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natur und mensch - Rheinaubund

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<strong>natur</strong><br />

<strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong><br />

49. Jahrgang • Heftnummer 2 / 2007<br />

La <strong>natur</strong>e et l’homme<br />

La <strong>natur</strong>a e l’uomo<br />

La natira e l’uman<br />

Boden <strong>und</strong> Raumplanung<br />

Forum Landschaft<br />

Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong><br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 39


<strong>natur</strong><br />

<strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong><br />

49. Jahrgang • Heftnummer 2 / 2007<br />

Schweizerische Blätter<br />

für Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />

Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />

Redaktion:<br />

Günther Frauenlob (gf) Dipl. Geogr.<br />

Geschäftsstelle des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

<strong>und</strong> Redaktion:<br />

Weinsteig 192<br />

Postfach 1157<br />

CH-8200 Schaffhausen<br />

Telefon: 052 625 26 58<br />

Telefon Redaktionsbüro:<br />

052 625 26 67<br />

Fax: 052 625 26 51<br />

E-mail: redaktion@rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />

www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />

Postcheck 82-3003-8 Schaffhausen<br />

Postbank Karlsruhe BLZ 660 100 75<br />

Konto 300 550 758<br />

Satz:<br />

Diener + Bachmann GmbH<br />

Martin Diener<br />

Nordstrasse 108<br />

8037 Zürich<br />

Layout:<br />

Günther Frauenlob, Christoph Frauenlob<br />

Druck <strong>und</strong> Spedition:<br />

Ropress Genossenschaft<br />

Baslerstr. 106<br />

8048 Zürich<br />

Abonnementspreise 2007:<br />

Inland Fr. 45.–, Ausland € 31.–,<br />

Einzelheft Fr. 8.–<br />

ISSN 0466-5899<br />

Erscheinungsweise 6 x jährlich<br />

Nachdruck von Beiträgen aus<br />

«Natur <strong>und</strong> Mensch» werden gestattet unter<br />

Quellenangabe <strong>und</strong> Zusand von 2 Belegen.<br />

Die veröffentlichten Beiträge geben die<br />

Meinung der Autorinnen <strong>und</strong> Autoren wieder<br />

<strong>und</strong> müssen nicht immer der Auffassung des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es entsprechen.<br />

Inhalt<br />

Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />

2 Der Landschaftsverbrauch hat viele Ursachen Heidi Haag<br />

6 Landschaft gestalten Maya Kohte, Johannes Stoffler<br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

8 2006 – ein wegweisendes Jahr für den Rheinaub<strong>und</strong><br />

Jürg Bloesch<br />

11 Albbruck-Dogern <strong>und</strong> der Fischaufstieg – eine endliche Geschichte<br />

Ueli Rippmann<br />

14 „KWO Plus“ Grimsel – Mauererhöhung gegen Moorlandschaft<br />

Jürg Bloesch<br />

18 Auch die kleinen Fliessgewässer benötigen Aufmerksamkeit<br />

Lukas Boller<br />

20 VivaRiva – Wasser macht Schule Kathrin Jaag<br />

24 Erfolgreiche ökologische Begleitung der Eisenbahn-Grossprojekte<br />

Günther Frauenlob<br />

26 Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong> Ruedi Schneider<br />

33 Rechnung <strong>und</strong> Bilanz 2006 Ruedi Schneider<br />

Mitteilungen<br />

34 Kurzinformationen aus dem Umweltbereich<br />

Buchbesprechungen<br />

36 Klima – Wandel – Alpen Günther Frauenlob<br />

36 Gehen Uwe Scheibler<br />

36 AlpenStadt – AlpenLand Günther Frauenlob<br />

Letzte Seite<br />

37 Termine / Aktuelles<br />

Assoziierte Organisationen:<br />

Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Aare<br />

AQUA VIVA<br />

IG Bielersee<br />

ARGE Pro Thur<br />

PROTÖSS<br />

Bodensee-Stiftung<br />

Verband zum Schutze des Greifensees<br />

Schweizerische Greina-Stiftung<br />

Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Editorial<br />

Endlich,<br />

Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser<br />

Endlich; endlich ist es wieder möglich zu fragen, was „endlich“ noch bedeutet. Dabei stösst<br />

man vermehrt – auch in diesem Heft – auf die Feststellung, dass unsere Ressourcen begrenzt<br />

sind, also endlich. Doch von wessen Ressourcen ist da eigentlich die Rede ? Und von welchen ?<br />

Geht man dieser Frage konkret nach, stellt man verblüfft fest, dass immer mehr Ressourcen als<br />

endlich <strong>und</strong> „erschöpfbar“ gelten, denn neben den nicht erneuerbaren, fossilen Energieträgern<br />

wie Kohle, Gas <strong>und</strong> Öl tauchen da plötzlich Güter wie Luft, Boden <strong>und</strong> (Süss)-Wasser, Klima,<br />

Biodiversität <strong>und</strong> Landschaft auf – von der Ruhe oder der Dunkelheit der Nacht ganz zu<br />

schweigen.<br />

Das Merk-Würdige daran ist, dass es sich bei<br />

den aufgezählten Gütern – mit Ausnahme<br />

des Bodens <strong>und</strong> der nicht erneuerbaren<br />

Energien – um sogenannte „freie“ Güter handelt,<br />

um Güter also, die aus der Sicht der noch<br />

immer nicht aktualisierten „ökonomischen<br />

Theorie“, in derart grossen Mengen vorkommen,<br />

dass ihr Preis pro Mengeneinheit so<br />

nahe bei Null liegt, dass er auf Null gesetzt<br />

werden „darf“. So sahen das jedenfalls die<br />

Begründer der ökonomischen Theorie zur<br />

Zeit Sigm<strong>und</strong> Freuds.<br />

Hätten diese Denker je erkennen können,<br />

dass sich die Menschheit ausnahmslos am<br />

globalen Erdölspiel beteiligen würde, an jenem<br />

Spiel also, das Erdöl in CO2 <strong>und</strong> Power verwandelt<br />

<strong>und</strong> dabei ein Gefühl vermittelt, das<br />

anscheinend besser ist als ein Kirchgang ?<br />

Es ist erschütternd, dass es uns noch immer<br />

nicht gelungen ist, längst überholte ökono mi -<br />

sche Hypothesen endlich über Bord zu werfen.<br />

Noch heute wird die Heilslehre vom<br />

öko nomi schen Wachstum weltweit als Paradies<br />

vorstellung kolportiert <strong>und</strong> – geglaubt.<br />

Dabei wissen auch Ökonomen: Bäume wachsen nicht in den Himmel. Und der aufmerksame<br />

Beobachter erkennt: Der „Wald“, definiert als die Gesamtheit seiner Bäume, ist das beste Beispiel<br />

natürlichen Nicht-Wachstums über Jahrtausende. Dennoch bildet er, dank seiner Bäume <strong>und</strong><br />

anderer Lebewesen, die dem Lebenszyklus unterworfen sind, ein quick lebendiges Biotop.<br />

Es dürfte für Ökonomen schwierig sein zu zeigen, dass die „Wirtschaft“, definiert als<br />

Gesamtheit ihrer Unternehmungen, die dem Lebenszyklus ebenfalls unterworfenen sind, bei<br />

Nicht-Wachstum nicht doch ein lebensfähiges Sozialsystem ermöglicht. Was es allerdings<br />

bräuchte, wäre der Paradigmawechsel von der Plünderungs- zur solar betriebenen<br />

Kreislaufwirtschaft.<br />

Noch in diesem Jahr werden die Unterschriftensammlungen zur Landschafts- <strong>und</strong><br />

Klimainitiative gestartet, womit endlich wieder über das Endliche diskutiert werden<br />

wird – zweifellos mit Erfolg.<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre unseres „Jahresberichts“,<br />

Ihr Jean-Pierre Jaccard, Vorstandsmitglied Rheinaub<strong>und</strong><br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 1


Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />

Der Landschaftsverbrauch hat viele Ursachen<br />

Von Genf bis Romanshorn gleicht die Schweiz mehr <strong>und</strong> mehr einer grossen Stadt. Viele<br />

Gemeinden breiten sich nach wie vor in die Fläche aus <strong>und</strong> wachsen mit ihren Nachbargemeinden<br />

zusammen. Fachleute sprechen von einer Zersiedlung des Landes, von Siedlungsbrei oder „urban<br />

sprawl“. Haben die Planungsfachleute eine übersensible Wahrnehmung oder lässt sich<br />

der grosse Bodenverbrauch tatsächlich belegen? Wo liegen die Gründe für das ungebremste<br />

Siedlungswachstum? Sind sie vornehmlich im Bevölkerungswachstum zu suchen oder tragen<br />

mehr noch gesellschaftliche, wirtschaftliche oder politische Faktoren zum erhöhten<br />

Bodenverbrauch bei?<br />

Heidi Haag<br />

Das B<strong>und</strong>esgesetz über die Raumplanung<br />

verpflichtet die Planungsbehörden zu einer<br />

haushälterischen, nachhaltigen Nutzung<br />

des Bodens. Das Landschaftsbild oder die<br />

Nut zungs pläne der Gemeinden sprechen<br />

oft eine andere Sprache.<br />

Siedlungsflächenzuwachs<br />

Pro Kopf der Wohnbevölkerung stehen heute<br />

gemäss Arealstatistik [1] 1992/97 fast 400 m 2<br />

Siedlungsfläche zur Verfügung [2]. Das sind<br />

13 Prozent mehr als noch zwölf Jahre zuvor<br />

(Arealstatistik 1979/85). Zur Siedlungsfläche<br />

werden Bauten <strong>und</strong> Anlagen, Infrastrukturen<br />

sowie Verkehrsflächen gezählt. In den 1980er<br />

<strong>und</strong> 1990er Jahren wurden jährlich durchschnittlich<br />

ca. 2300 Hektar Boden für neue<br />

Siedlungsflächen überbaut [3] – eine Fläche,<br />

die der Grösse des Murtensees entspricht.<br />

Das Siedlungswachstum muss räumlich differenziert<br />

werden. So nahm die Sied lungsfläche<br />

im Mittelland innert zwölf Jahren doppelt<br />

so stark zu wie im Landesdurchschnitt<br />

<strong>und</strong> betrug Ende der 90er Jahre bereits über<br />

14 Prozent der Gesamtfläche. Entsprechend<br />

hoch ist in diesem Raum auch die Bevölkerungsdichte<br />

mit r<strong>und</strong> 450 Personen pro<br />

km 2 (Landes durchschnitt: 173 Personen/<br />

km 2 ). In den ländlichen Gebieten des Mittellandes<br />

wachsen die für Siedlungszwecke<br />

benötigten Gebiete prozentual stärker als in<br />

den städtischen Agglomerationen.<br />

Es sieht so aus, als ob raumplanerische Be mü -<br />

hungen zusammen mit einem abgeschwächten<br />

Wirtschaftswachstum um die Jahrtausendwende<br />

schweizweit zu einer langsameren<br />

Ausdehnung der Siedlungen geführt haben.<br />

Erste Resultate der Areal statistik 2004/09 aus<br />

der Westschweiz belegen diesen Rückgang.<br />

So verlangsamte sich das Siedlungswachstum<br />

in den 623 ausgewerteten Gemeinden von<br />

knapp fünfzehn (1981–1993) auf ca. neun<br />

Prozent (1993–2005).<br />

Mehr Flächenbedarf<br />

für Wohnen<br />

Die Entwicklung der ausschliesslich für<br />

Wohn zwecke genutzten Gebäude <strong>und</strong> deren<br />

Umschwung betrug innert zwölf Jahren<br />

über 25 Prozent <strong>und</strong> übertraf das Wachstum<br />

der gesamten Siedlungsfläche um nahezu<br />

das Doppelte. Diese Zunahme lässt sich zum<br />

Teil durch das Bevölkerungswachstum (9%)<br />

erklären. Wichtiger jedoch scheint, dass<br />

das Siedlungswachstum auch Ausdruck<br />

eines veränderten Lebensstils mit höheren<br />

Ansprüchen an den Wohnraum <strong>und</strong> die<br />

Mobilität ist.<br />

Die sozioökonomischen Entwicklungen in<br />

der Schweiz reflektieren sich an der Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie die Bevölkerung wohnt. Die finanzielle<br />

Unabhängigkeit der jungen <strong>und</strong> alten<br />

Generation, der hohe Anteil Berufstätiger<br />

sowie das gut ausgebaute Sozialwesen fördern<br />

den Trend zu Kleinhaushalten. Die<br />

Einpersonenhaushalte verdreifachten sich<br />

von 1970 bis 2000 annähernd, <strong>und</strong> auch die<br />

Zweipersonenhaushalte haben noch um 70<br />

Prozent zugenommen. Es ist zu erwarten,<br />

dass die Zahl der Single-Haushalte auch in<br />

Zukunft noch steigen wird, da die allein stehenden<br />

Senioren so lange als möglich in<br />

ihrer Wohnung bleiben möchten <strong>und</strong> das<br />

„Single-Dasein“ heute oft nicht mehr eine<br />

zeitlich begrenzte sondern bewusst gewählte<br />

Lebenssituation ist.<br />

Bauten, Infrastruktur <strong>und</strong><br />

Verkehr nehmen vor allem<br />

im Mittelland immer mehr<br />

Platz ein<br />

Foto: VLP-ASPAN<br />

Seite 2 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Ein weiterer Ausdruck des gesellschaftlichen<br />

Wohlstands ist die Zunahme der Wohnungsgrössen<br />

neu erstellter Wohnungen. In den<br />

1960er Jahren betrug die Fläche einer mittleren<br />

Neuwohnung 84 m 2 , im Jahr 2000 bereits<br />

117 m 2 . Zusätzlich haben die Flächen<br />

der Wohnungen stärker zugenommen als<br />

die Zahl der Zimmer, was bedeutet, dass der<br />

Komfort <strong>und</strong> die Qualität der Wohnungen<br />

angestiegen sind [4]. Die durchschnittliche<br />

Wohnfläche pro Person stieg denn auch von<br />

ca. 24 m 2 (1950), über 34 m 2 (1980) <strong>und</strong> bis<br />

auf 44 m 2 (2000) an.<br />

Viele der grossen Mietblöcke <strong>und</strong> Hochhäuser<br />

der Schweiz wurden in den 1960er<br />

<strong>und</strong> 1970er Jahren erstellt. Diese werden heute<br />

mehrheitlich von einer Bevölkerung mit<br />

tiefem Ausbildungsniveau bewohnt. Wird die<br />

Betrachtung der soziokulturellen Wohn situation<br />

noch vertieft, fällt auf, dass Personen<br />

ohne Berufsbildung (konkret Zugezogene<br />

aus Südeuropa) eher in Siedlungskernen, in<br />

Wohnblöcken, Wohntürmen, in lärmbelasteten<br />

Gebäuden <strong>und</strong> an schlecht erschlossenen<br />

Lagen leben. Personen, die gar keine<br />

abgeschlossene Schulbildung haben, wohnen<br />

auffallend oft in hochurbanen Wohnkontexten<br />

<strong>und</strong> industriellen Gemeinden der<br />

Ostschweiz, des Aargaus <strong>und</strong> der Innerschweiz.<br />

Diese Verteilung stimmt weitgehend<br />

mit jener der Bevölkerungsgruppen<br />

aus der Türkei <strong>und</strong> dem Balkan überein.<br />

Über 63 Prozent des in<br />

den 1980er <strong>und</strong> 1990er<br />

Jahren neu entstandenen<br />

Wohnareals entfiel auf Ein<strong>und</strong><br />

Zweifamilienhäuser.<br />

Foto: VLP-ASPAN<br />

Entwicklung der Haushalte, Wohnflächen <strong>und</strong> Bevölkerung der Schweiz<br />

ha<br />

4000<br />

3500<br />

3000<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

Haushalte total<br />

1-Pers-Haushalte<br />

2-Pers-Haushalte<br />

5+-Pers-Haushalte<br />

Bevölkerung total<br />

Wohnfläche/Person<br />

1970<br />

1980 1990 2000<br />

Siedlungsflächenzuwachs in den Schweizer Kantonen 1979/87–1992/97<br />

Bern<br />

Waadt<br />

Wallis<br />

Zürich<br />

Aargau<br />

Freiburg<br />

St. Gallen<br />

Luzern<br />

absolute Zunahme in ha relative Zunahme in %<br />

Tessin<br />

Graubünden/<br />

Thurgau<br />

tätsausbil dung folgendermassen umschrieben<br />

wer den: Einerseits urbane, geschlossene<br />

Bebauung mit Wohnblöcken älterer<br />

Bau perioden, zentral <strong>und</strong> in Bahnhofsnähe<br />

gelegen, andererseits die lockere Bebauung<br />

an Siedlungsrändern oder an Seeufern. Absolventen<br />

von Fach hochschulen leben bevorzugt<br />

in periurbanen Einfamilienhäusern.<br />

Über 63 Prozent des in den 1980er <strong>und</strong><br />

1990er Jahren neu entstandenen Wohn -<br />

areals entfiel auf Ein- <strong>und</strong> Zweifa milienhäuser.<br />

Damit nahm der Anteil der Einfami<br />

lien häuser am gesamten Ge bäu de be -<br />

stand von vierzig Prozent im Jahre 1970<br />

auf 56 Prozent im Jahre 2000 zu. Trotz ent -<br />

gegengesetzter Bemühungen der Raumplanungspolitik<br />

waren im Jahr 2004 75<br />

Prozent aller neu erstellten Gebäude mit<br />

Wohnungen Einfamilienhäuser. Auf eine gewisse<br />

rationelle Verwendung des Bodens<br />

Solothurn<br />

Jura<br />

Baselland<br />

Schwyz<br />

Genf/Neuenburg<br />

Zug<br />

Schaffhausen<br />

NE<br />

GE<br />

Obwalden<br />

AR/Glarus/<br />

Uri/Nidwalden<br />

Appenzell-iR<br />

Basel-Stadt<br />

Nicht alle Bevölkerungsgruppen der Schweiz<br />

leben jedoch in „bodensparenden Verhältnis<br />

sen“. So können beispielsweise die<br />

Wohn um felder der Personen mit Universilässt<br />

immerhin schliessen, dass hauptsächlich<br />

die Zahl der dreigeschos sigen<br />

Einfamilienhäuser zugenommen hat [5] .<br />

Billige <strong>und</strong> schnelle Mobilität –<br />

billiges Bauland<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

Mitverantwortlich für die ungebremste Sied -<br />

lungsentwicklung ist die immer bessere Erschliessung<br />

der periurbanen <strong>und</strong> ländlichen<br />

Gebiete mit leistungsfähigen Strassen, aber<br />

auch das preiswerte Bauland an peripheren<br />

Wohnlagen. So werben beispielsweise ländli -<br />

che Kantone oder Kreditanstalten in städtischen<br />

Tageszeitungen mit „Wohnen im Grünen“.<br />

Heute ist die Mobilität in der Schweiz<br />

noch so billig, dass es sich finanziell lohnt,<br />

ein preiswertes Stück Bauland auf dem Land<br />

zu kaufen <strong>und</strong> mit dem Auto weite Wege<br />

zur Arbeit zurückzulegen. Die externen<br />

Kosten des Individualverkehrs (Luftbelastung,<br />

Lärm, Unfallgefahr) werden von<br />

der Allgemeinheit getragen. Locker überbaute<br />

Einfamilienhausquartiere lassen sich<br />

50<br />

0<br />

%<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esamt für Statistik<br />

5<br />

0<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 3


Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />

zudem kaum attraktiv mit öffentlichem<br />

Verkehr erschliessen.<br />

Seit 1960 nimmt die Zahl der Arbeitspendler<br />

alle zehn Jahre um etwa zehn Prozent zu, im<br />

Jahr 2000 arbeiteten bereits 57 Prozent der<br />

Erwerbstätigen ausserhalb ihres Wohnorts.<br />

Da sich die Pendlerdistanzen vergrösserten,<br />

könnte angenommen werden, der<br />

Zeitaufwand für den Arbeitsweg habe ebenfalls<br />

zugenommen. Dem ist jedoch nicht<br />

so: Benötigten die Arbeitspendler vor 1970<br />

durchschnittlich etwa achtzehn Minuten<br />

für ihren Arbeitsweg, so waren dies im Jahr<br />

2000 zwanzig Minuten. Neben den schnelleren<br />

Verkehrsmitteln trägt hier zweifellos<br />

der Ausbau des Strassennetzes zur Beschleunigung<br />

des Verkehrs bei. Die Verkehrsflächen<br />

haben in den 80er <strong>und</strong> 90er Jahren denn auch<br />

um knapp zehn Prozent zugenommen, wobei<br />

grosse regionale Unterschiede bestehen. Auch<br />

bei der Zunahme der Verkehrs flächen zeigen<br />

die neusten Resultate aus der Westschweiz einen<br />

leichten Rückgang (von 11% auf 7%).<br />

Ziel einer nachhaltigen Siedlungsent wicklung<br />

müsste es sein, Neueinzonungen für<br />

Wohngebiete konsequent an eine ausreichende<br />

Erschliessung mit öffentlichem<br />

Verkehr zu knüpfen oder mindestens attraktive<br />

Park&Ride-Lösungen in umittelbarer<br />

Nähe anzubieten.<br />

Konsumgesellschaft<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftswachstum<br />

Nicht nur das Wohnareal, auch das Industrie<strong>und</strong><br />

Gewerbeareal ist in den zwölf Jahren<br />

zwischen den Erhebungen der ersten <strong>und</strong><br />

zweiten Arealstatistik um über 24 Prozent<br />

schweizweit gewachsen. Mit ein Gr<strong>und</strong><br />

für dieses Wachstum ist sicherlich die gute<br />

Wirtschaftslage dieser Periode, stieg doch<br />

auch die Zahl der Arbeitsstätten von 1985<br />

bis 1995 um achtzehn Prozent an. Aber auch<br />

grossflächige, eingeschossige <strong>und</strong> nicht<br />

unterkellerte Logistik- <strong>und</strong> Einkaufszentren<br />

tragen ihren Teil zum Bodenverbrauch bei.<br />

Diesbezüglich wäre es geboten, vor einer<br />

Neunutzung von Landwirtschaftsland eine<br />

Umnutzung bestehender, brachliegender<br />

Industrieareale zu prüfen [6]. Leider sind<br />

oft die Preise von unbebauten Gr<strong>und</strong>stücken<br />

im Vergleich zu bereits bebautem<br />

Land zu tief.<br />

Freizeitgesellschaft<br />

<strong>und</strong> Freizeitmobilität<br />

Die Schweiz ist eine Freizeitgesellschaft.<br />

Dies drückt sich zum einen darin aus, dass<br />

die Hälfte der täglichen „Unterwegszeit“ der<br />

Freizeit dient, zum andern wird die Nachfrage<br />

nach flächenintensiven Freizeitbeschäftigungen<br />

(Mountainbiken, Gleitschirmfliegen,<br />

Golf, neuerdings die Idee für Hallenskifahren<br />

etc.) immer grösser [7]. Nicht alle<br />

Freizeit beschäftigungen benötigen bauliche<br />

Infra strukturen, sie führen jedoch oft<br />

zu Nutzungskonflikten mit dem Natur- <strong>und</strong><br />

Landschaftsschutz. Für publikumsintensive<br />

Freizeiteinrichtungen wird heute bereits in<br />

verschiedenen kantonalen Richtplänen eine<br />

ausreichende Erschliessung mit dem öffentlichen<br />

Verkehr verlangt. Schwieriger<br />

ist es, die Individualsportler <strong>und</strong> -touristen<br />

zum Umsteigen auf die öffentlichen<br />

Verkehrsmittel zu bewegen.<br />

Zweitwohnungen –<br />

touristisch <strong>und</strong> beruflich<br />

Zweitwohnungen sind in den touristisch geprägten<br />

Orten der Schweiz sowie beinahe in<br />

allen 17 Städten der Schweiz ein Thema. So<br />

betrug der Anteil der pied-à-terre in den „guten“<br />

Quartieren <strong>und</strong> den Altstadtquartieren<br />

der Städte im Jahr 2000 mindestens 15 Prozent.<br />

Die Wirtschaft verlangt von den Arbeits<br />

tätigen eine zunehmende räumliche<br />

Flexibi lität, was dazu führt, dass der Hauptwohn<br />

ort beibehalten <strong>und</strong> am Arbeitsort eine<br />

Zweitwohnung gemietet wird.<br />

In grösseren Tourismusdestinationen erreichen<br />

die Zweitwohnungsanteile vielerorts<br />

über drei Viertel des Bestandes (Campello TI<br />

94%, Flims-Laax, Silvaplana, Montana, Leukerbad,<br />

Vaz/Obervaz). Eine ungebrochen steigende<br />

Zahl von Zweitwohnungen gefährdet<br />

jedoch das Landschafts- <strong>und</strong> Ortsbild<br />

der Tourismusorte <strong>und</strong> beschleunigt die<br />

Zersiedlung. Zudem führt es zu überhöhten<br />

Bodenpreisen <strong>und</strong> einer Verdrängung der<br />

einheimischen Bevölkerung vom Wohnungsmarkt.<br />

Aus raumplanerischer Sicht ist es<br />

unwesentlich, ob die Zweitwohnungen<br />

im Eigentum einer Schweizerin oder eines<br />

Ausländers sind. Der Druck aus dem Ausland<br />

wird jedoch mit der geplanten Aufhebung<br />

der Lex Koller zunehmen, wirkungsvolle<br />

flankierende Massnahmen zur Steuerung<br />

des Zweitwohnungsbaus sind deshalb dringend<br />

erforderlich.<br />

Siedlungsdruck<br />

auf die Landwirtschaftszone<br />

Die Siedlungsgebiete dehnten sich in den<br />

letzten Jahrzehnten – vor allem an den<br />

besten Lagen des Mittellandes – weitge-<br />

Seite 4 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Statt neue Industriestandorte<br />

auf der grünen Wiese<br />

einzurichten, sollten<br />

endlich die brachliegenden<br />

Industrieareale in den<br />

Städten genutzt werden.<br />

Foto: photocase<br />

hend auf Kosten der landwirtschaftlichen<br />

Nutzflächen aus. Dennoch bleibt das Kulturl<br />

and mit knapp 37 Prozent die dominierende<br />

Bodennutzung in der Schweiz<br />

[2]. Es findet jedoch auch ausserhalb der<br />

Bauzonen eine kontinuierliche bauliche<br />

Entwicklung statt. Im Kanton Zürich nahm<br />

der Gebäudebestand zwischen 1950 <strong>und</strong><br />

1997 um 80 Prozent zu [8]. 1990 stand jedes<br />

vierte Gebäude der Schweiz ausserhalb<br />

der Bauzone <strong>und</strong> eine immer geringere<br />

Zahl davon wird landwirtschaftlich genutzt.<br />

Zur Abfederung des Struktur wandels in der<br />

Landwirtschaft plant der B<strong>und</strong> Lockerungen<br />

der Bestimmungen für das Bauen ausserhalb<br />

der Bauzonen. Damit wird der Anteil an<br />

nichtlandwirtschaftlichem Gewerbe in den<br />

Landwirtschaftszonen zu neh men. Zusätzlich<br />

ist in den letzten Jahren auf nicht mehr benötigte<br />

Wohn- <strong>und</strong> Ökonomiebauten in der<br />

Landwirtschaftszone ein grosser Nutzungsdruck<br />

durch nichtlandwirtschaftliche Kreise<br />

entstanden. Der raumplanerische Gr<strong>und</strong>satz<br />

der Trennung von Siedlungs- <strong>und</strong><br />

Nichtsiedlungsgebiet erfährt dadurch eine<br />

schleichende Verwässerung.<br />

Steuerwettbewerb <strong>und</strong> Konkurrenzdenken<br />

der Gemeinden<br />

Zur kontinuierlichen Expansion der Siedlungsflächen<br />

tragen ausserdem der Steuerwettbewerb<br />

<strong>und</strong> das Konkurrenzden ken<br />

zwischen den Gemeinden ihren Anteil<br />

bei. Der Wettbewerb um Einwohner, Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Arbeitsplätze veranlasste die<br />

Gemeinden, unrealistisch dimensionierte<br />

Bauzonen auszuscheiden, die sich mitnichten<br />

am tatsächlichen Bedarf orientieren.<br />

Sind die übergrossen Bauzonen einmal ausgeschieden,<br />

besteht wenig Anreiz zur Sparsamkeit.<br />

Insbesondere Bauzonen für wenig<br />

verdichtete Wohnformen, wie Einfamilienhäuser,<br />

fördern die flächenhafte Ausdehnung<br />

der Siedlungen. Die Erwar tungen der<br />

Gemeinden, attraktive Steuer zahler anzulocken,<br />

um die bestehenden Infrastrukturen<br />

finanzieren zu können, erfüllen sich nicht<br />

in jedem Fall. Heute ist bereits ein Drittel<br />

der Schweizer Gemeinden von einer abnehmenden<br />

oder stagnierenden Bevölkerungsent<br />

wicklung betroffen. Diese Tendenz wird<br />

sich – treffen die Berechnungen des B<strong>und</strong>esamtes<br />

für Statistik zu – in den nächsten<br />

Jahren verstärken. Damit zeichnet sich ein<br />

noch härterer Wettbewerb zwischen den<br />

Gemeinden ab, wenn sie nicht beginnen, in<br />

nutzungsplanerischen Fragen intensiv zusammenzuarbeiten.<br />

Literaturangaben<br />

[1] Arealstatistik des B<strong>und</strong>esamtes für Statistik<br />

BFS. Die Erhebungsperioden sind 1979/85,<br />

1992/97, 2004/09 (2004/09 erst Kantone VD<br />

<strong>und</strong> GE abgeschlossen).<br />

[2] B<strong>und</strong>esamt für Statistik BFS 2001:<br />

Bodennutzung im Wandel, Neuchâtel<br />

[3] B<strong>und</strong>esamt für Umwelt, Wald <strong>und</strong> Landschaft<br />

BUWAL 2003: Landschaft 2020, Bern<br />

[4] BFS 2006: Atlas des räumlichen Wandels der<br />

Schweiz, Neuchâtel<br />

[5] BFS 2006: Panorama, Bau- <strong>und</strong> Wohnwesen,<br />

Neuchâtel, März 2006<br />

[6] BFS 2002: Betriebszählung 2001 in Kürze,<br />

Neuchâtel<br />

[7] ARE 2001: Mobilität in der Schweiz, Bern<br />

[8] Peter Sacha 2000: Die Gebäudedynamik<br />

ausserhalb der Bauzonen im Kanton Zürich,<br />

Zürich<br />

Heidi Haag<br />

Geografin<br />

Schweizerische Vereinigung für<br />

Landesplanung VLP-ASPAN<br />

Seilerstrasse 22<br />

CH-3011 Bern<br />

Tel. +41 31 380 76 70<br />

heidi.haag@vlp-aspan.ch<br />

www.vlp-aspan.ch<br />

In grösseren Tourismusdestinationen<br />

erreichen die<br />

Zweitwohnungsanteile<br />

vielerorts über drei Viertel<br />

des Bestandes.<br />

Foto VLP-ASPAN<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 5


Mensch <strong>und</strong> Umwelt<br />

Landschaft gestalten<br />

Landschaft ist eine Kulturleistung. Sie ist das Produkt <strong>mensch</strong>licher<br />

Entscheidungen im Umgang mit der Natur. Dort, wo diese Ent -<br />

scheidungen nicht getroffen werden, „entsteht“ sie – als zufälliges<br />

Abfallprodukt des Handelns verschiedener Akteure. Wie Landschaft bewusst<br />

gestaltet <strong>und</strong> entwickelt werden kann, will das Forum Landschaft<br />

auf seiner Jahrestagung im Mai 2007 thematisieren. Die Tagung versteht<br />

sich als Diskussionsbeitrag zum neuen Raumkonzept Schweiz,<br />

das derzeit unter der Leitung des B<strong>und</strong>esamtes für Raumentwicklung<br />

(ARE) erarbeitet wird.<br />

Maya Kohte, Johannes Stoffler<br />

Die Gestalt der Landschaften der Schweiz<br />

trägt wesentlich zur Identität des Landes<br />

bei <strong>und</strong> ist Ausdruck seiner kulturellen<br />

Vielfalt. Sie ist eine wichtige Gr<strong>und</strong>lage<br />

unserer Lebensqualität, des wirtschaftlichen<br />

Standortes <strong>und</strong> des Tourismus. Sie<br />

ist Ausdruck unseres kulturellen Erbes<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig Gr<strong>und</strong>lage für dessen<br />

Weiterentwicklung.<br />

Eine Reise ins Ungewisse<br />

Angesichts der raschen <strong>und</strong> grossräumigen<br />

Entwicklungen (Suburbanisierung, Wandel der<br />

Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft, Vergandung u.a.)<br />

fehlt bisher jedoch eine effektive Strategie,<br />

wie die Landschaften der Schweiz qualitätsvoll<br />

weiterentwickelt werden können. Landschaft<br />

droht zu einem zufälligen Nebenprodukt unserer<br />

Gesellschaft zu werden. Die Eigenart des<br />

kulturellen Erbes, das wir mitbekommen haben,<br />

droht damit aus dem gesellschaftlichen<br />

Bewusstsein zu verschwinden. Gleichzeitig<br />

müssen wir uns kritisch fragen, was wir selbst<br />

einmal vererben wollen.<br />

Landschaft ist eine Gesamtheit. In Zukunft<br />

wird es deshalb nicht mehr ausreichen,<br />

die Landschaft einzig durch Eingriffe ver -<br />

schiedener Akteure aus einzelnen Sektoralpolitiken<br />

entwickeln zu lassen, die ihrer<br />

Gesamtgestalt kaum Aufmerksamkeit schenken.<br />

Es ist deshalb an der Zeit, die grossräumliche<br />

Gestaltung von Landschaft aktiv zu<br />

thematisieren. Qualitätsziele <strong>und</strong> gestalterische<br />

Kriterien müssen bewusste, integrale<br />

Bestandteile aller landschaftsverändernden<br />

Prozesse werden. Eine wichtige Rolle kommt<br />

hierbei dem Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz<br />

zu, der seit seinen Anfängen auch einen<br />

gestalterischen Auftrag hat. Natur <strong>und</strong><br />

Landschaft zu schützen, bedeutet heute, sich<br />

auch Gedanken zu machen, was jenseits der<br />

Schutzgebiete passiert. Es bedeutet, den „sicheren<br />

Hort“ der <strong>natur</strong>wissenschaftlichen<br />

Betrachtungen zu verlassen <strong>und</strong> sich gestalterischen<br />

Fragen zu stellen.<br />

Was heisst hier<br />

„Landschaftsqualität“?<br />

Die Forderung nach mehr Land schaftsqualität<br />

beinhaltet auch die Frage nach<br />

Beurteilungskriterien. Diese Frage wird sich<br />

nur dann beantworten lassen, wenn wir bereit<br />

sind, unser ererbtes Bild von Landschaft<br />

zu hinterfragen. Wir sollten uns die kritische<br />

Frage stellen, wie sich der pittoreske Reiz<br />

vorindustrieller Kulturlandschaften mit der<br />

realen Gegenwart vereinbaren lässt <strong>und</strong> wo<br />

die Chancen liegen, an dieses Erbe neu anzuknüpfen.<br />

Weder Nostalgie noch Tabula<br />

Rasa können hier weiterhelfen.<br />

Die qualitätsvolle Gestaltung von Landschaft<br />

ist nicht Geschmackssache, sondern auch<br />

eine Frage des Verständnisses. Nur wer Landschaft<br />

begreift, kann Sie auch sinnvoll weiterentwickeln.<br />

Gestaltung von Landschaft ist<br />

deshalb nicht allein eine Aufgabe von Praxis<br />

<strong>und</strong> Verwaltung. Sie ist auch Gegenstand<br />

empirischer For schung. Gegenwärtig etabliert<br />

sich die Landschaftstheorie als wichtiges<br />

Thema an europäischen Hochschulen.<br />

Dabei wird versucht, die unterschiedlichen<br />

Aspekte von Landschaft zusammenzudenken<br />

<strong>und</strong> die gewonnenen Erkenntnisse<br />

den verschiedenen Praxisfeldern zur Verfügung<br />

zu stellen. Auch das Nationale Forschungsprogramm<br />

48 untersucht die Gesamt<br />

heit von Landschaft, seine körperlichsensorische,<br />

ästhetische, identifikatorische,<br />

soziopolitische, ökonomische <strong>und</strong> ökologische<br />

Dimension.<br />

Mut zur Zusammenarbeit<br />

Die gesamträumliche Gestaltung der Landschaft<br />

bedarf einer inter- <strong>und</strong> transdiszip-<br />

Die qualitätsvolle Gestaltung<br />

von Landschaft<br />

ist nicht Geschmackssache,<br />

sondern auch eine Frage<br />

des Verständnisses.<br />

Nur wer Landschaft begreift,<br />

kann Sie auch sinnvoll<br />

weiterentwickeln.<br />

Foto: photocase<br />

Seite 6 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Unsere Kulturlandschaft<br />

ist das Produkt <strong>mensch</strong>licher<br />

Entscheidungen im<br />

Umgang mit der Natur.<br />

Foto: photocase<br />

linären Zusammenarbeit, um weitere Ansätze,<br />

Methoden <strong>und</strong> Instrumente zu entwickeln.<br />

Gleichzeitig ist Landschaftsgestaltung<br />

eine Aufgabe der interkommunalen,<br />

interkantonalen <strong>und</strong> – gegebenenfalls –<br />

die Landesgrenzen überschreitenden Zu -<br />

sam menarbeit. Dies bedeutet auch, über<br />

Revierdenken <strong>und</strong> berufsständische Schranken<br />

hinwegzukommen, den fachlichen<br />

Horizont zu erweitern <strong>und</strong> den Austausch<br />

zu suchen. Hierin liegt eine Chance für<br />

den Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz, für<br />

seine Ziele neue Partner zu finden, <strong>und</strong><br />

Landschaftsentwicklung <strong>und</strong> -gestaltung<br />

verstärkt in den Blick zu nehmen. Nur mit<br />

einer breiten Lobby für die Landschaft kann<br />

effektiv Einfluss auf politische Prozesse<br />

<strong>und</strong> auf konkrete landschaftsrelevante Entscheidungen<br />

genommen werden.<br />

Die derzeitige Überarbeitung der Gr<strong>und</strong>züge<br />

der Raumordnung Schweiz von 1996 durch<br />

das B<strong>und</strong>esamt für Raumentwicklung (ARE)<br />

bietet einen wichtigen Anlass, das Thema<br />

der Landschaftsgestaltung in dem zukünftigen<br />

Raumkonzept Schweiz differenzierter<br />

zu behandeln. Das Raumkonzept soll eine<br />

einheitliche Vorstellung als Gr<strong>und</strong>lage für<br />

eine koordinierte Raumentwicklungspolitik<br />

zwischen allen staatlichen Ebenen darstellen.<br />

Ein „Landschaftskonzept Schweiz“<br />

wird aber nur eine Chance haben, wenn es<br />

gelingt, das Thema in seiner vollen Breite<br />

öffentlich anzusprechen <strong>und</strong> auch fachfremde<br />

Akteure <strong>und</strong> Betroffene dafür zu<br />

sensibilisieren.<br />

Das Forum Landschaft<br />

Das Forum Landschaft wurde am 13. Januar<br />

2006 in Bern gegründet <strong>und</strong> befindet<br />

sich seitdem im Aufbau. Gründungsmit<br />

glieder des Vereins sind Fachleute aus<br />

Praxis <strong>und</strong> Verwaltung sowie Forschende<br />

verschiedener Schweizer Hochschulen<br />

<strong>und</strong> Forschungsinstitutionen. Ziel des<br />

Forums ist die Thematisierung der Landschaft<br />

im umfassenden Sinne der europäischen<br />

Landschaftskonvention, insbesondere<br />

die Förderung bewusster Landschaftsgestal<br />

tung, wissenschaftlicher Forschungspro<br />

jekte zum Thema Landschaft, des<br />

Diskurses Forschung – Praxis sowie die<br />

Anregung einer öffentlichen Diskussion<br />

über Landschaft.<br />

Zur Umsetzung dieser Ziele wird derzeit<br />

ein Netzwerk Landschaft aufgebaut <strong>und</strong><br />

gepflegt, zu dem alle wichtigen Akteure,<br />

Forschende <strong>und</strong> Lehrende im Bereich Landschaft<br />

eingeladen sind. Informationen zum<br />

Bereich Landschaft werden gesammelt <strong>und</strong><br />

verbreitet, in Institutionen <strong>und</strong> Gremien<br />

mitgewirkt <strong>und</strong> Beziehungen zu verwandten<br />

Organisationen gepflegt.<br />

Das Forum verbindet breite institutionelle<br />

Verankerung mit Fachkompetenz. Dem Vorstand<br />

des Forums gehören Personen aus unterschiedlichen,<br />

landschaftsrelevanten Bereichen<br />

an. Ein wissenschaftlicher Beirat von<br />

ausgewiesenen Experten gewährleistet die<br />

fachliche Qualitätssicherung der Arbeit.<br />

Der Aufbau des Forums Landschaft erfolgt<br />

im Rahmen einer zweijährigen Pilotphase.<br />

Diese dient dazu, Zielsetzung, Strategie<br />

<strong>und</strong> Umsetzung zu testen <strong>und</strong> festzulegen.<br />

Finanziert wird diese Phase von der Schweizer<br />

Akademie der Naturwissenschaften,<br />

dem B<strong>und</strong>esamt für Umwelt, dem B<strong>und</strong><br />

Schweizer Landschaftsarchitekten, der Stif-<br />

tung Landschaftsschutz Schweiz <strong>und</strong> Mitgliederbeiträgen.<br />

Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit des<br />

Forums besteht in Beiträgen zu Tagungen<br />

<strong>und</strong> Workshops. So moderierte das Forum<br />

Landschaft die Dimension „Stadt <strong>und</strong><br />

Land“ der SAGW-Tagung „Wohnen in der<br />

Metropole Schweiz“ im November 2006<br />

<strong>und</strong> gestaltete den Workshop „Entwick -<br />

lungs perspektiven zwischen Schönheitsideal<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftsfaktor“ am NATUR<br />

Kongress Basel im März 2007.<br />

Die kommende Jahrestagung des Forums<br />

Landschaft am 12. Juni in Bern wird sich mit<br />

dem Begriff der Landschaftsqualität auseinandersetzen.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des<br />

Raumkonzeptes Schweiz wird Landschaft<br />

im Spannungsfeld von Ästhetik, Identität<br />

<strong>und</strong> Ökonomie diskutiert werden. Den einleitenden<br />

Referaten werden am Nachmittag<br />

Arbeitsateliers zu den Einzelaspekten folgen.<br />

Und natürlich wird die Tagung genügend<br />

Raum für informelle Gespräche bieten. Zu<br />

diesem Treffen lädt das Forum Landschaft<br />

alle interessierten Fachleute ein.<br />

Weitere Informationen unter www.forumlandschaft.ch<br />

oder www.forumpaysage.ch<br />

Maya Kohte<br />

Präsidentin Forum Landschaft<br />

Johannes Stoffler<br />

Geschäftsführer Forum<br />

Landschaft<br />

Schwarztorstrasse 9<br />

3007 Bern<br />

Tel. 031 318 70 17<br />

Fax 031 312 16 78<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 7


Rheinaub<strong>und</strong><br />

2006 – ein wegweisendes Jahr<br />

für den Rheinaub<strong>und</strong><br />

Ab 2007 stellt sich der Rheinaub<strong>und</strong> in einem neuen, frischen<br />

Image dar. Es symbolisiert unsere Dynamik, die trotz<br />

finanzieller Schwierigkeiten ungebrochen ist <strong>und</strong> durch<br />

den Jahresbericht in diesem Heft dokumentiert wird. Das<br />

Hinterfragen der allgemeinen Wachstumseuphorie <strong>und</strong><br />

die bedenkliche Entwicklung in der Raumplanung sind<br />

nur zwei Beispiele dafür, dass wir einen neuen Akzent in<br />

der politischen Landschaft setzen müssen, wenn wir die<br />

Schweiz nicht total verbaut sehen wollen. Jürg Bloesch<br />

Immer mehr, immer mehr,<br />

immer mehr?<br />

Seit kurzem hat der Rheinaub<strong>und</strong> ein neues<br />

Erscheinungsbild, ein neues Logo <strong>und</strong> ein<br />

neues Layout für „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“. Ein<br />

herzliches Dankeschön unseren Graphikern<br />

Markus Capirone, Beatrice Nünlist <strong>und</strong> Christoph<br />

Frauenlob! Überarbeitet wurden auch<br />

die Internet-Homepage, die Briefschaften<br />

<strong>und</strong> Couverts. Zwei Flyer werden folgen.<br />

Die Mühsal des schwierigen gestalterischen<br />

Prozesses ist vorüber, freuen wir uns jetzt<br />

am Neuen <strong>und</strong> am schönen Design.<br />

Das Logo ist unsere Identität<br />

Allerdings geht es meines Erachtens um<br />

mehr als nur ein dynamisches Logo oder ein<br />

VivaRiva, das<br />

Umweltbildungsprojekt<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es, ist<br />

gesichert.<br />

Foto: K. Jaag<br />

attraktives modernes Heft. Entscheidend<br />

ist die Identität (Corporate Identity) des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es, welcher die Strategie des<br />

Vereins zugr<strong>und</strong>e liegt, die an der Klausur<br />

2005 diskutiert <strong>und</strong> vom Vorstand abgesegnet<br />

worden ist. Im Mittelpunkt stehen<br />

unsere Kerngeschäfte: Der Gewässer<strong>und</strong><br />

Landschaftsschutz, das Auftreten als<br />

“ehrlicher Makler” in eigenen, pro-aktiven<br />

Projekten <strong>und</strong> als gewissenhafter Anwalt der<br />

Natur bei Einsprachen <strong>und</strong> Verhandlungen.<br />

„<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ als Produkt des Rheinau<br />

b<strong>und</strong>es ist weit mehr als eine Vereinszeitschrift.<br />

Unser Heft wie auch unsere<br />

Projekte strahlen unsere Philosophie aus,<br />

sich konsequent <strong>und</strong> uneigennützig für die<br />

Natur, für Gewässer- <strong>und</strong> Landschaftsschutz<br />

einzusetzen. Das geht uns alle an, wollen<br />

wir unsere gesellschaftliche Verantwortung<br />

wahrnehmen! Der Jahresbericht in diesem<br />

Heft legt eindrucksvoll davon Zeugnis<br />

ab, wie wir unseren Einsatz gestalten <strong>und</strong><br />

was für Arbeit wir konkret leisten. Das<br />

F<strong>und</strong>ament von “<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>” <strong>und</strong><br />

der Projektarbeit ist die fachliche <strong>und</strong> soziale<br />

Kompetenz. Ich hoffe, dass diese leuchtenden<br />

Beispiele vermehrt Gleichgesinnte<br />

anlocken, überzeugen <strong>und</strong> begeistern. Es<br />

wäre schön, wenn nicht nur die Wirtschaft,<br />

sondern auch der Rheinaub<strong>und</strong> nachhaltig<br />

wachsen würden.<br />

Gedanken zu Wohlstand<br />

<strong>und</strong> Wachstum<br />

A propos Wachstum. Es erstaunt mich<br />

immer wieder, wie rasch Meadow’s “Grenzen<br />

des Wachstums” der 1970er Jahre in<br />

Vergessenheit geraten ist. Dabei basiert<br />

diese Theorie auf dem f<strong>und</strong>amentalsten<br />

Naturprinzip, der Wachstumskurve – mit<br />

Wachstum, Plateau <strong>und</strong> Zerfall – <strong>und</strong> der<br />

Endlichkeit der Ressourcen. Heute propagieren<br />

alle Politiker möglichst grosses <strong>und</strong><br />

unbegrenztes Wachstum, ohne welches es<br />

keine Zukunft gebe. Technologie <strong>und</strong> Geld<br />

als Heilsbringer der Menschheit? Ich frage<br />

mich, auf welchem F<strong>und</strong>ament solche<br />

Theorien basieren, wenn nicht auf kurzfristiger<br />

<strong>und</strong> eigennütziger Gewinnmaximierung<br />

<strong>und</strong> Machtstrategie. Wo bleibt da die oft genannte<br />

Nachhaltigkeit? Der Blick für grössere<br />

Zusammenhänge? Meiner Meinung<br />

nach lohnt es sich, über diese Dinge nachzudenken<br />

<strong>und</strong> sich allenfalls darauf einzustellen.<br />

Auf wessen Kosten leben wir hierzulande<br />

eigentlich? Wenn wir über Energiepolitik<br />

<strong>und</strong> Lösungsansätze zur Reduktion der<br />

Treibhausgase diskutieren, ist es wichtig zu<br />

wissen, dass auch die sogenannten Kleinen<br />

etwas tun können. Flächig angewendete<br />

Solarzellen auf H<strong>und</strong>erttausenden von<br />

Schweizer Dächern können locker ein ganzes<br />

Kernkraftwerk ersetzen. Ebenso kann<br />

die Schweiz als Kleinstaat eine Vorreiterrolle<br />

spielen, <strong>und</strong> es ist kurzsichtig zu argumentieren,<br />

unser Beitrag sei global gesehen vernachlässigbar.<br />

Alles in allem, jede <strong>und</strong> jeder<br />

kann etwas beitragen, <strong>und</strong> sei es nur sich<br />

zu überlegen, ob das Glück des Lebens in<br />

Seite 8 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Aufmerksam sein.<br />

Entwicklungen verfolgen.<br />

Dahin plätschern lassen?<br />

Eingreifen. Lenken.<br />

Nicht frankieren<br />

Ne pas affranchir<br />

Non affrancare<br />

Geschäftsantwortsendung Invio commerciale-risposta<br />

Correspondance commerciale-résponse<br />

Foto: photocase.de<br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

c/o <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong><br />

Postfach 1157<br />

CH-8200 Schaffhausen<br />

Abonnementsbestellung / Anmeldung der Mitgliedschaft<br />

Ja, ich möchte<br />

Ein Jahresabonnement der Zeitschrift „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ (Fr. 45.00)<br />

ein Geschenkabonnement<br />

Mitglied werden beim Rheinaub<strong>und</strong> (Fr. 65.00 inkl. Heft)<br />

ein Gratis-Probeheft / Unterlagen über den Rheinaub<strong>und</strong><br />

Ich bin bereit, aktiv beim Rheinaub<strong>und</strong> mitzumachen.<br />

Nehmen Sie mit mir Kontakt auf.<br />

Eigene Adresse:<br />

Name/Vorname:<br />

Adresse:<br />

Geburtsdatum:<br />

PLZ/Ort:<br />

Geschenkabonnement für:<br />

Name/Vorname:<br />

Adresse:<br />

Geburtsdatum:<br />

PLZ/Ort:<br />

Datum, Unterschrift:<br />

Ihr Engagement<br />

im Rheinaub<strong>und</strong><br />

bedeutet sehr viel,<br />

vielleicht mehr als<br />

Sie erwarten.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 9


Rheinaub<strong>und</strong><br />

materiellem Wohlstand <strong>und</strong> unbegrenzten<br />

qualitativen Ansprüchen liegt, oder ob es<br />

vielleicht auch noch so etwas wie nicht monetäre<br />

Werte auf dieser Erde gibt, die uns zu<br />

seelischem Gleichgewicht verhelfen.<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong><br />

macht Schule<br />

Doch kehren wir zurück in den Alltag des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es. Trotz ökonomischem <strong>und</strong><br />

prioritästgerechtem Einsatz der Mittel blieb<br />

es auch im Jahr 2006 beim altbekannten<br />

strukturellen Defizit. Finanzstrategie <strong>und</strong><br />

Öffentlichkeitsarbeit sind nach wie vor eine<br />

Baustelle, <strong>und</strong> Defizite gibt es insbesondere<br />

in der Pressearbeit <strong>und</strong> im Networking. Das alles<br />

ist auch eine Frage der Kapazität. Daneben<br />

können wir sehr wohl viel Erfreuliches berichten.<br />

Noch nie in der bald 50-jährigen<br />

Geschichte des Rheinaub<strong>und</strong>es konnten so<br />

viele Sponsorengelder aufgetrieben werden<br />

wie für das Projekt “VivaRiva”. Da liegt<br />

nicht nur ein grosses Potenzial für die Schule<br />

<strong>und</strong> die Umwelterziehung vor uns, sondern<br />

auch für den Rheinaub<strong>und</strong> selbst. Weitere<br />

Arbeitsschwerpunkte sind nach wie vor die<br />

Laufkraftwerke am Hochrhein, mit der am<br />

30. April 2007 zu gründenden Arbeitsgruppe<br />

“Geschiebehaushalt”, sowie die Raumplanung,<br />

mit der im Frühling gestarteten Landschafts-<br />

Initiative. Dazu tragen auch die von<br />

Vorstandsmitglied Jean-Pierre Jaccard verfasste<br />

Vernehmlassung zur Pärkeverordnung<br />

<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Strategie des<br />

Leistungsauftrags mit Globalbudget bei.<br />

Zum Dank politische<br />

Zeichen setzen<br />

Zum Jahresrückblick 2006 bleibt mir als<br />

Ko-Präsident all den motivierten Mitarbeitenden<br />

<strong>und</strong> spendablen Gönnern herzlich<br />

zu danken. Es ist beeindruckend <strong>und</strong><br />

erfreulich zugleich zu sehen, wie ansteckend<br />

diese Motivation sein kann, wenn es<br />

darum geht, gesellschaftliche Werte <strong>und</strong><br />

Naturschönheiten hoch zu halten <strong>und</strong> gegenüber<br />

wirtschaftlichen Eigeninteressen<br />

anderer zu verteidigen. Solcher Einsatz ist<br />

auch in Zukunft dringend nötig, da der<br />

Umweltschutz politisch immer noch stark<br />

im Gegenwind steht.<br />

Wie wir mit unserer Raumplanung umgehen,<br />

ist skandalös. Die Restwasserbestimmungen<br />

im Gewässerschutzgesetz sind unter starkem<br />

Druck. Die Gewässerschutz-Initiative<br />

verdient unsere Unterstützung. Das Verbandsbeschwerderecht<br />

werden wir zu sichern<br />

wissen. Lassen wir uns also nicht entmutigen<br />

<strong>und</strong> setzen wir bei den Wahlen<br />

2007 ein klares Zeichen <strong>und</strong> gründen ein<br />

neues politisches F<strong>und</strong>ament.<br />

Mit den besten Wünschen, Ihr Jürg Bloesch<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> bleibt auch<br />

in Zukunft den Gewässern<br />

<strong>und</strong> Gewässerlandschaften<br />

verpflichtet.<br />

Foto: Urkraft Wasser<br />

Jürg Bloesch<br />

Ko-Präsident Rheinaub<strong>und</strong><br />

Weinsteig 192<br />

8201 Schaffhausen<br />

Tel. 052 / 625 26 58<br />

Seite 10 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Albbruck-Dogern <strong>und</strong> der Fischaufstieg –<br />

eine endliche Geschichte?<br />

Schon lange beschäftigt sich der Rheinaub<strong>und</strong> mit der Neukonzession für das<br />

Kraftwerk Albbruck-Dogern. Ging es erst um genügende Ausgleichsmassnahmen<br />

im betroffenen Flussraum, erhitzte zum Schluss einmal mehr das Thema Fischaufstieg<br />

die Gemüter. Doch die langen Diskussionen <strong>und</strong> Auseinandersetzun -<br />

gen haben sich gelohnt, denn die neuen Pläne der RADAG scheinen „fischgängig“<br />

zu sein.<br />

Ueli Rippmann<br />

Das Ausleitungskraftwerk Albbruck Dogern<br />

der RADAG nutzt den Hochrhein durch<br />

ein Wehr, welches – bis auf die Restwassermenge<br />

– alles Wasser in den Oberwasserkanal<br />

ableitet <strong>und</strong> es zu den Turbinen<br />

führt. Im Vergleich zum Mutterbett hat<br />

dieser Kanal ein kleineres Gefälle. Unter<br />

Berücksichtigung von Hydrologie, Hydraulik<br />

<strong>und</strong> Gelände (Gefälle) erzielt man so<br />

an den Turbinen eine möglichst grosse<br />

Kraftwerksfallhöhe, ausgelegt auf die maximal<br />

mögliche Stromproduktion.<br />

1933 hatte das Kraftwerk eine Ausbauwassermenge<br />

von 750 m 3 /s, die jedoch in mehreren<br />

Schritten bis auf 1100m 3 /s erhöht<br />

wurde. Heute produziert das Werk mit 1100<br />

m 3 /s Wasser <strong>und</strong> einer Kraftwerksfallhöhe<br />

von 9.4 m im Mittel 575 GWh/a.<br />

Im Jahr 1981, lange vor Ablauf der Konzession,<br />

arbeitete die RADAG wiederum an einer<br />

erneuten Nutzungssteigerung, indem<br />

sie ein Vorprojekt für ein Wehrkraftwerk erstellte.<br />

Unterstützung erhielt die Idee durch<br />

die Studie „Rhein 2000“ des BUWAL über<br />

die ökologischen Verbesserungsmassnahmen<br />

am Hochrhein. Das Aktionsprogramm<br />

„Rhein 2000“ pries das geplante Wehr kraft -<br />

werk, weil es als „Sanierung der Restwasserstrecke“<br />

betrachtet wurde.<br />

Gegenwärtig wird die Ausbauwassermenge<br />

von 1100 m 3 /s im Mittel an 138 Tagen im<br />

Jahr erreicht oder überschritten. Das Wehr<br />

wird also während eines Drittels des Jahres<br />

überspült. Die RADAG wollte deshalb die<br />

Ausbauwassermenge um weitere 300 m 3 /s<br />

steigern <strong>und</strong> dafür ein neues Wehrkraftwerk<br />

bauen. Vor Ablauf der Konzession (2012)<br />

verlangte man eine Neukonzessionierung<br />

mit einer Gesamtausbauwassermenge von<br />

1400 m 3 /s. Durch das neue Wehrkraftwerk<br />

reduziert sich die Überschreitung auf 68<br />

Tage pro Jahr, während die Jahresarbeit um<br />

15 Prozent steigt.<br />

Gleichzeitig sollte das Wehrkraftwerk eine<br />

wesentliche Verbesserung der Wasser -<br />

füh rung in der Restwasserstrecke bewirken,<br />

die aus gewässerökologischer Sicht<br />

seit Jahrzehnten viel zu wenig Wasser führt<br />

(Winterdotation 3 bis 8 m 3 /s, Som mer dotation<br />

40 m 3 /s).<br />

Die Kraftwerksanlage<br />

Albbruck-Dogern.<br />

Foto: RADAG<br />

Die RADAG war deshalb der Meinung, sie<br />

leiste einen ausreichenden Beitrag zur ökologischen<br />

Gesamtsituation des Rheins, weshalb<br />

man keine weiteren ökologischen Ausgleichsmassnahmen<br />

zugestehen wollte.<br />

Ursprüngliche<br />

Flusslandschaft massgebend<br />

Dieser Einstellung widersprachen der Rheinaub<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> seine befre<strong>und</strong>eten Organi -<br />

sationen entschieden. Das neue Wehrkraft-<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 11


Rheinaub<strong>und</strong><br />

werk entspricht – nach mehrfach erweiter ter<br />

Konzession – vor dem Gesetz einer Neu anlage,<br />

welche die entsprechenden Auflagen<br />

des Gesetzgebers erfüllen muss. Überdies<br />

war der Bau des Kraftwerks im Jahre 1933<br />

ein erheblicher Eingriff in die ursprüngliche<br />

Flusslandschaft. Der Definition des<br />

massgeblichen Ausgangszustandes bezüglich<br />

des möglichen Potenzials des Rheins<br />

ohne Kraftwerk wurde im UVB I (Kap. 1.3.2<br />

Zeitliche Abgrenzung) völlig ungenügend<br />

Rechnung getragen.<br />

Schliesslich gehören nach Art. 31–33 Gewässerschutzgesetz<br />

(GschG) <strong>und</strong> Art. 7–9<br />

Fischereigesetz (FG) die Sanierungen der<br />

Restwasserstrecke <strong>und</strong> die Gewährleistung<br />

der Fischwanderung in beiden Richtungen<br />

nach modernstem Stand von Wissen <strong>und</strong><br />

Technik spätestens seit 1992 zwingend zu<br />

solchen Projekten <strong>und</strong> können daher nicht als<br />

Ausgleichsmassnahmen bezeichnet werden.<br />

Trotz dieser gesetzlichen Bestimmungen<br />

wurde die vorgezogene Neukonzession des<br />

Kraftwerks am 27.Mai 2003 rechtskräftig.<br />

Das Rheinkraftwerk Albbruck-Dogern AG erhielt<br />

damit von den zuständigen Behörden<br />

auf deutscher <strong>und</strong> Schweizer Rheinseite<br />

die Bewilligung zur Wasserkraftnutzung<br />

am Hochrhein inklusive Wehrkraftwerk für<br />

weitere 70 Jahre. Dafür musste die RA-<br />

DAG jedoch weiteren ökologischen Ausgleichsmassnahmen<br />

zustimmen, die nicht<br />

zuletzt durch die aktive <strong>und</strong> konstruktive<br />

Rolle des Rheinaub<strong>und</strong>es <strong>und</strong> seiner befre<strong>und</strong>eten<br />

Organisationen erwirkt wurden.<br />

Neben dem Bau des Wehrkraftwerkes beinhaltet<br />

die Neukonzession folgende ökologischen<br />

Aufwertungsmassnahmen:<br />

• die Verbesserung der gewässermorphologischen<br />

Verhältnisse im Altrhein<br />

• die Kostenbeteiligung für die ökologische<br />

Aufwertung der Wutachmündung<br />

• die Erstellung eines Umgehungsgerinnes<br />

am Ausleitungswehr<br />

• die Erstellung einer fischgängigen<br />

Blockrampe in der Albmündung<br />

• die Aufwertung der Vogelinseln in Dogern<br />

im Oberwasser des Ausleitungswehrs<br />

• die Wiederherstellung der früheren<br />

Kiesinseln bei Full<br />

Im September des gleichen Jahres erfolgte<br />

auch die Baubewilligung, gegen die der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> erneut Einsprache erhob.<br />

Was fehlte war der explizite Nachweis der<br />

Gewährleistung der freien Fischwanderung<br />

nach Art. 9 des Fischereigesetzes des B<strong>und</strong>es.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Untersuchungsergebnisse<br />

des Instituts für Wasserwirtschaft <strong>und</strong> Kul turtechnik<br />

der Universität Karlsruhe (IWK), die die<br />

RADAG der ökologischen Begleitkommission<br />

im Oktober 2004 vorlegte, ergaben sich<br />

nämlich im Bereich des Zusammenflusses<br />

von Altrhein <strong>und</strong> Unterwasserkanal so ungünstige<br />

Fliessverhältnisse, dass die freie<br />

Fischwanderung als nicht gesichert betrachtet<br />

werden musste.<br />

Das Institut hatte die Fliessverhältnisse <strong>und</strong><br />

die Fliessgeschwindigkeiten im Prognosezustand<br />

bei QWehrkraftwerk = 300 m 3 /s <strong>und</strong> QGesamt<br />

= 1008 m 3 /s (Qm) dargestellt <strong>und</strong> es zeigte<br />

sich eindeutig, dass ausser der Hauptwassermenge<br />

auch die Fliessgeschwindigkeiten aus<br />

dem Unterwasserkanal (Wasserrückgabe)<br />

wesentlich höher waren (1.0 bis 1.5 m/s) als<br />

jene des Altrheins (Restwasserstrecke) mit<br />

nur 0.5 bis 0.75 m/s.<br />

Es liegt in Wesen <strong>und</strong> Konstruktion der<br />

Ausleitungskraftwerke, dass die Wasserführung<br />

des Unterwasserkanals meistens<br />

wesentlich höher ist als in der Restwasserstrecke,<br />

beispielsweise auch nach der erwähnten<br />

Prognose der IWK (QUnterwasserkanal =<br />

708 m 3 /s <strong>und</strong> QWehr = 300 m 3 /s. Die modellierte<br />

Verteilung der Fliessgeschwindigkeiten<br />

im Mündungsbereich Altarm RADAG –<br />

Mündung, liess auch für die meisten anderen<br />

Wasserführungen im Rhein den<br />

Schluss zu, dass die Hauptwassermenge<br />

<strong>und</strong> die Hauptfliessgeschwindigkeit aus<br />

dem Unterwasserkanal zufliesst <strong>und</strong> jene<br />

im Altrhein somit – auch mit dem neuen<br />

Wehrkraftwerk – deutlich übertreffen.<br />

Für die Abfluss- <strong>und</strong> Fliessverhältnisse ist<br />

dies im Bereich des Zusammenflusses von<br />

Unterwasserkanal <strong>und</strong> Restwasserstrecke<br />

geradezu ein Charakteristikum aller Ausleitungskraftwerke.<br />

Deshalb stellte sich die Frage, ob denn<br />

die wanderwilligen Fische überhaupt bis<br />

zum Wehrkraftwerk wanderten <strong>und</strong> dort<br />

die neue Fischaufstiegshilfe fänden, wenn<br />

doch der entscheidende Orientierungsreiz<br />

Seite 12 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


der grösseren Wassermenge <strong>und</strong> der höheren<br />

Fliessgeschwindigkeit aus dem<br />

Unterwasserkanal kommt.<br />

Da sich alle Arten der Flussfische physiologisch<br />

mit Hilfe ihres Seitenlinienorgans<br />

nach der Hauptströmung <strong>und</strong> den grösseren<br />

Fliessgeschwindigkeiten ausrichten,<br />

kamen berechtigte Zweifel auf, ob der<br />

neue Fischpass am Wehrkraftwerk allein<br />

zur Sicherung der freien Fischwanderung<br />

genüge. Würden die Fische nicht in den<br />

Unterwasserkanal zum alten Maschinenhaus<br />

aufsteigen, wo Hauptströmung <strong>und</strong><br />

Fliessgeschwindigkeiten einen wesentlich<br />

grösseren Orientierungsreiz erzeugen?<br />

Nun richtete sich der Blick auf den alten<br />

Fischpass am Maschinenhaus <strong>und</strong> auf seine<br />

Funktionsfähigkeit, denn würde sie genügen,<br />

wäre die freie Fischwanderung nach<br />

Art. 9 des B<strong>und</strong>esgesetzes über die Fischerei<br />

zusammen mit dem neuen Fischpass am<br />

Wehrkraftwerk gesichert <strong>und</strong> das neue<br />

Kraftwerk hätte gebaut werden können.<br />

Eine nähere Prüfung zeigte jedoch, dass der<br />

alte Fischpass am Maschinenhaus nicht nur<br />

vom Konzept her völlig veraltet war, sondern<br />

dass er den elementarsten Anforderungen<br />

funktionstüchtiger Fischaufstiegshilfen<br />

Durch den neuen Fischpass<br />

am Maschinenhaus sollte<br />

die freie Fischwanderung im<br />

Bereich des KW Albbruck-<br />

Dogern sichergestellt sein.<br />

Foto: Naturenergie<br />

nicht einmal ansatzweise genügte. In seiner<br />

Einsprache ging der Rheinaub<strong>und</strong> Punkt für<br />

Punkt auf diese eklatanten Mängel ein. Nach<br />

einigen Auseinandersetzungen konnte die<br />

RADAG die vorgebrachten Argumente nicht<br />

widerlegen.<br />

Zudem bestätigten die Ergebnisse der<br />

Reusenfänge, dass diese Fischtreppe aus<br />

dem Jahre 1933 schon seit r<strong>und</strong> 50 Jahren<br />

praktisch funktionsuntüchtig war (Staub<br />

<strong>und</strong> Gerster, 1992 <strong>und</strong> Gerster, 1998).<br />

Damit war weder im UVB I noch im UVB II<br />

ein glaubhafter Nachweis der Funktionstüchtigkeit<br />

des alten Fischpasses am<br />

Maschinenhaus enthalten. Die freie Fischwanderung<br />

nach Art.9 FG am Kraftwerk<br />

Albbruck-Dogern war daher nicht gewährleistet.<br />

Die Einsprache des Rheinaub<strong>und</strong>es gegen<br />

die Baubewilligung erfolgte somit zu Recht.<br />

Erst nach zähen Verhandlungen erklärte<br />

sich die RADAG schliesslich zu einer völligen<br />

Neukonstruktion der Fischaufstiegshilfe am<br />

Maschinenhaus bereit <strong>und</strong> präsentierte dafür<br />

an der letzten Einigungsverhandlung vom<br />

27. Oktober 2006 ein völlig neues Konzept<br />

zur Sicherstellung der Fischwanderung am<br />

Maschinenhaus, das sehr erfolgversprechend<br />

aussieht. Die Gestaltungsdetails <strong>und</strong><br />

Funktionstüchtigkeit der Anlage müssen<br />

nun in der Begleitkommission erarbeitet<br />

<strong>und</strong> optimiert werden. Auch hier wird der<br />

Einsatz des Rheinaub<strong>und</strong>es eine wesentliche<br />

Rolle spielen.<br />

Der Autor erinnert sich lebhaft an einen<br />

Ausspruch des Vorsitzenden der RADAG am<br />

Ende der damaligen Einigungsverhandlung.<br />

Sinngemäss meinte er, dass nun – nach elfjähriger<br />

Planung – endlich eine Lösung gef<strong>und</strong>en<br />

sei, die allen gerecht werde. Ein<br />

Ausspruch, der vom Leiter der Sektion<br />

Gewässernutzung des Kantons Aargaus,<br />

Pierre-Yves Christen, mit dem lakonischen<br />

Ausspruch gekontert wurde: „Hätte sich die<br />

RADAG einsichtiger <strong>und</strong> kooperativer verhalten,<br />

hätten wir dieses Ziel wohl schon vor<br />

Jahren erreicht.“<br />

Konzept der neuen Fischaufstiegshilfe<br />

am Maschinenhaus<br />

des Kraftwerks Albbruck-Dogern.<br />

Das Konzept<br />

sieht eine Art Umgehungsgerinne<br />

vor. Der Einstieg<br />

in die Fischaufstiegshilfe<br />

soll ähnlich wie beim KW<br />

Iffezheim in den beruhigten<br />

Bereich über den Saugrohren<br />

der Turbinen im Unterwasser<br />

gebaut werden.<br />

Dr. Ueli Rippmann<br />

Büro für Gewässerökologie<br />

<strong>und</strong> Fischbiologie<br />

Bergstr.4b<br />

CH - 5644 Auw<br />

Tel. 056 668 07 80<br />

ueli.rippmann@swissonline.ch<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 13


Rheinaub<strong>und</strong><br />

„KWO Plus“ Grimsel –<br />

Mauererhöhung gegen Moorlandschaft<br />

Kürzlich führte die Jungfrau Zeitung eine LeserInnen-Umfrage durch:<br />

59% fanden, der Schutz der Grimsel-Landschaft sei vordringlich, 40%<br />

waren der Meinung, die Staumauererhöhung der KWO sei von nationaler<br />

Bedeutung. Obwohl dieses Ergebnis nicht repräsentativ ist, wagen<br />

wir die Folgerung, dass sich auch die Mehrheit des Volkes für die<br />

Landschaft von nationaler Bedeutung entscheiden würde. Nicht so die<br />

Behörden. Um was geht es im Kontext der politisch <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />

aktuellen Klima- <strong>und</strong> Energiedebatte? Die KWO stellen die Förderung<br />

der CO2-freien Wasserkraft in den Vordergr<strong>und</strong>, der Grimselverein <strong>und</strong><br />

die Umweltverbände den verfassungsmässig garantierten Schutz der<br />

einmaligen Gletscher- <strong>und</strong> Moorlandschaft.<br />

Jürg Bloesch<br />

Ein völlig normaler öffentlicher Disput, eine<br />

Interessenabwägung, die nach demokratischen<br />

Spielregeln ablaufen. Wer schliesslich<br />

Recht hat, werden die Gerichte entscheiden<br />

müssen. Wir haben schon im Heft<br />

2/2005 darüber berichtet <strong>und</strong> rufen hier<br />

die lange Leidensgeschichte in Erinnerung<br />

<strong>und</strong> beleuchten die Hintergründe der<br />

Schlagworte.<br />

Von „Grimsel West“ zu „KWO Plus“<br />

Begonnen hat alles im Jahre 1988. Damals<br />

gelangten die KWO mit dem gigantischen<br />

Pumpspeicherprojekt „Grimsel West“ an<br />

die Öffentlichkeit, mit dem Ziel, das Speicher<br />

volumen des in den 1930er Jahren gebauten<br />

Grimsel-Reservoirs mit einer 200<br />

Meter hohen Staumauer zu vervierfachen<br />

<strong>und</strong> die Stromproduktion wesentlich zu<br />

steigern. Damit wären Unteraargletscher<br />

<strong>und</strong> Arvenwald massiv eingestaut worden.<br />

Die Unverträglichkeit mit der Umwelt war so<br />

offensichtlich <strong>und</strong> der Widerstand so gross,<br />

dass die Kraftwerksbetreiber das Projekt sogar<br />

unter dem Beifall der Behörden 1999<br />

definitiv zurückzogen. Jetzt kam das re-<br />

duzierte Projekt „KWO Plus“ auf den Tisch,<br />

über das heute noch gestritten wird. Im<br />

März 2007 hat das Wasserwirtschaftsamt<br />

des Kantons Bern mit dem Segen des Berner<br />

Regierungsrates den Gesamtbauentscheid<br />

veröffentlicht <strong>und</strong> die Einsprachen der<br />

Umweltverbände abgewiesen, ohne sich<br />

damit wirklich auseinander zu setzen. Das<br />

Projekt wird in der Interessenabwägung als<br />

umweltverträglich bewertet <strong>und</strong> bewilligt.<br />

Die Umweltverbände haben die 30-tägige<br />

Frist genutzt <strong>und</strong> beim Verwaltungsgericht<br />

des Kt. Bern Beschwerde eingereicht.<br />

Auf der Umweltschutzseite blättern wir zurück<br />

ins Jahr 1987, als die Rothenthurm-<br />

Initiative vom Volk überraschend angenommen<br />

wurde. Damit hatte es Ja gesagt<br />

zu einem in der B<strong>und</strong>esverfassung verankerten<br />

umfassenden Schutz aller Moore<br />

in der Schweiz, nicht nur des Hochmoors<br />

von Rothenthurm. Das damalige BUWAL<br />

(heute BAFU) hatte die Aufgabe, in Zusammenarbeit<br />

mit den Kantonen die Perimeter<br />

der Moorlandschaften nach <strong>natur</strong>wissenschaftlichen<br />

Kriterien festzulegen <strong>und</strong> wenn<br />

möglich mit einer Pufferzone zu umgeben,<br />

welche den Schutz der Moore gegen die<br />

schädlichen Einflüsse intensiver <strong>mensch</strong>licher<br />

Aktivität unterstützen sollte. Eine<br />

äusserst schwierige <strong>und</strong> anspruchsvolle<br />

Seit 1988 müssen sich die<br />

Umweltverbände mit den<br />

Plänen der Kraftwerke<br />

Oberhasli auseinandersetzen.<br />

Foto: visipix.com / kwo<br />

Seite 14 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Arbeit, da die verschiedenen Interessen von<br />

Nutzung <strong>und</strong> Schutz aufeinander trafen. So<br />

ist es nicht erstaunlich, dass der Moorschutz<br />

nicht in allen Kantonen gleich gut <strong>und</strong> rasch<br />

umgesetzt wurde. Heute kann man sagen,<br />

dass das Ziel bezüglich Ausscheiden der<br />

Schutzzonen weitgehend erreicht ist, dass<br />

allerdings noch sehr viel in der aktuellen<br />

Umsetzung zu tun ist. Im Bezug auf die alpine<br />

Moorlandschaft Grimsel, die einen<br />

einzigartigen Arvenwald einschliesst, fand<br />

der B<strong>und</strong>esrat allerdings nicht den Mut,<br />

den Moorschutz konsequent anzuwenden.<br />

Nach allzu langem Zögern verschob er im<br />

Februar 2004 die Grenze des Schutzgebiets<br />

um 27 m nach oben <strong>und</strong> veränderte den<br />

Perimeter so, dass das durch den Aufstau des<br />

Reservoirs betroffene Gebiet gerade nicht<br />

mehr in der „offiziellen“ Moorlandschaft ist.<br />

Die Behörden haben nach rein politischen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen einen „Zonenplan“ erstellt <strong>und</strong><br />

damit nicht nur die Natur sondern auch die<br />

Verfassung übergangen.<br />

Durch den Aufstau um wei -<br />

tere 23 Meter gingen wertvolle,<br />

geschützte Landschaften<br />

an der Grimsel unwiderruflich<br />

verloren.<br />

Foto: visipix.com / kwo<br />

war nach aussen zwar jovial <strong>und</strong> offen,<br />

im Wesentlichen aber verwinkelt <strong>und</strong> unklar,<br />

weil die 2004 vorgesehenen fünf Ausbaustufen<br />

laufend durch eine „rollende“<br />

Planung verändert <strong>und</strong> ergänzt wurden. Dies<br />

liess den kritischen Umweltverbänden unter<br />

der Federführung von Pro Natura <strong>und</strong> WWF<br />

<strong>und</strong> der kräftigen Mitarbeit von Rheinaub<strong>und</strong>,<br />

Aqua Viva, Stiftung Landschaftsschutz<br />

Schweiz, Schweizerische Energie-Stiftung,<br />

Greenpeace <strong>und</strong> Schweizerische Greina-Stiftung<br />

keine Möglichkeit, sich bezüglich Umweltverträglichkeit<br />

an einem inte gra len Projekt<br />

zu orientieren. Auch der lokale „Grimselverein“<br />

hat einen schweren Stand, denn<br />

die KWO buhlen mit der Berner Kan tonsregierung<br />

um Arbeitsplätze <strong>und</strong> hebeln so<br />

den konsequenten Umweltschutz aus.<br />

Mauererhöhung <strong>und</strong> Moorschutz<br />

nicht verhandelbar<br />

Wenn die KWO den Umweltverbänden f<strong>und</strong>amentalistische<br />

Haltung vorwerfen, so ist<br />

dieser Vorwurf auch auf die KWO anwendbar.<br />

Das zentrale Streitobjekt ist der Umfang<br />

der Staumauererhöhung bzw. der Schutz<br />

der national einzigartigen Moorlandschaft.<br />

Es stellte sich nämlich nach einer langen<br />

Hinhaltetaktik der KWO heraus, dass die von<br />

ihnen vorgegebene Erhöhung der Staumauer<br />

um 23 Meter nicht verhandelbar sei, da nach<br />

ihrer Meinung die Investitionskosten <strong>und</strong><br />

die Wirtschaftlichkeit bei einer niedrigeren<br />

Staumauer nicht mehr gegeben sei. Damit<br />

waren die Umweltverbände, die eine geringere<br />

Erhöhung unter Umständen hätten<br />

akzeptieren können, gezwungen, auch den<br />

Perimeter der Moorlandschaft als nicht verhandelbar<br />

zu erklären, da er verfassungsmässig<br />

garantiert ist.<br />

Die fünf Kernanliegen<br />

der Umweltverbände<br />

Am 12. März 2007 haben die Umweltorganisationen<br />

mit einer Medieninformation ihren<br />

Standpunkt nochmals klar gemacht.<br />

Wir kämpfen als Anwälte der Natur für<br />

eine intakte Alpenwelt <strong>und</strong> den bestmöglichen<br />

Schutz eines BLN-Gebietes. Es<br />

geht also im Wesentlichen um das Mass<br />

des Kraftwerkausbaus, <strong>und</strong> darum, welche<br />

öffentlichen Interessen stärker gewichtet<br />

werden sollen: Etwas mehr Stromproduktion<br />

oder eine ungeschmälerte Moorland<br />

schaft. Nicht unwesentlich sind dabei die<br />

der Interessenabwägung zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />

Berichte <strong>und</strong> die Wahl des Verfahrens.<br />

Kein Kompromiss möglich<br />

Mit dem Projekt „KWO Plus“ wollen die Kraftwerksbetreiber<br />

gemäss eigenen Abgaben „einen<br />

Teil ihrer Anlagen sanieren <strong>und</strong> aufwerten,<br />

das vorhandene Potenzial an Wasserkraft<br />

besser nutzen <strong>und</strong> die Kraftwerksleistung er -<br />

höhen“. Leider war in all den Jahren der<br />

heissen <strong>und</strong> zähen Diskussionen kein annehmbarer<br />

Kompromiss möglich. Die Fron -<br />

ten erstarrten mehr <strong>und</strong> mehr im gegenseitigen<br />

Misstrauen. Die Strategie der KWO<br />

Der Ausbau der regenerativen<br />

Energie ist wichtig,<br />

aber dürfen wir dafür auch<br />

geschützte Landschaften<br />

von nationaler Bedeutung<br />

opfern?<br />

Foto: visipix.com / kwo<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 15


Rheinaub<strong>und</strong><br />

Die „Rechtsgruppe Grimselschutz“, in der die<br />

Umweltschutzorganisationen vereint sind,<br />

hat ihre ökologischen Anliegen auf fünf<br />

Punkte konzentriert, um dieses immer noch<br />

überrissene, energiepolitisch unnötige wie<br />

ökonomisch fragwürdige (wenn auch im<br />

Moment lukrative) Projekt zu bekämpfen:<br />

(1) „Salamitaktik“ statt sauberes Konzessionsverfahren.<br />

Die Direktion der KWO hat<br />

sich für eine „rollende“ Planung des<br />

Kraftwerkausbaus entschieden. Zur Zeit<br />

sind sieben Teilprojekte bekannt, von denen<br />

einige unbestritten, andere jedoch kaum<br />

umweltverträglich sind. So werden laufend<br />

neue Projektstufen an den bestehenden<br />

Plan angefügt. Das mag vom Technischen<br />

her angebracht sein, bezüglich der<br />

Abschätzungen der Umweltauswirkungen<br />

des ganzen Projekts ist dieses Vorgehen aber<br />

nicht haltbar. Wie können die Eingriffe der<br />

Neuanlagen auf die Umwelt umfassend beurteilt<br />

werden, wenn sich das Gesamtprojekt<br />

dauernd ändert bzw. Teilprojekte bewilligt<br />

werden? Auch haben sich die Behörden<br />

für ein Baubewilligungsverfahren entschieden,<br />

obwohl das kantonale Wassernutzungsgesetz<br />

unmissverständlich festhält,<br />

dass eine Erhöhung des nutzbaren<br />

Gefälles zwingend im Konzessionsverfahren<br />

behandelt werden muss. Damit wird das<br />

Gewässerschutzgesetz unterlaufen, denn<br />

mit der alten Konzession brauchen sich die<br />

KWO bis zu deren Ablauf im Jahre 2042 weder<br />

um Restwassermengen noch um ungedämpfte<br />

Schwallspitzen zu kümmern. Sie<br />

können sich mit einer milden Sanierung<br />

begnügen, die nicht den ökologischen<br />

Auflagen einer Neukonzession entspricht,<br />

die sich am neuen Gewässerschutzgesetz<br />

(1992) orientieren.<br />

(2) Moorschutz, unser wichtigstes Argument:<br />

Unzulässige Naturzerstörungen in einer<br />

Landschaft von nationaler Bedeutung.<br />

Wir bewerten die über 500 Jahre alten<br />

Arven in der „Sunnig Aar“, die betroffene<br />

alpine Moorlandschaft <strong>und</strong> das einzigartige<br />

Gletschervorfeld als Naturwerte, deren<br />

Zerstörung einen nicht wieder gut<br />

zu machenden Schaden darstellen würde.<br />

Die von den KWO vorgeschlagenen<br />

Ersatzmassnahmen können auch nach<br />

Ansicht der ENHK <strong>und</strong> der Fachstellen die<br />

Verluste an Natur- <strong>und</strong> Landschaftswerten<br />

nicht genügend ersetzen. Dabei spielt es<br />

keine Rolle, ob diese Naturkleinode am Rand<br />

des BLN-Gebiets sind oder nicht. Gerade die<br />

Randgebiete von Schutzzonen sind immer<br />

akut gefährdet, weil sich die <strong>mensch</strong>lichen<br />

Aktivitäten Schnitz um Schnitz davon abschneiden,<br />

bis nichts Schützenswertes mehr<br />

übrig bleibt. Es geht um eine einzigartige<br />

Landschaft <strong>und</strong> damit auch um Ästhetik,<br />

Ethik <strong>und</strong> echte Nachhaltigkeit. Diese wahren<br />

Werte stehen mit einem kurzfristigen<br />

Gewinn in Konkurrenz. Es geht also um<br />

weit mehr als die ökologische Funktion von<br />

Pionier-Pflanzengesellschaften. Es geht um<br />

ein Stück Heimat, die durch die knorrigen<br />

uralten Arven an der „Sunnig Aar“ hervorragend<br />

dargestellt wird.<br />

(3) Vergrösserung des Grimselsees hat keine<br />

nationale Bedeutung für die Stromversorgung.<br />

Wie schon oben angedeutet, gewichten<br />

wir den Eingriff in die Landschaft<br />

von nationaler Bedeutung anders als<br />

die KWO <strong>und</strong> die Behörden. Zwar sind<br />

Eingriffe in solche Gebiete gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

möglich, wenn ein wichtiges nationales<br />

Interesse damit wahrgenommen werden<br />

soll. In unserer Einsprache zeigen wir auf,<br />

dass der geplante, bescheidene Ausbau<br />

eines Wasserkraftwerks keine nationale<br />

Bedeutung für die Stromversorgung hat. Bei<br />

genauerer Betrachtung erweisen sich die<br />

Argumente der Kraftwerkslobby als nicht zutreffend.<br />

Die Erhöhung der Staumauer ist eine<br />

rein betriebswirtschaftliche Optimierung<br />

im Rahmen des europäischen Stromhandels.<br />

Die Produktionserhöhung von 5–7 GWh<br />

(0.01% der inländischen Stromproduktion)<br />

durch die Staumauererhöhung allein ist<br />

kein wesentlicher Beitrag zur Deckung des<br />

nationalen Stromverbrauchs. Der Rest der<br />

ausgewiesenen 20 GWh Mehrproduktion<br />

kann auch ohne Staumauererhöhung durch<br />

technische Optimierungen erbracht werden.<br />

Die geplante Produktionsverlagerung<br />

von Spitzenstrom ins Winterhalbjahr ist<br />

nicht sinnvoll, weil dann eher Bandenergie<br />

gefragt ist. Mehr Regelenergie für die<br />

Die Salamitaktik der Kraftwerke<br />

Oberhasli (im Bild die<br />

Zentrale Innertkirchen) bereitet<br />

den Umweltverbän den<br />

massive Probleme.<br />

Foto: visipix.com / kwo<br />

Seite 16 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Netzsicherheit, wie von den KWO verlangt,<br />

braucht es gar nicht, denn die vorhandenen<br />

Kapazitäten genügen vollauf. Der vergrösserte<br />

Grimselsee bietet mehr Möglichkeiten<br />

zum Pumpen <strong>und</strong> Wiederturbinieren.<br />

Der Pumpspeicherbetrieb würde 10–20<br />

mal mehr Strom vernichten als zusätzlich<br />

produzierte erneuerbare Energie.<br />

Zudem werden netto CO2-Treibhausgase<br />

produziert (r<strong>und</strong> 530 g CO2 pro kWh),<br />

weil zur Betreibung der Pumpen fossile<br />

Energie aus dem Euromix benötigt<br />

wird. Von „ökologischer Stromproduktion“<br />

oder Klimaschutzmassnahme kann also<br />

keine Rede sein. Schliesslich hat der<br />

Pumpspeicherbetrieb auch verheerende<br />

Folgen für das hydrologische Regime <strong>und</strong><br />

die aquatische Fauna.<br />

(4) „KWO Plus“-Projekte verschärfen Gewässerschutzprobleme.<br />

Nebst der ungenügenden<br />

Restwassermenge in den gefassten Bächen<br />

(nach heute gültiger Kon zession)<br />

<strong>und</strong> dem Moorschutz am Grimselsee gibt<br />

es noch weitere äusserst gravierende<br />

Umweltschutzprobleme. Die Auswirkungen<br />

des Sunk-Schwall Betriebs sind hinlänglich<br />

bekannt: die zeitlich rasanten Abfluss<strong>und</strong><br />

Pegeländerungen im Rhythmus<br />

des Turbinierens gefährden die Fische<br />

<strong>und</strong> Kleinlebewesen massiv. Entgegen<br />

den Behauptungen der KWO sind die<br />

Pegelamplituden enorm. Am 9. Januar<br />

2006 wurde in der Aare bei Brienzwiler<br />

ein Pegelanstieg von 74 cm in 10 Minuten<br />

gemessen. Am 10. Januar 2006 stieg der<br />

Abfluss von 3 m 3 /s um 6 Uhr auf 54 m 3 /s<br />

um 9 Uhr, was einen Schwallfaktor von 18:1<br />

ergibt. Dieser Faktor würde durch die angekündigte<br />

sechste Turbine im Kraftwerk<br />

Innertkirchen 1 noch wesentlich erhöht. In<br />

Österreich werden Faktoren von 3–5 als ökologisch<br />

vertretbar angesehen. Wieso soll dieser<br />

Standard nicht auch in der Schweiz gelten?<br />

Zwar planen die KWO, dieses Problem<br />

mit Hilfe eines Ausgleichsbeckens zu mildern.<br />

Eine gute Absicht, aber leider schlecht<br />

umgesetzt, denn die Kapazität des geplanten<br />

Beckens ist viel zu klein. Der Sunk-<br />

Schwall Effekt in der Aare muss zum Schutz<br />

der aquatischen Fauna vermindert werden.<br />

Auch das Vorfeld des<br />

Ober aar gletschers wäre<br />

vom Höherstau des<br />

Grimselsees betroffen.<br />

Foto: visipix.com / kwo<br />

Ein zweites, nicht minder brisantes Thema ist<br />

die Trübung des Brienzersees <strong>und</strong> der damit<br />

möglicherweise verb<strong>und</strong>ene Fisch rückgang.<br />

Selbst eine wissenschaftliche Studie konnte<br />

den Beweis nicht einwandfrei erbringen, dass<br />

der Trübung keine ökologische Bedeutung<br />

zukomme. Zwar wird die Wintertrübung vom<br />

Kraftwerksbetrieb unzweifelhaft erhöht, indem<br />

statt wie früher 3’000 Tonnen jetzt jeden<br />

Winter 14’000 Tonnen Schwebstoffe eingetragen<br />

werden. Deren Bedeutung wird aber<br />

von den KWO heruntergespielt, während die<br />

Auswirkungen auf die Frühjahrsproduktion<br />

der Algen wohl unterschätzt wurden. Da<br />

der nährstoffarme Brienzersee sowieso nur<br />

geringe Algenbiomassen erzeugen kann,<br />

werden diese noch zusätzlich verringert,<br />

indem die Frühjahrsproduktion wegen<br />

Lichtmangels geschmälert wird. Darunter leiden<br />

dann das Zooplankton <strong>und</strong> die Felchen<br />

am Ende dieser Nahrungskette: sie haben<br />

nichts zu fressen, wachsen langsamer, <strong>und</strong><br />

die Populationsdichte bzw. der Fischbestand<br />

nimmt ab.<br />

(5) Energie- <strong>und</strong> regionalwirtschaftliche Alternativen.<br />

Der Wert der Wasserkraft als alte<br />

erneuerbare Energiequelle ist uns selbstverständlich<br />

bewusst. Es gibt jedoch auch<br />

Grenzen der Nutzung. Wenn die Politiker<br />

<strong>und</strong> Kraftwerksbetreiber den Vorzug der<br />

CO2-freien Stromproduktion hervorheben<br />

(der bei Pumpspeicherung allerdings<br />

ins Gegenteil kehrt), muss man gleichzeitig<br />

auch den gesellschaftlichen Wert der<br />

aquatischen Ökosysteme im Auge behalten.<br />

Die Energiedebatte muss im Sinne der<br />

Ökonomie <strong>und</strong> Nachhaltigkeit auch dezentrale<br />

Energieformen berücksichtigen,<br />

nebst dem sehr beträchtlichen technischen<br />

Sparpotential, das es auszuschöpfen gilt. Die<br />

Umweltorganisationen empfehlen deshalb<br />

das Know-how der KWO mit einem zu gründenden<br />

Kompetenzzentrum für dezentrale<br />

Energieerzeugung zu nutzen. So würde<br />

zum Beispiel der Ersatz von unsinnigen in<br />

den 1970er Jahren noch geförderten Elektro<br />

heizungen <strong>und</strong> Ölheizungen durch Wärme<br />

kraftkopplungsanlagen in den Häusern<br />

eine viel effektivere Wärmenutzung <strong>und</strong><br />

Stromeinsparungen ermöglichen. Die von<br />

allen propagierte Förderung von Arbeitsplätzen<br />

liesse sich auch so erreichen.<br />

Zusammenfassend halte ich fest, dass die<br />

Umweltverbände die von den Behörden vorgenommene<br />

Interessenabwägung zugunsten<br />

des Kraftwerkausbaus <strong>und</strong> gegen das<br />

BLN-Gebiet nicht akzeptieren <strong>und</strong> dies auch<br />

begründen können. Für den Rheinaub<strong>und</strong><br />

heisst das, dass wir uns auch in diesem Fall<br />

engagiert <strong>und</strong> sachlich f<strong>und</strong>iert für den<br />

Gewässerschutz <strong>und</strong> den Landschaftsschutz<br />

als Anwalt der Natur im nationalen Interesse<br />

einsetzen.<br />

(Weitere Informationen unter<br />

www.wwf-be.ch <strong>und</strong> www.pro<strong>natur</strong>a.ch/be)<br />

Jürg Bloesch<br />

Dr. sc. nat. ETH Limnologe<br />

Kopräsident Rheinaub<strong>und</strong><br />

Stauffacherstrasse 159<br />

8004 Zürich<br />

Tel. 044/241 11 19<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 17


Rheinaub<strong>und</strong><br />

Auch die kleinen Fliessgewässer benötigen<br />

Aufmerksamkeit<br />

Den letzten grossen Flusslandschaften der Schweiz wurde in den vergangenen<br />

Jahren mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Auenschutz- <strong>und</strong> Revitalisierungsprojekte<br />

wurden zur Rettung der letzten übrig gebliebenen Reste ehemals grossflächiger<br />

Auenlandschaften umgesetzt <strong>und</strong> ihre verloren gegangene Dynamik wieder angekurbelt,<br />

doch auch die kleinen Fliessgewässer benötigen Aufmerksamkeit. Lukas Boller<br />

Aufweitungen entlang der Thur, der Birs<br />

oder verschiedene Revitalisierungsmassnahmen<br />

im Rahmen des Auenschutzparkes<br />

Aargau an Aare, Reuss <strong>und</strong> Limmat sind<br />

erfolgreiche Beispiele von Massnahmen<br />

zum Schutz der Fliessgewässer. Ebenso<br />

stehen diese Beispiele auch für einen<br />

Paradigmenwechsel in der Gewässerpolitik.<br />

Ein Umdenken ist seit Jahren im Gange, weg<br />

von harten Regulierungen <strong>und</strong> schnellem<br />

Ableiten in engen Trapezprofilen, hin zu<br />

einem <strong>natur</strong>nahen Wasserbau mit mehr<br />

Platz für Fliessgewässer <strong>und</strong> ihre angrenzenden<br />

Überflutungsflächen.<br />

Bei den erwähnten Unterfangen war die<br />

treibende Kraft ein wachsendes Bewusstsein<br />

für eine nachhaltige Kombination von<br />

Hochwasserschutz <strong>und</strong> Naturschutz.<br />

Kleine Fliessgewässer<br />

bleiben unbeachtet<br />

Neben diesen wichtigen Gewässerschutzmass<br />

nahmen wird das fein verästelte<br />

Fliessgewässernetz von Bächen bis<br />

zwei Meter Breite jedoch meist vergessen.<br />

Ihre Bedeutung wird oftmals unterschätzt<br />

<strong>und</strong> übersehen. R<strong>und</strong> 80 Prozent<br />

aller Fliesskilometer in der Schweiz fallen<br />

in die Kategorie der kleinen Fliessgewässer.<br />

Im allgemeinen befinden sie sich aber in<br />

einem ökologisch stark beeinträchtigten<br />

Zustand oder sind gar eingedolt. Doch gerade<br />

diese vielmals unscheinbaren Bächlein<br />

sind die Antriebskraft der grösseren<br />

Bäche <strong>und</strong> Flüsse, sie führen Wasser <strong>und</strong><br />

Geschiebe zum Fluss, bieten Lebensräume,<br />

Refugien <strong>und</strong> Laichgründe für viele Gewässerbewohner<br />

<strong>und</strong> sind nicht zuletzt als<br />

Vernetzungselemente in der Landschaft von<br />

entscheidender Bedeutung. Der <strong>mensch</strong>liche<br />

Organismus würde auch nur schlecht funktionieren,<br />

wären nur die Hauptschlagadern<br />

einigermassen in Ordnung, die feinen<br />

Blutgefässe zur Versorgung der Organe <strong>und</strong><br />

der Extremitäten aber mehrheitlich verstopft<br />

<strong>und</strong> vom Kreislauf entkoppelt.<br />

Trotz des seit 1994 geltenden Gewässerschutz<br />

gesetzes (GSchG) wurde bisher von<br />

Seiten der kantonalen Behörden zu wenig<br />

unternommen, um diesem Manko wesentlich<br />

entgegen zu wirken <strong>und</strong> den Rückbau<br />

der kleinen Fliessgewässer entscheidend<br />

voranzutreiben. Aus diesem Gr<strong>und</strong> entschloss<br />

sich der Rheinaub<strong>und</strong> schon vor<br />

r<strong>und</strong> sieben Jahren, selbst aktiv zu werden<br />

<strong>und</strong> Projekte an kleinen Fliessgewässern genauer<br />

unter die Lupe zu nehmen.<br />

Die kleinen Fliessgewässer<br />

machen 80 Prozent<br />

aller Fliesskilometer in<br />

der Schweiz aus.<br />

Foto: L. Boller<br />

Im Rahmen des generellen Entwässerungsplanes<br />

(GEP) <strong>und</strong> im Zusammenhang mit<br />

Bauprojekten führen viele Gemeinden<br />

Projekte im Bereich Gewässerschutz durch<br />

wie z. B. Öffnen von verrohrten Bachläufen,<br />

Bachrevitalisierungen usw. Der Rückbau<br />

der Fliessgewässer stellt nicht nur die ökologische<br />

Funktion dieser Systeme wieder<br />

her, sondern ist auch aus Sicht des<br />

Hochwasserschutzes von elementarer Be -<br />

deutung, wie dies die letzten grossen<br />

Überschwemmungen gezeigt haben. Die<br />

projektierenden Ingenieure verfügen oftmals<br />

nicht über genügend biologische<br />

Kenntnisse, sodass die Ökologie ges<strong>und</strong>er<br />

Gewässer viel zu wenig berücksichtigt<br />

wird. Viele Gr<strong>und</strong>eigentümer bekämpfen<br />

zudem aus Eigeninteresse die<br />

Umsetzung von Revitalisierungsprojekten<br />

<strong>und</strong> erschweren damit die Umsetzung des<br />

Gewässerschutzgesetzes.<br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

unterstützt Behörden<br />

Mit seinem breiten Fachwissen unterstützt<br />

der Rheinaub<strong>und</strong> die Fachbehörden<br />

in den Gemeinden <strong>und</strong> die zuständigen<br />

Ingenieurbüros bei der Durchführung der<br />

vielfältigen Aufgaben im Bereich Gewässerrückbau.<br />

Im Rahmen des Projektes<br />

„Kleine Gewässersanierungen“ versucht der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> das ökologische Potenzial dieser<br />

Projekte voll auszuschöpfen, damit dem<br />

Schutz der Gewässer mitsamt ihrer vielfältigen<br />

Funktionen genügend Rechnung getragen<br />

wird. Im Zentrum der Bemühungen<br />

stehen die Wiederherstellung des Längskontinuums<br />

für die freie Wanderung von<br />

aquatischen Organismen, die Strukturverbesserung<br />

im Gewässer <strong>und</strong> die Aufwertung<br />

der angrenzenden Uferpartien.<br />

Seite 18 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


sen, bereits fertige Projekte anzupassen.<br />

Würde der Rheinaub<strong>und</strong> frühzeitig in die<br />

Projektierung mit einbezogen, brächte dies<br />

auch Vorteile für die jeweilige Gemeinde<br />

mit sich, sie kann von einer erhöhten<br />

Lebens- <strong>und</strong> Wohnqualität profitieren <strong>und</strong><br />

von einem reduzierten Einspracherisiko.<br />

Einige Gemeinden, z.B. Wald, Wädenswil,<br />

Horgen oder Lufingen sind an einer<br />

Zusammenarbeit mit dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

bei zukünftigen Gewässerprojekten interessiert;<br />

dies stimmt zuversichtlich. Wir werden<br />

auch weiterhin den kleinen Fliessgewässer<br />

zu einer grösseren Aufmerksamkeit verhelfen<br />

<strong>und</strong> aktiv versuchen ihren ökologischen<br />

Zustand zu verbessern.<br />

Kleine Fliessgewässer sind<br />

für Ökologie <strong>und</strong> Vernetzung<br />

von grosser Bedeutung.<br />

Foto: G. Frauenlob<br />

Verschiedene Projekte im Kanton Zürich<br />

konnten durch unser Zutun im Verlaufe des<br />

letzten Jahres optimiert werden:<br />

• die Verbesserung der gewässermorphologischen<br />

Verhältnisse im Altrhein<br />

• Für den Maneggbach in Zürich-Leimbach<br />

konnte eine fischgängige Anschliessung<br />

an die Sihl gef<strong>und</strong>en werden.<br />

• Unsere Empfehlungen zur Ausgestaltung<br />

von Schwellen <strong>und</strong> Querverbauungen<br />

am Lochbach in Wald <strong>und</strong> am Müslibach<br />

in Wädenswil ermöglichten eine ökologische<br />

Optimierung dieser Projekte.<br />

• In Zusammenarbeit mit dem projektierenden<br />

Ingenieurbüro konnten Verbesserungen<br />

in der Sohlgestaltung <strong>und</strong> der<br />

Uferbestockung am Riedgraben <strong>und</strong> am<br />

ausgedolten Kanal Andreasstrasse in<br />

Zürich angeregt werden.<br />

• Eine ökologische Baubegleitung am Mülibach<br />

in der Gemeinde Winkel ermöglichte,<br />

dessen partielle Ausdolung nach<br />

ökologischen Gesichtspunkten zu verbessern.<br />

• Die nächste anstehende Revitalisierungsetappe<br />

an der Reppisch beinhaltet u.a.<br />

einen 500 m langen Revitalisierungsabschnitt,<br />

die Aufhebung zweier hoher<br />

künstlicher Abstürze <strong>und</strong> einen rauen<br />

Beckenpass zur Umgehung eines Wehres.<br />

Durch unsere Auseinandersetzung mit<br />

dem Projekt liess sich der Beckenpass<br />

nach neuesten Literaturkenntnissen optimieren.<br />

Im Hinblick auf die in der Reppisch<br />

vorkommenden <strong>und</strong> vom Aussterben bedrohten<br />

Bachneunaugen ist das uneingeschränkte<br />

Längskontinuum von entscheidender<br />

Bedeutung zum Schutz <strong>und</strong> zur<br />

Förderung dieser Art.<br />

• Im Falle des Aarbaches in Herrliberg<br />

wurde ein Rekurs gegen den behördlichen<br />

Entscheid der Wiedereindolung<br />

eingereicht. Der Rheinaub<strong>und</strong> vertritt<br />

die Meinung, dass eine Ausdolung <strong>und</strong><br />

Revitalisierung in diesem Fall gesetzlich<br />

zwingend ist, zumal eine Studie des<br />

Ingenieurbüros Schälchli, Abegg + Hunziger<br />

den Beweis einer offenen Bachlaufführung<br />

erbracht hat. Eine Antwort<br />

des Regierungsrates steht noch aus.<br />

In vielen anderen Fällen waren die Sachzwänge<br />

leider unumgänglich <strong>und</strong> Verbesserungsmöglichkeiten<br />

für die Ökologie nur<br />

marginal.<br />

Frühe Information wichtig<br />

Eine wesentliche Schwierigkeit, mit der wir<br />

häufig konfrontiert sind, ist der Umstand,<br />

dass wir immer erst sehr spät auf ein Projekt<br />

aufmerksam werden <strong>und</strong> versuchen müs-<br />

Das Beispiel Maneggbach<br />

zeigt, dass auch bei begrenzten<br />

Raumangebot ökologische<br />

Verbesserungsmöglichkeiten<br />

gegeben sind.<br />

Foto: L. Boller<br />

Wenn Sie Kenntnis von einem Projekt in<br />

ihrer Gemeinde haben oder falls Sie eine<br />

Möglichkeit sehen, einen Bach in Ihrer Nähe<br />

zu re<strong>natur</strong>ieren, nehmen Sie doch Kontakt<br />

mit uns auf. Wir werden Ihnen <strong>und</strong> Ihrer<br />

Gemeinde gerne helfen, ein ökologisch optimiertes<br />

Projekt umzusetzen <strong>und</strong> ein Stück<br />

Natur zurückzugewinnen.<br />

Lukas Boller<br />

Bachstrasse 24<br />

8200 Schaffhausen<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 19


Rheinaub<strong>und</strong><br />

VivaRiva – Wasser macht Schule<br />

VivaRiva zieht Bilanz: das erste Jahr war geprägt von Programmgestaltung<br />

<strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit, vom Nervenkitzel der Suche nach<br />

Spendern <strong>und</strong> Sponsoren, von motivierender Zusammenarbeit mit diversen<br />

Akteuren aus Bildung <strong>und</strong> Umweltschutz <strong>und</strong> von leuchtenden<br />

Kinderaugen an erfolgreichen Bacherlebnistagen.<br />

Kathrin Jaag<br />

Entzücken <strong>und</strong> Entsetzen, Ekel <strong>und</strong> Freude<br />

spiegeln sich im Gesicht der 2. Klässlerin. In<br />

Gummistiefeln steht sie im Dorfbach, den<br />

Kescher fest in der Hand, darin bewegt sich<br />

offensichtlich was. Was Kleines. Vorsichtig<br />

guckt sie über den Netzrand. „Ich hab was,<br />

ich hab was gefangen!“ Nun ist es definitiv<br />

Stolz, der mitschwingt in der Stimme. „Und<br />

wenn es mich beisst?“ Es braucht keine<br />

grosse Überzeugungsarbeit <strong>und</strong> vorsichtig<br />

gibt die kleine Forscherin ihren Fang in den<br />

bereitgestellten Plastikteller. Zu zweit <strong>und</strong><br />

mit Lupe wird das Tier nun genauer betrachtet<br />

<strong>und</strong> nach Konsultation der Tierbilder ist<br />

klar: eine Steinfliegenlarve.<br />

Einen Tag lang haben die Schulkinder<br />

aus Wolfikon TG ihren Dorfbach unter die<br />

Lupe genommen. Fliessgeschwindigkeiten<br />

<strong>und</strong> Strömungsmuster wurden protokolliert,<br />

Uferlinie <strong>und</strong> Bachsohle untersucht,<br />

Bachlebewesen <strong>und</strong> -begleitflora erforscht<br />

<strong>und</strong> der Bach bewertet. Sie haben<br />

Dank VivaRiva erleben die<br />

Kinder ihren Bach mit ganz<br />

neuen Augen.<br />

Foto: K. Jaag<br />

Insektenlarven gefangen <strong>und</strong> bestimmt,<br />

Geräuschelandkarten erstellt, Erlen <strong>und</strong><br />

Pfaffenhütchen kennengelernt <strong>und</strong> sogar<br />

Krebse entdeckt.<br />

Eine typische VivaRiva-Szene, wie sie sich<br />

an irgendeinem VivaRiva-Bachtag abspielen<br />

könnte. An wechselnden Orten mit ändernden<br />

Protagonisten aber immer ähnlichem<br />

Inhalt. Eines bleibt: Kinder <strong>und</strong> Jugend<br />

liche erforschen den Bach, entdecken<br />

Tiere <strong>und</strong> Pflanzen, die sie zum Teil noch nie<br />

wahrgenommen haben <strong>und</strong> sind fasziniert<br />

<strong>und</strong> begeistert von ihren Entdeckungen. Die<br />

Faszination <strong>und</strong> Begeisterung sollen Keimbeet<br />

sein für eine emotionale Bindung an den<br />

Lebensraum Fliessgewässer. Eine Bindung, die<br />

im Optimalfall zu einem persönlichen Einsatz<br />

<strong>und</strong> zur Übernahme von Verantwortung für<br />

die Fliessgewässer führen kann.<br />

Ein Blick zurück:<br />

Erste Hürde geschafft<br />

Hehre Ziele <strong>und</strong> gute Ideen; dennoch hat<br />

die Weiterführung von VivaRiva gegen Ende<br />

des Jahres 2006 auf der Kippe gestanden.<br />

Die Gr<strong>und</strong>finanzierung des Projekts hat lange<br />

Zeit Kopfzerbrechen bereitet. Dutzende<br />

von Unterstützungsanträgen an Firmen <strong>und</strong><br />

Stiftungen wurden gestellt. Absagen trudelten<br />

ein: „Ihr Projekt tönt sehr spannend, aber<br />

leider ist es uns in Anbetracht der momentanen<br />

Geschäftssituation nicht möglich…“ ;<br />

„VivaRiva scheint uns durchaus unterstützenswert,<br />

doch leider entspricht das Projekt<br />

nicht genau unserem Stiftungszweck...“ Die<br />

anfängliche Gelassenheit ging in Frustration<br />

über <strong>und</strong> irgendwann im Spätherbst war eine<br />

gewisse Nervosität nicht mehr zu überspielen.<br />

Zumal die vereinzelten Zusagen auf<br />

einem Nachweis der Gesamtfinanzierbarkeit<br />

basierten. Der einzige, der hoffnungsvoller<br />

Optimist war <strong>und</strong> immer ans Projekt <strong>und</strong> seine<br />

Finanzierungsmöglichkeit geglaubt hat, ist<br />

der Geschäftsführer Ruedi Schneider. Und er<br />

hat Recht bekommen! Mitte Dezember kam<br />

die erlösende Nachricht: „Gesamtfinanzierung<br />

VivaRiva gesichert“! Die Folge: Ein<br />

grosses Aufatmen, knallende Korken (zumindest<br />

mental) <strong>und</strong> neuer Schub.<br />

Das Angebot<br />

Nun konnte VivaRiva wieder voll durchstarten.<br />

Das Angebot wurde überarbeitet, die<br />

Unterlagen erweitert <strong>und</strong> ergänzt. Was bietet<br />

VivaRiva denn genau?<br />

Momentan besteht die Wahl zwischen zwei<br />

Modulen:<br />

Modul 1, der Klassenbachtag <strong>und</strong><br />

Modul 2, die Lehrerweiterbildung.<br />

Seite 20 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Modul 1: Der Klassenbachtag<br />

Bei Modul 1 wird in verschiedenen Forschungsteams<br />

der Lebensraum Bach unter -<br />

sucht. Die Gruppenchefin unterbreitet<br />

Vorschläge <strong>und</strong> delegiert, der Materialverantwortliche<br />

verteilt Lupen <strong>und</strong> Kescher,<br />

die Forschungscrew steigt in die Stiefel <strong>und</strong><br />

den Bach <strong>und</strong> nimmt Köcherfliegenlarven<br />

<strong>und</strong> Strudelwürmer unter die Lupe, während<br />

die Aussen ministerin für die Kommunikation<br />

Folgenden Stiftungen, Ämter <strong>und</strong><br />

Firmen sei an dieser Stelle nochmals<br />

herzlich gedankt für Ihre zum Teil<br />

sehr grosszügige Unterstützung:<br />

• Vontobel Stiftung<br />

• Cilag AG<br />

• Paul Schiller Stiftung<br />

• Georg Fischer AG<br />

• Stiftung Werner Amsler<br />

• Emch + Berger AG<br />

• Stiftung Mercator Schweiz<br />

• Zurich Versicherungen<br />

• Anna Maria <strong>und</strong> Karl Kramer-Stiftung<br />

• CleanSolution Ökofonds<br />

• The Ramsay Fo<strong>und</strong>ation<br />

• Städt. Werke Schaffhausen <strong>und</strong><br />

Neuhausen am Rheinfall<br />

• Stiftung Umweltbildung Schweiz SUB<br />

• Ernst Basler + Partner AG<br />

• Lotteriefonds Thurgau<br />

• Canon Schweiz AG<br />

• B<strong>und</strong>esamt für Umwelt<br />

• Amt für Umwelt Thurgau<br />

zwischen den Gruppen <strong>und</strong> die optimale<br />

Nutzung von Synergien sorgt. Durch spielerisches<br />

Erforschen des Lebensraums Bach<br />

erfahren die Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen einen<br />

positiven emotionalen Zugang zu „ihrem“<br />

Dorfbach. Sie lernen ein fragiles <strong>und</strong> wertvolles<br />

Ökosystem schätzen <strong>und</strong> schützen.<br />

Was sagt das Vorhandensein von Steinfliegenlarven<br />

im Bach über die Wasserqualität<br />

aus? Wie steht die Uferlinienlänge mit der<br />

Natürlichkeit eines Fliessgewässers in Beziehung<br />

<strong>und</strong> wie stehen Ökologie <strong>und</strong> Hochwasserschutz<br />

zueinander? Eine Fachperson<br />

begleitet die Klasse während einem Tag am<br />

Wasser <strong>und</strong> übernimmt die Organisation des<br />

Tages. Stufengerechte Fragestellungen werden<br />

gemeinsam bearbeitet. Ob Nahrungs-<br />

Stafetten mit Kinder gärtnern oder Überlegungen<br />

zu Strömungsanpassungen <strong>und</strong><br />

pH-Untersu chungen mit Oberstufenschülern:<br />

der Bach bietet spannenden Stoff für<br />

alle. Wenn im Nachhinein Fragen auftauchen,<br />

stehen verschiedene Experten zur<br />

Verfügung. Das Programm kann indivi -<br />

duell auf die Schwerpunkte der Schulen<br />

angepasst <strong>und</strong> nach Bedarf auch auf mehrtägige<br />

Projekte ausgeweitet werden.<br />

Modul 2: Die Lehrerweiterbildung<br />

In Modul 2 bleibt das Thema dasselbe, doch<br />

richtet es sich an die Lehrkräfte. Es eignet<br />

sich besonders da, wo sich gerade mehrere<br />

Lehrpersonen (ev. aus aktuellem Anlass<br />

einer Dorfbachsanierung) für das Thema<br />

interessieren. In einem eintägigen Workshop<br />

werden die LehrerInnen befähigt, selbständig<br />

Gewässergüteuntersuchungen mit ihren<br />

Schulklassen durchzuführen. Sie lernen die<br />

wichtigsten Tiere <strong>und</strong> Pflanzen im <strong>und</strong> am<br />

Bach kennen <strong>und</strong> erhalten eine Übersicht<br />

über hilfreiche unterstützende Lehrmittel<br />

sowie Zugang zu einem Experten-Kontaktnetz,<br />

welches bei der Klärung weiterer Fragen<br />

jederzeit benutzt werden kann. Ausser -<br />

dem werden verschiedene Sozialkompetenzen<br />

thematisiert <strong>und</strong> besprochen <strong>und</strong><br />

eine Diskussion angeregt, die im Lehrer- <strong>und</strong><br />

Klassenzimmer weitergeführt werden soll.<br />

Auch hier kann natürlich individuell auf die<br />

lokalen Bedürfnisse eingegangen werden<br />

<strong>und</strong> das Programm auf die Schwerpunkte der<br />

Schulen angepasst werden.<br />

Umweltbildung<br />

<strong>und</strong> Sozialkompetenzen<br />

Sozialkompetenzen sind gefragt; je länger<br />

je mehr. Von den Lehrpersonen wird erwartet,<br />

dass sie diese in den Unterricht integrieren;<br />

immer mehr Themen sollen in<br />

immer weniger Schulst<strong>und</strong>en vermittelt<br />

werden. Ein Bacherlebnistag eignet sich<br />

hervorragend, aus einer Metaebene einen<br />

Blick auf Teamwork <strong>und</strong> Verantwortung,<br />

auf Gruppenbeziehungen <strong>und</strong> Kommunikations<br />

formen der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

zu werfen. Eine Sensibilisierung auf den<br />

Umgang untereinander <strong>und</strong> ein kritischer<br />

Blick auf bestehende Hierarchien sollen den<br />

Schülern auch die Augen auf ihre <strong>mensch</strong>liche<br />

Mitwelt öffnen.<br />

VivaRiva-Klassenbachtage<br />

wurden im Jahr 2006 er folgreich<br />

an verschiedenen<br />

Orten der Schweiz durchgeführt.<br />

Interessierte<br />

SchülerInnen verschiedener<br />

Stufen untersuchten ihre<br />

Dorfgewässer <strong>und</strong> machten<br />

sich auf die Suche nach<br />

Insektenlarven <strong>und</strong> anderen<br />

Bachbewohnern.<br />

Foto: K. Jaag<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 21


Wo kann VivaRiva<br />

durchgeführt werden?<br />

Kurz <strong>und</strong> einfach: (fast) überall. Gebraucht<br />

wird ein Fliessgewässer, das zugänglich ist<br />

<strong>und</strong> keine allzu grosse Strömung aufweist,<br />

so dass man gefahrlos mit der jeweiligen<br />

Klassenstufe an <strong>und</strong> in das Gewässer gelangen<br />

kann. Doch bereits ein kleiner Waldoder<br />

Wiesenbach bietet genügend spannendes<br />

Leben, um den Tag zum Ereignis zu<br />

machen. In der wasserreichen Schweiz findet<br />

sich glücklicherweise in fast jeder Gemeinde<br />

ein entsprechendes Gewässer. Grössere<br />

Flüsse, die ev. selber zu gefährlich sind als<br />

Untersuchungsobjekt, bieten meist kleinere<br />

Zuflüsse, welche sich optimal eignen. Und erfreulicherweise<br />

besteht ein Trend dahin, eingedolte<br />

Gewässer wieder an die Oberfläche<br />

zu holen, ihnen wieder mehr Platz <strong>und</strong><br />

Berechtigung einzuräumen. So gibt es immer<br />

mehr spannende Untersuchungsobjekte.<br />

Gerade an solchen „Baustellen“ kann sich<br />

die Durchführung eines Lehrkurses besonders<br />

eignen. Es ist offensichtlich, dass<br />

etwas geschieht, vielleicht führt sogar<br />

der Schulweg am Bachgelände vorbei.<br />

Da lohnt es sich, die Aktualität zu nutzen<br />

<strong>und</strong> die Dorfbachsanierung als umweltpädagogische<br />

Chance wahrzunehmen.<br />

Von Sanierungsarbeiten profitiert heute<br />

meist auch die Natur. Veränderungen<br />

der Lebensräume <strong>und</strong> damit der Tiere<br />

Interesse an VivaRiva?<br />

Bitte melden <strong>und</strong> weitererzählen!<br />

Sind Sie selber Lehrperson <strong>und</strong> haben<br />

Interesse an einer Weiterbildung oder<br />

einem Bacherlebnistag? Möchten Sie<br />

im Rahmen eines Privat- oder Firmenanlasses<br />

einen spannenden Projekttag<br />

am Wasser durchführen? Kennen Sie<br />

jemanden, der ev. einen VivaRiva-Tag<br />

erleben möchte? Würden Sie sich freuen,<br />

wenn Ihre eigenen schul pflich tigen<br />

Kinder an einem Bach tag teilnehmen<br />

könnten?<br />

<strong>und</strong> Pflanzen sind zu erwarten. Und diese<br />

Veränderungen können live miterlebt werden!<br />

Es bietet sich geradezu an, jetzt den<br />

Dorfbach zum Thema zu machen <strong>und</strong> im<br />

wahrsten Sinne unter die Lupe zu nehmen.<br />

Forschungsreisen an den Dorfbach können<br />

unternommen werden, Merkmale wie<br />

Bachstrukturen <strong>und</strong> Bachrandbepflanzung<br />

oder die Wasserqualität <strong>und</strong> Bachtiere<br />

können untersucht <strong>und</strong> festgehalten<br />

<strong>und</strong> mit späteren Untersuchungen verglichen<br />

werden. Wie sehen Bachflora, -fauna<br />

<strong>und</strong> morphologische Parameter jetzt<br />

aus? Wie in einem Jahr? Wie in fünf oder<br />

zehn Jahren? Das kann zum spannenden<br />

Forschungsprojekt für die ganze Schule<br />

werden!<br />

Erzählen Sie weiter von VivaRiva <strong>und</strong> nehmen<br />

Sie bei Interesse, für Fragen <strong>und</strong><br />

Anregungen Kontakt auf mit der Projektleiterin:<br />

Dipl. Umweltnatw. Kathrin Jaag<br />

TEL. 052 625 26 58<br />

info@vivariva.ch, www.vivariva.ch<br />

Kosten <strong>und</strong> Ermässigungen<br />

Nun zur alles entscheidenden Frage: Wie<br />

teuer kommt denn ein solcher Tag zu stehen?<br />

VivaRiva soll den Rheinaub<strong>und</strong> nicht<br />

finanziell belasten. Dank der grosszügigen<br />

Unterstützungen diverser Institutionen (siehe<br />

S. 21) ist die Startphase von VivaRiva gesichert.<br />

Damit ist gewährleistet, dass Werbung<br />

<strong>und</strong> Akquisition betrieben werden können,<br />

dass das Programm ständig optimiert <strong>und</strong><br />

ausgebaut werden kann. Um das langfristige<br />

Bestehen von VivaRiva jedoch zu sichern,<br />

müssen die Anlässe bezahlt werden. Die<br />

Tageskosten belaufen sich auf 800 Franken.<br />

Ein horrender Betrag für jede Klassenkasse.<br />

Welche Schulgemeinde klagt nicht unter<br />

Budgetkürzungen <strong>und</strong> Finanzierungsschwierigkeiten?<br />

Glücklicherweise gibt es<br />

jedoch verschiedene Möglichkeiten, Viva-<br />

Riva erschwinglich zu machen. Die Stiftung<br />

Umweltbildung Schweiz (SUB) unterstützt<br />

auf Antrag Schulen bei der Durchführung von<br />

Umweltbildungsprojekten im Allgemeinen<br />

<strong>und</strong> von VivaRiva im Besonderen. Hier helfen<br />

wir gerne bei der Gesuchstellung, womit<br />

sich der Aufwand wirklich in Grenzen<br />

hält. Des Weiteren gibt’s zum Teil kanto-<br />

Ein gelungener Anlass in<br />

Romanshorn hat gezeigt,<br />

dass ein Tageskurs für Lehrer<br />

mit viel Praxisteil reicht, um<br />

allfällige Hemmschwellen<br />

für einen Bachtag abzubauen,<br />

damit einer erfolgreichen<br />

Entdeckungsreise mit der<br />

eigenen Klasse nichts mehr<br />

im Weg steht.<br />

Foto: K. Jaag<br />

Seite 22 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


nale Unterstützungen. So hat zum Beispiel<br />

die Stiftung Werner Amsler einen gewissen<br />

Betrag explizit zur Durchführung von<br />

Anlässen mit Schaffhauser Schulklassen gesprochen<br />

<strong>und</strong> das Amt für Umwelt TG finanziert<br />

einen Teil der Kosten der Schulanlässe<br />

im Kanton Thurgau.<br />

Die Bemühungen sind gross, auch in anderen<br />

Kantonen ähnliche Finanzierungshilfen<br />

zu finden, um die Durchführung von<br />

VivaRiva jeder Klasse prinzipiell zu ermöglichen<br />

<strong>und</strong> nicht eine allfällige Durchführung<br />

bereits an den Finanzen scheitern zu lassen.<br />

Der Blick nach vorne:<br />

Der Hürdenlauf geht weiter<br />

Mit der Erhöhung des Projektleitungs pensums<br />

auf 50 Prozent im Jahr 2007 ergeben<br />

sich nun hoffentlich genügend Kapazitäten<br />

zur Erfüllung ehrgeiziger Ziele: Die Etablierung<br />

von VivaRiva in der Umweltbildungsbranche.<br />

Jede Lehrperson in der Nordostschweiz<br />

soll von VivaRiva gehört haben, wissen<br />

dass es dieses Angebot gibt. 20 Anlässe<br />

sollen in diesem Jahr durchgeführt werden.<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sollen so für den<br />

Lebensraum Bach sensibilisiert werden <strong>und</strong><br />

Träger werden für die Botschaft Raum für<br />

unsere Fliessgewässer. Eine „Akquisitionsoffensive“<br />

überrollt momentan die Kantone<br />

Schaffhausen <strong>und</strong> Thurgau; weitere folgen.<br />

Schulen <strong>und</strong> Lehrpersonen werden informiert<br />

über VivaRiva, übers Angebot <strong>und</strong> die<br />

Relevanz des Themas.<br />

Ein Bachtag ist aber nicht nur für den<br />

Unterricht spannend. Kinder <strong>und</strong> Erwachsene<br />

sollen auch ausserhalb der Schule mit<br />

dem attraktiven Ökosystem in Berührung<br />

kommen. So wird das VivaRiva-Angebot<br />

ausgeweitet auf Ferienpass-Aktivitäten,<br />

Kindergeburtstage oder Firmenevents. Bereits<br />

sind erste Gespräche diesbezüglich im<br />

Gang, Schaffhauser Jugendliche können in<br />

den Sommerferien bereits Bachluft schnuppern.<br />

Weitere Anfragen <strong>und</strong> Vorschläge<br />

werden gerne entgegen genommen.<br />

Neuer Auftritt,<br />

gleiches Anliegen<br />

Und zum Schluss noch dies: VivaRiva hat<br />

einen neuen Auftritt. Vielleicht haben Sie<br />

das neue Logo bemerkt. Ein neues Logo<br />

nach so kurzer Zeit?! Im Rahmen der<br />

„Verjüngungskur“ des Rheinaub<strong>und</strong>-Auftritts<br />

hat VivaRiva ein neues, der Corporate<br />

Identity entsprechend zum Rheinaub<strong>und</strong><br />

passendes, Markenzeichen erhalten. Das<br />

Logo ist neu, doch das Ziel bleibt dasselbe.<br />

Mit Schwung, Elan <strong>und</strong> packenden<br />

Momenten möchte VivaRiva vor allem eines<br />

erreichen: Faszination <strong>und</strong> Begeisterung<br />

wecken für ein Ökosystem, für einen<br />

Lebensraum, für die Fliessgewässer. Und damit<br />

nachhaltige Botschafter gewinnen für<br />

die sensiblen Lebensräume. Möge das hoffnungsvolle<br />

Unterfangen gelingen!<br />

Kathrin Jaag<br />

VivaRiva<br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

Weinsteig 192<br />

Postfach 1157<br />

8201 Schaffhausen<br />

Tel. 052 / 625 26 58<br />

info@vivariva.ch<br />

www.vivariva.ch<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 23


Rheinaub<strong>und</strong><br />

Erfolgreiche ökologische Begleitung<br />

der Eisenbahn-Grossprojekte<br />

Neat <strong>und</strong> Bahn 2000 sind Grossprojekte, die zur umweltgerechten<br />

Bewältigung der Mobilität sinnvoll sind. Trotzdem sind die<br />

Baumassnahmen massive Eingriffe in die Natur, die sorgsam ökologisch<br />

begleitet werden müssen – auch dies eine Aufgabe der<br />

Umweltverbände.<br />

Günther Frauenlob<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich erachten die Umweltschutzorganisationen<br />

den Bau der NEAT <strong>und</strong> der<br />

Bahn 2000 als sinnvolle Projekte zur umweltgerechteren<br />

Bewältigung der Mobilität<br />

von Personen <strong>und</strong> Gütern. In diesem gr<strong>und</strong>legenden<br />

Sinn kann der Beschreibung, wie<br />

Auch Eisenbahngrossprojekte<br />

belasten die<br />

Umwelt.<br />

Foto: SBB<br />

sie von AlpTransit Vertretern angewandt<br />

wird, zugestimmt werden: „Die NEAT ist das<br />

grösste Umweltprojekt der Schweiz“.<br />

Allerdings wissen wir, dass auch dieses<br />

Grossprojekt entsprechend grosse Eingriffe<br />

in die Natur, die Landschaft <strong>und</strong> die<br />

Siedlungen mit sich bringt. Gewässer sind<br />

betroffen, Gr<strong>und</strong>wasser wird tangiert,<br />

Emissionen gelangen in die Luft, Böden<br />

werden hektarweise umgelagert <strong>und</strong><br />

Lebensräume mit Lärm beschallt. Die neuen<br />

Verkehrswege der Bahn durchschnei-<br />

den Wildtierkorridore, oder diese werden<br />

im Zusammenhang mit den Ablagerungen<br />

des Ausbruchmaterials der Tunnels für lange<br />

Jahre unterbrochen.<br />

Umweltaspekte sind Gegenstand<br />

geltender Gesetze<br />

Alle diese Umweltaspekte sind Gegen stand<br />

geltender Gesetze <strong>und</strong> Verordnungen:<br />

Umweltschutzgesetz, Na tur- <strong>und</strong> Hei matschutzgesetz,<br />

Gewässer schutz ge setz, Lärmschutz<br />

ver ord nung, Luftreinhaltungsverordnung,<br />

Verordnung über die Belastung des<br />

Bodens, Waldgesetz …<br />

Es ist eine wichtige Angelegenheit der<br />

Natur-, Umwelt- <strong>und</strong> Heimatschutzorganisa<br />

tionen, der Berücksichtigung der gesetzlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen zum Schutz der<br />

Umwelt, der Natur <strong>und</strong> der Heimat auch<br />

bei der Realisierung der Grossprojekte der<br />

Bahninfrastruktur Nachachtung zu verschaffen.<br />

Diese Aufgabe leiten die Organisationen<br />

u.a. aus dem ihnen durch die Gesellschaft<br />

verliehenen Beschwerderecht ab. Zur Wahr -<br />

nehmung dieser Aufgabe hat der Rheinaub<strong>und</strong><br />

zusammen mit Pro Natura, SHS, SL,<br />

SVS, VCS <strong>und</strong> WWF Martin Furter das Mandat<br />

zur Begleitung der Eisenbahngrossprojekte<br />

erteilt.<br />

Beispiele aus dem<br />

vergangenen Jahr<br />

Sachgerechte Bewirtschaftung von Trockenwiesen<br />

beim Zwischenangriff Sedrun:<br />

Nach mehreren Interventionen ist es nun<br />

endlich gelungen, eine Bewirtschaf tungsweise<br />

der gut 30 Hektar Trockenwiesen<br />

im Raum Sedrun zu initiieren, die dem<br />

Ziel der Erhaltung, bzw. der Förderung der<br />

Artenvielfalt gerecht werden kann.<br />

Materialbewirtschaftung Sedrun:<br />

Für die Ablagerung von zusätzlichem Ausbruchmaterial<br />

im Fall des erweiterten Tunnelvortriebs<br />

von Sedrun her konnten Lösungen<br />

gef<strong>und</strong>en werden, die auch aus der<br />

Sicht des Umweltschutzes verantwortet<br />

werden können. So bleibt die wertvolle<br />

Die ökologische Begleitung<br />

der Schweizer Eisenbahn-<br />

Grossprojekte findet auch<br />

international Anerkennung.<br />

Foto: photocase<br />

Seite 24 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Gotthard Südrampe<br />

mit NEAT-Baustelle.<br />

Foto: Alptransit AG<br />

Böschung im Val Bugnei weitestgehend frei<br />

<strong>und</strong> der erforderliche Abtransport erfolgt<br />

per Bahn.<br />

Walenbrunnen im Kanton Uri:<br />

Die Re<strong>natur</strong>ierung des heute kanalisierten<br />

Walenbrunnens, die eigentliche<br />

Ersatzmassnahme für die Eingriffe in der<br />

Urner Reussebene, konnte dank unserem<br />

Einsatz wesentlich <strong>natur</strong>näher geplant <strong>und</strong><br />

genehmigt werden, als dies zu Beginn vorgesehen<br />

war.<br />

Massnahmen beim Lötschberg-<br />

Südportal / Raron:<br />

Der Sicherstellung der Uferbestockung am<br />

Rhoneufer wird Rechnung getragen <strong>und</strong><br />

für die Ersatzmassnahmen im Gebiet Moos<br />

(Feuchtgebiet) wurden aufgr<strong>und</strong> unserer<br />

Einsprache zusätzliche Massnahmen <strong>und</strong><br />

Erfolgskontrollen verfügt.<br />

Hartnäckig <strong>und</strong> konstruktiv<br />

Aufgr<strong>und</strong> des seit Beginn zwar hartnäckigen,<br />

aber immer konstruktiv geführten<br />

Dialogs des Vertreters der Organisationen<br />

ergab sich im Laufe der Jahre trotz mancher<br />

unterschiedlicher Beurteilung in einzelnen<br />

Sachfragen ein positives Verhältnis<br />

zwischen den Erbauern der NEAT <strong>und</strong> den<br />

Umweltorganisationen. Das gegenseitige<br />

Verständnis wird auch dadurch gefördert,<br />

dass die AlpTransit Gotthard AG regelmässige<br />

Informationstage mit den VertreterInnen<br />

der am Mandat beteiligten Organisationen<br />

auf den Baustellen durchführt. So können<br />

wir immer wieder feststellen, dass die leitenden<br />

Verantwortlichen der NEAT unsere<br />

eigentlich „oppositionelle“ Arbeit respektieren<br />

<strong>und</strong> keineswegs als Belästigung empfinden.<br />

Dass unsere Einwände <strong>und</strong> Begehren<br />

im Rahmen der Bauprojekte zum grössten<br />

Teil berechtigt sind, zeigt sich am Erfolg der<br />

Einsprachen <strong>und</strong> Stellungnahmen.<br />

Positive<br />

internationale Beurteilung<br />

Um den steigenden Anforderungen an die<br />

überregionale <strong>und</strong> internationale Mobilität<br />

Rechnung zu tragen, werden in Europa<br />

derzeit zahlreiche Infrastrukturprojekte<br />

wie Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken,<br />

Eisenbahn-Güterverkehrsstrecken <strong>und</strong><br />

Autobahnen entwickelt. Der Umfang <strong>und</strong><br />

die Komplexität dieser Projekte stellt eine<br />

grosse Herausforderung an die Organisation<br />

<strong>und</strong> das Management dar. Um eine Auswahl<br />

grosser Infrastrukturprojekte miteinander<br />

zu vergleichen <strong>und</strong> Erkenntnisse über das<br />

Management dieser Projekte zu gewinnen,<br />

hat die Unternehmensberatung Berenschot<br />

Osborne (Utrecht, NL) gemeinsam mit dem<br />

Institut für Bauplanung <strong>und</strong> Baubetrieb der<br />

Eidgenössischen Technischen Hochschule<br />

Zürich <strong>und</strong> der Erasmus Universität Rotterdam<br />

eine Studie initiiert: „Management of<br />

Large Infrastructure Projects in Europe“.<br />

Im Rahmen dieser Studie interessierten sich<br />

die Bearbeitenden für die Funktion der gesamtschweizerischen<br />

Umweltschutzorganisationen<br />

bei den Projekten Bahn 2000 <strong>und</strong><br />

insbesondere der NEAT. Das Resultat ihrer<br />

Recherchen wird in der Studie wie folgt wiedergegeben:<br />

„Als vorteilhaft hat sich in der Schweiz auch<br />

die Bestellung eines Stakeholderrepräsentanten<br />

für acht gesamtschweizerische Umweltschutzorganisationen<br />

erwiesen. Dieser<br />

unabhängige Stakeholderrepräsentant<br />

wurde von den Organisationen beauftragt<br />

<strong>und</strong> tritt in deren Namen als alleiniger <strong>und</strong><br />

mit allen Kompetenzen ausgestatteter Verhandlungspartner<br />

gegenüber den Erstellerorganisationen<br />

AlpTransit Gotthard AG <strong>und</strong><br />

BLS AlpTransit AG auf. Dieser Zusam<strong>mensch</strong>luss<br />

erlaubt die effiziente Bearbeitung<br />

der Anliegen dieser Organisationen <strong>und</strong><br />

hat für die Ersteller den Vorteil, jeweils einer<br />

gemeinsamen, koordinierten Meinung der<br />

Verbände gegenüberzustehen.“<br />

Gemäss einer Verfügung des Eidgenössischen<br />

Departments für Umwelt, Verkehr,<br />

Energie <strong>und</strong> Kommunikation (UVEK) im<br />

Rahmen des Plangenehmigungsverfahrens<br />

zum Auflageprojekt Uri 2003, wurde den Umweltschutzorganisationen<br />

in der oben erwähnten<br />

Konstellation attestiert, den Verfahrensbeteiligten<br />

präzise, gut begründete<br />

<strong>und</strong> termingerechte Vorschläge zu unterbreiten.<br />

In Anbetracht dieser Wür digung<br />

kann man auch hier von einer erfolgreichen<br />

Integration der Stakeholder in den<br />

Planungsprozess sprechen.“<br />

Günther Frauenlob<br />

Redaktor <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong><br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

Postfach 1157<br />

8201 Schaffhausen<br />

Tel. 052 625 26 67<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 25


Rheinaub<strong>und</strong><br />

Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong> 2006/2007<br />

Der folgende Tätigkeitsbericht umfasst alle Aktivitäten seit der letzten Mitgliederversammlung.<br />

Der Bericht erlaubt einen Überblick über unser umfangreiches<br />

Engagement für den Natur – <strong>und</strong> Umweltschutz.<br />

Ruedi Schneider<br />

Das Jahr 2006/2007 war für uns mehr als ereignisreich,<br />

wie die Vielzahl der Projekte,<br />

gerade im Bereich Gewässerschutz beweist.<br />

Doch auch im Landschaftsschutz, in<br />

der Umweltbildung <strong>und</strong> im Bereich der Koope<br />

rationen mit anderen Organisationen<br />

hatte dieses Jahr einiges zu bieten.<br />

Gewässerschutz<br />

Kraftwerk Kembs / Oberrhein: Die Electricité<br />

de France SA (EDF) will die am 31.12.07 ablaufende<br />

französische <strong>und</strong> schweizerische<br />

Konzession für das KW Kembs am Oberrhein<br />

erneuern. Es liegt ein umfangreiches<br />

Projektdossier vor. Die EDF nimmt für die<br />

unterliegenden Kraftwerke im Rheinkanal<br />

einen jährlichen Produktionsverlust von 86<br />

Mio. kWh in Kauf <strong>und</strong> installiert am Wehr<br />

zum Altrhein eine Dotierturbine, um die<br />

Leistung des KW Kembs zu erhalten. Obwohl<br />

der EDF eine gute Gr<strong>und</strong>einstellung (integraler<br />

Ansatz) <strong>und</strong> der Wille attestiert werden<br />

kann, ökologische Verbesserungen<br />

zu realisieren <strong>und</strong> zu finanzieren (z.B.<br />

Revitalisierung der Wiese, mehr Restwasser<br />

<strong>und</strong> Auendynamik in der Restwasserstrecke,<br />

neuer Fischpass, etc), scheint es noch einige<br />

Mängel <strong>und</strong> Unklarheiten zu geben.<br />

Dies betrifft im Wesentlichen den ungenügend<br />

abgeklärten Geschiebehaushalt, die<br />

Funktionstüchtigkeit des neuen Fischpasses<br />

(Abstieg der Aale!), die zu geringe Restwasserdotierung,<br />

das Rodungskonzept bei<br />

der KW-Zentrale <strong>und</strong> gewisse biologische<br />

Untersuchungen, sowie die Definition eines<br />

Monitorings (Erfolgskontrolle). Am 16.3.07<br />

fand auf Einladung der EDF eine Aussprache<br />

mit den Umweltschutzorganisationen beim<br />

Kraftwerk statt.<br />

Die Hauptlast der Einsprache liegt bei „Alsace<br />

Nature“, während Deutschland durch den<br />

DNR (Deutscher Naturschutzring) im Namen<br />

zahlreicher Verbände eine Stellungnahme<br />

eingereicht hat. Für die Schweiz hat die Arge<br />

Hochrhein im Namen von Fischereiverband<br />

(Schweiz. <strong>und</strong> Kant. BS <strong>und</strong> BL), Aqua Viva<br />

<strong>und</strong> Pro Natura (Schweiz <strong>und</strong> Basel) beim<br />

BFE eine Sammeleinsprache eingereicht, die<br />

sich vor allem auf die Stellungnahmen der<br />

IKSR beruft. WWF <strong>und</strong> Rheinaub<strong>und</strong> machten<br />

am 20.3.07 eigene Einsprachen, die sich<br />

im Wesentlichen auf die Inhalte der anderen<br />

abstützen.<br />

Kraftwerk Rheinfelden / Hochrhein: Der Neubau<br />

des Wehrs ist deutlich vorangeschritten.<br />

Teile des Gwildes, eines der letzten Laufen<br />

am Hochrhein sind bereits gesprengt worden;<br />

die Flussbaggerung erfolgt schrittweise<br />

in Fliessrichtung mittels temporärer<br />

Schüttdämme <strong>und</strong> ist damit deutlich<br />

umweltverträglicher als ursprünglich geplant.<br />

Teile des Flusskieses werden für das<br />

grosse Umgehungsgerinne verwendet.<br />

Die Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzmassnahmen<br />

der Bauphase 2 werden jetzt in Angriff genommen<br />

(Oberwasser). Bis 2010 sollen die<br />

Turbinen in Betrieb genommen werden, bis<br />

2011 soll das Umgehungsgerinne in Funktion<br />

sein, womit man insgesamt ein Jahr gewonnen<br />

haben wird. Der Rheinaub<strong>und</strong> ist in der<br />

ökologischen Begleitgruppe vertreten.<br />

Kraftwerk Rhyburg-Schwörstadt (KRS) /Hochrhein:<br />

Dieses Kraftwerk soll im Jahr 2010<br />

eine neue Konzession erhalten. Dabei sollen<br />

gravierende ökologische Beeinträchtigungen<br />

gemildert werden. Die Verbände wur den<br />

frühzeitig eingeladen <strong>und</strong> informiert. Ein Teil<br />

Am 2. April hat die Energiedienst<br />

AG nach r<strong>und</strong> vier<br />

Jahren Bauzeit das neue<br />

Stauwehr beim Wasserkraftwerk<br />

Rheinfelden in Betrieb<br />

genommen<br />

Foto: Energiedienst AG<br />

Seite 26 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Das Kraftwerk Eglisau<br />

am Hochrhein –<br />

seit Jahren ein Streitfall.<br />

Foto: EKZ<br />

unsere Vorschläge wurde ins Pflichtenheft<br />

übernommen. Die Auftragsvergabe für die<br />

Hauptuntersuchung (UVB) ist Mitte 2005 erfolgt.<br />

Am 28. Februar 2007 hat die Kraftwerk<br />

Ryburg-Schwörstadt AG die Konzessionsge<br />

suchsunterlagen bei den Amtsstellen in der<br />

Schweiz <strong>und</strong> in Deutschland eingereicht.<br />

Sie-<br />

Kraftwerk Albbruck-Dogern / Hochrhein:<br />

he Artikel Seite 11<br />

Kraftwerk Eglisau / Hochrhein: Der Rheinaub<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> Mitstreiter mussten vom Beginn<br />

des Verfahrens an um elementare Anforderungen<br />

streiten, insbesondere um den<br />

Miteinbezug der Staustrecke in die Untersuchungen<br />

der Umweltverträglichkeit. Auch<br />

die zweimalige bedingungslose Verlängerung<br />

der alten Konzession war Inhalt des<br />

Rechtsstreites.<br />

Im August 2005 erfolgte die Planauflage<br />

für das Baugesuch. Obwohl der konstruktive<br />

Dialog zur merklichen Verbesserung<br />

des Projektes beigetragen hat, mussten<br />

wir auf Gr<strong>und</strong> fachlich begründeter<br />

Motive auch hier eine Einsprache einreichen.<br />

Unsere Anträge betrafen den<br />

Geschiebehaushalt, die Fischwanderung<br />

<strong>und</strong> verschiedene Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzmassnahmen.<br />

Am 23.8.2006 kam es zu<br />

den Einigungsverhandlungen. Obwohl<br />

Verbesserungen erzielt wurden, sind längst<br />

nicht alle ökologischen Anliegen erfüllt. So<br />

z.B. die Staukotenabsenkung, welche wegen<br />

der befürchteten Uferrutschungen politisch<br />

nicht machbar ist, oder die Dynamisierung<br />

des Alten Rheins bei Rüdlingen, welche am<br />

Widerstand des Kt. Schaffhausen gescheitert<br />

ist. Auch das geforderte Umgehungsgerinne<br />

auf deutscher Seite wurde aus Kosten-Nutzen-<br />

Überlegungen durch eine kombinierte<br />

Lösung mit Schiffsschleuse/Fischlift ersetzt.<br />

Aus verfahrenstechnischen Gründen müssen<br />

die meisten Anträge unserer Einsprache<br />

aufrechterhalten bleiben, auch wenn sich an<br />

der Verhandlung ein allgemeiner Konsens<br />

abgezeichnet hat. Letzter Prüfstein für<br />

den Entscheid bezüglich eines allfälligen<br />

Weiterzuges werden die Bestimmungen des<br />

Bauentscheides sein. Wir hoffen, dass unsere<br />

Anträge darin berücksichtigt werden.<br />

Kraftwerk Rheinau / Hochrhein Unter su chung<br />

Restwasserstrecke: Unsere wissenschaftliche<br />

Untersuchung der Restwasser strecke<br />

Rheinau fand in der Öffentlichkeit, bei den<br />

Behörden <strong>und</strong> bei den Projektanten bekanntlich<br />

grosse Beachtung. Das Bun -<br />

des amt für Energie (BFE), zuständig für die<br />

Grenzkraftwerke nutzt unsere Untersu -<br />

chungsergebnisse <strong>und</strong> hat uns einen Teil unserer<br />

finanziellen Aufwen dun gen erstattet. In<br />

Ergänzung zu unseren Berechnungen hat das<br />

BFE zusätzliche Szenarien für Dotierung der<br />

Restwasserstrecke <strong>und</strong> von Absenkungen<br />

der Hilfswehre berechnen lassen. Die Berechnungen<br />

wurden im März 2006 mit 1:1<br />

Dotierversuchen verifiziert. Die spektakulären<br />

Versuche fanden hohe Beachtung in<br />

den Medien. Leider wurden die für uns wichtigen<br />

Szenarien bei Vollabsenkung auch des<br />

Mitgliederversammlung 2007<br />

Die diesjährige Mitgliederversammlung<br />

findet am Samstag, den 23. Juni statt. Die<br />

Einladung mit Ort <strong>und</strong> Informationen<br />

über die Rahmenveranstaltung werden<br />

wir Ihnen rechtzeitig zusenden. Wie üblich<br />

werden wir uns im formellen Teil<br />

kurz fassen. Das Hauptgewicht liegt auf<br />

der Rahmenveranstaltung, welche einmal<br />

mehr sehr attraktiv werden wird.<br />

Bitte, reservieren Sie sich dieses Datum<br />

für den ganztägigen Anlass!<br />

oberen Hilfswehrs nicht geprüft. Inzwischen<br />

hat das BFE die Elektrizitätswerke Rheinau AG<br />

(ERAG) aufgefordert, die Auswirkungen im<br />

Hinblick auf die wirtschaftliche Tragbarkeit<br />

mit Do tierungen von 20–40m3/s; 40–60m 3 /s<br />

<strong>und</strong> 50–70m 3 /s bei abgesenkten Hilfswehren<br />

zu verifizieren. Die Frist war auf den 7.2.2007<br />

festgelegt worden.<br />

Die ERAG beabsichtigt, im Jahre 2007<br />

ein Segment des oberen Hilfswehres einer<br />

mechanischen Revision zu unterziehen.<br />

Die anderen Segmente sollen später<br />

folgen. Rechtlich ist die Sanierung<br />

Teil des ordentlichen Unterhaltes ohne<br />

Einsprachemöglichkeit. In einem Schreiben<br />

an die ERAG mit Kopie an das AWEL <strong>und</strong> das<br />

BFE stellen wir folgendes fest <strong>und</strong> werden dabei<br />

vom AWEL bestätigt: Das Bauvorhaben<br />

darf die materiellen Fragen hinsichtlich der<br />

Sanierung der Restwasserstrecke in keiner<br />

Weise präjudizieren. Überdies hat die ERAG<br />

alle Risiken der vorschnellen Revision selber<br />

zu tragen; deren Kosten dürfen in keiner<br />

Weise bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen<br />

für die gewässerschutzrechtliche Sanierung<br />

berücksichtigt werden.<br />

„KWO Plus“ Grimsel – Mauererhöhung gegen<br />

Moorlandschaft: siehe Seite 14<br />

Kraftwerk Wettingen (Limmat): Die Stadt<br />

Zürich will ihr Kraftwerk in Wettingen für<br />

weitere 80 Jahre betreiben <strong>und</strong> das Werk<br />

erweitern. Mit dem Einbau einer Rohrturbinenanlage<br />

in das Wehr soll der neuen<br />

Gesetzgebung, insbesondere dem Gewässerschutzgesetz<br />

Nachachtung ver schafft<br />

werden. Mit der geplanten Anlage lässt sich<br />

die Limmatschlaufe, welche bisher lediglich<br />

mit einer kläglichen Restwassermenge dotiert<br />

war, ökologisch aufwerten. Trotzdem<br />

waren Verhandlungen nötig wobei ein von<br />

allen Seiten akzeptierter Konsens gef<strong>und</strong>en<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 27


Rheinaub<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> auf Anweisung der Behörden wurde<br />

das Konzessionsgesuch überarbeitet. Das<br />

den Verbänden am 27.9.2006 vorgestellte<br />

überarbeitete Projekt lässt aber besonders in<br />

puncto Umgehungsgerinne noch einiges zu<br />

wünschen übrig. Wir haben deshalb in einer<br />

Stellungnahme konkrete Verbesserungen<br />

vorgeschlagen, welche den Fachstellen <strong>und</strong><br />

dem Projektanten zur Vernehmlassung vorgelegt<br />

wurden.<br />

Fast ein W<strong>und</strong>er der Technik:<br />

Die Kombination aus<br />

technischem Fischpass <strong>und</strong><br />

<strong>natur</strong>nahem Umgehungs<br />

gerinne am KW Wettingen.<br />

Foto: G. Frauenlob<br />

wurde. Der Rheinaub<strong>und</strong> ist mit Edda Rohe<br />

in der ökologischen Begleitgruppe vertreten.<br />

Der Kraftwerksumbau ist im vollem Gange.<br />

Nach dem bereits erstellten Fischaufstieg<br />

Schanzengraben <strong>und</strong> der ca. 7 ha grossen<br />

Flussaufweitung bei Geroldswil wird derzeit<br />

das technisch sehr anspruchsvolle<br />

Umgehungsgerinne am Wehr gebaut.<br />

Kleinkraftwerk am Ambauenwehr / Engelbergeraa:<br />

Das Ambauenwehr an der Engelberger<br />

Aa unterbricht das Flusskontinuum radikal<br />

<strong>und</strong> verhindert damit den Aufstieg<br />

der Seeforelle aus dem Vierwaldstättersee<br />

zu ihren Laichgründen im Fluss. Die seinerzeit<br />

zum Betrieb einer Säge erstellte Anlage<br />

soll nun neu Strom produzieren, der ins Netz<br />

eingespeist werden soll. Der Rheinaub<strong>und</strong><br />

erhob Einsprache gegen diese Umnutzung<br />

<strong>und</strong> forderte den Rückbau der Anlage. Der<br />

Regierungsrat des Kt. Nidwalden hiess unsere<br />

Einsprache in allen Punkten gut, worauf<br />

der Antragsteller eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde<br />

einreichte. Das Verwaltungsgericht<br />

des Kt. Nidwalden hat den für uns positiven<br />

Entscheid des Regierungsrates wieder<br />

aufgehoben <strong>und</strong> zur Neubeurteilung zurückgewiesen.<br />

Nach der Analyse durch unseren<br />

Rechtsanwalt beschlossen wir, den<br />

Entscheid des Verwaltungsgerichtes vor dem<br />

B<strong>und</strong>esgericht anzufechten.<br />

Leider hat das B<strong>und</strong>esgericht unsere Beschwerde<br />

abgewiesen. Im Wesentlichen aus<br />

formellen Gründen: Der Rheinaub<strong>und</strong> hätte<br />

alle neuen Sachverhalte bereits in der<br />

Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorbringen<br />

müssen, weshalb diese unbeachtet<br />

blieben. Für uns bedeutet das, in Zukunft<br />

kaum mehr ein Verfahren vor einem kantonalen<br />

Verwaltungsgericht ohne anwaltliche<br />

Unterstützung zu führen, da mit erhöhter<br />

Sorgfalt prozessiert werden muss.<br />

Kraftwerk Kradolf-Schönenberg / Thur (TG):<br />

Durch den Ersatz des alten Ausleitkraftwerks<br />

durch ein Laufkraftwerk wird die bisherige<br />

Restwasserstrecke aufgehoben. Gr<strong>und</strong> -<br />

sätzlich begrüssen wir die Wieder herstellung<br />

des natürlichen Abflusses, da dies<br />

die Lebensbedingungen der aquatischen<br />

Fauna entscheidend verbessert. Unsere<br />

Einsprache aus dem Jahre 2002 beinhaltet<br />

demgemäss lediglich Forderungen bezüglich<br />

Umgehungsgerinne <strong>und</strong> Ausgleichsmassnahmen.<br />

Auf Gr<strong>und</strong> der Einsprachen<br />

Auenprojekt im Thur-Mündungsbereich / Thur<br />

+ Hochrhein: Durch die Realisierung dieses<br />

umfangreichsten Re<strong>natur</strong>ierungsprojekts an<br />

der Thur wird hier schweizweit die grösste<br />

Auenlandschaft entstehen. Nach Jahren der<br />

Planung <strong>und</strong> nach zähen Verhandlungen mit<br />

den angrenzenden Gemeinden <strong>und</strong> betroffenen<br />

Landwirten war es Ende letzten Jahres<br />

endlich soweit: Der Kantonsrat bewilligte<br />

den Kredit in Höhe von 42‘482‘000 Franken<br />

zur Umsetzung des Projektes in seltener<br />

Einmütigkeit. Tatsächlich werden bei diesem<br />

Projekt Anliegen des Hochwasserschutzes,<br />

der Ökologie, des Auenschutzes, der Gewässervitalisierung,<br />

der Landwirtschaft <strong>und</strong><br />

der Erholung so gebündelt, dass alle Betroffenen<br />

zufrieden sind.<br />

Kiesbaggerungen an der Thurmündung /<br />

Hochrhein: Infolge des Einstaus der Thurmündung<br />

durch das Kraftwerk Eglisau bleibt<br />

das Geschiebe der Thur im Mündungsbereich<br />

liegen. Die Geschiebeablagerungen müssen<br />

daher aus Hochwasserschutzgründen<br />

regelmässig ausgebaggert werden. Der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> begrüsst die nun von der<br />

Baudirektion des Kt. Zürich verfügte teilweise<br />

Kiesrückgabe in den Rhein im Rahmen<br />

der anstehenden Geschiebebaggerungen<br />

im Umfang von ca. 70’000m 3 . Durch die<br />

Schüttung von Kiesbänken wird immerhin<br />

die noch frei fliessende Strecke zwischen<br />

Rheinau <strong>und</strong> Ellikon ökologisch aufgewertet.<br />

Thurkorrektion Weinfelden-Bürglen / Thur: Der<br />

Raum der Thur zwischen Weinfelden <strong>und</strong><br />

Bürglen im Kanton Thurgau wird für Hochwasserschutz<br />

<strong>und</strong> Re<strong>natur</strong>ierung vollständig<br />

neu gestaltet. Die im Rahmen der sogenannten<br />

2. Thurkorrektion vorgesehenen<br />

Massnahmen sind noch immer in der<br />

Projektierungsphase. Das Planungsverfahren<br />

Seite 28 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


wird von der Regionalen Arbeitsgruppe<br />

(RA) begleitet, in der alle am Vorhaben interessierten<br />

Kreise vertreten sind. Auch der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> ist in diesem Gremium <strong>und</strong><br />

wird durch das Vorstandsmitglied , Dipl.-Ing.<br />

Landschaftsplanerin Anna Belser vertreten.<br />

Aus einer Machbarkeitsstudie mit vier<br />

Varianten hat sich die RA auf zwei Varianten<br />

festgelegt. Eine Variante ist eine Hochwasserschutzlösung<br />

mit fliessender Re tention,<br />

d.h. mit einem aufgeweiteten Fluss -<br />

profil <strong>und</strong> überschwemmbarer Aue – das sogenannte<br />

Pendelband. Die andere Variante<br />

beinhaltet eine stehende Retention in Gestalt<br />

eines Hochwasserrückhaltebeckens, genannt<br />

„Grubenau“. Im Juli 2007 werden die<br />

Vorprojekte dazu vorliegen.<br />

Einsprache gegen Seerestaurant in Uster /<br />

Greifensee: Der „Verein Pavillon Nouvel“ hat<br />

aus Beständen der EXPO ein für die Arteplage<br />

in Murten konzipiertes Restaurantgebäude erstanden<br />

<strong>und</strong> will dieses bei der Niederustemer<br />

Schifflände am Greifensee wieder aufbauen.<br />

Das Ge bäude beansprucht eine bisher offen<br />

gehaltene Wiese <strong>und</strong> überstellt mit der<br />

Terrasse sogar die Uferlinie. Im Oktober 2003<br />

verweigerten sowohl die Volkswirtschaftsdirektion<br />

wie auch die Baudirektion die nötigen<br />

Bewilligungen, bejahten aber gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

die Bewilligungsfähigkeit hinsichtlich<br />

Gr<strong>und</strong>wasserschutz. Gegen den ablehnenden<br />

Entscheid rekurrierten sowohl der Verein<br />

wie auch die Stadt Uster beim Regierungsrat.<br />

Dieser hob zur allgemeinen Verblüffung alle<br />

Verfügungen der eigenen Direktionen<br />

auf. Gegen diesen Entscheid erhob der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> Beschwerde beim Zürcher<br />

Verwaltungsgericht, welches die Beschwerde<br />

am 7.2.2006 teilweise guthiess <strong>und</strong> an die mitbeteiligten<br />

Direktionen zur erneuten Prüfung<br />

„im Sinne der Erwägungen“ zurückwies. Wir<br />

haben uns im Berichtsjahr bemüht, mit der<br />

Stadt <strong>und</strong> dem „Verein Pavillon Nouvel in<br />

Kontakt zu treten. Es kamen denn auch zwei<br />

Informations- <strong>und</strong> Verhandlungsr<strong>und</strong>en zustande.<br />

Leider konnte kein Konsens bezüglich<br />

eines alternativen Standorts gef<strong>und</strong>en<br />

werden, die Projektanten beharren auf dem<br />

ursprünglichen Standort. Man darf gespannt<br />

sein, wie die Behörden entscheiden.<br />

Kleine Gewässersanierungen – Beratungstätigkeit:<br />

siehe Seite 18<br />

Garwidenbach Stellungnahme: Das amtliche<br />

Sanierungsprojekt Garwidenbach sieht<br />

die Wiedereindolung von zwei durch die<br />

Kantonsstrasse getrennten Teilstücken vor.<br />

Das eine Teilstück wurde aus Hoch wasserschutzgründen<br />

schon vor Inkraft treten der<br />

Verfügung saniert, wodurch vollendete Tat -<br />

sachen geschaffen wurden. Eine offene Wasserführung<br />

wäre unserer Ansicht nach gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

durch einen neuen sorgfältig gewählten<br />

Bachlauf ohne erhebliche Nachteile<br />

für die Landwirtschaft möglich gewesen. Auf<br />

einen Rekurs gegen die Verfügung wurde<br />

aber zur Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips<br />

verzichtet. Mit der Stellungnahme<br />

drückt der Rheinaub<strong>und</strong> jedoch sein Be -<br />

dauern über den unsachgemässen Verfahrensablauf<br />

aus.<br />

Einsprache gegen Bau eines Verbindungsstegs<br />

in Winterthur / Töss: Gestützt auf das<br />

Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzgesetz sowie das<br />

Gewässerschutzgesetz verlangten wir den<br />

Verzicht auf den Bau eines Steges über einen<br />

Entlastungskanal des Rieter-Kanals in<br />

Winterthur-Töss, da wir die Erschliessung<br />

des bisher relativ <strong>natur</strong>nahen Ufers entlang<br />

der Töss durch einen Spazierweg <strong>und</strong> den<br />

damit verb<strong>und</strong>enen Verlust des hohen Revitalisierungspotenzials<br />

befürchteten. Da die<br />

spätere Verfügung der Zürcher Baudirektion<br />

klar festhält, dass damit kein Wegbau bewilligt<br />

wird <strong>und</strong> es damit lediglich <strong>und</strong> maximal<br />

bei einem Trampelpfad entlang des rechten<br />

Tössufers bleibt, haben wir von einem<br />

Weiterzug abgesehen. Zudem begrüssen<br />

wir, dass der Kanton Zürich einen ersatzlosen<br />

Abbruch des Stegs verlangen kann, sollte eine<br />

spätere Revitalisierung der Töss oder damit<br />

kombinierte Hochwasserschutzmassnah<br />

men dies nötig machen.<br />

VivaRiva – Wasser macht Schule: siehe Seite<br />

20<br />

Landschaftsschutz<br />

Initiative „Raum für Mensch <strong>und</strong> Natur“: Am<br />

31. Januar 2007 wurde der Verein „ Ja zur<br />

Lebensraum-Initiative“ gegründet. Der Ver -<br />

ein, zu dessen Gründungsmitgliedern auch<br />

der Rheinaub<strong>und</strong> gehört, bereitet die<br />

Unterschriftensammlung zur Eidgenössischen<br />

Volksinitiative „Raum für Mensch<br />

<strong>und</strong> Natur“ vor. Als Kernpunkt verlangt die<br />

Initiative, dass die Gesamtfläche der Bauzonen<br />

während 20 Jahren nicht vergrössert werden<br />

darf, wobei Erweiterungen von Bauzonen mit<br />

Rückzonungen an anderen Orten kompensiert<br />

werden können. Ausnahmen von dieser<br />

Bauzonenbegrenzung soll der B<strong>und</strong>esrat<br />

nur in begründeten Fällen gewähren. Die<br />

Initiative schlägt weiter eine Neuformulierung<br />

<strong>und</strong> Konkretisierung des Verfassungsartikels<br />

über die Raumplanung (Art. 75 BV) vor.<br />

An der Mündung der Thur<br />

in den Rhein soll die grösste<br />

Auenlandschaft der Schweiz<br />

entstehen.<br />

Foto: Baudirektion Kt. ZH<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 29


Rheinaub<strong>und</strong><br />

Projektbegleitung Eisenbahn-Grossprojekte:<br />

siehe Seite 24<br />

Rheinfall: Landkauf <strong>und</strong> Umnutzung: In Zusam<br />

menhang mit dem Kauf einer grossen<br />

Landparzelle direkt im Rheinfallbecken<br />

durch die Gemeinde Neuhausen wurde in<br />

Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen,<br />

so auch des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

<strong>und</strong> des WWF ein Master plan entwickelt.<br />

Die Attraktivität eines Besuchs des Rheinfalls<br />

soll gesteigert <strong>und</strong> die Verweildauer verlängert<br />

werden. Überdies soll die Landschaft<br />

am Rheinfall durch ein verbessertes Pflege -<br />

konzept aufgewertet <strong>und</strong> einzelne Landschaftselemente<br />

wiederhergestellt werden.<br />

Neue Wege <strong>und</strong> Aussichtspunkte sollen<br />

bequeme <strong>und</strong> attraktive R<strong>und</strong>gänge<br />

ermöglichen. Für den Rheinfall gelten besondere<br />

Schutz bestimmungen <strong>und</strong> planerische<br />

Gr<strong>und</strong> lagen, insbesondere handelt<br />

es sich um ein BLN-Gebiet. Die Planung hat<br />

diese Gegebenheiten zu berücksichtigen.<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> ist mit Erika Maier in der<br />

Begleitgruppe vertreten.<br />

Stellungnahme zur Verordnung über die Pärke<br />

von nationaler Bedeutung: Der Rheinaub<strong>und</strong><br />

Neue Natur-Pärke von<br />

nationaler Bedeutung<br />

könnten helfen, grosse,<br />

zusammenhängende<br />

Naturschutzzonen zu<br />

sichern.<br />

Foto: photocase<br />

Immer mehr Gewerbegebiete<br />

entstehen unter<br />

grossen Flächenbedarf<br />

auf der „grünen“ Wiese.<br />

Foto: St. Pölten GV<br />

wurde eingeladen, sich zum Entwurf der<br />

Pärkeverordnung zu äussern. Nachfolgend<br />

eine vorläufige Einschätzung.<br />

Die Änderungen zum „B<strong>und</strong>esgesetz über<br />

Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz“ (NHG) vom 6.<br />

Oktober 2006 ermöglicht die Errichtung neuer<br />

Natur-Pärke von nationaler Bedeutung in<br />

der Schweiz. Der ausgezeichnete Gesetzestext<br />

wurde von den Umweltschutzorganisationen<br />

als Durchbruch in Richtung grosser,<br />

zusammenhängender Naturschutzzonen begrüsst,<br />

ja als Erfolg gefeiert.<br />

Umso enttäuschender fällt der Entwurf der<br />

Pärkeverordnung im Bereich der regionalen<br />

Naturpärke aus. Denn es macht nicht den<br />

Anschein, als wollten die Verfasser Sinn <strong>und</strong><br />

Zweck des Gesetzes umsetzen. Im Gegenteil<br />

wird man den Eindruck nicht los, die<br />

Verordnung versuche, den Begriff des „nachhaltigen<br />

Wachstums“ so zu definieren, bis davon<br />

nichts mehr übrig bleibt. Erhärtet wird<br />

dieser Verdacht durch die erste Klausel der<br />

Charta des geplanten „parc ela“: „Stärkung<br />

der Wirtschaft <strong>und</strong> Erhaltung bzw. Schaffung<br />

neuer Arbeitsplätze“.<br />

Diverse Projekte<br />

Flughafen Zürich, Beschwerde gegen Betriebsreglement:<br />

Unsere gemeinsam mit den Ärztinnen<br />

<strong>und</strong> Ärzten für Umweltschutz erhobene<br />

Beschwerde vom 30. 4. 2005 ist immer<br />

noch hängig. Seit dem 1.1.2007 wird sie vom<br />

neuen B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht bearbeitet.<br />

Die Rekurskommission für Infrastruktur <strong>und</strong><br />

Umwelt (REKO INUM) ist aufgehoben worden.<br />

Sie hatte der Beschwerdegegnerin (Unique<br />

Flughafen Zürich AG) <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esamt<br />

für Zivilluftfahrt (BAZL) einen umfassenden<br />

Katalog mit den in den vielen Beschwerden<br />

vorgebrachten Rügen <strong>und</strong> Anträgen unterbreitet,<br />

in dem unsere Rügen gut repräsentiert<br />

waren. Den richterlichen Bescheid, ob<br />

unsere zentralen Begehren, Nachtruhe von<br />

22.00 - 7.00 Uhr, Begrenzung der Starts <strong>und</strong><br />

Landungen auf insgesamt 250‘000 pro Jahr<br />

sowie Begrenzung der Luftbelastung mit<br />

Stickoxiden, erfüllt werden, erwarten wir mit<br />

grossem Interesse.<br />

Parlamentarische Initiative „Presseförderung<br />

mittels Beteiligung an den Verteilkosten“: Der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> wäre als Herausgeber der Zeitschrift<br />

„<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ von einer Absetzung<br />

der Presseförderung nebst H<strong>und</strong>erten<br />

anderer Institutionen direkt betroffen. Wir<br />

begrüssen deshalb die Absicht der Staatspolitischen<br />

Kommission des Nationalrats (SPK-N),<br />

dem Parlament eine Vorlage zur Weiterführung<br />

der Presseförderung zu unterbreiten.<br />

Ebenso gehen wir mit dem Vorschlag darin<br />

einig, dass die Mitgliederpresse weiterhin<br />

in das System der Presseförderung einbezogen<br />

werden soll. In der Schweiz gibt<br />

es über 900 sprachregionale <strong>und</strong> nationale<br />

Mitgliederzeitschriften sowie viele regional<br />

ausgerichtete Publikationen. Sie übernehmen<br />

vielfältige Funktionen. Abonnierte Zeitungen<br />

<strong>und</strong> Zeitschriften sollen weiterhin von verbilligten<br />

Posttaxen profitieren. Im März 2007<br />

hat der Nationalrat als erste Kammer mit 145<br />

zu 34 einer Verlängerung der B<strong>und</strong>eshilfe um<br />

längstens sieben Jahre zugestimmt<br />

Seite 30 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Der Rheinaub<strong>und</strong> in Daten, Zahlen <strong>und</strong> Fakten<br />

Mitglieder <strong>und</strong> Abonnenten<br />

Die im letzten Jahr vorgesehene Werbektion<br />

unter Verwendung eigener Adressen wurde<br />

aufgr<strong>und</strong> des Layoutwechsels auf das<br />

Jahr 2007 verschoben. Aus dem gleichen<br />

Gr<strong>und</strong> wurde auf die Durchführung weiterer<br />

grösser Aktionen zur Mitglieder- <strong>und</strong><br />

Abonnentenwerbung verzichtet. Wie die<br />

Grafik zeigt, haben die unterlassenen Werbeaktionen<br />

einen unmittelbaren Einfluss auf<br />

die Entwicklung der Bestände, indem Abgänge<br />

nicht mehr bzw. kaum mehr kompensiert<br />

werden können. Das neue Erscheinungsbild<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es, vor allem<br />

verkörpert durch das neu gestaltete Heft,<br />

bietet nun mit seinem frischen Auftritt<br />

Gelegenheit für grössere Werbeaktionen.<br />

Die verschobene Aktion mit Mobilisierung<br />

unserer eigenen Leserschaft zur Mitglieder<strong>und</strong><br />

Abonnementswerbung werden wir<br />

demnächst starten. Wir versprechen uns davon<br />

einigen Erfolg.<br />

5701 St<strong>und</strong>en<br />

für den Rheinaub<strong>und</strong><br />

Verteilung nach Arbeitsgebieten<br />

5000<br />

4500<br />

4000<br />

3500<br />

3000<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007<br />

Abonnenten 3375 3252 3498 3193 2980 2795 2706 2645 2561 2629 2361 2442 1981 1760 1570 1489 1456<br />

Mitglieder 907 938 946 935 927 921 911 873 865 846 858 823 798 755 923 967 955<br />

Von den Zeitaufwendungen entfallen 30<br />

Pro zent auf den angewandten Gewäs ser<strong>und</strong><br />

Landschaftsschutz. Dies beinhal tet<br />

insbesondere die Prüfung von Projektauflagen,<br />

Ortstermine, Stellung nah men, Baubeglei<br />

tungen <strong>und</strong> wenn nötig die rechtliche<br />

Interventionen. Mit 27 Prozent schlägt der<br />

Aufwand für die Redaktion <strong>und</strong> Verwaltung<br />

der Zeitschrift „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ zu<br />

Buche. Ein doch sehr erheblicher Teil der<br />

Aufwendungen, nämlich 16 Prozent betrifft<br />

die Umweltbildung (VivaRiva). 6<br />

Prozent des St<strong>und</strong>enaufwandes wird für<br />

Die Grafik zeigt den beachtlichen Anteil<br />

von 33 Prozent bzw. 1898 St<strong>und</strong>en ehrenamtlich<br />

geleisteter Arbeit. Diese Leistung<br />

wurde in der Hauptsache von aktiven<br />

Vorstandsmitgliedern erbracht. Dabei handelt<br />

es sich vorwiegend um anspruchsvolle<br />

Facharbeit. Die Kapitalisierung der<br />

geleisteten Arbeit würde eine Summe<br />

von weit über 100‘000 Franken ergeben!<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> verfügt jedoch auch<br />

über engagierte Personen, welche auch<br />

mal für Einpackarbeiten im Rahmen einer<br />

Versandaktion einspringen <strong>und</strong> sich dabei<br />

mit einem Mittagessen zufrieden geben.<br />

Man darf demnach feststellen, dass<br />

jeder Franken Spendengeld durch den hohen<br />

Einsatz ehrenamtlicher Tätigkeit gute<br />

„Zinsen“ trägt.<br />

Gesamtaufwand<br />

in St<strong>und</strong>en<br />

Total 5701 St<strong>und</strong>en<br />

Ehrenamtliche<br />

Arbeitszeit<br />

33%<br />

Bezahlte<br />

Arbeitszeit 67%<br />

Verteilung<br />

nach Arbeitsgebieten<br />

Umweltbildung<br />

15%<br />

<strong>natur</strong> +<br />

<strong>mensch</strong><br />

25%<br />

Werbung 6%<br />

GF <strong>und</strong><br />

Sekretariat<br />

20%<br />

angewandter<br />

Gewässer- <strong>und</strong><br />

Landschaftsschutz<br />

34%<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 31


Rheinaub<strong>und</strong><br />

Rubrik<br />

Werbung <strong>und</strong> die Spendentätigkeit aufgewendet.<br />

Geschäftsführung <strong>und</strong> Sekretariat<br />

erfordern einen Aufwand von 21 Prozent,<br />

wobei ein grosser Teil in Form von Informations-<br />

<strong>und</strong> Koordinationstätigkeit sowie<br />

die Sitzungsvorbereitung in direktem Zusammenhang<br />

mit den Projekten stehen.<br />

Wie wir uns finanzieren<br />

Nur ein relativ bescheidener Anteil, nämlich<br />

36 Prozent unserer Finanzierung stammt aus<br />

den ordentlichen Beiträgen (<strong>und</strong> Aufr<strong>und</strong>ungen).<br />

32 Prozent sind Spenden auf<br />

Aussendungen oder spontane Spenden von<br />

Grossgönnern <strong>und</strong> Stiftungen.<br />

VivaRiva weist einen sehr hohen Ertrag<br />

aus. Dabei handelt es sich um Starthilfe<br />

von Stiftungen <strong>und</strong> Unternehmen zur Umsetzung<br />

des Projektes. Bei den übrigen<br />

Beiträgen in Höhe von 9 Prozent handelt<br />

es sich vornehmlich um den B<strong>und</strong>esbeitrag<br />

von Fr. 30‘000.00 <strong>und</strong> weitere Beiträge, welche<br />

keinem der anderen Konten zugeordnet<br />

werden können.<br />

CHF<br />

Jahresergebnis im Vergleich<br />

450'000<br />

400'000<br />

350'000<br />

300'000<br />

250'000<br />

200'000<br />

150'000<br />

100'000<br />

50'000<br />

0<br />

-50'000<br />

Erträge<br />

nach<br />

Herkunft<br />

399'576<br />

364'466 366'732 357'770 356'653<br />

331'444<br />

-33'023 -32'844<br />

1'117<br />

2005 2006 Budget 2006<br />

B<strong>und</strong>esbeitrag /<br />

übrige Beiträge<br />

9%<br />

Jahr<br />

Mitglieder<br />

(Beiträge+Spenden)<br />

18%<br />

Ertrag<br />

Aufwand<br />

Ergebnis<br />

VivaRiva /<br />

div. Projekte<br />

23% Jahresbeiträge /<br />

Abos 18%<br />

Spenden<br />

15%<br />

Spenden auf<br />

Aussendungen<br />

17%<br />

Aktive Kooperationen / Mitarbeit in Arbeitsgruppen im Berichtsjahr<br />

• Internationale Bodensee-Stiftung:<br />

Vertretung Rheinaub<strong>und</strong> Philip Taxböck<br />

• Internationale Arbeitsgemeinschaft Re<strong>natur</strong>ierung des Hochrheins:<br />

Vertretung durch Günther Frauenlob<br />

• Projektgruppe „Geschiebehaushalt Hochrhein“:<br />

Die Schweizer NGO-Delegation besteht aus Jürg Bloesch (Rheinaub<strong>und</strong>)<br />

<strong>und</strong> Tobias Winzeler (ARGE Re<strong>natur</strong>ierung Hochrhein).<br />

• CIPRA – Schweiz: Vertretung durch Iris Scholl.<br />

• Pro Thur: Vertretung durch Anna Belser<br />

• Pro Töss: Vertretung durch Andri Bryner <strong>und</strong> Lukas Boller<br />

• Kraftwerk Schaffhausen-Begleitgruppe Ökostrom-Förderbeiträge (BÖF):<br />

Vertretung durch Ruedi Schneider<br />

• Pro Rheinlandschaft Diessenhofen: Mitgliedschaft Rheinaub<strong>und</strong><br />

• Pro Frutt-Engstlenalp: Interessengemeinschaft<br />

• Gen-Au Rheinau: Der Rheinaub<strong>und</strong> ist im Patronatkomitee<br />

durch den Geschäftsführer vertreten.<br />

• Arbeitsgruppe Recht:<br />

Vertretung durch Jean-Pierre Jaccard.<br />

• Verein „Nein zur Initiative des Zürcher Freisinns:<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> gehört zu den 17 Gründerorganisationen der Allianz<br />

gegen diese Initiative.<br />

• Kanton Zürich: Externe Expertengruppe Planungs- <strong>und</strong> Baugesetz:<br />

Von Seiten der Umweltverbände sind nur der Rheinaub<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Pro Natura vertreten.<br />

Seite 32<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Betriebsrechnung <strong>und</strong> Bilanz 2006<br />

Kommentar zur<br />

Betriebsrechnung<br />

Die Ertragsseite weist bei den Mitglieds<strong>und</strong><br />

Abonnementsbeiträgen (1) / (2) grosse<br />

Unterschiede zu den Zahlen des Jah res<br />

2005 aus. Der Gr<strong>und</strong> ist die bei den Mitgliedsbeiträgen<br />

aufgehobene Differen zierung<br />

der Anteile Mitgliedsbeitrag <strong>und</strong> Heft.<br />

Das heisst, bis zum Jahre 2005 wurden der<br />

Anteil Abonnement des Mitgliedsbeitrages<br />

jeweils auf das Konto „Abonnenten“ gebucht.<br />

Neu geht der ganze Mitgliedsbeitrag<br />

zugunsten des Kontos „Mitglieder“. Dies<br />

führt zu höheren Mitgliedsbeiträgen <strong>und</strong><br />

geringeren Abonnementsbeiträgen. Die<br />

Summe bleibt ungefähr gleich.<br />

Der gegenüber dem Budget insbesondere<br />

bei den Mitgliedsbeiträgen geringere<br />

Ertrag lässt sich zum Teil dadurch erklären,<br />

dass grössere Aufr<strong>und</strong>ungen jeweils auf das<br />

Konto „Grossspender“ (Spenden allgemein)<br />

gebucht wurden.<br />

Augenfällig ist die positiv zu Buche schlagende<br />

Abweichung beim Ertragskonto<br />

VivaRiva (8). Die Akquise von finanziellen<br />

Mitteln war hier sehr erfolgreich. Einzelne<br />

Stiftungen haben auch bereits die vollen<br />

Beiträge für die gesamte Startphase von drei<br />

Jahren überwiesen. Insgesamt ist der Ertrag<br />

um ca. Fr. 11‘000.00 höher als budgetiert.<br />

Bei den Aufwendungen sind geringere<br />

Personalkosten unter (10) gegenüber der<br />

Rechnung 2005 verbucht. Dies ist darauf<br />

zurückzuführen, dass die Lohnkosten des<br />

Geschäftsführers für VivaRiva auf dieses<br />

Konto verbucht <strong>und</strong> dort als Eigenleistung<br />

ausgewiesen wurden.<br />

Im Bereich Marketing (12) wurden erheblich<br />

weniger Mittel investiert, indem insbesondere<br />

auf kostspielige Mailings mit gekauften<br />

Adressen verzichtet wurde.<br />

Die Projektkosten (13) sind fast Fr. 12‘000.00<br />

höher als budgetiert, was auf die unvorhergesehenen<br />

Rechtsfälle Ambauenwehr <strong>und</strong><br />

Seerestaurant Uster zurückzuführen ist.<br />

Die sehr viel höheren Aufwendungen bei<br />

VivaRiva (14) ergeben sich durch sehr hohe<br />

Erträge 2005 2006 Budget 2006<br />

1 Mitglieder (Beiträge+Spenden) 34‘936 66‘899 76‘441<br />

2 Abo N+M (Abo+Spenden) 92‘831 65‘904 67‘108<br />

3 Spenden auf Aussendungen 84‘354 63‘803 79‘990<br />

4 Spenden allgemein 70‘500 53‘738 52‘931<br />

5 Beiträge der öffentlichen Hand 30‘000 30‘000 30‘000<br />

6 Finanzerträge 2‘741 2‘416 2‘600<br />

7 Projekte allgemein 6‘707 769 2‘000<br />

8 VivaRiva (ex-Dorfbach) 7‘505 82‘300 46‘000<br />

9 Sonstige Erträge 1‘869 903 700<br />

Aufwendungen 2005 2006 Budget 2006<br />

10 Personal <strong>und</strong> Verwaltung* 164‘075 139‘669 132‘115<br />

11 Zeitschrift N+M 97‘684 100‘433 100‘574<br />

12 Marketing / Aussendungen 59‘317 27‘319 40‘320<br />

13 Projekte allgemein 36‘582 33‘166 21‘144<br />

14 VivaRiva (ex-Dorfbach) 6‘808 98‘989 62‘500<br />

* inkl. Miete, Abschr., Aufw. Mitgliedsbeitr., andere Aufwendungen<br />

Zusammenfassung 2005 2006 Budget 2006<br />

15 Ertrag 331‘444 366‘732 357‘770<br />

16 Aufwand 364‘466 399‘576 356‘653<br />

17 Ergebnis -33‘023 -32‘844 1‘117<br />

Bilanz<br />

Aktiven 2005 2006<br />

18 Flüssige Mittel 106‘317 128‘641<br />

19 Transitorische Aktiven 4‘322 7‘872<br />

20 Wertschriften 33‘310 33‘310<br />

22 Mobiliar / EDV 1‘274 0<br />

23 Total Aktiven 145’233 169‘823<br />

Passiven 2005 2006<br />

24 Kurzfristige Verpflichtungen 96 0<br />

25 Transitorische Passiven 17‘441 30‘536<br />

46 Fondsvermögen 28‘202 72‘637<br />

27 Freies Vermögen 135‘922 99‘494<br />

28 Total Passiven 181’661 202’667<br />

Verlust 32‘844<br />

Die Rechnung wurde von den Rechnungsrevisoren Hans Minder <strong>und</strong> Walter Schmid<br />

geprüft <strong>und</strong> für richtig bef<strong>und</strong>en.<br />

Rückstellungen in den Finanzierungsfonds<br />

VivaRiva. Dies kann positiv gewertet werden,<br />

da diese Rückstellungen nur auf Gr<strong>und</strong> des<br />

sehr guten Resultats der Spendenakquise<br />

möglich waren.<br />

Die Rechnung insgesamt schliesst mit einem<br />

Verlust von Fr. 32844.00 gegenüber einem<br />

budgetierten Verlust von Fr. 1117.00.<br />

Während das freie Vermögen (27) auf<br />

Fr. 99’494.00 abgenommen hat, ist das<br />

Ge samtvermögen infolge hoher Rück stel -<br />

lungen in den Finanzierungsfonds VivaRiva<br />

auf Fr. 169’823.00 gestiegen. Die Wertschrif-<br />

ten sind dabei zum Nominalwert eingesetzt,<br />

der Kurswert ist um ca. Fr. 26‘000.00 höher,<br />

dies, um kein Risiko von nichtrealisierbaren<br />

Kursgewinnen einzugehen.<br />

Ruedi Schneider<br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

Rheinstieg 192<br />

Postfach 1157<br />

8201 Schaffhausen<br />

Tel. 052 625 26 58<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 33


Mitteilungen<br />

Der Rhein: Der grösste<br />

Biotopverb<strong>und</strong> Europas<br />

Auf Begeisterung bei Gewässerschützern<br />

wird sicherlich die kürzlich erschienene<br />

Schrift „Biotopverb<strong>und</strong> am Rhein“ der Internationalen<br />

Rheinschutzkommission (IKSR)<br />

stossen! In ihrem Aktionsprogramm „Rhein<br />

2020“ plant die IKSR entlang des Rheins<br />

vom Bodensee bis Rotterdam den grössten<br />

Biotopverb<strong>und</strong> Europas zu schaffen:<br />

„Der Rhein war <strong>und</strong> ist die Lebensader für<br />

weite Teile Europas. Er verbindet als einziger<br />

Fluss Europas die Alpen mit der Nordsee.<br />

(...) Unsere heutige Landschaft am Rhein<br />

stellt sich häufig als eine Ansammlung<br />

aus Inseln – bewohnt von selten gewordenen<br />

Lebensgemeinschaften – inmitten<br />

eines nahezu unüberwindbaren Meeres<br />

von Siedlungs- <strong>und</strong> landwirtschaftlichen<br />

Intensivnutzflächen dar. (…) Nur mit einem<br />

funktionsfähigen Biotopverb<strong>und</strong> ist für<br />

viele Tier- <strong>und</strong> Pflanzenbestände ein längerfristiges<br />

Überleben <strong>und</strong> eine weitere<br />

Entwicklung möglich.“<br />

Wie die Vernetzung ökologisch wertvoller<br />

Relikte entlang des Rheins im Detail erfolgen<br />

kann, hat die IKSR jetzt in der mit<br />

Farbfotos <strong>und</strong> Abbildungen reichlich ausgestatteten<br />

Broschüre „Biotopverb<strong>und</strong> am<br />

Rhein“ auf 108 Seiten dargelegt. Für jeden<br />

Rheinabschnitt werden ein Ist-Soll-Vergleich<br />

vorgenommen <strong>und</strong> die sich daraus ergebenden<br />

Entwicklungspotenziale dargestellt.<br />

Der sich aus der Defizitanalyse ergebende<br />

Massnahmenplan ist äusserst ehrgeizig –<br />

<strong>und</strong> verdient alle Unterstützung der Umwelt-<br />

NGOs. Und umgekehrt können die Kreis- <strong>und</strong><br />

Ortsgruppen von Naturschutzverbänden vor<br />

Ort am jeweiligen Rheinabschnitt auf die Vorschläge<br />

der IKSR pochen <strong>und</strong> sie nutzen, um<br />

mehr Naturschutz, aber auch mehr Naturerlebnisraum,<br />

am Rhein durchzusetzen. Der<br />

Plan für den Biotopverb<strong>und</strong> am Rhein sollte<br />

demzufolge zur Pflichtlektüre der Umweltgrup<br />

pen <strong>und</strong> anderer interessierter Kreise<br />

im Rheineinzugsgebiet gehören. Und für die<br />

anderen europäischen Stromgebiete beinhaltet<br />

der Plan sicherlich viele Anregungen.<br />

Die Broschüre, die in deutsch, französisch<br />

<strong>und</strong> niederländisch erschienen ist<br />

kann kostenlos bezogen werden von der:<br />

Internationalen Kommission zum Schutz<br />

des Rheins (IKSR), Postfach 20 02 53, D –<br />

56002 Koblenz, Deutschland, Tel.: 0049 261<br />

94252-0, E-Mail: Sekretariat@iksr.de<br />

Quelle: BBU Wasserr<strong>und</strong>brief<br />

Geologie ist unter uns<br />

Gehört das Matterhorn zu Afrika? Wie kommen<br />

Haifischzähne in die Berge? Gibt es<br />

in der Schweiz Tsunamis? Diese <strong>und</strong> weitere<br />

Fragen beantworten Geologinnen<br />

<strong>und</strong> Geologen am 1. <strong>und</strong> 2. Juni 2007<br />

im Rahmen von „Erlebnis Geologie“. An<br />

zahlreichen Standorten in der ganzen<br />

Schweiz lassen sich vertiefte Einsichten in<br />

Gesteine, Gebirge <strong>und</strong> Gebautes gewinnen:<br />

Informative <strong>und</strong> unterhaltsame Geo-Events<br />

gewähren im Feld, im Museum oder auf der<br />

Baustelle Einblicke ins vielseitige <strong>und</strong> spannende<br />

Arbeitsgebiet der Geologie, das sich<br />

von der Erdoberfläche bis zum Erdinnern,<br />

von der Gegenwart bis in tiefste Vorzeiten<br />

erstreckt.<br />

Erlebnis Geologie zeigt, dass hinter vielerlei<br />

Alltäglichem die Arbeit von Geologen<br />

steckt: Nur dank Kenntnis des Untergr<strong>und</strong>es<br />

kann Trinkwasser gewonnen, Erdwärme genutzt,<br />

können Gebäude erstellt oder Warn<strong>und</strong><br />

Schutzsysteme gegen Erdrutsche <strong>und</strong><br />

Hochwasser entwickelt werden.<br />

Erlebnis Geologie findet 2007 erstmals statt<br />

<strong>und</strong> soll alle drei Jahre durchgeführt wer-<br />

den. Der Anlass wird vom gleichnamigen<br />

Verein organisiert <strong>und</strong> bildet den Schweizer<br />

Auftakt zum internationalen UNESCO-Jahr<br />

des Planeten Erde 2008.<br />

Informationen zum Veranstaltungsangebot<br />

gibt es im Internet unter www.erlebnis-geologie.ch<br />

Fischereiexperten: Zukunft des<br />

Aals bedroht – EU soll helfen<br />

Die Zukunft des europäischen Aals ist nach<br />

Expertenansicht gefährdet. Glasaalfische rei,<br />

Flussverbauungen, Kraftwerke, Umweltverschmutzung<br />

<strong>und</strong> Kormorane hätten die<br />

Fischart bereits stark reduziert, sagte Klaus<br />

Wysujack von der B<strong>und</strong>esforschungsanstalt<br />

für Fischerei am Montag in Hamburg. Der<br />

Aal sei der einzige Fisch, der in jedem Alter<br />

gefischt werde, betonte der Fischereibiologe<br />

Manfred Klinkhardt. In Deutschland wurden<br />

2006 r<strong>und</strong> 3300 Tonnen Aal verzehrt,<br />

pro Kopf etwa 40 Gramm. Die EU will nach<br />

Angaben des B<strong>und</strong>eslandwirtschaftsministeriums<br />

mit einem Aktionsplan eine Er-<br />

Immer weniger Glasaale<br />

erreichen die europäischen<br />

Küsten.<br />

Seite 34 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


holung der Bestände ermöglichen. Managementpläne<br />

könnten noch in diesem Jahr<br />

in Kraft treten.<br />

Deutschland will beim EU-Plan die besondere<br />

Lebensweise der Aale berücksichtigen. Es<br />

reiche nicht, nur den Fang der erwachsenen<br />

Tiere in den europäischen Flüssen zu reduzieren,<br />

um eine ausreichende Zahl von Aalen<br />

zu erhalten, die den Zug in das Laichgebiet<br />

in der Sargassosee im Westatlantik antreten<br />

können. Verzehr <strong>und</strong> Export von Glasaalen<br />

müsse reduziert werden, um genügend<br />

Nachwuchs für die Fischerei zu haben.<br />

Glasaale sind die wenige Zentimeter langen,<br />

jungen Tiere, die nach einer Reise von mehreren<br />

tausend Kilometern durch den Atlantik<br />

vor den europäischen Küsten auftauchen, um<br />

ihre Wanderung in die Flüsse zu beginnen.<br />

Mitte der 90er Jahre waren noch mehr als<br />

900 Tonnen Glasaale in Europa gefangen<br />

worden. 2006 waren es nur noch r<strong>und</strong> 100<br />

Tonnen, davon wurde knapp die Hälfte als<br />

Besatz für Aquakulturen in Asien verkauft.<br />

Der Preis pro Kilo Glasaal stieg in dieser Zeit<br />

von 80 auf mehr als 1000 Euro.<br />

Quelle: dpa<br />

Es wird heiss in den Alpen<br />

Im kürzlich veröffentlichten zweiten Teil des<br />

Uno-Klimaberichts werden erstmals spezifische<br />

Angaben über die Auswirkungen<br />

des Klimawandels in einzelnen Ländern <strong>und</strong><br />

Regionen gemacht.<br />

Nach Meinung des Intergovernmental Panel<br />

on Climate Change IPCC sind die Alpen eine<br />

der Regionen in Europa, die von Hitzewellen<br />

<strong>und</strong> Dürren am stärksten betroffen werden.<br />

Gemäss den KlimaforscherInnen wird die<br />

heimische Flora in den Alpen durch immergrüne<br />

Pflanzen verdrängt, verschiebt sich<br />

in immer grössere Höhen oder ist gar vom<br />

Aussterben bedroht. Durch die Erwärmung<br />

werden kleine Gletscher ganz verschwinden<br />

<strong>und</strong> grössere bis ins Jahr 2050 um 30 bis 70%<br />

zurückgehen. Dies führt zu Engpässen in der<br />

Wasserversorgung, da die Gletscher als natürliche<br />

Reservoire fehlen. Ausserdem werden<br />

sich durch das Schmelzwasser grossere<br />

Seen bilden, die ein hohes Ausbruchs- <strong>und</strong><br />

Überschwemmungsrisiko bergen. Durch<br />

die Temperaturerhöhung verlängert sich<br />

die schneefreie Zeit. Bei einer Erwärmung<br />

um zwei Grad Celsius <strong>und</strong> gleich bleibender<br />

Niederschlagsmenge rechnet der<br />

Klimawissenschaftsrat mit 50 zusätzlichen<br />

Tagen ohne Schnee.<br />

Quelle <strong>und</strong> Infos:<br />

http://www.ipcc.ch (en/fr/es)<br />

CIPRA legt Memorandum zur<br />

Zukunft in den Alpen vor<br />

Die Internationale Alpenschutzkommission<br />

CIPRA formuliert in einem Memorandum<br />

politische Forderungen für die zukünftige<br />

Entwicklung des Alpenraumes. Die<br />

Forderungen sind ein Resultat aus dem<br />

Projekt „Zukunft in den Alpen“.<br />

Die Zukunft gehört denen, die sie mitgestalten.<br />

In den Alpen arbeiten ungezählte<br />

Initiativen mit abertausenden AktivistInnen<br />

als Zukunftsmacher. Doch wissen viele von<br />

ihnen nicht, dass irgendwo Menschen an<br />

exakt den gleichen Problemen arbeiten wie<br />

sie. An dieser Stelle setzt das CIPRA-Projekt<br />

„Zukunft in den Alpen“ an, indem alpenweit<br />

Erfahrungswissen gesammelt, geordnet <strong>und</strong><br />

jenen zur Verfügung gestellt wird, die dieses<br />

Wissen benötigen.<br />

Um politische Forderungen <strong>und</strong> Schlussfolgerungen<br />

aus dem gesammelten Wissen<br />

von „Zukunft in den Alpen“ zusammenzufassen,<br />

haben sich am 8./9. Dezember 2006<br />

CIPRA-VertreterInnen aus sieben Staaten<br />

in Schaan/FL getroffen <strong>und</strong> das „Schaaner<br />

Wissen verbreiten -<br />

Menschen vernetzen“<br />

lautet das Motto von<br />

„Zukunft in den Alpen“<br />

Memorandum zur Zukunft in den Alpen“<br />

formuliert. Wenn im Rahmen von „Zukunft<br />

in den Alpen“ beispielsweise aufgezeigt<br />

werden konnte, dass gesellschaftliche <strong>und</strong><br />

wirtschaftliche Prosperität nicht allein von<br />

der verkehrstechnischen Erreichbarkeit von<br />

Regionen abhängt, so fordert die CIPRA,<br />

dass Modelle wirtschaftlichen Erfolgs ohne<br />

harte Erschliessungsmassnahmen gefördert<br />

werden <strong>und</strong> dass die Erforschung<br />

der Erfolgsfaktoren solcher Modelle vorangetrieben<br />

wird. An anderer Stelle geht<br />

aus „Zukunft in den Alpen“ hervor, dass bei<br />

TouristInnen angesichts zahlreicher Kategorien<br />

von Schutzgebieten mehr Verwirrung<br />

als Klarheit herrscht. Darum setzt sich die<br />

CIPRA für eine qualitativ hochwertige Schutzgebietsentwicklung,<br />

alpenweit verbindliche<br />

Qualitätskriterien <strong>und</strong> den Verzicht auf<br />

Etikettenschwindel ein.<br />

Das im Rahmen von „Zukunft in den Alpen“<br />

gesammelte Knowhow gibt eine umfassende<br />

Übersicht über Planungen, politische<br />

Handlungsstrategien <strong>und</strong> Projekte in den<br />

Alpen. Für das aktuelle CIPRA Info mit dem<br />

Titel „Wissen verbreiten - Menschen vernetzen“<br />

wurden die wichtigsten vorliegenden<br />

Ergebnisse in kompakter Form zusammengefasst<br />

<strong>und</strong> sind so dem interessierten Publikum<br />

leicht zugänglich. Informationen zu „Zukunft<br />

in den Alpen“ finden sich auf http://www.<br />

cipra.org, wo auch das CIPRA Info gratis bestellt<br />

sowie das Schaaner Memorandum heruntergeladen<br />

werden kann.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 35


Buchbesprechungen<br />

Klima – Wandel – Alpen<br />

Cipra Tagungsband 23/2006<br />

Hrsg.: CIPRA<br />

oekom verlag, Gesellschaft für ökologische<br />

Kommunikation mbH, 2006<br />

143 Seiten<br />

ISBN 978-3-86581-069-4<br />

Preis: € 24,90<br />

Die Alpen gelten als Frühwarnsystem für die<br />

Auswirkungen des Klimawandels: Einerseits<br />

stieg die Durchschnittstemperatur in den<br />

Alpen in den letzten 50 Jahren doppelt<br />

so stark wie im globalen Durchschnitt.<br />

Gleichzeitig reagiert der Alpenraum besonders<br />

sensibel auf Klimaveränderungen.<br />

Da das globale Klimasystem sehr träge reagiert,<br />

sind einschneidende Folgen selbst<br />

dann unvermeidlich, wenn internationale<br />

Klimaschutzziele verschärft <strong>und</strong> global<br />

umgesetzt würden. Der Tagungsband<br />

richtet seinen Fokus daher auf die zunehmende<br />

Gefährdung alpiner Regionen durch<br />

Naturgefahren <strong>und</strong> die Folgen des Klimawandels<br />

für den Alpentourismus. Einen<br />

Schwerpunkt bildet auch hier die Vorstellung<br />

lokaler <strong>und</strong> regionaler Good-Practice-Beispie<br />

le, bei denen nachhaltige Strategien<br />

für den Umgang mit zunehmenden Naturgefahren<br />

<strong>und</strong> Anpassungsstrategien der Touris<br />

muswirtschaft umgesetzt worden sind.<br />

Günther Frauenlob, Waldkirch<br />

Gehen<br />

Der glücklichste Mensch auf Erden<br />

Aurel Schmidt<br />

Huber Frauenfeld, 2007<br />

ISBN: 978-3-7193-1446-0<br />

306 Seiten<br />

Preis: Sfr.: 48,- / € 31,90<br />

„Wenn einer eine Reise macht, dann kann<br />

er was schreiben.“ Dass dieser Satz nicht immer<br />

stimmen muss, zeigt auf anstrengende<br />

Weise das eben erschienene Buch „Gehen<br />

– Der glücklichste Mensch auf Erden“ von<br />

Aurel Schmidt. Es ist ein Versuch, bis ins<br />

Detail den mechanischen, philosophischen<br />

<strong>und</strong> kulturgeschichtlichen Fragen r<strong>und</strong><br />

um das Gehen nachzugehen. Eigentlich eine<br />

lobenswerte Sache: in unserer Sitz-geprägten<br />

Zivilisation erscheint uns diese<br />

Fortbewegungsart längst nicht mehr als die<br />

selbstverständlichste. Und darüber hinaus<br />

sind auch die mit dem Gehen verb<strong>und</strong>enen<br />

positiven Wirkungen für die körperliche <strong>und</strong><br />

seelisch-geistige Ges<strong>und</strong>heit des Menschen<br />

bei den meisten in Vergessenheit geraten.<br />

Auf diese schönen Erwartungen folgt dann<br />

allerdings die Ernüchterung auf dem Fusse:<br />

277 Seiten hin zieht sich wie ein endloser<br />

Bandwurm eine mit vielen Wiederholungen<br />

gespickte Aneinanderreihung von Notizzettelartigen<br />

historischen Hinweisen, die sich<br />

strukturlos mit seltsam trockenen <strong>und</strong> faden<br />

Bemerkungen zu einem schwer lesbaren Brei<br />

mischen. Der Autor bewegt sich nur mit kleinen<br />

Trippelschritten in den immer gleichen<br />

kleinen Kreisen <strong>und</strong> der Leser versucht hinterher<br />

zu kommen <strong>und</strong> dabei über die nicht<br />

seltenen sprachlichen Ungenauigkeiten <strong>und</strong><br />

Widersprüchlichkeiten hinweg zu sehen.<br />

Fazit: Die drei bis vier St<strong>und</strong>en, die Sie<br />

bräuchten, um ein überflüssiges Buch mehr<br />

– sitzenderweise! – zu lesen, nutzen Sie stattdessen<br />

gewinnbringend mit einigen persönlichen<br />

Geh-Versuchen!<br />

Uwe Scheibler, Göttingen<br />

AlpenStadt – AlpenLand<br />

CIPRA Tagungsband 2005/22<br />

Hrsg. CIPRA<br />

Oekom verlag, Gesellschaft für ökologische<br />

Kommunikation mbh, 2007<br />

69 Seiten<br />

ISBN: 978-86581-068-7<br />

Preis: € 19,90<br />

Unser Blick auf die Alpen ist durch idyllische<br />

oder gar mystische Vorstellungen geprägt,<br />

<strong>und</strong> wir nehmen die Alpen meist als Region<br />

mit ländlichem Charakter wahr. Doch ist uns<br />

kaum bewusst, dass heute gut zwei Drittel<br />

der Bevölkerung der Alpen in Städten <strong>und</strong><br />

Agglomerationen leben.<br />

Der Tagungsband widmet sich dem Spannungsfeld<br />

AlpenStadt – AlpenLand <strong>und</strong> den<br />

daraus entstehenden Heraus forderungen für<br />

Politik <strong>und</strong> Raumplanung, für Bevölkerung<br />

<strong>und</strong> Tourismus. Die Autorinnen <strong>und</strong> Autoren<br />

greifen Impulse lokaler <strong>und</strong> regionaler<br />

Good-Practice-Beispiele auf <strong>und</strong> entwickeln<br />

Strategien im Sinne einer Nachhaltigen<br />

Entwicklung. So entsteht ein neues Konzept<br />

der Wahrnehmung: Alpenstädte übernehmen<br />

eine Rolle als Motoren der Entwicklung<br />

des Alpenraumes. Die Politik wird aufgefordert,<br />

die nötigen Prioritäten zu setzen, damit<br />

alpine Zentren ihre Verantwortung für<br />

die Alpen aktiv wahrnehmen können.<br />

Günther Frauenlob, Waldkirch<br />

Seite 36<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007


Termine / Aktuelles<br />

Zukunft in den Alpen<br />

Die Qualität des Natur- <strong>und</strong> Kulturraums: Wie<br />

der Tourismus einen Mehrwert für die Bergge<br />

meinden schaffen kann<br />

Wissen verbreiten – Menschen vernetzen: Inter<br />

nationale Workshopreihe 2006-2007 von<br />

„Zukunft in den Alpen“ 31.5.2007 – 1.6.2007<br />

Umweltqualität, Landschaftsschutz <strong>und</strong><br />

Erhalt der Biodiversität sind entscheidend<br />

für eine nachhaltige Entwicklung. Sie sind<br />

die wichtigste Gr<strong>und</strong>lage eines Tourismus,<br />

der einen realen Wertzuwachs für den<br />

Alpinen Raum anstrebt. Im Zentrum des<br />

Workshops in Chiavenna steht die Zukunft<br />

des alpinen Tourismus, beeinflusst durch<br />

den Klimawandel <strong>und</strong> die sich ändernden<br />

Ansprüche der AlpentouristInnen: sie erwarten<br />

nicht nur gut erschlossene Skigebiete,<br />

sondern auch eine intakte Naturlandschaft,<br />

alpine Kultur <strong>und</strong> lokale Produkte.<br />

Sprache: de, it<br />

Ort: Chiavenna / IT<br />

Veranstalter:<br />

Cipra Italia, Francesco Pastorelli<br />

Via Pastrenge 13, IT 10128 Torino, Italien<br />

Tel.: 0039 (0)11 548 626<br />

Francesco.pastorelli@cipra.org<br />

Mitgliederversammlung<br />

<strong>und</strong> Jahrestagung des Forums<br />

Landschaft<br />

12. Juni 2007, Bern:<br />

Landschaften vor unserer Haustüre -<br />

Qualitäten für den Alltag?<br />

Gibt es verborgenen Qualitäten unser Alltags<br />

landschaften? Wie lassen sie sich erkennen,<br />

entwickeln, gestalten?<br />

Das Forum Landschaft lädt alle Mitglieder<br />

<strong>und</strong> Interessierte zur Tagung <strong>und</strong> Diskussion<br />

ein.<br />

Das Programm liegt Ende April vor.<br />

Organisiert durch: Forum Landschaft<br />

Räumlichkeit: Universität Bern, Kuppelsaal<br />

weitere Infos: office@forumlandschaft.ch,<br />

www.forumlandschaft.ch<br />

Die Zeit des Mammuts<br />

Ein in der Schweiz einmaliges <strong>und</strong> aussergewöhnliches<br />

Ereignis: Das Naturhistorische<br />

Museum Neuenburg beherbergt die Sonderausstellung<br />

„Au temps des mammouths“<br />

(„Die Zeit des Mammuts“) des Nationalen<br />

Naturhistorischen Museums von Paris. Auf<br />

einer Fläche von 500 m 2 werden die verschiedensten<br />

Aspekte des „Mythos Mammut“<br />

thematisiert: Seine Lebensweise, seine<br />

Beziehung zum Menschen, das Aussterben<br />

der letzten Art, des Wollhaarmammuts, dem<br />

sich die Ausstellung vorwiegend widmet. Der<br />

grosse Pflanzenfresser taucht vor ungefähr<br />

600‘000 Jahren im Osten Sibiriens auf. Das<br />

Tier ist der kalten Umwelt gut angepasst <strong>und</strong><br />

profitiert von der schrittweisen Abkühlung<br />

des Planeten, um sich auf dem gesamten eurasischen<br />

Kontinent auszubreiten.<br />

Zwei verschiedene Menschenarten haben<br />

das Wollhaarmammut gekannt: der Neandertaler<br />

(homo neanderthalensis) <strong>und</strong> der<br />

moderne Mensch (homo sapiens). Der Neandertaler<br />

hat vor 200‘000 bis 30‘000 Jahren<br />

seine Welt mit dem Mammut geteilt, der<br />

moderne Mensch ist vor ungefähr 40‘000<br />

Jahren in Europa aufgetaucht. Ihm haben<br />

wir Felsmalereien sowie die Kreation von<br />

Schmuck <strong>und</strong> Gebrauchsgegenständen aus<br />

Knochen <strong>und</strong> Elfenbein des Mammuts zu<br />

verdanken.<br />

Zu den spektakulärsten Objekten der Ausstellung<br />

gehören ein in Lebensgrösse rekonstruiertes,<br />

ausgewachsenes Mammut,<br />

eine prähistorische, aus Mammutschädeln<br />

<strong>und</strong> Stosszähnen gebaute Hütte mit einem<br />

Durch messer von 5 m, der Abguss eines<br />

volls tändig erhaltenen Mammutbabys, die<br />

Nach bildung des Mammutskeletts von Vollos<br />

sovitch <strong>und</strong> … sogar gefrorenes Kno chenmark.<br />

Das Team des Naturhistorischen Museums<br />

Neuchâtel hat die Ausstellung um einen<br />

au temps des mammouths<br />

18. Februar 2007 – 16. September 2007<br />

Geöffnet Dienstag – Sonntag, 10–18 Uhr<br />

Muséum d’histoire <strong>natur</strong>elle<br />

Rue des Terreaux 14<br />

CH-2000 Neuchâtel<br />

Saal über die Entdeckung der Mammuts in<br />

der Schweiz erweitert. Neulich gemachte<br />

Entdeckungen in der Gemeinde Courtedoux<br />

(Kanton Jura) werden zum ersten Mal ausgestellt.<br />

Alpenforschung – wie weiter?<br />

Bilanz <strong>und</strong> Perspektiven des NFP 48 aus der<br />

Sicht der Geistes- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften<br />

Datum: 30.05.2007<br />

Ort: Fachhochschule für Soziale Arbeit<br />

Luzern (HSA) «Lakefront-Center», Luzern<br />

“Landschaften <strong>und</strong> Lebensräume der Alpen“,<br />

unter diesem Titel lancierte der Schweizerische<br />

Nationalfonds (SNF) im Jahr 2000<br />

ein Nationales Forschungsprogramm (NFP<br />

48), das zum Ziel hatte, ein verstärktes<br />

Be wusstsein über die Kollektivgüter Landschaften<br />

<strong>und</strong> Lebensräume in ihrer umfassenden<br />

gesellschaftlichen Bedeutung<br />

zu schaffen <strong>und</strong> eine Übersicht über die<br />

Gestaltungsmöglichkeiten unter den aktuellen<br />

<strong>und</strong> künftigen Rahmenbedingungen<br />

zu erarbeiten. Diesem Gesamtziel implizit<br />

ist der Anspruch, die Thematik ausgesprochen<br />

interdisziplinär sowie geistes- <strong>und</strong> sozialwissenschaftlich<br />

anzugehen. Im Rahmen<br />

der Tagung von Luzern wird den folgenden<br />

Fragen nachgegangen:<br />

Welches sind die Resultate? Welche Forschungslücken<br />

konnten geschlossen werden?<br />

Wurde die Forschung auch tatsächlich<br />

interdisziplinär betrieben, so wie es der<br />

Anspruch gewesen war? Diesen Fragen ist<br />

der erste Teil der Tagung gewidmet.<br />

Im zweiten Teil wird ein Blick in die Zukunft<br />

der Alpenforschung aus einer interdisziplinären<br />

<strong>und</strong> internationalen Perspektive<br />

ver sucht. So legen international renommierte<br />

Alpenforscher aus verschiedenen<br />

Disziplinen (Geschichtswissenschaften, Ökonomie,<br />

Geografie, Raumplanung) dar, welche<br />

Forschungsfragen <strong>und</strong> -themen sie als<br />

nächstes bearbeitet sehen möchten. Das<br />

Publikum ist eingeladen, sich an der anschliessenden<br />

Diskussion aktiv zu beteiligen.<br />

PDF-Download: alpenforschung_def.pdf<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007<br />

Seite 37


Rubrik<br />

<strong>natur</strong><br />

<strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong><br />

49. Jahrgang • Heftnummer 2 / 2007<br />

Jährlich 6 Nummern • Erscheinungsdatum 30.4.2007<br />

Herausgeber: Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />

Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />

Autoren dieser Ausgabe:<br />

Heidi Haag<br />

Maya Kohte<br />

Johannes Stoffler<br />

Jürg Bloesch<br />

Ueli Rippmann<br />

Lukas Boller<br />

Kathrin Jaag<br />

Günther Frauenlob<br />

Ruedi Schneider<br />

Auch 2007 steht der Schutz der Gewässer<strong>und</strong><br />

Gewässerlandschaften im Mittelpunkt<br />

der Aktivitäten des Rheinaub<strong>und</strong>es, eine sehr<br />

wichtige Aufgabe, wie die Beiträge zum Jahresbericht<br />

2006/2007 in diesem Heft zeigen.<br />

Foto: photocase.de<br />

www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />

Seite 38 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2007

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