist zum Zeitpunkt des Unfalls 150 Kilometer von der «Explorer» entfernt.<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

16 17<br />

<strong>Polar</strong> NEWS


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<strong>Polar</strong>NEWS<br />

bleibt gratis<br />

Böse Zungen lästern, was keinen Preis habe, sei n<strong>i<strong>ch</strong></strong>ts Wert...<br />

<strong>Polar</strong>NEWS beweist das Gegenteil: Wir ber<strong>i<strong>ch</strong></strong>ten über die polaren<br />

Gebiete dieser Erde und greifen ver tieft Themen aus der<br />

Wissen s<strong>ch</strong>aft und der Tierfors<strong>ch</strong>ung auf. Wir portraitieren<br />

Mens<strong>ch</strong>en, die in der Kälte leben, veröffentl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en ergreifende<br />

Reise be r<strong>i<strong>ch</strong></strong>te und, und – alles gratis.<br />

Die «Explorer» ist evakuiert, sämtl<strong>i<strong>ch</strong></strong>e Wertsa<strong>ch</strong>en bleiben an Bord. Das S<strong>ch</strong>iff hat s<strong>ch</strong>on stark S<strong>ch</strong>lagseite: Sein Untergang ist bereits besiegelt.<br />

Natürl<strong>i<strong>ch</strong></strong> könnten wir einen Abonnementspreis er heben und<br />

das <strong>Polar</strong>NEWS am Kiosk verkaufen. Aber wir <strong>mö<strong>ch</strong>te</strong>n insbesondere<br />

Jugendl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en und S<strong>ch</strong>ülern diese lehrre<strong>i<strong>ch</strong></strong>e und<br />

brücken s<strong>ch</strong>lagende Lektüre n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t vorenthalten: Viele S<strong>ch</strong>ul -<br />

klassen arbeiten im Unterr<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mit <strong>Polar</strong>NEWS.<br />

Das ist w<strong>i<strong>ch</strong></strong>tig, denn ein Eisberg treibt auf<br />

das n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mehr manövrierfähige S<strong>ch</strong>iff zu.<br />

Der ist zwar n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t sehr gross, aber gross<br />

genug, um ein s<strong>ch</strong>on gewassertes, aber no<strong>ch</strong><br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t abgelegtes Boot am S<strong>ch</strong>iffsrumpf zu<br />

zerquets<strong>ch</strong>en.<br />

Bootes klats<strong>ch</strong>en. Es s<strong>ch</strong>aukelt bedenkl<strong>i<strong>ch</strong></strong>,<br />

und <strong>i<strong>ch</strong></strong> rufe, ob denn n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t vorne und hinten<br />

einer mit den Holzrudern das S<strong>ch</strong>iff in die<br />

r<strong>i<strong>ch</strong></strong>tige R<strong>i<strong>ch</strong></strong>tung bringen könne. Das funktioniert<br />

aber n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t, ein lä<strong>ch</strong>erl<strong>i<strong>ch</strong></strong>es Unter -<br />

fangen bei diesem Seegang.<br />

bei denen das Wasser s<strong>ch</strong>on in der Kabine<br />

stand, als sie geweckt wurden, und deshalb<br />

verständl<strong>i<strong>ch</strong></strong>erweise ein wenig in Eile gerieten.<br />

Das kleine Boot s<strong>ch</strong>aukelt und s<strong>ch</strong>lingert entsetzl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

und unaufhörl<strong>i<strong>ch</strong></strong>, mir s<strong>ch</strong>merzt bald<br />

Jetzt ents<strong>ch</strong>eidet der Kapitän, au<strong>ch</strong> die a<strong>ch</strong>t<br />

der Rücken, weil die Auf- und Ab wärts -<br />

Zodiaks, die je zwölf bis 15 Passagiere fassen, Auf dem Wasser<br />

bewegungen immer ausgegl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en werden<br />

vom obersten Deck hinunterzulassen. Die<br />

Benzintanks der Aussenbordmotoren sind<br />

gefüllt. Do<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>weren Zodiaks können<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t wie die Rettungsboote manuell gewassert<br />

werden, dafür benötigt man Strom. Und<br />

der ist jetzt n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mehr da. Wenigstens n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

dort, wo man ihn bräu<strong>ch</strong>te. Der Chef -<br />

ingenieur arbeitet s<strong>i<strong>ch</strong></strong> deshalb no<strong>ch</strong>mals zum<br />

Mas<strong>ch</strong>inenraum dur<strong>ch</strong> – das Wasser steht<br />

ihm bis zur Brust.<br />

Es gelingt ihm, alle no<strong>ch</strong> verfügbaren Strom -<br />

quellen zusammenzufassen und zur Zodiak -<br />

station umzuleiten. Der Strom sollte für 20<br />

Minuten re<strong>i<strong>ch</strong></strong>en, lässt der Ingenieur verlauten.<br />

Bis dann müssen alle Boote unten sein.<br />

Es ist 1.15 Uhr.<br />

Endl<strong>i<strong>ch</strong></strong> werden die Rettungsboote runtergelassen.<br />

Allerdings ohne laufende Motoren. Es<br />

ist deshalb extrem s<strong>ch</strong>wierig, vom S<strong>ch</strong>iff<br />

wegzukommen, die Wellen s<strong>ch</strong>lagen es<br />

Gottlob eilen die Zodiaks, die inzwis<strong>ch</strong>en<br />

gewassert sind, herbei, binden Seile an die<br />

Rettungsboote, ziehen sie vom S<strong>ch</strong>iff weg<br />

und r<strong>i<strong>ch</strong></strong>ten sie gegen die Wellen aus. An<br />

jedem Rettungsboot muss permanent ein<br />

Zodiak ziehen – solange das Benzin re<strong>i<strong>ch</strong></strong>t.<br />

Bis jetzt s<strong>ch</strong>eint alles gut gegangen zu sein.<br />

Einige der Passagiere, die offenbar in den<br />

Rettungsbooten keinen Platz fanden, hocken<br />

in den Zodiaks. Dort spritzt jede Welle das<br />

ganze Boot voll, viel s<strong>ch</strong>limmer als bei uns.<br />

Ausserdem sind Zodiaks bei rauem Wetter<br />

(bei dem man keine Landungen ma<strong>ch</strong>en<br />

würde) n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t s<strong>i<strong>ch</strong></strong>er und deshalb au<strong>ch</strong> n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

als Ersatz für Rettungsboote zugelassen.<br />

I<strong>ch</strong> sitze in einer Montur vergle<strong>i<strong>ch</strong></strong>bar etwa<br />

mit derjenigen, die Neil Armstrong bei der<br />

Mondlandung getragen hat, hautnah neben<br />

Dora auf der einen und ebenso hautnah neben<br />

einer üppigen Holländerin auf der anderen<br />

müssen, stundenlang. Wird es ein Massen -<br />

erbre<strong>ch</strong>en geben? Man beginnt, s<strong>i<strong>ch</strong></strong> auf eine<br />

lange Na<strong>ch</strong>t einzur<strong>i<strong>ch</strong></strong>ten. Dunkel ist es n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t.<br />

Kälte und Nässe greifen um s<strong>i<strong>ch</strong></strong>, Wind stärke<br />

4, keine hohen, aber trotzdem harte Wellen<br />

aus allen R<strong>i<strong>ch</strong></strong>tungen.<br />

Angst kommt zumindest in unserem Boot<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t spürbar auf, dazu bleibt gar keine Zeit.<br />

Jeder und jede ist unaufhörl<strong>i<strong>ch</strong></strong> damit<br />

bes<strong>ch</strong>äftigt zu überlegen, wel<strong>ch</strong>e Mass -<br />

nahmen man no<strong>ch</strong> ergreifen könnte, um die<br />

Situation, besonders wenn sie länger dauern<br />

wird, zu verbessern. Und man denkt s<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

Szenarien aus, was uns bevorstehen könnte:<br />

Stärkerer Wind, s<strong>ch</strong>limmstenfalls ein Sturm,<br />

das Kentern eines Bootes, weil den Zodiaks<br />

der Treibstoff ausgeht und sie die motorlos<br />

dahin treibenden Nusss<strong>ch</strong>alen n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mehr<br />

ausr<strong>i<strong>ch</strong></strong>ten können. Oder – eine ernsthafte<br />

Ge fahr – das Ers<strong>ch</strong>einen unübers<strong>ch</strong>aubarer<br />

immer wieder zurück, es besteht die Gefahr Seite. Au<strong>ch</strong> am Boden ist keine Mengen von Eisbergen. Und wahrs<strong>ch</strong>einl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

des Kenterns. Wir stossen uns mit den beiden<br />

langen Holzrudern wie Besessene von der<br />

S<strong>ch</strong>iffswand weg.<br />

Endl<strong>i<strong>ch</strong></strong> sind wir frei, aber immer no<strong>ch</strong> viel<br />

zu nahe am S<strong>ch</strong>iff. Das Boot stellt s<strong>i<strong>ch</strong></strong> quer,<br />

so dass die Wellen an die Breitseite des<br />

«Fussfreiheit». Das Adrenalin ist in Strömen<br />

geflossen, das verhindert wohl die See krank -<br />

heit, und man leidet trotz der Nässe n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t so<br />

sehr unter der Kälte. Ausgenommen jene, die<br />

beim Alarm sehr ras<strong>ch</strong> auf Deck sein wollten<br />

und nun zu le<strong>i<strong>ch</strong></strong>t bekleidet sind. Und jene,<br />

denkt jeder irgendwann mal an die<br />

«Titanic»...<br />

Do<strong>ch</strong> für den Augenblick stehen unsere<br />

Chancen n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t: Das Wetter ist für<br />

antarktis<strong>ch</strong>e Verhältnisse gut, und der<br />

Kapitän hat ja no<strong>ch</strong> auf dem S<strong>ch</strong>iff infor- »<br />

18<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

19<br />

Dass viele Leserinnen und Leser trotzdem einen Beitrag an unsere Arbeit geben <strong>mö<strong>ch</strong>te</strong>n, liegt n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t daran, dass unser Heft<br />

«einen Wert» erhalten soll, sondern weil sie <strong>Polar</strong>NEWS unterstützen <strong>mö<strong>ch</strong>te</strong>n. Wir haben uns deshalb ents<strong>ch</strong>lossen, diesen<br />

Support zu ermögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en, indem wir an dieser Stelle eine Postkarte beilegen. Mit ihr kann man übrigens au<strong>ch</strong> weitere Gratis -<br />

exemplare von <strong>Polar</strong>NEWS bestellen.<br />

Redaktion <strong>Polar</strong>NEWS I Ackersteinstrasse 20 I 8049 Zür<strong>i<strong>ch</strong></strong> I Mail: redaktion@polar-news.com<br />

Telefon +41 44 342 36 60 oder Fax +41 44 342 36 61<br />

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19


Informationen und Bezugsquellen: 031 951 71 81 oder www.irox.<strong>ch</strong><br />

Das grosse Aufatmen: Die «Nordnorge» und die «Endeavour» sind beide beim Unfallort eingetroffen. Jetzt sind die S<strong>ch</strong>iffbrü<strong>ch</strong>igen so gut wie in S<strong>i<strong>ch</strong></strong>erheit.<br />

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… damit die Kabel dort hinkommen,<br />

wo sie heute und<br />

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<strong>Polar</strong> NEWS<br />

miert, dass Hilfe unterwegs sei. Bei der verständl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en<br />

Tendenz zur Bes<strong>ch</strong>önigung der<br />

Situation muss man s<strong>i<strong>ch</strong></strong> aber realistis<strong>ch</strong>erweise<br />

darauf einstellen, dass es sehr wohl<br />

au<strong>ch</strong> länger als fünf Stunden dauern könnte,<br />

bis wir gerettet werden.<br />

Au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>dem die Sonne untergegangen<br />

ist, bleibt in dieser Jahreszeit in diesen<br />

Breiten graden ein heller Streifen am<br />

Horizont. Alle Boote haben deshalb<br />

S<strong>i<strong>ch</strong></strong>tkontakt zu einander – vermute <strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

jeden falls, denn s<strong>i<strong>ch</strong></strong> um drehen und selber<br />

na<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>auen kann keiner in dieser Enge. Es<br />

werden jetzt hau<strong>ch</strong>dünne, folienbes<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>tete<br />

Rettungsmäntel aus der Notkiste jedes<br />

Bootes ausgegeben, aber nur die wenigsten<br />

können sie anziehen, weil man au<strong>ch</strong> mit den<br />

Füssen beziehungsweise den Stiefeln hineinsteigen<br />

müsste, und so viel Raum hat<br />

kaum einer. Aber man kann die Folie über<br />

den Rücken legen und au<strong>ch</strong> den Kopf vor<br />

dem Spritzwasser s<strong>ch</strong>ützen – das ist do<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>on etwas.<br />

Immer s<strong>ch</strong>ön die Füsse, die Hände und die<br />

S<strong>ch</strong>ultern bewegen, unablässig, dann bleibt’s<br />

warm.<br />

Eng, kalt und peinl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

Es wird wenig gespro<strong>ch</strong>en. Die Holländerin<br />

ist ohnehin n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t anspre<strong>ch</strong>bar, sie starrt nur<br />

geradeaus, realisiert kaum, dass <strong>i<strong>ch</strong></strong> ihr den<br />

Rettungsmantel über die S<strong>ch</strong>ulter lege, was<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t so einfa<strong>ch</strong> ist, wie es klingt.<br />

Dann etwas Wunders<strong>ch</strong>önes: Um 3.30 Uhr<br />

geht die Sonne auf, zwis<strong>ch</strong>en einigen kleineren<br />

Wolken. Prä<strong>ch</strong>tig. Viele denken jetzt<br />

s<strong>i<strong>ch</strong></strong>er: «Das letzte Mal.» Auf der einen Seite<br />

die aufgehende Sonne, auf der andern das<br />

sinkende, s<strong>ch</strong>räg im Wasser liegende S<strong>ch</strong>iff,<br />

dazwis<strong>ch</strong>en einige kleinere Eis platten, weit<br />

verstreut die Rettungsboote und die Zodiaks.<br />

Es gelingt mir, unter meinen Kleider -<br />

s<strong>ch</strong><strong>i<strong>ch</strong></strong>ten die Kamera herauszugraben und<br />

einige Fotos von der Sonne und dem S<strong>ch</strong>iff<br />

zu ma<strong>ch</strong>en. Bilder, die man n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t vergessen<br />

wird. Auf der einen Seite des Horizonts ist<br />

der Himmel ganz s<strong>ch</strong>warz. Wenn das nur<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t ein herannahender Sturm ist!<br />

Eigentl<strong>i<strong>ch</strong></strong> könnte man jetzt fürs erste mal tief<br />

dur<strong>ch</strong>atmen. Do<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on bald ergeben s<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

neue Probleme: I<strong>ch</strong> müsste dringend mal pinkeln...<br />

S<strong>ch</strong>wankend kann <strong>i<strong>ch</strong></strong> aufstehen und<br />

m<strong>i<strong>ch</strong></strong> um eine A<strong>ch</strong>teldrehung von der<br />

Holländerin wegbewegen zum Boots rand<br />

hin. Aber das ist keineswegs nahe genug.<br />

Leute halten m<strong>i<strong>ch</strong></strong>. I<strong>ch</strong> arbeite m<strong>i<strong>ch</strong></strong> dur<strong>ch</strong> vier<br />

Paar Hosen und den Rettungsmantel hindur<strong>ch</strong>.<br />

Die Rettungsmäntel waren in<br />

Plastiksäcklein eingepackt. Es gelingt mir,<br />

eine sol<strong>ch</strong>e Tüte zu füllen und den Inhalt dann<br />

ins Wasser zu leeren. Das ist peinl<strong>i<strong>ch</strong></strong>. Jeder<br />

bemüht s<strong>i<strong>ch</strong></strong> wegzus<strong>ch</strong>auen, aber wirkl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

abwenden kann s<strong>i<strong>ch</strong></strong> keiner. Kurz na<strong>ch</strong> mir ist<br />

die Holländerin in der gle<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Lage, später<br />

au<strong>ch</strong> Dora. Die Frauen benutzen den Platz,<br />

den es eigentl<strong>i<strong>ch</strong></strong> gar n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t gibt, auf dem<br />

Bootsboden und pinkeln einfa<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en die<br />

Lattung hindur<strong>ch</strong>. Wenn die Not grösser ist<br />

als die S<strong>ch</strong>am...<br />

Wir fühlen uns jetzt verhältnismässig zieml<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

wohl: Solange kein Sturm aufkommt und<br />

uns kein Eisberg zu nahe kommt, kann eigentl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t viel passieren. Es ist nur un -<br />

angenehm. Gegen halb se<strong>ch</strong>s Uhr hören wir<br />

dann einen Helikopter. Wir sind erle<strong>i<strong>ch</strong></strong>tert,<br />

alle haben das Gefühl, «gefunden» worden zu<br />

sein. Es ist die <strong>ch</strong>ilenis<strong>ch</strong>e Luftwaffe. Dann<br />

fliegt ein zweiter Helikopter herbei, er trägt<br />

keine militäris<strong>ch</strong>en Kennze<strong>i<strong>ch</strong></strong>en: Es muss<br />

also einer von einem S<strong>ch</strong>iff sein. Das bedeutet,<br />

dass unser Rettungss<strong>ch</strong>iff n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mehr weit<br />

weg ist.<br />

Endl<strong>i<strong>ch</strong></strong> an Bord...<br />

Tatsä<strong>ch</strong>l<strong>i<strong>ch</strong></strong>: Eine halbe Stunde später dringen<br />

Blinksignale eines S<strong>ch</strong>iffes dur<strong>ch</strong> die mittlerweile<br />

dunklen Wolken am Horizont. Es ist die<br />

«Endeavour». Wel<strong>ch</strong> eine Erle<strong>i<strong>ch</strong></strong>terung! Und<br />

gle<strong>i<strong>ch</strong></strong> hinter der «Endeavour» naht die «Nord-<br />

norge», ein sehr grosses, luxuriöses Kreuz -<br />

fahrts<strong>ch</strong>iff. Jetzt ändert die Stimmung! Leute,<br />

die bisher erstarrt im Boot sassen und n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

anspre<strong>ch</strong>bar waren, bre<strong>ch</strong>en in Tränen aus. »<br />

<strong>Polar</strong> NEWS 21


Endl<strong>i<strong>ch</strong></strong> in S<strong>i<strong>ch</strong></strong>erheit: Auf der «Nordnorge» werden die S<strong>ch</strong>iffbrü<strong>ch</strong>igen erstmal mit warmen Decken und heissen Getränken versorgt.<br />

Ein Hangar der Militärstation wird zur Notunterkunft umfunktioniert. Die Hälfte der S<strong>ch</strong>iffbrü<strong>ch</strong>igen wird hier untergebra<strong>ch</strong>t.<br />

Die «Endeavour» übernimmt die Passagiere<br />

der Zodiaks; die S<strong>ch</strong>iffbrü<strong>ch</strong>igen in den<br />

Rettungsbooten sollen bei der «Nordnorge»<br />

an Bord. Das geht natürl<strong>i<strong>ch</strong></strong> n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t ohne die<br />

Hilfe der Zodiaks, teilweise au<strong>ch</strong> jener der<br />

«Nordnorge». Denn Rettungsboote können<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t direkt am S<strong>ch</strong>iff anlegen. Wir müssen<br />

uns einer na<strong>ch</strong> dem anderen auf die s<strong>ch</strong>aukelnden,<br />

nassen S<strong>ch</strong>lau<strong>ch</strong>boote «hinüberwerfen»<br />

und werden dann an den Landungs steg<br />

der «Nordnorge» gebra<strong>ch</strong>t. Na<strong>ch</strong> fünf<br />

Stunden auf offenem Meer sind wir endl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

in S<strong>i<strong>ch</strong></strong>erheit.<br />

Jetzt geht alles wie am S<strong>ch</strong>nür<strong>ch</strong>en: Toiletten,<br />

Handtü<strong>ch</strong>er, trockene Kleider, heisser<br />

Kaffee. Die S<strong>ch</strong>iffsärzte haben n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t viel zu<br />

tun: Ausser einigen S<strong>ch</strong>ockbehandlungen<br />

fällt für sie n<strong>i<strong>ch</strong></strong>ts an. Einer hat s<strong>i<strong>ch</strong></strong> den<br />

Knö<strong>ch</strong>el gebro<strong>ch</strong>en. Bei einem Appell er -<br />

weist s<strong>i<strong>ch</strong></strong>, dass niemand fehlt. Ein Paar aus<br />

Dänemark hat s<strong>i<strong>ch</strong></strong> im Rettungsboot verlobt.<br />

Wir werden auf einem eleganten Panorama -<br />

deck untergebra<strong>ch</strong>t, von wo aus wir den<br />

«Todeskampf» der sinkenden «Explorer»<br />

betra<strong>ch</strong>ten können, während wir uns aus den<br />

Klamotten s<strong>ch</strong>älen und aufwärmen. Sie war<br />

ein gutes S<strong>ch</strong>iff; sie tut uns leid. Die<br />

Passagiere der «Nordnorge» sind – dafür,<br />

dass wir ihr Reiseprogramm ruiniert haben –<br />

sehr freundl<strong>i<strong>ch</strong></strong>, teilnahmsvoll und zuvorkommend.<br />

Sie haben sogar eine Kleider -<br />

sammlung organisiert, jeder von uns kann<br />

s<strong>i<strong>ch</strong></strong> etwas davon nehmen. Ausserdem erhalten<br />

wir von der S<strong>ch</strong>iffsboutique neue, warme<br />

Sa<strong>ch</strong>en. Enorm grosszügig. Ein ganz grosses,<br />

feines Frühstücksbuffet ist aufgetis<strong>ch</strong>t, später<br />

au<strong>ch</strong> ein Lun<strong>ch</strong>buffet mit leckeren skandinavis<strong>ch</strong>en<br />

Spezialitäten. Uns geht’s gut! Die<br />

Passagiere nehmen herzl<strong>i<strong>ch</strong></strong> Anteil. Au<strong>ch</strong> darf<br />

jeder S<strong>ch</strong>iffbrü<strong>ch</strong>ige eine Minute lang telefonieren<br />

– sofern er die Telefon nummer auswendig<br />

kennt. Jetzt erst wird Dora und mir<br />

bewusst, dass wir über keinerlei Nummern,<br />

Angaben oder Adressen mehr verfügen. Wir<br />

können niemanden anrufen. Internet ist nur<br />

sehr bes<strong>ch</strong>ränkt vorhanden, viel zu wenig für<br />

alle und streng rationiert.<br />

Die «Nordnorge» nimmt Fahrt auf und<br />

erre<strong>i<strong>ch</strong></strong>t am Na<strong>ch</strong>mittag den Eduardo<br />

Frei/Marsh-Stützpunkt, eine <strong>ch</strong>ilenis<strong>ch</strong>e<br />

Militär- und Fors<strong>ch</strong>ungsbasis auf den South<br />

Shetlands. Dort sollten wir an Land gehen,<br />

können aber mit den Zodiaks n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t ablegen,<br />

weil der Wind stark zugenommen hat. Es hat<br />

inzwis<strong>ch</strong>en angefangen zu s<strong>ch</strong>neien, der<br />

S<strong>ch</strong>nee fegt jetzt horizontal übers Wasser.<br />

Gottlob war das am Morgen n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t so.<br />

...und wieder an Land<br />

Wir erfahren, dass die «Nordnorge» zur Zeit<br />

des Notrufs in der Drake-Passage steckte, bei<br />

Windstärke 9 und 7 Meter hohen Wellen...<br />

Wir hätten sowas n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t überlebt. Niemals.<br />

Erst um 18 Uhr können wir einen Anlande -<br />

versu<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en mit den stabileren und stärker<br />

motorisierten Zodiaks der «Nordnorge».<br />

Einige der S<strong>ch</strong>iffbrü<strong>ch</strong>igen haben grosse<br />

Mühe, wieder in die Boote zu steigen,<br />

besonders unter den gegenwärtigen Wetter -<br />

be dingungen. Aber es gibt keine Alternative.<br />

Sie haben s<strong>ch</strong>liessl<strong>i<strong>ch</strong></strong> eine Expeditionsreise<br />

gebu<strong>ch</strong>t...<br />

An Land dann eine halbe Stunde dur<strong>ch</strong> den<br />

Neus<strong>ch</strong>nee stapfen, jeder mit einem Plastik -<br />

sack mit den neu erstandenen Habseligkeiten<br />

in der Hand. Das Militär erwartet uns in<br />

einem riesigen Hangar, wo man erst mal<br />

unsere Personalien aufnimmt. Au<strong>ch</strong> Militär -<br />

medien sind s<strong>ch</strong>on da. Die eine Hälfte von<br />

uns und die Besatzung s<strong>ch</strong>lafen im geheizten<br />

Hangar auf Prits<strong>ch</strong>en; Dora und <strong>i<strong>ch</strong></strong> gehören<br />

zu jenen, denen «VIP-Behandlung» in einer<br />

Fors<strong>ch</strong>ungsstation zuteil wird. Was aber<br />

bedeutet, dass wir uns mit einem Pisten -<br />

fahrzeug erneut dur<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>nee und Wind<br />

kämpfen müssen.<br />

Auf der Station empfängt uns eine perfekt<br />

Englis<strong>ch</strong> spre<strong>ch</strong>ende Wissens<strong>ch</strong>aftlerin. Alle<br />

Abflug von der Militärbasis R<strong>i<strong>ch</strong></strong>tung Punta Arenas. Die erste Gruppe<br />

der Geretteten besteigt die Herkules C-130.<br />

Setzt s<strong>i<strong>ch</strong></strong> medienwirksam in Szene, hilft aber<br />

effizient: Der Luftwaffengeneral der Militärbasis.<br />

werden in verhältnismässig komfortablen<br />

Doppelzimmern untergebra<strong>ch</strong>t, Gemein -<br />

s<strong>ch</strong>afts dus<strong>ch</strong>en, gute Verpflegung. Das<br />

Fernsehen zeigt die letzten Minuten der<br />

Explorer, die inzwis<strong>ch</strong>en gesunken ist.<br />

Wann wir ausfliegen können, weiss no<strong>ch</strong> niemand.<br />

Au<strong>ch</strong> Fliegen ist hier extrem vom<br />

Wetter abhängig. Es könnte Tage dauern.<br />

Do<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on am nä<strong>ch</strong>sten Tag kann die erste<br />

Hälfte der Geretteten starten – wir gehören<br />

dazu. Die Armee s<strong>ch</strong>ickt einen Herkules-<br />

C130-Transporter und fliegt sogar den<br />

Luftwaffengeneral ein, der s<strong>i<strong>ch</strong></strong> hier jedem<br />

persönl<strong>i<strong>ch</strong></strong> mit Händes<strong>ch</strong>ütteln vorstellt und<br />

uns ans<strong>ch</strong>liessend mit einer Anspra<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> medienwirksam begrüsst. Wahrs<strong>ch</strong>ein -<br />

l<strong>i<strong>ch</strong></strong> ist der General und n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t das Wetter die<br />

Ursa<strong>ch</strong>e, dass wir erst am Na<strong>ch</strong>mittag abfliegen<br />

können.<br />

Der Flug na<strong>ch</strong> Punta Arenas in Chile dauert<br />

fast drei Stunden. Gegen Ende der Reise<br />

bahne <strong>i<strong>ch</strong></strong> mir den Weg zwis<strong>ch</strong>en den fast so<br />

eng wie im Rettungsboot sitzenden Passa -<br />

gieren hindur<strong>ch</strong>. Unten stehen zwei Offi ziere<br />

als Wa<strong>ch</strong>e an der Treppe, oben sind die zwei<br />

Piloten, der Navigator und no<strong>ch</strong> zwei<br />

Uniformierte – a<strong>ch</strong> ja, den einen kenne <strong>i<strong>ch</strong></strong>,<br />

es ist der General. Er zeigt mir sehr freundl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

und sehr ausführl<strong>i<strong>ch</strong></strong> die Instrumente und<br />

Karten, erlaubt mir zu fotografieren, au<strong>ch</strong> ihn<br />

selber. I<strong>ch</strong> kann m<strong>i<strong>ch</strong></strong> fast n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mehr zurückziehen.<br />

Zum Dank frage <strong>i<strong>ch</strong></strong> ihn s<strong>ch</strong>liessl<strong>i<strong>ch</strong></strong>, ob er<br />

s<strong>i<strong>ch</strong></strong> fotografieren lassen wolle mit dem dänis<strong>ch</strong>en<br />

Pär<strong>ch</strong>en, das s<strong>i<strong>ch</strong></strong> im Rettungs boot verlobt<br />

hat. Der Däne hat den Diamant ring in<br />

seiner Brusttas<strong>ch</strong>e. Damit will <strong>i<strong>ch</strong></strong> dem lieben »<br />

22<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

<strong>Polar</strong> NEWS 23


Kaum in Punta Arenas angekommen, geht der<br />

ganz grosse Medienrummel los.<br />

General die Mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>keit geben, ein s<strong>ch</strong>önes<br />

Bild in die Presse zu bringen. Dass genau<br />

dieses Bild später um die Welt gehen würde,<br />

kann <strong>i<strong>ch</strong></strong> ja n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t ahnen... S<strong>ch</strong>on als wir in<br />

Punta Arenas ankommen, wirft s<strong>i<strong>ch</strong></strong> die<br />

gesamte versammelte Presse meute auf das<br />

dänis<strong>ch</strong>e Pär<strong>ch</strong>en, natürl<strong>i<strong>ch</strong></strong> mit dem wohlwollenden<br />

General daneben stehend, der<br />

seine Popularität stündl<strong>i<strong>ch</strong></strong> wa<strong>ch</strong>sen sieht.<br />

Im Flughafengebäude begrüsst uns die<br />

Stellvertreterin der Präsidentin der Nation,<br />

und s<strong>ch</strong>liessl<strong>i<strong>ch</strong></strong> werden wir zu einem guten<br />

Hotel an der Maghelanstrait gefahren. Jetzt<br />

kommen neue Sorgen auf uns zu: Wir haben<br />

keinen Rappen Bargeld und keine Kredit -<br />

karten. Was tun? Vor dem Hotel steht die<br />

Reportermeute. I<strong>ch</strong> gewähre der Reporterin<br />

der englis<strong>ch</strong>en Boulevardzeitung «Sun» ein<br />

Interview und verkaufe ihr meine Bilder aus<br />

dem Rettungsboot für 200 Dollar. Das ist<br />

s<strong>ch</strong>on mal ein Anfang.<br />

Zurück na<strong>ch</strong> Hause<br />

Die Leute des Reiseveranstalters GAP (Great<br />

Adventure People; den Namen haben sie verdient,<br />

au<strong>ch</strong> wenn sie n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t jedes Mal ein<br />

S<strong>ch</strong>iff versenken können) ma<strong>ch</strong>en einen fantastis<strong>ch</strong>en<br />

Job: Hundert Leute müssen heute<br />

Abend untergebra<strong>ch</strong>t und verpflegt werden.<br />

Die meisten von ihnen haben n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t einmal<br />

S<strong>ch</strong>uhe, da sie in den kniehohen Wellington-<br />

Boots im Boot sassen. Alle wollen sie ihre<br />

Lieben informieren. Praktis<strong>ch</strong> keiner hat<br />

Geld oder Kreditkarten. Jeder hat andere<br />

Bedürfnisse, Wüns<strong>ch</strong>e und An sprü<strong>ch</strong>e. Und<br />

morgen früh wird bereits die zweite Hälfte<br />

der Passagiere mit der Herkules eingeflogen.<br />

Beim Na<strong>ch</strong>tessen kommt der Kapitän der<br />

«Explorer», der als letzter von Bord gegangen<br />

war, ins Restaurant. Er wird jubelnd<br />

begrüsst und beklats<strong>ch</strong>t, alle mögen ihn und<br />

alle wissen, dass er eine s<strong>ch</strong>wierige Zeit vor<br />

s<strong>i<strong>ch</strong></strong> hat. Am nä<strong>ch</strong>sten Tag, es ist ein Sonntag,<br />

erhalten wir die Mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>keit, die notwendigsten<br />

Dinge einzukaufen. Alle Ges<strong>ch</strong>äfte in<br />

Punta Arenas sind heute ges<strong>ch</strong>lossen, aber<br />

die GAP hat erre<strong>i<strong>ch</strong></strong>t, dass ein Warenhaus<br />

auss<strong>ch</strong>liessl<strong>i<strong>ch</strong></strong> für uns das Verkaufspersonal<br />

zusammentrommelt und seine Türen öffnet.<br />

Mit Kleinbussen werden wir gruppenweise<br />

hingefahren. Wir benötigen vor allem<br />

S<strong>ch</strong>uhe, Socken, Toiletten artikel, Gepäck -<br />

stücke, Lesebrillen, Hemden und T-Shirts<br />

Der Flug in der Herkules dauert drei Stunden. Es ist sehr eng. Aber das stört niemanden.<br />

Peter Kunz<br />

Peter Kunz, 70, wohnt mit seiner<br />

Partner in Dora Senn in Zür<strong>i<strong>ch</strong></strong>. Bis zu<br />

seiner Pensionierung arbeitete er als<br />

Vers<strong>i<strong>ch</strong></strong>erungsberater bei der «Zür<strong>i<strong>ch</strong></strong>»,<br />

seither frönt er mit Dora dem gemeinsamen<br />

Hobby Reisen. Ihr Trip mit der<br />

«Explorer» war n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t Peters erster<br />

Ausflug in die Antarktis. Aber s<strong>i<strong>ch</strong></strong>er sein<br />

aufregendster.<br />

oder eine Jacke. Ein Arzt steht zur Verfügung<br />

und stellt Rezepte aus.<br />

Gestaffelt fliegen die Leute nun na<strong>ch</strong><br />

Hause, die meisten über Santiago und von<br />

dort weiter an die Zieldestination. Alle<br />

Tickets müssen neu gebu<strong>ch</strong>t werden. Na<strong>ch</strong><br />

zwei Tagen ist weit über die Hälfte der<br />

Leute bereits ausgeflogen, Dora und <strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

sind inzwis<strong>ch</strong>en in Buenos Aires angekommen.<br />

Hier warten wir im Hotel auf den<br />

Weiterflug na<strong>ch</strong> Zür<strong>i<strong>ch</strong></strong>. In Punta Arenas<br />

sind no<strong>ch</strong> die zumeist philippinis<strong>ch</strong>en<br />

Besatzungsmitglieder zurückgeblieben. Sie<br />

sind sehr frustriert und traurig. Einige<br />

arbeiteten s<strong>ch</strong>on seit Jahren auf der<br />

«Explorer»; jetzt haben sie keine Stelle<br />

mehr, müssen na<strong>ch</strong> Hause, und es ist<br />

s<strong>ch</strong>wierig, wieder einen Job zu kriegen,<br />

besonders einen so guten auf einem S<strong>ch</strong>iff.<br />

In Buenos Aires empfängt uns der<br />

S<strong>ch</strong>weizer Bots<strong>ch</strong>after; wir erhalten ein<br />

paar hundert Franken «Notgeld». Nun können<br />

wir no<strong>ch</strong> einige Einkäufe ma<strong>ch</strong>en. Wir<br />

freuen uns, bald wieder zu Hause zu sein.<br />

Was wir erlebt haben, kommt mir vor wie<br />

ein Traum, und <strong>i<strong>ch</strong></strong> denke: unglaubl<strong>i<strong>ch</strong></strong>!<br />

I<strong>ch</strong> bin sehr dankbar, dass wir diesen Unfall<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t mit dem Leben bezahlt haben. So<br />

s<strong>ch</strong>nell hätte es vorbei sein können. Und<br />

trotzdem: Was wir bisher von der Antarktis<br />

gesehen haben, war so faszinierend, dass<br />

wir auf jeden Fall so bald wie mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

no<strong>ch</strong>mals hin wollen.<br />

<strong>Polar</strong>NEWS<br />

Rettung<br />

Arne Kertelhein begleitet als Wissens<strong>ch</strong>aftler S<strong>ch</strong>iffs<strong>reisen</strong> in alle<br />

Welt, vorzugsweise in polare Gegenden. Als die «Explorer» unterging,<br />

befand er s<strong>i<strong>ch</strong></strong> auf der «Nordnorge» und beteiligte s<strong>i<strong>ch</strong></strong> an der<br />

Bergung der S<strong>ch</strong>iff brü<strong>ch</strong>igen. Hier sein Ber<strong>i<strong>ch</strong></strong>t aus der S<strong>i<strong>ch</strong></strong>t des<br />

Retters.<br />

I<strong>ch</strong> war in der Na<strong>ch</strong>t wa<strong>ch</strong> ge -<br />

worden und hatte aus dem<br />

Fenster ges<strong>ch</strong>aut, um s<strong>ch</strong>on mal<br />

die Wetterverhältnisse des neuen<br />

Tages zu beguta<strong>ch</strong>ten. Dabei<br />

wunderte <strong>i<strong>ch</strong></strong> m<strong>i<strong>ch</strong></strong>, dass wir<br />

re<strong>ch</strong>t gute Fahrt ma<strong>ch</strong>ten und<br />

s<strong>ch</strong>einbar auf dem offenen Meer<br />

unterwegs waren. Na<strong>ch</strong> dem wir<br />

gestern Na<strong>ch</strong> mittag Halfmoon<br />

Island bei Livingston Island auf<br />

den Südshetlands besu<strong>ch</strong>t hatten<br />

und für heute Vormittag nur<br />

Yankee Harbour auf der anderen<br />

Seite der McFarlane Strait auf<br />

dem Programm stand, war das<br />

sehr merkwürdig, s<strong>ch</strong>liessl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

war das keine grosse Ent fernung,<br />

man kann da sozusagen hin -<br />

sehen.<br />

Kurz darauf – es wird etwa 3:30<br />

Uhr gewesen sein – klingelte<br />

mein Telefon. Marco, ein Kollege<br />

aus dem Expeditions team, sagte<br />

nur knapp: «Die „Explorer“<br />

sinkt. Ma<strong>ch</strong> d<strong>i<strong>ch</strong></strong> fertig und<br />

komm auf die Brücke.» Nun<br />

war mir klar, warum wir n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

mehr auf unserer Position<br />

waren.<br />

Auf der Brücke bespra<strong>ch</strong>en der<br />

Kapitän, einige Offiziere und<br />

unser Expeditionsleiter die<br />

Situation. S<strong>ch</strong>on gegen 2:00<br />

Uhr hatten sie den Hilferuf der<br />

«Explorer» empfangen und s<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

sofort auf den Weg gema<strong>ch</strong>t.<br />

Die «Nordnorge» fuhr mit<br />

Hö<strong>ch</strong>stges<strong>ch</strong>windigkeit, da man<br />

wusste, dass Passagiere und<br />

Crew die «Explorer» bereits<br />

verlassen hatten und in den<br />

Rettungsbooten auf Hilfe warteten.<br />

Aber trotzdem würden wir<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t vor 7:00 Uhr am mehr als<br />

150 Kilometer entfernten Un -<br />

glücksort südöstl<strong>i<strong>ch</strong></strong> von King<br />

George Island eintreffen können<br />

– genug Zeit aber au<strong>ch</strong>, um das<br />

weitere Vorgehen genau zu planen.<br />

Wir wussten, dass au<strong>ch</strong> die<br />

«Endeavour» auf dem Weg zum<br />

Havaristen war, aber sie war<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t so s<strong>ch</strong>nell wie wir. Bald<br />

konnten wir sie sehen und hatten<br />

sie dann au<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>nell<br />

eingeholt. Wir würden also als<br />

erstes S<strong>ch</strong>iff bei der «Explorer»<br />

sein und uns um die S<strong>ch</strong>iff -<br />

brü<strong>ch</strong>igen kümmern müssen.<br />

Natürl<strong>i<strong>ch</strong></strong> spekulierten wir au<strong>ch</strong><br />

eifrig darüber, wie es zu einem<br />

sol<strong>ch</strong>en Unglück hatte kommen<br />

können, denn die See war in dieser<br />

Na<strong>ch</strong>t n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t besonders rauh<br />

gewesen – und dass hier Eis im<br />

Wasser treibt, ist ja au<strong>ch</strong><br />

bekannt, die S<strong>ch</strong>iffe sind entspre<strong>ch</strong>end<br />

verstärkt und ausgerüstet.<br />

Wir mussten no<strong>ch</strong> ein<br />

grosses Treibeisfeld umrunden<br />

und hielten dann eifrig Aus -<br />

s<strong>ch</strong>au na<strong>ch</strong> einem S<strong>ch</strong>iff.<br />

S<strong>ch</strong>liess l<strong>i<strong>ch</strong></strong> konnten wir die<br />

«Explorer» entfernt im Morgen -<br />

dunst ausma<strong>ch</strong>en: Das S<strong>ch</strong>iff<br />

hatte s<strong>ch</strong>on re<strong>ch</strong>t stark S<strong>ch</strong>lag -<br />

seite, und in einiger Entfernung<br />

dümpelten die Rettungsboote<br />

und Zodiaks auf den Wellen.<br />

Das war ein Anblick, bei dem<br />

mir mulmig wurde. Umgeben<br />

von all der modernen Te<strong>ch</strong>nik<br />

der S<strong>ch</strong>iffe glaubt man s<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

do<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>t s<strong>i<strong>ch</strong></strong>er und absolviert<br />

die obligatoris<strong>ch</strong>e Rettungs -<br />

übung am Beginn jeder Fahrt in<br />

der Meinung, dass es einen<br />

wirkl<strong>i<strong>ch</strong></strong>en Ernstfall nie geben<br />

wird. Aber hier s<strong>ch</strong>aukelten nun<br />

150 dur<strong>ch</strong>gefrorene Mens<strong>ch</strong>en<br />

fernab vom Land zwis<strong>ch</strong>en den<br />

Eisbergen neben ihrem sinkenden<br />

S<strong>ch</strong>iff in diesen absolut<br />

altertüml<strong>i<strong>ch</strong></strong>en offenen Rettungs -<br />

booten... Wenn das Wetter n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t<br />

so ruhig gewesen wäre, hätte<br />

man in den s<strong>ch</strong>einbar manöv -<br />

rier unfähigen Booten (sie muss -<br />

ten von den Zodiaks ges<strong>ch</strong>leppt<br />

werden) eine no<strong>ch</strong> wesentl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

s<strong>ch</strong>limmere Zeit dur<strong>ch</strong>lebt.<br />

Um die S<strong>ch</strong>iffbrü<strong>ch</strong>igen mögl<strong>i<strong>ch</strong></strong>st<br />

s<strong>ch</strong>nell aufnehmen zu<br />

können, liessen wir eins unserer<br />

Rettungsboote zu Wasser, die<br />

Zodiaks manövrierten ein<br />

Rettungs boot na<strong>ch</strong> dem anderen<br />

längsseits, die Leute kletterten<br />

herüber, und dann s<strong>ch</strong>webten sie<br />

wie mit einem Fahrstuhl rauf auf<br />

Deck 5. Von hier ging es in den<br />

Panorama-Salon, wo die neuen<br />

Gäste mit warmen Decken versehen<br />

und verpflegt wurden.<br />

Die meisten ma<strong>ch</strong>ten trotz der<br />

langen Zeit in den Booten einen<br />

munteren Eindruck, niemand<br />

war ernsthaft verletzt oder<br />

bedrohl<strong>i<strong>ch</strong></strong> ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>t. Als alle<br />

an Bord waren, drehten wir<br />

no<strong>ch</strong> eine Abs<strong>ch</strong>iedsrunde um<br />

die s<strong>i<strong>ch</strong></strong> immer weiter auf die<br />

Seite neigende «Explorer». Die<br />

geretteten Passagiere hatten<br />

n<strong>i<strong>ch</strong></strong>ts mitnehmen können<br />

ausser der Kleidung, die sie am<br />

Leibe trugen, und <strong>i<strong>ch</strong></strong> da<strong>ch</strong>te<br />

etwas wehmütig daran, wie viele<br />

erstklassige Kameraausrüstungen<br />

dort nun demnä<strong>ch</strong>st auf den<br />

Grund des Meeres sinken würden...<br />

Ans<strong>ch</strong>liessend ma<strong>ch</strong>ten wir uns<br />

dann auf den Weg zur <strong>ch</strong>ilenis<strong>ch</strong>en<br />

Basis auf King George<br />

Island, von wo aus die S<strong>ch</strong>iff -<br />

brü<strong>ch</strong>igen am nä<strong>ch</strong>sten Tag ausgeflogen<br />

werden sollten. Das<br />

Unglück hatte s<strong>i<strong>ch</strong></strong> in der Welt<br />

sehr ras<strong>ch</strong> herumgespro<strong>ch</strong>en,<br />

ständig riefen Journalisten in<br />

unserem Büro an, aber der<br />

Kapitän hatte ein generelles<br />

Telefon- und Internetverbot<br />

erlassen, da er die verfügbare<br />

Sendekapazität brau<strong>ch</strong>te, um die<br />

weiteren Rettungsmassnahmen<br />

mit den <strong>ch</strong>ilenis<strong>ch</strong>en, argentinis<strong>ch</strong>en<br />

und britis<strong>ch</strong>en Behörden<br />

zu koordinieren. Alle drei<br />

Länder beanspru<strong>ch</strong>en näml<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

dieses Territorium der Antarktis<br />

für s<strong>i<strong>ch</strong></strong> und meinten somit<br />

allein zuständig zu sein – was<br />

die Sa<strong>ch</strong>e s<strong>i<strong>ch</strong></strong>er n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t vereinfa<strong>ch</strong>te.<br />

Unsere Gäste auf der «Nord -<br />

norge» akzeptierten den geänderten<br />

Tagesablauf ohne Murren,<br />

denn s<strong>ch</strong>liessl<strong>i<strong>ch</strong></strong> war allen klar,<br />

dass man in einer sol<strong>ch</strong>en<br />

Notsituation ohne Dis kussion<br />

zu aller Hilfe verpfl<strong>i<strong>ch</strong></strong>tet war –<br />

viele gaben den dur<strong>ch</strong>gefrorenen<br />

und nassen «Explorer»-Gästen<br />

etwas von ihrer Kleidung ab.<br />

Ausserdem würde es Pinguin -<br />

kolonien ja au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> am nä<strong>ch</strong>sten<br />

Tag geben: Die sinkende<br />

«Explorer» aber war ein dramatis<strong>ch</strong>er<br />

Anblick, den man so ähnl<strong>i<strong>ch</strong></strong><br />

s<strong>i<strong>ch</strong></strong>er n<strong>i<strong>ch</strong></strong>t no<strong>ch</strong> einmal erleben<br />

würde.<br />

Vor diesem Tag hatte <strong>i<strong>ch</strong></strong> es<br />

immer besonders genossen,<br />

wenn wir weit und breit das einzige<br />

S<strong>ch</strong>iff in antarktis<strong>ch</strong>en oder<br />

arktis<strong>ch</strong>en Gewässern gewesen<br />

waren. Allerdings ist dann au<strong>ch</strong><br />

niemand in der Nähe, der einem<br />

zu Hilfe kommen kann... Da sieht<br />

man die anderen S<strong>ch</strong>iffe na<strong>ch</strong> so<br />

einem Erlebnis do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> mit<br />

anderen Augen!<br />

Arne Kertelhein<br />

24<br />

<strong>Polar</strong> NEWS<br />

<strong>Polar</strong> NEWS 25

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