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natur und mensch - Rheinaubund

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<strong>natur</strong><br />

<strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong><br />

52. Jahrgang • Heftnummer 2 / 2010<br />

50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

La <strong>natur</strong>e et l’homme<br />

La <strong>natur</strong>a e l’uomo<br />

La natira e l’uman<br />

50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Tagliamento<br />

Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong><br />

50 JAHRE<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 43


<strong>natur</strong><br />

<strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong><br />

52. Jahrgang • Heftnummer 2 / 2010<br />

Schweizerische Blätter<br />

für Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />

Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />

Redaktion:<br />

Günther Frauenlob (gf) Dipl. Geogr.<br />

Geschäftsstelle des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

<strong>und</strong> Redaktion:<br />

Weinsteig 192, Postfach 1157<br />

CH-8200 Schaffhausen<br />

Telefon: 052 625 26 58<br />

Telefon Redaktionsbüro:<br />

052 625 26 67<br />

Fax: 052 625 26 51<br />

E-mail: redaktion@rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />

www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />

Postcheck 82-3003-8 Schaffhausen<br />

Postbank Karlsruhe BLZ 660 100 75<br />

Konto 300 550 758<br />

Satz:<br />

Diener + Bachmann GmbH<br />

Martin Diener, Nordstr. 108, 8037 Zürich<br />

Layout:<br />

Günther Frauenlob, Christoph Frauenlob<br />

Druck <strong>und</strong> Spedition:<br />

Ropress Genossenschaft<br />

Baslerstr. 106, 8048 Zürich<br />

Abonnementspreise 2008:<br />

Inland Fr. 45.–, Ausland € 31.–,<br />

Einzelheft Fr. 8.–<br />

ISSN 0466-5899<br />

Erscheinungsweise 6 x jährlich<br />

Nachdruck von Beiträgen aus<br />

„Natur <strong>und</strong> Mensch“ werden gestattet unter<br />

Quellenangabe <strong>und</strong> Zusand von 2 Belegen.<br />

Die veröffentlichten Beiträge geben die<br />

Meinung der Autorinnen <strong>und</strong> Autoren wieder<br />

<strong>und</strong> müssen nicht immer der Auffassung des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es entsprechen.<br />

Titelbild:<br />

Foto: Wikimedia Commons Johann Jaritz<br />

Inhalt<br />

Gewässer<br />

2 Wildflussaue Tagliamento:<br />

Vision <strong>und</strong> Mahnmal für den Gewässerschutz<br />

Lukas Indermaur<br />

8 50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong> : Wende zum „Wassermann“ ? Für die<br />

Berücksichtigung der psychischen Dimension im Gewässerschutz<br />

Brigitte Egger<br />

11 Wie die Volksinitiative «Lebendiges Wasser» den Gewässerschutz<br />

voranbrachte<br />

Felix Wirz<br />

16 PRO – Einspeisevergütung <strong>und</strong> Wasserkraft:<br />

Das ewige Dilemma zwischen Nutzung <strong>und</strong> Schutz<br />

Michael Kaufmann<br />

18 CONTRA – Einspeisevergütung <strong>und</strong> Wasserkraft:<br />

Wasserkraft ja, aber nur umweltverträglich<br />

Hans Fritschi<br />

20 Nachhaltige Wasserkraft: Weniger ist mehr<br />

Luca Vetterli, Roland Seiler<br />

Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

23 Blickpunkt ungezähmte Gewässer: 50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Matthias Nast<br />

28 Im Gespräch mit den Zeitzeugen Gerold Meier <strong>und</strong> Walter Büsch<br />

30 50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong> – Gedanken zum Jubiläum<br />

31 Tätigkeitsbericht Rheinaub<strong>und</strong> 2009–2010<br />

37 Tätigkeitsbericht VivaRiva 2009–2010<br />

38 Jahresrechnung Rheinaub<strong>und</strong> 2009–2010<br />

Letzte Seite<br />

41 Jubiläumsprogramm 50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Assoziierte Organisationen:<br />

Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Aare<br />

AQUA VIVA<br />

IG Bielersee<br />

ARGE Pro Thur<br />

PROTÖSS<br />

Bodensee-Stiftung<br />

Verband zum Schutze des Greifensees<br />

Schweizerische Greina-Stiftung<br />

Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


Editorial<br />

50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

50 Jahre <strong>und</strong> wach wie je<br />

Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser<br />

Ein langer Kampf macht reich an Erfahrungen. Er kann auch müde machen. So sind denn Weisheit<br />

<strong>und</strong> Müdigkeit, um es mit den Worten von Stefan Zweig zu sagen, „zwei Gefühle, die einander<br />

gefährlich gleichen“. Wir kämpfen 2010 seit fünfzig Jahren für lebendige Flüsse <strong>und</strong> lebenswerte<br />

Wasserlandschaften. Da hat sich viel Weisheit<br />

angesammelt in dieser Zeit. Müde geworden<br />

ist unsere Organisation deswegen sicher nicht.<br />

Vielmehr profitiert der Rheinaub<strong>und</strong> vom Wissen<br />

<strong>und</strong> der Erfahrung der älteren Rheinaukämpferinnen<br />

<strong>und</strong> -kämpfer. Auf diesem<br />

F<strong>und</strong>ament lässt sich auch Modernes bauen.<br />

Das motivierte Team, das aktuell auf der<br />

Geschäftsstelle <strong>und</strong> im Vorstand wirkt, sprüht<br />

vor Ideen <strong>und</strong> will handeln. Wir suchen neue<br />

Lösungen für die alten Probleme im Gewässerschutz<br />

<strong>und</strong> der Aufwertung von natürlichen<br />

oder <strong>natur</strong>nahen Gewässerlandschaften.<br />

Einfach ist das nicht. Immer mehr beobachten<br />

wir, wie sich die Verantwortlichen in Ämtern<br />

<strong>und</strong> Behörden um Entscheide herumdrücken.<br />

Konzepte <strong>und</strong> Studien werden zwar am Laufmeter<br />

produziert, doch der ges<strong>und</strong>e Menschenverstand<br />

bleibt auf der Strecke. Statt<br />

mutig für die Sache der Fliessgewässer einzustehen<br />

– eine Sache nota bene, die gemäss<br />

jüngsten Umfragen 72% der Bevölkerung<br />

unterstützt – wird versucht, „es allen Recht<br />

zu machen“. Da <strong>und</strong> dort noch ein neues<br />

Kraftwerkli kann doch nicht so schlimm sein,<br />

wird argumentiert. Verdrängt wird dabei, dass<br />

weltweit kein anderes Land seine Wasserkraft<br />

bereits so stark ausgebaut <strong>und</strong> seine Gewässer<br />

verbaut hat wie die Schweiz <strong>und</strong> dass längst nicht alles, was ist, einfach gut ist. Verdrängt werden<br />

aber mit diesem Zaudern <strong>und</strong> der Angst vor juristischen Spitzfindigkeiten vor allem die kreativen<br />

Ansätze: Dynamische Staukoten, ökologische Ersatzmassnahmen ausserhalb der<br />

Konzessionsstrecken, multifunktionale Umgehungsgewässer, gezielter Ausbau am einen, aber<br />

dafür Rückbau am anderen Ort, intelligente Kombination von Auen- <strong>und</strong> Hochwasserschutz – um<br />

nur einige Beispiele zu nennen.<br />

Schon ganz am Anfang unserer Geschichte, im Kampf gegen die Kraftwerke Rheinau <strong>und</strong> am Spöl im<br />

Nationalpark, erschöpfte sich das Engagement des Rheinaub<strong>und</strong>es nicht im Einsatz GEGEN die zwei<br />

Projekte. Mit den Vorschlägen FÜR ein Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzgesetz brachten unsere<br />

Gründerinnen <strong>und</strong> Gründer auf B<strong>und</strong>esebene konstruktive Vorschläge ein, die zu einem<br />

tragfähigen, noch heute gültigen Werk führten. 1975 nahm das Volk den Verfassungsartikel<br />

an, der den B<strong>und</strong> verpflichtet, angemessene Restwassermengen zu sichern. Und 1992<br />

trat das neue Gewässerschutzgesetz in Kraft, welches unter anderem festlegt, wie diese<br />

Restwassermengen festzulegen sind. Immer hat der Rheinaub<strong>und</strong> mitgestaltet <strong>und</strong> sich an<br />

vorderster Front für den Vollzug des Errungenen stark gemacht. Und das wollen wir auch<br />

im 51. Vereinsjahr: wach, intelligent, aktiv <strong>und</strong> kreativ, statt durchschnittlich <strong>und</strong> angepasst.<br />

Intelligenter Wasserbau<br />

muss nicht teuer sein.<br />

Biberbäume <strong>und</strong><br />

Schwemmholz schaffen<br />

ökologisch wertvolle<br />

<strong>und</strong> selten gewordene<br />

Strukturen.<br />

Foto A. Bryner<br />

Andri Bryner, Interimspräsident Rheinaub<strong>und</strong><br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 1


Gewässer<br />

Wildflussaue Tagliamento:<br />

Vision <strong>und</strong> Mahnmal für den Gewässerschutz<br />

Der Tagliamento-Fluss in Norditalien ist der letzte grosse ungezähmte Wildfluss in<br />

Mitteleuropa. Über 170 km fliesst er in einem bis zu 2 km breiten Bett. Er gilt aufgr<strong>und</strong><br />

seiner Naturbelassenheit international als Modellökosystem. Vom Tagliamento<br />

lernen wir: 1. Flussauen sind Zentren der Biodiversität; 2. Flussauen<br />

brauchen zur Erfüllung ihrer natürlichen Funktionen viel mehr Raum als heute<br />

zugestanden <strong>und</strong> sogar gefordert wird; 3. Natürliche Abfluss-, Geschiebe- <strong>und</strong><br />

Schwemmholzdynamik sind Herzschlag <strong>und</strong> Blut der Aue. Ohne Dynamik verschwinden<br />

Pionierlebensräume, die für den Erhalt aquatischer Biodiversität entscheidend<br />

sind: Offene Schotterflächen, Pioniervegetation <strong>und</strong> Tümpel. Flussrevitalisierungen<br />

können diesem Trend entgegenwirken, wobei der Tagliamento<br />

für die Definition von Leit- <strong>und</strong> Entwicklungszielen von unschätzbarem Wert ist.<br />

Von Lukas Indermaur<br />

Der Tagliamento ist das hydrologisch <strong>und</strong><br />

morphologisch weitgehend intakte, kulturelle<br />

<strong>und</strong> landschaftliche Rückgrat der Region<br />

Friaul-Julisch Venetien. Er ist über 170<br />

km lang, entspringt den friulanischen Alpen<br />

<strong>und</strong> mündet oberhalb von Venedig in die<br />

Adria. Der Tagliamento verbindet die Alpen<br />

mit dem Mittelmeerraum <strong>und</strong> ist damit<br />

einer der wichtigsten Ausbreitungskorridore<br />

für Pflanzen <strong>und</strong> Wildtiere im Alpenraum.<br />

Seine ungebändigte Kraft entfaltet der Tagliamento<br />

in einem bis zu 2 km breiten Schotterbett.<br />

Dabei gestaltet er ein komplexes<br />

<strong>und</strong> vielfältiges Lebensraum-Mosaik 1–3) . Der<br />

Oberlauf ist gestreckt, geprägt von grobkörnigem<br />

Schotter. Im Mittellauf fliesst der<br />

Tagliamento verzweigt zwischen Inseln,<br />

Sand- <strong>und</strong> Schotterbänken. Im Unterlauf<br />

mäan driert der Tagliamento, die Sedimente<br />

sind zunehmend tonig 2) .<br />

Abschnitt mit Inseln, charakteristisch<br />

für den 90 km langen<br />

Mittellauf – einzigartig im<br />

Alpenraum.<br />

Foto: Lukas Indermaur<br />

Seite 2 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Visitenkarte der Tagliamento-<br />

Wildflussaue<br />

Der Tagliamento führt im Jahresmittel<br />

90 m 3 /s Wasser. Ein- bis zweijährliche Hochwasser<br />

erreichen 1100 m 3 /s, meist im Herbst<br />

<strong>und</strong> Frühjahr, ein h<strong>und</strong>ertjährliches Hochwasser<br />

4300 m 3 /s 4, 5) .<br />

Der 90 km lange verzweigte Mittellauf mit<br />

Inseln ist einzigartig im Alpenraum. Der<br />

Flusskorridor (Auenwald <strong>und</strong> Flussbett)<br />

misst 150 km 2 was etwa der Fläche des<br />

Schweizerischen Nationalparks entspricht.<br />

die Fläche des Flussbetts misst 61.7 km 2 . Davon<br />

sind 63% Schotter, 19% Wasser, 16% Inseln<br />

<strong>und</strong> 2% Schwemmholz 3, 6) . Über 650 gehölztragende<br />

Inseln prägen das Flussbett 3, 7) .<br />

Stillgewässer sind noch in hoher Anzahl zu<br />

finden, 181 in einem 2 km 2 grossen Abschnitt<br />

des Mittellaufes 8, 9) . Die durchschnittliche<br />

Ufererosionsrate am Tagliamento beträgt<br />

6–8 m pro Jahr. Entsprechend zeigt<br />

der Tagliamento eine beeindruckende Uferlänge:<br />

Je Flusskilometer fallen am Tagliamento<br />

25 km Uferlänge an. Zum Vergleich,<br />

an der Donau sind es 8 km <strong>und</strong> an der<br />

Rhône 2 km 10) .<br />

Für Pionierarten, welche auf offene Flächen<br />

angewiesen sind, ist der Tagliamento ein Paradies<br />

11) . Im Mittellauf kommen auf 125<br />

Hektaren Schotter <strong>und</strong> Inseln 16% der 2780<br />

Arten höherer Pflanzen vor 12) . Vom Flussregenpfeiffer<br />

brüten 22 Paare pro Flusskilometer<br />

13) . Im Flusskorridor leben 89 Laufkäferarten,<br />

wovon ein Drittel auf der Roten<br />

Liste rangiert 14) . Im Mittellauf zählte ich innerhalb<br />

eines 2 km 2 grossen Abschnitts 13<br />

Amphibienarten, teils in beachtlichen Dichten<br />

während einer Saison: 3712 Eigelege<br />

vom Italienischen Springfrosch <strong>und</strong> 119<br />

Eigelege der Wechselkröte 15) . Im Tagliamento<br />

leben 33 Fischarten, wovon ein Drittel<br />

als besonders schützenswert gilt (FFH-Arten)<br />

16) . Der Lebensraum „Alpine Flüsse <strong>und</strong><br />

ihre Ufergehölze mit der Deutschen Tamariske“<br />

hat alpenweit den stärksten Rückgang<br />

zu verzeichnen, ist aber am Tagliamento<br />

noch grossflächig <strong>und</strong> durchgehend vorhanden<br />

17) .<br />

Flussauen sind unsere<br />

Regenwälder <strong>und</strong> bester<br />

Hochwasserschutz<br />

Natürliche Wildflussauen gehören zu den<br />

produktivsten <strong>und</strong> artenreichsten Ökosystemen<br />

18–20) . Wildflussauen laden zur Naher<br />

holung ein <strong>und</strong> sind aufgr<strong>und</strong> ihres<br />

Reten tionsraumes der beste natürliche<br />

Hochwasserschutz. Der ökonomische Wert<br />

Charakterarten der offenen <strong>und</strong><br />

dynamischen Lebensräume: A)<br />

Flussregenpfeiffer, B) Wechselkröte,<br />

C) Kreuzschrecke, D)<br />

Deutsche Tamariske.<br />

(Foto A von Stefan Wassmer;<br />

Foto D von Peter Bolliger)<br />

Landschaftsäthetik<br />

hat einen Ursprung<br />

Acht Uhr abends, Dämmerlicht. Ich hocke<br />

auf dem Kies, mitten im fast 1 km<br />

breiten Flussbett des Tagliamento. Die<br />

Urtümlichkeit <strong>und</strong> Kraft dieses Lebensraumes<br />

ist spürbar. Bald wird es<br />

schwarze Nacht <strong>und</strong> ich kann mit meiner<br />

Arbeit beginnen. Die Geräusche<br />

des Tages vermischen sich für kurze<br />

Zeit mit jenen der Nacht. Der Gesang<br />

der Flussregenpfeifer <strong>und</strong> Pirole verstummt,<br />

doch Ziegenmelker <strong>und</strong><br />

Nachtigall übernehmen zuverlässig.<br />

Paarungsrufe der Laubfrösche <strong>und</strong><br />

Wechselkröten gesellen sich hinzu.<br />

Untermalt wird das Paarungsgeschehen<br />

vom Gurgeln <strong>und</strong> Plätschern unzähliger<br />

Rinnsale, welche ihren Weg<br />

zwischen den Kiesbänken bis ins Meer<br />

suchen.<br />

Ich geniesse diesen Moment, bin mir<br />

des Privilegs bewusst in einem intakten<br />

Lebensraum arbeiten zu dürfen.<br />

Noch immer kann ich mich nicht satt<br />

sehen <strong>und</strong> hören am Formenreichtum,<br />

an der pulsierenden Lebensvielfalt.<br />

Eigentlich erstaunlich, denn seit fast<br />

zwei Jahren erforsche ich Raumbedarf<br />

<strong>und</strong> Überleben von Amphibien in der<br />

Flussaue, bei Tag <strong>und</strong> Nacht, Kälte <strong>und</strong><br />

Regen, mindestens sechs Tage die<br />

Woche. Was mich am Tagliamento so<br />

anzieht, ist seine Ästhetik <strong>und</strong> Grösse.<br />

Ästhetik <strong>und</strong> Grösse haben ihren<br />

Ursprung in noch funktionierenden<br />

Ökosystemprozessen wie Abfluss-, Geschiebe,-<br />

<strong>und</strong> Schwemmholzdynamik.<br />

intakter Flussauen wird mit bis zu 25 000<br />

US$/ha <strong>und</strong> Jahr kapitalisiert. Davon macht<br />

die natürliche Hochwasserfunktion bis zu<br />

85% des Wertes aus 21) . In Flussauen kommen<br />

r<strong>und</strong> 80% der einheimischen Tierarten<br />

<strong>und</strong> mehr als ein Drittel der Pflanzenarten<br />

vor 22, 23) . Der Anteil der Flussauen an<br />

der Landesfläche betrug in der Schweiz<br />

einst 10%, ist heute aber auf 0.26% geschrumpft<br />

24) . Flussauen sind deshalb absolut<br />

zentral für den Erhalt unserer Biodiversität.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 3


Gewässer<br />

Wieso der Tagliamento<br />

international so wichtig ist<br />

Der Tagliamento ist der letzte grosse ungezähmte<br />

Alpenfluss, weshalb er international<br />

als Modellökosystem für den Alpenraum<br />

gilt. Nirgends sonst in Mitteleuropa laufen<br />

grossräumige Prozesse wie die Entstehung<br />

von Schotterbänken, Gerinneverlagerungen<br />

<strong>und</strong> Inselbildung noch so ungehindert<br />

ab 3, 7) . Am Tagliamento lässt sich beobachten,<br />

wie Lebensraumvielfalt entsteht. Diese<br />

Lebensraumvielfalt ist Ausgangspunkt für<br />

die Entwicklung einer artenreichen Flora<br />

<strong>und</strong> Fauna.<br />

Viele Fragen lassen sich an unseren weitgehend<br />

regulierten Fliessgewässern nicht<br />

mehr untersuchen. Zum Beispiel, welche<br />

Ökosystemprozesse regulieren was? Wie<br />

sieht eine natürliche Flussaue aus? Anrainer<br />

des Tagliamento würden auf ihren Fluss zeigen.<br />

Die meisten Berner vermutlich auf die<br />

grüne <strong>und</strong> kanalisierte Aare bei Bern. Klar,<br />

wer recht hat. Schwieriger zu beantworten<br />

ist die Frage, wie viel Platz ein Fluss braucht.<br />

„Vielmehr als heute zugestanden wird“ - so<br />

die Kurzversion. Zum Vergleich: Der Alpenrhein<br />

bei Diepoldsau führt im Mittel 2.6 mal<br />

mehr Jahresabfluss als der Tagliamento. Der<br />

Alpenrhein zwängt sich aber durch ein 73 m<br />

breites Flussbett, was 13–27 mal enger als<br />

das des Tagliamento ist (Abb. A)!<br />

Wie wichtig ist ein natürliches Abflussregime<br />

für die Lebensraum- <strong>und</strong> Artenvielfalt<br />

der Aue? – woher wollen wir das wissen,<br />

sind doch über 90% unserer Fliessgewässer<br />

hydrologisch beeinträchtigt. Zum Vergleich:<br />

Der regelmässige Zickzack in der Abflusskurve<br />

des Alpenrheins verrät Beeinträchtigungen<br />

(Sunk/Schwall) durch Wasserkraftnutzung.<br />

Am Tagliamento ist diese weit<br />

verbreitete Beeinträchtigung nicht erkennbar<br />

(Abb. B).<br />

Die Wiederherstellung natürlicher Ökosystemprozesse<br />

bedingt Einsichten von unbeeinträchtigten<br />

Systemen – das macht den<br />

Tagliamento so wichtig 25) . Entwicklungsziele<br />

für Revitalisierungen müssen sich am ursprünglichen<br />

Gewässerzustand orientieren.<br />

Hier spielt der Tagliamento als Vision <strong>und</strong><br />

Leitbild eine Schlüsselrolle. Auch gibt es von<br />

den meisten Organismen kaum Angaben<br />

über natürliches Verhalten, natürliche Dichten<br />

<strong>und</strong> Ansprüche an natürliche Umweltbedingungen.<br />

Kenntnisse dieser Faktoren<br />

sind entscheidend um den Erfolg künftiger<br />

Flussrevitalisierungen zu messen.<br />

Lebensraumdynamik<br />

erspart Pflegeeingriffe<br />

Schotter, Inseln, das Wassernetzwerk, Stillgewässer<br />

<strong>und</strong> Schwemmholz sind die zentralen<br />

Lebensraumtypen natürlicher Flussauen<br />

1) – deren Verfügbarkeit ist eng an die<br />

Abflussdynamik gekoppelt: Innert drei Jahren<br />

verschwanden am Tagliamento 15% der<br />

reifen Inseln (Alter: 6–20 J.) <strong>und</strong> 80% der Pionierinseln<br />

(Alter: 2–5 J.) 26) . Bis zu 95% der<br />

Schwemmholzmenge wird durch grössere<br />

Hochwasser abgetragen, gleichzeitig wieder<br />

durch Ablagerungen ersetzt 27) . Bis zu<br />

60% der Stillgewässer entstehen bei einem<br />

Hochwasser neu 28) . Trotz beachtlicher Veränderungsraten<br />

bleiben die relativen Anteile<br />

der Lebensraumtypen im Flussbett über<br />

die Zeit konstant 28) . Einzig, deren Alter wird<br />

teilweise zurückgesetzt. Hochwasserdynamik<br />

<strong>und</strong> Trockenfallen erhalten ein komplexes<br />

Lebensraummosaik <strong>und</strong> damit eine hohe<br />

Biodiversität. Flussregulierungen sind<br />

fatal, weil in der Folge die jungen <strong>und</strong> besonders<br />

wertvollen Lebensraumtypen am<br />

schnellsten verloren gehen. Im Gebiet des<br />

Nationalparks Donauauen sind von 1880 bis<br />

1993 offene Schotterflächen von 28% auf<br />

2% <strong>und</strong> Gewässerflächen von 36% auf 19%<br />

A) Verhältnis zwischen Abfluss<br />

<strong>und</strong> Gerinnebreite einiger<br />

Schweizer Flüsse im Vergleich mit<br />

dem Tagliamento (Sternsymbol).<br />

Quellen: „GoogleEarth <strong>und</strong><br />

Schweizerische Landeshydrologie“;<br />

B) Vergleich des natürlichen<br />

Abflussregimes des Tagliamento<br />

mit dem künstlichen Abflussregime<br />

des Alpenrheins.<br />

Seite 4 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Aus Schwemmholz entstehen<br />

über Pioniergesellschaften reife<br />

Inseln <strong>und</strong> Tümpel.<br />

Foto: Lukas Indermaur<br />

zurückgegangen 29) . Waldflächen hingegen<br />

nahmen von 36% auf 79% zu.<br />

In den meisten Schutzgebieten muss der<br />

Mensch fehlende Lebensraumdynamik<br />

nachahmen. Mit kostspieligen <strong>und</strong> wiederkehrenden<br />

Pflegeeingriffen wird der natürlichen<br />

Vegetationsentwicklung entgegengewirkt.<br />

In dynamischen Flussauen übernimmt<br />

der Fluss Pflegeeingriffe <strong>und</strong> Aufwertungsmassnahmen<br />

zum Nulltarif.<br />

Drei zentrale Indikatoren<br />

intakter Flussauen<br />

Schwemmholz<br />

Schwemmholz ist wichtig, wichtig, wichtig:<br />

Schwemmholz steigert die Selbstreinigungskraft<br />

von Fliessgewässern enorm 30) ,<br />

erhöht die Strömungsvielfalt, ist Ausbreitungsvehikel<br />

für Organismen, unverzichtbares<br />

Refugium für Fische <strong>und</strong> Amphibien. Der<br />

minimale mittlere Schwemmholzbedarf von<br />

Populationen (100 Individuen) von Erdkröten<br />

beträgt 757 m 2 /ha, von Wechselkröten<br />

234 m 2 /ha 31, 32) . Die insgesamt in der Flussaue<br />

benötigte Fläche von Erdkrötenpopulationen<br />

beträgt im Mittel 59 752 m 2 , von<br />

Wechselkrötenpopulationen 247 807 m 2 33) .<br />

Beachtliche Zahlen, die anzeigen, dass bei<br />

uns die Fläche einzelner Schutzgebiete zu<br />

wenig Schwemmholz oder Altholz hat <strong>und</strong><br />

für den Erhalt lebensfähiger Amphibienpopulationen<br />

zu klein ist.<br />

Besonders wichtig ist Schwemmholz, weil<br />

aus dessen Ablagerungen weitere Lebensraumtypen<br />

entstehen, die zahlreichen Arten<br />

Lebensraum bieten. Das geschieht nach<br />

folgendem Muster<br />

34, 35)<br />

: Unterhalb von<br />

Schwemmholzablagerung sammeln sich<br />

nach Hochwässern Feinsedimente. Im strömungsgeschützten<br />

Teil entsteht eine langgezogene<br />

Sedimentfahne. Darauf keimen<br />

bei günstigen Bedingungen Pflanzen – die<br />

Inselentwicklung beginnt. Oberhalb der<br />

Schwemmholzansammlung entsteht meist<br />

ein wassergefüllter Kolk der von Amphibien<br />

gerne zur Eiablage genutzt wird 15) .<br />

Das Schwemmholzangebot hängt von<br />

durchgängig intakten Auenwäldern <strong>und</strong> natürlicher<br />

Abflussdynamik ab – mindestens<br />

30% des Schwemmholzes vor Ort stammen<br />

vom Oberlauf 27) . Stauhaltungen reduzieren<br />

Schwemmholz um bis zu 90%, wodurch die<br />

lokale <strong>und</strong> regionale Lebensraumvielfalt banalisiert<br />

wird 36) . Schwemmholzentnahmen<br />

sind aus Sicherheitsgründen gesetzlich vorgeschrieben.<br />

Im Sinne eines modernen Gewässermanagements<br />

muss Schwemmholz<br />

unbedingt weitergeleitet werden, was einzelne<br />

Kantone bereits praktizieren. Wo ein<br />

Risiko für die Unterlieger besteht, kann<br />

Schwemmholz auch nicht entfernt sondern<br />

in 2 m-Stücke zerteilt liegen gelassen werden<br />

37) .<br />

Inseln<br />

Reife Inseln beherbergen eine extrem hohe<br />

Vielfalt an Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten, bieten<br />

Schutz bei Hochwasser <strong>und</strong> sind deshalb<br />

zentral für die Wiederbesiedlung der offenen<br />

Pionierlebensräume 8) . Inseln erhöhen<br />

den Rückhalt von Schwemmholz signifikant.<br />

In verzweigten Abschnitten mit Inseln war<br />

der Schwemmholzanteil um das 2- bis 10-fache<br />

höher (100–150 t/ha) als in verzweigten<br />

Abschnitten ohne Inseln (15–70 t/ha) 27) . Bewachsene<br />

Inseln sind deshalb auch aus<br />

Gründen des Hochwasserschutzes wünschenswert,<br />

vorausgesetzt die Platzverhältnisse<br />

sind grosszügig genug bemessen, so<br />

dass die Abflusskapazität nicht wesentlich<br />

reduziert wird.<br />

Tümpel<br />

Inseln <strong>und</strong> Schwemmholz steigern die Dichte<br />

<strong>und</strong> Vielfalt aquatischer Lebensräume<br />

enorm: Von insgesamt 110 Laichgewässern<br />

in einem 1.2 km 2 grossen Abschnitt des Mittellaufes<br />

entstanden 65% der Tümpel an Inselrändern,<br />

16% bei Schwemmholzhaufen.<br />

Nur gerade 19% aller Tümpel entstanden im<br />

offenen Schotter 15) .<br />

Stillgewässer im Flussbett machen nur 2%<br />

der Wasserfläche aus, beherbergen aber 72%<br />

der Arten von Gewässerinsekten 38) . Tümpel<br />

des Flussbetts sind von besonderer Bedeutung<br />

für die Populationsdynamik von Amphibien,<br />

produzierten diese doch in Jahren ohne<br />

Hochwässer 98% der jungen Erdkröten 8, 39) . In<br />

älteren Auenwaldtümpeln kamen dagegen<br />

nur 2% Jungkröten auf. Schuld daran sind<br />

hohe Frassverluste, denn Räuber werden im<br />

Auenwald weniger stark durch Hochwasser<br />

reduziert als im Flussbett 8) .<br />

Nutzung des Tagliamento<br />

Leider wird auch am Lebensnerv des ungezähmten<br />

Tagliamento gesägt: Auenwälder<br />

weichen Industriebauten <strong>und</strong> Maisäckern.<br />

Kulturland <strong>und</strong> Industriebauten werden mit<br />

Dämmen geschützt. Ab dem Oberlauf bei<br />

Tolmezzo fliesst auf 70 km heute nur noch<br />

die Hälfte des Abflusses. Seit den 20er Jahren<br />

werden in Stauseen (Sauris, Verzegnis)<br />

insgesamt 73.6 Millionen m 3 zurückhalten 11,<br />

40)<br />

. Die Zementindustrie entnimmt jährlich<br />

mehrere Millionen m 3 Schotter. Als Resultat<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 5


Gewässer<br />

dieser Nutzungen hat sich die durchschnittliche<br />

Gerinnebreite des Tagliamento seit Beginn<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts bis 1990 von 1600<br />

m auf 700 m verengt <strong>und</strong> das Gewässerbett<br />

hat sich um 3 m eingetieft 40) . Trotzdem ist<br />

der Tagliamento immer noch das beste Beispiel<br />

einer grossen <strong>natur</strong>belassenen Wildflussaue<br />

in Mitteleuropa 41) .<br />

Positive Nutzungen nehmen zu. So setzen<br />

Anrainer vermehrt auf Ökotourismus, bieten<br />

Übernachtungen in B&B mit Bio-Verpflegung<br />

aus der Region an. Oder, Campen am<br />

Fluss ist möglich, ebenso Flusswanderungen<br />

„per pedes“ oder zu Pferd. Zunehmend<br />

erleben auch Schulklassen <strong>und</strong> Familien<br />

den Fluss. W<strong>und</strong>erbar, wenn all diese Menschen<br />

das Bild natürlicher Flussauen verinnerlichen<br />

<strong>und</strong> in ihre Wohnorte zurücktragen.<br />

Ist der Tagliamento nicht<br />

geschützt?<br />

Ein geringer Teil des Flusskorridors (Auenwald<br />

<strong>und</strong> Flussbett) ist geschützt. Italiens<br />

Behörden registrierten bei der EU lediglich<br />

14% der „natürlich vorkommenden Lebensräume<br />

von gemeinschaftlichem Interesse“<br />

Der Fluss lädt zum Spiel<br />

ein <strong>und</strong> entspannt.<br />

Foto: Lukas Indermaur<br />

(FFH-Lebensräume) 17) . Eine groteske Untertreibung.<br />

FFH-Lebensräume gehören zum<br />

europäischen Schutzgebietsnetzwerk „Natura<br />

2000“. Ortsgeb<strong>und</strong>ener Schutz einzelner<br />

FFH-Lebensräume in dynamischen<br />

Lebensräumen ist unsinnig. Dynamische<br />

Lebensräume müssen als Ganzes geschützt<br />

werden. So auch der Flusskorridor des Tagliamento:<br />

Wegen seines durchgehend hohen<br />

Anteils an FFH-Lebensräumen, wegen<br />

seiner zentralen Bedeutung als Verb<strong>und</strong>achse<br />

von Alpen <strong>und</strong> Mittelmeerraum <strong>und</strong> somit<br />

für das Netzwerk der „Natura 2000“-<br />

Gebiete, wegen seiner Einzigartigkeit im<br />

Alpenraum. So wurde wiederholt die Aufnahme<br />

der Tagliamento-Auen ins globale<br />

Netz der UNESCO-Biosphärenreservate gefordert<br />

– für die Region Friaul wäre das eine<br />

Riesenchance 42–44) .<br />

Fragwürdiges<br />

Hochwasserschutzprojekt<br />

Ein Jahrh<strong>und</strong>erthochwasser im Jahre 1966<br />

kostete 14 Personen in der Stadt Latisana<br />

am Unterlauf das Leben, 5000 Personen<br />

wurden obdachlos. Verständlicherweise<br />

löste diese Tragödie ein Hochwasserschutzprojekt<br />

aus. Leider ist dieses nach heutigen<br />

Massstäben völlig überdimensioniert <strong>und</strong><br />

ausschliesslich technisch ausgelegt. Pikant,<br />

dass die meisten Städte, ausser Latisana, erhöht<br />

an den Talflanken liegen. Bei Latisana<br />

wird der Tagliamento in einem engen Kanal<br />

die letzten 10 km ins Meer geführt. Pegelschwankungen<br />

betragen dort bis 7 m, im<br />

Mittellauf hingegen maximal 2 m. Trotzdem<br />

sollen Massnahmen am besonders wertvollen<br />

Mittellauf das Risiko für die Unterlieger<br />

mindern. In vier Retentionsbecken mit insgesamt<br />

50 Mio. m 3 Fassungsvermögen sollen<br />

Hochwasserspitzen fliessen. Und, Dämme<br />

zum Schutz von Ackerland würden<br />

wertvolle Zuflüsse blockieren 41) .<br />

Neuere Berechnungen belegen klar, dass<br />

diese Massnahmen unnötig sind 45) . Ein zusätzliches<br />

Gerinne, unter Umgehung der<br />

Stadt Latisana, reicht aus damit Hochwasserspitzen<br />

schadlos ins Meer ausgeleitet<br />

werden können. Verantwortliche Regierungsstellen<br />

anerkennen Abflussberechnungen<br />

etablierter Wissenschaftler bisher<br />

jedoch nicht. Die Realisierung des Beton-<br />

Seite 6 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Anrainer wehren sich gegen<br />

das veraltete Hochwasserschutzprojekt.<br />

Foto: Lukas Indermaur<br />

projektes würde den einzigartigen Charakter<br />

des 90 km langen Mittellaufes zerstören.<br />

Dagegen demonstrierten Friulaner aller Altersschichten<br />

mit internationaler Beteiligung<br />

mehrfach. Offiziell hat man sich noch<br />

nicht durchgerungen, das Betonprojekt zu<br />

begraben. Immerhin, Behörden haben im<br />

Februar 2010 an einer öffentlichen Veranstaltung<br />

festgehalten, dass die Datenbasis<br />

aktualisiert werden muss. Ob die künftigen<br />

Massnahmen konform sind mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie<br />

wird sich weisen <strong>und</strong><br />

aufzeigen wie ernst es der EU mit deren Umsetzung<br />

ist.<br />

Vom Tagliamento lernen wir...<br />

1. Flussauen sind Zentren der Biodiversität;<br />

2. Flussauen brauchen zur Erfüllung Ihrer<br />

natürlichen Funktionen viel mehr Raum als<br />

heute zugestanden <strong>und</strong> sogar gefordert<br />

wird;<br />

3: Natürliche Abfluss-, Geschiebe- <strong>und</strong><br />

Schwemmholzdynamik sind Herzschlag <strong>und</strong><br />

Blut der Aue. Ohne Dynamik verschwinden<br />

Pionierlebensräume die für den Erhalt aquatischer<br />

Biodiversität entscheidend sind.<br />

Flussrevitalisierungen bergen enormes Potential<br />

zur Förderung aquatischer Biodiversität.<br />

Priorität muss die Wiederherstellung<br />

natürlicher Ökosystemprozesse haben, sowie<br />

der Schutz angrenzender Auenwälder.<br />

Das Potential für Flussrevitalisierungen in<br />

der Schweiz beträgt ca. 22000 Flusskilometer.<br />

Es ist Zeit, diese in Angriff zu nehmen.<br />

Der fortschreitende Verlust von aquatischem<br />

Leben wird nur zu bremsen sein,<br />

wenn folgende Themen in der Politik Gehör<br />

finden:<br />

1. ein alpenübergreifendes Schutz- <strong>und</strong> Revitalisierungsprogramm;<br />

2. der richtplanerische Schutz der letzten<br />

5% unbeeinflussten Fliessgewässer;<br />

3. die Einrichtung von Revitalisierungsfonds;<br />

4. Revisionen von gesetzlichen Vorschriften,<br />

welche f<strong>und</strong>amentale Ökosystemfunktionen<br />

wie z.B. die Schwemmholzdynamik unterbinden;<br />

5. Sicherung potentieller Retentionsräume<br />

in Gefahrenkarten sowie deren Freihaltung<br />

von Bautätigkeit.<br />

Das umfangreiche Literaturverzeichnis zu<br />

diesem Artikel ist auf Anfrage beim Rheinaub<strong>und</strong><br />

erhältlich.<br />

Lukas Indermaur,<br />

Dr. sc. ETHZ, ist<br />

Biologe <strong>und</strong> hat<br />

seine Dissertation<br />

über Raumverhalten<br />

<strong>und</strong> Überleben<br />

von Amphibien in dynamischen<br />

Flussauen verfasst. Er arbeitet im<br />

Bereich integriertes Flussmanagement<br />

am Schweizer Wasserforschungsinstitut<br />

Eawag in der Abteilung Systemanalyse<br />

<strong>und</strong> Modellierung – aktuell an<br />

einem Fischmodell.<br />

Lukas Indermaur<br />

Florastr. 15<br />

9000 St. Gallen<br />

Tel.: 071 2203825<br />

info@lukasindermaur.ch<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 7


Gewässer<br />

50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong>: Wende zum „Wassermann“ ?<br />

Für die Berücksichtigung der psychischen Dimension im Gewässerschutz<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> feiert sein 50-jähriges Bestehen: Eine schöne Gelegenheit, den<br />

Einsatz für die Gewässer aus einem ungewohnten Blickwinkel – dem tiefenpsychologischen–<br />

zu beleuchten <strong>und</strong> die symbolischen Bilder zu erk<strong>und</strong>en, welche unsere<br />

Vorstellungen über Wasser beeinflussen. Wie die therapeutische Erfahrung zeigt,<br />

können aus der Achtsamkeit gegenüber innerseelischen Bildern schöpferische<br />

Lösungen erarbeitet werden, die von der tieferen Natur mitgetragen, wenn nicht<br />

gar vorgeschlagen werden. Können wir insbesondere von den alten Wassermythen<br />

etwas lernen? Kann die Berücksichtigung der seelischen <strong>und</strong> symbolischen Dimension<br />

des Wassers den Gewässerschutz befruchten ?<br />

Von Brigitte Egger<br />

Eine bemerkenswerte Wende in der Beziehung<br />

des Menschen zur Natur wurde vor<br />

über h<strong>und</strong>ert Jahren durch die Schaffung<br />

von Naturschutzb<strong>und</strong>en konkretisiert: das<br />

Bewusstwerden, dass der <strong>mensch</strong>lichen Nutzung<br />

der Natur tatkräftig Grenzen gesetzt<br />

werden müssen <strong>und</strong> für den Erhalt von unberührter<br />

Natur aktiv zu sorgen ist. Ein bedeutsamer<br />

Schritt weiter in dieser Wende wurde<br />

dann vor 50 Jahren durch die Schaffung des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es realisiert: einerseits mit der<br />

Mitsprache des Volkes bezüglich der Nutzung<br />

der Natur wie auch mit der Verankerung<br />

des Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzes in Verfassung<br />

<strong>und</strong> Gesetz; anderseits mit der<br />

richtungsweisenden Idee der Wiederherstellung<br />

natürlicher Lebensräume, welche radikal<br />

über den blossen Erhalt noch unberührter<br />

Natur hinausgeht. Was steht nun jetzt an?<br />

Nutzung der Natur:<br />

Integration versus Expansion<br />

gen über mehr Eigendynamik als das zweite,<br />

ganzheitliche, wofür der Verstand doch leicht<br />

zu gewinnen ist? Ähnliche Fragen beim einzelnen<br />

Menschen sind das tägliche Brot der<br />

analytisch-psychologischen Arbeit. Ihre Erfahrung<br />

<strong>und</strong> die daraus gewonnenen theoretischen<br />

Einsichten, welche unerbittlich an der<br />

Wirksamkeit der Therapie gemessen werden,<br />

können mit Gewinn für kollektive Probleme<br />

herangezogen werden.<br />

Wasser in Träumen als Ausdruck<br />

der psychischen Energie<br />

Einen Einblick in die seelischen Wasserbilder<br />

geben uns am unmittelbarsten unsere nächtlichen<br />

Träume. Geht es etwa um Sintflut<br />

(noch nie von Überschwemmungen geträumt?…),<br />

um Durst, Taufe, Reinigung,<br />

Quelle? Um es vorwegzunehmen, das Traumwasser<br />

stellt ein sprechendes Symbol für<br />

den Zustand <strong>und</strong> die Dynamik der Lebensenergie,<br />

oder psychischen Energie dar: wir<br />

erleben sie z.B. fliessend als Inspiration, Motivation,<br />

Hoffnung, Liebe; aufgestaut oder<br />

stürmend als Wut, Neid, Rache; oder fehlend<br />

als Depression, Burn-out, Gleich gültigkeit. Es<br />

leuchtet ein, dass dieses emotionale Wasser<br />

zunächst unbedingt gefasst, kanalisiert <strong>und</strong><br />

beherrscht werden will, die innere Quelle gef<strong>und</strong>en,<br />

um in einer weiteren Stufe bewusst<br />

im Dienst etwas Höherem zum Fliessen<br />

gebracht zu werden. In der therapeutischen<br />

Arbeit kann man sich an den Traum-Wasserbildern<br />

vortrefflich orientieren.<br />

Nun erweisen sich Kenntnis <strong>und</strong> Meisterung<br />

<strong>und</strong> danach Befreiung des Wassers, der inne-<br />

Wir stehen heute mehr denn je vor zwei<br />

Gr<strong>und</strong>tendenzen hinsichtlich der Nutzung<br />

der Natur: einerseits gibt es eine mächtige<br />

Tendenz zur grenzenlosen Nutzbarmachung<br />

aller verfügbaren natürlichen Ressourcen<br />

<strong>und</strong> anderseits eine ganzheitliche Sorge,<br />

uns Menschen besser in die natür lichen<br />

Kreisläufe zu integrieren <strong>und</strong> die Nutzung der<br />

Natur auf ein nachhaltiges Minimum zu reduzieren<br />

– wobei beide Tendenzen emotional<br />

hoch besetzt sind. So stehen ökonomische<br />

<strong>und</strong> ökologische Anliegen oft quer zueinander.<br />

Auch in uns selbst erleben wir beide Antriebe.<br />

Warum verfügt aber das erste Anlieren<br />

Energie, schlicht als Kern der Spiritualität.<br />

Hier wird bereits anschaulich, warum Wasser<br />

<strong>und</strong> Energie Schlüsselthemen nicht nur für<br />

die Umwelt (<strong>und</strong> den Frieden) sondern ebenso<br />

für die Seele des Einzelnen sind. Und warum<br />

die Fassung <strong>und</strong> Beherrschung aller Wässer,<br />

als primäre psychische Notwendigkeit,<br />

emotional derart beladen ist.<br />

Seite 8 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Der tiefenpsychologische Ansatz:<br />

Mythen als Quelle von Erkenntnis<br />

Der Schlüssel zum Hintergr<strong>und</strong> unserer<br />

Vorstellungen <strong>und</strong> Handlungen ist die mit<br />

ihnen verb<strong>und</strong>ene Symbolik, wie sie sich<br />

ausführlich in Mythen, kulturellen Erscheinungen<br />

<strong>und</strong> Symptomen allerart ausdrückt.<br />

Die symbolische Gleichung erfasst psychische<br />

Tatsachen wie die mathematische Gleichung<br />

physikalische. Wie ein Traum als zukunftsweisende<br />

Selbstäusserung der Seele<br />

gesehen werden kann, so gleicht ein Mythus<br />

einem Traum der Menschheit. Zur Deutung<br />

werden so viele Parallelen wie möglich herangezogen,<br />

bis sich ein Sinn von selbst ergibt<br />

<strong>und</strong> Red<strong>und</strong>anzen sichtbar werden. Dabei<br />

erweisen sich die Schätze vergangener <strong>und</strong><br />

fremder Kulturen als kostbarstes Gut für das<br />

Verständnis der heutigen Psyche. Oft sind<br />

ältere Erscheinungen prägnanter.<br />

Wie im Körperlichen die Ontogenese die<br />

Phylogenese widerspiegelt, so leben in der<br />

Psyche des heutigen Menschen all die in<br />

den verschiedenen Kulturstufen ausgedrückten<br />

Schichten weiter mit. Sich mit<br />

Symbolik zu befassen, hat einen belebenden<br />

Effekt, ist doch in diesen Sinn-Bildern<br />

der Niederschlag aller Erfahrungen, Einsichten<br />

<strong>und</strong> auch Vorwegnahmen der Menschheit<br />

verdichtet.<br />

Weltschöpfung aus dem Urwasser:<br />

Ordnung <strong>und</strong> Beherrschung<br />

Die tiefsten Aspekte der Symbolik des<br />

Wassers kommen in den Weltschöpfungsmythen<br />

zum Ausdruck. Der Anfang aller<br />

Dinge ist ausserordentlich oft ein Ur-Ozean<br />

als Ur-Chaos - auch in der wissenschaftlichen<br />

Kosmologie ist Wasser ausschlaggebend<br />

für die Entstehung des Universums<br />

<strong>und</strong> des Lebens. Danach trennen sich Wasser<br />

<strong>und</strong> Erde, Unten <strong>und</strong> Oben, Licht <strong>und</strong><br />

Finsternis, Gottheit <strong>und</strong> Menschheit, ja <strong>und</strong><br />

nein. Unfehlbar treten Kämpfe <strong>und</strong> Prüfungen,<br />

Geburt <strong>und</strong> Tod in die Welt ein.<br />

Die Schöpfungsmythen malen uns die unaufhörlichen<br />

Wandlungen der Lebensenergie,<br />

so wie das Geheimnis der Bewusstwerdung,<br />

dieser zweiten Weltschöpfung in uns Menschen.<br />

Ihnen zufolge ist die Aufgabe des<br />

Menschen, chaotische Impulse in Ordnung<br />

zu verwandeln. Das kennen wir auf persönlicher<br />

Ebene. Nein zu sagen, ist die Anfangsstufe<br />

der Ich-Bildung, es führt unverzüglich<br />

zu Konflikten <strong>und</strong> stellt die Frage nach richtig<br />

<strong>und</strong> falsch, gut <strong>und</strong> böse, die Frage nach der<br />

Verantwortung. Und bringt uns mit der Zeit<br />

dazu, uns gegenüber dem, was uns übersteigt,<br />

zu situieren. Diese erste Stufe betont<br />

die Beherrschung über die Dinge.<br />

Weltauflösung durch Sintflut:<br />

Verlust des Bezugs zum Ganzen<br />

Die Weltkatastrophe durch Sintflut ist ein erstaunlich<br />

häufiges <strong>und</strong> universelles mythologisches<br />

Motiv: sie stürzt die Welt zurück<br />

ins Chaos. Gr<strong>und</strong> ist oft die Unzufriedenheit<br />

der Gottheit mit den Menschen, weil sie den<br />

Bezug zu ihr zu sehr vernachlässigen. Es<br />

überleben nur die, welche wie Noah die<br />

richtige Einstellung haben. Meistens ist<br />

denn auch die nachfolgende Welt besser,<br />

zivilisierter <strong>und</strong> weiser. Je weiter sich in einer<br />

Kultur das Bewusstsein von seinen instinktiven<br />

Wurzeln losgelöst hat, umso zugespitzter<br />

ist die Frage nach der rechten Beziehung<br />

des Menschen zu seinen göttlichen oder instinktiven<br />

Wurzeln <strong>und</strong> umso gefährlicher<br />

das Ur-Chaos.<br />

So erzählen die Weltschöpfungsmythen das<br />

W<strong>und</strong>er der Schöpfung <strong>und</strong> der Schrecken<br />

der Zerstörung, das f<strong>und</strong>amentale Spiel zwischen<br />

Chaos <strong>und</strong> Ordnung, so treffend illustriert<br />

durch das doppelte Vermögen des<br />

Wassers, schöpferisch wie auch auflösend<br />

zu wirken. Manchmal endet die Auflösung<br />

schlecht <strong>und</strong> der Mensch wird verschlungen,<br />

wie zum Beispiel in einer psychischen<br />

Erkrankung. Häufiger allerdings ist eine<br />

Überbetonung auf das Ich, das Bewusstsein<br />

oder das Rationale, welches schlussendlich<br />

in dem ertrinkt, was es übermässig anstrebt.<br />

Übergang zu einem neuen<br />

Zeitalter, von den Fischen die<br />

im Wasser schwimmen zum<br />

Wassermann der Wasser zum<br />

Fisch giesst <strong>und</strong> die Natur<br />

bewusst pflegt.<br />

Nach dem Himmelsatlas von<br />

Hevelius 1690 <strong>und</strong> von<br />

Cellarius 1661. Grafik B. Egger<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 9


Gewässer<br />

Kollektive Bewegungen können solch einen<br />

auflösenden Effekt auf das Individuum haben,<br />

wenn dieses seinen persönlichen<br />

Standpunkt <strong>und</strong> seine Ethik verliert.<br />

Der Weg willentlicher Auflösung<br />

<strong>und</strong> die Integration im Ganzen<br />

Eine radikale Wende ist es, sich willentlich<br />

der Auflösung durch die Urgewässer auszusetzen,<br />

wie es allen spirituellen Wegen zu<br />

eigen ist. So fasst die Alchimie das ganze<br />

Werk bündig zusammen in „löse auf <strong>und</strong><br />

setze (neu) zusammen“! Liebe, akzeptiertes<br />

Leiden, aber auch das Hören auf die eigenen<br />

Träume, können dazu führen, Illusionen,<br />

Beschränktheiten des Ichs in Frage zu stellen<br />

oder Blockierungen aufzulösen. Läuft<br />

alles gut, so führt eine solche Prüfung zu<br />

einem erweiterten das Ich transzendierenden<br />

Standpunkt, zu einer belebenden Befreiung<br />

<strong>und</strong> Erneuerung der Persönlichkeit.<br />

Diese zweite Stufe betont also den inspirierten<br />

Dienst am Ganzen.<br />

Schöpferisches Wasser meistern<br />

Dass die Wende kein leichtes Unterfangen<br />

ist, illustriert das paradoxe Motiv des Horns<br />

als Gefäss. Beim Versuch den unbändigen<br />

vielgestaltigen Gott-Fluss Acheloos, Kind<br />

der Urgewässer, in seiner Stier-Form zu bezwingen,<br />

bricht ihm der grosse Held Herakles<br />

ein Horn ab, das zum Füllhorn wird. Oder<br />

weiter, das magische aber gefährliche Wasser<br />

des Styxs, ebenfalls Kind der Urgewässer,<br />

löst alle Substanzen auf <strong>und</strong> kann nur<br />

mittels des Hornes eines seltenen Tieres<br />

geschöpft werden. Das abgehauene Horn,<br />

eine Waffe die zum Schätze spendenden<br />

Gefäss wird, drückt die resolute Richtungsumkehr<br />

von extrovertierter Expansion zu<br />

besonnener Integration aus, die notwendig<br />

ist, will man die rohe Lebensenergie oder<br />

die spontanen Impulse langfristig konstruktiv<br />

fassen.<br />

Die innere Wasserquelle<br />

Die Symbolik des Wassers ist in der christlichen<br />

Bibel besonders vollständig. Die Genesis<br />

beginnt mit der Trennung der Urgewässer<br />

<strong>und</strong> gleich danach mit der Trennung der<br />

Menschen von Gott <strong>und</strong> ihrer Verbannung<br />

aus der paradiesischen Ur-Einheit durch ihre<br />

bewusst gewordene Freiheit. Das Alte Testament<br />

erzählt die allmähliche Wiederannäherung<br />

zwischen Mensch <strong>und</strong> Gott, parallel<br />

zur allmählichen Meisterung des Wassers.<br />

Kernstellen sind nach dem Urgewässer die<br />

Sintflut, welche nur Noah dank seiner ungebrochenen<br />

Beziehung zum Ganzen überlebt;<br />

die Quelle, die der gottesfürchtige<br />

Moses in der Wüste zum Sprudeln bringt;<br />

das zukünftige Versprechen eines unaufhörlichen<br />

Flusses im Zentrum des Paradieses.<br />

Das neue Testament verdichtet sich in der<br />

Wende, wo Mensch <strong>und</strong> Gott in Jesus <strong>und</strong><br />

Christus zusammenfliessen, der etwa sagt:<br />

„Wer von meinem Wasser trinkt, wird nie<br />

mehr dursten, es wird in ihm zur Quelle des<br />

zum ewigen Leben sprudelnden Wassers<br />

werden“ (Jn 4,14). Das heisst, wer sich um<br />

die Beziehung mit dem Urgr<strong>und</strong> <strong>und</strong> mit<br />

dem Ganzen bemüht, dessen Herz wird zur<br />

Quelle für alle <strong>und</strong> für Dauerhaftes.<br />

Wassermann als Leitbild ?<br />

Der Wassermann des Tierkreises ist ein überaus<br />

lehrreiches Wassersymbol. Die Sternenbilder<br />

sind wie eine im Himmel ausgebreitete<br />

Weisheitslehre <strong>und</strong> illustrieren das ganze<br />

Drama der richtigen Einstellung gegenüber<br />

den Göttern <strong>und</strong> den ungestümen Lebenskräften.<br />

Dabei vereint der Wassermann verschiedene<br />

Aspekte in sich. Als einziger<br />

Mensch liegt er in der als „Himmlischen Gewässern“<br />

bekannten Himmelsgegend <strong>und</strong><br />

wird mit Deukalion assoziiert, der, wie Noah,<br />

mit seiner Frau als einzige Gerechten die<br />

Sintflut überlebten <strong>und</strong> zu Stammeseltern<br />

der neuen Menschen wurden. Da er Wasser<br />

aus seinem Krug giesst, den er nahe dem<br />

Herzen hält, erinnert er ausserdem an Jesus<br />

<strong>und</strong> seine innere Quelle.<br />

Als Sternbild greift der Wassermann ins Zeitgeschehen<br />

ein <strong>und</strong> zeichnet symbolisch das<br />

eintretende Zeitalter aus, so wie das Sternbild<br />

der Fische das ausgehende. Wir können<br />

es als eine Wende sehen von den Fischen,<br />

die im Wasser enthalten sind <strong>und</strong> triebmässig<br />

leben, zum Menschen, der das gefasste<br />

Wasser bewusst zurück giesst – <strong>und</strong> zwar<br />

sternbildmässig in den M<strong>und</strong> des Südlichen<br />

Fisches. Ein w<strong>und</strong>erbares Leitbild für den<br />

Gewässerschutz!<br />

Ausblick<br />

Brigitte Egger<br />

eint Ökologie <strong>und</strong><br />

Tiefenpsychologie<br />

zu «Psychökologie»<br />

(psychecology) als<br />

Dr. sc. nat. ETH <strong>und</strong><br />

Lehranalytikerin an der Int. School of<br />

Analytical Psychology. Sie führt eine<br />

psychotherapeutische Praxis, forscht,<br />

lehrt <strong>und</strong> schreibt z.B. über<br />

«Reading collective events : ecological<br />

issue of energy and globalisation<br />

of the market» 2001; «Raubtiere<br />

tiefenpsychologisch betrachtet» 2001;<br />

Paesaggio e anima 2008. Mit Luca<br />

Vetterli ist sie Mitautorin von<br />

«La sacralità dell’acqua» in «Viaggiare<br />

alla scoperta dell’acqua» 2003.<br />

Aus den symbolischen Wassermotiven können<br />

wir herauslesen, dass die Reintegration<br />

des <strong>mensch</strong>lichen Tuns in die natürlichen<br />

Kreisläufe zunächst eine innerseelische, herausfordernde<br />

Aufgabe ist. Auf die Umwelt<br />

wird sie sich umso stärker auswirken, je besser<br />

es gelingt die äussere <strong>und</strong> die innere<br />

Aufgabe miteinander zu verknüpfen <strong>und</strong><br />

anzugehen.<br />

Der Gewässerschutz steht vor immensen<br />

Herausforderungen <strong>und</strong> ist auf alle möglichen<br />

Ressourcen angewiesen. Die innerseelische<br />

Dimension einzubeziehen scheint<br />

die natürliche Fortsetzung der begonnenen<br />

Wende in der Beziehung des Menschen<br />

zur Natur zu sein, an der der Rheinaub<strong>und</strong><br />

so tatkräftig beteiligt ist. Mögen die hier angedeuteten<br />

symbolischen Bilder, die weiteren<br />

Beiträge dieses Hefts zu Schutz <strong>und</strong> Nutzung<br />

der Gewässer in ein etwas anderes<br />

Licht rücken.<br />

Brigitte Egger<br />

Froschaugasse 9<br />

CH-8001 Zürich<br />

Seite 10 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Wie die Volksinitiative «Lebendiges Wasser»<br />

den Gewässerschutz voranbrachte<br />

Mit einer Volksinitiative haben der Schweizerische Fischerei-Verband sowie die<br />

Umweltverbände Pro Natura, WWF <strong>und</strong> Greina-Stiftung auf den schleppenden<br />

Vollzug des Gewässerschutzgesetzes reagiert. Das Parlament nahm die Anliegen in<br />

einem Gegenvorschlag teilweise auf <strong>und</strong> verbesserte die aktuelle Gesetzgebung in<br />

wesentlichen Punkten. Trotz einigen Abstrichen haben die Initianten einen Erfolg<br />

verbucht. Ein Beispiel, wie sich politisches Engagement bezahlt machen kann.<br />

Von Felix Wirz<br />

Das Stimmvolk hat sich zweimal deutlich für<br />

mehr Gewässerschutz ausgesprochen: 1975<br />

mit der Annahme des Verfassungsartikels<br />

zum Gewässerschutz <strong>und</strong> 1992 mit der Annahme<br />

des revidierten Gewässerschutzgesetzes.<br />

Trotz dieser klaren Ausgangslage<br />

war der Vollzug des Gesetzes teilweise mangelhaft.<br />

So wurden die Fristen zur Sanierung<br />

<strong>und</strong> Umsetzung der Restwassermengen bis<br />

2012 aufgeschoben. Im Parlament gab es sogar<br />

Bestrebungen, die Vorschriften betreffend<br />

Restwassermengen zu lockern <strong>und</strong> damit<br />

dem mangelnden Vollzug anzugleichen.<br />

Um dieser Entwicklung entgegenzutreten,<br />

lancierte der Schweizerische Fischerei-Verband<br />

am 4. Januar 2005 die Volksinitiative<br />

«Lebendiges Wasser». Die Initiative verlangte<br />

– die Re<strong>natur</strong>ierung von begradigten <strong>und</strong><br />

verbauten Gewässern,<br />

Mit der Volksinitiative<br />

«Lebendiges Wasser» <strong>und</strong><br />

dem Gegenvorschlag des<br />

Parlaments konnte der<br />

Gewässerschutz in der<br />

Schweiz ein Stück weit<br />

verbessert werden.<br />

Foto: Pritz ÖBF


Gewässer<br />

– Massnahmen gegen die schädliche Wirkung<br />

von Schwall <strong>und</strong> Sunk unterhalb<br />

von Speicherkraftwerken,<br />

– Massnahmen zur Reaktivierung des Geschiebehaushalts<br />

– <strong>und</strong> die Durchsetzung der Restwasser-<br />

Vorschriften (Sanierungen).<br />

Die Kantone sollten zur Finanzierung von<br />

Re<strong>natur</strong>ierungsmassnahmen analog dem<br />

erfolgreichen Modell des Kantons Bern<br />

einen Fonds einrichten. Als zusätzliches<br />

Druckmittel war in der Initiative ein Antrags<strong>und</strong><br />

Beschwerderecht für Fischerei- <strong>und</strong><br />

Umweltorganisationen vorgesehen. Die Initiative<br />

konnte am 3. Juli 2006 mit 161 836<br />

gültigen Unterschriften eingereicht werden.<br />

Zur hohen Unterschriftenzahl hatte auch die<br />

Unterstützung durch mehrere Umweltorganisationen<br />

beigetragen.<br />

B<strong>und</strong>esrat will nicht handeln –<br />

Parlament setzt Druck auf<br />

Im Februar 2007 hatte der B<strong>und</strong>esrat nach<br />

einer ersten Diskussion beschlossen, in einer<br />

weiteren Etappe die möglichen Eckpunkte<br />

für einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative<br />

«Lebendiges Wasser» zu prüfen.<br />

Nach einer zweiten Diskussionsr<strong>und</strong>e entschied<br />

er am 8. Juni 2007, die Initiative ohne<br />

Gegenvorschlag abzulehnen. Angesichts<br />

des Zustands der Gewässer anerkannte der<br />

B<strong>und</strong>esrat zwar den Handlungsbedarf – er<br />

hielt es jedoch für ausreichend, die bestehenden<br />

Gesetze konsequent umzusetzen.<br />

Die Kehrtwende im B<strong>und</strong>esrat stiess im Parlament<br />

auf negative Reaktionen. In einer<br />

kurz vor dem B<strong>und</strong>esratsentscheid eingereichten<br />

Motion verlangte der damalige<br />

Ständerat Simon Epiney einen Gegenvorschlag<br />

zur Initiative. Er lancierte mit dieser<br />

Motion auch die Idee, auf der Übertragung<br />

der Hochspannungsnetze einen Zuschlag<br />

von 0.1 Rappen pro Kilowattst<strong>und</strong>e für Zwecke<br />

des Gewässerschutzes einzusetzen. Die<br />

Motion fand sowohl im Ständerat (26 Ja zu<br />

13 Nein) als auch im Nationalrat (91 zu 80<br />

Stimmen) eine Mehrheit. Damit war das Signal<br />

für einen Gegenvorschlag gegeben.<br />

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung<br />

<strong>und</strong> Energie des Ständerats begann nun mit<br />

der Ausarbeitung eines Gegenvorschlags.<br />

Sie wählte dazu die Form einer parlamentarischen<br />

Initiative, die dem Parlament die Gesetzgebung<br />

in Eigenregie erlaubt. Die Kommission<br />

konnte dabei auf die Vorarbeit des<br />

Departements für einen Gegenvorschlag<br />

zurückgreifen, musste aber auch selbst viele<br />

Punkte klären.<br />

Gegenvorschlag<br />

oder Volksabstimmung?<br />

Für mehrere Akteure stellte sich mit dem<br />

Gegenvorschlag die Frage, ob sie diesen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich befürworten <strong>und</strong> mit eigenen<br />

Zugeständnissen unterstützen – oder ob sie<br />

das Risiko einer Volksabstimmung eingehen<br />

möchten.<br />

Ob die Initiative in der Volksabstimmung<br />

eine Mehrheit gef<strong>und</strong>en hätte, kann nur<br />

hypothetisch beantwortet werden. Entscheidend<br />

für den Abstimmungserfolg einer<br />

Volksinitiative sind das Vorliegen einer<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich mehrheitsfähigen Vorlage,<br />

eine argumentativ <strong>und</strong> finanziell möglichst<br />

starke Pro-Kampagne sowie eine möglichst<br />

schwache gegnerische Kampagne.<br />

Die Initianten konnten davon ausgehen,<br />

dass die Initiative von Wirtschaftsverbänden<br />

<strong>und</strong> der Stromwirtschaft vehement bekämpft<br />

worden wäre. Die gegnerische Kampagne<br />

hätte auf heikle Punkte gezielt, wie<br />

beispielsweise die Kosten oder das Antrags<strong>und</strong><br />

Beschwerderecht.<br />

Fischer informieren Nationalrätin<br />

Evi Allemann am Tag<br />

der Parlamentsdebatte.<br />

Foto: Hans Ulrich Büschi<br />

Trotzdem konnte auch die Stromwirtschaft<br />

nicht einfach auf eine sichere Niederlage in<br />

der Volksabstimmung bauen. So hätten Gebirgskantone<br />

<strong>und</strong> Stromwirtschaft begründen<br />

müssen, weshalb sie den Volkswillen<br />

nur unvollständig umgesetzt haben. Diese<br />

Diskussion ist – unabhängig vom Ausgang<br />

der Volksabstimmung – imageschädigend.<br />

Ständerat Rolf Büttiker betonte denn auch<br />

in der Eintretensdebatte im Ständerat: «Der<br />

Schwachpunkt ist nach meiner Meinung<br />

der, dass einige Kantone ihre Hausaufgaben<br />

in Bezug auf den Gewässerschutz nur teilweise<br />

oder eben nicht gemacht haben. Das<br />

muss man heute als Fakt so zugeben <strong>und</strong><br />

feststellen.» Ständerat This Jenny verwies in<br />

der gleichen Debatte auf einen w<strong>und</strong>en<br />

Punkt: «Was wollen Sie ausgetrockneten<br />

Bächen <strong>und</strong> toten Fischen gegenüberstellen?<br />

Damit ist dann tatsächlich leicht Stimmung<br />

zu machen.»<br />

So hatten am Ende mehrere Akteure ein Interesse<br />

an einem tragfähigen Kompromiss<br />

in Form eines Gegenvorschlags. Für die Initianten<br />

stellte dieser eine Möglichkeit dar,<br />

den Prozess zu beschleunigen <strong>und</strong> unter<br />

dem Druck der Initiative gesetzliche Verbesserungen<br />

zu erzielen. Die Kantone vermieden<br />

eine Abstimmungskampagne mit unangenehmen<br />

Fragen <strong>und</strong> hofften auf<br />

finanzielle Unterstützung für Re<strong>natur</strong>ierungen.<br />

Die Stromwirtschaft umschiffte das<br />

Risiko einer Volksabstimmung <strong>und</strong> zielte auf<br />

Mittel für Sanierungen.<br />

Re<strong>natur</strong>ierungen<br />

Die Volksinitiative «Lebendiges Wasser» führte<br />

im Initiativtext an erster Stelle auf: «Die<br />

Kantone fördern Re<strong>natur</strong>ierungen öffentlicher<br />

Gewässer <strong>und</strong> ihrer Uferbereiche.» Die<br />

Kantone sollten zu diesem Zweck einen Re<strong>natur</strong>ierungsfonds<br />

einrichten. Der Kanton<br />

Bern lieferte mit seinem aus Wasserzinsen<br />

gespiesenen Fonds die Vorlage dazu.<br />

Der Gegenvorschlag nahm das Anliegen<br />

auf, jedoch mit anderer Finanzierungslösung.<br />

Die Kantone haben nun für die Revitalisierung<br />

(hier synonym zu Re<strong>natur</strong>ierung)<br />

von Gewässern zu sorgen, worunter die Wiederherstellung<br />

der natürlichen Funktionen<br />

eines verbauten, korrigierten, überdeckten<br />

oder eingedolten oberirdischen Gewässers<br />

mit baulichen Massnahmen verstanden<br />

wird. Innerhalb von etwa drei Generationen<br />

sollen gemäss dem Bericht des Ständerats<br />

bei den geschätzten 4000 prioritär zu revi<br />

talisierenden Gewässerkilometern die na-<br />

Seite 12 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Faszination<br />

Gewässer<br />

Nicht frankieren<br />

Ne pas affranchir<br />

Non affrancare<br />

Geschäftsantwortsendung Invio commerciale-risposta<br />

Correspondance commerciale-résponse<br />

Foto: fotolia<br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

c/o <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong><br />

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Rheinaub<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong><br />

50 Jahre<br />

für natürliche,<br />

ges<strong>und</strong>e Gewässer!<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 13


Gewässer<br />

türlichen Funktionen wiederhergestellt sein.<br />

Gemessen an den beeinträchtigten Gewässerläufen<br />

ist dies erst ein Anfang.<br />

Der B<strong>und</strong> gewährt den Kantonen im Rahmen<br />

der bewilligten Kredite <strong>und</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

von Programmvereinbarungen Abgeltungen<br />

an die Planung <strong>und</strong> Durchführung<br />

von Revitalisierungsmassnahmen. Im Bericht<br />

der ständerätlichen Kommission ist von jährlich<br />

40 Millionen Franken die Rede, wobei die<br />

Kantone zusätzlich jährlich 20 Millionen aufwenden<br />

müssen. Diese Finanzierungslösung<br />

wird Revitalisierungsprojekte stark erleichtern.<br />

Die interessier-ten Organisationen werden<br />

aber darauf achten müssen, dass der<br />

B<strong>und</strong> seine finanziellen Versprechen auch<br />

tatsächlich einhält.<br />

Schwall <strong>und</strong> Sunk<br />

sowie Geschiebehaushalt<br />

Warnschild vor Schwall:<br />

Die Menschen können<br />

fliehen, die Fische jedoch<br />

nicht.<br />

Foto: Felix Wirz<br />

Im Initiativtext wurden Massnahmen für die<br />

Reaktivierung des Geschiebehaushalts sowie<br />

für die Verminderung von schädlichen<br />

Schwall- <strong>und</strong> Sunkwirkungen gefordert. Der<br />

Gegenvorschlag sieht nun vor, dass kurzfristige<br />

künstliche Änderungen des Wasserabflusses<br />

in einem Gewässer (Schwall <strong>und</strong><br />

Sunk), welche die einheimischen Tiere <strong>und</strong><br />

Pflanzen sowie deren Lebensräume wesentlich<br />

beinträchtigen, von den Betreibern mit<br />

baulichen Massnahmen verhindert oder<br />

beseitigt werden (Art. 39a GSchG). Nur auf<br />

Antrag des Inhabers können anstelle von<br />

baulichen betriebliche Massnahmen angeordnet<br />

werden.<br />

Auch der Geschiebehaushalt im Gewässer<br />

darf durch Anlagen nun nicht mehr so verändert<br />

werden, dass die einheimischen Tiere<br />

<strong>und</strong> Pflanzen, deren Lebensräume, der<br />

Gr<strong>und</strong>wasserhaushalt <strong>und</strong> der Hochwasserschutz<br />

wesentlich beeinträchtigt werden<br />

(Art. 43a GSchG).<br />

Der B<strong>und</strong> gewährt den Kantonen für die<br />

Planung dieser Massnahmen Abgeltungen.<br />

Es ist zwar nicht einzusehen, weshalb diese<br />

Kosten nicht von den Verursachern zu tragen<br />

sind. Die Beiträge des B<strong>und</strong>es haben<br />

aber mit dazu geführt, dass diese Vorgaben<br />

in der parlamentarischen Debatte unbestritten<br />

blieben <strong>und</strong> nun wirksam werden.<br />

Lockerung<br />

der Restwassermengen<br />

Bei den Restwasserbestimmungen wollte<br />

der Ständerat den Initianten nicht entgegenkommen,<br />

sondern vielmehr Abstriche<br />

am geltenden Gesetz vornehmen: Die Kantone<br />

sollten die Mindestrestwassermengen<br />

neu auf einer Strecke von 1000 m unterhalb<br />

einer Wasserentnahme aus einem Gewässer,<br />

das höher als 1500 m.ü.M. liegt <strong>und</strong> eine geringe<br />

Abflussmenge aufweist, tiefer ansetzen<br />

dürfen. Damit sollte eine Mehrproduktion<br />

von Strom aus Wasserkraft ermöglicht<br />

werden. Ständerätin Sommaruga wies allerdings<br />

auf die Gefahr hin, dass eine erneute<br />

Ausnahme ausgenutzt <strong>und</strong> zur Regel gemacht<br />

werden könnte.<br />

Dieser Punkt führte in der Folge zu heftigen<br />

Diskussionen. Die Mehrheit der nationalrätlichen<br />

Kommission wollte dem Ständerat<br />

folgen, zwei Minderheitsanträge bekämpften<br />

die Ausnahmebestimmung. Es obsiegte<br />

schliesslich deutlich ein Einzelantrag von Nationalrat<br />

Martin Landolt, der die Ausnahme<br />

auf Nichtfischgewässer beschränkte.<br />

Damit konnte sich wiederum der Ständerat<br />

nicht anfre<strong>und</strong>en, der seine nach allen Seiten<br />

ausgewogene Vorlage gefährdet sah. Als sich<br />

jedoch abzeichnete, dass ein Kompromiss in<br />

der Restwasserfrage auch von den Gebirgskantonen<br />

<strong>und</strong> der Stromwirtschaft akzeptiert<br />

werden <strong>und</strong> im Gegenzug ein Rückzug der<br />

Volksinitiative in Erwägung gezogen werden<br />

könnte, kam die Kommission nach Abschluss<br />

ihrer Beratungen (!) auf diesen Punkt nochmals<br />

zurück. Sie formulierte einen Kompromissvorschlag<br />

zu Art. 32 GSchG, der die Ausnahmebestimmung<br />

der Restwassermengen<br />

auf Nichtfischgewässer <strong>und</strong> eine Höhenlage<br />

zwischen 1500 <strong>und</strong> 1700 m beschränkte. Dieser<br />

Kompromiss wurde in der Folge von beiden<br />

Räten angenommen.<br />

Kritik aus<br />

landwirtschaftlichen Kreisen<br />

Re<strong>natur</strong>ieren bedeutet, den in ein enges<br />

Korsett gezwängten Flüssen mehr Raum zu<br />

geben. Damit ist eine Umnutzung von Land<br />

– meist Landwirtschaftsland – verb<strong>und</strong>en.<br />

Dass dies in bäuerlichen Kreisen zu Fragen<br />

führt, ist verständlich, handelt es sich doch<br />

oft um landwirtschaftlich attraktive Flächen.<br />

Die Sicherung solcher Fruchtfolgeflächen ist<br />

ein wichtiges Thema, das parteiübergreifend<br />

unterstützt wird.<br />

Nur erfolgte die Diskussion am falschen Ort.<br />

Das Landwirtschaftsland am Flussufer wurde<br />

ja zu früherer Zeit dem Flussraum abgetrotzt<br />

<strong>und</strong> sollte nun zu einem Teil zurückgegeben<br />

werden. Der quantitativ wirklich<br />

bedeutende Verlust von Landwirtschaftsland<br />

wird durch die intensive Bautätigkeit<br />

verursacht.<br />

Seite 14 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Der Nationalrat, der die Vorlage als Zweitrat<br />

beriet <strong>und</strong> dessen Kommission auch eine<br />

starke Vertretung der Landwirtschaft umfasste,<br />

präzisierte den Ablauf von Landkäufen<br />

(Kaskade Nutzung, Landumlegung <strong>und</strong><br />

Enteignung) <strong>und</strong> nahm mehrere Korrekturen<br />

vor:<br />

– Der Ständerat schlug vor, den Gewässerraum<br />

möglichst <strong>natur</strong>nah zu gestalten<br />

<strong>und</strong> zu bewirtschaften. Dem Nationalrat<br />

ging dies zu weit: die Bewirtschaftung<br />

sollte nur «extensiv» erfolgen. Der Ständerat<br />

gab in diesem Punkt nach.<br />

– Der Nationalrat hielt fest, dass der Gewässerraum<br />

nicht als Fruchtfolgefläche gelte<br />

<strong>und</strong> ergänzte in Art. 36 a Abs. 3 GSchG:<br />

«Für einen Verlust an Fruchtfolgeflächen<br />

ist nach den Vorgaben der Sachplanung<br />

des B<strong>und</strong>es nach Artikel 13 des Raumplanungsgesetzes<br />

vom 22. Juni 1979 Ersatz<br />

zu leisten.» Der Ständerat übernahm diese<br />

Formulierung in seiner letzten Beratung,<br />

stellte aber zugleich in einer ausführlichen<br />

Interpretation klar, dass diese<br />

Formulierung Re<strong>natur</strong>ierungen nicht verhindern<br />

dürfe.<br />

– Den Bewirtschaftern des Gewässerraums<br />

werden die Abgeltungen gemäss Landwirtschaftsgesetz<br />

entrichtet. Das Parlament<br />

legte fest, dass der entsprechende<br />

Zahlungsrahmen zu diesem Zweck aufgestockt<br />

wird.<br />

– Strittig blieb bis zuletzt die Frage des<br />

Bodenrechts. Der Ständerat schlug vor,<br />

beim Kauf von Landwirtschaftsland durch<br />

Kantone <strong>und</strong> Gemeinden zum Zweck des<br />

Hochwasserschutzes, der Revitalisierung<br />

von Gewässern sowie dem Bau von Ausgleichs-<br />

<strong>und</strong> Pumpspeicherbecken sowie<br />

des Realersatzes für diese Bedürfnisse<br />

die Erwerbsbewilligung aufzuheben. Der<br />

Nationalrat widersetzte sich diesem Vorschlag<br />

zuerst, folgte in der Differenzbereinigung<br />

dann aber dem Ständerat mit 102<br />

zu 82 Stimmen.<br />

Erschwerend war sicher, dass sich die Landwirtschaft<br />

aus der Vorlage keine Vorteile<br />

versprechen konnte <strong>und</strong> damit wenig kompromissbereit<br />

war. Immerhin konnte sie sich<br />

für die Bewirtschaftung des Gewässerraums<br />

zusätzliche 20 Millionen Franken sichern.<br />

An der Birs ist zu erkennen,<br />

dass auch räumlich eingeengte<br />

Gewässer durch<br />

Revitalisierungen deutlich<br />

aufgewertet werden können.<br />

Foto: Andreas Knutti<br />

Fazit<br />

Nicht jede Volksinitiative<br />

entfaltet eine direkte (Annahme)<br />

oder indirekte<br />

(Gegen entwurf oder sonstige<br />

Massnahmen) Wirkung.<br />

Im Fall der Volksinitiative<br />

«Lebendiges Wasser» kamen<br />

mehrere Faktoren zusammen,<br />

die zu einem annehmbaren Gegenvorschlag<br />

führten:<br />

– Die Initiative wurde von Fischern lanciert<br />

<strong>und</strong> von Umweltschutzseite unterstützt.<br />

Damit wurden sowohl bürgerliche wie<br />

auch rot-grüne Milieus angesprochen,<br />

was die Initiative in einer Volksabstimmung<br />

potentiell mehrheitsfähig macht.<br />

– Die Initiative wurde mit über 161 000 Unterschriften<br />

eingereicht. Diese vergleichsweise<br />

hohe Unterschriftenzahl wurde von<br />

Politikern in Gesprächen immer wieder<br />

hervorgehoben.<br />

– Die Initiative pochte auf die Respektierung<br />

von zwei Volksentscheiden. Den<br />

Kantonen <strong>und</strong> der Stromwirtschaft war<br />

bewusst, dass sie eine Bringschuld hatten.<br />

Dementsprechend waren sie auch eher zu<br />

Konzessionen bereit.<br />

– Re<strong>natur</strong>ierungen sind populär <strong>und</strong> erhielten<br />

auch in einer aktuellen Meinungsumfrage<br />

eine Unterstützung von 72 Prozent.<br />

– Die vorberatende Kommission des Ständerats<br />

unter dem Vorsitz von Filippo<br />

Lombardi war gewillt, eine fein austarierte<br />

<strong>und</strong> breit abgestützte Vorlage zu erarbeiten<br />

<strong>und</strong> diese auch im Zweitrat mit<br />

Nachdruck zu vertreten.<br />

Mit dem Gegenvorschlag kommt der<br />

Gewässerschutz ein gutes Stück weiter:<br />

die Kantone werden zu Revitalisierungen<br />

verpflichtet <strong>und</strong> vom B<strong>und</strong> dabei finanziell<br />

massgeblich unterstützt; der Gegenvorschlag<br />

nimmt die Anliegen der Initiative im<br />

Bereich Schwall <strong>und</strong> Sunk sowie Geschiebe<br />

weitgehend auf; er führt leider zu einer<br />

partiellen Lockerung der Mindestrestwassermengen<br />

<strong>und</strong> verzichtet auf eine (positive<br />

oder negative) Anpassung der Rahmenbedingungen<br />

der Gewässersanierung.<br />

Das in der Initiative geforderte Antrags- <strong>und</strong><br />

Beschwerderecht wurde vom Parlament<br />

nicht aufgenommen. Einer der wichtigsten<br />

Punkte ist jedoch, dass die Gesetzesanpassungen<br />

nun rasch wirksam werden – in wenigen<br />

Monaten nach Ablauf der Referendumsfrist.<br />

Felix Wirz<br />

ist Geschäftsführer<br />

der Firma Ecopolitics<br />

GmbH, Kompetenz-<br />

<strong>und</strong> Servicezentrum<br />

für Politik.<br />

Er betreute vom Herbst 2007 bis Ende<br />

2009 die Geschäftsstelle des Vereins<br />

«Ja zu lebendigem Wasser», der vom<br />

Schweizerischen Fischereiverband<br />

sowie den Umweltverbänden<br />

Pro Natura, WWF <strong>und</strong> Schweizerische<br />

Greina-Stiftung gebildet wurde.<br />

Felix Wirz<br />

Ecopolitics GmbH<br />

Postfach<br />

3000 Bern 7<br />

Tel. 031 313 34 34<br />

wirz@ecopolitics.ch<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 15


Gewässer<br />

Nachhaltige Wasserkraft:<br />

Weniger ist mehr<br />

Im Namen einer vermeintlichen Nachhaltigkeit ist ein brutaler<br />

Wettlauf um die Wassernutzung entflammt, der erst<br />

bei der Verstromung des letzten Wassertropfens enden<br />

könnte, falls der längst fällige Ausgleich zwischen Schutz<br />

<strong>und</strong> Nutzung der Gewässer scheitern sollte. Dabei geht<br />

vielfach vergessen, dass sich die Nutzung keineswegs in<br />

der physikalischen Erneuerbarkeit der Ressource Wasser<br />

erschöpft, sondern auch noch eine biologische <strong>und</strong> eine<br />

seelische Nachhaltigkeit voraussetzt, die erst gegeben ist,<br />

wenn das Wasser in den Flüssen für das Leben der Fische<br />

<strong>und</strong> die Erholung der Menschen fliesst, <strong>und</strong> nicht nur Turbinenräder<br />

antreibt. Ein Umdenken ist erforderlich: weniger<br />

ist mehr!, denn eine in jeder Hinsicht nachhaltige Wassernutzung<br />

kann langfristig kaum noch so viel Strom<br />

gewinnen, wie heute produziert wird, selbst wenn die<br />

prognostizierte Abnahme der Niederschläge als Folge des<br />

Klimawandels ausbleiben sollte.<br />

Von Luca Vetterli <strong>und</strong> Roland Seiler<br />

Mit fragloser Selbstverständlichkeit wird<br />

heute das energiepolitische Ziel einer vollständigen<br />

oder möglichst weitgehenden<br />

Ausschöpfung des Potentials der Wasserkraft<br />

gesetzt. Dies ist in der Tat erstaunlich,<br />

denn keine andere Ressource scheint einem<br />

so f<strong>und</strong>amentalistischen Nutzungsanspruch<br />

ausgesetzt zu sein: Trotz weltweiter Nahrungskrise<br />

käme beispielsweise kein Ernährungspolitiker<br />

auf den Gedanken, den<br />

verfügbaren Boden vollständig für die<br />

Nahrungsproduktion in Anspruch zu nehmen<br />

<strong>und</strong> dadurch etwa auch die Wälder in<br />

Agrarland umzuwandeln. Dort besteht offenbar<br />

das Bewusstsein, dass die Nutzung<br />

Grenzen hat <strong>und</strong> man der Mutter Erde doch<br />

noch etwas übrig lassen sollte. Bei der Wasserkraft<br />

sind wir trotz gesetzlicher Restwasserpflicht<br />

noch nicht wirklich zu einer solchen<br />

Einsicht gelangt. Dieser Umstand ist<br />

auf verschiedene Gründe zurückzuführen:<br />

Aus der wirtschaftlichen Sicht der Werke erhöht<br />

Restwasser die Stromgestehungskosten<br />

<strong>und</strong> verursacht „Energieverluste“, aus<br />

der gesellschaftspolitischen Sicht der Gemeinwesen,<br />

welche die Nutzung verleihen,<br />

senkt es die Wasserzinsen; <strong>und</strong> aus der Sicht<br />

der Einstellung der Menschen stellt es im<br />

übertragenen Sinne einen Energieverzicht<br />

dar. Als Folge bleibt der Nutzungsdruck ungemein<br />

hoch.<br />

Schweres Erbe<br />

Aus diesen Gründen blieben die erste gesetzliche<br />

Restwasservorschrift, die 1973 ins<br />

Fischereigesetz aufgenommen worden war,<br />

<strong>und</strong> die 1975 in der B<strong>und</strong>esverfassung verankerte<br />

Pflicht zur Sicherung angemessener<br />

Restwassermengen unbeachtet. Erst die<br />

präziser gefassten Restwasservorgaben des<br />

Gewässerschutzgesetzes von 1991 wurden<br />

einigermassen umgesetzt. Dabei erwies sich<br />

die formelhaft festgelegte Mindestrestwasserpflicht<br />

als harter Sockel, währenddem die<br />

Restwassererhöhung zur Erfüllung qualitativer<br />

Vorgaben, etwa der Mindestwassertiefe<br />

von 20 cm für die Fischwanderung es schon<br />

schwerer hatte. Eine weitere Restwassererhöhung<br />

als Ergebnis der gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Interessenabwägung blieb hingegen<br />

regelmässig auf der Strecke. Heute<br />

sieht man beim verschleppten Vollzug der<br />

Gewässersanierungen, dass immer wieder<br />

dieselben Gründe geltend gemacht werden,<br />

die schon früher zur Übernutzung der Ge-<br />

wässer führten, nämlich dass wir uns den<br />

„Energieverlust“ gar nicht leisten können,<br />

erst recht nicht da, wo Strom sauber <strong>und</strong> klimaneutral<br />

produziert wird. Jede Abweichung<br />

von der Totalnutzung gilt aus diesem<br />

Blickwinkel als Verlust (!). So wurde etwa die<br />

Verfügung der Bündner Regierung vom Dezember<br />

2009 über die Pilotsanierung der<br />

von den Misoxer Werke übernutzen Gewässer<br />

von verschiedenen Seiten angefochten:<br />

Die Umwelt- <strong>und</strong> Fischereiorganisationen<br />

wollten nicht hinnehmen, dass die Calancasca<br />

(Hauptfluss des Calancatals) in Valbella<br />

ein erstes Mal vollständig trockengelegt<br />

wird, obschon sie ein w<strong>und</strong>erschönes<br />

Fischereigewässer ist; zwei Gemeinden<br />

konnten sich nicht damit abfinden, dass im<br />

gleichen Masse wie die Stromproduktion<br />

nun auch die Wasserzinsen sich zurückbilden<br />

sollen <strong>und</strong> forderten deshalb eine<br />

mildere (aus Umweltsicht noch nutzlosere)<br />

Sanierung. Sie beriefen sich dabei auf die<br />

so genannten wohlerworbenen Rechte,<br />

welche der Nutzung eine Vorzugsbehandlung<br />

gewähren, die Verfügungsgewalt über<br />

das öffentliche Gut Wasser einschränkten<br />

<strong>und</strong> es ungemein erschweren, Verbesserungen<br />

– etwa das nötige Restwasser – zu erzielen.<br />

Somit kann es nicht erstaunen, dass<br />

es den Fischen schlecht geht.<br />

Seite 20 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Sinkende Fischvielfalt<br />

<strong>und</strong> sinkender Fischertrag<br />

Gemäss der vom B<strong>und</strong>esamt für Umwelt<br />

2007 publizierten «Roten Liste» sind von<br />

den ursprünglich 55 in der Schweiz heimischen<br />

Fischarten bereits heute 8 ausgestorben<br />

(Lachs, Meerforelle, Flussneunauge,<br />

Atlantischer Stör, Maifisch, Mittelmeer-Stör,<br />

Finte <strong>und</strong> Huchen) <strong>und</strong> sechs (Moorgr<strong>und</strong>el,<br />

Roi du Doubs, Sofie, Savetta, Marmorforelle<br />

<strong>und</strong> Nase) vom Aussterben bedroht. Gerade<br />

einmal 14 Arten gelten als nicht gefährdet.<br />

Bei der am meisten verbreiteten Fischart,<br />

der Bachforelle, wird innerhalb von 15 Jahren<br />

trotz massiver Besatzanstrengungen ein<br />

dramatischer Rückgang bei den Fangerträgen<br />

um r<strong>und</strong> zwei Drittel beklagt.<br />

Besonders zu schaffen machen den Fischen<br />

die 130 Kraftwerke, welche zur Maximierung<br />

ihrer Gewinne ein ökologisch schädliches<br />

Schwall-Sunk-Regime betreiben. Als<br />

Folge der dadurch entstehenden unnatürlichen<br />

Wasserschwankungen verenden täglich<br />

h<strong>und</strong>erte, oder gar tausende von Fischen<br />

<strong>und</strong> unzählige Kleinlebewesen!<br />

Dazu kommen r<strong>und</strong> 101.000 künstliche Barrieren<br />

von mehr als 50 cm Höhe, welche die<br />

für das Überleben <strong>und</strong> die Fortpflanzung<br />

unabdingbare Wanderung der Fische behindern.<br />

Laut BAFU ist die Hälfte dieser Barrieren<br />

sanierungsbedürftig.<br />

Vielfältige Ursachen der<br />

Gewässermisere<br />

Es sind aber keineswegs nur die Wasserkraftwerke<br />

an der Gewässermisere schuld.<br />

Neben der Ableitung grosser Wassermassen<br />

<strong>und</strong> deren schwallartigen Rückgabe unter<br />

den Speicherkraftwerken sind es die Eingriffe<br />

in die natürliche Morphologie der Wasserläufe,<br />

die die Vielfalt an Fluss- <strong>und</strong> Auenlebensräumen<br />

<strong>und</strong> somit auch an Tier- <strong>und</strong><br />

Pflanzenarten so stark einschränken. Vom<br />

unglaublichen Reichtum an Wasserläufen -<br />

gesamtschweizerisch 65 000 km, sind zwar<br />

knapp 4/5 in <strong>natur</strong>nahem oder wenig beeinträchtigtem<br />

Zustand, aber das Verhältnis<br />

täuscht. Schon die schwer vorstellbare Länge<br />

der Wasserläufe zeigt, dass es dabei zur<br />

Hauptsache um kleine Bäche geht. Von den<br />

grossen Flüssen sind 40 Prozent in schlechtem<br />

Zustand (heisst morphologisch stark<br />

beeinträchtigt bis <strong>natur</strong>fremd) <strong>und</strong> von den<br />

mittleren sind es immerhin noch 21 Prozent.<br />

Es sind dies die Gewässer, an denen sich<br />

normalerweise Auen bilden, die Hotspots<br />

der Artenvielfalt, die heute bedrängt auf<br />

Calancasca-Fluss unmittelbar ober- <strong>und</strong><br />

unterhalb der Fassung Valbella. Die Bündner<br />

Regierung verzichtet auf eine Sanierung<br />

dieses wertvollen Fischgewässers <strong>und</strong> somit<br />

auf jegliches Restwasser, weil es ihrer Meinung<br />

nach zu stark die Stromproduktion der<br />

Misoxer Werke schmälern würde. Das knappe<br />

Sickerwasser, das auf dem Bild zu sehen ist,<br />

verschwindet wenige Meter weiter unterhalb<br />

im steinigen Flussbett, das somit bis auf ganz<br />

wenige Überlauftage pro Jahr vollkommen<br />

trocken fällt.<br />

Fotos: Pro Natura<br />

knapp einem halben Prozent der Landesfläche<br />

immerhin die Hälfte aller Tier- <strong>und</strong><br />

Pflanzenarten beherbergen.<br />

Neue Herausforderungen<br />

bei der Wasserqualität<br />

Zudem wirft die Wasserqualität grosse Fragen<br />

auf, wenngleich die chemische Belastung<br />

der Gewässer insgesamt wesentlich<br />

tiefer liegt als noch vor 30 bis 50 Jahren.<br />

Doch sind die Gefahren, die hier nur angedeutet<br />

werden können, heimtückischer <strong>und</strong><br />

rühren etwa von unzähligen Substanzen<br />

her, die in allerkleinsten Konzentrationen<br />

hormonähnlich wirken. Bezieht man den<br />

gewaltigen Effort, der im letzten halben<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert zur Abwasserreinigung geleistet<br />

wurde, auf das Defizit, das man damit<br />

beheben wollte, so ist die heutige Lage hin-<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 21


Gewässer<br />

Luca Vetterli<br />

ist Gewässerexperte<br />

von Pro Natura <strong>und</strong><br />

Geschäftsführer von<br />

Pro Natura Ticino.<br />

Er hat seit Beginn<br />

der Neunziger Jahre den Grossteil<br />

der alpinen Wasserkraftprojekte in<br />

Vertretung verschiedener Umweltorganisationen<br />

eng verfolgt <strong>und</strong> ist Mitglied<br />

in zahlreichen ökologischen Begleitgruppen<br />

von Kraftwerksprojekten.<br />

Seit 2006 Vorstandsmitglied des Vereins<br />

für umweltgerechte Energie beteiligt er<br />

sich aktiv an der politischen Arbeit zum<br />

Gewässerschutz <strong>und</strong> der Gewässernutzung<br />

auf B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> Kantonsebene.<br />

Luca Vetterli ist gemeinsam mit<br />

Brigitte Egger Mitautor des Buches<br />

„Viaggiare alla scoperta dell’acqua“<br />

(Dadò 2003).<br />

Roland Seiler<br />

ist seit Mai 2009<br />

Zentralpräsident des<br />

Schweizerischen<br />

Fischerei-Verbandes<br />

SFV <strong>und</strong> Präsident<br />

des Vereins «Ja zu lebendigem Wasser».<br />

In intensiven Verhandlungen mit Vertretern<br />

der Kantone <strong>und</strong> der Elektrizitätswirtschaft<br />

hat er die Voraussetzungen<br />

für den Kompromiss geschaffen, der<br />

schliesslich den Rückzug der Initiative<br />

«Lebendiges Wasser» ermöglichte. Als<br />

Präsident des Bernisch Kantonalen<br />

Fischerei-Verbandes BKFV (2001–2008)<br />

hat er u.a. federführend den Abstimmungskampf<br />

für den Re<strong>natur</strong>ierungsfonds<br />

des Kantons Bern geführt.<br />

sichtlich der morphologischen <strong>und</strong> hydrologischen<br />

Defizite durchaus mit der damaligen<br />

vergleichbar. Es ist somit zu hoffen, dass<br />

sie einen ähnlichen Kraftakt an Milliardeninvestitionen<br />

auszulösen vermag, damit unsere<br />

Flüsse in einen <strong>natur</strong>naheren Zustand<br />

zurück geführt werden. Anzeichen dazu<br />

sind durchaus ersichtlich, schaut man auf<br />

die vorerst noch bescheidenen Erfolge der<br />

Gewässerre<strong>natur</strong>ierungen in den Kantonen<br />

(bezogen auf den gewaltigen Bedarf) <strong>und</strong><br />

die Bereitstellung bedeutender Finanzmittel<br />

des B<strong>und</strong>es, welche neu diesen Aufgaben<br />

zugewiesen werden sollen. Somit stehen in<br />

den nächsten Jahrzehnten Re<strong>natur</strong>ierungen<br />

ungeahnten Ausmasses bevor, die der Natur<br />

dienen <strong>und</strong> von der Bevölkerung hoch geschätzt<br />

werden.<br />

Kein Ausweg ohne Koordination<br />

Die Herausforderung wird wohl in der subtilen<br />

Koordination der verschiedenen Massnahmen<br />

an den Gewässern liegen, damit<br />

der gewaltige Mitteleinsatz nicht nutzlos<br />

verpufft. Es geht vor allem um das Dreiergespann<br />

zwischen morphologischer Re<strong>natur</strong>ierung,<br />

hydrologischer Sanierung (Restwasser,<br />

Schwall <strong>und</strong> Sunk, Hochwasserdynamik)<br />

sowie Wiederherstellung des Geschiebetriebs.<br />

Dazu sind die neuen Rahmenbedingungen<br />

der Gewässerschutzrevision von<br />

Dezember entscheidend.<br />

Lassen sich im konkreten Fall gewässerökologische<br />

Ziele ebenso gut durch Re<strong>natur</strong>ierung<br />

wie durch mehr Restwasser erzielen,<br />

so ist die Re<strong>natur</strong>ierung nach Ansicht<br />

von Pro Natura <strong>und</strong> Fischereiverband vorzuziehen,<br />

da sie gleichzeitig auch die energiepolitischen<br />

Ziele der erneuerbaren Energieproduktion<br />

zu erfüllen hilft.<br />

Wasserkraftnutzung ökologisieren<br />

Bekanntlich gibt es keine Stromproduktionsart<br />

ohne Umweltauswirkungen. Wasserkraft<br />

gehört zu den besten, vorerst einmal<br />

weil sie erneuerbar ist. Doch sie ist<br />

damit noch keineswegs nachhaltig, bzw.<br />

ökologisch. Dies setzt eine entsprechende<br />

Anlagegestaltung <strong>und</strong> einen angepassten<br />

Betrieb voraus.<br />

Insgesamt sind zwei übergeordnete Grenzen<br />

zu beachten. Aus der Sicht eines Landes, das<br />

wie die Schweiz seine Gewässer bereits weitestgehend<br />

nutzt, geht es zum einen darum,<br />

die wenigen noch unverbauten <strong>und</strong> ungenutzten<br />

Wasserläufe in ihrem <strong>natur</strong>nahen Zustand<br />

zu bewahren. Das ist für die Erhaltung<br />

der Artenvielfalt – das Hauptziel von Pro Natura<br />

– <strong>und</strong> des Fischreichtums – unmittelbares<br />

Ziel des Fischereiverbandes – unabdingbar.<br />

Diese Aufgabe muss heute gegen allen<br />

Nutzungsdruck wahrgenommen werden.<br />

Morgen wäre es angesichts der ungeheuerlichen<br />

Flut an Kleinwasserkraft-Projekten zu<br />

spät. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sind problematische<br />

Kraftwerke in Schutzgebieten <strong>und</strong> an morphologisch<br />

<strong>und</strong> hydrologisch <strong>natur</strong>nahen<br />

Wasserläufen von der kostendeckenden Einspeisevergütung<br />

auszuschliessen.<br />

Zum anderen gilt es, bei der Nutzung der<br />

Gewässer die erforderliche Rücksicht auf die<br />

Natur <strong>und</strong> die Befindlichkeit der Bevölkerung<br />

zu nehmen, also auf Trockenlegung<br />

von Wasserläufen - heute noch bei über der<br />

Hälfte der Wasserentnahmen gängige Praxis<br />

– zu verzichten <strong>und</strong> die schädliche Schwall-<br />

Sunk-Schwankungen in den Flüssen auf ein<br />

ökologisch verantwortbares Mass zu senken.<br />

Es gibt zahlreiche Wasserfassungen, die<br />

für die Gewässer bedeutsam sind, aber<br />

durch die Maschen des Gewässerschutzgesetz<br />

fallen: Die Rede ist von den hochgelegenen,<br />

insgesamt wasserreichen <strong>und</strong><br />

energetisch interessanten Fassungen, die<br />

mindestens 18 Tage pro Jahr gänzlich zufrieren,<br />

<strong>und</strong> somit als nicht ständig wasserführend<br />

im Sinne des Gesetzes der Restwasserpflicht<br />

entkommen.<br />

Mit der Ökologisierung der Wasserkraft allein<br />

kommen wir allerdings nicht mehr auf<br />

einen grünen Zweig. Zu hoch sind der Energieverschleiss<br />

<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Umweltbelastung. Es führt kein Weg an der<br />

entschiedenen Forderung einer rationellen<br />

Energienutzung durch geeignete Rahmenbedingungen<br />

vorbei: Nur auf diesem Pfad<br />

lassen sich letztlich die Herausforderungen<br />

der Erhaltung der Artenvielfalt <strong>und</strong> der Klimapolitik<br />

gemeinsam meistern.<br />

Luca Vetterli<br />

Pro Natura Ticino<br />

Viale stazione 10<br />

Casella postale 2317<br />

6501 Bellinzona<br />

Tel. 091 835 57 67<br />

luca.vetterli@pro<strong>natur</strong>a.ch<br />

Roland Seiler<br />

Zentralpräsident SFV<br />

Badweg 10<br />

3302 Moosseedorf<br />

Tel. 031 859 09 10<br />

roland.seiler@roland-seiler.ch<br />

Seite 22 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Blickpunkt ungezähmte Gewässer:<br />

50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Der Widerstand gegen den Kraftwerksbau in Rheinau führte nicht nur zur Gründung<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es sondern war auch ein umweltpolitischer Wendepunkt.<br />

Heute, ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert nach seiner Gründung, steht der Rheinaub<strong>und</strong> wiederum<br />

vor grossen Herausforderungen.<br />

von Matthias Nast<br />

«Man könnte den Rheinaub<strong>und</strong> vielleicht<br />

auch als einen ‚B<strong>und</strong> von Verschworenen‘<br />

bezeichnen, ein Kreis von Rebellen, die, verfemt,<br />

verhöhnt, der Rechtsverlotterung bezichtigt,<br />

als Fanatiker <strong>und</strong> Sentimentale diskriminiert,<br />

gegen die Machtpolitik des mit<br />

den Regierungen verfilzten Elektrokapitals<br />

angetreten sind.» (<strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong> 4/1972:<br />

160). Mit diesen starken Worten blickte 1972<br />

Erwin Akeret, BGB- bzw. SVP-Nationalrat<br />

<strong>und</strong> Mitbegründer des Rheinau-Komitees,<br />

auf 12 bewegte Jahre Rheinaub<strong>und</strong> zurück.<br />

Nachdrücklich verwies er auf Artikel 22 des<br />

seit 1916 bestehenden B<strong>und</strong>esgesetzes<br />

über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte.<br />

Dieser sei die wahre Wiege der Rheinaubewegung<br />

<strong>und</strong> auf diesen hätten sie sich gestützt:<br />

«Naturschönheiten sind zu schonen<br />

<strong>und</strong> da, wo das allgemeine Interesse an ihnen<br />

überwiegt, ungeschmälert zu erhalten.»<br />

Die Rheinaubewegung<br />

in den 1950er Jahren:<br />

Umweltschutz avant la lettre<br />

Die Doppelschleife bei Rheinau <strong>und</strong> die kleine<br />

Rheininsel, auf der das mächtige ehemalige<br />

Benediktinerkloster thront, sind besondere<br />

Kultur- <strong>und</strong> Landschaftsdenkmäler. Es<br />

verw<strong>und</strong>ert deshalb nicht, dass sich der<br />

Schweizer Heimatschutz (SHS) kritisch äusserte,<br />

als in den 1930er Jahren an dieser<br />

Stelle ein Wasserkraftwerk projektiert wurde.<br />

Der SHS befürchtete, der Kraftwerksbau<br />

diene hauptsächlich der Schiffbarmachung<br />

des Hochrheins (B<strong>und</strong>i 2004: 28). Trotz dieser<br />

Einwände hielten Regierung <strong>und</strong> Behörden<br />

am Projekt fest <strong>und</strong> erteilten 1944 die<br />

Konzession.<br />

Bis die Arbeiten an die Hand genommen<br />

wurden, zogen allerdings noch sieben Jahre<br />

ins Land. Erst im Januar 1951 liessen die<br />

Bauherren beim Rheinfallbecken den künftigen<br />

Wasserstand markieren. Nun erkannte<br />

die Öffentlichkeit in aller Deutlichkeit, wie<br />

massiv sich der Einstau auswirken würde.<br />

Die Profile zeigten an, dass der Rheinfall<br />

zwei Meter Fallhöhe verlieren würde <strong>und</strong><br />

seine Wasser praktisch in einen See stürzen<br />

würden. (Ewald/Klaus: 2009: 550).<br />

Kurt Bächtold, Redaktor bei den Schaffhauser<br />

Nachrichten, richtete sich am 20. Januar<br />

1951 in einem flammenden Appell an seine<br />

Leserschaft <strong>und</strong> bezeichnete den Bau eines<br />

Kraftwerkes beim Kloster Rheinau «als die<br />

grösste Kulturschande, die bei uns seit langer<br />

Zeit begangen wurde.» (Schneider 1998:<br />

13). Unterstützung erhielt Bächtold von Arthur<br />

Uehlinger, Kantonsforstmeister <strong>und</strong><br />

Präsident der Schaffhauser Naturforschenden<br />

Gesellschaft.<br />

Innert kürzester Zeit formierte sich eine<br />

Protestbewegung. Das «Überparteiliche Komitee<br />

zum Schutze der Stromlandschaft<br />

Rheinfall-Rheinau», kurz «Rheinau-Komitee»,<br />

stiess auf ein gewaltiges Echo. Es gelang<br />

ihm, in wenigen Monaten 156 000 Unterschriften<br />

zu sammeln. Doch diese Petition<br />

beeindruckte weder den B<strong>und</strong>esrat noch<br />

Bei der Volksk<strong>und</strong>gebung am<br />

27.1.1952 drückten 10 000<br />

Menschen auf sehr emotionale<br />

Weise ihren Widerstand<br />

gegen das Kraftwerk aus.<br />

Foto: Archiv Rheinaub<strong>und</strong><br />

die Regierungen von Schaffhausen <strong>und</strong><br />

Zürich. Am 23. Januar 1952 griffen die Bauarbeiter<br />

zu Schaufel <strong>und</strong> Pickel. Aus Protest<br />

wurden in Schaffhausen die Fahnen auf<br />

Halbmast gesetzt. Am 27. Januar 1952 zogen<br />

bei Schnee <strong>und</strong> Kälte 10 000 Demonstranten<br />

Richtung Rheinau. Auf mitgeführten<br />

Transparenten war zu lesen: «Wir wollen<br />

hier kein Kraftwerk. Das Volk.» Die Demonstranten<br />

forderten in einer Resolution die<br />

sofor tige Einstellung der Bauarbeiten <strong>und</strong><br />

den Rückzug der Konzession. Doch der B<strong>und</strong>esrat<br />

gab nicht nach <strong>und</strong> hielt an der<br />

Konzes sion fest. Daraufhin versammelten<br />

sich am 25. August 1952 wiederum 15 000<br />

Personen. Das Rheinau-Komitee beschloss,<br />

zwei Volksinitiativen zu lancieren: einerseits<br />

die Initiative «zum Schutze der Stromlandschaft<br />

Rheinfall-Rheinau», andererseits die<br />

Initia tive «zur Erweiterung der Volksrechte<br />

bei der Verleihung von Wasserrechtskonzessionen<br />

durch den B<strong>und</strong>».<br />

Rheinau bewegt die Öffentlichkeit<br />

In Zürich <strong>und</strong> in Schaffhausen war Rheinau<br />

das beherrschende öffentliche Thema. Die<br />

Fronten verliefen quer durch alle Parteien.<br />

Der Abstimmungskampf wurde mit harten<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 23


Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

Bandagen ausgetragen. FDP-Nationalrat Urs<br />

Dietsch bezeichnete den zur Auseinandersetzung<br />

zwischen Materialismus <strong>und</strong> Idealismus<br />

hochstilisierten Konflikt als «Kulturkampf<br />

zwischen Technik <strong>und</strong> Natur».<br />

(Kupper 1999: 23).<br />

Die Befürworter des Bauprojekts nahmen<br />

insbesondere die in der Rheinau-Initiative<br />

enthaltene Übergangsbestimmung ins Visier:<br />

«Zur ungeschmälerten Erhaltung des<br />

Rheinfalles sowie zum Schutz der Schönheit<br />

der Stromlandschaft Rheinfall-Rheinau wird<br />

die […] erteilte Konzession für den Bau<br />

des Kraftwerkes Rheinau aufgehoben. Eine<br />

solche Konzession darf nicht wieder erteilt<br />

werden.» Damit standen, so die Initiativgegner,<br />

wesentliche Gr<strong>und</strong>sätze der Verfassung<br />

<strong>und</strong> der Rechtsstaatlichkeit auf dem Spiel.<br />

Einmal bewilligte Vertragskonzessionen<br />

dürfen nicht einseitig rückgängig gemacht<br />

werden. Henri Zurbrügg, Sektionschef des<br />

Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft<br />

in Bern, brachte seinen Unmut wie<br />

folgt auf den Punkt: «Die Rheinauinitiative<br />

mit ihrer Übergangsbestimmung ist nicht<br />

nur eine Ungeheuerlichkeit <strong>und</strong> ein offenbarer<br />

Missbrauch des Initiativrechtes,<br />

sondern sie bedeutet einen Rechts- <strong>und</strong><br />

Wortbruch gegenüber dem eigenen Staat,<br />

gegenüber dem Nachbarstaat <strong>und</strong> nicht<br />

zuletzt gegenüber dem Konzessionär.»<br />

(Zit. in: Schweizerische Bauzeitung 1954.<br />

Vol. 72: 557f.).<br />

Aber auch die Befürworter stellten den<br />

Demokratiebegriff zur Diskussion. In einem<br />

Professorenappell lesen wir: «Es geht um die<br />

gr<strong>und</strong>sätzliche Frage, ob in der ältesten<br />

Demokratie wirklich noch das Volk das letzte<br />

Wort zu sagen habe.» (Zit. in: Graf 1972: 182).<br />

Die Rheinauinitiative warf aber nicht nur<br />

gr<strong>und</strong>sätzliche Fragen nach den Schranken<br />

des Initiativ- <strong>und</strong> Verfassungsrevisionsrechts<br />

auf. 1972 wies Christoph Graf darüber hinaus<br />

nach, dass im Falle Rheinau eine besonders<br />

starke personelle <strong>und</strong> institutionelle Verflechtung<br />

zwischen den Kraftwerkgesellschaften<br />

<strong>und</strong> den Behörden bestanden habe.<br />

Während des Abstimmungskampfes ruhten<br />

die Arbeiten in Rheinau keineswegs. Im Gegenteil,<br />

mit deren Fortführung sollten Fakten<br />

geschaffen werden. Denn so konnten<br />

die Initiativgegner ein weiteres Argument<br />

ins Feld führen. Bei einer Annahme der Initiative<br />

seien, so die Promotoren der Elektrizitätswirtschaft,<br />

nicht nur Stromengpässe zu<br />

befürchten, sondern die Steuerzahler hätten<br />

mit hohen Schadenersatzforderungen<br />

zu rechnen (Ewald. In: <strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong><br />

1/2005: 3).<br />

Die Argumente der Kraftwerksbefürworter<br />

überzeugten eine Mehrheit der Stimmbürger.<br />

Am 5. Dezember 1954 wurde die Rheinau-Initiative<br />

mit r<strong>und</strong> 504 000 Nein- gegen<br />

229 000 Ja-Stimmen abgelehnt. Nur im Kanton<br />

Schaffhausen wurde sie angenommen.<br />

Am 13. Mai 1956 wurde ausserdem die Wasserrechts-Initiative<br />

mit 454 000 Nein – gegen<br />

266 000 Ja-Stimmen verworfen.<br />

Fast zeitgleich stritten sich Naturschützer<br />

<strong>und</strong> Kraftwerksbauer über ein anderes Bauprojekt.<br />

Im Schweizerischen Nationalpark<br />

sollte der Spöl, der Hauptfluss des Parks, in<br />

das auf italienischem Boden gelegene Livignostauwerk<br />

abgeleitet werden. Unter der<br />

Federführung Arthur Uehlingers wurde ein<br />

Referendum gegen den Staatsvertrag mit<br />

Italien beschlossen. Doch, so Kurt Bächtold,<br />

traten «im Hunger nach elektrischer Energie<br />

[…] Industrie, Banken <strong>und</strong> Politiker für<br />

Kraftwerk <strong>und</strong> Staatsvertrag ein <strong>und</strong> überfuhren<br />

in der Abstimmungskampagne die<br />

Gegner mit übermächtiger Propagandawalze.»<br />

(Bächtold 1991: 196). 1958 ging auch<br />

dieser Kampf verloren.<br />

Die Gründung<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

Trotz dieser Niederlagen waren die Auseinandersetzungen<br />

r<strong>und</strong> um die Kraftwerksbauten<br />

bei Rheinau, aber auch der Kampf<br />

um den Nationalpark, nicht vergeblich. Der<br />

Widerstand gegen diese Projekte wurde, so<br />

Ewald <strong>und</strong> Klaus, zum «Fanal» (Ewald/Klaus<br />

2009: 551) <strong>und</strong> stellte für die Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzbewegung<br />

prägende Erlebnisse<br />

dar (Kupper 1998: 23). Die hart geführten<br />

Abstimmungskämpfe rüttelten die Politik<br />

wach. Rückblickend ist von einem umweltpolitischen<br />

Wendepunkt zu sprechen.<br />

Direkt aus der Rheinaubewegung hervorgegangen<br />

sind 1962 die deutliche Annahme<br />

des Artikels 24 der B<strong>und</strong>esverfassung sexies<br />

(Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzartikel) sowie<br />

1966 das B<strong>und</strong>esgesetz für einen wirksameren<br />

Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz<br />

in der Schweiz (Eawald/Klaus<br />

2009: 551f.).<br />

Die Umweltbewegung avant<br />

la lettre argumentierte noch<br />

hauptsächlich im Stil des<br />

traditionellen Natur- <strong>und</strong><br />

Heimatschutzes, das heisst<br />

vorwiegend patriotisch <strong>und</strong><br />

ästhetisch. Dazu der Umwelthistoriker<br />

Chris tian Pfister:<br />

Die Rheinauinitiative<br />

von 1954, die sich gegen<br />

den Bau eines Kraftwerkes<br />

im symbolträchtigen Umfeld<br />

des Rheinfalls richtete,<br />

«war die erste eidgenössische<br />

Volksabstimmung, die<br />

sich um den Schutz einer<br />

Landschaft drehte. ‚Schönheit‘<br />

<strong>und</strong> ‚Kindheit‘ waren<br />

Leitmotive der Werkgegner.<br />

Quelle: Stadtarchiv<br />

Schaffhausen<br />

Seite 24 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Viele kannten die Rheinau aus ihrer Jugend,<br />

sei es vom Fischen, sei es vom Wandern, sei<br />

es vom Schwimmen im Rhein her. Viele von<br />

ihnen frischten diese Erlebnisse auf, indem<br />

sie sich in Weidlingen den Fluss hinunter tragen<br />

liessen. Andere lernten die eindrückliche<br />

Landschaft bei diesem Anlass kennen.<br />

In allen Fällen scheinen persönliche Schlüsselerlebnisse,<br />

vorwiegend solche aus der<br />

Jugendzeit, für das Engagement ausschlaggebend<br />

gewesen zu sein.» (Pfister 1997: 56).<br />

Worin sich das Rheinau-Kommitee von anderen<br />

Organisationen allerdings erheblich<br />

unterschied, waren dessen Methoden. Protestmärsche<br />

<strong>und</strong> lauthals verkündete Resolutionen<br />

waren nicht immer wohlgelitten. Der<br />

Schweizer Heimatschutz (SHS) <strong>und</strong> Teile des<br />

Schweizerischen B<strong>und</strong>es für Naturschutz<br />

(SBN, heute Pro Natura) kritisierten die radikalen<br />

Methoden der Naturschützer vom<br />

Rhein. Für diese wiederum war die Haltung<br />

des SHS <strong>und</strong> des SBN viel zu kompromissbereit.<br />

Diese Meinungsverschiedenheiten führten<br />

zu einer Spaltung innerhalb der Schweizer<br />

Heimat- <strong>und</strong> Naturschutzbewegung. Das<br />

Rheinau-Komitee, das Schweizerische Komitee<br />

für die Erhaltung des Nationalparkes sowie<br />

einige Mitglieder des SBN gründeten<br />

deshalb am 19. März 1960 den «Rheinaub<strong>und</strong><br />

– Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für<br />

Natur <strong>und</strong> Heimat» mit Sitz in Schaffhausen.<br />

Die neue Bewegung verstand sich als eine<br />

Art resolute, <strong>natur</strong>schützerische Avantgarde:<br />

«Der Rheinaub<strong>und</strong> will ein kleiner, beweglicher<br />

Spähtrupp, eine kampfwillige<br />

Kommandoeinheit mit allseitiger Bereitschaft<br />

zu tätiger Mitarbeit sein.» (Zit. in: Kupper<br />

1999: 30). Er wollte sich für den Naturschutz<br />

mit unkonventionellen Aktionsformen<br />

in der ausserparlamentarischen Opposition<br />

einsetzen (B<strong>und</strong>i 2004: 7).<br />

Wichtigstes Sprachrohr wurde seine sechsmal<br />

jährlich erscheinende Zeitschrift «<strong>natur</strong><br />

+<strong>mensch</strong>». Diese seit 1958 bestehende Zeitschrift<br />

etablierte sich in den 1960er Jahren<br />

<strong>und</strong> darüber hinaus zu einem eigentlichen<br />

Forumsblatt des Naturschutzes <strong>und</strong> diente<br />

verschiedenen regionalen Naturschutzgruppen<br />

als nationale Publikationsplattform.<br />

Treibende Kraft, sowohl hinter dem<br />

B<strong>und</strong> als auch hinter der Zeitschrift, war<br />

über viele Jahre hinweg Arthur Uehlinger.<br />

Verbreiterung des Zihlkanals<br />

zwischen Neuenburger-<br />

<strong>und</strong> Bielersee<br />

während der Zweiten<br />

Juragewässerkorrektion<br />

Foto: archiv susanne muller<br />

Der Kampf gegen die<br />

Schiffbarmachung<br />

von Rhein <strong>und</strong> Aare<br />

Als in den 1960er Jahren alte<br />

Pläne aus den Schubladen<br />

gezogen wurden, die<br />

den Hochrhein über Stromschnellen,<br />

Kraftwerks stufen<br />

<strong>und</strong> gar über den Rheinfall hinaus bis hin<br />

zum Bodensee für grosse Transport schiffe<br />

öffnen sollten, meldete sich der Rheinaub<strong>und</strong><br />

vehement zu Wort. Kernstück dieses<br />

Projekts war das zwischen Stein am Rhein<br />

<strong>und</strong> Diessenhofen geplante Regulierwehr in<br />

Hemishofen. Unter dem Motto «Rettet den<br />

Rhein» bildete sich rasch eine starke Opposition.<br />

Ihr prominentester Exponent war der<br />

redegewandte Schaffhauser Regierungsrat<br />

Konrad «Koni» Graf, der später, von 1977 bis<br />

1985, auch Präsident des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

wurde. Der Rheinaub<strong>und</strong> nahm im Kampf<br />

gegen die Hochrheinschifffahrt eine führende<br />

Rolle ein <strong>und</strong> stellte seine Publikation<br />

«<strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong>» uneingeschränkt der<br />

Schweizerischen Vereinigung gegen die<br />

Hochrheinschifffahrt als Sprachrohr zur Verfügung.<br />

(Schneider. In: <strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong><br />

3/2004).<br />

Am 23. März 1969 protestierten r<strong>und</strong> 6000<br />

Personen in Hemishofen gegen das Bauwerk<br />

<strong>und</strong> stritten für die Erhaltung der<br />

«schönsten Stromlandschaft des Hochrheins».<br />

(Rothenbühler 2004:136).<br />

Der Widerstand gegen das Hemishofer-Projekt<br />

fand breite Unterstützung. Als Folge<br />

kam im August 1973 im Kanton Thurgau die<br />

Bodenseeinitiative vors Volk. Sie wurde mit<br />

einem überwältigenden Mehr von 39 704<br />

Ja-Stimmen gegen 5542 Nein-Stimmen angenommen.<br />

Zu diesem klaren Verdikt<br />

schreibt die Historikerin Verena Rothenbühler:<br />

«Während die Naturschutzinitiativen der<br />

Rheinau- <strong>und</strong> Spölgegner in den 1950er<br />

Jahren noch nicht den Hauch einer Chance<br />

gehabt hatten, war der Naturschutzgedanke<br />

knapp zwanzig Jahre später mehrheitsfähig.»<br />

(Rothenbühler 2004:137).<br />

Nur bedingt erfolgreich waren die Naturschützer<br />

an der Aare. In Zusammenhang mit<br />

der Zweiten Juragewässerkorrektion (1962–<br />

1973) bestanden Pläne zur Schiffbarmachung<br />

der Aare <strong>und</strong> der Juraseen sowie zum<br />

Bau einer Verbindung zwischen Neuenburger-<br />

<strong>und</strong> Genfersee. Als Gründungsmitglied<br />

der «Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der<br />

Aare», bekämpfte der Rheinaub<strong>und</strong> diesen<br />

sogenannten «Transhelvetischen Kanal». Es<br />

gelang zwar, die Güterschifffahrt zu verhindern,<br />

das Regulierwehr Flumenthal wurde<br />

jedoch trotz massiven Wiederstands erbaut<br />

(Nast 2006: 152ff.).<br />

Die Wende der siebziger Jahre<br />

<strong>und</strong> der Rheinaub<strong>und</strong><br />

In den 1970er Jahren tauchten in der öffentlichen<br />

Debatte bisher kaum bekannte Begriffe<br />

auf. «Umwelt» <strong>und</strong> «Ökologie» wurden<br />

plötzlich salonfähig. Der Historiker François<br />

Walter spricht von der «Wende der siebziger<br />

Jahre». Der Bericht des Club of Rome, Ulrich<br />

Becks Konzept der «Risikogesellschaft», der<br />

neue Blick aus dem All auf die verletzbare<br />

Erdkugel aber auch die individuelle Suche<br />

nach alternativen Wegen im Sinn von «Small<br />

is beautiful» prägten diese Epoche. Es entstand<br />

nun ein modernes Umweltbewusstsein,<br />

das die Mensch-Natur-Beziehung bis<br />

heute beeinflusst.<br />

Bei den National- <strong>und</strong> Ständeratswahlen<br />

von 1971 war Umweltschutz erstmals ein<br />

Wahlkampfthema. Im gleichen Jahr nah-<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 25


Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

men 92,7 Prozent der Stimmenden <strong>und</strong> alle<br />

Stände den Umweltschutzartikel an.<br />

Diese «Wende der siebziger Jahre» beeinflusste<br />

auch den Rheinaub<strong>und</strong>. In einem<br />

Manifest von 1972 lesen wir: «Alle Bemühungen<br />

für den Schutz des Lebens <strong>und</strong> der<br />

Umwelt, alle Rettungsmassnahmen auf dem<br />

Gebiet des Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzes sind<br />

jedoch nur Symptom- <strong>und</strong> nicht Ursachenbehandlung,<br />

solange das zentrale Problem<br />

einer Stabilisierung der Bevölkerung <strong>und</strong><br />

der Wirtschaft nicht gelöst ist.» (<strong>natur</strong>+<br />

<strong>mensch</strong> 4/1972: 158).<br />

Ausserdem traten vermehrt Wissenschaftler<br />

auf den Plan. Die Meinung der Experten aus<br />

der Industriegesellschaft wurde nicht mehr<br />

wiederspruchlos hingenommen. (Pfister<br />

1997: 61). Dazu Erwin Akeret: «Inzwischen<br />

ist auch die Wissenschaft erwacht <strong>und</strong> liefert<br />

uns mit ihren Untersuchungen <strong>und</strong> Werken<br />

das wissenschaftliche […] Rüstzeug, um<br />

unseren Kampf noch wirksamer zu führen<br />

<strong>und</strong> die wirtschaftlich-politischen Kräfte, die<br />

die Zeichen der Zeit nicht begriffen haben<br />

<strong>und</strong> an überholten Projekten festhalten, zu<br />

besiegen.» (<strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong> 4/1972: 162).<br />

Nein Danke oder Ja gern:<br />

Über den schwierigen Umgang<br />

mit der Atomkraft<br />

1959 schrieb Hans Utzinger vom Rheinaub<strong>und</strong><br />

über die Frage der Atomkraft: «Eine<br />

endgültige Lösung unserer Energieproblems<br />

können nur die Atomenergie oder ganz neue,<br />

heute noch nicht bekannte Energiequellen<br />

bringen.» (<strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong> 7–8/ 1959: 99).<br />

Rückblickend mag es erstaunen, dass der<br />

Rheinaunb<strong>und</strong> <strong>und</strong> mit ihm zahlreiche andere<br />

Umweltorganisationen das heran dämmernde<br />

Atomzeitalter dieserart begrüsst<br />

haben. Hinter dieser Haltung steckte nichts<br />

anderes als die Hoffnung, Atomkraft könne<br />

die Wasserkraft ersetzen, <strong>und</strong> die übrig gebliebenen<br />

natürlichen Flusslandschaften<br />

blieben somit erhalten. Der Rheinaub<strong>und</strong><br />

erkannte allerdings rasch, dass auf diese<br />

Weise lediglich der Teufel mit dem Beelzebub<br />

ausgetrieben würde <strong>und</strong> vollzog zu Beginn<br />

der 1970er Jahre eine scharfe Kehrtwendung.<br />

Exemplarisch zeigt sich dies<br />

anhand der Besetzung von Kaiseraugst.<br />

1975 verfasste der Rheinaub<strong>und</strong> eine Resolution,<br />

worin er sich mit den Besetzern solidarisierte:<br />

«Der Rheinaub<strong>und</strong> unterstützt<br />

den Einsatz der Besetzer <strong>und</strong> der Bürger -<br />

initiativen gegen das geplante Atomkraftwerk<br />

Kaiseraugst. […] Gezwungen durch<br />

die Erfahrung mit der Politik der vollendeten<br />

Tatsachen beim Kampf gegen das Kraftwerk<br />

Rheinau billigen wir die Besetzung.»<br />

(<strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong> 3/1975: 112).<br />

Seit den 1970er Jahren nimmt der Rheinaub<strong>und</strong><br />

klar Stellung gegen die Atomkraft. Die<br />

Zeitschrift «<strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong>» entwickelte sich<br />

zu einem Forum für atomkritische Beiträge<br />

<strong>und</strong> ist deshalb, so Kupper, «eine ausgezeichnete<br />

Quelle für die verschiedenen Bewegungen,<br />

die die Atomenergie kritisierten.»<br />

(Kupper 1999: 86).<br />

Hans Utzinger, derselbe Autor, der für die<br />

weiter oben zitierte Aussage verantwortlich<br />

ist, nahm 1984 zur Atomfrage wie folgt Stellung:<br />

«Wir müssen zugeben, damals – wie<br />

fast jedermann – die grossen Gefahren <strong>und</strong><br />

Konsequenzen der Atomenergie zuwenig erkannt<br />

zu haben.» (<strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong> 1/1984: 24).<br />

Vielseitiges Engagement<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> konzentrierte seine Aktivitäten<br />

hauptsächlich auf die Nordostschweiz.<br />

Immer wieder engagierte er sich<br />

aber auch für nationale Themen. So unterstützte<br />

er entschieden die Opposition gegen<br />

das Greina-Kraftwerkprojekt <strong>und</strong> stellte<br />

zwischen 1975 <strong>und</strong> 1977 seine Zeitschrift<br />

«<strong>natur</strong>+<strong>mensch</strong>» in den Dienst des Widerstandes.<br />

Ausserdem nahm er Stellung gegen<br />

die Beeinträchtigung der Landschaft<br />

des Bündner Rheins durch die Wiederaufnahme<br />

der Projekte Ilanz-Tavanasa. Er<br />

K<strong>und</strong>gebung beim Nagra-<br />

Bohrplatz Benken am<br />

Ostersamstag 2002: Der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> unterstützt<br />

aktiv <strong>und</strong> kreativ die<br />

Opposition gegen ein<br />

Endlager im Zürcher<br />

Weinland.<br />

Foto: Quelle: rheinau.net<br />

engagierte sich für die Kleeblatt-Initiativen,<br />

wobei er<br />

sich aktiv der Opposition im<br />

Knonauer-Amt anschloss,<br />

unterstützte den Widerstand gegen den<br />

Ausbau der Grimsel-Kraftwerke <strong>und</strong> organisierte<br />

die regionale Kampagne der Genschutz-Initiative.<br />

Zusammen mit der 1982<br />

gegründeten Vereinigungen Pro-Thur ist es<br />

ihm gelungen, eine umweltgerechte Variante<br />

für die Thur-Sanierung durch die Instanzen<br />

zu bringen <strong>und</strong> so die Auenlandschaft<br />

entlang der Thur für künftige Generationen<br />

zu retten. Darüber hinaus setzte sich der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> für dringliche Massnahmen<br />

auf dem Gebiete der Raumplanung ein,<br />

stellte sich hinter die Volksini tiative zum<br />

Schutz der Moore (Rothenthurm-Initiative)<br />

<strong>und</strong> kämpfte für das von ihm bis heute genutzte<br />

Verbandsbeschwerderecht.<br />

Mit Einsprachen <strong>und</strong> Rekursen leistete er stets<br />

auch ausserordentlich aufwändige <strong>und</strong> erfolgreiche<br />

juristische Arbeit hinter den Kulissen.<br />

Damit machte er sich bei den Behörden zwar<br />

nicht immer beliebt. Trotzdem wurde <strong>und</strong><br />

wird der Rheinaub<strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> seiner qualitativ<br />

hochstehenden Expertisen in der Fachwelt<br />

<strong>und</strong> den Verwaltungen sehr geschätzt<br />

<strong>und</strong> als professioneller Partner anerkannt.<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> hängte seine Aktivitäten<br />

nicht immer an die grosse Glocke. In einer<br />

Zeit omnipräsenter Medien ist diese Zurückhaltung<br />

heute allerdings kontraproduktiv.<br />

Die Öffentlichkeit <strong>und</strong> insbesondere die Mitglieder<br />

wollen stets informiert sein. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> hat der Vorstand kürzlich<br />

entschieden, vermehrt Ressourcen in die<br />

Öffentlichkeitsarbeit zu stecken.<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> macht Schule<br />

Heutzutage werden Umweltschutz, Nachhaltigkeit<br />

<strong>und</strong> Ökologie von allen Parteien,<br />

Verbänden <strong>und</strong> Behörden als berechtigte<br />

Seite 26 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Matthias Nast<br />

hat an der<br />

Universität Bern<br />

Geschichte,<br />

Politische Wissenschaften<br />

sowie<br />

Allgemeine Ökologie studiert <strong>und</strong> 1996<br />

zu einem umwelthistorischen Thema<br />

promoviert. Heute arbeitet er als freier<br />

Historiker, Autor <strong>und</strong> Dozent. Er ist<br />

davon überzeugt: Wer mehr über<br />

seinen Lebensraum weiss, der hat auch<br />

mehr Verständnis für einen sorgsamen<br />

Umgang mit der Natur.<br />

Anliegen anerkannt. Umweltorganisationen<br />

stehen deshalb vor anderen Herausforderungen<br />

als noch vor 50 Jahren. Das hat der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> erkannt. Mit dem erfolgreich<br />

gestarteten Projekt «VivaRiva» spricht der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> explizit Schülerinnen <strong>und</strong><br />

Schüler sowie Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer an.<br />

Spielerisch, in der freien Natur, ob im Wald<br />

oder am Bach, werden ökologische Zusammenhänge<br />

erklärt sowie der Wert <strong>und</strong> die<br />

Schönheiten unberührter Natur vermittelt.<br />

In den letzten Jahren ist der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> mehr <strong>und</strong> mehr<br />

proaktiv für den Gewässerschutz<br />

eingetreten <strong>und</strong> hat sich damit<br />

bei Behörden <strong>und</strong> Projektanten<br />

einen guten Namen gemacht.<br />

Foto: photocase<br />

Auch geht der Rheinaub<strong>und</strong> weiterhin Kooperationen<br />

mit anderen Umweltorganisationen<br />

ein. Doch zu diesen steht er heute<br />

stärker in Konkurrenz als früher. Deshalb<br />

benötigt der Rheinaub<strong>und</strong> ein spezifisches<br />

<strong>und</strong> herausragendes Merkmal. Das findet<br />

sich selbstverständlich beim Gewässerschutz,<br />

was im neuesten Leitbild entsprechend<br />

verankert wurde.<br />

Wasserkraft ist heute wieder in aller Leute<br />

M<strong>und</strong>. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des drohenden<br />

Klimawandels erscheint die Nutzung dieser<br />

CO2-freien Energie verlockend. Doch welchen<br />

Preis wollen wir dafür bezahlen? Dem<br />

Rheinaub<strong>und</strong> wird die Arbeit nicht ausgehen:<br />

Unter anderem beschäftigt er sich derzeit<br />

intensiv mit den Verhandlungen um die<br />

Neukonzession des Kraftwerks Kembs oder<br />

setzt sich nachdrücklich für die Revitalisierung<br />

der Restwasserstrecke beim Kraftwerk<br />

Rheinau ein.<br />

Zudem wird der Rheinaub<strong>und</strong> durch unzählige<br />

Bauprojekte für Kleinwasserkraftwerke<br />

mit seinem eigentlichen Kernthema konfrontiert.<br />

Der frühere Rheinaub<strong>und</strong>-Geschäftsführer<br />

Ruedi Schneider kommentiert die<br />

Sachlage so: «Jetzt können sie [die Stromproduzenten]<br />

mit ‚ökologisch reinem Gewissen‘<br />

auch noch die letzten natürlichen <strong>und</strong> <strong>natur</strong>nahen<br />

Bäche <strong>und</strong> Flussabschnitte rentabel<br />

verbetonieren.» (Zit. in: Ewald 2009: 542f).<br />

Es bleibt zu hoffen, dass sich der Rheinaub<strong>und</strong><br />

erfolgreich dagegen zur Wehr setzen<br />

kann <strong>und</strong> ihm die dazu nötigen Mittel zufliessen<br />

werden. Nur so kann verhindert werden,<br />

dass unsere bereits zu 95 Prozent durch<br />

technische Massnahmen beeinträchtigten<br />

Gewässer nicht durch die finanzielle Förderung<br />

von Kleinkraftwerken vollends dem<br />

Energiehunger zum Opfer fallen werden.<br />

Literaturangaben<br />

Bächtold, Kurt 1991: Arthur Uehlinger. In:<br />

Schaffhauser Biographien. Band V 68. S.<br />

190-197.<br />

B<strong>und</strong>i, Madlaina 2004: Erhalten <strong>und</strong> gestalten.<br />

100 Jahre Schweizer Heimatschutz. Hgg. vom<br />

Schweizer Heimatschutz. Zürich.<br />

Ewald, Klaus C., Klaus Gregor 2009: Die ausgewechselte<br />

Landschaft. Vom Umgang der<br />

Schweiz mit ihrer wichtigsten natürlichen<br />

Ressource. Bern.<br />

Graf, Christoph 1972: Das Kraftwerk Rheinau <strong>und</strong><br />

die Rheinau-Initiative 1953. Ein Modellfall<br />

einiger staats- <strong>und</strong> völkerrechtlicher sowie<br />

staats- <strong>und</strong> kulturpolitischer Gegenwartsfragen<br />

der Schweiz im Lichte amtlicher Quellen.<br />

Inaugural-Dissertation Universität Bern. Zürich.<br />

Kupper, Patrick 1998: Abschied von Wachstum<br />

<strong>und</strong> Fortschritt. Die Umweltbewegung <strong>und</strong><br />

die zivile Nutzung der Atomenergie in der<br />

Schweiz (1960-1975). Lizentiatsarbeit<br />

Universität Zürich. Preprints zur Kulturgeschichte<br />

der Technik Nr. 2. Hgg. von der ETH<br />

(Institut für Geschichte). Zürich.<br />

Nast, Matthias 2006: überflutet – überlebt – überlistet:<br />

Die Geschichte der Juragewässerkorrektionen.<br />

Biel.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>. Hgg. vom Rheinaub<strong>und</strong>,<br />

Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für<br />

Natur <strong>und</strong> Heimat. Schaffhausen. Diverse<br />

Jahrgänge.<br />

Pfister, Christian 1997: Landschaftsveränderung<br />

<strong>und</strong> Identitätsverlust. Akzentverschiebungen<br />

in der Modernisierungskritik von der<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertwende bis um 1970. In: Traverse.<br />

Zeitschrift für Geschichte. Vol. 2. S. 49–68.<br />

Rothenbühler, Verena 2004: Naturschutz auf dem<br />

Dienstweg. Die Naturschutzkommission der<br />

Thurgauischen Naturforschenden Gesellschaft.<br />

In: Bürgi, Michael. Speich Daniel (Hg.):<br />

Lokale Naturen. 150 Jahre Thurgauische<br />

Naturforschende Gesellschaft. 1854–2004.<br />

Frauenfeld.<br />

Schneider, Ruedi 1997: Der Rheinaukampf. In:<br />

Naturforschende Gesellschaft Schaffhausen<br />

(Hg.). 50 Jahre Landschaftswandel <strong>und</strong><br />

Naturschutz in der Region Schaffhausen.<br />

Neujahrsblatt 50/1998. Schaffhausen.<br />

Matthias Nast<br />

kulturvermittler.ch<br />

Letzigraben 49<br />

8003 Zürich<br />

www.kulturvermittler.ch<br />

m.nast@kulturvermittler.ch<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 27


Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

Im Gespräch mit den Zeitzeugen<br />

Gerold Meier <strong>und</strong> Walter Büsch<br />

Das 50 jährige Rheinaub<strong>und</strong>-Jubiläum ist Gr<strong>und</strong> genug,<br />

Rückschau zu halten <strong>und</strong> sich Gedanken über die Anfänge<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es zu machen. Wie kam es zu der beeindruckenden<br />

Volksbewegung <strong>und</strong> was stand bei dem<br />

Kampf um Rheinau im Vordergr<strong>und</strong>? Die Zeitzeugen<br />

Gerold Meier <strong>und</strong> Walter Büsch gaben dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

hierzu in einem sehr persönlichen Gespräch Auskunft.<br />

Herr Büsch, im Rheinau-Komitee hatten Sie<br />

die Funktion des Sekretärs. Wann <strong>und</strong> wie<br />

kamen Sie zu diesem Engagement <strong>und</strong> was<br />

war Ihre Motivation?<br />

Das muss so 1953 oder 1954 gewesen sein.<br />

Ich wurde damals von Hans Blum <strong>und</strong><br />

Gerold Meier angesprochen, ob ich nicht in<br />

Zürich das Sekretariat führen könnte. Ich<br />

habe das damals als Werkstudent gemacht,<br />

wobei das natürlich ein bisschen auf Kosten<br />

meines Studiums ging.<br />

Die Arbeit bestand in erster Linie aus der<br />

Vorbereitung der Inseratekampagne, dem<br />

Suchen von Referenten <strong>und</strong> dem Kontakt zu<br />

befre<strong>und</strong>eten Organisationen. Natürlich<br />

musste ich unter anderem auch für die Aufnahme<br />

von Artikeln über die Initiative sorgen.<br />

– Im Sekretariat trafen laufend uneingeschriebene<br />

Briefe, oft ohne Absender ein,<br />

die Spenden-Beträge bis Fr. 1000.– enthielten.<br />

Anregungen <strong>und</strong> Anfragen von Bürgern<br />

führten schon damals zu einer erheblichen<br />

Korrespondenz.<br />

Herr Meier, was war Ihre Funktion im Rheinau-Komitee?<br />

Wann <strong>und</strong> wie kamen Sie zu<br />

diesem Engagement <strong>und</strong> was war Ihre Motivation?<br />

Rheinau beigetreten. Später war ich während<br />

längerer Zeit Vizepräsident.<br />

Der Arbeitsaufwand für die Organisation<br />

der Grossdemos in Rheinau, die Koordination<br />

der politischen Vorstösse, insbesondere<br />

die Lancierung der beiden eidg. Volksinitiativen<br />

war sicher gewaltig. Wie konnte<br />

eine derart kleine Gruppe eine Volksbewegung<br />

initiieren?<br />

Gerold Meier – Das war damals ja die Gründerzeit<br />

der Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzbewegung.<br />

Wir haben eigentlich gar nicht so viel<br />

gemacht, man darf aber nicht vergessen,<br />

dass es um den Rheinfall ging, der durch das<br />

Kraftwerk ja teilweise eingestaut werden<br />

sollte. Das war für die Leute wirklich ein<br />

Heiligtum, an dem man sich nicht vergreift.<br />

Professor Giacometti hat damals ein Gutachten<br />

für den Rheinaub<strong>und</strong> gemacht <strong>und</strong><br />

den Rheinfall darin mit dem Matterhorn verglichen,<br />

so dass da eine ungeheure Eigendynamik<br />

zum Tragen kam. Wir haben keine<br />

grosse Werbung für die K<strong>und</strong>gebung gemacht,<br />

die Leute sind einfach gekommen.<br />

Es ist alles sehr friedlich zugegangen, obgleich<br />

die Stimmung gereizt war <strong>und</strong> die<br />

Elektrizitätswirtschaft sogar versucht hat,<br />

manche Veranstaltungen zu unterwandern.<br />

Was ist Ihnen vom Kampf ums Kraftwerk<br />

Rheinau 1951–1954 noch am lebhaftesten<br />

in Erinnerung geblieben?<br />

Walter Büsch – Ich denke das ist die besondere,<br />

gr<strong>und</strong>ernste Stimmung. Die Betroffenheit,<br />

der Ernst der Menschen. Ich denke aber<br />

Nachdem ich von der Existenz des Komitees<br />

gehört hatte, das ja von Kurt Bächthold, Willi<br />

Schudel, Oskar Bek <strong>und</strong> Arthur Uehlinger<br />

ins Leben gerufen worden ist, bin ich gemeinsam<br />

mit Hans Blum zu einer Sitzung<br />

gegangen. Wir sind beide mit grosser Überzeugung<br />

dem überparteilichen Komitee<br />

zum Schutze der Stromlandschaft Rheinfallauch<br />

an Prof. Zaccaria Giacometti , der an<br />

der Universität Zürich Staats <strong>und</strong> Verwaltungsrecht<br />

lehrte, ein Gutachten für den<br />

Rheinau-B<strong>und</strong> schrieb <strong>und</strong> unsere Anliegen<br />

stets unterstützt hat. Als er vernahm, dass<br />

der Rückzug der Initiative im Rheinau-Komitee<br />

ein Thema war, sagte er mir, ich solle an<br />

der entscheidenden Sitzung mitteilen, ein<br />

Rückzug wäre nach seiner Überzeugung ein<br />

grosser Fehler. Mit grosser Mehrheit wurde<br />

der Antrag auf Rückzug der Initiative daraufhin<br />

abgelehnt. Ich erlebte den Kampf um<br />

das Kraftwerk Rheinau als eigentlichen<br />

Glaubenskrieg.<br />

Was zeichnete das Rheinau-Komitee gegenüber<br />

anderen Vereinigungen wie Heimatschutz<br />

oder den SBN (heute Pro Natura) aus?<br />

Walter Büsch – Wir waren damals viel schlagkräftiger<br />

<strong>und</strong> flexibler <strong>und</strong> sind deutlich<br />

militanter aufgetreten als SBN <strong>und</strong> Heimatschutz.<br />

Gerold Meier – Da waren aber auch Unterschiede<br />

in den Strukturen. Beim SBN war ja<br />

die Generalversammlung für alle Aktivitäten<br />

massgebend <strong>und</strong> da sind dann zahlreiche<br />

Energievertreter eingetreten <strong>und</strong> haben<br />

den Verband unterwandert.<br />

Walter Büsch – Die anderen Verbände haben<br />

sich aber auch wohl davon abhalten lassen,<br />

dass die Konzession ja bereits seit etwa 1944<br />

bestand.<br />

Warum sind die beiden Volksinitiativen Ihrer<br />

Meinung nach gescheitert?<br />

Seite 28 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Gerold Meier – Ich bin nicht der Meinung,<br />

dass die Volksinitiativen gescheitert sind.<br />

Lokal wurden sie mit überwältigendem<br />

Mehr angenommen. B<strong>und</strong>esweit gab es natürlich<br />

keine Mehrheit; der Rheinfall ist trotz<br />

allem lokal. Aber die Folgeeffekte der Initiative<br />

sind mitunter wichtiger als das eigentliche<br />

bekämpfte Kraftwerk.<br />

Walter Büsch – Es war keine Überraschung,<br />

dass die Initiative verloren ging. Es ging uns<br />

aber auch mehr um die philosophischen<br />

Ideale, wie unser Recht, die Tatsache, dass<br />

die Natur verletzt <strong>und</strong> ein landschaftliches<br />

Heiligtum angekratzt wurde. Da war der<br />

Widerstand Bürgerpflicht!<br />

Was waren die Beweggründe, nach dem verlorenen<br />

Kampf gegen das Kraftwerk Rheinau<br />

den Rheinaub<strong>und</strong> zu gründen? Wer war<br />

alles an der Gründung des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

beteiligt?<br />

Gerold Meier – Nach der gescheiterten Initiative<br />

war da ja noch im Bündnerland die Initiative<br />

am Spöl, an der das Komitee massiv<br />

beteiligt war. Ich erinnere mich noch daran,<br />

dass wir damals mit dem ganzen Komitee<br />

eine Exkursion zum Spöl gemacht haben.<br />

Danach kam dann die Idee, das Rheinau-Komitee<br />

<strong>und</strong> die Bündner Bewegung in einer<br />

Organisation für die Zukunft zusammenzufassen.<br />

Ich habe mich damals vehement dafür<br />

eingesetzt, dass diese Organisation den<br />

Namen „Rheinaub<strong>und</strong>“ erhält. Aus einem<br />

Gründungsdokument geht hervor, dass damals<br />

Giachen Arquint (Zernez), Ernst Erzinger<br />

(Riehen), Oskar Hürsch (Winterthur),<br />

Walter Büsch (links) <strong>und</strong> Gerold<br />

Meier im Gespräch auf der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> Geschäftsstelle<br />

in Schaffhausen.<br />

Foto: Günther Frauenlob<br />

Arthur Uehlinger (Schaffhausen), Jakob Weber<br />

(Burgdorf) <strong>und</strong> Amelie Volmer (Lausanne)<br />

beteiligt waren. Prof. Hans Zbinden,<br />

Universität Bern, verfasste die breit gestreute<br />

Schrift: „Der Kampf um Rheinau – ein<br />

Kampf fürs Recht.“<br />

In Ihrer Zeit beim Rheinaub<strong>und</strong> haben sie<br />

mit Sicherheit einige Höhen <strong>und</strong> Tiefen erlebt.<br />

Welches waren für Sie die wichtigsten<br />

Meilensteine <strong>und</strong>/oder grössten Erfolge des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es?<br />

Gerold Meier – Ich habe ja schon gesagt, dass<br />

die verlorenen Abstimmungen für mich<br />

keine Niederlagen waren. Schaffhausen hat<br />

damals ja deutlich Ja gesagt.<br />

Walter Büsch – Der eigentliche Erfolg war<br />

aber das Eindringen des Natur- <strong>und</strong> Heimatschutzes<br />

in die Politik. Die Aufnahme einer<br />

Bestimmung in der B<strong>und</strong>esverfassung war<br />

wirklich ein Erfolg für uns. Außerdem sind<br />

wir damals so etwas wie der Wegbereiter für<br />

den Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz gewesen.<br />

Wie erklären Sie sich den Umstand, dass sich<br />

damals auch die bürgerlichen Lager für den<br />

Natur <strong>und</strong> Heimatschutz eingesetzt haben,<br />

während dieses Feld heute vorwiegend politisch<br />

links besetzt ist?<br />

Walter Büsch – Wenn ich überlege, wer mir<br />

damals so geschrieben hat, dann waren das<br />

vor allem Anwälte, Redaktoren, Professoren<br />

… Im Gr<strong>und</strong>e genommen fast nur Leute aus<br />

der obersten intellektuellen Ebene. Das waren<br />

wirklich vor allem Leute aus dem rechtsbürgerlichen<br />

Lager, <strong>und</strong> die haben damals<br />

gesagt, so etwas darf hier in der Schweiz<br />

nicht geschehen. Linksparteien kümmerten<br />

sich damals nur um das Einkommen der<br />

Arbeiter.<br />

Die Konzession für das Kraftwerk Rheinau<br />

läuft in gut zwanzig Jahren ab, was soll<br />

dann nach Ihrer Meinung mit dem Kraftwerk<br />

geschehen?<br />

Walter Büsch – Wenn die Konzession ausläuft,<br />

müsste man doch eigentlich den Antrag<br />

stellen, den alten, natürlichen Zustand<br />

wieder herzustellen. Dies umso mehr, als<br />

der Anteil des Kraftwerks Rheinau an der<br />

heutigen schweizerischen Stromproduktion<br />

wohl weniger als ein halbes Prozent beträgt.<br />

Sieht man von allen politischen Rahmenbedingungen<br />

ab, sollte das doch eigentlich<br />

möglich sein.<br />

Gerold Meier – Naja, das Problem ist die<br />

Atomkraft, wenn wir jetzt ein Wasserkraftwerk<br />

abreissen, bringt das ja wieder nur<br />

Wasser auf die Mühlen der Atomenergie.<br />

Und das wollen wir ja gar nicht. Politisch<br />

ist ein Abriss vollkommen unrealistisch.<br />

Die Bestrebungen auch der Gemeinde<br />

sind eher, dass alles so bleibt, wie es jetzt<br />

ist, es muss aber ökologisch verbessert<br />

werden.<br />

Was sagen Sie dazu, dass es den Rheinaub<strong>und</strong><br />

heute nach fünfzig Jahren noch gibt<br />

<strong>und</strong> welches sind aus Ihrer Sicht seine zentralen<br />

Aufgaben?<br />

Gerold Meier – Der Rheinaub<strong>und</strong> kümmert<br />

sich ja vorwiegend um Gewässer <strong>und</strong> das ist<br />

gut so. Ich würde sagen, dass allein die Tatsache,<br />

dass es den Rheinaub<strong>und</strong> neben Pro<br />

Natura <strong>und</strong> dem WWF noch gibt, Beweis genug<br />

ist, wie notwendig der Verband auch<br />

heute noch ist.<br />

Was möchten Sie dem Rheinaub<strong>und</strong> mit auf<br />

den Weg in die Zukunft geben?<br />

Walter Büsch – Nicht nachlassen, weiter so.<br />

Gerold Meier – Es geht heute doch vor allem<br />

darum, zu retten, was man noch retten<br />

kann. Ihr solltet euch auf die Fließgewässer<br />

konzentrieren, die noch nicht beeinträchtigt<br />

sind, <strong>und</strong> die letzten natürlichen Lebensräume<br />

schützen <strong>und</strong> bewahren. Natürlich<br />

muss es aber auch darum gehen, kleinere<br />

Fliessgewässer wieder auszudolen <strong>und</strong><br />

sie zu re<strong>natur</strong>ieren. Der Rheinaub<strong>und</strong> soll<br />

dort kämpfen, wo er wirklich etwas retten<br />

kann!<br />

Herr Büsch, Herr Meier, wir danken Ihnen für<br />

dieses Gespräch.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 29


Aus dem Rheinaub<strong>und</strong><br />

50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong> – Gedanken zum Jubiläum<br />

Rheinaub<strong>und</strong>:<br />

Auf die nächsten 50 Jahre<br />

«Ich möchte dem<br />

Rheinaub<strong>und</strong> ganz<br />

herzlich zu seinem<br />

50. Geburtstag gratulieren<br />

<strong>und</strong> ihm gleichzeitig<br />

danken für seinen<br />

unermüdlichen<br />

Einsatz zugunsten<br />

«Natur <strong>und</strong> Mensch». Wie vielfältig habe ich<br />

dankbar von diesen Leistung profitiert.<br />

Zuerst als junges Mädchen beim Schwimmen<br />

im Rhein bei Flaach. Denn das Wasser wurde<br />

Jahr für Jahr klarer <strong>und</strong> die schmutzigen<br />

Schaumteppiche in der Strömung spärlicher.<br />

Später als junge Frau <strong>und</strong> Mutter, als ich für<br />

einige Jahre das Präsidium des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

führen durfte. Ich lernte die vielen - mit<br />

Herz <strong>und</strong> Kopf engagierten - Menschen im<br />

Rheinaub<strong>und</strong> persönlich kennen <strong>und</strong> schätzen.<br />

Wie viel wurde da in grosser Selbstverständlichkeit<br />

an Fronarbei zugunsten unserer<br />

Umwelt geleistet. Ich erlebte, wie viel Einsatz<br />

es braucht, um Fehler im Umgang mit unserer<br />

Schöpfung zu verhindern oder entstandene<br />

Fehler wieder zu korrigieren. Und wie berührend<br />

der Erfolg war, wenn von Tieren <strong>und</strong><br />

Pflanzen die Rückeroberung ihrer einstigen<br />

Lebensräume wieder möglich wurde.<br />

Heute als Ständerätin schätze ich die Arbeit<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es nach wie vor. F<strong>und</strong>ierte<br />

Analysen <strong>und</strong> Expertenüberlegungen helfen<br />

mir immer wieder bei meiner politischen Meinungsbildung<br />

bei aktuellen Geschäften.<br />

Darum: herzlichen Dank allen Beteiligten <strong>und</strong><br />

auf die nächsten 50 Jahre!»<br />

Verena Diener, Ständerätin<br />

Klein, aber fein<br />

Klein, aber fein, beharrlich <strong>und</strong> konsequent<br />

verfolgt der Rheinaub<strong>und</strong> seine Ziele. Mit<br />

«<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>» schuf er ein Informationsmedium<br />

im Natur- <strong>und</strong> Landschaftsschutz,<br />

das in der Schweizer Umweltszene<br />

nach wie vor einzigartig<br />

ist <strong>und</strong> weit entfernt<br />

von dem üblichen<br />

Genre der verbandseigenen<br />

Zeitschriften<br />

Themen von<br />

öffentlichem Interesse<br />

in sachlich-f<strong>und</strong>ierter<br />

Weise aufgreift. Damit stellt sich der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> in den Dienst einer breiten Umweltbildung.<br />

Ich wünsche mir, dass diese Zeitschrift<br />

noch viele neue Leser finden wird.<br />

Raim<strong>und</strong> Rodewald, Geschäftsleiter Stiftung<br />

Landschaftsschutz<br />

Umweltbildung<br />

bei Gross <strong>und</strong> Klein<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> ist das grüne Gewissen<br />

unserer Gewässer<br />

<strong>und</strong> ihrer Landschaften.<br />

Denken wir an<br />

die Thurauen, einer<br />

der wichtigsten nationalen<br />

Hotspots<br />

der Biodiversität. Wo<br />

die Natur intakt ist,<br />

reinigt ihre Biodiversität unsere Luft, das Wasser,<br />

produziert Sauerstoff <strong>und</strong> Lebensmittel.<br />

Gratis sozusagen. Wo sie hingegen beeinträchtigt<br />

ist, entstehen externe Umweltkosten.<br />

Dem Rheinaub<strong>und</strong> ist es gelungen, dieses<br />

Umweltverständnis bei Verwaltung <strong>und</strong><br />

Privaten zu etablieren. So beteiligen sich heute<br />

auch die NOK am Thurauenprojekt. Dies ist<br />

umso wichtiger, als im Zürcher Kantonsrat<br />

schon die nächste Sparr<strong>und</strong>e vor der Tür<br />

steht.<br />

Mit dem Projekt VivaRiva (www.vivariva.ch)<br />

fördert der Rheinaub<strong>und</strong> die Umweltbildung<br />

in den Schulen: Fachpersonen <strong>und</strong> junge Forschungscrews<br />

steigen in die Stiefel <strong>und</strong> erk<strong>und</strong>en<br />

spielerisch den Lebensraum «Bach».<br />

Angebote wie dieses sind ein Gebot der St<strong>und</strong>e:<br />

Wir brauchen zukünftige BotschafterInnen<br />

für diese sensiblen Lebensräume. Denn<br />

nicht umsonst hat die UNO Themen wie «Klima»<br />

<strong>und</strong> «Umwelt» als Milleniumsziele definiert.<br />

VivaRiva wird darum auch noch in zehn<br />

Jahren nötiger sein denn je!<br />

Lilith C. Hübscher, Kantonsrätin Winterthur,<br />

Beirätin VivaRiva<br />

Happy Birthday Rheinaub<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> „Natur <strong>und</strong> Mensch“<br />

Ich verbinde mit dem<br />

Rheinaub<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

dem Magazin „Natur<br />

<strong>und</strong> Mensch“ eine<br />

hohe Sachkompetenz<br />

zu Wasser fragen,<br />

natürlichen Gewässern,<br />

Gewässerlandschaften<br />

<strong>und</strong> deren Nutzung. Die<br />

Schweiz besitzt vorbildliche gesetzliche Wasser-Regelungen.<br />

Bei deren Umsetzung hapert<br />

es aber, die grossen Wasserkantone sind arg<br />

im Rückstand mit dem Vollzug der Restwasserbestimmungen.<br />

Derzeit gelten in der<br />

Schweiz r<strong>und</strong> 15 000 km Fliessgewässer als<br />

<strong>natur</strong>fern oder sind eingedolt. Wollen wir<br />

zwei Drittel davon sanieren, so dauert<br />

dies beim gegebenen Sanierungstempo<br />

noch r<strong>und</strong> 250 Jahre. Es bleibt also noch viel<br />

zu tun.<br />

Im UNO-Jahr der Biodiversität 2010 ist das<br />

Thema „Verlust der biologischen Vielfalt“ vermehrt<br />

in Zusammenhang mit den Ökosystem-Dienstleistungen<br />

zu bringen. Es handelt<br />

sich dabei um die Bodenfruchtbarkeit, die<br />

Kohlenstoffspeicherung <strong>und</strong> den Wasserkreislauf.<br />

Diese ökosystemaren Zusammenhänge<br />

sind zu begreifen, sie sind in Wert zu setzen<br />

<strong>und</strong> es ist danach zu handeln. Hier sehe ich<br />

ein weites Betätigungsfeld für das Rheinaub<strong>und</strong>-Magazin<br />

„<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“. Ich wünsche<br />

mir, dass die etwas aufgesplitterten NGO-<br />

Interessen r<strong>und</strong> ums Wasser noch mehr<br />

koordiniert werden, <strong>und</strong> dass „Natur <strong>und</strong><br />

Mensch“ noch bessere redaktionelle Möglichkeiten<br />

für ihr wertvolles Wirken erhält.<br />

Mario F. Broggi<br />

Eh. Direktor WSL <strong>und</strong> Koordinator Ökoregion<br />

Alpen der MAVA-Stiftung für Naturschutz<br />

Seite 30 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Betriebsrechnung <strong>und</strong> Bilanz 2009<br />

Erträge 2008 2009 Budget 2009<br />

1 Mitglieder (Beiträge+Aufr<strong>und</strong>ungen) 84‘037 73‘619 73‘500<br />

2 Abonnenten N+M (Abo + Aufr<strong>und</strong>ungen) 58‘200 59‘607 51‘000<br />

3 Spenden auf Aussendungen 59‘998 71‘031 50‘000<br />

4 Spenden allgemein, Legate 80‘965 102‘655 60‘000<br />

5 Beiträge der öffentlichen Hand 30‘000 30‘000 30‘000<br />

6 Finanzerträge 4‘235 4‘768 1‘500<br />

7 Projekte allgemein 26‘265 6‘531 3‘000<br />

8 VivaRiva 86‘447 140‘985 103‘000<br />

9 Sonstige Erträge 145 42 0<br />

Aufwendungen 2008 2009 Budget 2009<br />

10 Personal <strong>und</strong> Verwaltung* 132‘416 74‘814 95‘500<br />

11 Zeitschrift N+M 98‘426 101‘757 113‘500<br />

12 Marketing / Aussendungen 25‘017 13‘419 24‘000<br />

13 Projekte allgemein 59‘882 38‘486 48‘100<br />

14 VivaRiva 104‘070 150‘685 113‘000<br />

* inkl. Miete, Aufwand Mitgliederbeiträge, andere Aufwendungen<br />

Zusammenfassung 2008 2009 Budget 2009<br />

15 Ertrag 430‘292 489‘237 372‘000<br />

16 Aufwand 419‘811 379‘465 394‘100<br />

17 Ergebnis 10‘481 109‘772 -22‘100<br />

18 Wertberichtigungen - 13‘139 5‘108 0<br />

19 Ergebnis mit Wertberichtigung - 2‘658 114‘880 -22‘100<br />

Bilanz<br />

Aktiven 2008 2009/1 2009/2<br />

20 Flüssige Mittel 77‘780 397‘142 397‘142<br />

21 Transitorische Aktiven 3‘450 832 832<br />

22 Wertschriften (Einstandswert) 73‘760 104‘560 104‘560<br />

23 nicht realisierte Wertschriftengewinne 2‘767 7‘875 7‘875<br />

24 Total Aktiven 157‘757 510‘409 510‘409<br />

Passiven 2008 2009/1 2009/2<br />

25 Kurzfristige Verpflichtungen -1‘518 -9‘437 -9‘437<br />

26 Transitorische Passiven 0 2‘814 2‘814<br />

27 Fondsvermögen 57‘068 315‘788 315‘788<br />

28 Freies Vermögen 89‘033 86‘364 201‘243<br />

29 Total Passiven 160‘426 395‘529 510‘409<br />

* 2009/1 vor Verlustverteilung, 2009/2 nach Verlustverteilung<br />

Betriebsgewinn 114‘880<br />

Aufwand für die Zeitschrift „<strong>natur</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong>“ (11) ist gleich geblieben. Neu wurden<br />

die auf der Geschäftsstelle anfallenden<br />

Kosten für die Abonnementen-Verwaltung<br />

dem Konto „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ belastet. Das<br />

Marketing (12) musste wegen fehlenden personellen<br />

Ressourcen auf ein Minimum beschränkt<br />

werden. Die Aufwendungen für Projekte<br />

(13) ausserhalb des Gewässerschutzes<br />

wurden auf Gr<strong>und</strong> des thematischen Fokus<br />

im neuen Leitbild stark reduziert. Ein Grossteil<br />

der Ausgaben ist auf die Rechtskosten für<br />

das Projekt «Seerestaurant Niederuster» zurückzuführen.<br />

VivaRiva (14) weist erfreulicherweise<br />

erneut eine ausgeglichene Rechnung<br />

aus. Darin sind der Beitrag des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es von Fr. 10 000.– <strong>und</strong> Fondseinlagen<br />

von Fr. 37 919.97 enthalten.<br />

Unter dem Strich wurde damit ein Betriebsgewinn<br />

(17) von Fr. 109 771.54 realisiert. Zusätzlich<br />

haben sich die Wertschriften (18) um<br />

Fr. 5108.15 verbessert. 2009 wurde folglich<br />

ein Gewinn (19) von Fr. 114 879.69 erwirtschaftet.<br />

Dieser wird dem freien Vermögen<br />

(28) zugeteilt.<br />

Die Bilanz hat sich zusätzlich zum Betriebsgewinn<br />

auch durch den Eingang einer grösseren<br />

Erbschaft stark verbessert. Diese Erbschaft<br />

wird in einem entsprechenden Fonds<br />

verwaltet. Diese zusätzlichen Mittel sollen in<br />

den nächsten Jahren vor allem für Projekte<br />

im Gewässerschutz eingesetzt werden.<br />

Generalversammlung<br />

Rheinaub<strong>und</strong><br />

Kommentar zur Betriebsrechnung<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> hat ein bewegtes Jahr hinter<br />

sich. Entsprechend anspruchsvoll gestaltete<br />

sich die Budgetierung für das Jahr 2009.<br />

Neben anstehenden Veränderungen im Verein<br />

war unklar, wie stark sich die Finanzkrise<br />

auf die finanzielle Situation beim Rheinaub<strong>und</strong><br />

auswirken wird. Diese Unsicherheiten<br />

haben sich denn auch in Budgetabweichungen<br />

niedergeschlagen.<br />

Die Anzahl Abonnenten <strong>und</strong> Abonnentinnen<br />

ist gegenüber dem Vorjahr konstant geblieben.<br />

Leider mussten wir auch im 2009 einen<br />

Rückgang an Mitgliedern verzeichnen. Dank<br />

grosszügiger Beitragsaufr<strong>und</strong>ungen durch<br />

Mitglieder (1) <strong>und</strong> Abonnenten (2) konnten<br />

die Budgetziele erreicht werden. Äusserst<br />

dankbar nehmen wir den hohen Eingang an<br />

Spenden auf Aussendungen (3), allgemeinen<br />

Spenden <strong>und</strong> Legaten (4) entgegen.<br />

Die Unterstützung von anderen Organisationen<br />

für Projekte (7) des Rheinaub<strong>und</strong>es war<br />

höher als budgetiert. VivaRiva (8) konnte<br />

dank einer Grossspende einen sehr guten Ertrag<br />

erwirtschaften.<br />

Die Aufwendungen für Personal <strong>und</strong> Verwaltung<br />

(10) fielen durch den ad interim geführten<br />

Betrieb wesentlich tiefer aus als 2008. Der<br />

Die diesjährige Generalversammlung<br />

steht ganz im Zeichen des 50-Jahr-Jubiläums<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es. Neben der ordentlichen<br />

Versammlung erwarten Sie<br />

Exkursionen, Ansprachen, Musik <strong>und</strong> ein<br />

Abendessen. Bitte reservieren Sie sich<br />

den Nachmittag <strong>und</strong> Abend des folgenden<br />

Termins:<br />

Samstag, 19. Juni 2010, Rheinau<br />

Die Einladung mit den Sitzungsunterlagen<br />

<strong>und</strong> weiteren Details werden Ihnen<br />

rechtzeitig per Post zugestellt. Der Tätigkeitsbericht<br />

ist im aktuellen Heft enthalten.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 39


Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong><br />

Ergebnisse im Vergleich<br />

CHF<br />

550'000.00<br />

450'000.00<br />

350'000.00<br />

250'000.00<br />

150'000.00<br />

50'000.00<br />

-50'000.00<br />

Aufwendungen<br />

nach Gruppen<br />

Projekte allgemein 10%<br />

430'292.00<br />

419'811.00<br />

VivaRiva<br />

40%<br />

10'481.00<br />

489'236.50<br />

379'464.96<br />

2008 2009<br />

Jahr<br />

Personal <strong>und</strong> Verwaltung<br />

20%<br />

Zeitschrift N+M<br />

27%<br />

109'771.54<br />

Ertrag<br />

Aufwand<br />

Ergebnis<br />

Marketing / Aussendungen 3%<br />

Die Rechnung wurde am 27. Januar 2009 von<br />

den Revisoren Hans Minder <strong>und</strong> Walter<br />

Schmid geprüft. Sie empfehlen die Abnahme<br />

der Rechnung.<br />

Mitglieder<strong>und</strong><br />

Abonnentenzahlen<br />

Der Trend der Abnahme bei den Mitgliederzahlen<br />

sowie bei Abonnentinnen <strong>und</strong> Abonnenten<br />

hält an. Per 31. Dezember 2009 beträgt<br />

der Mitgliederbestand 886 (-24) <strong>und</strong> die<br />

Zahl der Abonnenten 1286 (-3). Die geringe<br />

Veränderung bei den Abonnementen ist allerdings<br />

auch auf r<strong>und</strong> 70 Geschenkabonnemente<br />

zurückzuführen, die im Rahmen der<br />

Bewerbungsverfahren für die Stelle der Geschäftsführung<br />

<strong>und</strong> die Stelle Projektmitarbeit<br />

VivaRiva ausgestellt wurden. Aufbauend<br />

auf dem neuen Erscheinungsbild der Zeitschrift<br />

„<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ <strong>und</strong> den vielen<br />

positiven Reaktionen auf diese Veränderung<br />

wird es im 2010 darum gehen, neue Partnerschaften<br />

<strong>und</strong> Kooperationen zu finden.<br />

Arbeitsaufwand<br />

Die Geschäftsstelle wurde interimistisch von<br />

Ruedi Schneider geführt. Günther Frauenlob<br />

zeichnete auch im Jahr 2009 für die Redaktion<br />

der Zeitschrift „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“ verantwortlich.<br />

Kathrin Jaag <strong>und</strong> Karin Schlude<br />

engagierten sich für das Umweltbildungsprojekt<br />

VivaRiva. Im Sommer wurde das Viva-<br />

Riva-Team durch die Praktikantin Rebekka<br />

Rüesch verstärkt. Insgesamt wurden 4572<br />

St<strong>und</strong>en an bezahlter Arbeit geleistet.<br />

Erträge<br />

nach Herkunft<br />

Projekte<br />

allgemein<br />

1%<br />

Finanzerträge<br />

1%<br />

Beiträge der<br />

öffentllichen<br />

Hand 6%<br />

VivaRiva 29%<br />

Spenden allgemein,<br />

Legate<br />

21%<br />

Mitglieder<br />

(Beiträge +<br />

Aufr<strong>und</strong>ungen)<br />

15%<br />

Abonnenten<br />

N+M (Abo +<br />

Aufr<strong>und</strong>ungen)<br />

12%<br />

Spenden auf<br />

Aussendungen<br />

15%<br />

Sonstige<br />

Erträge 0%<br />

Die ehrenamtliche Unterstützung war auch<br />

2009 ausserordentlich. R<strong>und</strong> 2100 St<strong>und</strong>en<br />

wurden für Projektarbeit <strong>und</strong> Sitzungen investiert.<br />

Wir danken allen Mitstreitern <strong>und</strong><br />

Mitstreiterinnen ganz herzlich für den unermüdlichen<br />

<strong>und</strong> professionellen Einsatz für<br />

den Rheinaub<strong>und</strong>.<br />

Die Geschäftsstelle 2010<br />

Die Geschäftsstelle bedankt sich bei Ihnen<br />

allen für die wertvolle Unterstützung. Wir<br />

freuen uns mit viel frischem Wind <strong>und</strong> Energie<br />

auf die spannenden Aufgaben im Jubiläumsjahr<br />

2010.<br />

Seite 40 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong> 2009–2010<br />

Der folgende Tätigkeitsbericht umfasst Aktivitäten seit der letzten Mitgliederversammlung.<br />

Er erlaubt einen Überblick über unser Engagement für den Gewässer<strong>und</strong><br />

Landschaftsschutz sowie die Umweltbildung.<br />

Das Geschäftsjahr 2009/2010 war ein Jahr<br />

der Unsicherheit, der Veränderungen <strong>und</strong><br />

des Aufbruchs. Aufbauend auf dem neuen<br />

Leitbild konzentrierte sich die Arbeit des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es auf die Wiederherstellung<br />

<strong>und</strong> den Erhalt <strong>natur</strong>naher Gewässer <strong>und</strong><br />

Gewässerlandschaften. Dank unermüdlichem<br />

Einsatz der Geschäftsstelle <strong>und</strong> der<br />

ehrenamtlich tätigen Expertinnen <strong>und</strong> Experten<br />

konnten auf verschiedenen Schauplätzen<br />

Erfolge erzielt werden. An über 50<br />

Veranstaltungen unseres Umweltbildungsprojekts<br />

VivaRiva entdeckten 1200 Kindergärtner,<br />

Schüler oder Erwachsene die Faszination<br />

für den Lebensraum Wasser vor der<br />

eigenen Haustür.<br />

Einher mit der Projektarbeit ging die Entwicklung<br />

der Organisation. Seit Dezember<br />

2009 wird die Geschäftsstelle von Stefan<br />

Kunz geleitet. Fabian Lippuner verstärkt das<br />

junge Team seit Januar 2010 in den Bereichen<br />

Gewässerschutz <strong>und</strong> Umweltbildung.<br />

Mit frischem Wind <strong>und</strong> viel Energie<br />

startete der Rheinaub<strong>und</strong> in das Jubiläumsjahr<br />

2010, das mit der Mitgliederversammlung<br />

in Rhein au einen Höhenpunkt haben<br />

wird.<br />

Rheinfall (SH <strong>und</strong> ZH):<br />

Neues Besucherzentrum <strong>und</strong><br />

Seilpark entstehen<br />

(Ruedi Schneider) Die Tourismusfachleute<br />

bemühen sich seit Jahren, den Rheinfall attraktiver<br />

zu machen <strong>und</strong> damit die Wertschöpfung<br />

zu erhöhen. Der Stellenwert des<br />

Rheinfalls als Tourismusdestination hat sich<br />

im Verlaufe der Jahre stark verändert. Reisen<br />

ins Ausland sind für viele erschwinglich geworden.<br />

Erlebnispärke mit „fun and action“<br />

sind heute vor allem für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />

weitaus attraktiver als das stille Betrachten.<br />

Für viele Besucher, insbesondere<br />

Teilnehmende organisierter Reisen ist der<br />

Rheinfall nicht mehr Hauptdestination, sondern<br />

Zwischenhalt, sozusagen „Pinkelpau-<br />

se“. Immer dann, wenn der Rheinfall aber<br />

zum blossen Statisten im Rahmen von „Erlebnis-<br />

oder Marketingprojekten“ zu verkommen<br />

drohte, hat der Rheinaub<strong>und</strong> interveniert.<br />

Auf der Schaffhauser Seite hat<br />

sich im Rahmen der „Attraktivierung“ ein<br />

Seilpark etabliert, gegen den der Rheinaub<strong>und</strong><br />

keine Einwände hat, da es sich im Wesentlichen<br />

nicht um feste Bauten handelt<br />

<strong>und</strong> der Standort nicht im Uferbereich liegt.<br />

Grösseres hat der Kanton Zürich in Angriff<br />

genommen: Das Schloss Laufen wurde<br />

komplett saniert. Mittels Lift <strong>und</strong> neuem<br />

Weg wurde eine Aussichtsplattform auf halber<br />

Höhe auch für Behinderte zugänglich<br />

gemacht. In einem neuen Besucherzentrum<br />

sollen die Gäste fre<strong>und</strong>lich empfangen <strong>und</strong><br />

effizient bedient werden. Eine Ausstellung<br />

wird den Besuchern die Geschichte von<br />

Schloss <strong>und</strong> Rheinfall näherbringen. Auch<br />

hier hatte der Rheinaub<strong>und</strong> im Gr<strong>und</strong>satz<br />

nichts einzuwenden. Eine allfällige neue<br />

Haltestelle auf der Eisenbahnbrücke dürfte<br />

jedoch mehr zu reden geben.<br />

Kraftwerk Rheinau (ZH):<br />

Schwierige Interessensabwägung<br />

(Jürg Bloesch) Die letztjährigen Aktivitäten<br />

bei Rheinau drehten sich nach wie vor um<br />

die Sanierung der Restwasserstrecke gemäss<br />

Art. 80 des Gewässerschutzgesetzes.<br />

Der vom B<strong>und</strong>esamt für Energie organisierte<br />

R<strong>und</strong>e Tisch am 28. April 2009 ergab, dass<br />

nicht alle Stakeholder <strong>und</strong> Umweltverbände<br />

die von der Behörde favorisierte Variante als<br />

gut einstufen. Während der Rheinaub<strong>und</strong><br />

mehr Flussdynamik verlangt, erwarten die<br />

Anstössergemeinden Rheinau <strong>und</strong> Jestetten<br />

den Erhalt des Landschaftsbildes <strong>und</strong><br />

des Status Quo, insbesondere eine ganzjährige<br />

Benetzung des „Chly Rhy“. Die Fragen,<br />

ob die Hilfswehre abgerissen <strong>und</strong> ob es<br />

mehr Restwasser als die vom B<strong>und</strong> mit<br />

dem Kraftwerk ausgehandelten 20–60 m 3 /s<br />

braucht, sind sehr umstritten. Im Zusammenhang<br />

mit der geplanten Dotierturbine<br />

(mit Fischpass am Hauptwehr) ist der Behördenentscheid,<br />

auf eine vorgezogene Neukonzessionierung<br />

oder eine Zusatzkonzession<br />

zu verzichten, problematisch. Obwohl<br />

alle Beteiligten Spielraum zu einer vertieften<br />

Diskussion um den „Chly Rhy“ signalisierten,<br />

passierte im Jahr 2009 nichts mehr. Allerdings<br />

wurde der Kanton Zürich politisch aktiv<br />

<strong>und</strong> forderte wie der Rheinaub<strong>und</strong> eine<br />

kleine Studie über die Fragen der Hilfswehre<br />

<strong>und</strong> des „Chly Rhys“. Inzwischen fand eine<br />

Aussprache des Rheinaub<strong>und</strong>es mit dem<br />

Regierungsrat des Kantons Zürich <strong>und</strong><br />

später mit den Gemeinden statt, desweiteren<br />

hat das B<strong>und</strong>esamt für Umwelt die<br />

Leitung dieser Studie übernommen. Man<br />

darf gespannt sein, ob die ins Leben gerufene<br />

Begleitkommission die festgefahrenen<br />

Fronten nochmals zu bewegen vermag,<br />

damit eine bessere Lösung erreicht werden<br />

kann.<br />

KW Eglisau<br />

(Jürg Bloesch) Wer gemeint hatte, die Baubewilligung<br />

stehe kurz vor dem Abschluss, sah<br />

sich getäuscht. Das ganze Verfahren blieb in<br />

einer unerklärlichen Ruhephase, bis Ende<br />

2009 die Axpo (vormals NOK) mit dem<br />

Rheinaub<strong>und</strong> Kontakt aufnahm, um die<br />

restlichen Probleme bezüglich der Fischaufstiegsanlage<br />

auf Schweizer Seite nochmals<br />

zu diskutieren. Schliesslich beruhen die groben<br />

Projektpläne auf dem Stand von 2006,<br />

der Rheinaub<strong>und</strong> ist aber der Meinung, dass<br />

der neueste Stand der Technik berücksichtigt<br />

werden müsste. Am 21. Januar 2010<br />

fand ein erstes, konstruktives Gespräch<br />

statt. Sobald die Axpo-Fachleute ihre Hausaufgaben<br />

gemacht haben, werden die Ergebnisse<br />

weiter diskutiert. Trotz dieser Zusammenarbeit<br />

ist nicht abzusehen, wann<br />

die Baubewilligung aufgelegt werden wird,<br />

da auch bezüglich der Geschiebezugaben<br />

noch einige Punkte sehr umstritten sind.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 31


Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong><br />

KW Albbruck-Dogern<br />

(Jürg Bloesch) Die Akten RADAG können bald<br />

geschlossen werden. Am 4. Dezember 2009<br />

fand die feierliche Einweihung des neuen<br />

Kraftwerks statt. Die Mitglieder der Begleitgruppe<br />

waren eingeladen, so auch der<br />

Rheinaub<strong>und</strong>, vertreten durch Ueli Rippmann<br />

<strong>und</strong> Jürg Bloesch. Bei diesem Anlass<br />

konnte man auch einen kleinen Augenschein<br />

des Umgehungsgerinnes nehmen, das sich<br />

bis jetzt ausnehmender Beliebtheit erfreut. In<br />

der ersten Phase scheint der Fischaufstieg zu<br />

funktionieren, jedoch muss das Monitoring<br />

noch die Feuertaufe bestehen. Noch ausstehend<br />

ist die Fertigstellung des Baus der Fischaufstiegsanlage<br />

beim Wehr.<br />

Kraftwerk Rheinfelden (AG):<br />

5 nach 12<br />

(Jürg Bloesch) Seitdem die IG Pro Steg <strong>und</strong><br />

die beiden Städte Rheinfelden im Sommer<br />

2008 mit der Forderung, das alte Maschinenhaus<br />

als Kulturdenkmal <strong>und</strong> den Fussgängersteg<br />

zu erhalten, an die Öffentlichkeit<br />

getreten sind, herrscht einige Unsicherheit.<br />

Die Promotoren des Denkmalschutzes<br />

überbieten sich mit Kurzgutachten<br />

über Machbarkeit <strong>und</strong> neue Ausgleichsmassnahmen<br />

<strong>und</strong> lobbyieren kräftig bei Behörden<br />

<strong>und</strong> Verbänden. Irritiert wurde die<br />

Öffentlichkeit, als die IG Pro Steg einen Preis<br />

des Kantonalen Heimatschutzes erhielt. Die<br />

beiden Konzessionsbehörden in der Schweiz<br />

<strong>und</strong> Deutschland, die Energiedienste (ED)<br />

als Kraftwerksbetreiber <strong>und</strong> die Umweltverbände<br />

(mit Ausnahme des NABU) berufen<br />

sich dagegen nach wie vor fest auf die 1994<br />

ausgehandelte Konzession <strong>und</strong> Baubewilligung,<br />

um die zentrale ökologische Ersatzmassnahme<br />

(Umgehungsgerinne für den<br />

Teilverlust des „Gwildes“) integral zu sichern<br />

<strong>und</strong> die Rechtssicherheit zu gewährleisten.<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> hat diesbezüglich mündlich<br />

<strong>und</strong> schriftlich Kontakt mit den Promotoren<br />

<strong>und</strong> dem Regierungsrat des Kantons<br />

Aargau gehabt, ohne die Positionen wesentlich<br />

beeinflussen zu können. Zudem<br />

fand ein von beiden Seiten geführter lokaler<br />

Pressewirbel statt. Am 9.12.2009 wurde an<br />

der Gemeindeversammlung von Rheinfelden<br />

(CH) beschlossen, dass ein Abriss-Moratorium<br />

bis Ende 2014 angestrebt werden<br />

soll. Wie in der Begleitkommission zu erfahren<br />

war, laufen unterdessen die Planungsarbeiten<br />

der ED plangemäss, <strong>und</strong> im Oktober/<br />

November 2010 soll mit dem Rückbau der alten<br />

Anlagen begonnen werden. Man kann<br />

fürwahr gespannt sein, was aus diesem Seilziehen<br />

noch alles hervorgehen wird.<br />

Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt<br />

(AG): Verlängerung der alten<br />

Konzession verfügt<br />

(Jürg Bloesch) Seit November 2009 ist die<br />

Konzession für das KW Ryburg-Schwörstadt<br />

nach Verhandlungen der Bewilligungsbehörden<br />

mit den Kraftwerksbetreibern im<br />

Rohentwurf fertig. Da es sich neu um ein<br />

einstufiges Verfahren handelt, fehlen jedoch<br />

noch wichtige Details bezüglich des umstrittenen<br />

Geschiebehaushalts <strong>und</strong> der<br />

Fischdurchgängigkeit. Letztere wurde an<br />

einer Begleitgruppensitzung am 26. Januar<br />

2010 mit dem auf Empfehlung des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

zugezogenen Experten Ulrich Dumont<br />

eingehend diskutiert, wobei neue <strong>und</strong><br />

interessante Vorschläge zur Verbesserung<br />

eingebracht wurden. Im Wesentlichen ergab<br />

sich Übereinstimmung zu den vorgeschlagenen<br />

Massnahmen. Da aber noch<br />

nicht alle Punkte geklärt werden konnten,<br />

wird die öffentliche Auflage der Konzession<br />

weiter verzögert; schliesslich will man einen<br />

tragfähigen Konsens anstreben <strong>und</strong> Einsprachen<br />

vermeiden. Der Aufschub hat bewirkt,<br />

dass die Behörden eine Verlängerung<br />

der alten Konzession bis Ende 2010 verfügt<br />

haben, leider wie schon bei Eglisau <strong>und</strong><br />

Kembs ohne jegliche Auflagen oder Gewinnabschöpfung.<br />

Aarekraftwerke IBAarau, KW<br />

Rüchlig <strong>und</strong> HKW Beznau (AG):<br />

Drei Neukonzessionierungen<br />

(Ueli Rippmann <strong>und</strong> Anna Belser) Alle drei im<br />

Titel erwähnten Kraftwerke sind Ausleitkraftwerke,<br />

die die Aare erheblich beeinträchtigen<br />

<strong>und</strong> zu Restwasserstrecken führen.<br />

Rechtlich gesehen ist jede Neukonzessionierung<br />

wie ein neues Werk zu behandeln.<br />

Das bedeutet, dass der Referenzzustand<br />

derjenige sein muss, der sich ohne<br />

Werk ergäbe. So hält die Eidgenössische Natur-<br />

<strong>und</strong> Heimatschutzkommission fest: „Als<br />

Referenzzustand soll jener gelten, der sich bei<br />

der Nichterneuerung der Konzession <strong>und</strong> der<br />

Aufhebung des Kraftwerkbetriebs einstellen<br />

würde.“ (Gutachten vom 14.2.1998 im Fall<br />

Kraftwerk Eglisau). Daran, bzw. an den bestehen<br />

bleibenden, kraftwerksbedingten<br />

Belastungen (insbesondere am Verlust an<br />

freier Fliessstrecke) haben sich die Ersatzmassnahmen<br />

zu orientieren. Eine umfassende<br />

Beurteilung der Vorhaben bedingt daher<br />

auch, über den engen Projektperimeter hinaus<br />

zu denken. Eine ganzheitliche Sicht<br />

drängt sich auch bezüglich der Fischwanderung<br />

auf: Das Kraftwerk Klingnau (Unterlieger)<br />

hat keine funktionstüchtige Fischaufstiegshilfe<br />

<strong>und</strong> Gösgen (Oberlieger) hat<br />

überhaupt keinen Fischpass am Maschinenhaus,<br />

wo die Hauptströmung liegt. Da die<br />

Schweiz zu wesentlichen Teilen im ehemaligen<br />

Fortpflanzungsgebiet des Atlantischen<br />

Lachses liegt, darf es nicht sein, dass verschiedene<br />

Wasserkraftanlagen nicht über<br />

lachsgängige Fischaufstiegshilfen verfügen<br />

<strong>und</strong> so das Projekt Lachs 2020 in Frage gestellt<br />

wird. Die Restwasserfragen müssen<br />

gelöst <strong>und</strong> Ausgleichsmassnahmen – auch<br />

ausserhalb der Konzessionsgrenzen – definiert<br />

werden. Der Rheinaub<strong>und</strong> setzt sich<br />

wie am Hochrhein auch für eine Planungsgruppe<br />

Geschiebe ein. Obwohl die drei<br />

Aarekraftwerke IBA Aarau, KW Rüchlig <strong>und</strong><br />

HKB Beznau für das Geschiebe durchgängig<br />

sind, muss die Frage der Reaktivierung des<br />

Geschiebetriebs an der Aare weiter vorangetrieben<br />

werden, denn das Geschiebe <strong>und</strong><br />

dessen Transport sind bestimmende Faktoren<br />

für die Ökologie unserer Fliessgewässer.<br />

Im Folgenden erfahren Sie zu den drei Kraftwerken<br />

im Detail mehr.<br />

Das Wasserkraftwerk der Industriellen Betriebe<br />

Aarau (IBAarau AG) an der Aare soll<br />

bis zum Jahr 2014 eine neue Konzession erhalten<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig technisch erneuert<br />

werden. Die betroffene Flussstrecke liegt<br />

zwischen Aarau (Kanton Aargau) <strong>und</strong> Schönenwerd<br />

(Kanton Solothurn). Es handelt<br />

sich um ein Kanalkraftwerk, wo der Grossteil<br />

des Aarewassers in einem Kanal zum Kraftwerk<br />

fliesst. Das Restwasser fliesst durch die<br />

alte Aare. Dieses Gebiet verfügt über hohe<br />

landschaftliche <strong>und</strong> ökologische Werte. Im<br />

Jahre 2008 wurde eine Begleitgruppe ins Leben<br />

gerufen, in der auch der Rheinaub<strong>und</strong><br />

Seite 32 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Das Gebiet der Alten Aare,<br />

die Restwasserstrecke des<br />

Wasserkraftwerks IB Aarau<br />

verfügt über hohe landschaftliche<br />

<strong>und</strong> ökologische Werte.<br />

Foto: Anna Belser<br />

vertreten ist. Im Sommer 2010 soll das Bauprojekt<br />

fertig gestellt werden. Nach einer<br />

mündlichen Information des Kraftwerks im<br />

Januar 2010 beschlossen die beteiligten<br />

Umweltorganisationen, bereits vorgängig<br />

zum Bauprojekt Stellung zu beziehen im<br />

Sinne einer frühzeitigen Einbindung. In der<br />

Stellungnahme wird eine erste Zusammenstellung<br />

gemacht, was die Erfordernisse an<br />

einen ökologischen Ausgleich bzw. Ersatz<br />

im Rahmen der Kraftwerkserneuerung sind.<br />

Der Rheinaub<strong>und</strong> legt sein Hauptaugenmerk<br />

auf eine verbesserte Fluss- <strong>und</strong> Überschwemmungsdynamik<br />

sowie die Durchgängigkeit<br />

für Fische <strong>und</strong> andere Wasserlebewesen.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird es<br />

unumgänglich sein, der alten Aare ein höheres<br />

Restwasser zuzugestehen <strong>und</strong> den ungehinderten<br />

Geschiebetransport durch das<br />

Wehr zu ermöglichen. Ein weiterer Punkt ist<br />

die Konzessionsdauer. Die Kraftwerke gehen<br />

von 80 Jahren aus, was der Rheinaub<strong>und</strong><br />

als zu lange erachtet.<br />

Gleich oberhalb der Kettenbrücke vereinigen<br />

sich die Wasser der Aare wieder <strong>und</strong><br />

fliessen durch die Altstadt von Aarau. Kaum<br />

einen Kilometer weiter unten wird der Fluss<br />

durch das Kanalkraftwerk Rüchlig erneut<br />

genutzt. Die Aare <strong>und</strong> die Restwasserstrecke<br />

von IBA werden dadurch im Hochwasserfall<br />

fast bis nach Wöschau zurückgestaut. Mit<br />

entsprechend negativen Konsequenzen für<br />

die Fischwanderung, die auf <strong>natur</strong>nahe<br />

Fliessverhältnisse angewiesen ist. Der Einstau<br />

hat auch eine geringere Energieproduktion<br />

für das KW IBA als Oberlieger zur<br />

Folge. Weil das Kraftwerk Rüchlig nur ein relativ<br />

kleines Bruttogefälle von etwas mehr<br />

als drei Metern nutzt, muss daher die Nachhaltigkeit<br />

des Werks auch aus wirtschaftlicher<br />

Sicht hinterfragt werden. Das Kraftwerk<br />

Rüchlig wurde durch das Aarehochwasser<br />

des Jahres 2007 stark beschädigt. Da die<br />

Konzession ohnehin im September 2011 endet,<br />

wurden die Planungen für eine Neukonzessionierung<br />

in Angriff genommen, die<br />

insbesondere die Hochwasserproblematik<br />

berücksichtigten.<br />

Das Kraftwerk Beznau (HKB) steht ebenfalls<br />

vor einer Neukonzessionierung. Geplant ist,<br />

das neue Wasserkraftwerk bis 2014/15 fertig<br />

zu stellen. Die Wehranlage bei Schmidberg<br />

leitet das Wasser der Aare in den 1.2 Kilometer<br />

langen Oberwasserkanal ab, der gleichzeitig<br />

das Kernkraftwerk mit Kühlwasser versorgt.<br />

Am Ausleitwehr wird das Restwasser<br />

mit einem Dotierkraftwerk turbiniert, nicht<br />

zuletzt, um das eingeleitete Kühlwasser ausreichend<br />

zu verdünnen, also den hohen<br />

Temperaturunterschied zwischen Aare <strong>und</strong><br />

Kühlwasser des Atomkraftwerks auszugleichen.<br />

Das Krafthaus des HKB soll neu mit<br />

einer Hochwasserentlastung kombiniert<br />

<strong>und</strong> vor allem auch weiter in den Oberwasserkanal<br />

hinein verschoben werden. Dadurch<br />

erhofft man sich eine bessere Anströmung<br />

beim neuen Maschinenhaus. Das alte<br />

Krafthaus steht nach Aussagen der Projektanten<br />

nicht unter Denkmalschutz <strong>und</strong> soll<br />

abgebrochen werden.<br />

Auch das Werk Beznau wird übrigens vom<br />

Stau des unterliegenden Kraftwerks (Klingnau)<br />

beeinflusst.<br />

Kraftwerk Tuurau Bischofszell<br />

(TG): Heikles Anliegen<br />

(Ueli Rippmann) Die Projektierung für den<br />

Neubau des Kraftwerks Tuurau bei Bischofszell<br />

läuft auf Hochtouren. Die Bauherrschaft<br />

bevorzugt nach einem umfassenden Variantenstudium<br />

den Bau eines Ausleitkraftwerks.<br />

Die Wahl <strong>und</strong> Bewertung der einzelnen<br />

Kriterien sind für den Rheinaub<strong>und</strong><br />

nachvollziehbar, die doppelte Gewichtung<br />

zugunsten der Ökonomie <strong>und</strong> damit die<br />

Wahl eines Ausleitkraftwerks erachtet der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> hingegen als sehr problematisch.<br />

Zumal das Vorhaben zwei aus ökologischer<br />

Sicht hoch sensible Auengebiete von<br />

nationaler Bedeutung tangiert, die Restwasserstrecke<br />

den Mündungsbereich der Sitter<br />

in die Thur umfasst <strong>und</strong> die freie Fischwanderung<br />

gemäss Art 9. des B<strong>und</strong>esgesetzes<br />

über die Fischerei nicht gewährleistet wird.<br />

Die Variante Flusslaufkraftwerk würde bei<br />

tieferem ökonomischem Nutzen massiv weniger<br />

ökologische Nachteile mit sich bringen.<br />

Die geplante Neuanlage beeinflusst<br />

überdies durch den Rückstau auch Fliessgewässer<br />

des Kantons St. Gallen. Eine gute<br />

Zusammenarbeit mit den verantwortlichen<br />

Stellen im St. Gallischen ist für den Rheinaub<strong>und</strong><br />

v.a. für die Projektierung von Ersatz-<br />

<strong>und</strong> Ausgleichsmassnahmen deshalb<br />

zentral.<br />

Kraftwerk Au-Schönenberg Thur<br />

(TG): „<strong>natur</strong>made star“ zertifiziert<br />

(Edda Rohe) Das Wasserkraftwerk Au-Schönenberg<br />

an der Thur ist seit dem Jahr 2002<br />

in Betrieb <strong>und</strong> produziert jährlich etwa 6,5<br />

Mio. kWh Strom. Im März 2009 wurde das<br />

KW mit dem Label „<strong>natur</strong>emade star“ zertifiziert.<br />

1 Rappen pro verkaufter Kilowattst<strong>und</strong>e<br />

fliessen dadurch in einen Fonds. Damit<br />

stehen jährlich mehrere Zehntausend Franken<br />

für die Umsetzung von ökologischen<br />

Aufwertungsmassnahmen zur Verfügung.<br />

Zur gezielten Mittelverwendung <strong>und</strong> der<br />

Steuerung von Projektmassnahmen wurde<br />

die Ökofondsbegleitgruppe (ÖFB) gegründet,<br />

in der auch der Rheinaub<strong>und</strong> Einsitz<br />

hat. Die Aufgaben des Rheinaub<strong>und</strong>es konzentrieren<br />

sich vor allem auf die Begutachtung<br />

vorgeschlagener Projekte zur ökologischen<br />

Aufwertung im Einflussgebiet des<br />

Wasserkraftwerkes selbst, sowie zur Vernetzung<br />

von Seitengewässern mit der Thur. Das<br />

Spektrum der Projekte reicht dabei von<br />

strukturellen Verbesserungsmassnahmen<br />

für die Fische in der Thur bis hin zu Aufwertungen<br />

der Sohlenstruktur <strong>und</strong> der Ufer von<br />

Seitengewässern.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 33


Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong><br />

2. Thurkorrektion<br />

Weinfelden-Bürglen (TG):<br />

Naturnahe Aue entsteht<br />

So sieht die Thur heute von<br />

der Brücke Bürglen aus.<br />

Zukünftig wird der Verbau<br />

am Ufer entfernt <strong>und</strong> der<br />

ganze heutige Vorlandbereich<br />

wird der Thur zur freien<br />

Entwicklung „übergeben“.<br />

Foto: Anna Belser<br />

(Anna Belser) Der Raum der Thur zwischen<br />

Weinfelden <strong>und</strong> Bürglen im Kanton Thurgau<br />

wird für Hochwasserschutz <strong>und</strong> Re<strong>natur</strong>ierung<br />

vollständig neu gestaltet. Das im<br />

Rahmen der sogenannten 2. Thurkorrektion<br />

laufende Planungsverfahren wird von der<br />

Regionalen Arbeitsgruppe (RA) begleitet, in<br />

der auch der Rheinaub<strong>und</strong> mitwirkt. Im September<br />

2009 wurde der Bauprojektentwurf<br />

präsentiert: Auf der linken Thuruferseite entsteht<br />

ein grosser, abgesenkter Raum, der<br />

gleichzeitig den Hochwasserrückhalt <strong>und</strong><br />

die Entstehung einer <strong>natur</strong>nahen flusstypischen<br />

Aue ermöglicht. Auf der rechten Thuruferseite<br />

wird der Verbau der Ufer vollständig<br />

entfernt, so dass sich der Fluss ausweiten<br />

kann. Dabei werden auch Altarme reaktiviert.<br />

Der noch bestehende Rest des Hartholzauenwaldes<br />

bleibt erhalten. Der Rheinaub<strong>und</strong><br />

unterstützt diese ökologisch sinnvolle<br />

Lösung. Das Auengebiet wird dabei<br />

weitgehend der Thur <strong>und</strong> ihrer Dynamik zugewiesen.<br />

Wir setzen uns zudem dafür ein,<br />

dass das Gebiet von einem drohenden<br />

Höherstau des Kraftwerks Weinfelden verschont<br />

bleibt. Das Thurprojekt muss daher<br />

mit der Revision des Kraftwerks Weinfelden<br />

verknüpft werden, um potentielle Beeinträchtigungen<br />

frühzeitig zu erkennen <strong>und</strong><br />

ökologisch gute Lösungen zu finden. Ende<br />

Oktober 2009 hatten alle Teilnehmer aus der<br />

Regionalen Arbeitsgruppe zum Entwurf<br />

Stellung genommen. Das Bau- <strong>und</strong> Auflageprojekt<br />

mit Umweltverträglichkeitsbericht<br />

wurde anfangs 2010 fertig gestellt. Die öffentliche<br />

Auflage erfolgt voraussichtlich im<br />

Juni 2010.<br />

Thurauen (ZH): Hoffen auf die<br />

gestaltende Kraft des Flusses<br />

(Andri Bryner) Die Baumassnahmen für das<br />

Projekt „Hochwasserschutz <strong>und</strong> Auenlandschaft<br />

an der Thurmündung“ sind weit fortgeschritten.<br />

Im Zentrum standen bisher vor<br />

allem der Hochwasserschutz für das Dorf Ellikon<br />

sowie Schüttungen <strong>und</strong> Dammbauten<br />

zugunsten des Intensivlandwirtschaftsgebietes<br />

im Flaacherfeld. Dank der Entfernung<br />

der harten Uferverbauung unterhalb der Elliker-Brücke<br />

<strong>und</strong> dem Abtrag des Vorlandes<br />

hat sich die Thur aber mit einem kurzen<br />

Hochwasser im Juli 2009 bereits erste<br />

Freiheiten nehmen können. Da die Dämme<br />

problemlos gehalten haben, hofft der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> für die ökologischen Werte<br />

auf möglichst grosse Frühlingshochwasser,<br />

mit entsprechenden gestalterischen Kräften.<br />

Wer weiss, vielleicht schafft dann die<br />

Thur auch das, was sich die Wasserbauer bisher<br />

(entgegen dem Auflageprojekt) noch<br />

nicht trauten: die Entfernung der Uferverbauung<br />

auch am Thurspitz. Als Mitglied in<br />

der Begleitkommission zum Gesamtprojekt<br />

wird der Rheinaub<strong>und</strong> weiterhin aktiv mitarbeiten<br />

<strong>und</strong> wo nötig Verbesserungsvorschläge<br />

einbringen. Insbesondere wird er<br />

sich dafür einsetzen, dass die in Umsetzung<br />

befindliche Etappe nicht die letzte ist, denn<br />

sie umfasst erst den kleineren Teil des Auengebietes.<br />

Im Zusammenhang mit dem Auengebiet<br />

hat der Rheinaub<strong>und</strong> auch detailliert zu den<br />

Plänen der Gemeinde Flaach Stellung genommen,<br />

den Campingplatz auszubauen.<br />

Das Projekt „Paradiso“, das auch die Einrichtung<br />

des Auenbesuchszentrums <strong>und</strong> die<br />

Modernisierung des Freibades umfasst,<br />

muss in einigen Punkten sicher angepasst<br />

werden. Es darf das Auengebiet nicht schmälern<br />

<strong>und</strong> es muss auch besser als bisher<br />

Rücksicht nehmen auf die <strong>natur</strong>schützerisch<br />

wertvolle Flaacherbachmündung.<br />

Schliesslich hat sich der Rheinaub<strong>und</strong> auch<br />

dezidiert gegen die Verpachtung von<br />

Fischereirevieren innerhalb des Auengebietes<br />

ausgesprochen. Dies insbesondere deshalb,<br />

weil immer noch keine Schutzverordnung<br />

für das Auengebiet erlassen ist. Eine<br />

solche könnte möglicherweise weitgehende<br />

Einschränkungen für die Fischerei mit sich<br />

bringen, welche bei laufenden Pachtverträgen<br />

nur schwer umzusetzen wären.<br />

Töss (ZH): Im Strudel der Politik<br />

(Andri Bryner) Noch im November 2009 gab<br />

es für den Rheinaub<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong> zur Freude:<br />

Der Zürcher Kantonsrat hat – nicht zuletzt<br />

gestützt auf eine f<strong>und</strong>ierte Vernehmlassung<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es – im Rahmen der Richtplanung<br />

verschiedene Gewässerabschnitte<br />

als „prioritär für die Aufwertung als Erholungs-,<br />

Natur- <strong>und</strong> Landschaftsraum“ bezeichnet.<br />

Darunter zum Beispiel die Töss<br />

r<strong>und</strong> um die Stadt Winterthur (Linsental –<br />

Schlosstal), die Eulach, Teile der Glatt <strong>und</strong><br />

den Aabach bei Uster. Doch nicht nur diese<br />

Prioritätensetzung kann als Erfolg bezeichnet<br />

werden, denn der Kantonsrat hat darüber<br />

hinaus auch den Raumbedarf der<br />

Gewässer berücksichtigt. So heisst es im<br />

neuen Richtplantext jetzt ausdrücklich, es<br />

seien „vielfältige <strong>und</strong> biologisch wertvolle<br />

Lebensräume, die Zugänglichkeit für Erholungssuchende<br />

<strong>und</strong> die <strong>natur</strong>nahe landschaftliche<br />

Einordnung“ sicherzustellen <strong>und</strong><br />

dafür sei dem „ausreichenden Gewässerraum<br />

(…), einem <strong>natur</strong>nahen Abflussregime<br />

<strong>und</strong> Geschiebehaushalt sowie der Wasser-<br />

Seite 34 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

qualität besondere Beachtung zu schenken.“<br />

Leider können diese fortschrittlichen Gr<strong>und</strong>sätze<br />

zurzeit kaum umgesetzt werden. Denn<br />

kaum einen Monat später, hat derselbe Kantonsrat<br />

in der Budgetdebatte dem Amt für<br />

Abfall, Wasser, Energie <strong>und</strong> Luft (Awel) einen<br />

Sparauftrag von 6,5 Millionen auferlegt. Die<br />

vor allem von der SVP ins Feld geführte<br />

Begründung: Die Gewässerraumsicherung<br />

stehe im Konflikt mit Fruchtfolgeflächen<br />

<strong>und</strong> sei unverhältnismässig. So sind nun verschiedene<br />

Revitalisierungsprojekte an der<br />

Töss <strong>und</strong> an anderen Orten im Kanton<br />

Zürich auf die lange Bank geschoben. Nicht<br />

bewusst waren sich wohl viele der Sparpolitikerinnen<br />

<strong>und</strong> -politiker, dass sie damit<br />

auch Hochwasserschutzmassnahmen torpediert<br />

haben. Denn einen Hochwasserschutz<br />

ohne ökologische Begleitmassnahmen<br />

oder umgekehrt ein Revitalisierungsprojekt<br />

ohne Gewinn für den Hochwasserschutz<br />

kann sich ein moderner Wasserbau<br />

heute gar nicht mehr leisten – ganz<br />

abgesehen davon, dass B<strong>und</strong>essubventionen<br />

nur mit kombinierten Projekten abzuholen<br />

sind. So gesehen können die Politiker<br />

bloss hoffen, dass in der nächsten Zeit keine<br />

grösseren Hochwasser kommen, sonst wird<br />

ihr Sparbeschluss endgültig zum Bumerang.<br />

Einen kleinen, aber symbolträchtigen Erfolg<br />

gibt es aus dem Linsental zu vermelden:<br />

Dank der Eingabe des Rheinaub<strong>und</strong>es hat<br />

die Stadt Winterthur bei der Sanierung der<br />

gedeckten Brunibrücke vier Fenster eingebaut,<br />

welche nun den Blick auf die Töss<br />

erlauben. Ein neuer Bezug zum Fluss ist<br />

geschaffen.<br />

Im Fall der zwei Kleinkraftwerke der Rieter<br />

in Töss sowie beim Werk Hard ist der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> in der Begleitkommission des<br />

Ökofonds vertreten. Bei den Rieterkraftwerken<br />

ist allerdings die Zusammenarbeit mit<br />

den Betreibern erschwert. Zum einen weil<br />

sie gar keinen Ökostrom mehr verkaufen,<br />

sondern vom offensichtlich noch höheren<br />

Erlös via kostendeckende Einspeisvergütung<br />

profitieren <strong>und</strong> zum anderen, weil sie<br />

dem Rheinaub<strong>und</strong> bisher trotz mehrmaliger<br />

Anfrage jede Einsicht in die Konzessionsbestimmungen<br />

verweigert haben. Eine Haltung,<br />

welche wir nicht akzeptieren werden.<br />

Beim EKZ-Werk in Pfungen konnten bekanntlich<br />

verschiedene Zusagen für Aufwertungsmassnahmen<br />

erzielt werden (siehe<br />

n+m 1/2009) – allerdings gehören sie zur<br />

oben erwähnten Kategorie <strong>und</strong> liegen momentan<br />

auf Eis.<br />

Ebenfalls ein „Politikum“ ist der Jagdschützenstand<br />

an der Töss bei Embrach. Er liegt<br />

im Auengebiet von nationaler Bedeutung,<br />

wo solche Einrichtungen eigentlich nichts<br />

verloren haben. Eine Altlastenstudie des<br />

Kantons Zürich hat 2009 aufgedeckt, dass<br />

das Areal mit h<strong>und</strong>erten von Tonnen Blei,<br />

Antimon <strong>und</strong> PAK verseucht ist (siehe n+m<br />

6/2009). Weil jetzt schon klar ist, dass eine<br />

Sanierung Millionen von Franken kosten<br />

wird, behandelt der verantwortliche Baudirektor<br />

– selbst ein Jäger – das Thema wie eine<br />

heisse Kartoffel. Erst 2014 will man (vielleicht)<br />

den Betrieb einstellen <strong>und</strong> sich ans<br />

Aufräumen machen. Der Rheinaub<strong>und</strong> wird<br />

die Entwicklung, zusammen mit dem jungen<br />

Verein „Pro Tössaue“, weiterverfolgen.<br />

Schliesslich ist der Rheinaub<strong>und</strong> beteiligt am<br />

R<strong>und</strong>en Tisch, der ein Gesamtkonzept für die<br />

Entwicklung der Tössegg, der Tössmündung<br />

in den Rhein, entwickelt. Er setzt sich in diesem<br />

bisher sehr konstruktiv arbeitenden Gremium<br />

für einen lebens- <strong>und</strong> erlebniswerten<br />

<strong>natur</strong>nahen Raum ein. Kiesbaggerungen im<br />

wertvollen Tössdelta wird der Rheinaub<strong>und</strong><br />

ebenso wenig akzeptieren wie eine Zunahme<br />

von Schiffsparkplätzen.<br />

Tiermehlfabrik Bazenheid (SG):<br />

Gefahr für die Thur im Auge<br />

behalten<br />

(Andri Bryner) Die Einsprache des Rheinaub<strong>und</strong>es<br />

gegen die Biogasanlage in Bazenheid<br />

hat die erwünschte Wirkung gehabt.<br />

Das Projekt wurde in Bezug auf den Gewässerschutz<br />

überarbeitet, um das Risiko einer<br />

Die sanierte Brunibrücke gibt<br />

dank der neu eingebauten<br />

Fenster den Blick auf die Töss<br />

frei.<br />

Foto: Andri Bryner<br />

Belastung der Thur mit giftigen Chemikalien<br />

zu minimieren. Die vom Kanton St. Gallen<br />

verfügten Auflagen sind im Sinne des<br />

Rheinaub<strong>und</strong>es, so dass die Einsprache zurückgezogen<br />

werden konnte. Dass allerdings<br />

eine Planung, die derart gravierende umweltrelevante<br />

Punkte offen lässt, überhaupt zur<br />

öffentlichen Auflage gelangt, darf nicht<br />

Schule machen. Ein solches Vorgehen zwingt<br />

die Verbände zu Einsprachen <strong>und</strong> führt zu<br />

„Ehrenr<strong>und</strong>en“ für alle Beteiligten. Dieser Zusatzaufwand<br />

wäre vermeidbar, wenn die verfahrensführende<br />

Behörde – in diesem Fall die<br />

Gemeinde – von Beginn an fachlich <strong>und</strong> juristisch<br />

kompetent <strong>und</strong> nicht nach (lokal)politischen<br />

Aspekten entscheiden würde.<br />

Seerestaurant Uster (ZH): Wann<br />

platzt der gordische Knoten?<br />

(Andri Bryner) Der Entscheid der Baurekurskommission<br />

(n+m 6/2009) ist zu Gunsten<br />

des Uferschutzes am Greifensee ausgefallen.<br />

Die Kommission hält fest, dass die Projektanten<br />

des Seerestaurants nicht nachweisen<br />

konnten, dass einzig mit diesem Projekt<br />

(der bereits gekaufte Nouvel-Expo-Pavillon)<br />

<strong>und</strong> nur an diesem Standort ein wirtschaftlicher<br />

Betrieb möglich sei. Kein Projekt<br />

habe nämlich von vornherein Anrecht darauf,<br />

sämtliche Ausnahmeregelungen in Anspruch<br />

zu nehmen. Da der Rheinaub<strong>und</strong><br />

aber den Wunsch der Ustermer Bevölkerung<br />

nach einem Restaurant am See als legitim<br />

erachtet, hat er erneut das Gespräch mit<br />

den Projektanten gesucht. Vielleicht lässt<br />

sich 2010, mit einer innovativen Idee, der<br />

gordische Knoten doch noch lösen.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 35


Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong><br />

Golfplatz Rossberg (ZH):<br />

Golfweiler statt Bauernsiedlung<br />

(Andri Bryner) Der Streit um den Golfplatz<br />

Rossberg bei Winterthur geht bis ins Jahr<br />

1995 zurück, als ein erstes Projekt vorlag,<br />

das mit zahlreichen Mängeln behaftet war.<br />

Zusammen mit ProNatura, dem WWF <strong>und</strong><br />

dem Heimatschutz hat sich der Rheinaub<strong>und</strong><br />

dann für eine Verbesserung stark<br />

gemacht <strong>und</strong> eine Vereinbarung mit den<br />

unterdessen neuen Planern ausgehandelt.<br />

Inzwischen ist der 18-Loch-Platz gebaut.<br />

Einige der abgemachten ökologischen<br />

Begleitmassnahmen könnten zwar noch<br />

besser umgesetzt werden, doch insgesamt<br />

ist der Wille der Betreiber spürbar, der Natur<br />

r<strong>und</strong> um die teppichartigen Rasenflächen<br />

auch Raum zu geben. 2009 haben sie<br />

jedoch ein Umbauprojekt für den Weiler<br />

präsentiert: Vier Bauernhäuser <strong>und</strong> Ökonomiegebäude<br />

sollen abgerissen werden zugunsten<br />

von vier grossen Mehrfamilienhäusern<br />

mit Tiefgarage. Dies in einer Weiler -<br />

kernzone mitten im Landwirtschaftsgebiet.<br />

Da der Rheinaub<strong>und</strong> seine Tätigkeit auf den<br />

Gewässerschutz fokussieren will, sind wir<br />

selbst nicht ins Verfahren um diese Bauten<br />

eingestiegen. Doch wir haben den Heimatschutz<br />

unterstützt, welcher Rekurs eingelegt<br />

hat.<br />

Flughafen Zürich (ZH): Beschwerde<br />

teilweise gutgeheissen<br />

(Martin Furter) Unter dem Motto „was lange<br />

währt, wird endlich (teilweise) gut“, hat das<br />

B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht die gemeinsame<br />

Beschwerde des Rheinaub<strong>und</strong>es <strong>und</strong><br />

der Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte für Umweltschutz<br />

vom April 2005 mit seinem Urteil vom 10.<br />

Dezember 2009 teilweise gutgeheissen. Das<br />

B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht verbietet Postflüge<br />

<strong>und</strong> Messflüge in der Nacht. Der<br />

Rheinaub<strong>und</strong> hat mit „Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte<br />

für Umweltschutz“ damit erreicht, dass jährlich<br />

r<strong>und</strong> 9000 Flüge zur Nachtzeit nicht<br />

durchgeführt werden können. Das ist ein<br />

nicht gering zu schätzendes Resultat! Im<br />

Weiteren sind unter Berücksichtigung der<br />

neu verfügten Sanierungsmassnahmen die<br />

zulässigen Lärmimmissionen des Flughafens<br />

Zürich neu festzulegen. Die entsprechend<br />

neu zu erstellenden Fluglärmkarten<br />

bilden Teil des vorliegenden Entscheids.<br />

Dies kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

dass das Hauptanliegen – nämlich<br />

die generelle Plafonierung der Starts <strong>und</strong><br />

Landungen – nicht erfüllt worden ist. Dies<br />

gilt für die vom Rheinaub<strong>und</strong> geforderte<br />

Begrenzung bei 250 000 ebenso wie für die<br />

Begrenzung bei 350 000 Bewegungen, die<br />

andere Beschwerdeführende forderten. Mit<br />

der Begründung, dass bezüglich Gewässerschutz<br />

das geltende Umweltrecht eine ausreichende<br />

Gr<strong>und</strong>lage bilde <strong>und</strong> dieses im<br />

Betriebsreglement nicht wiederholt werden<br />

müsse, sind die diesbezüglichen Begehren<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es abgewiesen worden.<br />

Hingegen konnten in den langen Jahren des<br />

Rechtsverfahrens einige Verbesserungen<br />

bei der Abwasserbehandlung (Enteisung<br />

der Flugzeuge, Pistenfreihaltung) eingeleitet<br />

werden. Es ist nicht zu übersehen, dass<br />

der stetige Druck von Seiten der Organisationen<br />

<strong>und</strong> neue Erkenntnisse des Wasserforschungsinstituts<br />

Eawag hier zur Verbesserung<br />

der Situation beigetragen haben. Das<br />

Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da der<br />

Flughafen Zürich <strong>und</strong> die Fluggesellschaft<br />

SWISS Anfang Februar 2010 beim B<strong>und</strong>esgericht<br />

Beschwerde erhoben haben.<br />

NEAT-Begleitung 2009:<br />

Lebensräume blühen auf<br />

(Martin Furter) Es ist ein wichtiges Anliegen<br />

des Rheinaub<strong>und</strong>es, dem Schutz der Umwelt,<br />

der Natur <strong>und</strong> der Heimat auch bei der<br />

Realisierung des Grossprojekts der Bahninfrastruktur<br />

Nachachtung zu verschaffen. Zur<br />

Wahrnehmung dieser Aufgabe hat der Rheinau<br />

b<strong>und</strong> zusammen mit den Organisationen<br />

Pro Natura, SHS, SL, SVS, VCS <strong>und</strong> WWF Martin<br />

Furter bereits im Jahr 1994 das Mandat<br />

zur Begleitung des Eisenbahngrossprojekts<br />

erteilt.<br />

Anlässlich von zwei R<strong>und</strong>gängen auf den<br />

Baustellen Bodio, beim Südportal <strong>und</strong> bei Sedrun,<br />

dem Zwischenangriff <strong>und</strong> wichtigen<br />

Deponiestandort für das Ausbruchmaterial<br />

des Gotthard-Basistunnels konnten sich Vertreterinnen<br />

<strong>und</strong> Vertreter der Organisationen<br />

vor Ort von der Umsetzung <strong>und</strong> der Qualität<br />

der im Laufe der Projektgenehmigungen erreichten<br />

Auflagen zugunsten von Natur <strong>und</strong><br />

Umwelt einen Eindruck verschaffen.<br />

Der Ersatz für den durch den neuen Bahndamm<br />

beanspruchten Feuchtwald „Pasquerio“<br />

hat sich seit dem letzten Besuch gut<br />

entwickelt. Der vielfältige Lebensraum mit<br />

Fliess- <strong>und</strong> Stillgewässern, extensiven Wiesen,<br />

Hochstammbäumen <strong>und</strong> Hecken wird<br />

sich bei weiterhin aufmerksamer Pflege als<br />

wertvolles Biotop im Bereich des Südportals<br />

des Gotthard Basistunnels entfalten.<br />

Im Rahmen der Genehmigung von verschiedenen<br />

Detailprojekten sind wiederum etliche<br />

Verbesserungsanträge gutgeheissen<br />

worden. Es handelt sich dabei um die langfristige<br />

Sicherung der Bewirtschaftung extensiver<br />

Wiesen, die Sicherstellung von Ersatzmassnahmen,<br />

Festlegung von Erfolgskontrollen<br />

<strong>und</strong> allfälligen Nachbesserungen,<br />

Erstellung landschaftspflegerischer Begleitplanungen,<br />

Schaffung von Leitstrukturen,<br />

qualitative <strong>und</strong> quantitative Festlegung von<br />

Rodungsersatz, Realisierung von Ladestationen<br />

für Elektrofahrzeuge. Sehr wichtig ist<br />

die erreichte Verbesserung der landschaftlichen<br />

Eingliederung <strong>und</strong> ökologischen<br />

Optimierung der zentralen Deponie für<br />

den Aushub des Ceneri-Basistunnels bei<br />

Sigirino.<br />

Der Ersatzlebensraum für<br />

den verschw<strong>und</strong>enen<br />

Feuchtwald Pasquerio bei<br />

Bodio/Pollegio.<br />

Seite 36


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

VivaRiva –Wasser macht Schule<br />

(Kathrin Jaag) Nach drei Jahren Aufbauzeit<br />

war 2009 das erste „reguläre“ VivaRiva-Jahr.<br />

Umso mehr freut es VivaRiva, auch dieses<br />

Jahr wieder mit neuen Rekordzahlen aufzuwarten!<br />

Über 50 Veranstaltungen konnten<br />

zwischen April <strong>und</strong> Oktober durchgeführt<br />

werden, mit mehr als 1200 Teilnehmenden in<br />

8 Kantonen. Sei es beim Bacherlebnistag,<br />

einer Biotopuntersuchung, an der Ferienpassveranstaltung<br />

oder bei der Weiterbildung,<br />

sei es mit Kindergärtnern, Schülern<br />

oder Erwachsenen: bei den VivaRiva-Veranstaltungen<br />

steht nach wie vor die Faszination<br />

für den Lebensraum Wasser im Zentrum, die<br />

Freude am Entdecken <strong>und</strong> Beobachten, die<br />

Begeisterung fürs Forschen <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>en<br />

draussen in der Natur.<br />

Vom Thurauenbesuch im Konfirmandenlager<br />

über die Schulhausbiotopreinigung zur Biberspurensuche<br />

mit dem Kindergarten, zur Bioindikationsberechnung<br />

mit der Sek<strong>und</strong>arschule,<br />

zum Bacherforschungstag im Rah -<br />

men vom Ferienpass bis zur Lehrerwei -<br />

ter bildung: Die Themenvielfalt wird immer<br />

grösser, die Zahl der Anlässe nimmt zu. 52<br />

VivaRiva-Anlässe konnten 2009 durchgeführt<br />

werden. Ein neuer Rekord! Die meisten Anlässe<br />

sind nach wie vor Wassererlebnistage mit<br />

Schulklassen. Das sind Veranstaltungen mit<br />

verschiedenen Schwerpunktthemen (Fliessgewässer,<br />

Stillgewässer, Biber oder Amphibien),<br />

immer mit der Zielgruppe Schule.<br />

Daneben fanden sechs Ferienpassveranstaltungen<br />

an Bächen statt. Leider konnte 2009<br />

nur gerade eine Lehrerweiterbildung (im<br />

Kt. St. Gallen) durchgeführt werden.<br />

1240 Personen haben dieses Jahr an Viva-<br />

Riva-Veranstaltungen teilgenommen. Dabei<br />

Anzahl Anlässe 2006–2009<br />

Die Wassererlebnistage<br />

von VivaRiva stehen bei<br />

den Schulen hoch im Kurs.<br />

Foto VivaRiva<br />

machen die Schüler der Primarschulen nach<br />

wie vor das Hauptpublikum von VivaRiva aus.<br />

Nach der Premiere im Jahr 2008 konnte Viva-<br />

Riva dieses Jahr bereits mehrere Veranstaltungen<br />

mit Kindergärten durchführen.<br />

Der Aktivitätsschwerpunkt liegt weiterhin<br />

in der Nordostschweiz. Doch auch im Jahr<br />

2009 konnte VivaRiva in neuen Kantonen tätig<br />

sein, insbesondere der Kanton Schwyz mit<br />

sieben Veranstaltungen ist hier zu erwähnen.<br />

Ausserdem fand die erste „Expansion ins Ausland“<br />

mit einer Ferienveranstaltung in Gailingen<br />

(D) statt. Neben der Durchführung von<br />

Anzahl<br />

VivaRiva-<br />

Anlässe<br />

pro Jahr<br />

seit 2006.<br />

Veranstaltungen am Wasser hat VivaRiva dieses<br />

Jahr auch vermehrt in die Erarbeitung<br />

von zusätzlichen Unterlagen investiert. So<br />

konnten mit der Unterstützung der Paul<br />

Schiller-Stiftung erstmals eigene farbige Bestimmungsunterlagen<br />

hergestellt werden.<br />

Zudem wurde im Auftrag des Didaktischen<br />

Zentrums Schaffhausen eine Lernkiste zum<br />

Thema Wasser für den praxisorientierten Mittelstufen-Unterricht<br />

am Bach zusammengestellt.<br />

Diese Lernkiste enthält alle notwendigen<br />

Materialien, um einen Erlebnistag mit<br />

einer Schulklasse durchzuführen <strong>und</strong> in aufbereiteter<br />

Form Fachinformationen für Lehrpersonen<br />

sowie Arbeitsblätter. Damit möchte<br />

VivaRiva den Lehrkräften einen erleichterten<br />

Zugang schaffen für eigene Forschungs- <strong>und</strong><br />

Erlebnistage am Bach.<br />

Es ist VivaRiva ein Anliegen, Umweltbildung<br />

in ihrer besten Qualität zu bieten. Dazu gehört,<br />

dass viel Wert auf die gezielte <strong>und</strong> individuelle<br />

Vorbereitung für jeden Anlass gelegt<br />

wird. So findet vor jeder Veranstaltung ein<br />

Gespräch der VivaRiva-Mitarbeiterin mit der<br />

Lehrerin/dem Lehrer statt. Um das Projekt<br />

stetig weiter zu entwickeln <strong>und</strong> nah an den<br />

Bedürfnissen <strong>und</strong> Wünschen der Schulklassen<br />

<strong>und</strong> Lehrpersonen zu bleiben, bittet Viva-<br />

Riva sämtliche Lehrkräfte, die Veranstaltungen<br />

mit einem Fragebogen zu evaluieren.<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 37


Jahresbericht Rheinaub<strong>und</strong><br />

Das Rheinaub<strong>und</strong>-Team – von links nach rechts:<br />

– Stefan Kunz<br />

Geschäftsführer Rheinaub<strong>und</strong>, 60%<br />

(Dipl. Ing. Landschaftsarchitekt BSLA)<br />

– Kathrin Jaag<br />

stv. Geschäftsführerin, Projekt leiterin<br />

Umweltbildungsprojekt VivaRiva, 50%<br />

(Dipl. Umwelt-Naturwissenschafterin ETH)<br />

– Fabian Lippuner<br />

Projektmitarbeiter Umweltbildung <strong>und</strong><br />

Gewässerschutz, 60%<br />

(Dipl. Umweltingenieur FH)<br />

– Karin Schlude<br />

Leitung Administration,<br />

20% (Dipl. Geographin Uni Zürich)<br />

– Günther Frauenlob<br />

Redaktor „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“<br />

(Dipl. Geograph/Hydrologe Uni Freiburg i.Br.)<br />

– Marlene Fischer, Praktikantin VivaRiva, 50%<br />

(Bachelor Landschaftsarchitektin)<br />

– Ruedi Schneider, ehrenamtliche Mitarbeit<br />

<strong>und</strong> Unterstützung Geschäftsleitung<br />

Die Rückmeldungen sind erfreulich positiv<br />

<strong>und</strong> werden häufig durch persönliche Schreiben<br />

von Lehrerinnen <strong>und</strong> Schülern ergänzt.<br />

Als Wermutstropfen ist zu erwähnen, dass<br />

Karin Schlude nach riesigem Einsatz während<br />

der letzten zwei Jahre beschlossen hat, wieder<br />

mehr Zeit ihrer Familie zu widmen <strong>und</strong><br />

folglich per Ende Jahr 2009 ihr Engagement<br />

für VivaRiva beendet hat. Das VivaRiva-Team<br />

bedauert das sehr <strong>und</strong> möchte sich auch an<br />

dieser Stelle nochmals herzlich bedanken für<br />

die wertvolle Arbeit. Als Nachfolger ist bereits<br />

Fabian Lippuner angetreten. VivaRiva freut<br />

sich, in ihm einen neuen motivierten Umweltbildner<br />

gef<strong>und</strong>en zu haben!<br />

Der Erfolg von VivaRiva zeigt, dass „draussen<br />

unterwegs sein“ eine willkommene Abwechslung<br />

<strong>und</strong> eine wichtige Ergänzung<br />

zum Unterricht im Klassenzimmer ist. Viva-<br />

Riva ist überzeugt, dass trotz des steigenden<br />

Angebots im ausserschulischen Bereich das<br />

Erleben <strong>und</strong> Forschen in der Natur <strong>und</strong> speziell<br />

im <strong>und</strong> am Wasser seinen ganz besonderen<br />

Stellenwert nicht verlieren wird. Wer<br />

einmal mit dem Wasser-Virus angesteckt<br />

wurde, wird ihn so schnell nicht mehr los.<br />

Und VivaRiva wird gerne weiter für eine<br />

Wasser viruspandemie im positivsten Sinne<br />

sorgen!<br />

Wir danken allen Förderern <strong>und</strong> Institutionen<br />

für Ihre Unterstützung, ohne die das VivaRiva<br />

Jahr 2009 nicht so erfolgreich gewesen wäre.<br />

Kooperationen <strong>und</strong> Mitgliedschaften<br />

AG-Recht: Koordinations- <strong>und</strong> Informationsplattform der nationalen Verbände für<br />

Rechts fälle. Erweiterte Funktion im Bereich des Verbandsbeschwerderechts.<br />

AG-Re<strong>natur</strong>ierung des Hochrheins: Internationaler Zusam<strong>mensch</strong>luss der Natur-, Umwelt<br />

<strong>und</strong> Fischereiorganisationen am Hochrhein. Ziel ist die integrale Erhaltung der<br />

noch <strong>natur</strong>nahen Rheinabschnitte sowie die ökologische <strong>und</strong> landschaftliche Sanierung<br />

belasteter Flussabschnitte.<br />

Begleitgruppe Ökofonds KW Schaffhausen: Das BÖF befindet im Wesentlichen über die<br />

Verwendung der Ökostrom Förderbeiträge aus dem Ökofonds des <strong>natur</strong>made – zertifizierten<br />

Kraftwerks Schaffhausen.<br />

CIPRA – Schweiz: Nationale Vertretung in der internationalen Alpenschutzkommission.<br />

Initiative „Raum für Mensch <strong>und</strong> Natur“: Mitglied im Trägerverein „Ja zur Landschaftsinitiative“.<br />

Internationale Bodensee-Stiftung: Die Bodensee-Stiftung ist eine projektorientierte<br />

Naturschutzorganisation <strong>und</strong> setzt sich für nachhaltige Wirtschaftsweisen in der internationalen<br />

Bodenseeregion <strong>und</strong> darüber hinaus ein.<br />

KLAR Schweiz: Opposition gegen das geplante Endlager für hochaktive Abfälle im<br />

Zürcher Weinland.<br />

Pro Rheinlandschaft Diessenhofen: Der Verein bezweckt die Erhaltung <strong>und</strong> Respektierung<br />

der Landschaftsschutz- <strong>und</strong> Naherholungsgebiete um Diessenhofen, insbesondere<br />

die Förderung <strong>und</strong> Organisation des Widerstandes gegen eine Thermal- <strong>und</strong><br />

Freizeitbadeanlage im BLN Gebiet<br />

Pro Thur: Dachorganisation der Umweltorganisationen, welche sich seit vielen Jahren<br />

für die Re<strong>natur</strong>ierung der Thur einsetzt.<br />

Pro Töss: Zusam<strong>mensch</strong>luss verschiedener Natur-, Heimat- <strong>und</strong> Naturschutzorganisationen<br />

sowie Fischereivertretern. Die Pro Töss wirbt in der Öffentlichkeit <strong>und</strong> auf politischer<br />

Ebene für einen wirksamen Gewässerschutz im Einzugsgebiet der Töss.<br />

Seite 38 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010


50 Jahre Rheinaub<strong>und</strong><br />

Unser Jubiläumsprogramm<br />

für Sie:<br />

<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010<br />

Seite 41


Rubrik<br />

<strong>natur</strong><br />

<strong>und</strong><br />

<strong>mensch</strong><br />

52. Jahrgang • Heftnummer 2 / 2010<br />

Jährlich 6 Nummern • Erscheinungsdatum 3.4.2010<br />

Herausgeber: Rheinaub<strong>und</strong>, Schweizerische<br />

Arbeitsgemeinschaft für Natur <strong>und</strong> Heimat<br />

50 JAHRE<br />

Autoren dieser Ausgabe:<br />

Lukas Indermaur<br />

Brigitte Egger<br />

Felix Wirz<br />

Michael Kaufmann<br />

Hans Fritschi<br />

Luca Vetterli<br />

Roland Seiler<br />

Matthias Nast<br />

Gerold Meier<br />

Walter Büsch<br />

VivaRiva blickt auf ein sehr erfolgreiches<br />

Jahr zurück. Noch nie konnten so viele Veranstaltungen<br />

durchgeführt werden, wie im<br />

zurückliegenden Jahr <strong>und</strong> auch das Me dienecho<br />

auf die Umweltbildung des Rhein aub<strong>und</strong>es<br />

ist durchwegs positiv.<br />

Mit VivaRiva gibt der Rheinaub<strong>und</strong> die Richtung<br />

für die nächsten 50 Jahre vor: proaktiver,<br />

fachlich kompetenter Gewässerschutz<br />

mit Biss, erlebnisorientierte Umweltbildung<br />

am Gewässer <strong>und</strong> qualifizierte Berichterstattung<br />

mit „<strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong>“. Die Zukunft<br />

kann kommen!<br />

Foto: VivaRiva<br />

www.rheinaub<strong>und</strong>.ch<br />

Seite 42 <strong>natur</strong> <strong>und</strong> <strong>mensch</strong> 2 / 2010

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