⢠Anna Bernardi: hörbehinderte Architektin - Pro Audito Schweiz
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dezibel 2<br />
zeitschrift für hören und erleben<br />
2012<br />
• <strong>Anna</strong> <strong>Bernardi</strong>:<br />
hörbehinderte <strong>Architektin</strong><br />
• Ein Hörgerät für<br />
Bernhardiner-Hund Titus<br />
• TV-<strong>Pro</strong>gramme in HD-Qualität:<br />
Mehr Untertitel
dezibel 2/2012<br />
6
focus<br />
«Viele Leute sprechen<br />
viel zu schnell»<br />
Hören und reden zählen nicht gerade zu ihren Stärken, aber sie meistert es.<br />
So widersprüchlich es tönt, die Tessinerin <strong>Anna</strong> <strong>Bernardi</strong> ist sprachbegabt.<br />
Neben ihrer Muttersprache Italienisch spricht und schreibt sie problemlos<br />
Deutsch, dazu ein bisschen Englisch und Französisch. Ertaubt im Alter von<br />
zwei Jahren, trägt sie heute zwei Cochlea-Implantate.<br />
<strong>Anna</strong> ist eine attraktive, fröhliche junge<br />
Frau, die nach ihrem Architekturstudium<br />
in Praktika und befristeten Anstellungen<br />
Berufserfahrungen sammelte.<br />
Zuletzt arbeitete sie einige Monate lang in<br />
einem Architekturbüro in Zug. Vor kurzem<br />
erst trat sie in Lugano eine 50-<strong>Pro</strong>zent-Stelle<br />
an. Noch wartet sie auf ihre<br />
Chance, als <strong>Architektin</strong> eine Vollzeitstelle<br />
zu finden.<br />
<strong>Anna</strong>s lange Haare verdecken die zwei<br />
Cochlea-Implantate (CI). Sie war gerade<br />
erst sieben Jahre alt, als sie das erste CI<br />
erhielt. Vor drei Jahren implantierten ihr<br />
die Ärzte dann das zweite CI. Bis im Alter<br />
von zwei Jahren hörte sie gut. Ertaubt<br />
ist sie erst nach einer Meningitis (Hirnhautentzündung).<br />
Die Eltern und der<br />
Arzt bemerkten nicht sofort, dass sie erkrankt<br />
war. Als <strong>Anna</strong> endlich ins Spital<br />
kam, hing ihr Leben nur noch an einem<br />
seidenen Faden. «Die Ärzte hatten mich<br />
gerettet, doch mein Gehör war ‹verloren›.»<br />
Wie hast du denn deine schulische<br />
Ausbildung gemeistert?<br />
Mir wurden zuerst zwei Hörgeräte angepasst,<br />
mit denen ich aber nicht viel<br />
hören konnte. Erst als ich eingeschult<br />
wurde, erhielt ich ein CI. Ich habe<br />
ganz normal die Regelschule besucht,<br />
hatte aber glücklicherweise Lehrerinnen,<br />
die viel Rücksicht auf mich genommen<br />
haben. Im Gymnasium und<br />
an der Uni war ich viel mehr auf mich<br />
alleine gestellt. Es gab schwierige Zeiten,<br />
denn wenn man nicht alles hört,<br />
muss man viel nacharbeiten. Aber ich<br />
hatte gute <strong>Pro</strong>fessoren, die mich unterstützten<br />
und mich auch ermutigten.<br />
Bis Ende der Mittelschule hatte ich<br />
eine Logopädiebegleitung und eine<br />
mich speziell «begleitende Lehrerin».<br />
Auf Italienisch sagen wir: docente di<br />
sostegno. Davon habe ich sehr profitiert.<br />
Ausserdem haben mich meine<br />
Eltern immer sehr gefördert und unterstützt.<br />
«<br />
Ich hatte das<br />
Glück, dass meine<br />
Eltern beide<br />
»<br />
Lehrer<br />
sind<br />
sprache sind Italienisch und Englisch.<br />
Vor einem Jahr hat sie dort ihr Studium<br />
mit dem Master abgeschlossen.<br />
Welches waren denn für dich<br />
während des Studiums die grössten<br />
<strong>Pro</strong>bleme?<br />
Ich hatte das Glück, dass meine Eltern<br />
beide Lehrer sind. Mein Vater unter-<br />
Glücklicherweise lernte <strong>Anna</strong> leicht. So<br />
hat sie sich entschlossen, an der kleinsten<br />
Hochschule der <strong>Schweiz</strong>, in Mendrisio,<br />
Architektur zu studieren. Unterrichtsrichtet<br />
an der Sekundarschule und meine<br />
Mutter an der Primarschule. Sie und<br />
meine Lehrer haben mir immer geholfen.<br />
Im Gymnasium und an der Uni<br />
haben mich vor allem meine Kommilitonen<br />
unterstützt mit Notizen, Erklärungen<br />
und beim Lernen in der Gruppe.<br />
Eine FM-Anlage hatte ich keine.<br />
Erste Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />
sammelte <strong>Anna</strong> dann während eines<br />
Praktikumsjahres in Basel. Da es wegen<br />
ihrer Hörprobleme nach wie vor nicht<br />
ganz einfach ist für <strong>Anna</strong>, eine Stelle zu<br />
finden, war sie froh über die Möglichkeit,<br />
für fünf Monate nach Mailand zu<br />
gehen, um in einem Architekturbüro<br />
ihre erste Stelle als <strong>Architektin</strong> anzutreten.<br />
Dann bewarb sie sich in einem Zuger<br />
Architekturbüro und lernte einen gehörlosen<br />
Architekten kennen.<br />
Dein letzter Chef, für den du<br />
gearbeitet hast, ist gehörlos. Du bist<br />
ertaubt und trägst zwei CI. Wie<br />
konntet ihr euch denn verständigen?<br />
Er trägt ein Cochlea-Implantat wie<br />
ich. Wir haben uns gut verstanden,<br />
weil man in diesem Büro nur Hochdeutsch<br />
spricht. Dennoch ist die Zusammenarbeit<br />
in einer Sprache, die für<br />
mich eine Fremdsprache ist, generell<br />
schwierig, vor allem auch, wenn man,<br />
wie ich, noch wenig Arbeitserfahrung<br />
hat. In hektischen Situationen ist es<br />
noch etwas schwieriger.<br />
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7
focus<br />
Viele Leute sprechen …<br />
Trotzdem kämpfte sich <strong>Anna</strong>, die bis<br />
Ende Februar in Zug arbeitete und in<br />
Zürich lebte, durch alle <strong>Pro</strong>bleme hindurch,<br />
versuchte einfach, soviel wie möglich<br />
zu lernen. Neue Arbeitserfahrungen<br />
macht sie nun an ihrer Teilzeitstelle in<br />
einem Tessiner Architekturbüro. Daneben<br />
büffelt sie Deutsch. «Ich muss einfach<br />
noch besser werden, denn ich möchte<br />
später wieder in der Deutschschweiz<br />
arbeiten», sagt die kämpferische <strong>Anna</strong>.<br />
Viele Leute würden einfach viel zu<br />
schnell sprechen und erst noch in unterschiedlichen<br />
Dialekten. Schriftsprache<br />
wäre hilfreich, um das Gesagte schneller<br />
aufzunehmen. Wichtiger als alles andere<br />
aber ist für <strong>Anna</strong> die Arbeit. Sie mag es,<br />
ungewöhnliche Lösungen für Bauprojekte<br />
zu finden.<br />
<strong>Anna</strong>, was fasziniert dich denn<br />
besonders an der Architektur?<br />
Während meiner Frankreichreise vor<br />
dem Studium habe ich viele gotische<br />
Kathedralen besucht, wie jene von<br />
Chartres und Bourges. Ich bin von ihrer<br />
Architektur sehr fasziniert, weil sie<br />
besondere Stimmungen in mir erweckt.<br />
Die Grösse der Bauten und<br />
auch ihre Klarheit symbolisieren die<br />
Evolution und die Geistigkeit. Ich<br />
fragte mich auch oft, wie man zu diesen<br />
grossartigen Lichtwirkungen in<br />
diesen Räumen kommt. Das hat mich<br />
so fasziniert, dass ich mich entschlossen<br />
habe, Architektur zu studieren.<br />
Vor allem inspiriert mich einfache,<br />
klare, essenzielle Architektur, wie sie<br />
etwa Le Corbusier oder Louis Kahn<br />
« Und es ärgert<br />
mich sehr,<br />
wenn jemand mich<br />
als ‹taubstumm›<br />
vorstellt ...<br />
Ich kann doch<br />
»<br />
sprechen!<br />
beherrschen, oder die beiden <strong>Schweiz</strong>er<br />
Architekten Quintus Miller und<br />
Valerio Olgiati. Sie dozierten auch an<br />
der Uni in Mendrisio. Sie sind sehr<br />
anspruchsvoll, aber ich habe bei ihnen<br />
viel gelernt.<br />
Botta war ja auch einer deiner <strong>Pro</strong>fessoren<br />
während deines Studiums in<br />
Mendrisio. Wie ist er denn mit deiner<br />
Hörbehinderung umgegangen?<br />
Botta war mein Chef-<strong>Pro</strong>fessor (Leiter)<br />
bei meiner Abschlussarbeit. Er hörte<br />
mir bei der Präsentation meines <strong>Pro</strong>jekts<br />
aufmerksam zu und erklärte mir<br />
auch gut verständlich, wie und wo ich<br />
mich verbessern konnte. Botta kritisierte<br />
jedoch ebenfalls. Für mich war das<br />
positiv, denn aus Fehlern lernt man immer<br />
viel. Ich habe ihm nicht gesagt, dass<br />
ich hörbehindert bin, aber ich denke,<br />
dass er meine Hörbehinderung bemerkt<br />
hat. Für ihn war ich jedoch ein Mensch<br />
wie jeder andere.<br />
Du hattest über viele Jahre hinweg<br />
ein Hörgerät und ein Cochlea-<br />
Implantat. Wie ist denn das Hören<br />
mit zwei unterschiedlichen Systemen?<br />
Vor dem zweiten Cochlea-Implantat<br />
trug ich während fünf Jahren ein Hörgerät.<br />
Dies war völlig nutzlos, da man<br />
ja mit einem Hörgerät nur dann etwas<br />
hören kann, wenn man wenigstens<br />
noch über ein Restgehör verfügt.<br />
Was fehlt dir als hörbehinderter<br />
Person? Was ärgert dich am meisten,<br />
was müsste anders, besser sein?<br />
Ich denke, es gibt noch verschiedene<br />
Dinge, die man verbessern sollte und<br />
müsste. Zum Beispiel geben immer<br />
noch viele Firmen, Shops oder Behörden<br />
als Kontakt nur ihre Telefonnum-<br />
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8<br />
Für <strong>Anna</strong> <strong>Bernardi</strong> sind es oft die kleinen Dinge, womit sie ihre Mitmenschen besser verstehen kann: weniger schnell reden, sich<br />
beim Sprechen anschauen, die Gespräche in ihrer Muttersprache Italienisch oder auf Hochdeutsch führen.
focus<br />
Viele Leute sprechen …<br />
« Ich mag die<br />
Sprachen. Wenn<br />
ich mein Gehör<br />
nicht verloren hätte,<br />
wäre ich gerne<br />
eine Dolmetscherin<br />
»<br />
geworden...<br />
mer an. Da ich Hörprobleme habe, stört<br />
mich das sehr. Ich muss deshalb immer<br />
jemanden fragen, ob er für mich telefonieren<br />
könnte. Und es ärgert mich sehr,<br />
wenn jemand mich als «taubstumm»<br />
vorstellt... Ich kann doch sprechen!<br />
Du sprichst jedoch schon ziemlich<br />
gut Deutsch, etwas Englisch und<br />
auch Französisch. Wie lernst du<br />
Fremdsprachen?<br />
Ich mag die Sprachen. Wenn ich mein<br />
Gehör nicht verloren hätte, wäre ich<br />
gerne eine Dolmetscherin geworden.<br />
Seit der Zeit, als ich noch ein kleines<br />
Kind war, haben meine Eltern eine<br />
Freundin in der welschen <strong>Schweiz</strong>. Wir<br />
besuchten sie immer wieder, oft während<br />
der Schulferien. Diese Freundin<br />
hat mir geholfen, die Sprache zu lernen.<br />
Aber die Aussprache ist sehr<br />
schwierig, und ich habe immer noch<br />
viel Mühe, wenn ich auf Französisch<br />
Lippen lese. Meine Schwester und<br />
mein Bruder leben zwar in Spanien,<br />
aber ich habe es noch nicht geschafft,<br />
Spanisch zu lernen.<br />
Die Schriftsprache Deutsch habe<br />
ich in der Schule gelernt. Als ich in<br />
Basel arbeitete, musste ich auch lernen<br />
zu sprechen. Am Anfang war das<br />
gar nicht so einfach, es gab viele frustrierende<br />
Situationen für mich. Aber<br />
mit der Zeit, mit Geduld und nach<br />
vielen Übungen in einem individuellen<br />
Sprachkurs habe ich es doch geschafft,<br />
dass ich mich heute auch auf<br />
Deutsch unterhalten kann.<br />
Wenn ich eine Fremdsprache lernen<br />
muss oder will, dann lese ich zuerst<br />
viele Bücher, die Zeitung oder Zeit-<br />
Wichtig wäre, Politiker und Behörden<br />
besser zu informieren und zu sensibilisieren<br />
hinsichtlich der <strong>Pro</strong>bleme und<br />
Schwierigkeiten von Menschen mit<br />
Hörproblemen. Hier gibt es noch viel zu<br />
tun. Nur ein Beispiel: In allen Bahnhöfen<br />
müssten die Lautsprecheransagen<br />
immer auch mit dem entsprechenden<br />
Text auf Anzeigetafeln begleitet werden.<br />
Du bist unter hörenden Menschen<br />
aufgewachsen und hast so auch<br />
deine Ausbildung gemacht. Bewegst<br />
du dich mehr unter Hörenden oder<br />
auch unter Menschen mit Hörproblemen?<br />
Meistens bin ich in der hörenden Welt<br />
unterwegs. Im Tessin und auch in Italien<br />
habe ich fast nur hörende Freunde und<br />
Kollegen, in der Deutschschweiz hingegen<br />
kenne ich am meisten hörbehinderte<br />
Leute. Hier ist es einfacher, Leute zu<br />
treffen, die wie ich Hör probleme haben.<br />
Solange ich in der <strong>Schweiz</strong> arbeitete, war<br />
ich oft und gerne bei «Jugehörig», einem<br />
Verein in Bern für junge hörgeschädigte<br />
Menschen. Dort werden viele Treffen<br />
und Veranstaltungen organisiert. Viele<br />
gebärden hier, darum habe auch ich begonnen,<br />
die Gebärdensprache zu lernen.<br />
Da ich italienischer Muttersprache bin,<br />
muss ich auf Deutsch jedes neue Wort<br />
neu lernen.<br />
<strong>Anna</strong> hat gelernt, genau hinzuschauen und genau hinzuhören. So hat sie auch<br />
Fremdsprachen gelernt. Fotos: Patrick Lüthy/imagopress<br />
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focus<br />
Viele Leute sprechen …<br />
<strong>Anna</strong> liebt ihren Beruf als <strong>Architektin</strong>. Wäre sie guthörend, wäre die sprachbegabte junge Frau aber vielleicht Dolmetscherin<br />
geworden. Sie hat gelernt, mit beiden Beinen im Leben zu stehen, auch wenn sie für den Fotografen auf der Schaukel sitzt.<br />
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10<br />
schriften, um die Wortstruktur zu erkennen.<br />
Das macht es dann einfacher,<br />
die Worte auch von den Lippen ablesen<br />
zu können und sie auch zu begreifen.<br />
Eine Fremdsprache von den Lippen zu<br />
lesen respektive sie zu verstehen, ist wie<br />
eine Handschrift eines Fremden zu entschlüsseln<br />
oder zu «dechiffrieren».<br />
Was fällt dir besonders schwer<br />
in der Kommunikation?<br />
Telefonieren geht gar nicht, ich bevorzuge<br />
E-Mails und das Handy für<br />
SMS. Wenn möglich, benutze ich<br />
auch Skype; die Video-Qualität ist<br />
nicht immer gut, aber zum Chatten<br />
ist Skype ziemlich schnell und gut.<br />
Ich mag das Kino sehr, speziell<br />
Film-Festivals wie das in Locarno.<br />
Denn dort gibt es immer viele Filme<br />
mit Untertiteln. In den Tessiner und<br />
den italienischen Kinos zeigt man immer<br />
noch fast alle Filme weder in der<br />
Originalsprache noch mit Untertiteln.<br />
Das ist viel besser in der deutschen<br />
<strong>Schweiz</strong>. In Konzerte gehe ich<br />
selten. Ich höre zwar Musik, aber es<br />
ist für mich schwierig, sie einzuordnen.<br />
Unvergesslich bleibt mir jedoch<br />
das Open Air Konzert von Laura Pausini<br />
in Locarno (Moon and Stars Festival)<br />
und auch die Oper «Der Freischütz»<br />
im Opernhaus in Berlin.<br />
Welchen Traum träumst du, <strong>Anna</strong>?<br />
Ich halte mich nicht für eine Träumerin,<br />
ich bin ziemlich bodenständig!<br />
Das Wichtigste für mich ist, dass ich<br />
einen guten Job habe, dass ich entwerfen<br />
und Sprachen lernen kann. Denn<br />
Sprachen sind die Brücke in der Kommunikation<br />
und erweitern die Möglichkeiten,<br />
mit den verschiedensten<br />
Menschen auf der Welt zu kommunizieren.<br />
Mein Ziel ist es, irgendwann<br />
einmal ein Buch über die Geschichte<br />
der Kommunikation zu schreiben...<br />
Gespräch: Karin Huber<br />
« Telefonieren<br />
geht gar nicht, ich<br />
bevorzuge E-Mails<br />
und das Handy<br />
»<br />
für<br />
SMS
wissen<br />
Pionierarbeit: Ein Hörgerät<br />
für Bernhardiner-Hund Titus<br />
Nicht nur optisch ist Titus (lateinisch: «der Ehrwürdige») von Natur aus ein<br />
ganz schöner Dickschädel. Der gewichtige Bernhardiner kommt in die<br />
Jahre und wird zunehmend renitent. Eines Tages wird dann entdeckt,<br />
dass er nicht nur nicht hören wollte, sondern auch nicht konnte.<br />
Da sich die Neuroth AG in der <strong>Schweiz</strong><br />
seit dem Herbst 2010 für die Stiftung<br />
zur Zucht von Hospiz-Hunden einsetzt,<br />
entstand daraus ein einmaliges<br />
Geschenk: Lukas Schinko, seit Oktober<br />
2011 Vorstandsvorsitzender des Familienunternehmens<br />
Neuroth, ertüftelte<br />
speziell für Titus, einen Bernhardiner-<br />
Hund, der für die «Fondation Barry»<br />
hilfreiche Aufgaben übernimmt, ein einmaliges<br />
Hinter-dem-Ohr-Hörsystem.<br />
Seit der Gründung im Januar 2005<br />
hat die Fondation Barry vom «Maison<br />
Hospitalière du Grand-St-Bernard»<br />
(Geistlicher Orden der Chorherren<br />
vom Grossen Sankt Bernhard) die berühmten<br />
Bernhardiner-Hunde übernommen<br />
und ist damit Besitzerin der<br />
Der Bernhardiner Titus mit seinem eigens<br />
für ihn entwickelten Hörgerät.<br />
Foto: Fondation Barrydu Grand-St-Bernard<br />
300 Jahre alten Kultur und der weltweit<br />
ältesten und bedeutendsten Bernhardiner-Zuchtstätte.<br />
Das Team, bestehend<br />
aus einem Tierarzt, einer<br />
Rassespezialistin und acht Tierpflegern,<br />
sorgt für das Wohlbefinden der Vierbeiner,<br />
ihre optimale Entwicklung und<br />
garantiert eine professionelle Ausbildung.<br />
Hörgeräte-Einstellung<br />
bei Hunden<br />
Auch die Familie Neuroth gehört zu<br />
den grossen Hundeliebhabern – und<br />
so entstand dieses Engagement für die<br />
Pionierarbeit. Dazu Lukas Schinko:<br />
«Bei einer <strong>Pro</strong>jektabwicklung in der<br />
<strong>Schweiz</strong> sind wir auf den beeinträchtigten<br />
Bernhardiner gestossen. Wir haben<br />
einfach einmal probiert. Glücklicherweise<br />
ist das Gehör von Hunden<br />
dem des Menschen sehr ähnlich. Die<br />
wirkliche Schwierigkeit war daher<br />
nicht die <strong>Pro</strong>duktion, sondern die passende<br />
Einstellung des Hörgeräts im<br />
Nachhinein.»<br />
Im Gegensatz zu den Zweibeinern<br />
können Vierbeiner sich ja nicht artikulieren.<br />
Also wurde auch hier so lange<br />
probiert, bis der Bernhardiner wieder<br />
auf leises Geflüster reagierte. «Das gelang.<br />
Der achtjährige Titus, der Spaziergänge<br />
liebt und dabei im Einsatz<br />
jetzt zugleich den <strong>Pro</strong>viant und sein<br />
Hörgerät trägt, reagiert inzwischen<br />
wieder auf Zurufe.» Aber trotz des Erfolgserlebnisses<br />
möchte sich der neue<br />
Neuroth-Chef in Zukunft wieder ausschliesslich<br />
auf seine menschlichen<br />
Kunden konzentrieren: «Dieses Hörgerät<br />
für Titus war ein einmaliges Geschenk,<br />
weitere Ausführungen wird es<br />
nicht geben.»<br />
Was vielleicht abzuwarten bleibt.<br />
Denn in den Internetforen häufen sich<br />
die Fragen von Ratsuchenden zu Hörhilfen<br />
in Sorge um ihre alternden<br />
Haustiere. Implantierte Hörgeräte für<br />
Hunde und Katzen gibt es bereits seit<br />
einigen Jahren (insbesondere von «Mozart»,<br />
dem Wissensmanager Hans-Rainer<br />
Kurz aus Ostfriesland), aber noch<br />
keine speziellen Hörhilfen, wie die jetzt<br />
für Titus entwickelten. Ein grosses Potenzial<br />
also: «Und wer hats erfunden?»<br />
Carmen Freihaut<br />
Mitarbeiterin «Hörakustik»,<br />
Infos: www.median-verlag.de<br />
Die Stiftung<br />
Die Stiftung Barry vom Grossen<br />
St. Bernhard ist seit 2005 Besitzerin<br />
der Zuchtstätte «vom Grossen<br />
St. Bernhard». Ihre Aufgabe ist die<br />
Weiter führung der über drei Jahrhunderte<br />
alten Zucht am Ursprungsort und die<br />
Erhaltung des besonderen Typs der<br />
Hospizbernhardiner. Der Bernhardiner<br />
ist der <strong>Schweiz</strong>erische Nationalhund.<br />
Der Rüde Barry I (1800 bis 1814), nach<br />
dem die Stiftung ihren Namen trägt,<br />
soll 40 Personen das Leben gerettet<br />
haben und ist der berühmteste Vertreter<br />
seiner Rasse.<br />
dezibel 2/2012<br />
11
hand bieten<br />
Hochauflösendes Fernsehen –<br />
mit Untertiteln<br />
Seit Ende Februar sendet das <strong>Schweiz</strong>er Fernsehen <strong>Pro</strong>gramme in<br />
hochauflösender Qualität. Jetzt ist der Zeitpunkt zum Umsteigen günstig.<br />
Was muss speziell beachtet werden, wenn man die <strong>Pro</strong>gramme mit<br />
Untertiteln sehen will?<br />
Um Fernsehprogramme in hochauflösender<br />
Qualität (auch HD von high<br />
definition) betrachten zu können, benötigt<br />
man einen Fernseher, der entweder<br />
mit «HD ready» oder «Full HD»<br />
gekennzeichnet ist. Zusätzlich muss<br />
man sich noch ein HD-fähiges Zugangsgerät<br />
beschaffen.<br />
Die Mehrheit der Fernsehzuschauer<br />
in der <strong>Schweiz</strong> sieht über Kabel fern.<br />
Über den Kundendienst des Kabelnetz-Betreibers<br />
kann entweder ein<br />
HD-fähiger Decoder oder eine Digicard<br />
bezogen werden. Es gibt Decoder,<br />
die nur das Fernsehprogramm abspielen<br />
können, aber auch solche, mit denen<br />
man Fernsehsendungen aufzeichnen<br />
kann. Je nach Anbieter kann man<br />
den Decoder mieten oder kaufen. Bei<br />
der Digicard müssen Sie sich vorab vergewissern,<br />
ob Ihr HD-Fernseher über<br />
den entsprechenden Einschub verfügt.<br />
Untertitel zuschalten<br />
Einer der grossen Vorteile des digitalen<br />
Fernsehens ist, dass die Untertitel permanent<br />
zugeschaltet werden können.<br />
Man muss also nicht vor jeder Sendung<br />
den Teletext einschalten und die<br />
Seite 777 wählen. Soweit bekannt, gibt<br />
es auf Kabelnetzen keine nennenswerten<br />
<strong>Pro</strong>bleme beim Empfang von Untertiteln,<br />
auch nicht bei Sendungen,<br />
die mit dem Decoder aufgezeichnet<br />
wurden.<br />
Neben den Kabelnetzbetreibern bietet<br />
auch Swisscom TV Fernsehen in<br />
HD-Qualität an. Dort werden die Untertitel<br />
immer noch über den Teletext<br />
und die entsprechende Seite aufgerufen.<br />
Beim Empfang von einigen Kanälen<br />
aus Frankreich und Deutschland<br />
fehlen die Untertitel bei Swisscom TV.<br />
Die Swisscom hat das <strong>Pro</strong>blem erkannt<br />
und bekannt gegeben, dass die Software<br />
noch im ersten Halbjahr 2012<br />
angepasst wird.<br />
In ländlichen Gebieten der <strong>Schweiz</strong><br />
überwiegt der Empfang via Satellit. Es<br />
gibt dafür unzählige Decoder auf dem<br />
Markt. Man sollte vor dem Kauf testen,<br />
ob der angebotene Decoder in der<br />
Lage ist, die Untertitel permanent zuzuschalten.<br />
Jene Zuschauer, welche das Fernsehsignal<br />
über die Hausantenne empfangen,<br />
können das Fernsehprogramm<br />
nicht in HD-Qualität sehen. Das gilt<br />
ebenso für Fernsehzuschauer mit einem<br />
Röhrengerät. Bis mindestens 2015 werden<br />
die <strong>Pro</strong>gramme weiterhin analog<br />
verbreitet, allerdings wird die Anzahl<br />
der Kanäle in den kommenden Jahren<br />
kontinuierlich sinken. Swiss TXT erachtet<br />
den Zeitpunkt, jetzt auf HD-<br />
Fernsehen umzusteigen, als günstig.<br />
Gion Linder, Nationaler Koordinator<br />
Untertitelung bei SWISS TXT<br />
Untertitel im TV<br />
Fernsehsender in HD-Qualität, welche<br />
Sendungen mit Untertiteln ausstrahlen:<br />
• Die <strong>Pro</strong>gramme der SRG: SF1,<br />
SFzwei, RTSun, RTSdeux, RSI LA1<br />
und RSI LA2<br />
• ARD, ZDF, ORFeins, ORF2, arte<br />
• Noch im ersten Halbjahr 2012 werden<br />
zahlreiche Dritte <strong>Pro</strong>gramme aus<br />
Deutschland ebenfalls in HD senden,<br />
ebenso 3sat<br />
• Ob und ab wann die deutschen<br />
Privat-Fernsehkanäle für die <strong>Schweiz</strong><br />
auf HD umstellen, ist noch nicht<br />
bekannt.<br />
Diese Angaben gelten für Cablecom,<br />
Stand März 2012.