als PDF downloaden - Rokpa
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ROKPA<br />
ROKPA ist das tibetische Wort<br />
für „helfen“ und „dienen“.<br />
Helfen wo Hilfe gebraucht wird.<br />
ROKPA ist eine internationale Hilfsorganisation<br />
mit Vertretungen in 20 Ländern,<br />
die vom Hauptsitz ROKPA INTERNATIO-<br />
NAL in der Schweiz koordiniert werden.<br />
ROKPA hat sich das Ziel gesetzt, das<br />
Leben von Menschen überall dort zu<br />
erleichtern, wo es notwendig ist – unabhängig<br />
von Religion und Kultur. ROKPA<br />
engagiert sich schwerpunktmäßig in<br />
Tibet, Nepal, Südafrika und Simbabwe<br />
mit über 150 Projekten in den Bereichen:<br />
Bildung und Gesundheit für Kinder<br />
(Schulen, Waisenhäuser)<br />
Obdachlose (Gassenküche,<br />
medizinische Versorgung)<br />
ROKPA Deutschland<br />
Barbara Pfeiffer, Schützenstr. 49,<br />
78315 Radolfzell,<br />
Telefon (07732) 9718 64,<br />
info@rokpa.de<br />
Deutsche Bank 24 Konstanz<br />
BLZ 69070024<br />
Konto 035 88 87<br />
Postbank Stuttgart<br />
BLZ 60010070<br />
Konto 234 435705<br />
GLS Gemeinschaftsbank Bochum<br />
BLZ 430 609 67<br />
Konto 79 14 10 75 00<br />
www.rokpa.de, www.rokpa.org<br />
Erhaltung der Umwelt (Aufforstung)<br />
Medizinische Versorgung<br />
in abgelegenen Gebieten<br />
Förderung der tibetischen<br />
Heilpflanzen und Heilkunde<br />
Erhaltung der tibetischen Kultur<br />
ROKPA in Deutschland ist eingetragen im<br />
Vereinsregister Radolfzell unter Nr. 276<br />
Vorstand: Barbara Pfeiffer, M.A.,<br />
Dr. med. Ulrich Küstner, Klaus Eiden<br />
Geschäftsführung:<br />
Barbara Pfeiffer, pfeiffer@rokpa.de<br />
Kontaktadressen, wenn Sie vor Ort aktiv<br />
werden möchten:<br />
Kirchheim<br />
Ute Eisele, Alleenstraße 18,<br />
73230 Kirchheim/Teck,<br />
rokpa-kirchheim@web.de<br />
Berlin<br />
Jorke Steinmüller, Hobrechtstr. 42,<br />
12047 Berlin, Telefon 030 62184 89<br />
Schleswig-Holstein<br />
Martina u. Wilfried Schümann, Kreuzweg 1,<br />
25364 Brande, Tel. 0 4127 84 88<br />
ROKPA INTERNATIONAL<br />
Böcklinstr. 27 – CH-8032 Zürich<br />
Telefon 0041 44 2 62 68 88<br />
Fax 0041 44 2 62 68 89<br />
www.vhvk.de<br />
Nachhaltige Hilfe lohnt sich –<br />
Die Arbeit von ROKPA trägt Früchte.<br />
Eine Information von<br />
ROKPA in Deutschland
Liebe Freunde und<br />
Freundinnen von ROKPA!<br />
Radolfzell, im Oktober 2011<br />
Inhalt<br />
TIBET<br />
Tsöndru sitzt jetzt im Rollstuhl Seite 2<br />
Wie aus einer Nomadenwaise ein ROKPA-Arzt wurde Seite 4<br />
Kepcha Gön: Ein Ort, den man nicht vergisst Seite 6<br />
SIMBABWE<br />
In Simbabwe… Seite 10<br />
NEPAL<br />
Die Gassenküche Seite 13<br />
Anju Seite 15<br />
Ramhari Seite 16<br />
Impressum Seite 17<br />
Im Jahr 2010 haben wir auf 30 Jahre<br />
ROKPA zurückgeblickt. Jetzt, im Jahr 2011<br />
ist es 25 Jahre her, dass ROKPA in<br />
Deutschland gegründet wurde. Inzwischen<br />
ist die erste Generation junger Menschen,<br />
die durch ROKPA eine Ausbildung oder<br />
sogar ein Zuhause gefunden haben, selbständig<br />
geworden. Die Arbeit von ROKPA<br />
lohnt sich, Ihre Spenden tragen Früchte!<br />
In diesem Jahr konnte ich zum ersten Mal<br />
auf einer privaten Tibetreise die Hauptstadt<br />
Lhasa besuchen und die Kulturschätze dort<br />
bestaunen. Mein Respekt für die Tibeter<br />
und das, was sie über Jahrhunderte geschaffen<br />
und bewahrt haben, ist dabei<br />
umso mehr gestiegen. Stunden stehen die<br />
Gläubigen im Jokang-Tempel, dem heiligsten<br />
Ort der Tibeter Schlange, um in jedem<br />
der vielen verschiedenen Schreinräume<br />
Butter <strong>als</strong> Opfer für die dort ständig brennenden<br />
Lichter darzubringen.<br />
Große Freude ernte ich neuerdings bei<br />
allen Tibetern, mit denen ich mich in<br />
ihrer Muttersprache unterhalten kann<br />
und merke aus eigener Erfahrung, wie<br />
sehr die Sprache ein Schlüssel zu den<br />
Herzen und auch den Türen der Menschen<br />
ist. Die tibetische Sprache wird<br />
von immer weniger Menschen gesprochen<br />
und doch ist diese Sprache ein<br />
wichtiger Zugang zu einer der bedeutendsten<br />
Kulturen der Menschheit, die<br />
nicht nur große Werke der Wissenschaften<br />
Asiens hervorgebracht, sondern eine<br />
Tradition der Freundlichkeit und Offenheit<br />
gepflegt hat, die bei uns im Westen<br />
Ihresgleichen sucht.<br />
Auch nach 25 Jahren bin ich weiter<br />
dabei, die Menschen in Tibet, Nepal und<br />
Simbabwe durch meine Arbeit zu unterstützen.<br />
Ich hoffe, Sie auch!<br />
Mit den besten Wünschen<br />
Ihre<br />
Barbara Pfeiffer<br />
1
Tibet<br />
20.000 Rmb sind ca. 2.228,– Euro.<br />
Das ist mehr <strong>als</strong> das Jahreseinkommen<br />
einer durchschnittlichen tibetischen<br />
Familie. Wir alle hoffen, dass es<br />
Tsöndrü bald besser geht. Damit sie<br />
weiterhin in Therapie bleiben kann, ist<br />
viel Geld nötig und ROKPA wird<br />
Tsöndrü bei den Therapiekosten unterstützen.<br />
Dafür brauchen wir Ihre<br />
Spende! Geben Sie „medizinische Hilfe<br />
in Tibet“ an.<br />
Sie ist nur Haut<br />
und Knochen<br />
Tsöndru sitzt jetzt im Rollstuhl<br />
Ob sie jem<strong>als</strong> wieder gehen kann, hängt<br />
vom Erfolg einer kostspieligen Therapie ab.<br />
Wir sind in Chengdu, der Hauptstadt von<br />
Sichuan – 10,8 Millionen Einwohner, mehr<br />
<strong>als</strong> die ganze Schweiz, etwa so viel wie<br />
ganz Baden-Württemberg.<br />
In der neurologischen Klinik von Westchina<br />
wollen wir Tsöndrü, die junge Frau besuchen,<br />
die im Sommer 2010 einen schrecklichen<br />
Unfall hatte. Beim Abstützen des<br />
Familientreckers mit ihrem eigenen Rücken,<br />
fuhr ihr die Deichsel des Gefährts ins<br />
Rückenmark.<br />
Vor der Klinik treffen wir ihre Mutter und<br />
die Schwester. Sie begrüßen Akong<br />
Rinpoche und dabei stürzen Tränen aus<br />
ihren Augen, sie schluchzen. Hier entladen<br />
sich die Sorge, die Anspannung und der<br />
Kummer eines ganzen Jahres. Bei unserem<br />
letzten Besuch im Oktober 2010, konnte<br />
Tsöndrü sich vom Nabel abwärts so gut wie<br />
nicht bewegen. Seither ist noch immer<br />
ungewiss, wie weit ihre Beweglichkeit wieder<br />
hergestellt werden kann. Erst seit<br />
Anfang September ist die Familie mit der<br />
Patientin in Chengdu. Sie haben neue<br />
Hoffnung geschöpft, haben gehört, dass<br />
man in dieser Klinik Patienten wie Tsöndru<br />
durch Physiotherapie helfen kann. Das<br />
Klinikum hier ist ein riesiger Komplex, mehrere<br />
turmhohe Klinikgebäude umrunden<br />
einen kleinen Park. Unzählige Menschen<br />
warten geduldig vor den Aufzügen, die sie<br />
zu ihren Lieben in den verschiedenen<br />
Abteilungen bringen.<br />
Ihre Familie unterstützt Tsöndrü wo sie kann<br />
Tsöndru sitzt im Rollstuhl, <strong>als</strong> wir ins<br />
Krankenzimmer kommen. Dünn ist sie, fast<br />
nur Haut und Knochen. Auch ihre Augen<br />
füllen sich mit Tränen, <strong>als</strong> sie Akong<br />
Rinpoche sieht. Er beginnt ein Gespräch mit<br />
ihr, nimmt großen Anteil, lässt sich ihre<br />
Beweglichkeit, ihre Beschwerden, ihre<br />
Reflexe zeigen, er selbst ist ja ausgebildeter<br />
Arzt in tibetischer Heilkunde. Auf die Arme<br />
gestützt kann Tsöndru kurz stehen. Noch<br />
hat ihre Therapie hier nicht wirklich begonnen.<br />
Ihre Familie ist bei ihr, wird sie weiterhin<br />
pflegen, ihr Essen bringen, sich um sie<br />
kümmern. Sie versuchen alles, sind bereit,<br />
sich noch mehr zu verschulden für die<br />
Therapie, die ein Vermögen kostet. 20.000<br />
Rmb pro Monat kosten Unterkunft und<br />
Therapie in dieser Klinik. Das Essen müssen<br />
die Verwandten bringen. Die teilen sich<br />
eine Wohnung mit Angehörigen von anderen<br />
Patienten. Tsöndrus Schwester, einer<br />
schmalen ernsten jungen Frau ist die große<br />
Sorge um ihre Schwester anzusehen. Was<br />
wird, wenn sie nie wieder gehen kann? Wer<br />
wird sich um sie kümmern? Woher das Geld<br />
nehmen, das die unendlichen Therapien<br />
kosten?<br />
Akong Rinpoche macht Tsöndrü Mut. Er hat<br />
gesehen, dass sie in den Füßen Gespür hat.<br />
Aber er sagt auch, dass es noch ungewiss<br />
ist, ob sie ganz geheilt werden kann.<br />
„Hauptsache, Du kommst so weit, dass Du<br />
Dich wieder selbst versorgen kannst. Das<br />
ist ganz wichtig. Aber daran musst Du hart<br />
arbeiten. Besonders wichtig ist Deine innere<br />
Einstellung, Du musst Dir das <strong>als</strong> Aufgabe<br />
stellen und <strong>als</strong> Herausforderung. Du musst<br />
positiv denken und ganz viele Übungen<br />
machen. Tibeter sind eigentlich bequeme<br />
Leute, die machen nicht so viel Sport. Jetzt<br />
liegt es an Dir, mit Deinen Übungen auch<br />
Deine Mutter mit in Bewegung zu bringen,<br />
das tut Euch beiden gut.“<br />
2 3
Tibet<br />
Seine Eltern starben,<br />
weil es keinen Arzt gab.<br />
Heute ist er selbst Arzt und kann vielen<br />
Menschen helfen – Dank ROKPA!<br />
Die Lage von Yushu in der Provinz Qinghai (China)<br />
Gyamtsen (rechts) mit seinem Chef<br />
Wir sind vom Erdbebengebiet Yushu weiter<br />
südwestlich gefahren, nach vielen Stunden<br />
auf holprigen Straßen kamen wir am Ende<br />
des Tages nach Zatu – den Hauptort des<br />
Bezirkes Tsatö, direkt an die autonome<br />
Region Tibet grenzend.<br />
Hier trafen wir mehrere junge Ärzte der<br />
tibetischen Heilkunde, die ROKPA in Yushu<br />
ausgebildet hat. Die Geschichte von<br />
Gyamtsen hat uns berührt:<br />
Zur Zeit seiner Geburt lebte die Familie <strong>als</strong><br />
Hirten mit ihren Tieren in einem abgelegenen<br />
Gebiet, wo es außer Weiden für die<br />
Tiere nichts gab. Weder seine Eltern noch<br />
seine älteren Brüder sahen jem<strong>als</strong> eine<br />
Schule von innen. Als Gyamtsen noch ein<br />
Kleinkind war, starben beide Eltern.<br />
Vermutlich an einer eigentlich leicht zu heilenden<br />
Infektion.<br />
Doch in diesem Gebiet gab es weit und<br />
breit keinen Arzt. Gyamtsen und seine älteren<br />
Brüder blieben verwaist zurück. Ein<br />
Onkel half dem ältesten der Brüder, sich um<br />
die Kleinen zu kümmern. Im Jahr 1993 verbreitete<br />
sich wie im Lauffeuer eine<br />
Nachricht in den Gebieten um Yushu: es<br />
hieß, es solle eine Schule für tibetische<br />
Waisenkinder gegründet werden. Eine<br />
Schule für die, die sonst nie eine Chance<br />
hätten, in die Schule zu gehen. Auch<br />
Gyamtsens Onkel hörte davon und sofort<br />
meldete er den dam<strong>als</strong> 14 jährigen. Der war<br />
nie zuvor in einer Schule gewesen. Und es<br />
kam noch besser: Gyamtsen wurde angenommen<br />
und gehörte zum ersten Jahrgang<br />
von ROKPA-Schülern, die später im Jahr<br />
2007 ihr Diplom zum Arzt der tibetischen<br />
Heilkunde bekamen.<br />
Im größten Ort seiner Heimatregion, Zatu,<br />
Qinghai, verrichtet Gyamtsen nun täglich<br />
seinen Dienst in der tibetischen Klinik.<br />
Täglich sieht er mehr <strong>als</strong> 50 Patienten, er<br />
ist Arzt mit Leib und Seele. In seiner<br />
Ausbildung hat er nicht nur gelernt, Kranke<br />
zu untersuchen und ihnen Medikamente zu<br />
verschreiben. Er hat auch gelernt, wie man<br />
die wirksamen Medikamente herstellt, die in<br />
der tibetischen Heilkunde verwendet werden.<br />
Im Sommer macht er sich mit seinen<br />
Kollegen immer wieder auf in die Berge und<br />
Täler der Umgebung. Dort sammeln sie<br />
ganze Kräuter, Wurzeln, Blüten, Blätter und<br />
Samen der verschiedenen Arzneipflanzen.<br />
Sie nehmen nur das von den Pflanzen, was<br />
am wirksamsten ist für die Herstellung der<br />
jeweiligen Arznei.<br />
Gyamtsen strahlt Freude und Zuversicht<br />
aus. Er ist glücklich, dass er mit seiner<br />
Arbeit nicht nur die eigene Frau und seine<br />
zwei Kinder ernähren, sondern auch seine<br />
zwei Brüder unterstützen kann, die nach<br />
wie vor <strong>als</strong> Nomaden leben. Und er ist<br />
zudem in der Lage, mithilfe seiner<br />
Ausbildung anderen Menschen zu helfen.<br />
Damit sie es besser haben <strong>als</strong> seine eigenen<br />
Eltern.<br />
ROKPA betreibt und unterstützt Projekte,<br />
die nicht nur einzelnen Menschen<br />
Hilfe zur Selbsthilfe bieten, sondern in<br />
denen auch wichtige Traditionen fortgesetzt<br />
werden.<br />
Mit Ihrer Hilfe können wir weiterhin<br />
junge Menschen ausbilden – Bitte<br />
spenden Sie für „Ausbildung in Tibet“.<br />
Wer die Projekte von ROKPA unterstützt,<br />
gibt Hilfe in vielerlei Hinsicht.<br />
Herzlichen Dank für Ihre Spenden!<br />
4 5
Tibet<br />
Das Kloster im Bezirk Nangchen, Qinghai,<br />
wurde im 14. Jahrhundert gegründet. Einst<br />
lebten hier bis zu tausend Nonnen. Heute<br />
sind es etwa dreihundert.<br />
Das Kloster ist weit über die Bezirksgrenzen<br />
in ganz Tibet bekannt, denn die Nonnen<br />
praktizieren mit großer Hingabe alte buddhistische<br />
Meditationstechniken und Rituale,<br />
die heilsam sind für die Psyche. Sie dienen<br />
der Erhaltung alter Traditionen und dem<br />
Frieden in der Welt.<br />
ROKPA unterstützt die Frauen in diesem<br />
einzigartigen Projekt mit Nahrung und medizinischer<br />
Versorgung. In der von ROKPA<br />
gebauten Arztpraxis finden auch die<br />
Menschen aus der näheren Umgebung<br />
medizinische Hilfe.<br />
Ein Ort, den man nicht mehr vergisst.<br />
Claudia Witt ist Professorin für<br />
Komplementärmedizin an der Berliner<br />
Charité und reist regelmäßig mit ROKPA<br />
nach Tibet. Sie war die erste westliche<br />
Ärztin, die das Nonnenkloster Kepcha Gön<br />
besuchte. Sie berichtet über ihre Arbeit<br />
dort:<br />
Als ich im Herbst 2003 zum ersten Mal<br />
nach Kepcha Gön kam, habe ich mich<br />
direkt in diesen besonderen Ort verliebt.<br />
Unvergesslich ist für mich die beschwerliche<br />
und abenteuerliche Anreise, denn wir<br />
mussten noch zu Pferd reiten, mittlerweile<br />
gibt es eine nicht asphaltierte Straße. Doch<br />
wenn es regnet, ist diese so gefährlich rutschig,<br />
dass man sich auf dem Pferderücken<br />
sicherer fühlt. Aber für die Nonnen im<br />
Kloster hat die Straße den Lastentransport<br />
erleichtert, denn vorher mussten sie die<br />
Baumaterialien und Nahrungsmittel auf dem<br />
Rücken ins Kloster transportieren. Ich habe<br />
mal versucht einen der Zementsäcke anzuheben,<br />
was mir kaum gelang – die Nonnen<br />
haben diese Säcke über viele Stunden zum<br />
Kloster hoch getragen. Egal ob zu Pferd<br />
oder mit dem Jeep, man muss immer wieder<br />
kleinere Flüsse durchqueren und wenn<br />
es starke Regenfälle gab, sind diese manchmal<br />
tagelang nicht passierbar. Man kann<br />
<strong>als</strong>o nie ganz sicher sagen, ob man die<br />
geplante Reise auch wirklich durchführen<br />
kann.<br />
Wie im Mittelalter<br />
Bei meinem ersten Besuch im Kloster, empfand<br />
ich mich ins Mittelalter zurückversetzt.<br />
Die Nonnen wohnten auf engstem Raum in<br />
Tibet<br />
Bis auf 4.400 Meter Höhe muss<br />
man fahren, um nach Kepcha Gön<br />
zu kommen.<br />
Häusern, die den Anschein von Erdlöchern<br />
hatten, es war dunkel und kalt,<br />
Hygieneprobleme waren offensichtlich und<br />
Gemüse war sehr selten auf dem Speiseplan<br />
zu finden. All das sind klare Anzeichen von<br />
Armut. Armut, gegen die man etwas tun<br />
kann. Durch die Hilfe und Aktivitäten von<br />
<strong>Rokpa</strong> hat sich das deutlich gebessert. Wer<br />
vorher noch nicht dort war wird sich sicherlich<br />
heute noch ins Mittelalter zurückversetzt<br />
fühlen, ich sehe jedoch sofort, dass<br />
sich in der Zwischenzeit sehr viel getan hat:<br />
es gibt Klausurhäuser mit festen Mauern<br />
und einem Holzfußoden, so dass die<br />
Nonnen nicht mehr auf dem nackten<br />
Lehmboden sitzen und der vollen Kälte ausgesetzt<br />
sind, die Hygiene wurde verbessert.<br />
Mit der tibetischen Heilkunde kann vielen<br />
geholfen werden<br />
ROKPA hat vor einigen Jahren das Gebäude<br />
für die dortige Arztpraxis finanziert. Es gibt<br />
einen Wartebereich für die Patienten, ein<br />
Behandlungszimmer und Lagerplatz für<br />
Heilkräuter der tibetischen Medizin. Diese<br />
müssen ja getrocknet und dann so eingelagert<br />
werden, dass sie nicht verderben. In<br />
der Klinik werden sowohl Nonnen aus dem<br />
Kloster <strong>als</strong> auch Bevölkerung aus der<br />
Umgebung behandelt. Die dortige Ärztin der<br />
tibetischen Medizin, auch eine Nonne,<br />
macht auch Hausbesuche, oft ist sie dann<br />
viele Stunden zu Fuß unterwegs. Die<br />
Tibetische Medizin ist die traditionelle<br />
Heilkunde in diesen Regionen und daher in<br />
6 7
den ländlichen Regionen sehr verbreitet.<br />
Meine Gespräche mit Hunderten von<br />
Patienten haben gezeigt, dass viele der<br />
Patienten gute Erfahrung mit der<br />
Heilkräuterbehandlung haben. Sie gaben an,<br />
dass sich ihre Beschwerden dadurch verringert<br />
haben. Jedoch sind nicht immer alle<br />
benötigten Heilkräuter vorhanden und es<br />
wird mit den zunehmenden ökologischen<br />
Schäden für die tibetische Ärztin immer<br />
schwerer diese zu sammeln. Inzwischen<br />
müssen immer öfter Heilkräuter hinzugekauft<br />
werden, in manchen Jahren sind einige<br />
sogar so rar, dass man sie nicht in<br />
ausreichender Menge bekommt.<br />
In jedem Jahr, in dem ich da war, habe ich<br />
Sprechstunden abgehalten, die Patienten<br />
mit Medikamenten behandelt und<br />
Empfehlungen zu Prävention und Hygiene<br />
gegeben. Das machte ich immer zusammen<br />
mit der tibetischen Ärztin, damit wird uns<br />
gegenseitig informieren können. Die meisten<br />
Patienten, die zur Arztpraxis kommen,<br />
haben Beschwerden der Wirbelsäule und<br />
der Gelenke: Rückenschmerzen und<br />
Arthrose, die auch bei jungen Patienten<br />
bereits sehr ausgeprägt sind. Das ist sicherlich<br />
auch durch die harten Lebensbedingungen<br />
begründet. Die trockene Luft und die<br />
feinen Stäube auf dieser Höhe führen<br />
zudem zu chronischen Erkrankungen der<br />
oberen Luftwege. Viele Patienten sind kurzsichtig,<br />
können sich aber keine Brille leisten<br />
und über den Zahnstatus möchte man lieber<br />
nicht sprechen. Doch im Herbst 2009 hat<br />
mir Yeshe, die Ärztin verzweifelt von der<br />
zunehmenden Zahl von Patienten mit<br />
Tuberkulose und Hepatitis B erzählt. Ein<br />
paar Nonnen waren bereits an Tuberkulose<br />
gestorben.<br />
Tuberkulose und Hepatitis B bekommt<br />
man allein mit tibetischer Medizin nicht in<br />
den Griff.<br />
Hier mussten wir sofort handeln, auch wenn<br />
wir nicht wussten wie es zu finanzieren war.<br />
Wir machten sofort ein Konzept zur künftigen<br />
Prävention. Sowohl die Nonnen, <strong>als</strong><br />
auch die Bevölkerung wurden über die<br />
Erkrankung und Übertragungswege aufgeklärt.<br />
Wir schafften zur Verbesserung der<br />
Hygiene eigene Zahnbürsten und Rasierer<br />
für Hepatitis B Patienten. Wir vermittelten<br />
die lebensrettende Information, dass das<br />
Spucken auf den Boden die Tuberkulose<br />
verbreitet. Weiterhin hat <strong>Rokpa</strong> dafür<br />
gesorgt, dass alle Nonnen auf Tuberkulose<br />
und Hepatitis B getestet wurden und die<br />
Anmerkung<br />
Tibetische Klöster werden nicht durch<br />
eine Großinstitution vergleichbar der<br />
katholischen Kirche finanziert. Sie sind<br />
so reich oder so arm wie die Menschen<br />
in dem Ort oder in der Gegend, wo sie<br />
liegen. ROKPA unterstützt diejenigen<br />
Klöster oder Klosterschulen mit<br />
Nahrungsmitteln oder medizinischer<br />
Versorgung, die in armen, extrem<br />
strukturschwachen Gebieten liegen<br />
und wo die Menschen sich kaum<br />
selbst ausreichend ernähren können.<br />
Bitte spenden Sie für „Klöster in<br />
Tibet“. Herzlichen Dank.<br />
Nichterkrankten gegen Hepatitis B geimpft<br />
wurden, um eine Ausbreitung der<br />
Erkrankung zu verhindern.<br />
Die Aufklärung über die Erkrankungen und<br />
wie man Ansteckung vermeidet hat den<br />
Patienten sehr geholfen, und ihnen die<br />
Angst genommen daran sofort zu sterben.<br />
Auch hat sich die Hygiene insgesamt gebessert<br />
und die gute Nachricht ist: neue Fälle<br />
wurden bisher nicht berichtet.<br />
Für die bereits Erkrankten haben wir ein<br />
integratives Therapiekonzept umgesetzt.<br />
Zusammen mit einem Arzt vom städtischen<br />
Krankenhaus der nächsten Stadt konnten<br />
wir dafür sorgen, dass die Tuberkulosepatienten<br />
in das staatliche Tuberkuloseprogramm<br />
aufgenommen wurden. Doch Medikamente,<br />
die über Monate genommen<br />
werden müssen, schädigen die Leber, und<br />
diejenigen Medikamente, die dieses Risiko<br />
vermindern sind sowohl extrem teuer <strong>als</strong><br />
auch in den ländlichen Regionen nicht<br />
erhältlich. Deshalb mussten viele Patienten<br />
die Therapie abbrechen. Ein Umstand, der<br />
die Gesamtsituation für alle Erkrankten verschlechtert,<br />
denn es bilden sich immer<br />
mehr Resistenzen, wenn die Medikamente<br />
nicht in ausreichender Dauer eingenommen<br />
werden. Um dieses Problem zu lösen,<br />
haben sich mehre erfahrene tibetische Ärzte<br />
zusammengetan und Heilkräuter zusammengestellt,<br />
die die Leber schützen sollen.<br />
Die Tuberkulosepatienten erhalten <strong>als</strong>o integrative<br />
Behandlung, die aus schulmedizinischer<br />
Standardtherapie und traditioneller<br />
Tibetischer Medizin besteht.<br />
Die Leberfunktion der Patienten wird mit<br />
tibetischer Medizin unterstützt<br />
Die schulmedizinische Behandlung der<br />
Hepatitis B wie in Deutschland normalerweise<br />
durchgeführt, ist in den ländlichen<br />
Regionen leider nicht verfügbar. Deshalb<br />
kommt hier die traditionelle Tibetische<br />
Tibet<br />
Medizin zum Einsatz. Die dafür notwendigen,<br />
aber doch z.T. teuren Heilkräuter wurden<br />
für die Behandlung der Patienten von<br />
<strong>Rokpa</strong> angeschafft. Die tibetische Ärztin hat<br />
mir diesen Sommer erneut bestätigt, dass<br />
die meisten Patienten stabil sind und es<br />
keine weiteren Todesfälle gegeben hat.<br />
Erkrankungen wie Tuberkulose und<br />
Hepatitis B, aber auch die normale medizinische<br />
Versorgung der Nonnen und<br />
Bevölkerung in der Umgebung ist ein<br />
Langzeitprojekt. Wir müssen <strong>als</strong>o das, was<br />
wir begonnen haben fortführen und weiter<br />
ausbauen.<br />
Ich war an vielen Orten der Welt, aber keiner<br />
hat mich so berührt, wie Kepcha Gön<br />
und es sind die Menschen die ihn ausmachen.<br />
Sie strahlen eine unbeschreibliche<br />
Kombination von Weisheit und unberührter<br />
Naivität aus, die mir zuvor noch nirgendwo<br />
begegnet ist. Das Leben dort ist hart, aber<br />
die Nonnen in Kepcha Gön haben sich<br />
bewusst für diesen Lebensweg entschieden<br />
und das macht die ganz besondere<br />
Stimmung aus.<br />
8 9
Simbabwe<br />
Simbabwe<br />
In Simbabwe...<br />
Teilnehmer verschiedene Massagetechniken<br />
und Fußreflexologie. Mit dem Erlernten können<br />
sie ihre kranken oder behinderten<br />
Angehörigen besser versorgen.<br />
Unterstützung von Waisen und behinderten<br />
Kindern damit sie die Schule besuchen<br />
können<br />
ROKPA kommt für die Schulgebühren,<br />
Schuluniformen, Hefte und Schreibmaterial<br />
und zusätzliche Nahrungsmittel und<br />
Transportkosten (wie z.B. den Kauf von<br />
Fahrrädern) auf, denn manche Kinder haben<br />
einen Fußweg von über 16 Kilometern zur<br />
Schule.<br />
Glücklich, wer ein Fahrrad ergattert hat.<br />
Der Schulweg ist 16 Kilometer weit.<br />
...leben derzeit 90 Prozent<br />
der Bevölkerung unterhalb<br />
der Armutsgrenze.<br />
Wasser und Strom sind rationiert. Die<br />
Arbeitslosenquote beträgt 85 Prozent.<br />
Durch immer wiederkehrende Dürreperioden<br />
fallen die Ernten mager aus. Dazu kommt<br />
die unsichere politische Situation. Termine<br />
für Wahlen sind noch immer nicht bekannt.<br />
Immer mehr Kinder sind verwaist, weil ihre<br />
Eltern an Aids gestorben sind. Schon für<br />
die, die nicht krank sind und keine persönlichen<br />
Probleme haben, ist das Leben in<br />
Simbabwe derzeit schwer. Doch was ist mit<br />
denen, die verwaist sind, oder die ein Kind<br />
mit Behinderung haben oder mit HIV infiziert<br />
sind?<br />
Solche Familien sind die Zielgruppe der<br />
Hilfe von ROKPA in Simbabwe. Die Hilfe<br />
setzt an vielen Stellen an. Das ist es, was<br />
ROKPA in der Nähe von Harare anbietet:<br />
HIV-Prävention<br />
Zweitägige Kurse mit Folgetrainings im<br />
Monatsabstand räumen mit Mythen,<br />
Missverständnissen und Tabus in<br />
Zusammenhang mit HIV-Infektionen auf,<br />
Verhütungsmethoden werden besprochen.<br />
Die Teilnehmer sollen das Gelernte in ihre<br />
Dörfer und Gemeinschaften weitertragen.<br />
Kurse mit dem Namen „positive living“<br />
sprechen bereits Infizierte an: sie lernen,<br />
über ihr Problem zu sprechen, sich gesund<br />
zu ernähren, sich Hilfe bei verschiedenen<br />
Institutionen zu suchen.<br />
Nahrungssicherung<br />
In drei Tagen lernen Angehörige von behinderten<br />
Kindern oder HIV-Infizierte wie man<br />
ertragbringend biologisch Gemüse auf wenig<br />
Raum anbaut. Anschließend werden die<br />
Teilnehmer bei ihren Anbauversuchen beratend<br />
begleitet. So lernen sie, für sich und<br />
ihre Familien den Speisezettel mit frischem<br />
Gemüse aufzustocken. Bei regelmäßigen<br />
Besuchen vor Ort werden die in der Praxis<br />
vorkommenden Probleme besprochen und<br />
wenn möglich, gelöst. Der Kurs „Gesundes<br />
Leben“ vermittelt an drei Tagen<br />
Grundwissen über Ernährung, die<br />
Verwendung von Kräutern und Gemüse <strong>als</strong><br />
Vitaminspender, die Zubereitung von vitaminreichen<br />
Speisen. Zudem lernen die<br />
Alles wird genau begutachtet.<br />
Ihre Ernte ist so gut ausgefallen, dass sie auch noch<br />
Gemüse verkaufen können an andere Familien.<br />
Die Kursteilnehmer nehmen Setzlinge mit nach Hause.<br />
Gedränge, egal – Hauptsache etwas lernen!<br />
Bei der Maisernte.<br />
10 11
Simbabwe<br />
Mitchell ist am 2. Mai 2001 geboren und<br />
war ein ganz normales Baby. Aber mit<br />
11 Monaten bekam sie hohes Fieber, ihr<br />
Körper wurde ganz steif, sie biss sich auf<br />
die Zähne und ihre Mutter ging mit ihr<br />
ins Krankenhaus. Dort wurde sie behandelt,<br />
sie hatte eine Meningitis. Mitchell,<br />
die sich vorher <strong>als</strong> Baby völlig normal<br />
entwickelt hatte, die krabbeln konnte<br />
und ihre ersten Gehversuche hinter sich<br />
hatte, wurde nie wieder richtig hergestellt.<br />
Als Folge der Hirnhautentzündung<br />
blieb sie in ihrer Entwicklung zurück,<br />
lernte niem<strong>als</strong> mehr das Gehen und Sprechen.<br />
Mitchell braucht einen Rollstuhl,<br />
damit ihr Kopf gestützt werden kann und<br />
sie muss immer wieder neu gewindelt<br />
werden. Doch ihre Mutter möchte das<br />
Mädchen zur Schule schicken, wie die<br />
anderen Kinder.<br />
Hier hilft ROKPA. Helfen Sie uns, für<br />
Kinder wie Mitchell etwas zu tun? Bitte<br />
spenden Sie für „Simbabwe“. Danke!<br />
Die Gassenküche in Nepal<br />
Nepal<br />
Ein Projekt mit vielen Facetten<br />
Mütter finden Hilfe bei ROKPA<br />
Hey, ich habe jetzt einen Rollstuhl<br />
und bin ein Schulkind! Hurra!<br />
Blessing hat jetzt einen Rollstuhl – jetzt kann sie damit<br />
zur Schule fahren!<br />
Bei einem Projekt wie der Gassenküche in<br />
Nepal geht es primär darum, unmittelbare<br />
Not zu lindern. Man gibt Menschen, die<br />
Hunger haben, etwas zu essen. Doch die<br />
Menschen kommen immer wieder, denn<br />
auch der Hunger kommt immer wieder,<br />
denn wir müssen regelmäßig essen, um<br />
am Leben und um gesund zu bleiben.<br />
ROKPA hat im Winter 1990 in Bodhnath<br />
bei Kathmandu eine Gassenküche eröffnet<br />
und seither jährlich für ca. drei Monate<br />
im Winter durchgeführt. Doch die Hilfe<br />
von ROKPA ging weit über das kurzfristige<br />
Stillen des Hungers hinaus. Durch die<br />
Arbeit in der Gassenküche sind das ROKPA-<br />
Kinderhaus und die Nähwerkstatt für<br />
Frauen entstanden. Wer medizinische Hilfe<br />
braucht und zur Gassenküche kommt, wird<br />
ärztlich versorgt und in eine befreundete<br />
Klinik gebracht. Diese zusätzlichen Projekte<br />
wurden ins Leben gerufen, weil wir gesehen<br />
haben, dass Hilfe, wenn sie lange anhalten<br />
soll, über das Geben von Essen hinausgehen<br />
muss.<br />
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Nepal<br />
Portrait<br />
Ein paar Fakten...<br />
Im Winter 2010/2011 war die<br />
Gassenküche an 80 Tagen<br />
in Betrieb. Pro Tag wurden<br />
615 Mahlzeiten ausgegeben<br />
(Frühstück/Mittag- und Abendessen).<br />
In den 80 Tagen wurden<br />
4.950 kg Reis, 520 kg Linsen,<br />
2.480 kg Gemüse, 2.540 kg<br />
Kartoffeln, 45 kg Tee, 12.865<br />
Brötchen, 400 kg Zucker<br />
verbraucht.<br />
Die Lebensmittelpreise sind<br />
extrem gestiegen: Zum Beispiel<br />
der Preis von Linsen ist heute<br />
2,5 Mal so hoch wie im Jahr<br />
2006. Und Reis kostet heute<br />
73 Prozent mehr <strong>als</strong> im Jahr<br />
2006. Die Löhne der Menschen<br />
haben diese Steigerungen<br />
nicht mitgemacht. Deshalb<br />
suchen immer mehr Menschen<br />
Hilfe in der Gassenküche.<br />
Bitte spenden Sie für<br />
„Gassenküche in Nepal“.<br />
Danke im Namen aller<br />
Obdachlosen und Bettler für<br />
Ihre Spende!<br />
Die Nähstube gibt finanzielle Sicherheit<br />
Und inzwischen können wir sehen, dass diese Art von<br />
Hilfe Früchte trägt: die erste Generation der Kinder aus<br />
dem Kinderhaus ist inzwischen selbständig. Sie haben<br />
eine Ausbildung gemacht, sogar studiert, sie haben<br />
Familien gegründet, kleine Geschäfte eröffnet oder<br />
sogar wie Ramhari eine eigene Hilfsorganisation. Sie<br />
sind zu gesunden stabilen Menschen geworden, die,<br />
dankbar für die Hilfe, die sie bekommen haben, ihre<br />
Kraft auch zum Wohle anderer einsetzen wollen.<br />
Ein Beispiel dafür ist die Geschichte von Anju:<br />
Mein Name ist<br />
Anju Nepali.<br />
Ich bin vor zwanzig Jahren in einem Dorf<br />
namens Bhaktapur in Nepal geboren.<br />
Anfangs habe ich bei meinen Großeltern<br />
gelebt, denn meine Eltern haben in Kathmandu<br />
gearbeitet. Ich war noch ganz klein,<br />
<strong>als</strong> ich schon von früh bis spät im Haushalt<br />
arbeiten musste. Meine Eltern kamen<br />
nur an Festtagen zurück ins Dorf. Nach<br />
ein paar Jahren nahmen sie mich zu sich.<br />
Die Familie wurde größer, meine Brüder<br />
kamen auf die Welt. Ich hatte meine Eltern<br />
vorher nicht wirklich gekannt. Leider war ihr<br />
Zusammenleben alles andere <strong>als</strong> harmonisch.<br />
Mein Vater trank viel und er schlug<br />
meine Mutter. Es hat mich sehr geschmerzt,<br />
Anju heute –<br />
Anju früher<br />
das zu sehen, aber was konnte ich schon<br />
tun? Mein Vater trank immer mehr und<br />
kümmerte sich immer weniger ums uns,<br />
seine Familie. Das Schlimmste kam dann,<br />
<strong>als</strong> er eine andere Frau heiratete, weil meine<br />
Mutter taub und stumm ist. Wir lebten dann<br />
alle zusammen in einem kleinen Raum.<br />
Aber das ging nicht gut. Es gab immer<br />
mehr Streitereien und Geschrei. Schließlich<br />
musste meine Mutter klein bei geben und<br />
mit uns weggehen, denn mein Vater hatte<br />
ja schließlich eine neue Frau. Es gab keinen<br />
Ort, wohin wir hätten gehen können und es<br />
gab niemanden, der uns half. Meine Mutter<br />
hatte keine Arbeit, <strong>als</strong>o hatten wir auch kein<br />
Geld, um Essen zu kaufen. Es kam so weit,<br />
dass wir mehrere Tage hintereinander nichts<br />
gegessen hatten, wir hungerten. Zum Glück<br />
kamen wir irgendwie in die Nähe der Stupa<br />
in Bodhnath. Das war dam<strong>als</strong> der Ort, wo<br />
alle Menschen in Not hingehen konnten,<br />
um ihre leeren hungrigen Mägen zu füllen<br />
mit dem Essen, was dort die Menschen aus<br />
dem Westen, die Fremden ausgaben. Also<br />
gingen wir auch dort hin und aßen ein paar<br />
Tage lang in der Gassenküche. Mummy Lea<br />
gab den Menschen, die dringend Hilfe und<br />
Unterstützung brauchten, das was notwendig<br />
war für sie. Eines Tages sprach meine<br />
Mutter mit Mummy Lea in ihrer Zeichensprache<br />
über all ihre Probleme. Mummy<br />
Lea war sehr traurig, <strong>als</strong> sie von unserer<br />
familiären Situation erfuhr. Sie schlug vor,<br />
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Portrait<br />
mich im Kinderhaus bei sich zu behalten,<br />
<strong>als</strong> ihre Tochter und mir alles zu geben, was<br />
ich brauchte. Ich bekam sogar die Chance<br />
in die Schule zu gehen. Und zu alledem<br />
bot sie meiner Mutter eine Arbeit in der<br />
ROKPA-Nähstube an. Jetzt ist meine Mutter<br />
von niemandem mehr abhängig und kann<br />
sich selbst ernähren.<br />
Obwohl ich dam<strong>als</strong> noch so klein war,<br />
erinnere ich mich noch sehr genau an den<br />
glücklichsten Tag in meinem Leben. Da ich<br />
so schmutzig war, hat mich eine meiner<br />
größeren Schwestern im Kinderhaus gebadet.<br />
Danach bekam ich eine warmes Mahl<br />
zum Essen und ein gemütliches Bett zum<br />
Schlafen. Ich erinnere mich an das große<br />
Lächeln auf meinem Gesicht an diesem<br />
Tag. Ich finde, dass ich großes Glück hatte,<br />
denn ich hatte diese wunderbare Chance,<br />
im ROKPA-Kinderhaus aufzuwachsen.<br />
Dort wurde ich mit allem versorgt, was ich<br />
brauchte und vor allem habe ich eine Schulausbildung<br />
bekommen. Dass ich mit 50<br />
Brüdern und Schwestern zusammengelebt<br />
habe, hat mir überhaupt nichts ausgemacht.<br />
Im Gegenteil, ich genieße es, von so vielen<br />
geliebt und umsorgt zu werden und umgekehrt<br />
für die anderen da zu sein.<br />
Jetzt bin ich mit der Schule fertig und<br />
habe angefangen, Sozialarbeit zu studieren,<br />
denn schon <strong>als</strong> ich klein war, wollte ich<br />
mein Glück mit anderen teilen. Ich möchte<br />
Sozialarbeiterin werden und den Armen und<br />
Bedürftigen helfen, denn ich weiß, wie es<br />
sich anfühlt, wenn sich niemand um einen<br />
kümmert.<br />
Eines möchte ich noch sagen: Wenn<br />
Mummy Lea mich nicht wie eine Tochter<br />
aufgenommen hätte, wenn ich nicht ihre<br />
Liebe gespürt hätte, wäre ich heute nicht<br />
die, die ich jetzt bin. Alles was ich durch<br />
sie und auch durch die Spender von ROKPA<br />
bekommen habe, ist mir wichtig und kostbar.<br />
Ich werde es nie vergessen. Und ich<br />
wünsche, dass alle Kinder auf der Welt, die<br />
hilflos, arm und verlassen sind, solche Hilfe<br />
bekommen, wie ich sie bekommen habe!<br />
Ramhari<br />
Ramhari (32), war eines der ersten Straßenkinder,<br />
die Lea Wyler in Nepal in ihre<br />
Obhut nahm. Schon früh begann er, sich<br />
eigenes Geld zu verdienen, um unabhängig<br />
zu werden. Er gründete eine eigene Familie.<br />
Dann arbeitete er für ROKPA in verantwortlichen<br />
Aufgaben rund um das Gästehaus<br />
und das Kinderhaus. Inzwischen ist er<br />
verheiratet und hat eine kleine Tochter. Und<br />
er tritt ganz in die Fußstapfen von „Mummy<br />
Lea“, denn er hat zwei eigene Kinderhäuser<br />
gegründet, wo inzwischen 48 Kinder leben<br />
und 14 Angestellte arbeiten. Darunter zwei<br />
ehemalige ROKPA-Kinder. Die Saat, die<br />
Lea Wyler, die ROKPA gelegt haben, ist<br />
aufgegangen!<br />
Ramhari im Jahr 1993. Noch sieht man ihm an,<br />
wie schwer er es hatte, bevor er zu ROKPA kam.<br />
„Mummy Lea“ Wyler mit Kindern des Kinderhauses<br />
Heute strahlt Ramhari Freude und Zuversicht aus.<br />
Ramhari mit seiner Tochter<br />
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