Römische Rechtsgeschichte – Fragen - Michael Poropatich
Römische Rechtsgeschichte – Fragen - Michael Poropatich
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<strong>Michael</strong> <strong>Poropatich</strong> <strong>Römische</strong> <strong>Rechtsgeschichte</strong> WiSe 2012<br />
<strong>Römische</strong> <strong>Rechtsgeschichte</strong> <strong>–</strong> <strong>Fragen</strong>.<br />
Von der Website des Instituts für <strong>Römische</strong>s Recht und Antike <strong>Rechtsgeschichte</strong><br />
(http://roemr.univie.ac.at/aktuelles/materialien/fuem-1) und aus Prüfungsangaben.<br />
Literatur: Hausmaninger/Selb, <strong>Römische</strong>s Privatrecht 9 (2002). Olechowski, <strong>Rechtsgeschichte</strong><br />
<strong>–</strong> Einführung in die historischen Grundlagen des Rechts 3 (2010). Olechowski/Gamauf<br />
(Hrsg), Studienwörterbuch <strong>Rechtsgeschichte</strong> und <strong>Römische</strong>s<br />
Recht 2 (2010). Wiener Arbeitsgemeinschaft <strong>Rechtsgeschichte</strong> (Hrsg), Rechts- und<br />
Verfassungsgeschichte 1 (2011).<br />
(01) Wie unterscheiden sich die Rechtsschichten des a) ius civile b) ius gentium c)<br />
ius honorarium?<br />
a) Das ius civile gilt grundsätzlich nur für römische Bürger. 1 Es zeichnet sich durch<br />
formgebundene Rechtsgeschäfte aus.<br />
Das ius civile umfasst das althergebrachte ungeschriebene Recht, die Zwölf Tafeln<br />
und deren Weiterbildung durch die interpretatio der Juristen sowie das vereinzelt<br />
von Volksversammlung und Kaiser gesetzte Recht (leges bzw senatus consulta).<br />
b) Das ius gentium kommt bei Rechtsgeschäften zwischen Fremden oder zwischen<br />
Römern und Fremden zur Anwendung. Es beruht auf Bedürfnissen des internationalen<br />
Handelsverkehrs. Es zeichnet sich durch Zweckmäßigkeit und weitgehende<br />
Formfreiheit aus.<br />
Das ius gentium unterscheidet sich vom ius civile durch den personalen Geltungsbereich.<br />
1 Das ius civile wird ausnahmsweise durch besondere Verleihung, etwa des commercium<br />
(Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wie die mancipatio abzuschließen) oder des<br />
conubium (Ehefähigkeit), auf Nichtrömer erstreckt.<br />
c) Das ius honorarium ist die Fortbildung des ius civile durch die Gerichtsmagistrate<br />
in deren Edikten. Dem Spätklassiker Papinian zufolge sollen seine Institute (insb<br />
Klagen, Einreden und Nachlassbesitz) das ius civile unterstützen, ergänzen oder<br />
berichtigen.<br />
Das ius honorarium unterscheidet sich vom ius civile durch die Entstehungsweise<br />
des Rechts.<br />
(02) Erklären Sie die Begriffe a) ius publicum b) ius divinum c) ius privatum d) ius<br />
cogens.<br />
a) Ius publicum regelt das Verhältnis des Staates zum Bürger. Es betrifft den staatlichen<br />
Aufbau und das staatliche Handeln. Es dient dem Nutzen der Allgemeinheit.<br />
b) Ius divinum regelt das Verhältnis des Staates zu seinen Göttern. Es enthält zB<br />
Bestimmungen über res extra commercium oder Opfervorschriften.<br />
c) Ius privatum regelt das privatautonome Verhältnis der Bürger untereinander. Es<br />
dient dem Nutzen des Einzelnen.<br />
d) Ius cogens beschränkt die Privatautonomie. Es kann durch Parteienvereinbarung<br />
nicht abbedungen werden. Wird dennoch Abweichendes vereinbart, so ist das<br />
Vereinbarte nicht rechtswirksam. Mitunter wird sanktioniert, wer gegen ius cogens<br />
verstößt.<br />
(03) Welche Zeitspanne umfasst die Entwicklung des antiken römischen Rechts?<br />
Die Entwicklung des römischen Rechts in der Antike beginnt mit den Zwölf Tafeln<br />
(Mitte 5. Jh vChr) und endet mit der (später Corpus Iuris Civils genannten) Kompilation<br />
des klassischen römischen Rechts unter Justinian (Mitte 6. Jh nChr).<br />
Vor den Zwölf Tafeln gilt die „Sitte der Ahnen“ (mos maiorum). Das antike römische<br />
Recht wird in der Republik durch das prätorische Edikt geprägt. Im Prinzipat und<br />
Dominat bilden der Kaiser und seine Beamten es fort.<br />
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(04) Welche Rechtsquellen gibt es in der Republik? Was ist der Rechtsquellencharakter<br />
eines responsum?<br />
Die Gaius-Institutionen beginnen mit einem Katalog der Rechtsquellen in der Republik.<br />
Es gibt Gesetze, Plebiszite, Senatsbeschlüsse, Edikte der Gerichtsbarkeit<br />
und Rechtsgutachten der Juristen (responsa).<br />
Gesetze entstehen aufgrund spezieller Beauftragung (wie zB die Zwölf Tafeln) oder<br />
durch Beschluss in der Volksversammlung auf Antrag eines Magistrats (wie zB die<br />
lex Cincia).<br />
Plebiszite beschließt die Versammlung der Plebejer unter der Führung der Volkstribunen<br />
(wie zB die lex Aquilia). Durch die lex Hortensia erlangen Plebiszite gesetzesgleiche<br />
Geltung auch für die Patrizier.<br />
Senatsbeschlüsse sind rechtlich unverbindliche Empfehlungen des Senats an Magistrate.<br />
Die Magistrate befolgen sie angesichts der sozialen Autorität und der politischen<br />
Macht des Senats.<br />
Edikte der Gerichtsbarkeit regeln die Rechtsprechung. Sie werden von Prätoren,<br />
kurulischen Ädilen und Provinzstatthaltern verkündet.<br />
Responsa sind unverbindliche Rechtsauskünfte für den Prätor, den Iudex und die<br />
Prozessparteien. De facto enthalten sie die endgültige Entscheidung des anhängigen<br />
Rechtsfalls.<br />
(05, FÜM 10/2012) Welche Bedeutung kommt einem senatus consultum in der Republik,<br />
welche im Prinzipat zu?<br />
Ein Senatsbeschluss (senatus consultum) ist eine Entscheidung des Senats auf<br />
Anfrage eines Magistrats.<br />
In der Republik sind Senatsbeschlüsse rechtlich unverbindliche Empfehlungen. Der<br />
Magistrat befolgt sie allerdings angesichts der sozialen Autorität und der politischen<br />
Macht des Senats.<br />
Im Prinzipat ersetzen Senatsbeschlüsse die Gesetzgebung durch Volksversammlungen.<br />
Der Senat formalisiert kaiserliche Wünsche als Senatsbeschlüsse mit gesetzesgleicher<br />
Wirkung. Gegen Ende des 2. Jh wirkt der kaiserliche Antrag (oratio<br />
principis) selbst gesetzesgleich.<br />
(06, FÜM 03/2013) Welche Bedeutung kommt dem Edikt des Prätors für die römische<br />
Rechtsentwicklung zu?<br />
Der Prätor ist jener Magistrat, dem in der Republik nach Erlass der leges Liciniae<br />
Sextiae 2 (367 vChr) die Gerichtsbarkeit (iurisdictio) obliegt.<br />
Am Beginn seines Amtsjahres erlässt der Prätor ein Edikt, in dem er bekannt gibt,<br />
nach welchen Grundsätzen er Recht anwendet und welche Klagen (actiones) und<br />
Einreden (exceptiones) er zur Durchsetzung der Rechtsansprüche aus dem ius civile<br />
gewährt.<br />
Das prätorische Edikt begründet das ius honorarium, welches das ius civile teils ergänzt,<br />
teils berichtigt. Weitere Impulse zur Ausbildung des ius honorarium kommen<br />
aus dem ius gentium, für dessen Gerichtsbarkeit um 242 vChr eine eigene Prätur<br />
(praetor peregrinus) eingerichtet wird.<br />
Im klassischen römischen Recht entwickeln sich Kommentare zum Edikt des Prätors<br />
zur wichtigsten literarischen Gattung.<br />
(07) Wie findet die Rechtserzeugung im Prinzipat statt?<br />
Zu Beginn des Prinzipats entwickelt sich das Recht durch Senatsbeschlüsse und<br />
Edikte der Gerichtsbarkeit weiter. Im Jahr 130 schließt Julian im Auftrag des Kaisers<br />
Hadrian das prätorische Edikt redaktionell ab. Danach prägen Kaiserkonstitutionen<br />
die Rechtserzeugung ( Frage 08).<br />
2 Die leges Liciniae Sextiae lassen Plebejer zum Konsulat zu und stellen den beiden<br />
Konsuln einen für die Gerichtsbarkeit zuständigen Prätor als collega minor bei.<br />
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Ab Augustus verleihen die Kaiser im Prinzipat hervorragenden Juristen die Befugnis,<br />
in ihrem Namen Rechtsgutachten (responsa) zu erteilen. Übereinstimmende<br />
responsa von Juristen mit ius respondendi haben gesetzesgleiche Wirkung.<br />
(08, FÜM 01/2013) Welche Arten von Kaiserkonstitutionen unterscheidet man?<br />
Kaiserkonstitutionen (constitutiones principis) sind Formen unmittelbarer Rechtserzeugung<br />
durch den Kaiser.<br />
Der Kaiser erlässt Edikte, in denen er generelle Regelungen auf allen Rechtsgebieten<br />
trifft (edictum). Er fällt Urteile in seiner Funktion als Richter in Zivil- und Strafprozessen<br />
(decretum). Er entscheidet einen streitigen Rechtsfall auf Ersuchen<br />
eines Privaten (rescriptum) oder auf Anfrage einer Behörde (epistula). 3 Er weist<br />
seine Beamten dienstlich an (mandatum).<br />
Rescripta und epistulae gelten nur für den Anlassfall. Unter den Richtern besteht<br />
allerdings eine starke Tendenz, solche kaiserliche Entscheidungen als generelle<br />
Norm zu behandeln.<br />
(09) Was versteht man unter „klassischem römischen Recht“?<br />
Das römische Recht der späten Republik und des Prinzipats wird als „klassisch“<br />
bezeichnet. Der Jurist Celsus definiert es als die Kunst, Anständigkeit und Fairness<br />
zu verwirklichen.<br />
Die Rechtsschulen der Sabinianer und Prokulianer bestimmen die Jurisprudenz.<br />
Die klassischen Juristen begründen ihre Entscheidungen oft mit Wertvorstellungen<br />
wie zB bona fides (Treu und Glauben), aequitas (Fairness), boni mores (gute Sitten),<br />
utilitas (Zweckmäßigkeit, Verkehrssicherheit) oder bonum commune (Gemeinwohl).<br />
3 Der Kaiser macht dabei seine Entscheidung von der Richtigkeit des vorgebrachten<br />
Sachverhalts abhängig.<br />
(10) Was versteht man unter Elementarliteratur? Geben Sie ein Beispiel aus der<br />
Klassik!<br />
Unter Elementarliteratur versteht man Juristenschriften, die als Einführungswerke<br />
für den Rechtsunterricht verfasst wurden.<br />
Das erste und bedeutendste Werk sind die commentarii des Gaius (Mitte 2. Jh), ein<br />
systematisches Anfängerlehrbuch des Privatrechts in vier libri ( Frage 17).<br />
(11, FÜM 11/2012) Was versteht man unter Kommentarliteratur? Was wurde von<br />
den römischen Juristen kommentiert?<br />
Unter Kommentarliteratur versteht man Juristenschriften, die normative Rechtstexte<br />
umfassend erklären. Kommentiert werden prätorische Edikte, einzelne Gesetze<br />
und Schriften älterer Juristen.<br />
Im klassischen römischen Recht entwickeln sich Kommentare zum Edikt des Prätors<br />
( Frage 06) zur wichtigsten literarischen Gattung.<br />
(12) Welche Bedeutung kommt Justinian für die römische Rechtsentwicklung zu?<br />
Der oströmische Kaiser Justinian verfolgte das Ziel, das römische Weltreich in seiner<br />
einstigen Größe wiederherzustellen. Er reformierte die Rechtsordnung im Geiste<br />
christlicher Humanität und sozialer Gerechtigkeit.<br />
Justinian ließ das geltende Recht im Corpus Iuris Civilis umfassend aufzeichnen.<br />
Das Corpus Iuris Civilis besteht aus den Digesten, den Institutionen und dem Codex<br />
der justinianischen Kompilation sowie den Novellen. Die Digesten sind eine<br />
Sammlung klassischen Juristenrechts, das nach Meinung der justinianischen Zeit<br />
erhaltenswert gewesen ist.<br />
Die Schriften der klassischen Juristen sind mit wenigen Ausnahmen (wie etwa den<br />
Gaius-Institutionen) nur in den Digesten Justinians überliefert. Nach der Wiederent-<br />
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deckung im 12. Jh in Oberitalien wird das Corpus Iuris Civilis von der Legistik erforscht.<br />
Es begründet das gelehrte ius commune.<br />
(13) Aus welchen Teilen besteht das Corpus Iuris Civilis?<br />
Das Corpus Iuris Civilis besteht aus den Digesten, den Institutionen und dem Codex<br />
der justinianischen Kompilation sowie den Novellen.<br />
Die Digesten sind eine Sammlung des klassischen Juristenrechts. Die Institutionen<br />
sind ein autorisiertes Lehrbuch für Studienanfänger. Der Codex enthält Kaiserkonstitutionen,<br />
va rescripta. Die Novellen sind die von Kaiser Justinian erlassenen Gesetze<br />
nach Inkraftsetzung des Codex im Jahre 534.<br />
(14) Charakterisieren Sie die Digesten Justinians!<br />
Die Digesten Justinians sind eine systematische Sammlung von Schriften ausgewählter<br />
klassischer Juristen, darunter Ulpian, Paulus, Papinian, Pomponius, Gaius<br />
und Julian. Die Schriften befassen sich hauptsächlich mit Privatrecht. Sie enthalten<br />
keine abstrakten Rechtssätze, sondern Lösungen von Einzelfällen. Sie haben den<br />
Charakter eines casebook.<br />
Eine Kommission unter der Leitung des Juristen Tribonian kompilierte die Schriften.<br />
Die Kompilatoren stellten die Digesten Justinians durch Exzerpieren und Interpolieren<br />
her. Die Texte sind gekürzt und überarbeitet (interpoliert), um Veraltetes auszuscheiden<br />
und Kontroversen zu streichen bzw durch Umformulierung zu harmonisieren.<br />
Widersprüche innerhalb der Schriften löste oft Justinian selbst. Die Digesten<br />
wurden im Jahr 533 verlautbart.<br />
(15) Was versteht man unter Interpolationen?<br />
Interpolationen sind Kürzungen und Überarbeitungen der Schriften der klassischen<br />
Juristen mit dem Zweck, Veraltetes auszuscheiden und Kontroversen zu streichen<br />
bzw durch Umformulierung zu harmonisieren. Auf diese Weise wurden veraltete<br />
Rechtsinstitute ersetzt (zB mancipatio durch traditio) oder Regelungen extensiv<br />
ausgelegt (zB princeps legibus solutus est).<br />
(16) Charakterisieren Sie den Codex Iustinianus!<br />
Der Codex Iustinianus ist eine Aufzeichnung des geltenden Kaiserrechts unter Justinian.<br />
Er enthält Kaiserkonstitutionen (va rescripta) von der Zeit des Kaisers Hadrian<br />
bis zur Inkraftsetzung des Codex im Jahr 534. Die Aufzeichnung beginnt mit Hadrian,<br />
weil er das prätorische Edikt festgeschrieben und so die römische Gesetzgebung<br />
verändert hat.<br />
(17, FÜM 06/2011) Wer war Gaius? Charakterisieren Sie die Gaius-Institutionen!<br />
Wie sind sie aufgebaut?<br />
Gaius war ein klassischer Jurist. Seine commentarii (später Institutionen genannt)<br />
sind ein Anfängerlehrbuch des Privatrechts in vier libri.<br />
Die Gaius-Institutionen beginnen mit einem Rechtsquellenkatalog. Darauf folgt eine<br />
Gliederung des Stoffes in personae, res und actiones. Personae umfasst Personen-<br />
und Familienrecht, res Sachen-, Schuld- und Erbrecht und actiones Zivilprozessrecht.<br />
Das Werk ist systematisch, aber inhaltlich anspruchslos. Es gilt in der klassischen<br />
Jurisprudenz nicht als zitierfähig. Es bewahrt die klassische Rechtssubstanz im<br />
nachklassischen Vulgarrecht. Die Institutionen Justinians lehnen sich an dieses<br />
Werk an. Rechtshistorisch ist das Werk als vor-justinianische Rechtsquelle von Bedeutung.<br />
(18) Vergleichen Sie den Aufbau der Gaius-Institutionen mit jenem des ABGB!<br />
Die Gaius-Institutionen beginnen mit einem Rechtsquellenkatalog. Darauf folgt eine<br />
Gliederung des Rechtsstoffes in personae, res und actiones. Personae umfasst<br />
Personen- und Familienrecht, res Sachen-, Schuld- und Erbrecht und actiones<br />
Zivilprozessrecht.<br />
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Das ABGB folgt dem System der Gaius-Institutionen. Es gliedert das Privatrecht in<br />
vernunftbegabte Rechtssubjekte und vernunftlose Rechtsobjekte. Es enthält Regelungen<br />
über Personen und Sachen (vergleichbar mit personae und res) sowie<br />
wenige für diese beiden Bereiche gleichermaßen geltenden Vorschriften. Es umfasst<br />
nicht Zivilprozessrecht.<br />
(19) Charakterisieren Sie die Institutionen Justinians!<br />
Die Institutionen Justinians sind ein autorisiertes Lehrbuch für Studienanfänger. Sie<br />
geben den Inhalt der Digesten Justinians ( Frage 14) in vereinfachter und stark<br />
gekürzter Form wieder. Sie lehren personae, res und actiones. Personae umfasst<br />
Personen- und Familienrecht, res Sachen-, Schuld- und Erbrecht und actiones<br />
Zivilprozessrecht.<br />
(20) Inwiefern kann man das römische Kaiser-Reskript mit dem Vorabentscheidungsverfahren<br />
des EuGH vergleichen?<br />
Per Reskript entscheidet der Kaiser einen streitigen Rechtsfall auf Ersuchen eines<br />
Privaten. Reskripte gelten nur für den Anlassfall. Unter den Richtern besteht allerdings<br />
eine starke Tendenz, sie als generelle Norm zu behandeln.<br />
Das Vorabentscheidungsverfahren ermöglicht einem nationalen Gericht, den EuGH<br />
zur Auslegung oder zur Gültigkeit des Unionsrechts in einer laufenden Rechtssache<br />
anzurufen. Das Urteil des EuGH bindet nicht nur das nationale Vorlagegericht,<br />
sondern alle Gerichte in den Mitgliedstaaten.<br />
Reskript und Vorabentscheidung entfalten über den Anlassfall hinaus Bindungswirkung.<br />
Die jeweilige Autorität (Kaiser bzw EuGH) interpretiert nicht nur, sie schafft<br />
auch neues Recht.<br />
(FÜM 06/2010) a) Nennen und erläutern Sie die wichtigsten Tätigkeiten eines republikanischen<br />
römischen Juristen. b) Inwiefern ist das Tätigkeitsprofil der Juristen<br />
in der Hoch- und Spätklassik gleich dem der republikanischen Juristen, inwiefern<br />
unterscheidet es sich?<br />
a) Der republikanische römische Jurist leistet Beistand im Prozess (agere), fasst<br />
Verträge, Testamente und andere Rechtsgeschäfte ab (cavere) und erteilt Rechtsgutachten<br />
in Zivilprozessen (respondere). Er berät den Prätor, den Iudex und die<br />
Prozessparteien im Zivilprozess.<br />
b) Der klassische römische Jurist zieht sich aus Prozessbeistand (agere) und Kautelarjurisprudenz<br />
(cavere) zurück. Er erteilt Rechtsgutachten in Zivilprozessen (respondere).<br />
Er berät Magistrate und Richter. Er erteilt zeitweise Rechtsunterricht und<br />
verfasst wissenschaftliche Werke für Lehre und Praxis.<br />
(21) Inwiefern kann man das römische Recht mit dem angloamerikanischen Case<br />
Law vergleichen? Worin unterscheiden sie sich?<br />
Das römisches Recht ist weitgehend Juristenrecht. Juristen bilden es über Rechtsgutachten<br />
in Zivilprozessen weiter. Die Rechtsgutachten sind zwar Fallrecht ohne<br />
präjudizielle Wirkung. Sie wirken aber aufgrund ihrer Überzeugungskraft.<br />
Das angloamerikanische Case Law ist Richterrecht. Die Urteile schaffen nicht nur<br />
Recht für den Einzelfall. Sie stellen auch die Rechtsordnung punktuell fest, weil die<br />
Gerichte an Präjudizien gebunden sind.<br />
(22, FÜM 10/2010) Was versteht man unter der Glossa Ordinaria? Welche Bedeutung<br />
kam ihr in der mittelalterlichen Rechtspraxis zu?<br />
Die Legistik setzte mit Beginn des 12. Jh ein. Untersuchter Gegenstand war das<br />
Corpus Iuris Civilis. Die Glossatoren erläuterten seinen Text durch Wort- und Sacherklärungen<br />
(Glossen). Sie stellten den Text in Summen systematisch dar.<br />
Einen gewissen Abschluss bildete Mitte des 13. Jh die Glossa Ordinaria von Accursius.<br />
Sie fasste die gesamte vorhandene Glossenliteratur zusammen. Sie galt faktisch<br />
als eine selbständige Rechtsquelle des römischen Rechts. Sie verdrängte den<br />
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ursprünglich als autoritativ verstandenen Text des Corpus Iuris Civilis allmählich in<br />
den Hintergrund.<br />
(23) Charakterisieren Sie die Tätigkeit der spätmittelalterlichen Konsiliatoren!<br />
Konsiliatoren (oder Kommentatoren) heißen die Nachfolger der Glossatoren. Sie<br />
verzichteten darauf, das Corpus Iuris Civils weiter zu glossieren. Stattdessen versuchten<br />
sie, das justinianische Recht den Bedürfnissen ihrer Zeit anzupassen und<br />
praktisch nutzbar zu machen. Sie bezogen das kanonische Recht, das langobardische<br />
Lehensrecht, die lokalen Gewohnheitsrechte und das Statutarrecht der oberitalienischen<br />
Stadtstaaten in ihre Arbeit ein.<br />
Die Konsiliatoren verfassten Kommentare und Monographien. Sie wirkten auf die<br />
Gerichtspraxis mittels Gutachten (consilia) ein. Sie entwickelten das ius commune.<br />
(24) Was versteht man unter ius commune?<br />
Das ius commune entstand aus der wissenschaftliche Bearbeitung des römischen<br />
und kanonischen Rechts im Spätmittelalter. Es umfasste das Corpus Iuris Civilis,<br />
das Corpus Iuris Canonici und die Fortbildung beider Rechtsquellen im Rahmen<br />
des wissenschaftlichen Diskurses.<br />
Universitär ausgebildete Juristen, die zunehmend in Justiz, Verwaltung und Politik<br />
eingesetzt wurden, wandten das römische und kanonische Recht immer dort an,<br />
wo ihnen nicht von den Prozessparteien ein entgegenstehender Landesbrauch<br />
nachgewiesen wurde.<br />
Das ius commune erlangte so subsidiäre Geltung. Es drängte im Laufe der Zeit die<br />
Partikularrechte zurück und wurde gemeineuropäisches Recht.<br />
(25) Was versteht man unter Rezeption des römischen Rechts? Warum und wie<br />
erfolgte diese?<br />
Die Rezeption war ein gesamteuropäischer Vorgang, der im 12. Jh begann und im<br />
15. und 16. Jh den Höhepunkt erreichte. Sie übernahm das römisch-kanonische,<br />
gelehrte Recht in die Rechtspraxis. Schuldrechtliche Bedürfnisse der Wirtschaft<br />
stießen die Rezeption an. Universitär ausgebildete Juristen, die zunehmend in Justiz,<br />
Verwaltung und Politik eingesetzt wurden, betrieben sie.<br />
Die Rezeption brachte das ius commune hervor und ließ es in den Partikularrechten<br />
wirksam werden.<br />
(26) Welche Kodifikationen zählt man zu den Naturrechtsgesetzbüchern?<br />
Eine Kodifikation enthält entweder die gesamte Rechtsordnung oder zumindest ein<br />
komplettes Rechtsgebiet. Das Recht wird systematisch und widerspruchsfrei, mittels<br />
abstrakter Rechtssätze aufgezeichnet (also keine Fallsammlung). Das zur Gesetzgebung<br />
berufene Organ stattet es mit Exklusivität aus (also keine subsidiäre<br />
Geltung von älteren Gesetzen oder Gewohnheitsrecht).<br />
Naturrechtliche Kodifikationen entstanden in Europa ab der zweiten Hälfte des 18.<br />
Jh. Sie schufen Rechtssicherheit, indem das zersplitterte ius romano-germanicum<br />
(ein Gemenge aus gemeinem und heimischem Recht) einer einheitlichen Rechtsordnung<br />
wich. Sie begründeten Staatseinheit durch Rechtseinheit. Das ius commune<br />
ging infolge der Aufsplittung in nationale Rechtsordnungen unter.<br />
Naturrechtsgesetzbücher sind das preußische Allgemeine Landrecht 1794, das österreichische<br />
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch 1811 4 und der französische Code<br />
civil 1804.<br />
(27) Was ist die Historische Rechtsschule?<br />
Die Historische Rechtsschule entstand zu Beginn des 19. Jh. 5 Sie stellte den Anspruch<br />
des Naturrechts auf zeitlose Geltung in Frage. Sie lehnte naturrechtliche<br />
Kodifikationen ab.<br />
4 Dass das ABGB ein typisches Naturrechtsgesetzbuch ist, zeigt sich insbesondere<br />
beim Hinweis auf die „natürlichen Rechtsgrundsätze“ in § 7. Feststellbar sind aber<br />
auch Einflüsse des gemeinen Rechts (va im Schuldrecht), des heimisch-deutschen<br />
Rechts (va im Sachenrecht) und des kanonischen Rechts (va im Familienrecht).<br />
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<strong>Michael</strong> <strong>Poropatich</strong> <strong>Römische</strong> <strong>Rechtsgeschichte</strong> WiSe 2012<br />
Die Historische Rechtsschule nimmt an, dass das Recht aus dem Volk entsteht. Es<br />
ist organisch gewachsen aus dem Gewohnheitsrecht unter dem Einfluss von Gerichten<br />
und Rechtslehrern. Dieses Recht lässt sich nicht logisch konstruieren. Es<br />
kann nur durch die Beschäftigung mit seiner Geschichte erschlossen werden. Das<br />
Gesetz soll es lediglich ergänzen, nicht aber ersetzen.<br />
(28, FÜM 03/2011) Was versteht man unter Pandektistik? Woher leitet sich der<br />
Name ab? Welche Gesetzbücher gelten als pandektistisch beeinflusst?<br />
Als Pandektistik bezeichnet man die Wissenschaft vom römischen Recht in der Gestalt,<br />
die sie im 19. Jh unter dem Einfluss der Historischen Rechtsschule erhalten<br />
hatte. Der Name leitet sich von den „Pandekten“, das ist der griechische Name der<br />
Digesten des Corpus Iuris Civilis, ab.<br />
Die Pandektistik verfolgte das Ziel, durch Exegese der justinianischen Digesten<br />
eine privatrechtliche Ordnung im Kontext des Liberalismus zu schaffen.<br />
Pandektistische Gesetzbücher sind das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch 1896,<br />
das schweizerische Zivilgesetzbuch 1907 und die drei Teilnovellen zum österreichischen<br />
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch 1914/15/16.<br />
(FÜM 04/2013) Wie findet die Rechtserzeugung in der <strong>Römische</strong>n Republik statt?<br />
Frage 04.<br />
(FÜM 06/2012) Welche Quellen der römischen Rechtserzeugung kennt die hochklassische<br />
Rechtswissenschaft (insbesondere bei Gaius)? Geben Sie jeweils eine<br />
kurze Beschreibung!<br />
(FÜM 04/2012) Was ist die Bedeutung der institutiones des Gaius für die <strong>Rechtsgeschichte</strong>?<br />
Frage 17.<br />
(FÜM 01/2012) Erklären Sie die Funktionen des römischen Prätors und die Bedeutung<br />
seines Wirkens für das <strong>Römische</strong> Recht.<br />
Frage 06.<br />
Jeder römische Zivilprozess beginnt vor dem Prätor. Der Prätor legt das Streitprogramm<br />
durch eine Prozessformel fest. Er bestellt den Iudex. Er ermächtigt diesen,<br />
den Prozess aufgrund des Streitprogramms durchzuführen und zu entscheiden.<br />
(FÜM 11/2011) Die römischen Juristen schaffen ein Fallrecht. Vergleichen Sie es<br />
mit dem angloamerikanischen Case-Law und beschreiben Sie Gemeinsamkeiten<br />
und Unterschiede.<br />
Frage 21.<br />
(FÜM 10/2011) Beschreiben Sie die Rechtsfortbildung durch den römischen Prätor!<br />
Frage 06.<br />
(FÜM 04/2011) Beschreiben Sie die Teile des Corpus Iuris Civilis!<br />
<strong>Fragen</strong> 13, 14, 19, 16.<br />
Frage 04.<br />
5 Die historische Rechtsschule wurde von Savigny und Eichhorn begründet.<br />
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