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COO Insights zum Thema Geschäftsmodelle - Roland Berger

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ROLAND BERGER Strategy CONSULTANTS<br />

<strong>COO</strong> INSIGHTS<br />

BUSINESS<br />

DEZEMBER 2011<br />

"Wir erfinden<br />

das Flugzeug<br />

neu", sagt<br />

der Airbus-<br />

Manager,<br />

Günter Butschek.<br />

Megatrends<br />

und die neue<br />

Macht der<br />

Kunden stellen<br />

nicht nur dieses<br />

Geschäftsmodell<br />

auf den Kopf.


2030<br />

1.<br />

DemograFie<br />

➔ Die Weltbevölkerung wächst auf über 8 Mrd.<br />

➔ Sie wird im Schnitt um 5 Jahre älter<br />

➔ Urbanisierung nimmt weiter zu<br />

SIEBEN MEGATRENDS<br />

prägen die zukünftige Entwicklung<br />

unserer Welt<br />

2. ➔ Das BIP der sog. "Next Eleven" wächst jährlich um knapp 6%<br />

3.<br />

Knappheit von Ressourcen<br />

➔ Der Verbrauch von Primärenergie wird sich weltweit um 26% erhöhen<br />

➔ Die weltweite Nachfrage nach Wasser steigt um 53%<br />

➔ Der tägliche Verbrauch von Nahrungsmitteln steigt um 27%<br />

4.<br />

Klimawandel<br />

➔ Bis 2030 wird der CO 2 Ausstoß um 16% auf 35.053 Megatonnen zunehmen<br />

➔ Die durchschnittliche globale Temperatur wird um 0.5-1.5°C ansteigen<br />

➔ Artenvielfalt wird sich von derzeit 70% ihres ursprünglichen Vorkommens<br />

➔ auf 65% reduzieren<br />

5.<br />

Technologien und Innovation<br />

➔ Die Zahl der Nutzer, die das Internet nur noch mobil nutzen, steigt um 34%<br />

➔ 60% der Weltbevölkerung wird bis 2030 auf diese Weise vernetzt sein<br />

➔ Die Nachfrage nach Medizintechnik steigt überproportional auf 300 Mrd. USD jährlich<br />

6.<br />

Globale Wissensgesellschaft<br />

➔ Die Bedeutung von Wissensnetzwerken nimmt weiter zu<br />

➔ Der Anteil von Frauen in der Arbeitswelt steigt erheblich<br />

➔ Der "Krieg um die besten Köpfe" wird härter<br />

7.<br />

Globale Verantwortung<br />

➔ Der Einfluss von NGO bleibt bedeutsam, aber ihre Zahl steigt nicht mehr so rasant<br />

➔ Staaten werden verstärkt kooperieren und gemeinsam Verantwortung übernehmen<br />

➔ Die Spendenbereitschaft bleibt hoch, aber Form und Richtung ändern sich<br />

Globalisierung und Zukunftsmärkte<br />

➔ Der Export wächst global um 5,3%, das BIP nur um 4%<br />

➔ Die Mittelschicht in Zukunftsmärkten wächst um 150% auf insgesamt 2 Mrd. Menschen<br />

http://www.rolandberger.com/gallery/trend-compendium/tc2030/


Umwelt, Ressourcenknappheit, Urbanisierung<br />

und Demografie sind globale<br />

Trends. Sie verändern die Geschäftsmodelle<br />

angestammter Industrien rapi-<br />

Why<br />

de und manchmal rüde. Nie zuvor waren<br />

Es sollte nur ein weiterer Flieger<br />

werden, doch es wird ein ganz neuer: Die<br />

A350 von Airbus, ursprünglich als Weiterentwicklung<br />

der A330 ins Rennen gegen<br />

Boeings Dreamliner geschickt, sieht aus<br />

wie ein Flugzeug, hört sich an wie ein<br />

Flugzeug, riecht nach Flugzeug. Und doch<br />

ist alles anders. Gut die Hälfte besteht nicht<br />

mehr aus Metall, sondern aus Faserverbundstoffen,<br />

der Rumpf sogar zu 90 Prozent.<br />

Was sich dahinter verbirgt, so Airbus-Vorstand<br />

Günter Butschek im Interview mit<br />

"think:act BUSINESS", ist schlichtweg<br />

eine Revolution: "Wir erfinden das <strong>Thema</strong><br />

Luftfahrt neu" (Seite 14). Günter Butschek<br />

weiß, wovon er redet. Er kommt aus der<br />

Automobilindustrie. Die läutet, 125 Jahre<br />

nach ihrer Geburtsstunde, gerade ein<br />

neues Zeitalter ein. Fahren mit Strom statt<br />

Sprit, völlig neue Spieler auf Zuliefererwie<br />

auf Herstellerseite und der Betrieb<br />

von Car-Sharing-Flotten als neues Geschäftsfeld<br />

sind nur der Anfang: Mobilität, gleich in<br />

welcher Form, und sei es zu Fuß. Ein über<br />

100-jähriges Geschäftsmodell steht auf dem<br />

Prüfstand wie nie zuvor ... Ausgang offen.<br />

Unternehmen so in Aufruhr. Nichts hat<br />

Bestand: Nokia, einst Gummistiefeln<br />

verschrieben, dann der Ausrüster der<br />

modernen Informationsgesellschaft,<br />

war gestern. Heute ist Apple. Und morgen<br />

ist – wer? Schicksal? Keineswegs. Veränderung<br />

ist planbar, machbar. Während<br />

die einen den Niedergang der Zeitungen<br />

beweinen, macht die "New York Times"<br />

E-Abos profitabel. Kaffee als Innovationsobjekt<br />

hat etwa die Faszination von<br />

Streichhölzern. Kann man damit Geld verdienen?<br />

Und ob! Nespresso-Trinker von<br />

Nestlé zahlen umgerechnet 80 Euro für<br />

das Kilo Bohnen. George Clooney sei´s<br />

gedankt, vielleicht. Auf jeden Fall aber dem<br />

innovativen Geschäftsmodell von Nestlé.<br />

Die Gedanken sind frei, neu sind sie nicht.<br />

Die Kraft der schöpferischen Zerstörung<br />

hat schon Joseph Alois Schumpeter, gestorben<br />

1950, beschworen. Nie war er<br />

lebendiger als heute. Innovative Geschäftsmodelle<br />

lassen grüßen – in jeder Branche.<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!<br />

Axel Schmidt<br />

Global Head of Operations Strategy<br />

think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 3<br />

Why<br />

Editorial<br />

Thought Leadership<br />

"Supermacht" Kunde. Wie Kunden<br />

zu Unternehmensstrategen werden<br />

How<br />

Praxis<br />

"Wir erfinden das Flugzeug neu" –<br />

Airbus Manager Günter Butschek im<br />

Gespräch mit <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Automobilindustrie<br />

Intelligenz auf Rädern – Vom<br />

Einstieg in eine neue Mobilitätskultur<br />

Medienindustrie<br />

Überleben Zeitungen das Internet?<br />

Cloud Economy<br />

Die Datenrevolution verändert<br />

die IT-Branche<br />

Who<br />

7 Fragen an<br />

Cédric Ochsner, <strong>COO</strong> von Chocolat Frey AG<br />

What<br />

Mergers & Acquisitions<br />

Erfolgreiches PMI-Management<br />

Einkauf<br />

Gestärkt aus der Krise<br />

Energieeffizienz<br />

Chancen durch steigende Strompreise<br />

Automobilzulieferer<br />

Aktuell im starken Zwischenhoch<br />

Kiosk<br />

think:act BUSINESS<br />

<strong>COO</strong> <strong>Insights</strong><br />

3<br />

4<br />

12<br />

20<br />

24<br />

28<br />

32<br />

36<br />

36<br />

37<br />

38<br />

39<br />

Herausgeber: Axel Schmidt<br />

Gesamtverantwortung: Dr. Michael Zollenkop<br />

Projektmanagement: Dr. Katherine Nölling<br />

Layout: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> DesignTeam<br />

Bestellung: Sie können dieses Magazin als pdf in Deutsch und Englisch bestellen unter:<br />

<strong>COO</strong>_<strong>Insights</strong>@rolandberger.com<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Expertenteam:<br />

Marcus Berret, Christian Böhler, Ralph Büchele,<br />

Robert Grimm, Prof. Torsten Henzelmann,<br />

Oliver Knapp, Dr. Christian Krys, Dr. Thomas<br />

Kwasniok, Jörg Lederbauer, Switbert Miczka,<br />

Felix Mogge, Robert Ohmayer, Thomas Rinn,<br />

Axel Schmidt, <strong>Roland</strong> Schwientek, Christian<br />

Steinbach, Dr. Michael Zollenkop


Why<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Die neue Art:<br />

Wie sich Industrien<br />

neu erfinden


BusinesS Geschäftsmodelle 5<br />

Marktforschung war gestern. Im Zeitalter von Facebook und Twitter<br />

sind Social Communities das neue Machtinstrument der Konsumenten.<br />

Jahrzehnte daran gewöhnt, Produkte mit teils hohen Incentives in die Märkte<br />

zu drücken oder gönnerhaft zu verteilen, sehen sich Unternehmen einer<br />

neuen Supermacht gegenüber: dem globalisierten, individualisierten, omnipräsenten<br />

Kunden, der innerhalb von Sekunden Kaufentscheidungen und<br />

Produktentwicklungen beeinflussen kann.<br />

Nicht nur die gewaltigen Netzwerke mit Millionen von Nutzern in aller<br />

Welt verändern das Kräftespiel zwischen Herstellern und Abnehmern<br />

radikal. Auch der aufkommende Wohlstand<br />

in großen Schwellenländern mit neuen Anforderungen<br />

an Waren, der demografische Wandel in den entwickelten<br />

Industriestaaten sowie die Durchdringung von Technologien<br />

und Innovationen beschleunigen den Richtungswechsel.<br />

Was können Unternehmen tun, um von der Bewegung zu profitieren?


g Why<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

„<br />

Supermacht<br />

Kunde<br />

“<br />

Wie Kunden zu Unternehmensstrategen werden<br />

und ganzen Branchen die Geschäftsmodelle der<br />

Zukunft diktieren<br />

Vorbei die Zeiten, in denen Kunden<br />

Produkte vorgesetzt wurden, die von<br />

Entwicklungsabteilungen kreiert und der<br />

Vertriebs- und Marketingabteilung übergeben<br />

wurden, um sie buchstäblich in den<br />

Markt zu drücken – die Zeiten, in denen der<br />

entscheidende Erfolgsfaktor darin zu bestehen<br />

schien, den Kunden zu umwerben, zu<br />

hofieren oder zu bezirzen.<br />

Vorbei die Zeiten, in denen Unternehmen<br />

sich auf die Marktforschung verlassen<br />

konnten, den Kunden zu verstehen, das<br />

Verstandene an die Entwicklungsabteilung<br />

zu kommunizieren und in marktreife<br />

Produkte umsetzen zu lassen.<br />

Vorbei auch die Zeiten, in denen es ausreichte,<br />

B2B- oder B2C-Kunden frühzeitig<br />

in die Produktentwicklung einzubeziehen,<br />

in großem Stil Produkttests auszusetzen<br />

oder zu Co-Entwicklern umzufunktionieren.<br />

Kundenintegration galt dabei als das non<br />

plus ultra erfolgreicher Produktentwicklung<br />

und das exakte Verständnis von Kundenbedürfnissen<br />

und deren Evolution im Laufe<br />

der Zeit als Erfolgsfaktor<br />

der Neuproduktentwicklung<br />

– die Zeiten,<br />

in denen gerne auch vom<br />

"Kunden als König" die Rede<br />

war und Unternehmen sich<br />

gegenseitig im Ausmaß an Kundenorientierung<br />

zu übertrumpfen versuchten.<br />

All das reicht nicht mehr – die Zeiten haben<br />

sich geändert. Nie war die Transparenz des<br />

Kunden gegenüber dem weltweiten Produktangebot<br />

und seinen Leistungs- und Preisunterschieden<br />

so groß wie heute. Nie waren Kundenbedürfnisse<br />

so stark an einer flexiblen Problemlösung<br />

statt an physischen Produkten mit fixen


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 7<br />

Leistungseigenschaften orientiert. Nie war<br />

aber auch die Transparenz von Kunden<br />

gegenüber den Geschäftsmodellen der Unternehmen,<br />

ihren Kompetenzen und Prinzipien<br />

sowie ihren Produktionsnetzwerken und Erlösmodellen<br />

so umfassend wie heute. Und nie<br />

zuvor waren die Kunden untereinander so vernetzt<br />

und auf Austausch bedacht wie zu Zeiten<br />

sozialer Netzwerke, Kunden-Communities<br />

und Mund-zu-Mund Propaganda – kritische<br />

Meinungen verbreiten sich rasend schnell in<br />

entsprechenden Communities Internet- und<br />

Social Media-affiner Käuferschichten – und<br />

via Sekundärberichterstattung in klassischen<br />

Offline-Medien bis hin zu jedweder Onlineunverdächtiger<br />

Kundengruppe.<br />

Damit einher gehen zwangsläufig ausdifferenziertere<br />

Kundenwünsche als je zuvor – kundengruppenbezogene<br />

Nischen differenzieren<br />

sich an der Schnittstelle dessen, was einerseits<br />

am Markt verfügbar ist und andererseits<br />

auf Grund der Transparenz<br />

gefordert wird. Nachhaltigkeit und<br />

Social Responsibility, kundenindividuell<br />

angepasste Leistungspakete,<br />

die richtige Mischung<br />

aus Funktionalität, Design und<br />

Emotionalität im Produkt<br />

– nie war die Palette an<br />

Forderungen seitens der<br />

Kunden so lang wie heute.<br />

Willkommen im Zeitalter<br />

der "Supermacht"<br />

Kunde.<br />

Hinter dieser<br />

Entwicklung<br />

steht eine<br />

grundlegende<br />

Veränderung von Kundenbedürfnissen,<br />

Nutzungsgewohnheiten,<br />

Informationsverfügbarkeit<br />

und finanziellen Gegebenheiten,<br />

getrieben durch eine Reihe globaler<br />

Mega-Trends, also langfristiger Entwicklungen,<br />

die sich massiv und in der Regel weltweit auf<br />

Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt auswirken.<br />

Zusammengenommen führen sie ganz<br />

wesentlich zu dieser Machtverschiebung in<br />

Richtung Kunde, im Geschäfts- wie Privatkundenbereich,<br />

in der B2B- wie in der B2C-Welt.<br />

... Willkommen im Zeitalter der "Supermacht" Kunde.<br />

Hinter dieser Entwicklung steht eine grundlegendeVeränderung<br />

von Kundenbedürfnissen,<br />

Nutzungsgewohnheiten, Informationsverfügbarkeit<br />

und finanziellen Gegebenheiten.<br />

1<br />

Die Globalisierung als ein solcher Mega-<br />

Trend zeichnet sich u.a. an den enormen<br />

Wirtschaftswachstumsraten zahlreicher<br />

Schwellenländer und den in punkto Bevölkerungszahl<br />

und Wohlstand sich rapide entwickelnden<br />

Mittelschichten ab – allein in den<br />

BRIC-Staaten wird die Mittelschicht bis 2030<br />

um 150% auf etwa 2 Mrd. und in den sogenannten<br />

Next 11-Staaten auf rund 730 Mio.<br />

Menschen anwachsen.<br />

Unternehmen stellt dieses Potenzial zusätzlicher<br />

Kundenschichten im B2B- wie im B2C-<br />

Bereich vor enorme Herausforderungen:<br />

Im B2B-Geschäft mit Schwellenländern<br />

können westliche Hersteller traditionell nur<br />

eingeschränkt mit ihren auf Industrieländer<br />

ausgelegten Investitionsgütern reüssieren –<br />

zu teuer, zu überspezifiziert und zu wenig<br />

an regionale Bedürfnisse, Einsatzbedingungen<br />

oder Gewohnheiten angepasst ist das Standard-Produktportfolio<br />

typischerweise. Untersuchungen<br />

haben ergeben, dass Maschinenbau-Kunden<br />

in Industrieländern zu rund 70%<br />

auch mindestens 70% der Funktionen einer<br />

Standardmaschine im Routinebetrieb nutzen.<br />

In China hat dagegen nur rund ein Drittel der<br />

Kunden Verwendung für 70% oder mehr der<br />

standardmäßig einer Maschine inhärenten<br />

Funktionalität. Darüber hinaus differieren die<br />

gewünschten bzw. erforderlichen Funktionalitäten<br />

mitunter erheblich vom Standard westeuropäischer<br />

Prägung. Beispiel Medizintechnik:<br />

Für Radiologen in Schwellenländern wie<br />

Indien spielen bei der Anschaffung eines<br />

Röntgengeräts neben dem Preis besonders<br />

Unempfindlichkeit gegen Schmutz, Luftfeuchtigkeit<br />

oder Spannungsschwankungen im<br />

Stromnetz eine Rolle. Dafür reicht als technischer<br />

Anspruch, dass die Röntgenaufnahme<br />

manuell in der Dunkelkammer entwickelt<br />

werden muss anstatt innerhalb des Gerätes<br />

fertiggestellt zu werden; für Indikationen<br />

wie Knochenbrüche oder Tuberkulose, dem<br />

Gros des Bedarfs indischer Radiologen, ist<br />

ein solches Gerät der Quantensprung in der<br />

Diagnostik.<br />

Analog verhält es sich im B2C-Bereich, in dem<br />

der 2010 verstorbene indisch-amerikanische<br />

Management-Guru C.K. Prahalad den Begriff<br />

"bottom of the pyramid" prägte: Käufer am<br />

unteren Ende der Einkommenspyramide erwarten<br />

zeitgemäße Produkte von Markenanbietern,<br />

jedoch im Rahmen ihrer limitierten<br />

Zahlungsfähigkeit oder Zahlungsbereitschaft.<br />

Erfolgversprechende Produkte müssen darüber<br />

hinaus lokale Nutzungsgewohnheiten<br />

berücksichtigen sowie auf Grund des erforderlichen<br />

Schulungsbedarfs der potenziellen<br />

Erstnutzer entsprechende Handhabungshinweise<br />

<strong>zum</strong> Produkt dazu liefern.<br />

Für westliche Produzenten bildet diese ungewohnte<br />

Bedürfnisstruktur oder sogar Anspruchshaltung<br />

der "bottom-of-the-pyramid"<br />

-Klientel eine spezielle Herausforderung.<br />

Während es in früheren Phasen der Globalisierung<br />

üblich war, zunächst in Europa gefertigte<br />

Güter zu exportieren und später


g Why<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

lokal auch jenseits der Triade in Schwellenländern<br />

zu fertigen, so bedeutet diese neueste<br />

Stufe der Globalisierung: Produkte werden<br />

maßgeblich auch in den Schwellenländern<br />

entwickelt und getestet – nur dann<br />

kann es gelingen, regionale Produktanforderungen<br />

oder kulturelle Spezifika im Produkteinsatz<br />

zu berücksichtigen und das Produkt<br />

nicht am Markt vorbei zu entwickeln.<br />

2<br />

Der demografische Wandel in Form von<br />

Urbanisierung und Alterung der Gesellschaft<br />

verändert ganze Industrien. Beispiel Automobil:<br />

Mehr und mehr leidet die Lebensqualität<br />

in Großstädten weltweit unter der massiven<br />

Zunahme des Verkehrsaufkommen,<br />

gleichzeitig nimmt die Bedeutung des Auto<br />

als Statussymbl, vor allem bei jüngeren Menschen<br />

ab. Konsumelektronik etwa hat einen<br />

höheren Stellenwert. Gebrauch statt Besitz<br />

lautet das Motto, und Hersteller reagieren –<br />

mit großflächigen Carsharing-Angeboten.<br />

Nie war die "Generation 60+" so aktiv wie aktuell<br />

– ältere Menschen nehmen heute erheblich<br />

intensiver am gesellschaftlichen Leben teil,<br />

bleiben länger mobil und möchten erheblich<br />

länger in den eigenen vier Wänden alt werden.<br />

Und: Noch nie lag ein derart hoher Teil der<br />

gesellschaftlichen Kaufkraft in den Händen<br />

dieser Altersgruppe. Bis 2035 wird zudem ein<br />

Drittel der deutschen Bevölkerung älter als<br />

60 Jahre sein. Für Unternehmen ist es nicht<br />

mehr damit getan, altersgerechte Geräte<br />

mit einfacherer Bedienung, größeren Tasten<br />

oder Schriften bereitzustellen. Unternehmen<br />

müssen sich auf die neue Lebenswirklichkeit<br />

"junger Alter" neu einstellen.<br />

Wer hat´s erfunden?<br />

Rangfolge der Ideengeber für Geschäftsmodellinnovationen in einem Unternehmen<br />

Mitarbeitende<br />

Kunden<br />

Geschäftspartner<br />

Wettbewerber/Konkurrenz<br />

Eigene Service-/Aussendienstmitarbeitende<br />

Wissenschaft/Forschung<br />

Konferenzen<br />

Messen und Ausstellungen<br />

Industrieverbände<br />

5er-Skala von komplett unwichtig bis sehr wichtig (n = 24)<br />

Stichwort "Ambient Assisted Living (AAL)":<br />

Dieser als "umgebungsunterstütztes Leben"<br />

übersetzbare Trend umfasst Konzepte, technologische<br />

Lösungen und Dienstleistungen,<br />

um das Alltagsleben der älteren Generation<br />

auch in Krankheit oder Gebrechlichkeit in<br />

größtmöglicher Selbstversorgung situationsgerecht<br />

zu unterstützen. Dabei sind diese<br />

Technologien in den Lebensraum der jeweiligen<br />

Personen integriert – etwa als elektronische<br />

Gesundheitsüberwachungsfunktion<br />

in der Bekleidung, als Sicherheitskomponente<br />

in Haushaltsgeräten oder in Form eines<br />

automatischen Hausnotrufsignals im<br />

Falle eines Schwächeanfalls. Unternehmen<br />

müssen also derartige Funktionalitäten von<br />

Vernetzung und pseudointelligentem Verhalten<br />

in ihre Produktpalette – vom Küchenherd<br />

bis hin <strong>zum</strong> sensordurchsetzten Fußbodenbelag<br />

– integrieren, was bei den betroffenen<br />

Herstellern Kompetenzaufbau oder<br />

Wertschöpfungsveränderungen teils in erheblichem<br />

Umfang nach sich zieht. Auf den<br />

Punkt gebracht: Statt eines einmalig verkauften<br />

Produktes werden langfristige Lösungen<br />

angeboten. Entsprechend sind anders qualifiziertes<br />

Personal, aber auch ein angepasstes<br />

Erlösmodell für die entsprechenden Lösungen<br />

erforderlich – von der Flat-Rate bis hin zur<br />

differenzierten Abrechnung.<br />

3<br />

Die Durchdringung von Technologien<br />

und Innovationen als dritter wichtiger Mega-<br />

Trend zeichnet sich heute durch Beschleunigung,<br />

Konvergenz und Ubiquität aus, wie sich<br />

an Beispielen von Digitalisierungstechnik bis<br />

hin zu auf Nachhaltigkeit fokussierte Innovationen<br />

zeigt: Technologien werden schneller<br />

übernommen, Innovationszyklen verkürzen<br />

sich und die Relevanz zusätzlicher Technologien<br />

in ehemals davon unberührten Branchen<br />

steigt. Darüber hinaus verbreiten sich<br />

Innovationen und damit Technologien heute<br />

nicht mehr wie im sogenannten "Wasserfallmodell"<br />

sequenziell, sondern in allen relevanten<br />

Märkten weitgehend simultan ("Sprinklermodell").<br />

Der technologische Abstand von<br />

Schwellen- und Entwicklungsländern zu Industrieländern<br />

schrumpft. Bei prinzipiellen<br />

Technologiewechseln gelingt es mitunter<br />

Unternehmen aus gänzlich anderen Branchen<br />

und Hemisphären, in die Phalanx etablierter<br />

Anbieter einzubrechen.<br />

2.8<br />

2,7<br />

2,5<br />

2,4<br />

2,0<br />

H<br />

1,9<br />

inter diesen Trends stehen<br />

signifikante Veränderungen auf<br />

1,6<br />

Kundenseite – Geschäfts- wie<br />

1,5<br />

Privatkunden, bestehenden und<br />

1,4 potenziellen neuen Kunden, Kunden in<br />

hochentwickelten wie in sich entwickelnden<br />

Ländern. Und in vielen Fällen eine


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 9<br />

Von den Profis lernen –<br />

Erfolgreiche Geschäftsmodelle sind auch<br />

auf andere Branchen übertragbar<br />

Manche Geschäftsmodelle sind auf einzelne Unternehmen zugeschnitten,<br />

andere gelten für ganze Industrien, wiederum andere<br />

gehen über Branchengrenzen hinweg. Für alle gilt: Motoren der<br />

Entwicklung sind Anforderungen und Wünsche von Kunden.<br />

Low-cost Geschäftsmodelle: Kunden möchten für<br />

wenig Geld ihre Wünsche erfüllen, verzichten dafür aber gerne auf<br />

aus ihrer Sicht unnötigen Komfort? Low-cost Geschäftsmodelle<br />

haben die potenzielle Teilhabe aller Kundenschichten<br />

<strong>zum</strong> Prinzip erhoben. Gestartet<br />

in Branchen wie Lebensmitteleinzelhandel<br />

oder Fluglinien haben Billig-Geschäftsmodelle<br />

mittlerweile zahlreiche Branchen durchdrungen<br />

– bis hin zur Kreuzfahrtindustrie.<br />

Fraktionalisierung: Geschäfts- oder Privatkunden möchten oder<br />

können kein komplettes Regionalflugzeug erwerben? Kein Problem –<br />

Flugzeughersteller wie NetJets verkaufen ihre Jets<br />

auch an eine Gruppe von Kunden, die den Jet dann<br />

gemeinsam besitzen. Für den Hersteller eines solchen<br />

Investitionsgutes bedeutet das, gänzlich<br />

neue Kompetenzen im Umgang mit Kunden<br />

aufzubauen, vielfach aber auch im Betrieb<br />

oder <strong>zum</strong>indest in punkto Verwaltung<br />

und Disposition seines Produkts.<br />

Produkt als Dienstleistung: Geschäftskunden möchten<br />

Lösungen oder Zwischenprodukte statt Investitionsgüter kaufen?<br />

Egal ob Kompressionsleistung statt Kompressoren, die Verfügbarkeit<br />

anstelle des Besitz an Werkzeugen oder Softwareleistung<br />

"on demand" statt Investition in Software<br />

(Software as a Service, SaaS) – der Kunde<br />

trägt weder Einsatz- noch Ausfallrisiko und<br />

profitiert von Kostenflexibilität bis hin <strong>zum</strong><br />

Betrieb des Produkts über die gesamte<br />

Lebensdauer durch seinen Hersteller.<br />

Freemium ("Free" und "Premium"): Verbraucher sind<br />

an die Gratiskultur im Internet gewöhnt? Unternehmen haben<br />

sich darauf eingestellt – mit kostenlosen Basisleistungen,<br />

die durch kostenpflichtige Premiumdienste<br />

subventioniert werden. Digitaler Content<br />

im Internet von Mailservices über Suchmaschinen<br />

und Kontaktplattformen bis zu<br />

Medienkonsum jeglicher Art – im Netz der<br />

ungeahnten Möglichkeiten lässt es sich<br />

"Supermacht Kunde" gut gehen.<br />

Symbol folgt<br />

Crowdsourcing: Kunden wollen zur Wertschöpfung beitragen<br />

und im Gegenzug die Beiträge anderer User konsumieren?<br />

Von solchen Kunden-Communities und entsprechender Auslagerung<br />

der Wertschöpfung profitieren Unternehmen von Wikipedia<br />

bis YouTube – finanziert durch Werbung,<br />

Spenden oder andere<br />

Erlösquellen.<br />

Machtverschiebung von Herstellern zu<br />

Kunden. Der Schlüssel liegt dabei entweder<br />

in neu aufkommenden Kundenbedürfnissen<br />

oder bislang schlecht oder nicht gedeckten<br />

bestehenden Bedürfnissen mit Potenzial<br />

zu einem Massenmarkt – und darin, den<br />

Kunden ein entsprechend verändertes oder<br />

zusätzliches Nutzenversprechen anzubieten.<br />

Wer als Hersteller diese Zusammenhänge<br />

erkennt und richtig interpretiert, hat im<br />

Zeitalter der "Supermacht Kunde" einen klaren<br />

Wettbewerbsvorteil.<br />

Der Harvard-Professor und Bestsellerautor<br />

Clayton Christensen ("The Innovator‘s Dilemma")<br />

hat für eine derartige Orientierung den<br />

Begriff "Disruptive Innovation" geprägt:<br />

Bewusste Fokussierung der Produktentwicklung<br />

auf nicht oder nur unzureichend<br />

abgedeckte Kundenbedürfnisse und dabei<br />

insbesondere auf potenzielle Kunden, die<br />

mangels eines adäquaten Angebots bislang<br />

gar nicht zu Kunden geworden sind. Zentrales<br />

Merkmal der disruptiven Innovation:<br />

Sie ist vorhandenen Standard-Lösungen<br />

Hinter diesen Trends<br />

stehen signifikante<br />

Veränderungen auf<br />

Kundenseite – Geschäftswie<br />

Privatkunden,<br />

bestehende und potenzielle<br />

neue Kunden, in hochentwickelten<br />

wie in sich<br />

entwickelnden Ländern.


g Why<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

prognose reichen und wie stark sie auf das<br />

Gesamtbild abheben muss. Solche Trends<br />

kündigen sich, lange bevor sie wettbewerbsrelevant<br />

werden, als "weak signals" (schwache<br />

Signale) an. Das fand Igor Ansoff, Mitbegründer<br />

des strategischen Managements,<br />

bereits in den 1970er Jahren heraus. Heute<br />

versteht man darunter Signale, die zunächst<br />

von wenigen Stakeholdern für relevant gehalten<br />

werden, die viele Befragte bei näherer<br />

Betrachtung dann aber als unsicher<br />

oder hochrelevant einstufen. Ein Instrument<br />

zur schnellen Identifizierung solcher<br />

Veränderungen im Unternehmensumfeld<br />

stellt das 360°-Stakeholder-Feedback dar,<br />

das <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants in<br />

Kooperation mit der Handelshochschule<br />

Leipzig (HHL) entwickelt hat. Ziel ist es, im<br />

Im Online-Befragungstool des<br />

360 Grad Stakeholder werden<br />

interne und externe Perspektiven<br />

verglichen<br />

Wer treibt´s voran?<br />

Externe und interne Impulsgeber für Innovationen<br />

Innovationstreiber<br />

Extern<br />

Technologische Entwicklungen<br />

Gesamtwirtschaftliche Entwicklung<br />

Globalisierung des Wettbewerbs<br />

Ökologische Entwicklungen<br />

1.24<br />

0.60<br />

0.56<br />

0.56<br />

Bi-polare 5er-Skala [-2,+2] von starkes Hemmnis bis starker Treiber (n = 24<br />

zunächst unterlegen und wird deshalb nicht<br />

als konkurrenzfähig angesehen – bedient<br />

dann aber aufgrund einer rasanten Entwicklung<br />

die Kundenbedürfnisse besser. "Disruptive<br />

Innovations" sind damit der Gegenpol<br />

zu "Sustaining Innovations", bei denen die<br />

Weiterentwicklung von Standard-Nutzenkategorien<br />

oder -Funktionalitäten im Mittelpunkt<br />

steht.<br />

Um in diesem Spannungsfeld nicht<br />

nur rechtzeitig reagieren, sondern im<br />

Idealfall proaktiv agieren zu können,<br />

müssen sich Unternehmen eingehend<br />

mit der Bedürfnisstruktur bestehender<br />

Kunden wie auch Nicht-Kunden befassen. Sie<br />

müssen verstehen, welche typischen Bedürfnishierarchien<br />

in unterschiedlichen Kundensegmenten<br />

auftreten – und wie die entsprechenden<br />

Zahlungsbereitschaften ausgeprägt<br />

sind. Und sie müssen lernen, welches<br />

die Treiber hinter Veränderungen der Kundenwünsche<br />

und -bedürfnisse sind. Und das<br />

alles nicht nur im Rahmen der aktuellen Lebenswirklichkeit<br />

des Kunden und im aktuellen<br />

Verwendungszusammenhang des Produkts,<br />

sondern vor allem in der potenziell zukünftigen<br />

Welt des Kunden – in drei, fünf oder zehn<br />

Jahren. Die Länge der Innovationszyklen bestimmt,<br />

wie weit in die Zukunft die Trend-<br />

Intern<br />

Unternehmenskultur<br />

Informations- und Wissensstand<br />

Fähigkeiten und Kompetenzen<br />

der Mitarbeitenden<br />

Kombination von Ressourcen<br />

0,52<br />

0.44<br />

0,40<br />

0,36<br />

Rahmen der strategischen Frühaufklärung<br />

neben schwachen Signalen auch sogenannte<br />

"blind spots" zu identifizieren. Damit bezeichnete<br />

der Management-Guru Michael Porter<br />

Einflussfaktoren, die Unternehmen wegen<br />

ihrer starken Binnensicht übersehen. Wir<br />

sprechen in diesem Zusammenhang von<br />

"blinden Flecken", wenn die externe Bewertung<br />

schwacher Signale einen stärkeren Einfluss<br />

oder eine höhere Unsicherheit ergibt als die<br />

Bewertung durch die unternehmensinternen<br />

Stakeholder.<br />

Dazu beschreiben Experten detailliert das<br />

aktuelle Geschäftsmodell sowie alternative<br />

Geschäftsmodelle, etwa von Wettbewerbern,<br />

und bewerten deren Zukunftsfähigkeit.<br />

Dynamisch macht die Betrachtung dann das<br />

erwähnte 360°-Stakeholder-Feedback. Die<br />

wichtige und schwierige Aufgabe besteht in<br />

diesem Schritt nicht darin, richtige Antworten<br />

zu finden, sondern die richtigen Fragen zu<br />

stellen. Das Ziel ist, Transparenz zu schaffen:<br />

im Hinblick auf Wirkmechanismen der betrachteten<br />

Geschäftsmodelle, auf abgedeckte<br />

Marktsegmente, auf adressierten Kundennutzen<br />

und viele zusätzliche Aspekte<br />

im Wettbewerbsvergleich. Lassen sich<br />

dann Wettbewerbsnachteile oder künftige<br />

Einflussfaktoren erkennen, sollte das<br />

Geschäftsmodell neu justiert werden.<br />

Oft hilft auch ein Blick auf andere<br />

Branchen – sowohl in punkto Identifikation<br />

zukünftiger Trends als auch im<br />

Hinblick auf mögliche Lösungsansätze<br />

im Umgang mit solchen zukünftigen<br />

Kundenbedürfnissen.<br />

Airbus geht genau diesen Weg, wie Airbus-<br />

Vorstand Günter Butschek berichtet:<br />

Modularisierung der Produktstruktur, Tests<br />

alternativer Materialien und Kraftstoffe<br />

in Zusammenarbeit mit Großkunden,


think: act BUSiNESS Geschäftsmodelle 11<br />

Zusammenstellen vordefinierter Standardkonfigurationen<br />

an Flugzeugen oder Systempartnerschaften<br />

mit Schlüssellieferanten.<br />

Ob auf Lieferanten- oder Kundenseite, ob in<br />

Produktion, Supply Chain Management oder<br />

Vertrieb: Was airbus vorhat, ist nicht weniger<br />

als die Übertragung wesentlicher Elemente<br />

des geschäftsmodells der automobil- auf<br />

die Flugzeugindustrie. Und das ganze mit<br />

dem Ziel der Industrialisierung von abläufen,<br />

der Bewältigung der sprunghaft steigenden<br />

Komplexität und dem Schritthalten des<br />

geschäftsmodells mit den enormen absatzund<br />

Wachstumszielen.<br />

Zurück <strong>zum</strong> Beispiel des Medizintechnik-<br />

Herstellers, der röntgengeräte in Schwellenländern<br />

an den Mann bringen will. Die Entwicklungsabteilung<br />

dieses Herstellers<br />

muss zunächst die rahmenbedingungen<br />

wie gewünschte, benötigte oder technisch<br />

erforderliche Funktionalitäten in Erfahrung<br />

bringen. gegenüber bestehendem Wissen<br />

und routinen bedeutet dies einen zusätzlich<br />

erforderlichen Know-how-aufbau von u.U.<br />

signifikantem Umfang, während zahlreiche<br />

bestehende technologische, prozessuale<br />

Was will der kunde wirklich? Welche trends kennzeichnen den<br />

verbrauchermarkt in Zukunft? Und wie stellen sich Unternehmen<br />

am besten und am schnellsten auf veränderungen ein?<br />

Ein Frühwarnsystem hilft, rechtzeitig auf Signale zu reagieren.<br />

• Welche sich abzeichnenden Frühwarninformationen bzgl. zukünftiger Kundentrends<br />

wirken sich potenziell auf das bestehende geschäftsmodell aus?<br />

• Wie dynamisch entwickeln sich diese Trends?<br />

• An welchen Stellen oder Schnittstellen können diese Trends<br />

die Wirkungsbeziehungen innerhalb des geschäftsmodells<br />

verändern? Welche möglichen Konsequenzen hat dies<br />

für die Stimmigkeit des geschäftsmodells insgesamt?<br />

• Welche Akteure haben ein Interesse an der Begründung<br />

eines alternativen geschäftsmodells? In welcher Form<br />

profitieren sie von innovativeren geschäftsmodellen?<br />

• Welche Dimensionen des Kundennutzens erfüllt das bestehende<br />

geschäftsmodell nur unzureichend?<br />

Nie war also der Einfluss des Kunden auf<br />

das Geschäftsmodell von Herstellern jeglicher<br />

Branchen größer als heute. Und zu Ende<br />

gedacht, damit der Einfluss des Kunden auf<br />

die Operations-Bereiche des Unternehmens.<br />

Denn diese sind es ja, die sich vordringlich auf<br />

das innovative Geschäftsmodell einstellen<br />

müssen – ob auf Produkt-/Leistungs-Angebot,<br />

Konfiguration der Wertkette oder Erlösmodell.<br />

und produktbezogene Kompetenzen für das<br />

Projekt obsolet werden; relevante "Experten"<br />

müssen umfassend umgeschult bzw. in vielen<br />

Fällen durch neue, externe Fachleute ersetzt<br />

werden.<br />

Häufig lassen sich derart veränderte Produkte<br />

aus Herstellersicht auch nur durch<br />

Entwicklungskooperationen mit einheimischen<br />

Partnern realisieren – die eigene<br />

Entwicklungstiefe sinkt dann und Fähigkeiten<br />

wie Integration Externer in die<br />

Entwicklung oder Prozess- und Fortschrittskontrolle<br />

bei den Leistungsumfängen des<br />

Entwicklungspartner sowie die anschließende<br />

Systemintegration der verschiedenen Module<br />

müssen aufgebaut werden. In ähnlichem<br />

Umfang verändert sich das aufgabenspektrum<br />

von Funktionen wie Einkauf,<br />

Produktion und Supply Chain Management.<br />

Veränderungen von Inhalt und Umfang<br />

der intern erbrachten Leistungen, von<br />

relevanten Fähigkeiten bis hin zu neuen<br />

anforderungen an das risikomanagement<br />

sind die Konsequenz. Und wenn dann auch<br />

noch geänderte Finanzierungsformen,<br />

Schulungsintensitäten oder gar der Betrieb<br />

des geräts beim Kunden erforderlich sein<br />

sollten, dann sind auch Vertrieb und after<br />

Sales signifikant betroffen. Sukzessive<br />

entsteht so ein fundamental verändertes<br />

geschäftsmodell für das geschäft mit<br />

Schwellenländern – und in diesem Fall ein<br />

zweites geschäftsmodell<br />

neben dem bestehenden<br />

und weiter existierenden<br />

geschäftsmodell<br />

für Kunden in<br />

entwickelten Ländern.<br />

Die damit einhergehende<br />

Komplexität<br />

des Managens zweier<br />

geschäftsmodelle<br />

in den Operations-<br />

Bereichen kommt<br />

noch hinzu.<br />

D<br />

er Kunde hat sich also lich zur "Supermacht" gemausert,<br />

klammheimdie<br />

bis in die Operations-Bereiche,<br />

die ja typischerweise nicht oder nur<br />

sporadisch über direkten Kundenkontakt<br />

verfügen, hineinregiert. Welche geschäftsmodelle<br />

sich vor diesem Hintergrund durchsetzen,<br />

hängt also zu einem guten teil von<br />

der Kundenresonanz ab.<br />

Willkommen im Zeitalter der "Supermacht"<br />

Kunde!


How<br />

Es war einmal ...<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 13<br />

Ein Flugzeug ist ein Flugzeug. Ein Auto ist ein Auto. Eine Zeitung<br />

bleibt eine Zeitung. Stimmt das noch? Technologischer Wandel,<br />

Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung, Internet und das<br />

Informationsverhalten der Generation @ krempeln mehr als ein<br />

Jahrhundert alte Industrien in kürzester Zeit um.<br />

Im Flugzeugbau lässt die Massenmobilität Produktionsstrukturen<br />

aus der Automobilindustrie einziehen und Düsenjets fast<br />

wie von der Stange produzieren. Elektromobilität und die moderne<br />

Kommunikationstechnologie erfinden nicht nur das Automobil<br />

neu, sondern die Art individueller Fortbewegung schlechthin.<br />

Smartphones und iPad stellen das Informationsangebot der<br />

Medienkonzerne sowie die Nutzung von Informationen auf den<br />

Kopf. Schöne neue Welt? Nichts bleibt, wie es ist.


„<br />

g How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Wir müssen<br />

das <strong>Thema</strong> Luftfahrt<br />

neu definieren<br />

“<br />

Airbus-Produktionsvorstand Günter Butschek über die Revolution im<br />

Flugzeugbau, die neue Allianz zwischen Hersteller und Zulieferern<br />

und Verkehrsjets von der Stange<br />

RB: Herr Butschek, Sie sind seit fast neun<br />

Monaten Produktionsvorstand bei Airbus.<br />

Davor waren Sie mehr als ein halbes<br />

Berufsleben bei Mercedes und Daimler.<br />

Vermissen Sie die Autos?<br />

Butschek: Nein, überhaupt nicht, obwohl ich<br />

lange geglaubt habe, Autos seien mein Leben.<br />

Besonders wenn man das Glück hat, für eine<br />

Marke wie Mercedes zu arbeiten.<br />

RB: Ihr ehemaliger Vorstandsvorsitzender,<br />

Daimler-Chef Dieter Zetsche, spricht derzeit<br />

viel von der Neuerfindung des Autos. Da<br />

könnte reichlich Wehmut aufkommen.<br />

Butschek: Ich glaube, Sie unterschätzen die<br />

Faszination Fliegen. Und Sie übersehen vielleicht,<br />

in welch einer Umbruchphase sich die<br />

Flugzeugindustrie momentan befindet.<br />

RB: Mehr Umwälzung als beim Auto?<br />

Butschek: Das möchte ich so nicht sagen,<br />

aber auch wir erfinden, wenn Sie so wollen,<br />

das Flugzeug neu. Ich habe immer gesagt:<br />

Wenn etwas kommt, das mich fasziniert,<br />

dann mache ich das. Und bei Airbus ist<br />

das definitiv der Fall. Das liegt nicht nur<br />

an Produkten wie der A380 oder der A400M,<br />

sondern auch an den Menschen, die ich<br />

hier treffe. Da ist viel Leidenschaft im Spiel,<br />

für mich die Grundvoraussetzung für erfolgreiches<br />

Arbeiten.


think: act BUSiNESS Geschäftsmodelle 15<br />

günter Butschek,<br />

51, ist seit März 2011 airbus-Vorstand<br />

für Operations, Vorsitzender der<br />

geschäftsführung von airbus in<br />

Deutschland sowie Mitglied im airbus<br />

Executive Committee.<br />

Butschek begann seine Karriere 1984<br />

bei Mercedes-Benz als Projektingenieur<br />

in der zentralen Materialwirtschaft.<br />

Nach verschiedenen Stationen übernahm<br />

er 2000 in der geschäftsführung<br />

von DaimlerChrysler Südafrika die<br />

Operations, zwei Jahre später im<br />

niederländischen Born die Leitung des<br />

Nedcar-Werks, das Daimler zusammen<br />

mit dem japanischen autobauer<br />

Mitsubishi Motors betrieb.<br />

Für den internationalen Konzern<br />

airbus sind Butscheks Erfahrungen<br />

mit unterschiedlichen Kulturen ein<br />

wichtiger Vorteil.<br />

RB: Die a380 war bis zu ihrem Einsatz im<br />

Linienverkehr lange ein Problemkind. Der Militärtransporter<br />

a400M ist – <strong>zum</strong>indest, was<br />

die Finanzierung anbelangt – ein Desaster.<br />

Jetzt verspätet sich die a350. Das hört sich<br />

eher nach harter arbeit an.<br />

Butschek: Wir haben es hier mit einer ungeheuren<br />

Komplexität zu tun. Sie zu beherrschen<br />

und zu verbessern, davon kann eigentlich<br />

jeder Produktionsmann nur träumen.<br />

Erinnern Sie sich: als airbus anfing, die a380<br />

zu planen, gab es nicht wenige Menschen,<br />

die das für absolut verrückt und noch weniger<br />

für machbar hielten. Zu groß, zu teuer – und<br />

heute fliegen wir wie selbstverständlich damit.<br />

Und zwar mit drei Litern Sprit pro Passagier<br />

pro 100 Kilometer und hochrentabel für die<br />

Fluggesellschaften. Und unsere Kunden sowie<br />

ihre Passagiere sind absolut begeistert. Das<br />

müssen uns die automobilleute erst einmal<br />

nachmachen.<br />

RB: Ihr Schicksal wird bei airbus vor allem mit<br />

der Neuentwicklung des Langstreckenjets<br />

a350 XWB verbunden, dem Konkurrenzflieger<br />

<strong>zum</strong> Dreamliner von Boeing, der 16 statt 6<br />

Milliarden US-Dollar gekostet hat und als das<br />

Flugzeug in die annalen der Luftfahrtindustrie<br />

eingehen wird, das mit der größten<br />

Verzögerung auf den Markt gekommen ist.<br />

Butschek: Schicksal klingt schon sehr dramatisch,<br />

sagen wir doch lieber: die "größte<br />

Herausforderung".<br />

RB: Warum?<br />

Butschek: Wir betreten sowohl mit unseren<br />

Materialkonzepten als auch mit unserer<br />

Fertigungstechnologie absolutes Neuland.<br />

Die a350 XWB ist nicht nur einfach ein neues<br />

Flugzeug, es ist, in teilen, die Neuerfindung<br />

des Flugzeugbaus bei airbus.<br />

RB: thomas Enders, der airbus-Chef,<br />

spricht von einem Höllenritt. Für andere<br />

ist die a350 XWB die revolution des bisherigen<br />

geschäftsmodells. Was ist das<br />

außergewöhnliche daran?<br />

„<br />

Wir gehen von<br />

einer Verdopplung des<br />

Welt-Passagierverkehrs<br />

in den nächsten<br />

15 Jahren aus.<br />


g how<br />

ROLAND BERGER StratEgy CONSULtaNtS<br />

Butschek: Wir haben es mit einem komplett<br />

anderen Prozess zu tun – Stichwort "black<br />

metal". Das Flugzeug besteht zu 53% aus<br />

Kohlefaserverbundwerkstoffen. Sie ersetzen<br />

herkömmliche Materialien wie Stahl oder<br />

aluminium, weil leichtere Flugzeuge energiesparender<br />

und umweltverträglicher sind.<br />

Das hilft, die Kohlendioxidemissionen pro<br />

Passagier bei der a350 XWB im Vergleich zu<br />

heutigen Flugzeugen der gleichen Kategorie<br />

um 25% zu reduzieren. Mit der a350 XWB<br />

bauen wir jetzt erstmals ein Flugzeug, dessen<br />

rumpf fast komplett aus diesem Werkstoff<br />

besteht. Die anwendung dieses Materials in<br />

der gesamten rumpfproduktion ist also für<br />

uns neu, aber auch die Entwicklungsprozesse<br />

und die Produktion der Komponenten sind<br />

neuartig – ganz abgesehen von der Wartung.<br />

aber das ist nur die eine Seite der Medaille.<br />

RB: Die zweite wäre?<br />

Butschek: Wir haben unsere Lektionen aus<br />

dem a380-Programm gelernt. Das heißt:<br />

Wir setzen neue Standards bei Entwicklung<br />

und Industrialisierung: komplett integrierte,<br />

transnationale Entwicklungsplateaus,<br />

Harmonisierung aller Entwicklungstools<br />

und Fertigungsvorrichtungen. Dazu kommt<br />

der aufbau des "Extended Enterprises" mit<br />

einem neuen ansatz im risikomanagement,<br />

also erstmals die Einbindung großer "risk-<br />

Sharing-Partner". Damit delegieren wir gezielt<br />

Verantwortung in der Entwicklung, aber auch<br />

später in der Produktion an ausgewählte<br />

Lieferanten. Wir beziehen sie viel früher und<br />

konsequenter in die Entwicklungsprozesse<br />

ein, was auch an unsere Partner ganz andere<br />

Herausforderungen stellt. Früher waren sie<br />

unsere verlängerte Werkbank: Sie bauten<br />

teile/Komponenten, die wir zusammenbauten.<br />

Diese neue Form der Partnerschaft<br />

dagegen bedeutet ein hohes Maß an<br />

Verantwortung auf beiden Seiten.<br />

RB: Hört sich nach auto an.<br />

Butschek: Da haben Sie völlig recht.<br />

autohersteller haben schon vor fast 20 Jahren<br />

auf Systemlieferanten gesetzt und damit<br />

gezielt Verantwortung abgegeben. Sie haben<br />

zwar eine <strong>zum</strong> teil schwierige Lernkurve<br />

durchlaufen, aber am Ende war das der richtige<br />

Weg. anders stünde die Industrie bei weitem<br />

nicht so gut da, wie sie es heute tut.<br />

RB: auch airbus muss Lehrgeld zahlen.<br />

Butschek: Ohne Zweifel, eine solche fundamentale<br />

Veränderung der Zuliefererstruktur<br />

ist für alle Beteiligten ein schwieriger<br />

Prozess, in dem uns aber eine besondere<br />

Verantwortung zukommt.<br />

RB: Die a350-1000 wurde modifiziert und<br />

kommt daher später auf den Markt als<br />

zunächst angekündigt. Heißt das, die a380<br />

lässt freundlich grüßen? Die kam zwei Jahre<br />

zu spät.<br />

Butschek: Wir haben es in diesem Fall mit keiner<br />

Verzögerung aufgrund von Fehlleistungen<br />

zu tun. Die a350-1000, das größte Modell mit<br />

der größten reichweite, ist modifiziert worden<br />

und verfügt jetzt über verbesserte triebwerke,<br />

die sich noch in der Entwicklung befinden.<br />

Das nimmt Zeit in anspruch. aber die Kunden<br />

bekommen dafür auch ein leistungsfähigeres<br />

Flugzeug, welches noch besser mit ihren<br />

anforderungen übereinstimmt.<br />

RB: Ein anderer grund könnte der sein,<br />

dass Sie eben zu stark auf Zulieferer setzen<br />

und so die Prozesse aus der Hand geben.<br />

Beobachter meinen, dies sei das eigentlich<br />

Fatale am Dreamliner. Boeing habe das<br />

Know-how aus der Hand gegeben und so die<br />

Kontrolle verloren.<br />

Butschek: Ich mag nicht über die Probleme<br />

unserer Kollegen in Seattle urteilen. aber<br />

ich denke, dass wir uns an ein paar Stellen<br />

deutlich unterscheiden. Wir sind eng mit den<br />

Lieferanten in Kontakt, wir unterstützen sie<br />

mit unseren teams. Das bedeutet nicht,<br />

dass damit bereits alles reibungslos verläuft,<br />

aber wir begreifen die Verantwortung als<br />

gemeinsame aufgabe. Wir gehen auch vielleicht<br />

mit dem Werkstoff Kohlefaser etwas<br />

konservativer um, indem wir uns beispielsweise<br />

bewusst entschieden haben, den rumpf<br />

nicht in einem Stück, sondern aus Schalen<br />

herzustellen.<br />

RB: als hätten Sie nicht schon genug damit<br />

zu tun, stehen Sie zusätzlich vor einem Berg<br />

von Bestellungen und Kaufabsichten. Schon<br />

nach einem halben Jahr nach ihrer Vorstellung<br />

lagen allein für die für 2015 angekündigte<br />

a320neo rund 1.000 Orders vor. Dabei<br />

liegen bislang nur Computersimulationen<br />

vor. So etwas hat es noch nicht gegeben. Sie<br />

werden vom Erfolg Ihrer eigenen Flugzeuge<br />

erschlagen.<br />

Butschek: Im Ergebnis gilt für uns: Nie<br />

waren Kapazitäten so wertvoll wie heute.


think: act BUSiNESS Geschäftsmodelle 17<br />

RB: Manche sprechen von einem<br />

Luxusproblem.<br />

Butschek: Das kann man so sehen. aber was<br />

wirklich dahinter steckt, ist eine gewaltige<br />

Herausforderung. Das Management eines solchen<br />

Wachstums ist ein hartes geschäft und<br />

hochkomplex. Besonders dann, wenn man<br />

gleichzeitig die Fertigungsstrukturen auf den<br />

Kopf stellt.<br />

RB: Wie hart?<br />

Butschek: aufgrund der hohen Nachfrage<br />

werden wir unsere Produktionsrate nennenswert<br />

erhöhen. Das ist eine riesenaufgabe.<br />

Wir realisieren jetzt praktisch eine<br />

rückwärtsintegration, indem wir versuchen,<br />

Fortschritte in den Fertigungsprozessen<br />

bei der a350 XWB und <strong>zum</strong> teil bei der a380<br />

zur absicherung der Stückzahlen und zu<br />

Produktivitätsfortschritten bei der a320-<br />

Familie zu nutzen.<br />

RB: Wie wollen Sie das erreichen?<br />

Butschek: Der eigentliche Engpass sind<br />

eigentlich nicht wir selbst, sondern <strong>zum</strong><br />

großen teil unsere Zulieferer. Dazu kommt,<br />

dass Qualität im Flugzeugbau oberste Priorität<br />

hat. Nachlässigkeit ist hier nicht erlaubt. Das<br />

Wachstum des Passagierverkehrs beträgt<br />

derzeit ungefähr 5% pro Jahr, wobei <strong>zum</strong><br />

Beispiel China deutlich schneller wächst.<br />

Wir gehen von einer Verdopplung des Welt-<br />

Passagierverkehrs in den nächsten 15 Jahren<br />

aus. Bis 2030 erwartet airbus insgesamt<br />

einen Bedarf von fast 28.000 Passagier- und<br />

Frachtflugzeugen im Wert von 3,5 Billionen<br />

US-Dollar. Wir profitieren davon. aber wie<br />

genau, das hängt vor allem davon ab, wie es<br />

uns gelingt, die Zulieferkette zu ertüchtigen.<br />

Sorgen machen uns dabei nicht einmal die<br />

sogenannten First tier Suppliers, also unsere<br />

direkten Zulieferer, sondern vielmehr deren<br />

eigene Zulieferkette.<br />

RB: Zurzeit schaffen Sie es, 38 Flugzeuge<br />

der a320-Familie im Monat zu produzieren.<br />

Ende 2012 sollen es 42 sein, später vielleicht<br />

auch 44. Das ...<br />

Butschek: ... ich weiß, was Sie jetzt sagen<br />

wollen.<br />

RB: Nämlich?<br />

Butschek: Dass das nicht gerade nach<br />

viel klingt.<br />

RB: So ist es. Knapp 100 Flugzeuge mehr im<br />

Jahr, das scheint bei der vorliegenden Zahl<br />

der Bestellungen ein tropfen auf dem heißen<br />

Stein.<br />

Butschek: Um die Komplexität bei uns und<br />

den Lieferanten zu verstehen, hier eine einfache<br />

Formel: Ein Langstreckenflugzeug der<br />

a330-Familie hat ungefähr den vierfachen<br />

arbeits- und Materialumfang wie ein Flugzeug<br />

„<br />

Airbus<br />

brauchte 40 Jahre,<br />

um von 0 auf 50%<br />

Marktanteil<br />

zu kommen.<br />


g how<br />

ROLAND BERGER StratEgy CONSULtaNtS<br />

„<br />

10 Jahre sind in diesem Geschäft kein<br />

Zeithorizont. Wir bauen ein Flugzeug 25 Jahre<br />

lang, mit dem Service erstreckt sich der<br />

Zeitraum auf vier Jahrzehnte.<br />

der a320-Familie. Bei der a380 rechnen wir<br />

schon mit Faktor acht. Wenn wir jetzt unsere<br />

geplante ratensteigerung zugrunde legen,<br />

von 38 auf 42 bei der a320-Familie, von 8 auf<br />

10 bei der a330-Familie und von 2,1 auf 3,5<br />

bei der a380 –, dann heißt das für einzelne<br />

Lieferanten bei vergleichbarem Lieferumfang<br />

innerhalb der nächsten 36 Monate eine 40-<br />

bis 50-prozentige Kapazitätssteigerung. Das<br />

muss man erst einmal hinkriegen.<br />

RB: Wie schafft der das?<br />

Butschek: Das ist genau die Herausforderung.<br />

Häufig nicht ohne unsere Hilfe.<br />

„<br />

RB: ... und wie sieht die aus?<br />

Butschek: Indem wir wesentlich enger<br />

zusammenarbeiten. Früher lautete der<br />

ansatz: Ich schicke dem Lieferanten das<br />

Programm und der wird‘s dann schon richten.<br />

Inzwischen schicken wir crossfunktionale<br />

auditierungsteams zu unseren Partnern, die<br />

sich gemeinsam die Prozesse anschauen,<br />

Verbesserungen anschieben und Potenziale<br />

absichern. Bei airbus setzen wir neue<br />

Produktionsmethoden wie die "Moving Line",<br />

getaktete Fertigung oder kürzere takte ein.<br />

Das ist das, was bei uns wirkt. also sagen<br />

Faktor 4 bis 8: Die komplexe Fertigung bei Airbus<br />

funktioniert nur durch enge Zusammenarbeit.<br />

wir unseren Lieferanten: Lasst uns gemeinsam<br />

schauen, ob es auch bei euch wirkt. Die<br />

Schwierigkeit ist aber: Wir brauchen jeden<br />

Ingenieur, den wir <strong>zum</strong> Lieferanten schicken,<br />

eigentlich bei uns selbst. Das allein ist schon<br />

ein thema.<br />

RB: Einer der Hauptgründe, warum Flugzeuge<br />

lange Produktionszeiten beanspruchen,<br />

ist der hohe Individualisierungsgrad der<br />

Maschinen. Jede airline bekommt, grob<br />

gesprochen, ihr eigenes Modell.<br />

Butschek: Nehmen Sie den autokauf. Jeder<br />

weiß: reine Bauchentscheidung. Wir dagegen<br />

bauen ein Investitionsgut, dessen auswahl<br />

von den airlines detailliert geplant wird. Nach<br />

der Öffnung der Märkte in den vergangenen<br />

Jahren war Differenzierung für unsere Kunden<br />

sehr wichtig. Mit der a350 XWB gehen wir jetzt<br />

einen neuen Weg und bieten erstmals vorgefertigte<br />

Lösungen an, die die Kunden aus<br />

einem Katalog auswählen können.<br />

RB: Sie wollen den Fluggesellschaften vorschreiben,<br />

was sie kaufen sollen? Etwa<br />

regalware? Jets von der Stange?<br />

Butschek: Das ginge sicher zu weit. Mit<br />

der a350 XWB begründen wir eine neue<br />

Flugzeuggeneration. Natürlich bieten wir<br />

auch als Folge unserer Erfahrungen mit der<br />

a380 die Möglichkeit einer weitgehenden<br />

Individualisierung. aber wir sind auch dabei,<br />

unsere Kunden von der Vorteilhaftigkeit eines<br />

in teilen vorkonfigurierten Flugzeugs zu überzeugen,<br />

das heißt die Nutzung von vorausgewählten,<br />

abgestimmten Komponenten der<br />

Kabine.<br />

RB: Konfigurator? So bestellt man autos<br />

im Internet.<br />

Butschek: genau. Wir bieten ein hohes Maß<br />

an Flexibilität unter Berücksichtigung spezifischer<br />

anforderungen, aber wir müssen nicht


think: act BUSiNESS Geschäftsmodelle 19<br />

Günter Butschek im Gespräch mit <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>-Partner Axel Schmidt<br />

mehr alles neu erfinden, definieren, entwickeln,<br />

berechnen, dokumentieren. Sondern wir<br />

sagen: Das ist der Katalog, das ist das, was du<br />

brauchst, und jetzt setzen wir uns gemeinsam<br />

hin und konfigurieren dein Flugzeug gemeinsam.<br />

Wir verknüpfen Standardisierung mit<br />

einem hohen grad von Individualität.<br />

RB: Und der Kunde, der mehr will ...<br />

Butschek: ... bekommt es auch, allerdings<br />

zu anderen Konditionen und mit möglichen<br />

Konsequenzen für die Lieferfähigkeit. Es ist ja<br />

nicht so, dass wir Lieferumfänge flexibel einund<br />

ausbauen können. Sonderwünsche haben<br />

teils starke auswirkungen auf die Struktur<br />

des Flugzeugs. Dazu braucht man viel<br />

Ingenieurleistung.<br />

RB: Wie reagieren die airlines?<br />

Butschek: Das wird Sie überraschen: äußerst<br />

aufgeschlossen. Die sehen den Punkt: attraktive<br />

Kosten bei flexibler Lösung.<br />

RB: trotzdem: Fluggesellschaften werden<br />

sich auch weiter teils auf lange Wartezeiten<br />

einstellen müssen. Könnten lange Lieferzeiten<br />

neue Konkurrenten beflügeln?<br />

Butschek: Das ist zu einfach gedacht.<br />

Fluggesellschaften planen ihre Flotten langfristig.<br />

Sie müssen ja auch in der Lage sein,<br />

Crews, Wartungskapazitäten und die gesamte<br />

Logistik zu planen und bereitzustellen. Daher<br />

werden Flugzeugeinphasungen traditionell<br />

über einen längeren Zeitraum geplant. Und<br />

bei Engpässen stehen Leasingunternehmen<br />

bereit, deren geschäftsmodell ja auf der<br />

kurzfristigen Lieferung von Flugzeugen aufgebaut<br />

ist. Ein neues Flugzeugmodell in die<br />

Flotte aufzunehmen, nur weil es bei anderen<br />

längere Lieferzeiten gibt? Das ist mit erheblichen<br />

risiken verbunden und keine wirkliche<br />

alternative.<br />

RB: Boeing kontert mit einer treibstoffsparenden<br />

modernisierten 737. Sie soll noch<br />

verbrauchsgünstiger fliegen.<br />

Butschek: Das wird sich zeigen, wenn<br />

das Flugzeug zwei Jahre nach unserer<br />

a320neo kommt. Wir wissen, dass manche<br />

Wettbewerber unsere heutige generation von<br />

Flugzeugen als referenzpunkt nutzen. aber<br />

was ist, wenn ich plötzlich 15% Ökoeffizienz<br />

auf diesen referenzpunkt drauflege?<br />

RB: Was macht Sie so gelassen? Keine angst<br />

vor neuen Wettbewerbern?<br />

Butschek: Wir beobachten die aktivitäten in<br />

Brasilien, China und russland sehr genau.<br />

aber wir haben eine äußerst starke Position im<br />

Markt. airbus brauchte 40 Jahre, um von 0 auf<br />

50% Marktanteil zu kommen. Neben dem Bau<br />

eines Flugzeugs muss man beweisen, dass<br />

das neue Produkt in Bezug auf Zuverlässigkeit<br />

und Effizienz besser ist als die existierenden.<br />

Infrastruktur, Kundenservice und Vertrauen<br />

müssen aufgebaut werden. Wir erwarten<br />

Wettbewerb, aber wir sind vorbereitet.<br />

RB: Wie sieht ein neuer airbus in 10 oder 15<br />

Jahren aus?<br />

Butschek: Ich bin gerade dabei zu verstehen,<br />

dass 10 Jahre in diesem geschäft kein<br />

Zeithorizont sind. Wir bauen ein Flugzeug<br />

25 Jahre lang, mit dem Service erstreckt<br />

sich der Zeitraum auf vier Jahrzehnte. Zumindest<br />

gehe ich davon aus, dass wir weiter<br />

in der heutigen transnationalen Struktur<br />

arbeiten werden, mit Fertigungs- und Entwicklungsstandorten<br />

in Europa, asien, russland<br />

und amerika. allerdings werden wir bis dahin<br />

eine schlagkräftigere Zulieferstruktur haben,<br />

die mit uns gemeinsam am sogenannten<br />

"game Changer" arbeitet.<br />

RB: Die automobilindustrie sucht angesichts<br />

knapper und teurer werdender rohstoffe nach<br />

neuen Energien. Flugzeugbauer kommen nicht<br />

darum herum.<br />

Butschek: airbus verfolgt mit "Flightpath2050"<br />

die Ziele der EU: 75% weniger CO 2 , 90% weniger<br />

Stickoxide, 65% weniger Lärm.<br />

aber wir bringen auch technologien aus der<br />

automobilbranche in die Luftfahrtindustrie.<br />

Wir arbeiten an Brennstoffzellen für den<br />

emissionsfreien Bodenbetrieb. Die Lufthansa<br />

testet Biokerosin in einem Linien-airbus a321.<br />

Das airbus Future Projects Office sponsert<br />

technologieprojekte an Universitäten, z.B.<br />

"e-genius" von der Universität Stuttgart.<br />

Mit "e-genius" wollen wir mehr über das<br />

Potenzial elektroangetriebener Flugzeuge<br />

lernen. Darüber hinaus arbeiten wir mit<br />

zahlreichen anderen Universitäten und<br />

Forschungseinrichtungen auf diesem gebiet<br />

zusammen. aber zunächst einmal gilt für uns<br />

genau das, was auch den autobau noch lange<br />

bestimmen wird: Herkömmliche Energien so<br />

effizient wie möglich nutzen.<br />

RB: Zehn Jahre im Leben eines Flugzeugs sind<br />

nicht viel. Im Leben eines Managers schon.<br />

Butschek: Das ist so. also müssen wir alles<br />

daransetzen, dass unsere Flugzeuge zu jedem<br />

Zeitpunkt und in jeder Beziehung Maßstäbe<br />

setzen. Wir müssen das thema Luftfahrt noch<br />

einmal neu definieren. Und das sehr schnell.


g How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANtS<br />

Raumklima<br />

Intelligenz<br />

auf Rädern<br />

Mit E-Mobility gerät das klassische GeschäftsModell der Automobilindustrie<br />

ins Wanken. Elektro-Autos und Carsharing-Projekte sind nur der<br />

Einstieg in eine neue Mobiltätskultur, in der unterschiedliche<br />

Industrien zusammenwachsen .<br />

Weiße Lichtblöcke huschen durch<br />

das Dunkel der Halle. Elektrobässe<br />

wummern auf die Zuschauer herab. Auf der<br />

riesigen Leuchtwand erscheint schemenhaft<br />

die Silhouette einer Stadt. Tänzer kommen<br />

auf die Bühne. Blaues Licht umfasst sie.<br />

Auf dem Halbrund des Schirms wirken die<br />

Projektionen ihrer milchigen Körper wie<br />

Geister in beweglichen Neonröhren-Käfigen,<br />

bis sie sich in einem goldenen Gesprenkel<br />

tausender Punkte auflösen und wie die<br />

gewaltige Masse eines wogenden Vogelschwarms<br />

am Himmel davonfliegen. So<br />

feiert BMW ein neues Auto.<br />

Nobert Reithofer, der Vorsitzende des Vorstands<br />

der BMW AG, kommt herbei. Es ist<br />

ein besonderer Moment. "Wir setzen einen<br />

Meilenstein in der Geschichte der BMW<br />

Group": die Weltpremiere der neuen BMW-i-<br />

Familie. Mit den Studien BMW i3 Concept und<br />

BMW i8 Concept stellt die BMW Group ihre<br />

Interpretation einer Mobilität der Zukunft<br />

vor. Sie gibt einen Ausblick auf die ersten<br />

elektrischen Serienautomobile unter der<br />

neuen Submarke BMWi, die 2013 als BMW<br />

i3 und 2014 als BMW i8 auf den Markt<br />

kommen. "Echten Pioniergeist und geballte<br />

Innovationskraft" sieht Reithofer darin.<br />

"Wir wollen als weltweit führender Premiumhersteller<br />

unseren Kunden auch maßgeschneiderte<br />

Automobile mit elektrischem<br />

Antrieb anbieten." Slogan: "Born electric".<br />

Mit der Aufforderung an die Automobilindustrie,<br />

"das Auto fast wieder neu zu erfinden",<br />

fuhr Bundeskanzlerin Angela Merkel zur<br />

Eröffnung der IAA vor zwei Jahren an den Main.<br />

Die Bundesregierung halte an ihrem Ziel fest,<br />

bis <strong>zum</strong> Jahr 2020 mindestens eine Million<br />

Elektromobile auf deutschen Straßen zu haben.<br />

In den nächsten Jahren werde es darum<br />

gehen, ob Deutschlands Autoindustrie weiter<br />

eine führende Rolle spielen werde. Die Hersteller<br />

müssten neue Wege einschlagen.<br />

"Zukunft serienmäßig", lautete das Motto des<br />

diesjährigen IAA-Spektakels – und damit die<br />

Botschaft: Wir haben verstanden. Elektromobilität<br />

verändert die Automobiltechnik<br />

gravierend. Doch in Wirklichkeit steht das<br />

gesamte Geschäftsmodell der Branche auf<br />

dem Prüfstand. Die Automobilindustrie, vor<br />

allem in Deutschland die Königsdisziplin, wird<br />

Teil eines Systems. Der schlichte Austausch<br />

von Benzin- und Dieselmotoren gegen einen<br />

batteriebetriebenen Antrieb ist nur der Anfang.<br />

Das Hightechszenario der Zukunft umfasst<br />

ebenso exklusives Design wie Personalisierung<br />

als differenzierende Merkmale einer Marke.<br />

Das Internet verwandelt die Gefährte zu<br />

rollenden Kommunikationsanlagen, elektrische<br />

und elektronische Systeme unterstützen<br />

Sicherheit und Bedienungsfreundlichkeit.<br />

Führende Automobilunternehmen, darunter<br />

besonders die deutschen Vorzeigemarken,<br />

wechseln das Gesicht. Aus Fahrzeugproduzenten,<br />

die Jahrzehnte ihrem Selbstverständnis<br />

vom immer größer, stärker und schneller<br />

hinterherjagten, werden Mobilitätsdienstleister.<br />

Sie stellen den Gebrauch des Autos<br />

vor den Besitz. Nicht mehr unbedingt leben<br />

mit dem Auto heißt das Gebot der Stunde,<br />

sondern mit und – wenn möglich – ohne Auto.<br />

Die Industrie steht in den kommenden 15<br />

Jahren vor dem größten strukturellen Umbau<br />

ihrer Geschichte. Neue Mobilitätskonzepte,<br />

die Einbindung von IT-Dienstleistern und<br />

Energielieferanten, Apps im Auto und neue<br />

Kundenanforderungen an Mobilität und Vernetzung<br />

fordern massive Investitionen in<br />

IT, Infrastruktur und die Entwicklung neuer,<br />

effizienter Lösungen. Sie bieten zugleich<br />

die Chance neuer Geschäftsmodelle für die<br />

Automobilindustrie.


Tanken<br />

Für andere Branchen wiederum ergeben sich<br />

neue Chancen. Wie eine gemeinsame Studie<br />

von VDMA und <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> zeigt, kann der<br />

deutsche Maschinen- und Anlagenbau in den<br />

kommenden Jahren vom Ausbau der Elektromobilität<br />

stark profitieren. Denn durch die<br />

Einführung von Fahrzeugen mit elektrischem<br />

Antriebsstrang sind auch jene Kompetenzen<br />

des Maschinenbaus gefragt, die bislang nur<br />

selten in der Automobilproduktion genutzt<br />

wurden. Daraus ergeben sich attraktive Marktchancen<br />

für Anlagen- und Maschinenbauer.<br />

Durch neue Produktionsanlagen für Elektrothink:<br />

act BUSINESS Geschäftsmodelle 21<br />

Beschleunigung<br />

Navigation<br />

Einparken<br />

Risiken birgt der Übergang zu alternativen<br />

Antrieben (Hybrid, Elektromotoren oder Brennstoffzelle)<br />

allemal. Das gegenwärtige Knowhow<br />

im Bereich konventioneller Antriebe wird<br />

entwertet. Zwar zählt Vorsprung durch Technik<br />

unter der Haube noch lange – aber nicht<br />

ewig. Wichtige Wertschöpfungsstufen wie<br />

Klimaanlagen oder Bremssysteme müssen<br />

modifiziert oder durch neue ersetzt werden<br />

(z. B. Elektroantriebe inklusive Batterie und<br />

Leistungselektronik statt Verbrennungsmotor).<br />

Manche fallen ganz weg, <strong>zum</strong> Beispiel<br />

Abgasanlage oder Antriebsstrang.<br />

Jahrzehnte war die Automobilindustrie darauf<br />

fixiert, Geld in Fabriken zu stecken, die Produktion<br />

auf Maximalauslastung zu trimmen,<br />

immer neue Varianten kostenoptimierter<br />

Basismodelle mit teils hohen Rabatten in die<br />

Märkte zu drücken. Nun müssen die Akteure<br />

erkennen, dass ihr Push-Modell nur noch von<br />

begrenzter Haltbarkeit ist.<br />

Besonders junge Menschen, die in der<br />

Ära teurer Energie, des Klimawandels<br />

und der Urbanisierung aufwachsen<br />

und als Imageträger den GTI gegen<br />

das iPad eintauschen, verlangen nach individueller<br />

Mobilität. Sie entspricht eher ihren<br />

wechselnden Ansprüchen und Lebensstilen<br />

als die klassische Wachstumsphilosophie der<br />

Hersteller. Nicht, wie sich die Generation i<br />

bewegt, ist entscheidend, sondern was sie<br />

bewegt. Autos, in welcher Form auch immer,<br />

sind auch in weiter Zukunft nicht wegzudenken.<br />

Unverzichtbar sind sie nicht. Noch<br />

schwelgen Autohersteller in Euphorie. Der<br />

steigende Wohlstand in Schwellenländern und<br />

der Run auf westliche Technik und Marken<br />

besonders auf dem Milliardenmarkt China<br />

bescheren ihnen Traumergebnisse in Serie.<br />

Volkswagen, Audi, Daimler, Porsche, BMW &<br />

Co. eilen von einem Verkaufs- und Ergebnisrekord<br />

<strong>zum</strong> nächsten. Allein in China stieg der<br />

Absatz von Daimler und BMW zwischen 2006<br />

und 2010 auf zusammen rund 1,5 Millionen<br />

Einheiten. Zwei neue Werke werden eröffnet.<br />

Umso schwerer fällt der Blick auf das, was<br />

kommt. Viel steht auf dem Spiel. Die Automobilindustrie<br />

und ihre Zulieferfirmen sind von<br />

zentraler Bedeutung für Wertschöpfung und<br />

Beschäftigung entwickelter Industrieländer.<br />

Die Branche und verbundene Industrien wie<br />

Kunststoff oder Gummi stellen rund 20% des<br />

Gesamtumsatzes des verarbeitenden Gewerbes<br />

und knapp 1,8 Millionen Arbeitsplätze.<br />

Schon sind in Deutschland nach Berechnungen<br />

von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

bis zu 300.000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie<br />

in Gefahr, weil immer mehr Beschäftigung<br />

und Produktion in Wachstumsmärkte<br />

abwandert und hierzulande Fachkräfte fehlen.<br />

Büßen deutsche Premiumhersteller am<br />

Beginn einer neuen Mobilitätsepoche ihre<br />

Technologieführerschaft ein, kommt es<br />

womöglich noch schlimmer.<br />

Elektro-Autos sind, bis auf die Batterie,<br />

technisch wenig anspruchsvoll. Produktion<br />

ist auf Dauer keine Kernkompetenz<br />

mehr – die Chance für<br />

Nischenanbieter und vor allem für die aufkommende<br />

Konkurrenz aus Asien. Sie überspringt<br />

eine ganze Entwicklungsstufe konventionell<br />

angetriebener Autos und stürzt sich mit aller<br />

Macht auf die neue Technik. China fördert Entwicklung<br />

und Bau von batteriebetriebenen<br />

Autos massiv. Niederlassungsvoraussetzung<br />

für ausländische Hersteller in China ist die<br />

Kooperation mit lokalen Anbietern. Konsequenz:<br />

Westliche Firmen müssen ihre Technologien<br />

offenbaren – und stärken so langfristig<br />

die Konkurrenz. Volkswagen hat für die in<br />

China geplanten Elektro- und Hybridautos die<br />

Marke Kaili eingerichtet. Daimler ist mit dem<br />

chinesischen Hersteller BYD verbandelt.<br />

Auch BMW gründet eine eigene Automarke im<br />

Riesenreich der Mitte – ohne die Marke BMW<br />

preiszugeben.


g How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY Consultants<br />

batterien wird sich bis 2020 ein Geschäftspotenzial<br />

von 4,8 Milliarden Euro ergeben.<br />

P<br />

remiumautos aus Deutschland sind<br />

eine Klasse für sich, hocheffiziente<br />

konventionelle Antriebe das Maß der<br />

fossilen Übergangstechnologie, die<br />

mehr für die Umwelt tun kann als Autos mit<br />

der Kraft aus der Steckdose. Auch beim<br />

Einstieg in Dienstleistungen zur Umsetzung<br />

von nachhaltigen Verkehrs- und Mobilitätskonzepten<br />

bewegt sich etwas. Kaum ein<br />

Großserienhersteller, der nicht an Carsharing-<br />

Projekten feilt, E-Bikes oder aufgerüstete<br />

Fahrräder in die Ausstellungsräume stellt.<br />

Nachhaltige Mobilität freilich sieht anders aus.<br />

Solche Konzepte verknüpfen eine neue Form<br />

der Automobilität (nutzen statt besitzen) mit<br />

einem barrierefreien Übergang zwischen Pkw,<br />

öffentlichem Transport und nichtmotorisiertem<br />

Verkehr. Dabei geht es darum, die knap-<br />

„<br />

pen Ressourcen Energie, Raum und Zeit so zu<br />

organisieren, dass eine lebenswerte, funktionsfähige<br />

und nachhaltige Stadtentwicklung<br />

möglich ist. Die Grabenkämpfe Auto versus<br />

Bus oder Bahn sind passé,<br />

sagen die Berliner<br />

Mobilitätsforscher<br />

Andreas Knie und Weert<br />

Canzler. Sie fordern "eine<br />

ganz neue postfossile<br />

Mobilitätskultur". Sie<br />

beginnt beim Verzicht<br />

auf das eigene Auto in<br />

der City.<br />

Carsharing-Programme<br />

wie Daimlers "car2go",<br />

"DriveNow" von BMW<br />

und Sixt, Volkswagens<br />

"Quicar"-Flotte oder "Mu by<br />

Peugeot" können das Verkehrschaos zwar<br />

nicht abwenden, aber zur Entlastung übervoller<br />

Innenstädte beitragen.<br />

Ein geteiltes Auto, hat <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> ermittelt,<br />

kann bis zu 38 andere Fahrzeuge<br />

ersetzen. Allerdings schlägt der Effekt erst<br />

mit dem Einstieg privater Gesellschaften<br />

und großflächiger Verbreitung voll durch.<br />

Der Haken: Carsharing, oft verpönt als<br />

Das<br />

Auto der<br />

Zukunft<br />

wird<br />

vernetzt<br />

sein<br />

Spielwiese für Bildungsbürger mit Weltverbesserungsanspruch,<br />

drückt in großem<br />

Umfang nicht nur auf den Absatz der Autofirmen.<br />

Flotteneinkäufer sind auch Gift für<br />

die Marge. Das wiederum schwächt den angestammten<br />

Handel. Der aber wird dringend<br />

gebraucht: Individuelle Mobilität ist beratungsintensiv.<br />

Andere Einnahmequellen und Geschäftsmodelle<br />

werden gesucht. Um die<br />

gewaltigen Investitionen zu schultern und<br />

Wissenslücken zu schließen, die der Aufbruch<br />

in das Ökozeitalter der Mobilität erfordert,<br />

schließen sich Autounternehmen reihenweise<br />

zusammen. Jeder kooperiert mit jedem – und<br />

darüber hinaus, wie das Beispiel Siemens und<br />

Volvo zeigt. Die Ausweitung der automobilen<br />

Wertschöpfungskette auf neue Dienstleistungen<br />

rund um das "intelligente Fahrzeug"<br />

ist entscheidend für ein nachhaltiges Wachstum<br />

der Branche – so eine weltweite Studie<br />

von IBM. Das vernetzte Automobil werde eine<br />

Schlüsselrolle bei der Etablierung neuer automobiler<br />

Mobilitätsprodukte und Dienstleistungen<br />

spielen. Telematik biete als Schlüsseltechnologie<br />

signifikante Entwicklungsmöglichkeiten<br />

für die Automobilindustrie.<br />

Der Markt, so die<br />

Untersuchung, werde sich<br />

„<br />

besonders durch das Zusammenspiel<br />

von Mobilitätsservices<br />

mit verschiedenen<br />

Verkehrsträgern<br />

stark verändern: "In diesem<br />

Ökosystem der neuen Mobilität<br />

ist es unverzichtbar,<br />

Allianzen sowohl mit<br />

industrienahen als auch<br />

industriefremden Partnern<br />

zu schließen, um schneller<br />

innovative Angebote bereitstellen<br />

zu können."<br />

Autobauer, Energie- und Informationsdienstleister<br />

suchen den Schulterschluss – der entscheidende<br />

Schritt zu einer neuen Industrieund<br />

Mobilitätskultur.<br />

Für die Automobilhersteller heißt das: Trends<br />

erkennen und sich an die Spitze der Bewegung<br />

setzen. Ältere Menschen etwa brauchen eine<br />

Technik, die leicht zu handhaben ist und<br />

Meilenstein in der Geschichte<br />

von BMW: Autos aus Kohleverbundstoffen<br />

deren Funktionen intuitiv zu steuern sind. Ihre<br />

Kinder und Kindeskinder hingegen wollen<br />

ihren Untersatz konfigurieren wie ihr Smartphone.<br />

Autos müssen perfekt in ihr Lebensmodell<br />

passen, ständig mit ihren Netzwerken<br />

verbunden sein – kaufen muss man sie dafür<br />

nicht unbedingt. Hauptsache sie sind da,<br />

wenn man sie braucht. Immer online, immer<br />

verbunden: "Das Automobil der Zukunft wird<br />

vernetzt sein – mit dem Umfeld, der Verkehrsinfrastruktur<br />

und mit der Welt des Internet",<br />

sagt Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender<br />

der Audi AG. Das Auto selbst wird zu einer rollenden<br />

Datenempfangs- und Sendestation,<br />

gesteuert von Stimmen, Touchscreen<br />

und Wischbewegungen wie beim iPhone.<br />

Eingebunden in neue Verkehrskonzepte<br />

und Informationssysteme erreicht es schneller,<br />

sicherer und umweltschonender sein Ziel.<br />

Autohersteller definieren ihre Rolle neu. Statt<br />

Schnittstellen zu bestimmen, agieren sie<br />

zunehmend als Integratoren elektronischer<br />

und elektrischer Anwendungen.


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 23<br />

Die Telekom hat dafür das eigene Geschäftsfeld<br />

"Vernetztes Fahrzeug" etabliert. Es soll<br />

"Wachstumspotenziale erschließen, die sich<br />

aus den veränderten Anforderungen an die<br />

Mobilität ergeben". Dabei setzt die Telekom<br />

auf Lösungen für sicheres und effizientes<br />

Fahren, eine ökonomisch und ökologisch<br />

sinnvolle Flottensteuerung und Möglichkeiten<br />

für vernetzte Elektroautos. Bei 350 Millionen<br />

Fahrzeugen allein in Europa sieht die Telekom<br />

"erhebliche Marktchancen".<br />

Daimlers car2go ist das Vorzeigeprojekt,<br />

das die Telekom mit umfassenden<br />

Leistungen in der M2M-Kommunikation<br />

(machine to machine) und in<br />

der Informationstechnik unterstützt. Es liefert<br />

spezielle M2M-SIM-Karten für den Einbau in<br />

die Smart-car2go-Autos und konfiguriert die<br />

entsprechenden Kommunikationsschnittstellen.<br />

Darüber hinaus übernimmt T-Systems<br />

wesentliche ICT-Services (Information and<br />

Communications Technology).<br />

Aus Sicht der Telekom ist die car-<br />

2go GmbH ein klarer Beleg für die<br />

wachsende Bedeutung von ICT für<br />

eine zukunftsorientierte Mobilität.<br />

Moderne M2M-Lösungen sind ein wesentlicher<br />

Baustein. "Die Anwendung, die wir für unseren<br />

Kunden car2go realisieren, zeigt das Potenzial<br />

für neue Geschäftsmodelle mit vernetzten<br />

Lösungen, die mit der immer leistungsstärkeren<br />

M2M-Technik möglich sind", sagt<br />

Horst Leonberger, Leiter des Konzerngeschäftsfelds<br />

Vernetztes Fahrzeug der Deutschen<br />

Telekom.<br />

In der Schnittstelle zwischen Elektrofahrzeug<br />

und Stromnetz wirken moderne IT-Technologien.<br />

Sie ermöglichen die Steuerung von Betriebs-,<br />

Abrechnungs- sowie Controllingprozessen<br />

und sorgen für den Austausch notwendiger<br />

Informationen zwischen Verkehrsnetz,<br />

Energieversorgung und Elektrofahrzeugen,<br />

z. B. für die Routen- und Ladeplanung, die<br />

Überwachung des Batterie- und Ladezustands,<br />

aber auch für die spätere Netzintegration von<br />

Elektrofahrzeugen in intelligente Stromnetze<br />

("smart grids"). Verkehrsmanagementsysteme<br />

entlasten die Straßen und sorgen<br />

für einen besseren Verkehrsfluss: Standstreifen<br />

werden freigeschaltet, Höchstgeschwindigkeiten<br />

geregelt. Individuelle Systeme<br />

navigieren um Staus herum und machen<br />

den Fahrer auf vor ihm liegende Gefahrenpunkte<br />

aufmerksam. Das Ziel: "Car-to-Car"-<br />

Kommunikation. Vorausfahrende Autos geben<br />

Informationen quasi in einem elektronischem<br />

Kettenbrief nach hinten weiter. Sie sehen<br />

"um die Ecke" – mit einem Durchbruch ist<br />

jedoch vor 2025 kaum zu rechnen. Künftige<br />

Assistenzsysteme machen das Fahren noch<br />

komfortabler. Videokameras beobachten<br />

andere Verkehrsteilnehmer und erkennen<br />

deren Absichten. Neue Navigationssysteme<br />

verwandeln die Fahrt in eine Erlebnistour.<br />

"Freude am Fahren" – für BMW hat der Slogan<br />

eine ganz besondere Bedeutung. Mit BMWi<br />

reklamiert die Gruppe nicht nur ihre Position<br />

als innovativster, sondern auch als "nachhaltigster<br />

Automobilhersteller der Welt". In New<br />

York legten die Bayern parallel <strong>zum</strong> Start ihrer<br />

i-Fahrzeugreihe die Beteiligungsgesellschaft<br />

iVenture auf. 100 Millionen Dollar sollen in<br />

die Entwicklung intelligenter Mobilitätsdienstleistungen<br />

fließen.<br />

Im Fokus: Lösungen zur besseren Nutzung<br />

von Parkraum, intelligente Navigationssysteme<br />

mit ortsabhängigem Informationsangebot,<br />

intermodale Routenplanung und<br />

Carsharing-Angebote. MyCityWay und ParkatmyHouse<br />

sind erste Beteiligungen an Unternehmen<br />

für internetbasierte Mobilitätsdienstleistungen.<br />

Bei ParkatmyHouse können Privatpersonen<br />

in London per Internet oder Smartphone-App<br />

ihren privaten Autostellplatz<br />

vermieten. MyCityWay ist eine mobile App,<br />

die für mehr als 40 Städte in den USA öffentliche<br />

Verkehrsmittel, verfügbare Parkplätze<br />

und lokale Unterhaltungsangebote anbietet.<br />

Weitere 40 Städte sollen folgen. Und es kommt<br />

noch dicker. "Wo endet das Auto und wo beginnt<br />

das Telefon?" fragt Chris Anderson,<br />

Chefredakteur von "Wired" im Rahmen der<br />

Audi Urban Future Initiative. Für ihn wird das<br />

Auto über kurz oder lang zu einem Computer<br />

auf Rädern, der mit allem und jedem kommuniziert,<br />

während sich der Fahrer fahren lässt wie<br />

von einer Geisterhand gesteuert. Neu? Alles<br />

schon dagewesen: Knight Rider lässt grüßen...


g How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Kann Print das<br />

Internet überleben?<br />

Anzeigenerlöse bröckeln, Jugendliche sitzen mehr vor dem Computer als vor<br />

dem Fernseher – das Internet und digitale Technologien werfen die Geschäftsmodelle<br />

der Medienindustrie über den Haufen. Gibt es bald keine Zeitungen mehr?<br />

Erstmals wurde 2010 auch in den<br />

USA mehr Geld für Werbung im<br />

Internet als in Printmedien ausgegeben:<br />

25,8 Milliarden Dollar. Zeitungen und Zeitschriften<br />

kamen nur auf 22,8 Milliarden Dollar.<br />

Seit 2006 hat sich der Etat für Printmedien<br />

mehr als halbiert. Für 2014 prognostizieren<br />

Marktbeobachter in den USA einen Etat<br />

für Onlinewerbung von 40 Milliarden Dollar.<br />

Grund: Das Internet bietet vielfältigere Werbeformen<br />

und einen direkteren Zielgruppenkontakt.<br />

Printmedien können da nicht mithalten.<br />

Der US-Zeitungsmarkt ist ein einziges<br />

Krisengebiet. Sogar die würdige "New<br />

York Times", das Leitmedium der globalen<br />

Intelligenz, rutschte in die Miesen. Von 2006<br />

fiel der Jahresumsatz der "Times" von<br />

3,3 Milliarden Dollar um über 27% auf 2,4<br />

Milliarden Dollar. 250 Millionen Dollar steckte<br />

der mexikanische Telekom-Milliardär Carlos<br />

Slim, angeblich der reichste Mann der Welt, in<br />

das Blatt, um es vor der Insolvenz zu retten.<br />

Jetzt ist der Kredit getilgt – dreieinhalb Jahre<br />

vor dem fälligen Termin. Wie das? 160 Jahre<br />

wurde die "Times" von Männern geführt. Jetzt<br />

befehligt erstmals eine Frau das Flaggschiff<br />

der US-Medienindustrie. Jill Abramson soll<br />

die "Graue Lady" fest im digitalen Zeitalter<br />

verankern. Vorbei sind seitdem die Zeiten der<br />

unbegrenzten und kostenlosen Nutzung der<br />

Website und der mobilen Angebote. Für den<br />

Zugang zur drittgrößten Zeitung der USA sind<br />

mindestens 15 Dollar für vier Wochen oder<br />

195 Dollar im Jahr fällig, wenn man mehr als<br />

20 Artikel im Monat auf der Website lesen will.<br />

Abonnenten der gedruckten Ausgabe haben<br />

weiter freien Zugang. Damit will die Zeitung<br />

den anhaltenden Rückgang bei den Print-<br />

Anzeigen kompensieren. Es ist der dritte Versuch,<br />

mit dem Internetangebot Geld zu verdienen<br />

– und der erste mit Erfolg. Rund 900.000<br />

Printverkäufe zählt das Blatt und schon annähernd<br />

230.000 digitale Abonnements.<br />

Deutschland steht nicht nach. Fast eine Ewigkeit<br />

scheint es her, da holten Tageszeitungen<br />

noch an die 70% ihrer Umsätze über das<br />

Anzeigengeschäft. 2009 rutschten die Anzei-


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 25<br />

generlöse in Deutschland um 700 Millionen<br />

Euro (minus 15,9%) auf etwa 3,9 Milliarden<br />

Euro ab. Mit knapp 4,5 Milliarden Euro (plus<br />

2,3%) verdienten die Verlage erstmals mehr<br />

Geld mit dem Verkauf ihrer Blätter als mit<br />

Anzeigen. Der Trend setzt sich fort. In den<br />

ersten Monaten 2011 ging nach Angaben<br />

des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger<br />

das Volumen der Zeitungsanzeigen<br />

um 4,2% zurück.<br />

Die Umverteilung von klassischen in digitale<br />

Medien hält an, der Vorsprung von TV und Zeitungen<br />

gegenüber der Onlinewerbung schmilzt.<br />

Der digitale Werbemarkt stieg nach Zahlen des<br />

Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband<br />

Digitale Wirtschaft 2010 um 26% auf<br />

5,4 Milliarden Euro. Der Anteil am Mediamix<br />

beträgt mit annähernd 20% fast ein Fünftel des<br />

Gesamtwerbemarkts. Damit hat das Internet<br />

2010 <strong>zum</strong> ersten Mal die Zeitungen (19%)<br />

knapp geschlagen und sich als zweitstärkstes<br />

Werbemedium im Mediamix positioniert.<br />

Für 2011 prognostiziert der OVK ein weiteres<br />

Wachstum der Online-Werbung von 16% auf<br />

über 6 Milliarden Euro Bruttowerbevolumen.<br />

Es zielt auf eine gewaltige Masse. Die Zahl der<br />

weltweiten Internetnutzer hat die Zwei-Milliarden-Marke<br />

überschritten. Im Jahr 2000 hatten<br />

gerade einmal 250 Millionen Menschen auf der<br />

Erde einen Internetanschluss.<br />

Die Internetverbreitung in Deutschland erreicht<br />

neue Rekordmarken: 51,7 Millionen Internetnutzer<br />

zählt die bundesweit repräsentative ARD/<br />

ZDF-Onlinestudie 2011. Dies entspricht einem<br />

Bevölkerungsanteil von 73,3% (2010: 69,4).<br />

Gegenüber dem Vorjahr kamen 2,7 Millionen<br />

neue Onliner hinzu. Neu ist, dass der Zuwachs vor<br />

allem auf das Interesse älterer Menschen zurück<br />

geht. 34,5% der über 60jährigen hängen mehr<br />

oder weniger regelmäßig im Netz, 23% mehr als<br />

2010. Auch die Anteile weiblicher und männlicher<br />

Internetnutzer nähern sich: 68,5% der Frauen<br />

(+ 8%) und 78,3% der Männer (+ 4) nutzen das<br />

Internet. Seit 2002 hat sich die tägliche Internetzeit<br />

von 30 auf 95 Minuten pro Tag erhöht.<br />

Die Hoffnungen ruhen auf dem<br />

Internet: 2010 gaben Advertiser<br />

in den USA erstmals mehr Geld<br />

für Werbung im Internet aus als<br />

in den Printmedien.


"In der App-Welt fangen wir gar nicht mit Gratiskultur<br />

an", sagt Georg Konjovic, Leiter der Premium<br />

Content Unit der Axel Springer AG selbstbwusst.<br />

4,6 Milliarden Dollar ließen sich Internet-Nutzer<br />

2010 weltweit ihre Musik-Downloads kosten – für<br />

Konjovic Grund genug, auch an "paid content" für<br />

Internet-Journalismus zu glauben. Und nicht nur<br />

daran: "Man darf den Leser nicht mit Dumpingg<br />

How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY Consultants<br />

2009 rutschten die Anzeigenerlöse<br />

in Deutschland um 700<br />

Millionen Euro (minus 15,9%)<br />

auf etwa 3,9 Milliarden Euro ab.<br />

Mit knapp 4,5 Milliarden Euro<br />

(plus 2,3%) verdienten die<br />

Verlage erstmals mehr Geld mit<br />

dem Verkauf ihrer Blätter als<br />

mit Anzeigen.<br />

Online-Nachrichtenportale von Zeitungen, Magazinen<br />

und TV-Stationen wachsen kontinuierlich<br />

mit. Die Zahl der Besuche stieg zuletzt nochmals<br />

um 25%. Die 20 größten Nachrichtenportale in<br />

Deutschland brachten es 2010 auf rund 8 Milliarden<br />

Visits. Spitzenreiter ist "Bild.de" mit einem<br />

Zuwachs von 46,3% auf 1,8 Milliarden Besuche.<br />

Dahinter folgt "Spiegel online"<br />

(1,5). Beide Portale erreichen zusammen einen<br />

Marktanteil von 40% unter den Top 20. Akribisch<br />

listete denn auch der "Spiegel" am Beispiel der<br />

Reaktorkatastrophe von Fukushima die<br />

Überlegenheit digitaler Nachrichtenverarbeitung<br />

auf: Am Freitag, 11. März 2011, bebte in<br />

Japan die Erde. Bald darauf überrollte der Tsunami<br />

weite Teile der nordöstlichen Küste Japans<br />

– die Topmeldung der Tagespresse am darauffolgenden<br />

Samstag. Doch nur Zeitungen mit<br />

relativ spätem Redaktionsschluss wussten, dass<br />

Japans Regierung den atomaren Notstand erklärt<br />

hatte, was Online schon freitags um 15.26 Uhr<br />

zu lesen war. Von den Ereignissen am Samstag –<br />

Kernschmelze, das Aufflammen der Atomdebatte,<br />

Reisewarnungen, die erste massive Explosion,<br />

beginnende Demonstrationen in Deutschland<br />

und Massenevakuierungen in Japan – erfuhren<br />

Zeitungsleser, die weder ihren Computer noch<br />

Fernsehen oder Radio eingeschaltet hatten, erst<br />

am Montag mit zweitägiger Verspätung. Deutlicher,<br />

folgert der "Spiegel", habe man selten vor Augen<br />

geführt bekommen, in welchem Maße das gedruckte<br />

Werk der Echtzeit-Berichterstattung bei elektronischen<br />

Medien heutzutage hinterherhinke.<br />

Die Umverteilung von klassischen Medien<br />

in digitale Medien hält an, der Vorsprung<br />

von TV und Zeitungen gegenüber der<br />

Online-Werbung schmilzt.<br />

Mit ihren eigenen Online-Medien schaden sich<br />

die Zeitungshäuser theoretisch zwar selbst,<br />

aber sie haben keine Wahl: Das Aktualitätsrennen<br />

haben Papier-Zeitungen schon lange verloren.<br />

Jetzt spielen ihre virtuellen Ausgaben auch bei<br />

Darstellung und Verfügbarkeit ihre Überlegenheit<br />

aus. 360-Grad-Fotos, HD-Videos wie aus dem<br />

Fernsehen und personalisierte Nachrichten –<br />

neue Möglichkeiten, mit denen sich etwa Rupert<br />

Murdochs iPad-Zeitung "The Daily" gegen etwa<br />

9000 andere Nachrichten-Apps durchsetzen<br />

will. "Neue Zeiten verlangen nach einem neuen<br />

Journalismus", sagte Murdoch bei der Präsentation<br />

im New Yorker Guggenheim-Museum.<br />

"Das iPad zwingt uns, unser Handwerk ganz neu<br />

zu erfinden". Er spricht von "digitaler Renaissance".<br />

Richtig Freude hat niemand daran, wenigstens<br />

im Moment noch nicht. Für den<br />

Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger<br />

(BDVZ) warten im Online-Geschäft<br />

"vor allem Herausforderungen". Zwar machten<br />

manche Verlage inzwischen "erfreuliche Umsätze",<br />

dennoch befinde sich die Branche "nach wie vor<br />

in einem schwierigen Transformationsprozess".<br />

Das Internet werde auch im Jahr 2011 die sinkenden<br />

Einnahmen der gedruckten Zeitungen<br />

in Deutschland nicht ausgleichen können. Der<br />

Appell: Beim Umgang mit den neuen Techniken<br />

"sollten wir nicht Fehler und Versäumnisse beklagen,<br />

sondern die Herausforderungen annehmen".<br />

Jahrelang hatten die Verlage ihre satten Profite<br />

wie mit dem Bagger ins Online-Geschäft geschaufelt<br />

und die geneigte Leserschaft mit immer<br />

neuen, besseren und schnelleren Angeboten an<br />

den kostenlosen Nachrichtenkonsum gewöhnt.<br />

Jetzt, wo das Geld knapp ist, sind Bezahl-Modelle<br />

umso schwieriger durchzusetzen.


think: act BUSiNESS Geschäftsmodelle 27<br />

REVOLUTION MIT ANGRy BIRD<br />

DEr MarKt FÜr VIDEOSPIELE BEFINDEt SICH IM UMBrUCH.<br />

INDUStrIE UND SPIELEr WaNDErN INS INtErNEt aB.<br />

Preisen verwöhnen, wenn man eines<br />

tages den Digital-Inhalt zu Printpreisen<br />

verkaufen will." Seit langem experimentiert<br />

Springer mit solchen Modellen.<br />

Die Zwischenbilanz im Sommer 2011:<br />

"BILD" verkauft täglich 124.000 digitale<br />

ausgaben, die "Welt" gerade 17.000.<br />

Die Papier-"Bild" liegt derzeit bei 2,9<br />

Millionen. Für Konjovic sagen die Zahlen,<br />

dass die digitalen Verkäufe zwar weit<br />

von den Print-Zahlen entfernt liegen,<br />

angesichts der momentanen Marktdurchdringung<br />

von tablets aber durchaus<br />

vielversprechend seien. "Sie bestätigen<br />

uns darin, unsere Initiative für kostenpflichtige<br />

Inhalte fortzusetzen." aktuelle<br />

Studien gehen davon aus, dass sich die<br />

Zahl der tablet-PCs in Deutschland von<br />

rund 2,5 Millionen in diesem Jahr auf<br />

nahezu 10 Millionen bis Ende 2014 vervierfachen<br />

wird.<br />

Die größte Hürde der Verlage: Die<br />

gratiskultur im Web ist fest in<br />

der Nutzer-DNa eingebaut. Weil<br />

es laut "Economist" noch kein<br />

geschäftsmodell gibt, das ausschließlich<br />

über zahlende Leser funktioniert, setzen<br />

Verlage auf "Freemium" (siehe Seite<br />

9). Diejenigen, die wie das "Wall Street<br />

Journal", die "New york times" oder die<br />

"Financial times" den Lesern <strong>zum</strong>indest<br />

einen teil der artikel gratis zur Verfügung<br />

stellen, verzeichnen kaum Einbußen bei<br />

Leserzahl und Werbung oder gewinnen,<br />

wie das "Wall Street Journal", sogar dazu.<br />

Die Zahlen klingen immer noch beeindruckend:<br />

1,56 Milliarden Euro gab 2010 der deutsche<br />

Markt für Computer- und Videospiele her, die<br />

per Datenträger oder Download vertrieben wurden.<br />

Insgesamt gingen knapp 58 Millionen Spiele<br />

über Ladentisch und Netz. Computerspiele legten<br />

um 7% auf 443 Millionen Euro Umsatz zu. auch<br />

Spiele für die stationären Konsolen Nintendo Wii,<br />

Sony PlayStation 3 und Microsoft Xbox 360 machten<br />

Boden gut: 3% auf 884 Millionen Euro. Lange<br />

nur etwas für Nerds, die sich stundenlang in ihren<br />

Zimmern einschließen, ist elektronisches Spielen<br />

"ein Massenphänomen", so der Branchenverband<br />

Nitcom.<br />

3% Wachstum soll der Markt nach Einschätzung<br />

des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware<br />

(BIU) im laufenden Jahr wachsen; Newzoo<br />

sagt sogar einen Zuwachs von 6% voraus.<br />

Doch die Freude darüber hält sich in grenzen,<br />

denn die Branche steht vor einem grundlegenden<br />

Umbruch. Industrie und Spieler wandern ab ins<br />

Internet.<br />

Browserspiele, Download- und Handyspiele<br />

öffnen den Videospielmarkt für Millionen von<br />

Menschen. "Die Videospielbranche ist dabei,<br />

unterzugehen", wütet Nintendo-Präsident<br />

Satoru Iwata. "angry Birds", ein Spiel, bei dem<br />

wütende Vögel per Steinschleuder auf Schweine<br />

und affen abgefeuert werden, um möglichst<br />

großen Schaden anzurichten, knackte im Mai<br />

2011 die Marke von 200 Millionen Downloads.<br />

Spiele für Smartphones haben sich zu einem<br />

Bombengeschäft entwickelt. anwender satteln<br />

nach angaben von Newzoo konsequent um<br />

und stecken deutlich weniger geld in Konsolenspiele<br />

als früher. Online und besondere "Social<br />

Spiele" federn Verluste der Konsolenindustrie<br />

fast vollständig ab. In großbritannien brach das<br />

geschäft mit Konsolengames zeitweise um mehr<br />

als ein Viertel ein. Dafür legte der Onlinemarkt<br />

um 66% zu.<br />

große Spielehersteller, über Jahre auf PC oder<br />

Spielkonsolen konzentriert, reagierten anfangs<br />

zögerlich. Doch jetzt erlebt die Branche "eine<br />

revolution", titelt die "Financial times Deutschland".<br />

Videospielehersteller suchten ihr Heil<br />

zunehmend im Internet und verschärften den<br />

Wettbewerb mit Onlinespieleherstellern. Die<br />

drei größten konsolenunabhängigen anbieter<br />

vertreiben immer mehr Spiele über das Onlinenetzwerk<br />

Facebook oder auf eigens dafür eingerichteten<br />

Internetplattformen. Um nicht unterzugehen,<br />

so die "FtD", änderten etablierte Hersteller<br />

ihr geschäftmodell drastisch. Das Internet ist die<br />

Zukunft.<br />

grund: Spielen lässt sich allein, zu mehreren,<br />

zu jederzeit und überall – und das auch noch<br />

vielfach umsonst. Beim "Free-to-play"-Konzept<br />

kosten erst umfangreichere Software, abos oder<br />

individuelle Einstellungen und Zusatzfunktionen,<br />

so genannte virtuelle güter, geld. auf ungfähr<br />

14 Milliarden Dollar jährlich schätzt der<br />

US-Marktforscher In-Stat den Weltmarkt dieser<br />

virtuellen güter im Jahr 2014, annähernd 250%<br />

mehr als 2007 (7,3 Milliarden Dollar).<br />

reine Onlineanbieter setzen voll darauf, herkömmliche<br />

Videospielehersteller ziehen nach.<br />

Wo es lang geht, zeigt z.B. Ubisofts Mehrspieler-<br />

Kriegsspiel ghost recon Online. Die Basisversion<br />

ist gratis. Wer den Spielfortschritt verkürzen oder<br />

aufrüsten will, muss in Waffen und gerät investieren.<br />

Der Clou: Der Sieg ist am Ende womöglich<br />

teurer erkauft als das kostenpflichtige Spiel im<br />

Computerladen.


g How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY Consultants<br />

Leben in der Wolke<br />

Hype oder Buzz? Virtuelle Rechenzentren geben der IT-Industrie ein neues<br />

Gesicht. Das Interesse ist gewaltig. Die Chancen und Risiken sind es auch.<br />

Das Zauberwort fiel spät, aber es fiel.<br />

Nach all den überwältigenden Zahlen<br />

<strong>zum</strong> Geschäftsverlauf, den bejubelten<br />

Features neuer Betriebssysteme und den<br />

Standing Ovations war da endlich "one more<br />

thing", noch eine andere Sache. Andächtig<br />

hielten rund 4.000 Teilnehmer der Apple<br />

Worldwide Developers Conference in San<br />

Francisco den Atem an. Doch wer früh auf<br />

das iPhone 5 gehofft oder insgeheim einen<br />

iMac mit Touchscreen herbeigefleht hatte,<br />

wurde herbe enttäuscht. Die Überraschung<br />

verschwand in einer Wolke. iCloud nennt sich<br />

das virtuelle Gebilde, in dem sich die Apple-<br />

Gemeinde künftig vorwiegend aufhalten soll.<br />

"Mühsam" und "frustrierend" sei es, Daten auf<br />

unterschiedlichen Geräten immer wieder<br />

zu synchronisieren. "iCloud", ließ das Kultlabel<br />

aus seinem Hauptquartier im kalifornischen<br />

Cupertino verlauten, "hält alle wichtigen<br />

Informationen und Inhalte auf allen Geräten<br />

eines Anwenders auf dem aktuellsten Stand."<br />

Dokumente, Bilder, Musik – alles soll überall<br />

verfügbar sein. Auf dem Rechner zu Hause<br />

oder unterwegs auf dem Handy. Sobald sich<br />

etwas auf einem Gerät ändert, werden alle<br />

anderen aktualisiert. Automatisch, drahtlos,<br />

einfach, schnell und – weitgehend kostenlos.<br />

Die CeBIT hat "Cloud Computing" <strong>zum</strong><br />

Buzzword der IT-Industrie gemacht. Microsoft,<br />

SAP, Google oder Amazon surfen schon seit<br />

geraumer Zeit auf der Wolke.


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 29<br />

"Dramatische Veränderungen" in der IT-Industrie<br />

dämmern dem Bundesverband Informationswirtschaft,<br />

Telekommunikation und neue<br />

Medien (BITKOM) schon lange. Für den Münchner<br />

Elektronikriesen Siemens vollzieht sich<br />

sogar ein "Paradigmenwechsel". Cloud Computing<br />

manifestiere sich zunehmend im Markt<br />

mit innovativen Lösungen, "die das Geschäftsmodell<br />

etablierter IT-Anbieter bedrohen."<br />

Cloud Computing kombiniert bekannte Technologien<br />

mit neuen Konzepten und bietet für<br />

die Geschäftsmodelle von IT-Anwendern und<br />

-Anbietern völlig neue Möglichkeiten: IT-Leistungen<br />

– Software, Plattformen für die Entwicklung<br />

und den Betrieb von Anwendungen<br />

sowie Basisinfrastruktur wie beispielsweise<br />

Speicherplatz – werden bedarfsgerecht und<br />

flexibel in Echtzeit als Service über das Internet<br />

oder innerhalb eines Firmennetzwerks<br />

bereitgestellt und nach Nutzung abgerechnet.<br />

Einer der vielen Vorteile für die Anwender:<br />

Aus fixen Investitionen werden variable<br />

Kosten. Die Verarbeitung und das Speichern<br />

von Daten, die Bereitstellung der Ergebnisse,<br />

all dies geschieht in der Wolke, dem virtuellen<br />

Rechenzentrum eines Dienstleisters.<br />

Updates, Softwarepflege, Sicherungskopien,<br />

Wartung oder Hardware waren gestern.<br />

Schier unerschöpfliche IT-Ressourcen und<br />

ein System, das immer auf dem neuesten<br />

Stand und allzeit bereit ist – das ist heute<br />

und morgen. Dr. Martin C. Wittig, CEO von<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>, fühlt sich an das Ende des<br />

vergangenen Jahrhunderts zurückversetzt.<br />

Damals hatte die Just-in-Time-Produktion die<br />

deutsche Automobilproduktion revolutioniert.<br />

"Lieferung exakt <strong>zum</strong> sinnvollsten Zeitpunkt –<br />

von der Dimension her gilt das auch für<br />

die Cloud Economy. Nur geht es diesmal um<br />

Daten. Sie sind in Echtzeit exakt dann vorhanden,<br />

wenn man sie braucht."<br />

Beeindruckend", staunt der exzentrische<br />

Internet-Strategieberater, Autor<br />

und Blogger Sascha Lobo. "Dank Cloud<br />

Computing kannst du auf extrem komplexe<br />

Software zurückgreifen, für die du sonst<br />

ganze Serverfarmen unterhalten müsstest.<br />

Zusätzliche Rechenpower und Softwareintelligenz<br />

sind maßgeschneidert." Die Preise:<br />

"Lächerlich gering." Die Dimension von Cloud<br />

Computing ist neu, das Prinzip nicht. Cloud<br />

Services gibt es schon lange im Netz. Wer<br />

Mails über Microsoft oder Google verschickt<br />

und empfängt, wandelt schon lange im Nirgendwo.<br />

Die Daten werden nicht auf der<br />

Festplatte des Rechners, sondern auf Webservern<br />

gespeichert, von denen man nicht<br />

weiß, wo sie stehen. Unternehmen, die auf<br />

gehostete Exchange-Server zugreifen, geht<br />

es nicht anders. Doch was derzeit stattfindet,<br />

ist für Siemens "die Industrialisierung von<br />

IT-Dienstleistungen auf der Basis hochstandardisierter<br />

Applikationen". Die klassische,<br />

lineare Wertschöpfungskette von IT-Services,<br />

die sich von der Beratung über das Design,<br />

die Implementierung und den Betrieb von<br />

Lösungen und IT-Infrastrukturen bis hin zur<br />

Wartung erstreckt, verändert sich grundlegend.<br />

Kostensenkung und Vereinfachung<br />

sind die Treiber.<br />

Cloud Services gibt es schon lange im Netz. Wer z. B. Mails über Microsoft oder Google verschickt und empfängt,<br />

dessen Daten werden auf Webservern gespeichert, von denen man nicht weiß, wo sie stehen.<br />

"Evolution der Technik, Revolution im Geschäft",<br />

posaunt BITKOM. Jeder sei betroffen.<br />

Der Bedarf an technischer Infrastruktur sinke,<br />

weil die Dienste zentralisiert und konzentriert<br />

werden. Für Softwareanbieter verschiebt<br />

sich das klassische Lizenzgeschäft hin zur<br />

Bereitstellung und Betreuung von Software als<br />

Dienstleistung über das Internet ("software as<br />

a service"). "Hardware-Hersteller", so Martin<br />

Jetter, Vorsitzender der Geschäftsführung von<br />

IBM Deutschland, "werden wenige, dafür große<br />

Cloud-Rechenzentren beliefern." Kleine und<br />

neugegründete Unternehmen profitieren besonders.<br />

Durch das Internet werden Innovationen<br />

beschleunigt und kreative Ideen<br />

professionell umgesetzt. Gründer und Entwickler<br />

finden sich in virtuellen Unternehmensverbünden<br />

zusammen,<br />

um ihre Produkt- und Service-<br />

Angebote auszuweiten.<br />

Große Investitionen<br />

sind dafür nicht<br />

unbedingt nötig.<br />

25%<br />

sämtlicher<br />

IT-Leistungen werden<br />

bis 2013 voraussichtlich von<br />

Cloud Computing Lösungen<br />

erbracht.<br />

Mittelständische Firmen wiederum<br />

können im globalen Wettbewerb<br />

auf dynamische IT-Lösungen<br />

zurückgreifen, die bislang größeren<br />

Unternehmen mit entsprechenden<br />

IT-Abteilungen vorbehalten waren. Deren<br />

interne IT ist meist auf Höchstlast ausgelegt.<br />

Mit Cloud Computing können Bedarfsspitzen<br />

schnell und günstig abgefedert werden. IT-<br />

Dienstleister wie IBM oder der Softwareriese<br />

SAP mischen kräftig mit. Computerprogramme<br />

gibt es nunmehr nicht nur fein abgepackt<br />

in Geschäften, sondern auch im Netz. Mit<br />

Microsofts Office 365 etwa können Nutzer<br />

weltweit ihre Word-Dokumente und Power-<br />

Points bearbeiten und teilen – gleichgültig mit<br />

wem, wo und wann. Nur eine Voraussetzung<br />

gibt es: den Anschluss an das Internet. Chats,<br />

Videokonferenzen und geteilte Websites<br />

erleichtern die Teamarbeit. Office 365 ist<br />

Microsofts Antwort auf die kostenlosen Google<br />

Docs. Der Web-Editor gilt als einer der besten<br />

und umfangreichsten für Office-Dokumente.<br />

Die können in der Cloud von jedem Rechner


g How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY Consultants<br />

geteilt und bearbeitet werden. Konkurrenz<br />

<strong>zum</strong> klassisch installierten Office-Paket ist<br />

Microsofts Cloud-Office-Version allerdings<br />

nicht. Im Gegensatz zu Windows SkyDive Live,<br />

das auf Privatnutzer zielt, richtet sich Office<br />

365 vor allem an kleine Unternehmen ohne<br />

eigene IT-Abteilung und Serverausstattung.<br />

"Mit Cloud Computing ist es nicht mehr nötig,<br />

dass jedes Unternehmen sein eigenes<br />

Rechenzentrum betreibt", sagt SAP-Vorstandssprecher<br />

Jim Hagemann Snabe. Unternehmen<br />

könnten ihre Daten in riesigen Rechnerfarmen<br />

von Drittanbietern sicher und zuverlässig speichern<br />

und sie im Bedarfsfall durch die neuesten<br />

Versionen von Mietsoftware für ihre jeweiligen<br />

Geschäftsprozesse analysieren lassen.<br />

SAP vertreibt neue Geschäftssoftware für den<br />

Mittelstand ausschließlich vom hauseigenen<br />

Datenzentrum über das Internet.<br />

Einer Umfrage des führenden US-<br />

Analystenhauses Gartner zufolge<br />

sehen 2.000 Technikvorstände in<br />

Großunternehmen aller Branchen und<br />

in aller Welt in der Datenwolke die wichtigste<br />

Neuerung in der IT-Technologie der kommenden<br />

Jahre. 2010 wurden nach Angaben der<br />

Marktforscher weltweit bereits 53 Milliarden<br />

Euro mit Cloud Computing erlöst. 2014<br />

könnten es schon 115 Milliarden Euro sein.<br />

Das IBM Institute for Business Value befragte<br />

weltweit mehr als 3.000 CIOs aus 71 Ländern<br />

und 18 Branchen. Resultat: Cloud Computing<br />

wird für 60% der Beteiligten in den kommenden<br />

fünf Jahren ein <strong>Thema</strong>. 2009 hatten nur<br />

30% daran geglaubt. Allein in Deutschland soll<br />

der Umsatz nach Schätzungen von BITKOM<br />

im Jahr 2011 um rund 55% auf 3,5 Milliarden<br />

Euro steigen, bis 2015 sogar auf 13 Milliarden<br />

Euro. 1,9 Milliarden Euro Umsatz entfallen<br />

derzeit auf den Geschäftskundenbereich.<br />

Die Wachstumsraten liegen in diesem Segment<br />

aktuell bei 70%. Bis 2013, erwarten<br />

Marktanalysten von Forrester oder Gartner,<br />

erbringen Cloud Computing Solutions rund<br />

25% sämtlicher IT-Leistungen .<br />

Die zunehmende Zentralisierung der Speicherung,<br />

Analyse und Verarbeitung elektronischer<br />

Daten aller Art werde nicht nur die<br />

Auslastung großer Rechenzentren deutlich<br />

erhöhen und die IT-Branche in den kommenden<br />

Jahren kräftig wachsen lassen, sagt<br />

BITKOM. Sie mache auch ganze Industrien<br />

wie den Maschinen- und Autobau oder die<br />

Stromversorgung effizienter und produktiver.<br />

Darüber hinaus biete sie Privatkunden<br />

ein Vielfaches ihrer bisherigen technischen<br />

Möglichkeiten. Vier von zehn deutschen<br />

IT-Managern gehen davon aus, dass Server-<br />

Virtualisierung die Kosten im Datacenter<br />

bis auf die Hälfte reduzieren wird. Weitere<br />

44% rechnen mit Einsparungen von bis zu<br />

einem Viertel. 7% erwarten sogar eine Ersparnis<br />

von bis zu drei Vierteln der bisherigen<br />

IT-Ausgaben. Dies geht aus dem<br />

Cisco Connected World Report hervor, für<br />

den 1.500 Personen befragt wurden.<br />

Danach wird in den nächsten drei Jahren<br />

der Virtualisierungsgrad produktiver Server-<br />

Systeme in deutschen Rechenzentren die<br />

Marke von 50% übersteigen. Eine große<br />

Mehrheit von 88% der IT-Verantwortlichen<br />

will laut Cisco innerhalb der nächsten drei<br />

Jahre Anwendungen und Daten <strong>zum</strong>indest<br />

teilweise in eine Private oder Public Cloud<br />

verlagern. E-Mail-Dienste, aber auch die<br />

Services von Amazon sind Public Clouds. Bei<br />

der Private Cloud dagegen betreibt der Kunde<br />

das Rechenzentrum entweder in Eigenregie<br />

oder lässt es von einem externen Dienstleister<br />

nach seinen Vorgaben managen. Die Dienste<br />

werden individuell angepasst.<br />

Deutschland gilt – mit Brasilien, Indien und<br />

den USA – als Vorreiter. 93% der IT-Verantwortlichen<br />

in Wirtschaft und öffentlichen<br />

Verwaltungen halten nach einer Umfrage<br />

des Datenintegrationsanbieters Informatica<br />

Cloud Computing für einen "Schlüssel <strong>zum</strong><br />

Erfolg". Ohne Einsatz dieser Technologie<br />

würden sie mit den Veränderungen in der IT<br />

nicht Schritt halten und als Unternehmen die<br />

Wettbewerbsfähigkeit verlieren.<br />

Nach der Krise ist vor der Krise. Kostensenkung<br />

ist für fast alle IT-Chefs<br />

(98%) das oberste Gebot. 87% der<br />

Befragten versprechen sich von der<br />

Cloud-Nutzung mehr Agilität und einen einfacheren<br />

Zugriff auf Geschäftssoftware.<br />

Rund zwei Drittel (67%) erwarten größere<br />

wirschaftliche Leistungsfähigkeit durch die<br />

Cloud. Kaum weniger, nämlich 62%, halten<br />

die Cloud für eine Plattform, die zu kreativeren<br />

Services führen wird. Media Markts neue<br />

Internetplattform Juke wird, anders als<br />

Apples iTunes, nicht auf einem Gerät installiert,<br />

sondern über eine digitale Wolke gestreamt.<br />

Für etwa zehn Euro im Monat kann<br />

der Kunde Musik mieten. 13 Millionen Titel<br />

sind verfügbar.<br />

"Die Cloud ist unausweichlich und wird den<br />

IT-Markt grundsätzlich verändern", sagt Micro-


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 31<br />

DIE ENTWICKLUNG IN RICHTUNG DER CLOUD Economy<br />

NUTZEN<br />

• Traditionelle<br />

Wirtschaft<br />

• Handarbeit und<br />

landwirtschaftliche<br />

Produkte<br />

• Merkantilismus und<br />

Feudalwirtschaft<br />

TRADITIONELLE<br />

Wirtschaft<br />

• Schneller technologischer<br />

Fortschritt<br />

• Breite Palette von Gütern<br />

und Dienstleistungen<br />

• Kommunikation als<br />

Einbahnstraße<br />

• Zeit vor der Internet-Ära<br />

Verarbeitende<br />

Wirtschaft<br />

Digitale<br />

Wirtschaft<br />

• Wohlstand wird durch<br />

Anwendung von Wissen<br />

geschaffen<br />

• Der Inhalt zählt:<br />

Kommunikation erfolgt<br />

in beide Richtungen<br />

CLOUD<br />

Economy<br />

• Vorherrschaft sozialer Online-Netzwerke<br />

im Internet<br />

• Soziale Komponenten als Teil von Geschäftsmodellen<br />

• Demokratisierung der grundlegenden<br />

Computerressourcen<br />

• Die IT erfolgt "just in time"<br />

• Der Zugang zu Werkzeugen für die Zusammenarbeit<br />

und Verbindung ist problemlos und weit verbreitet<br />

• Kommunikation über verschiedene Ebenen<br />

„<br />

soft-CEO Steve Ballmer. Telekom-Vormann<br />

René Obermann ist vorsichtiger: Am Ende<br />

ist für den Erfolg von Cloud Computing vor<br />

allem entscheidend, dass die IT in der Wolke<br />

funktioniert. Und zwar<br />

rund um die Uhr."<br />

BIS 1800 BIS 1950 BIS 2010 AB 2010<br />

Als hätte er die spektakuläre<br />

Datenpanne bei<br />

Amazons Web Services<br />

vorausgesehen, bei der<br />

viele Kundendaten unwiderruflich<br />

verloren<br />

gingen. "Cloud Computing<br />

am Ende?", fragte daraufhin bange die<br />

Schweizer "Computerwoche". Blogger ätzten:<br />

"Von der Wolke geradewegs in die Hölle."<br />

Die Hoffnungen, die auf Cloud Computing<br />

ruhten, kommentierte die "Financial Times",<br />

seien riesig. "Doch der Glaube ist zerbrechlich."<br />

Er verlange ein Höchstmaß an Sicherheit,<br />

Stabilität und Transparenz.<br />

Crash bei Amazon, Daten von Millionen<br />

Sony-Kunden frei verfügbar im Internet,<br />

Sicherheitslücken beim iPhone und iPad,<br />

Datenweitergabe bei TomTom und umfangreiche<br />

Hackerangriffe, um Wikileaks zu<br />

rächen: Die blitzsaubere Value Proposition der<br />

Cloud-Anbieter, wonach der Kunde den Service<br />

konsumiert, während der Dienstleister sich<br />

um alles andere<br />

kümmert, hat<br />

hässliche<br />

Kratzer abgekommen.<br />

Studien<br />

besagen, dass<br />

jedes fünfte<br />

Unternehmen<br />

auf die Nutzung<br />

der Potenziale des Cloud Computing verzichtet<br />

– aus Angst vor dem Datenklau. Pannen<br />

treiben sie wieder schnell in die vermeintliche<br />

Sicherheit ihrer eigenen Rechenzentren.<br />

Am Ende ist für den<br />

Erfolg von Cloud Computing<br />

vor allem entscheidend,<br />

dass die IT in der Wolke<br />

funktioniert<br />

„<br />

Das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie<br />

kann die Sorgen verstehen.<br />

"Wie auch bei herkömmlichen<br />

IT-Anwendungen müssen Unternehmen<br />

damit rechnen, dass ein Cloud Service nicht<br />

jederzeit bereitsteht, Daten gelöscht oder<br />

in fremde Hände geraten könnten", sagt die<br />

Informatikerin Angelika Ruppel. Allerdings:<br />

"Der Einsatz von Cloud Services kann in<br />

manchen Fällen sogar die Sicherheit erhöhen."<br />

Möglich machen das standardisierte<br />

Sicherheitslevel – von der Überwachung<br />

der Gebäude, in denen Rechner stehen,<br />

über Zugangsbeschränkungen bis hin zur<br />

verschlüsselten Datenübertragung.<br />

Service Level Agreements lege die Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

fest. Sonderwünsche<br />

erfüllen Cloud Anbieter wie Ausstattungsdetails<br />

bei Luxusautomobilen.<br />

Entscheidend ist am Ende der Preis.<br />

Die Botschaft kommt an: Wenige<br />

Woche nach dem Datendesaster<br />

bei Amazon stellte SAP Lösungen<br />

wie SAP-Rapid-Deployment und SAP-<br />

Business Objects in die Amazon-Cloud<br />

Web Services ein. "Amazons Cloud-Plattform<br />

ist SAP-zertifiziert", jubelte der Anbieter<br />

wie nach einem Ritterschlag. Tests hätten<br />

gezeigt, dass der Applikationsbetrieb in<br />

Amazons Rechenzentren den Leistungsanforderungen<br />

standhält.


Who<br />

ROLAND BERGER STRATEGY Consultants<br />

7Fragen an Cédric Ochsner,<br />

<strong>COO</strong>, Chocolat Frey AG<br />

in über 50 Länder auf allen 5 Kontinenten<br />

Cédric Ochsner,<br />

47, begann 1980 als<br />

Lehrling in der Süßwarenbranche.<br />

Neun Jahre später<br />

schloss er neben dem Job seine<br />

Weiterbildung <strong>zum</strong> Produktionsfachmann<br />

mit der Meisterprüfung<br />

ab, absolvierte danach ein<br />

Studium <strong>zum</strong> Lebensmittelingenieur<br />

und beendete seine Ausbildung<br />

berufsbegleitend mit dem Executive<br />

MBA an der Hochschule St. Gallen.<br />

Seine berufliche Karriere<br />

startete Ochsner bei Halba und<br />

Lindt & Sprüngli (Schweiz) AG.<br />

Zu Frey kam er 2002, zunächst<br />

als Prozessleiter Confiserie.<br />

2007 wurde er Chief Operating<br />

Officer der Chocolat Frey AG,<br />

ab dem 01. Januar 2012 wird er<br />

es auch bei der Migros-Tochter<br />

Delica AG.<br />

1. Warum braucht Sie<br />

die Chocolat Frey AG?<br />

Chocolat Frey ist das komplexeste Schokoladenwerk<br />

in Europa. Wir produzieren rund<br />

2.800 verschiedene Produkte. Andere namhafte<br />

Schokoladeproduzenten sind entweder<br />

auf ein enges Sortiment spezialisiert, oder<br />

sie produzieren in verschiedenen Betrieben.<br />

Wir dagegen haben nur einen Standort in<br />

Buchs. Dort findet die gesamte Wertschöpfung<br />

statt. Jeden Tag verlassen rund 500.000<br />

Tafeln Schokolade unser Werk. Das sind 200<br />

Tonnen Schokolade. Dazu kommt: Als Teil<br />

von Migros beliefern wir nicht nur das größte<br />

Einzelhandelsunternehmen der Schweiz, sondern<br />

wir exportieren unsere Schokoladen in<br />

über 50 Länder auf allen fünf Kontinenten. Der<br />

Export ist unser Wachstumsgeschäft. Wir stellen<br />

auch eine Vielzahl von Eigenmarken her,<br />

die es fast überall auf der Welt zu kaufen gibt.<br />

Das alles ist eine ungeheure Herausforderung<br />

– für mich persönlich, aber natürlich auch für<br />

das gesamte Team.<br />

2. WIE DEFINIEREN SIE<br />

IHRE ROLLE?<br />

Ständige Verbesserung der Lieferfähigkeit,<br />

Sicherstellung der Produkte-Qualität, Anpassung<br />

der Herstellkosten an die jeweilige Situation<br />

– dies ist mein Hauptaufgabengebiet,<br />

ganz klar. Innovationsmanagement ist ein<br />

weiteres wichtiges Feld. Man darf nicht vergessen:<br />

Die Konkurrenz ist enorm stark. Deshalb<br />

beschränken wir uns nicht auf Produktinnovationen,<br />

sondern wir behalten den gesamten<br />

Prozess im Auge. Der beginnt beim<br />

ersten Kundenkontakt und endet mit der<br />

pünktlichen Belieferung von Schokoladen in<br />

der richtigen Menge und in der besten Qualität.<br />

3. Hat Produktion in der<br />

Schweiz eine Zukunft?<br />

Schokolade hat in der Schweiz einen sehr hohen<br />

Stellenwert. Sie gehört zu uns, wie die<br />

Uhren zu uns gehören. Menschen im Ausland<br />

denken an die Berge, wenn sie unsere Schokolade<br />

genießen. Die Schweizer haben die Schokolade,<br />

wie man sie heute kennt, nicht bloß<br />

erfunden, sondern sie beschäftigen seit Generationen<br />

Chocolatiers. Allein das Wort zergeht<br />

einem auf der Zunge. Mit ihrem einzigartigen<br />

Können und ihrer Erfindungsgabe stehen sie<br />

nicht nur für die Vergangenheit, sondern für<br />

die Zukunft der Schweizer Schokolade. Ich bin<br />

davon überzeugt – allerdings nur unter einer<br />

Prämisse: Wir müssen es weiter schaffen,<br />

unserem Qualitätsanspruch treu zu bleiben.<br />

Wir dürfen nicht nachlassen. Andererseits: Der<br />

Standort Schweiz ist nicht der leichteste. Wir<br />

sind hier heute viel mehr gefordert als früher.<br />

4. Sitzen Sie zwischen<br />

den Stühlen?<br />

Unangenehme Frage. Hätten Sie mich statt<br />

dessen gefragt, ob ich im Sandwich bin, dann<br />

hätte ich geantwortet: Ja. Und das in der<br />

Mitte ist bekanntlich am besten! Klar, die<br />

Anforderungen an Operations sind oft divergierend.<br />

Das ist aber letztendlich nur so etwas<br />

wie interner Wettbewerb. Wichtig ist für mich<br />

eine offene, transparente Kommunikation<br />

zu Chancen und Risiken, immer direkt und<br />

ungefärbt. Das ist für mich die Basis erfolg-


think: act BUSiNESS Geschäftsmodelle 33<br />

reichen <strong>COO</strong>-Managements. Ich betreibe keinen<br />

Kraftsport, sondern ich bin ausdauersportler.<br />

Man muss in dieser Position einen langen atem<br />

haben. Das spornt mich an und hält mich fit.<br />

5. WAS BESchäFtiGt SiE<br />

AM MEiStEN?<br />

Lernen! Hinsehen statt Wegschauen. Fehler<br />

von gestern sind die Chancen von morgen.<br />

Die Dinge, die funktionieren, lasse ich laufen,<br />

diejenigen, die nicht funktionieren, fasse<br />

ich an. Manche Menschen machen dabei<br />

den Fehler, in aktionismus zu verfallen. Ich<br />

halte es für richtig, Veränderungen so vorzunehmen,<br />

dass sie als natürlich wahrgenommen<br />

und akzeptiert werden können – wie<br />

wenn es nie anders war und nur so richtig<br />

ist. Dazu gehört viel Fingerspitzengefühl.<br />

Hinzu kommt der weitere ausbau einer<br />

sogenannten Schwarmintelligenz. Das<br />

bedeutet Informationsaustausch aus erster<br />

Hand über zwei Hierarchieebenen, auswahl<br />

und Platzierung der Schlüsselpositionen<br />

im Prozess, sprich Multiplikatoren, Change<br />

Management, Übertragung von<br />

Verantwortung und Empowerment.<br />

6. WiE NUtZEN SiE ihRE<br />

RESSOURcEN?<br />

Ich glaube an Menschen, nicht an Prozesse.<br />

Menschen brauchen Informationen und klare<br />

Übertragung von Verantwortung – dann können<br />

sie sich ganz einbringen. Niemand macht<br />

gerne Fehler. Ich lasse meine Mitarbeiter Erfolge<br />

feiern. Lob ist ungeheuer wichtig. Lob und<br />

Verantwortung sind die stärksten Motoren der<br />

Motiviation.<br />

7. WOFüR StEhEN SiE?<br />

Ich stehe für eine Leistungskultur,<br />

die aber auch ruhig Spaß machen<br />

darf. Ich stehe für konsequentes<br />

Handeln und<br />

die Unteilbarkeit von<br />

übertragener<br />

StEckBRiEF: chOcOLAt FREy AG<br />

Verantwortung. Nicht Prozesse<br />

dürfen über den Erfolg einer Unternehmung<br />

entscheiden, sondern<br />

die Menschen, die komplizierte und<br />

komplexe Prozesse ausgestalten<br />

und sie laufend optimieren.<br />

Die chocolat Frey AG mit Sitz in Buchs im Schweizer<br />

kanton Aargau ist hersteller von Schokolade und kaugummi.<br />

Das 1887 gegründete Unternehmen gehört seit 1950 <strong>zum</strong><br />

Detailhandelskonzern Migros. Die Produkte werden einerseits<br />

für die Migros-Genossenschaften hergestellt und in<br />

deren Filialen verkauft, andererseits heute in über 50 Länder<br />

auf allen 5 kontinenten exportiert. Daneben werden auch<br />

Gastronomiebetriebe, Großverbraucher und die weiterverarbeitende<br />

industrie beliefert. Der Export trägt rund ein Drittel<br />

<strong>zum</strong> Umsatz bei.<br />

Mit rund 39% Marktanteil ist die chocolat Frey AG Schweizer<br />

Marktführer als Schokoladenproduzent. Das Unternehmen<br />

beschäftigt über 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

und erzielte 2010 einen Bruttoumsatz von 404 Millionen<br />

Schweizer Franken.<br />

http://www.chocolatfrey.ch


What<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Übernahmen:<br />

Erfolgreich<br />

in drei Schritten<br />

Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise bringt das M&A-Karussell<br />

in Schwung. Doch so häufig Übernahmen stattfinden, so gehen sie fast<br />

ebenso häufig schief. Der größte Stolperstein: falsches Integrations- und<br />

Synergiemanagement. Erfolgreiche Post Merger Integration antizipiert<br />

und eliminiert frühzeitig erkennbare Schwachpunkte und Fehlerquellen.<br />

Ein neuer Beratungsansatz von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> ermöglicht messbare<br />

Fortschritte bei der Suche nach sowie der Priorisierung und Umsetzung von<br />

werthaltigen Gemeinsamkeiten.<br />

Weitere Themen in der <strong>COO</strong>-Werkstatt: Warum sich Top-Einkäufer in<br />

Unternehmen von Kostenkillern zu Smart-Value-Engineers entwickeln – Wo<br />

in energieintensiven Branchen die größten Effizienz-Reserven stecken –<br />

Und wie Automobilzulieferer nach Rekorderergebnissen im Boomjahr 2011<br />

auch bei nachlassender Weltkonjunktur profitabel bleiben können.


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 35


g What<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Mergers & Acquisitions:<br />

Erfolgreiches PMI-Synergiemanagement<br />

Die Zahl der M&A Aktivitäten steigt wieder, nur oft lassen Unternehmen viel Potenzial auf dem Weg liegen.<br />

Eine Studie von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> identifiziert die wesentlichen Erfolgsfaktoren.<br />

Der Pekinger Autohersteller Youngman und<br />

das Großhandelsunternehmen Pang Da kaufen<br />

die schwedische Automarke Saab. Google<br />

verleibt sich für 12,5 Milliarden Dollar Motorola<br />

Mobility ein. Der US-Pharmadienstleister<br />

Express Scripts schluckt den Rivalen Medco<br />

Health Solutions. Microsoft kauft Skype, und<br />

Volkswagen holt mit MAN <strong>zum</strong> großen Schlag<br />

auf dem internationalen Nutzfahrzeugmarkt<br />

aus – Wirtschaftskrise hin, Staatenkrise her:<br />

Das Geschäft mit Übernahmen und Fusionen<br />

tobt in den Schlagzeilen der Wirtschaftspresse,<br />

als gäbe es kein Halten mehr.<br />

Rezessionsängste treiben die Spekulation,<br />

Globalisierung füttert Merger Mania. Allein<br />

2010 stieg nach Berechnungen von <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong> Strategy Consultants das M&A-Volumen<br />

außerhalb von Europa und USA um stolze 46%.<br />

Übernahmen und Fusionen sind für viele<br />

Unternehmen das Allheilmittel gegen Umsatzschwund<br />

und Kostenexplosion. Doch so<br />

häufig die Transaktionen gut gehen, so häufig<br />

scheitern sie: Synergien lassen sich nicht wie<br />

erhofft heben. Wichtige Mitarbeiter sind ohne<br />

erkennbare Zukunftsaussichten demotiviert<br />

oder kündigen. Chaos herrscht, wo eigentlich<br />

ein strukturierter Plan umgesetzt werden<br />

sollte. PMI-Synergiemanagement birgt viele<br />

versteckte Risiken. Ein neuer Beratungsansatz<br />

von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> ermöglicht messbare<br />

Fortschritte bei der Priorisierung und Umsetzung<br />

werthaltiger Gemeinsamkeiten. Drei<br />

Dinge entscheiden: Nomination, Selection,<br />

und Alignment.<br />

Nomination steht für die<br />

klare Ernennung eines<br />

PMI-Managers, welcher<br />

sich Vollzeit der Integration<br />

widmen, von seniorem Rang<br />

sein, und vor allem frühzeitig<br />

involviert werden sollte. Das sehen auch die<br />

meisten Experten so. Allerdings ist hier oft der<br />

Wunsch der Vater des Gedanken. Denn obwohl<br />

<strong>zum</strong> Beispiel 71% der in der Studie befragten<br />

PMI-Experten sich dafür aussprechen, dass ein<br />

PMI-Manager sich voll auf seine PMI-Aufgaben<br />

konzentrieren soll, bestätigen nur 37%, dass<br />

dies auch so umgesetzt wurde.<br />

Hinter dem Begriff Selection<br />

steckt die Auswahl der<br />

✗ richtigen Maßnahmen zur<br />

✗ Hebung von Synergien. " Bei<br />

dieser Wahl haben sich vier<br />

Kriterien als besonders treffsicher<br />

erwiesen: Wirkungsgrad, Geschwindigkeit,<br />

Nachhaltigkeit und Kultur. Insbesondere<br />

das Kriterium Kultur wird häufig deutlich<br />

unterschätzt." sagt Oliver Knapp, Partner bei<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> und Mitautor der Studie.<br />

Das richtige Alignment der<br />

Maßnahmen ist essentiell<br />

für erfolgreiche PMI-Anstrengungen.<br />

"Einen klar<br />

definierten Fahrplan zu haben<br />

und vor allem auch zu befolgen,<br />

ist Gold wert", weiß <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Partner<br />

Thomas Rinn zu berichten und führt fort: "Zwar<br />

muss die Flexibilität des Prozesses gewährleistet<br />

werden, aber zu häufiges Nachjustieren<br />

kostet Glaubwürdigkeit und damit oft den<br />

Erfolg der PMI".<br />

71%<br />

Anspruch Anspruch<br />

Vollzeit PmI-Manager<br />

Gewünscht<br />

37%<br />

Wirklichkeit<br />

Wirklichkeit<br />

71% der Studienteilnehmer wünschen sich<br />

Vollzeit-PMI-Manger, aber nur 37% sehen dies<br />

in die heutige Praxis umgesetzt.<br />

http://www.rolandberger.com/media/publications/2011-11-14-rbsc-pub-Synergy_management_for_Post_Merger_Integration.html<br />

Einkauf:<br />

Gestärkt aus der Krise<br />

Warum sich Top-Einkäufer immer mehr zu Smart-Value-Engineers entwickeln<br />

Während der Finanzkrise 2008/2009 hat der<br />

Einkauf sehr schnell auf die aktuellen Herausforderungen<br />

im nachhaltigen und kontinuierlichem<br />

Management von Be-schaffungs- und Versorgungsrisiken<br />

reagieren müssen. Der (erste)<br />

Sturm ist vorbei, die Unternehmen haben wieder<br />

auf Wachstumskurs geschwenkt, aber die<br />

Wogen sind noch nicht vollends geglättet. Der<br />

Einkauf ist somit weiterhin als Risikomanager<br />

in volatilen Beschaffungsmärkten gefragt. Aus<br />

diesem Grund hat <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> bereits zwei<br />

Jahre nach dem Erscheinen der letzten Studie<br />

eine neue Ausgabe der "Purchasing Excellence"<br />

Studienreihe aufgelegt. In der vierten Auflage<br />

der seit 1999 publizierten Studie wurden wieder<br />

Unternehmen aus Deutschland, Zentral- und<br />

Osteuropa, den USA sowie Asien befragt. Über<br />

500 Teilnehmer aus 14 unterschiedlichen


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 37<br />

Branchen haben an der Umfrage teilgenommen<br />

und aktuelle Trends und Herausforderungen an<br />

den Einkauf nach der Finanzkrise 2008/2009<br />

herausgearbeitet.<br />

Die wichtigste Nachricht an alle Einkäufer<br />

zuerst: Der Einkauf gewinnt auch nach der<br />

Krise weiter an Gewicht. Er wird als wichtiger<br />

und akzeptierter Businesspartner in führenden<br />

Unternehmen wahrgenommen. Hierzu übernimmt<br />

der Einkauf zunehmend eine Führungsrolle<br />

bei wichtigen cross-funktionalen Projekten<br />

zur Generierung von Kostenvorteilen und zur<br />

Absicherung von Beschaffungs- und Lieferantenrisiken.<br />

Bedeutung des Einkaufs steigt weiter<br />

2009<br />

2011<br />

Einkauf im Lead für cross-funktionale Projekte<br />

(% Teilnehmer)<br />

Der Einkauf übernimmt zunehmend die Führung<br />

bei wichtigen cross-funktionalen Projekten<br />

Dies erfordert neue, anspruchsvolle Fähigkeiten<br />

und umfassendes Wissen von den Einkaufsmitarbeitern,<br />

was sich lt. unserer Studie durch eine<br />

weitere Qualifizierung der Beschaffungsteams<br />

gut erreichen lässt. Neben einem weiter zunehmenden<br />

Anteil an Akademikern spielen<br />

auch interkulturelle, sprachliche und spezifisch<br />

technische Kompetenzen eine entscheidende<br />

Rolle über Erfolg oder Mißerfolg.<br />

46%<br />

+12%<br />

Zuwachs<br />

in % Punkte<br />

58%<br />

Neben den klassischen kommerziellen Hebeln<br />

wie Volumenbündelung wenden Top-Unternehmen<br />

zunehmend auch komplexere Methodiken,<br />

wie z.B. Value Engineering unter Einbindung von<br />

strategischen Partnern und Lieferanten, an. Die<br />

nachhaltige Entwicklung von Geschäftsfeldern<br />

und -tätigkeiten ist auch im Einkauf verankert.<br />

Ökonomische, ökologische und soziale Dimensionen<br />

sind fest im Wertekanon der Einkaufsstrategie<br />

eingewoben.<br />

Die Top-Einkäufer werden damit von traditonellen<br />

Kostensenkern zu "Smart Value-Engineers",<br />

die umfassend Produktnutzen und -kosten<br />

optimieren, um aktiv die Unternehmensperformance<br />

zu steigern.<br />

Diese und weitere Trends und Herausforderungen<br />

an den Einkauf lesen Sie in der Studie<br />

"Purchasing Excellence 2011", erhältlich ab<br />

Dezember 2011.<br />

http://www.rolandberger.com/company/press/releases<br />

Energieeffizienz:<br />

Unter Strom<br />

Investitionen in Effizienztechnologie von 23 Milliarden Euro stehen Einsparungen von über 100 Milliarden Euro gegenüber<br />

Investitionskosten Kumulierte Einsparungen<br />

Investitionskosten 23 Mrd. EUR<br />

-10<br />

-42<br />

Grundstoff Chemie<br />

-7<br />

-34<br />

Papier-Pappeherstellung<br />

Steigende Strompreise haben nicht nur<br />

negative Seiten. Sie führen zu einer Investition<br />

in Effizienztechnologien, schaffen damit<br />

Wachstum und regen zu Innovationen an.<br />

Das ist das zentrale Ergebnis der Studie<br />

"Effizienzsteigerung in stromintensiven Industrien"<br />

der Strategieberatung <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>.<br />

Anhand von vier ausgewählten Industrien –<br />

Grundstoffchemie, Papier- und Pappeindustrie,<br />

metallerzeugende Industrie, Verarbeitung<br />

von Steinen und Erden – zeigen die Autoren<br />

Handlungsstrategien bis 2050 auf.<br />

Industriespezifische Investitionen und Einsparungen bis 2050<br />

-5<br />

Metallerzeugende<br />

Industrie<br />

Kumulierte Einsparungen 102 Mrd. EUR<br />

-20<br />

-1<br />

-6<br />

Verarbeitung von Erden<br />

und Steinen<br />

Der Strombedarf bei stromintensiven Industrien<br />

wird in den nächsten Jahren stark<br />

steigen. Neben dem Ausbau von strombasierten<br />

Produktionsverfahren trägt auch<br />

der zunehmende Automatisierungsgrad zu<br />

einer Erhöhung des Verbrauchs bei. Gleichzeitig<br />

steigen die Strompreise, etwa durch<br />

den frühzeitigen Atomausstieg und die damit<br />

verbundene Angebotsverknappung, höhere<br />

Kosten für CO 2 -Zertifikate und Brennstoffe<br />

sowie den Ausbau von Stromnetzen für<br />

Erneuerbare Energien. "Der Strompreis wird<br />

in den nächsten 20 Jahren um rund 70 %<br />

steigen", sagt Ralph Büchele von der Strategieberatung<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>. "Um weiterhin wettbewerbsfähig<br />

zu bleiben, müssen Unternehmen<br />

ihre Energieeffizienz steigern." Gerade in den<br />

stromintensiven Branchen sehen die Experten<br />

von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> ein großes Potenzial für<br />

Effizienzsteigerungen. "Die Entwicklung neuer<br />

Effizienztechnologien durch die verschiedenen<br />

Anbieter und deren Einsatz auf Anwenderseite


g What<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

ermöglichen eine nachhaltige Senkung<br />

des Stromverbrauchs und somit eine<br />

signifikante Reduzierung der Stromkosten",<br />

erklärt Torsten Henzelmann, Partner bei<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>. Investitionen in Energieeffizienz<br />

sparen jedoch nicht nur auf Seiten<br />

der Anwender Kosten. Auch auf Seiten<br />

der Anbieter entsprechender Technologien<br />

entstehen nachhaltig positive Veränderungen.<br />

Eine hohe Energieeffizienz<br />

von Produkten wird in den nächsten Jahren<br />

ein zentraler Differenzierungsfaktor gegenüber<br />

dem Wettbewerb sein und wird für<br />

neue Marktteilnehmer eine entscheidende<br />

Eintrittsbarriere darstellen. Dies wiederum<br />

führt innerhalb der Unternehmen verstärkt<br />

zu Investitionen in Forschung und<br />

Entwicklung, zu mehr Beschäftigung und<br />

Umsatzwachstum.<br />

http://www.rolandberger.com/media/press/releases/New_study_on_energy_efficiency.html<br />

Automobilzulieferer:<br />

Fitnessprogramm für die schlechten Zeiten<br />

"Global Automotive Supplier Study 2011" von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> adressiert die gröSSten Herausforderungen<br />

Die weltweite Automobilzulieferindustrie erlebt<br />

gerade eine Hochkonjunktur – und erreicht<br />

im Durchschnitt noch höhere Gewinnmargen<br />

(6,2%) als vor der Krise. Dabei weisen<br />

europäische Unternehmen 2010 im Schnitt<br />

deutlich höhere EBIT-Margen auf (6,9%) als<br />

ihre nordamerikanischen und japanischen<br />

Wettbewerber. Im Sektorenvergleich erweisen<br />

sich Automobilzulieferer in den Bereichen<br />

Fahrwerk, Exterieur und Antrieb am profitabelsten.<br />

Für die kommenden Jahre sind die<br />

Branchenaussichten immer noch positiv,<br />

wenngleich etwas gedämpft. Der langsamer<br />

wachsende chinesische Markt, stagnierende<br />

Automobilverkäufe in den reifen Märkten<br />

sowie die steigenden Rohstoffpreise werden<br />

die Profitabilität der Branche global wieder<br />

unter 6% fallen lassen. Das sind die Ergebnisse<br />

der Studie "Global Automotive Supplier Study<br />

2011", die <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

gemeinsam mit Lazard verfasst hat.<br />

Dr. Eric Fellhauer, Geschäftsführer bei Lazard.<br />

Zur raschen Erholung der Branche haben<br />

zudem die umfassenden Kostensenkungsmaßnahmen<br />

in den Unternehmen aus dem<br />

Krisenjahr 2009 beigetragen.<br />

Chinesische, koreanische und<br />

europäische Zulieferer an der Spitze<br />

Die Profitabilität der Unternehmen schwankt<br />

dabei je nach Region erheblich. So haben europäische<br />

Zulieferer mit einer durchschnittlichen<br />

EBIT-Marge von knapp 7% ihre Wettbewerber<br />

in Japan (5,6%) und Nordamerika<br />

(4,3%) deutlich hinter sich gelassen. Noch<br />

höhere Renditen erzielten jedoch Zulieferer<br />

aus China und Korea mit teilweise zweistelligen<br />

EBIT-Margen.<br />

Zulieferer müssen verstärkt auf<br />

Innovationen setzen<br />

Neben der Stabilisierung des momentanen<br />

Profitabilitätsniveaus und dem Ausbau der<br />

globalen Lieferfähigkeit stehen die Zulieferer<br />

vor der Herausforderung, Produktinnovation<br />

zukünftig noch stärker in den Mittelpunkt zurücken.<br />

"Nur Zulieferer, denen es gelingt, sich<br />

durch erstklassige Produkte von der Konkurrenz<br />

abzuheben, werden in der Lage sein,<br />

nachhaltige EBIT-Margen von mindestens 6%<br />

zu erzielen. Die anderen Zulieferer werden zunehmend<br />

in den Commodity-Bereich gedrängt,<br />

wo sie maximal 3% Gewinn erreichen können",<br />

so Felix Mogge von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>.<br />

Die Profitabilität der weltweiten Automobilzulieferindustrie<br />

ist 2010 auf Rekordniveau gestiegen<br />

Schlüsselindikatoren, 2000-2010 (n = ˜600 Zulieferer)<br />

"2010 ist die Profitabilität der weltweiten<br />

Automobilzulieferindustrie auf Rekordniveau<br />

gestiegen – nur ein Jahr nach dem Rekordtief<br />

von 2009", sagt Felix Mogge von <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong>. Die durchschnittliche EBIT-Marge<br />

weltweit ist von 1,6 Prozent im Jahr 2009<br />

auf 6,2 Prozent im Jahr 2010 hochgeschnellt.<br />

"Haupttreiber dieser positiven Entwicklung<br />

ist die rasante Erholung der weltweiten<br />

Automobilproduktion, allen voran in China<br />

und anderen Schwellenländern", sagt<br />

Einkommenswachstum<br />

[2000=100]<br />

162<br />

156<br />

11,1<br />

8,4<br />

5,3<br />

6,2<br />

http://www.rolandberger.com/expertise/industries/automotive/suppliers/2011-09-12-rbsc-pub-Global_Automotive_Supplier_Study_2011.html<br />

EBIT-Marge [%] Kapitalrentabilität [%]<br />

100<br />

1,1 2,0<br />

2002 2006 2010 2002 2006 2010 2002 2006 2010


think: act BUSINESS Geschäftsmodelle 39<br />

Kiosk<br />

Post Merger Integration (PMI) sichert den<br />

Erfolg von Zusammenschlüssen. Denn die<br />

Chance des Gelingens gibt es nur einmal<br />

Das richtige Kultur- und Synergiemanagement<br />

ermöglicht messbare Fortschritte bei der<br />

Priorisierung und Umsetzung von werthaltigen<br />

Massnahmen. Fünf Phasen kennzeichnen<br />

den Prozess professionellen Synergiemanagements.<br />

Er beginnt bei der Bestimmung wirksamer<br />

Stellhebel ("Discovery") und führt bis<br />

zur Implementierung der Maßnahmen ("Realization").<br />

Besonders kritisch sind die drei<br />

Zwischenphasen: Nomination, Selection und<br />

Alignment. Selection bezeichnet die Auswahl<br />

von Synergiehebeln nach ihrer finanziellen<br />

Wirkung, ihrer Umsetzungsgeschwindigkeit,<br />

und ihres nachhaltigen Effekts – angepasst<br />

an die jeweilige Unternehmenskultur. Alignment<br />

beinhaltet das Setzen der Maßnahmen<br />

in die optimale Reihenfolge: das Richtige<br />

zur richtigen Zeit. Und: Das Identifizieren von<br />

Wirkungszusammenhängen unterschiedlicher<br />

Maßnahmen. Sie können sich entweder ausschließen<br />

oder ergänzen. Nomination bedeutet,<br />

einen PMI-Manager zu benennen, denn<br />

erfolgreiches Synergiemanagement braucht<br />

klare Verantwortlichkeiten.<br />

Autoren: Thomas Rinn, Oliver Knapp,<br />

Christian Böhler<br />

http://www.think-act.com<br />

Aktuelles Buch und think:act CONTENT<br />

Ein leistungsfähiges Geschäftsmodell<br />

ist der beste Garant eines Unternehmens<br />

dafür, sich im Wettbewerb durchzusetzen.<br />

Professoren aus dem Academic Network<br />

von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants,<br />

Mitarbeiter von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants und weitere Autoren aus<br />

Wissenschaft und Unternehmen<br />

schreiben in diesem Buch über Grundlagen<br />

und Anwendung innovativer Geschäftsmodelle.<br />

Die Autoren analysieren<br />

in drei Kapiteln, wie ein moderner,<br />

ganzheitlicher Geschäftsmodellansatz<br />

aussieht, welche Gestaltungsfelder<br />

es für innovative Geschäftsmodelle<br />

gibt und auf<br />

welche Weise beispielhafte Unternehmen<br />

aus verschiedenen Branchen<br />

ihre Geschäftsmodelle weiterentwickelt<br />

und bewusst als<br />

Mittel benutzt haben, um im Wettbewerb<br />

erfolgreich zu sein. Eine Essenz<br />

des Buches findet sich in dem parallel dazu<br />

entwickelten think:act CONTENT.<br />

Autoren: Thomas Bieger, Dodo zu Knyphausen-<br />

Aufseß, Christian Krys, Michael Zollenkop<br />

http://www.think-act.com www.rolandberger.com<br />

ROLAND BERGER Strategy CONSULTANTS<br />

PURCHASING<br />

EXCELLENCE<br />

STUDIE<br />

Trends und Benchmarks im Einkauf 2011<br />

Einkaufen nach der Krise<br />

Während der Finanzkrise 2008/2009 hat der<br />

Einkauf sehr schnell auf die aktuellen Herausforderungen<br />

im nachhaltigen und kontinuierlichem<br />

Management von Beschaffungs- und<br />

Versorgungsrisiken reagieren müssen. Der<br />

(erste) Sturm ist vorbei, die Unternehmen<br />

haben wieder auf Wachstumskurs geschwenkt,<br />

aber die Wogen sind noch nicht<br />

vollends geglättet. Der Einkauf ist somit<br />

weiterhin als Risikomanager in volatilen Beschaffungsmärkten<br />

gefragt. Aus diesem<br />

Grund hat <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> bereits 2 Jahre nach<br />

dem Erscheinen der letzten Studie eine neue<br />

Ausgabe der Purchasing Excellence Studienreihe<br />

aufgelegt. In der vierten Auflage der<br />

seit 1999 publizierten Studie wurden wieder<br />

Unternehmen aus Deutschland, Zentral- und<br />

Osteuropa, den USA sowie Asien befragt.<br />

Über 500 Teilnehmer aus 14 unterschiedlichen<br />

Branchen haben an der Umfrage<br />

teilgenommen und aktuelle Trends und<br />

Herausforderungen an den Einkauf nach der<br />

Finanzkrise 2008/2009 herausgearbeitet.<br />

Autoren: Axel Schmidt, Oliver Knapp,<br />

Christian Steinbach<br />

Ab Dezember erhältlich<br />

http://www.rolandberger.comm

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