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COO Insights "Nachhaltigkeit als Geschäftsprinzip" - Roland Berger

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ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

NOVEMBER 2010<br />

<strong>COO</strong> INSIGHTS<br />

BUSINESS<br />

Unternehmen<br />

erheben<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

zum Geschäftsprinzip<br />

–<br />

und<br />

verdienen<br />

auch noch<br />

daran!<br />

Aber nicht nur<br />

deshalb gibt<br />

es für Bayer-<br />

Vorstand Wolfgang<br />

Plischke kein<br />

Zurück.


BEWÖLKT BIS HEITER: DIE FORTSCHRITTE DER EU AUF DEM WEG ZU EINER NACHHALTIGEN<br />

ENTWICKLUNG SIND EHER GEMISCHT Elf von über 100 behandelten Indikatoren wurden <strong>als</strong> Leit -<br />

indi ka toren festgelegt. Diese Leitindikatoren sollen Aufschluss darüber geben, ob die EU Fortschritte in<br />

Richtung einer nachhaltigen Entwicklung erzielt hat. Eine Bewertung der Fortschritte seit dem Jahr 2000<br />

auf Basis dieser Leitindikatoren ergibt ein recht gemischtes Bild.<br />

BEWERTUNG DER<br />

VERÄNDERUNG FÜR EU-27<br />

’<br />

THEMA DER INDIKATOREN FÜR<br />

NACHHALTIGE ENTWICKLUNG<br />

SOZIOÖKONOMISCHE ENTWICKLUNG<br />

LEITINDIKATOR<br />

WACHSTUM DES PRO-KOPF-BIP<br />

⁄ ⁄’’<br />

÷‹<br />

KLIMAWANDEL UND ENERGIE<br />

NACHHALTIGER VERKEHR<br />

NACHHALTIGER KONSUM UND<br />

NACHHALTIGE PRODUKTION<br />

TREIBHAUSGASEMISSIONEN*<br />

VERBRAUCH ERNEUERBARER ENERGIEN<br />

ENERGIEVERBRAUCH DES VERKEHRS<br />

IM VERHÄLTNIS ZUM BIP<br />

RESSOURCENPRODUKTIVITÄT<br />

÷<br />

÷<br />

÷<br />

‹<br />

NATÜRLICHE RESSOURCEN<br />

ÖFFENTLICHE GESUNDHEIT<br />

SOZIALE EINGLIEDERUNG<br />

DEMOGRAFISCHE VERÄNDERUNGEN<br />

GLOBALE PARTNERSCHAFT<br />

POPULATION WEIT VERBREITETER VOGELARTEN**<br />

ERHALTUNG VON FISCHBESTÄNDEN***<br />

GESUNDE LEBENSJAHRE****<br />

ARMUTSGEFÄHRDUNG****<br />

BESCHÄFTIGUNGSQUOTE ÄLTERER ERWERBSTÄTIGER<br />

ÖFFENTLICHE ENTWICKLUNGSHILFE*****<br />

* EU-15 ** Auf Basis von 19 Mitgliedstaaten *** Im Nordostatlantik **** EU-25, ab 2005 ***** Ab 2005<br />

LEGENDE:<br />

’<br />

÷<br />

deutlich positive Veränderungen /<br />

dem Zielpfad entsprechend<br />

keine oder leicht positive Veränderungen/<br />

dem Zielpfad annähernd entsprechend<br />

‹<br />

‹<br />

leicht negative Veränderungen/<br />

weit vom Zielpfad entfernt<br />

deutlich negative Veränderungen/<br />

Entwicklung weg vom Zielpfad<br />

Quelle: European Commission, Sustainability Report 2009


Das haben viele nicht erwartet:<br />

Unternehmen, in der weltweiten<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise massiv unter<br />

Druck und nahe am Kollaps, haben gleichzeitig<br />

ihr Engagement für nachhaltiges Wirtschaften<br />

verstärkt, zumindest nicht zurückgefahren.<br />

Wer glaubte, drängende Kosten- und ehrgeizige<br />

Wachstumsprogramme würden das<br />

Thema Sustainability von der Agenda des<br />

Top-managements verdrängen oder <strong>als</strong><br />

Luxusproblem entlarven, wird eines Besseren<br />

belehrt: <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist kein Modetrend<br />

oder Marketinginstrument mehr. Sie wird<br />

mehr und mehr fester Bestandteil in der<br />

Philosophie und der operativen Ausrichtung<br />

zeitgemäß geführter Unternehmen.<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> bedeutet eben nicht Verzicht<br />

auf Profitabilität, sondern die Chance auf<br />

Profitabilität.<br />

Die Maxime heißt nicht, Zukunft trotz,<br />

sondern durch <strong>Nachhaltigkeit</strong>. Sustainability<br />

ist keine alternative Lebensform auf Gomera,<br />

sondern ein Managementprinzip in der globalen<br />

Wirtschaft. <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist nicht die<br />

Abkehr vom klassischem Unternehmertum,<br />

sondern dessen Wiederentdeckung.<br />

Why<br />

Was hat <strong>Nachhaltigkeit</strong> mit dem Kerngeschäft<br />

zu tun? Wie können Umwelt- und<br />

Sozialmanagement ins konventionelle ökonomische<br />

Management integriert werden?<br />

Wie überhaupt neu denken und dabei die<br />

gesamte Organisation mitnehmen?<br />

Praktische Fragen, die oft gestellt – und<br />

ebenso oft beantwortet werden. Einige<br />

Beispiele finden Sie in diesem Heft: Bayer,<br />

SAP oder Volkswagen, gleichsam Blaupausen<br />

für profundes <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement<br />

im Einkauf, in der Produktion, in Logistik,<br />

Forschung und Entwicklung. Dabei ist <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

kein Thema der Großen.<br />

Im Gegenteil: Kleine und mittlere Unternehmen<br />

stellen sich an die Spitze. So wie der<br />

Duft- und Aromenspezialist Symrise und<br />

seine weiße Biotechnologie, laut Bundesregierung<br />

ein Schlüssel für Wachstum in den<br />

kommenden Jahrzehnten.<br />

So ist diese zweite Ausgabe unseres think:<br />

act BUSINESS nicht nur ein leidenschaftliches<br />

Plädoyer für <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement,<br />

sondern auch ein praktischer Leitfaden durch<br />

alle Facetten nachhaltigen Wirtschaftens –<br />

und wie dieses Erfolgsprinzip schon heute<br />

die Praxis durchdringt.<br />

Ich wünsche Ihnen aufschlussreiche<br />

Momente und Erkenntnisse. Und natürlich<br />

freuen wir uns wieder auf Ihre Reaktion – am<br />

besten unter coo_insights@rolandberger.com<br />

Bestellung: Sie können dieses Magazin <strong>als</strong> pdf in deutsch und englisch bestellen unter:<br />

<strong>COO</strong>_<strong>Insights</strong>@rolandberger.com<br />

Ihr<br />

Axel Schmidt<br />

Global Head of Operations Strategy<br />

think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 3<br />

Why<br />

Editorial<br />

Thought Leadership<br />

Sustainability: Vom Schönwetterthema<br />

zum Geschäftsprinzip<br />

Management<br />

6 Erfolgsfaktoren bestimmen<br />

Sustainability Excellence<br />

Gastkommentar<br />

Früh investieren statt spät reparieren<br />

How<br />

Praxis<br />

Interview Bayer-Vorstand<br />

Wolfgang Plischke: “Das ist was für<br />

Marathonläufer, nichts für Sprinter“<br />

Volkswagen: Grüne Größe<br />

Symrise: Weißer Hirsch<br />

SAP: Blaue Macht<br />

Studie<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> wird zum Wirtschaftsfaktor<br />

Who<br />

7 Fragen an Otmar Hauck, <strong>COO</strong> KION AG<br />

3<br />

4<br />

9<br />

10<br />

14<br />

20<br />

24<br />

28<br />

31<br />

32<br />

What<br />

Auto-Zulieferer<br />

36<br />

Keine Entwarnung nach der Krise<br />

Working Capital<br />

37<br />

Verborgene Schätze<br />

Cross-Funktionales Arbeiten<br />

37<br />

Über den Tellerrand hinaus<br />

Kiosk<br />

39<br />

China´s Management Revolution<br />

Green Growth, Green Business<br />

think:act CONTENT Supply Chain Management<br />

think:act BUSINESS<br />

<strong>COO</strong> <strong>Insights</strong><br />

Herausgeber: Axel Schmidt<br />

Gesamtverantwortung: <strong>Roland</strong> Schwientek<br />

Projektmanagement: Dr. Katherine Nölling<br />

Layout: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> DesignTeam<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Expertenteam:<br />

Marcus Berret, Sebastian Durst,<br />

Jochen Gleisberg, Robert Grimm,<br />

Thomas Hollmann, Florian Kaiser,<br />

Felix Mogge, Robert Ohmayer,<br />

Thomas Rinn, Axel Schmidt,<br />

<strong>Roland</strong> Schwientek, Christian Steinbach


Why<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Unternehmenserfolg durch<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>:<br />

Lernen von den<br />

Champions<br />

Der Groß teil der Unter -<br />

neh men bekennt sich zum Thema<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>. Fast zwei von drei Firmen<br />

haben trotz Finanz- und Wirt schafts krise ihr<br />

Engagement für Nach haltig keit gestärkt oder<br />

beibehalten. Doch das Wertschöpfungspotenzial<br />

nachhaltigen Wirtschaftens ist bei weitem<br />

nicht ausgeschöpft.<br />

Nicht Unter nehmens erfolg und <strong>Nachhaltigkeit</strong> lautet<br />

die Devise, sondern Unternehmenserfolg durch<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>. Sustainability-Champions<br />

optimieren ihre Performance gezielt<br />

entlang der gesamten<br />

Wertschöpfungskette.


BUSINESS d e s i g n t o v a l u e<br />

think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 5<br />

21


g Why<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Sustainability: >><br />

Vom Schönwetterthema<br />

>> zum Geschäftsprinzip<br />

Für einige wenige ist es noch ein Modetrend, für viele aber bereits ein Paradigmenwechsel:<br />

„<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> beeinflusst die Geschäftsmodelle von Unternehmen, verschiebt die Gewichte<br />

zwischen Branchen und ordnet Beziehungen in den Lieferketten neu.<br />

Sechs Erfolgsfaktoren bestimmen die Sustainability Excellence in Operations<br />

Siemens tut es. BASF tut es.<br />

Und Daimler tut es auch. Schwer -<br />

gewichte im DAX-30-Börsenindex<br />

haben das Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

fest in ihrer Management struktur verankert.<br />

Beim Münchner Elektro unternehmen führt<br />

Chief Sustainability Officer Barbara Kux, im<br />

Vor stand zuständig für den Bereich Supply<br />

Chain, das Sustain ability Board.<br />

Beim Ludwigshafener Chemie riesen BASF<br />

leitet Vorstand und Arbeits direktor Harald<br />

Schwager den Nachhaltig keits rat. Das<br />

Sustain ability Board des Stutt garter<br />

Automobilbauers Daimler leitet Thomas<br />

Weber, im Vorstand verantwortlich für<br />

Konzernforschung & Mercedes-Benz Cars<br />

Entwicklung.<br />

So unterschiedlich die Branchen sind – der<br />

Anspruch des prominenten Trios an eine<br />

mo derne Unternehmensführung bleibt immer<br />

derselbe: Sie soll langfristig denken und handeln.<br />

"Wenn wir unsere heutigen Bedürfnisse<br />

Wir haben bei Siemens<br />

den klaren Anspruch, im<br />

Sinne künftiger Gener ati onen zu handeln –<br />

wirtschaftlich, ökologisch und sozial verantwortungsvoll.<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> bedeutet, allen<br />

drei Dimensionen zu entsprechen, indem wir<br />

langfristig denken und handeln.<br />

Wenn Siemens profitabel wächst, können wir<br />

unserer Verantwortung der Umwelt, unseren<br />

Mitarbeitern, unseren Aktionären und der<br />

Gesell schaft gegenüber gerecht werden. Der Einsatz von energieeffizienten Technologien folgt<br />

beispielsweise einer klaren wirtschaftlichen Logik: Durch die potenziell mit ihnen möglichen<br />

Einsparungen refinanziert sich die An schaffung<br />

“<br />

innerhalb kurzer Zeit von selbst. 'Grüne' Technik<br />

wird daher in Zukunft ein starker Motor für unser Wachstum sein.<br />

Mit uns profi tieren unsere Kunden durch signifikante CO 2<br />

- und Kostenein sparungen, und letztendlich wird<br />

vor allem ein wertvoller Beitrag zum Klimaund<br />

Umweltschutz geleistet – was mir<br />

besonders am Herzen liegt.<br />

Barbara Kux, Vorstand Siemens AG<br />

www.siemens.com/sustainability/report/09/pool/pdf/siemens_nb_2009.pdf


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 7<br />

AUF BASIS IHRER EINSTELLUNGEN ZU CORPORATE RESPONSIBILITY<br />

(CR) LASSEN SICH FÜNF KONSUMENTENTYPEN UNTERSCHEIDEN<br />

CR-Konsumententypen [Anteil an Gesamtbevölkerung]<br />

"Ich setze mich<br />

für Mensch und<br />

Natur ein."<br />

"Ich achte darauf,<br />

ob Unternehmen, gegen<br />

ethische Normen<br />

verstoßen."<br />

"Neue Wege gehen<br />

um gesellschaft liche<br />

Verantwortung zu zeigen<br />

ist mir wichtig."<br />

"Einsatz für das nähere<br />

Umfeld liegt mir<br />

am Herzen."<br />

"Ich finde es gut,<br />

wenn Staat und<br />

Unternehmen Kultur, Sport<br />

und Gesund heit der Leute<br />

fördern."<br />

nicht auf dem Rücken künftiger Generationen<br />

ausleben wollen, müssen wir nicht nur ökologisch,<br />

sondern auch gleichermaßen ökonomisch<br />

und gesellschaftlich verantwortungsbewusst<br />

handeln", schreibt zum Beispiel<br />

Thomas Weber seiner Belegschaft bei jeder<br />

Gelegenheit ins Stammbuch. "Dauerhaft<br />

erfolgreiches unternehmerisches Handeln ist<br />

ohne den sorgsamen Umgang mit Umwelt<br />

und Gesellschaft nicht möglich. Deshalb ist<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> ein fester Bestandteil unserer<br />

Strategie", verkünden BASF-Konzernchef<br />

Jürgen Hambrecht und Kollege Schwager<br />

unisono. Zuspruch kommt aus München:<br />

"Wir agieren", so Barbara Kux, "im Sinne künftiger<br />

Generationen – wirt schaft lich, ökologisch<br />

und sozial verantwortungsvoll. Nach -<br />

haltig keit bedeutet, allen drei Dimensionen<br />

zu entsprechen."<br />

Wie grundlegend das Thema<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> inzwischen<br />

tatsächlich in der globalen Pro -<br />

duktions- und Dienstleistungs -<br />

industrie verankert ist, hängt zwar stark von<br />

der jeweiligen Branche ab und wo sie zuhause<br />

ist. Konsumgüterhersteller oder das<br />

Business-to-Consumer-Geschäft agieren –<br />

auch wegen des unmittelbaren Drucks ihrer<br />

Kunden und des schnellen Umschlags neuer<br />

Kaufgewohnheiten – allgemein sensibler <strong>als</strong><br />

Produktionsgüterhersteller und das Businessto-Business-Geschäft.<br />

Europäische Unter -<br />

nehmen sind weiter <strong>als</strong> ihre Herausforderer<br />

21,2%<br />

VERANTWORTUNGS-<br />

BEWUSSTE<br />

ENGAGIERTE<br />

Quelle: GfK; <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Studie<br />

19,5%<br />

KRITISCH<br />

KONSUMIERENDE<br />

18,2%<br />

FORTSCHRITTLICHE<br />

MACHER<br />

in den aufstrebenden Wirtschaftsnationen<br />

Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC).<br />

Selbst in fortschrittlichen Unternehmen,<br />

sogenannten Sustainability Champions, fällt<br />

der Reifegrad von <strong>Nachhaltigkeit</strong>sinitiativen<br />

zwischen verschiedenen Funktionsbereichen<br />

unterschiedlich aus. Noch sind Sustainability-<br />

Standards wie in der Elektroniksparte eher<br />

selten.<br />

21,2%<br />

ICH-ZENTRIERTE<br />

GENIEßER<br />

19,9%<br />

EIGENVERANTWORTLICHE<br />

FAMILIENMENSCHEN<br />

Die Initiativen variieren ebenso wie die Ernst -<br />

haftigkeit, mit der die Unternehmen ihre<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategien verfolgen. Teils<br />

mag auch der Umfang des notwendigen<br />

ökologischen Umbaus unterschätzt werden.<br />

Und nicht zuletzt gibt es auch die Fälle, bei<br />

denen schnelles "Greenwashing" die Phan -<br />

tasie mancher Imagewerber gefährlich beflügelt.<br />

Trotzdem sind Deutschlands Unter neh -<br />

men sich beim Thema Sustainability einig wie<br />

selten, ein Modetrend ist das schon längst<br />

nicht mehr! Das Thema wird zunehmend in<br />

bestehende Managementsysteme integriert<br />

– und das nicht nur, weil strengere Auflagen<br />

und Ge setze etwa für den Schutz einer<br />

sauberen Umwelt die Unternehmen dazu<br />

zwingen. <strong>Nachhaltigkeit</strong> prägt unternehmerisches<br />

Denken und Handeln immer mehr –<br />

aus Überzeugung. Unternehmen bekommen<br />

dies sowohl auf der Erlös- <strong>als</strong> auch auf der<br />

Kosten seite zu spüren. Investitionen in Nach -<br />

haltigkeitsinitiativen werden zu Investitionen<br />

in produktübergreifende Markenwerte.<br />

Unternehmen minimieren ihre Risiken und<br />

differenzieren sich damit im Wettbewerb.<br />

Schlüssel hierfür sind Operations,<br />

<strong>als</strong>o Ent wicklung, Einkauf, Produk -<br />

tion und Logistik. <strong>Nachhaltigkeit</strong>s-<br />

Champions optimieren ge zielt ihre<br />

Sustainability Performance entlang der<br />

gesamten Wertschöpfungskette. So arbeitet<br />

etwa der Konsumgüterkonzern Procter &<br />

Gamble in der Entwicklung mit ausgewählten<br />

Forschungspartnern an neuen Verpackungen<br />

für Haarpflegemittel. Statt auf Erdöl setzen<br />

die Entwickler auf Zuckerrohr. Und die ersten<br />

in Biokunststoff verpackten Produkte sollen<br />

2011 in den Regalen stehen.<br />

In vielen Industrien liegt der Anteil eingekaufter<br />

Wertschöpfung bei mehr <strong>als</strong> 50 Prozent.<br />

Einkaufsabteilungen spielen deshalb eine<br />

zentrale Rolle in der Sustainability -Strategie


g Why<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

der Unternehmen. Beispiel: BASF, Sustainable<br />

Procurement: Dessen Standards verhelfen<br />

dem Projekt "1+3" in China zum Durchbruch.<br />

Dabei werden drei direkte Lieferanten<br />

ver pflich tet, konzernweite Prinzipien nachhaltiger<br />

Entwicklung zu befolgen und das<br />

Regel werk an drei weitere Zulieferer<br />

weiter zureichen, die wiederum drei andere<br />

Ge schäfts part ner nachziehen. Das intelligente<br />

Schnee ballsystem funktioniert. Jetzt soll<br />

es auch in Indien eingeführt werden.<br />

Sustain ability Audits steuern übergreifend<br />

die Lieferanten pools.<br />

In der Produktion gehören die Minimierung<br />

von Ausschussquoten und maximale<br />

Ressourcen ausschöpfung zum Pflichtpro -<br />

gramm. Wesentlich größer ist der Einfluss<br />

des gesamten Manufacturing Footprints auf<br />

die Umweltbilanz. Der Pariser Getränke- und<br />

Lebensmittelkonzern Danone hat damit be -<br />

gonnen, den CO 2 -Einsatz "vom Stall bis ins<br />

Kühlregal" von unabhängigen Partnern<br />

analysieren zu lassen, "damit wir wissen,<br />

„<br />

wie viel CO 2 -Ausstoß jedes einzelne unserer<br />

Produkte verursacht." Wesentliche Stellhebel<br />

zur Ver besserung der unternehmerischen<br />

CO 2 Bilanz sind neue Produktionsverfahren<br />

und die CO 2 -optimierte Ausrichtung des<br />

gesamten Produktions- und Logistik netz -<br />

werks. Übergeordnetes Ziel ist, den<br />

Ver brauch von Energie, Wasser und Abfall<br />

innerhalb der nächsten zehn Jahre um<br />

Unser zentrales<br />

Managementgremium<br />

für Nach haltigkeit ist das<br />

Sustain ability Board. Alle nachhaltigkeitsrelevanten<br />

Management prozesse sind hier wirk -<br />

ungs voll gebündelt. Direkt dem Vorstandsvorsitzenden zugeordnet, koordiniert das Gremium<br />

unternehmensweit bedeutende <strong>Nachhaltigkeit</strong>sinitiativen und unterstützt die operativen Be -<br />

reiche bei der Um setzung. Das Sustainability Board hat den Anspruch formuliert, beim Thema<br />

Nachhaltig keit zu den Besten in der Branche zu gehören. Hierzu wurden das Board sowie das<br />

unterstützende Office neu strukturiert, um die Einbindung relevanter Zentralbereiche, etablierter<br />

Gremien sowie wichtiger Entscheidungsträger aus allen Geschäfts feldern weiter zu optimieren.<br />

Das Sustainability Board analysiert und bewertet die <strong>Nachhaltigkeit</strong>sleistung von Daimler,<br />

bereitet im Auftrag des Vorstandsvorsitzenden Entscheidungs vorlagen vor und unterstützt<br />

zu sammen mit dem Sustainability Office denVorstand mit Second<br />

Opinions. Darüber hinaus verantwortet und koordiniert das<br />

Board die jährlich stattfind ende Veran -<br />

staltung "Sustainability Dialogue".<br />

Thomas Weber, Vorstand Daimler AG<br />

“<br />

http://nachhaltigkeit.daimler.com<br />

durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr zu<br />

verringern. Spätestens 2011 sollen für jeden<br />

Bereich der Wertschöpfungskette messbare<br />

Ziele vorliegen.<br />

Auch das Bayer Sustainable Supply Chain<br />

Management erfasst bei wesentlichen<br />

Entscheidungen die mit verschiedenen Alter -<br />

na tiven verbundenen CO 2 -Emissionen.<br />

In diese Kennzahl fließen alle relevanten<br />

Prozesse wie Transport, Abfüllen, Verpack -<br />

ung und Lagerhaltung der Produkte ein.<br />

Bayer HealthCare gelang damit der Aufbau<br />

zweier zusätzlicher Distributions läger<br />

bei gleichzeitiger Reduzierung der CO 2 -<br />

Emissionen um 75 Prozent. Der Hauptgrund<br />

hierfür war ein weitgehender Verzicht auf<br />

Luftfracht.<br />

Darüber hinaus erwarten Konsumenten ein<br />

sozial und ökologisch verantwortliches<br />

Management und nehmen dafür nachweislich<br />

höhere Preise in Kauf – so das Ergebnis<br />

einer Studie von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consul tants in Zusammenarbeit mit GfK<br />

Panel Services Deutschland. Die Studie analysiert<br />

Einstellungen der Konsumenten zum<br />

Thema Corporate Responsibility (CR) und<br />

stellt sie dem tatsächlichen Kaufverhalten<br />

gegenüber. Demnach sind Konsumenten mit<br />

hohen Ansprüchen eine starke Zielgruppe.<br />

Es lohnt sich <strong>als</strong>o für Unternehmen, CR<br />

ganzheitlich ins Geschäftsmodell zu integrieren.<br />

Denn richtig umgesetzt lässt sich<br />

damit gutes Geld verdienen.<br />

So ist etwa die Zustimmung auf die Frage<br />

"Kaufen Sie umweltverträgliche Produkte?"<br />

in der Gruppe der "Verantwortungsbe wus -<br />

sten Engagierten" laut Studie mit 58 Prozent


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 9<br />

und bei den "Kritisch Konsu mierenden"<br />

mit 59 Prozent überdurchschnittlich hoch.<br />

Jeweils 32 Prozent der genannten Gruppen<br />

geben an, dass sie bei Nahrungsmitteln<br />

lieber Biopro duk te kaufen. Sie liegen<br />

damit deutlich über dem Durchschnitt<br />

der Bevölkerung (21 Prozent).<br />

Je stärker die Bedeutung von Sustainability Management,<br />

umso größer die Heraus forderungen. Unternehmen fragen sich<br />

unter anderem:<br />

• Wie vertragen sich immer kürzere Ent -<br />

wicklungszeiten und schmalere Etats mit<br />

gleichzeitig hohem Entwicklungs aufwand<br />

nachhaltiger Produkte?<br />

• Wie werden im Zieldreieck des Einkaufs<br />

aus Kosten, Produktqualität und Liefer -<br />

zeit/-service strenge <strong>Nachhaltigkeit</strong>s -<br />

kriterien berücksichtigt?<br />

• Wie können bei immer flexibleren und<br />

sich verändernden Kundenanforderungen<br />

Produktions- und Logistiknetzwerke<br />

nach haltig gestaltet werden?<br />

• Wie wird die Sustainability Performance<br />

entlang der Wertschöpfungskette<br />

unter Berücksichtigung aller relevanten<br />

Gestaltungsparameter<br />

messbar?<br />

• Wie rechnet sich<br />

überhaupt der<br />

"Business Case<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>"?<br />

„<br />

Für BASF lautet die Frage nicht:<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> oder wirtschaftliche<br />

Entwicklung?<br />

Vielmehr versteht BASF unter nachhaltiger<br />

Unter nehmens führung den An satz, soziale und<br />

ökologische Fragestellungen in die Geschäftsprozesse<br />

zu integrieren und damit langfristig<br />

wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Es gibt nur<br />

dann eine wirtschaftliche Ent wick lung, wenn<br />

“<br />

sie auf der Strategie der Nach haltig keit basiert,<br />

und das sehen auch die Partner der BASF wie<br />

Kunden, Mitarbeiter, der Finanzmarkt<br />

oder Nachbarn so.<br />

Harald Schwager,<br />

6<br />

http://www.basf.com/group/corporate/de/ Vorstand BASF AG<br />

sustainability/index<br />

Erfolgsfaktoren bestimmen<br />

die Sustainability Excellence<br />

in Operations – ein Leitfaden, der einer klaren<br />

wirtschaftlichen Logik folgt:<br />

1. TOP-DOWN-ANSATZ<br />

Sustainability ist fester Bestandteil der<br />

grundlegenden Unternehmensstrategie.<br />

Daraus werden ebenso anspruchsvolle wie<br />

realistische Ziele für jeden Operations-Be reich<br />

abgeleitet, zum Beispiel recyclingfähige<br />

Materialien (Forschung & Entwicklung)<br />

oder Lieferanten, die ein Sustainability Audit<br />

erfolg reich bestanden haben. Aus diesen<br />

abteilungs spezifischen Zielvorgaben resul -<br />

tieren konkrete Handlungsempfehlungen für<br />

jeden Mitarbeiter. Erst damit wird das gesamtunternehmerische<br />

Ziel greifbar.


g Why<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

2. ORGANISATORISCHE<br />

VERANKERUNG<br />

Die Position eines Chief Sustainability<br />

Officers auf höchster Managementebene<br />

ist der Ausdruck einer glaubwürdigen<br />

und unverrückbaren <strong>Nachhaltigkeit</strong>s-<br />

Strategie. Auch in den verschiedenen<br />

Operations-Funktionen muss es klare<br />

Verantwortlichkeiten geben. Nur so<br />

werden Konflikte überwunden und<br />

Sustain ability wird über alle Abteilungen<br />

und Funktionen hinweg durchgesetzt.<br />

Nachhaltig keit ist keine Verfügungs -<br />

masse.<br />

3. VERNETZTES ARBEITEN<br />

Eine wirkungsvolle Sustainability -<br />

strategie beruht nicht nur auf der eigenen<br />

Überzeugungskraft, sondern auch<br />

auf der Integration einflussreicher<br />

Partner außerhalb des Unter nehmens –<br />

beispielsweise externe Entwickler, Liefer -<br />

anten oder politische Institutionen.<br />

Ebenso wichtig ist ein be stimmtes Maß<br />

an Koordination mit dem direkten Wett -<br />

bewerb und Unter nehmen anderer<br />

Branchen. Das gilt etwa bei der Defi -<br />

nition und Umsetzung von Lieferanten -<br />

standards und Bewertungs logiken oder<br />

der Formu lierung der Codes of Conduct.<br />

Zudem sollten Kunden kontinuierlich in<br />

alle Sustainability-Aktivitäten einbezogen<br />

werden. Nur so bekommen Unter -<br />

nehmen ein Gespür für veränderte<br />

Kundenwünsche und Konsumge wohn -<br />

heiten. Sustainability-Champions kommunizieren<br />

gezielt Erfolge an den Markt.<br />

4. LEBENSZYKLUS-<br />

BEZOGENER OPTIMIERUNGS-<br />

ANSATZ<br />

Die Optimierung der Sustainability Per -<br />

form ance hat nur dann Erfolg, wenn der<br />

gesamte Lebenszyklus eines Produktes<br />

in die Rech nung einbezogen wird,<br />

ähnlich dem Ansatz Total Cost of<br />

Ownership (TCO). Auf Basis einer umfassenden<br />

Ana lyse für die Definition einer<br />

dem Geschäftsmodell entsprechenden<br />

Mess logik gilt es, wesentliche Nach -<br />

haltigkeitskriterien für die jeweilige<br />

Produkt verbesserung zu identifizieren.<br />

Auf dieser Basis werden dann optimal<br />

aufeinander abgestimmte Maßnahmen<br />

zur Steigerung der Sustainability Performance<br />

über den gesamten Lebens -<br />

zyklus abgeleitet.<br />

5. KONSEQUENZ IN DER<br />

UMSETZUNG<br />

Sustainability <strong>als</strong> Unternehmensziel<br />

verlangt nicht nur Kontinuität, sondern<br />

auch Konse quenz in der Umsetzung.<br />

Sustainability-Champions überprüfen<br />

ständig, wie weit sie ihrem Idealziel<br />

nahekommen – und sanktionieren<br />

Misserfolge und Rückschläge. Davon<br />

betroffen sind eigene Mitarbeiter wie<br />

externe Partner. Incentives können<br />

den Prozess be flügeln, zum Beispiel<br />

variable Gehalts- oder Honorarkompo -<br />

nenten, die an das Erreichen bestimmter<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>s ziele gekoppelt sind.<br />

6. KONTINUIERLICHE<br />

WEITERENTWICKLUNG<br />

Sustainability-Champions setzen auf<br />

die Weiterentwicklung aller Beteiligten.<br />

Verbesserungspotenziale werden einmal<br />

jährlich gemeinsam identifiziert und<br />

in künftige Ziel vorgaben integriert.<br />

Um technologische Neu erungen und<br />

ver besserte Erkenntnisse im Netzwerk<br />

an Partner weiterzugeben, bedarf es<br />

einer regel mäßigen Kommunikation<br />

von Neu heiten sowie einer aktiven<br />

Unter stützung der wesentlichen Partner<br />

bei der Umsetzung von Verbesserungs -<br />

maßnahmen.<br />

Früh<br />

investieren<br />

statt spät<br />

reparieren<br />

Unternehmerische <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

steht weder am Anfang noch am Ende<br />

des Produktionsprozesses,<br />

sondern im Kern des Unternehmens<br />

Von Prof. Stefan Schaltegger*<br />

Auf dem Papier scheint alles<br />

klar: Für mehr <strong>als</strong> die Hälfte<br />

der deutschen Unternehmen<br />

sind Klimawandel und<br />

Res sour cenverknappung relevant für das<br />

Ge schäft. Fast zwei von drei Firmen in<br />

Deu tsch land haben trotz Finanz- und Wirt -<br />

schafts krise ihr Engagement für Nachhaltig -<br />

keit nicht zurückgefahren; bei einem Drittel<br />

nimmt das Thema sogar einen höheren<br />

Stellen wert ein. <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist schon<br />

lange kein Modetrend mehr. Es verändert<br />

die Unternehmensführung gravierend.<br />

Die Praxis sieht weit weniger überzeugend<br />

aus: Unternehmen gelingt es häufig nicht,<br />

ihr <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement in Wettbewerbsvorteile<br />

umzusetzen. Mögen<br />

Produkte noch so attraktiv sein, die mit<br />

ökologischen und sozialen Emotionen und<br />

ideellen Werten besetzt sind, mag zudem<br />

die Reputation besonders von Unternehmen<br />

steigen, die sich aktiv für die nachhaltige<br />

Entwicklung der Gesellschaft einsetzen –<br />

das Wertschöpfungspotenzial nachhaltigen<br />

Wirt schaftens ist noch bei weitem nicht ausgeschöpft.<br />

Offensiv sind die Bekenntnisse,<br />

defensiv ist die Strategie. Es fehlt häufig die<br />

klare Vorstellung davon, was <strong>Nachhaltigkeit</strong>


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 11<br />

<strong>als</strong> Managementprinzip mit dem Kerngeschäft<br />

zu tun haben soll. Dabei geht es genau<br />

darum: Umwelt- und Sozialmanagement<br />

müssen ins konventionelle ökonomische<br />

Management integriert werden. Unternehmen<br />

gestalten nicht nur für sich und ihre Beschäftigten<br />

Arbeitsplätze, Unternehmenskultur und<br />

Produkte, sondern auch Beschäftigung, Kultur<br />

und Problemlösungen für die Gesellschaft.<br />

Mit ihren Leistungen und Aktivitäten können<br />

sie in ihrem geschäftlichen und ökologischen<br />

Umfeld eine nachhaltige Entwicklung anstoßen<br />

und Stück für Stück Wirklichkeit werden<br />

lassen. Voraussetzung dafür ist allerdings<br />

die Fähigkeit der Entscheidungsträger,<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>saspekte professionell zu<br />

managen. Für die einen beginnt <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

am Ende des Produktionsablaufs mit<br />

Kläranlagen und nachträglichen Korrekturen,<br />

andere übernehmen Verantwortung schon bei<br />

der Entwicklung optimierter Verfahren für<br />

ökologisch und sozial verträgliche Produkte.<br />

Zukunftsweisendes Wirtschaften geht darüber<br />

hinaus: Unternehmerische <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

steht weder am Anfang noch am Ende<br />

des Produktionsprozesses, sondern im Kern<br />

des Unternehmens.<br />

Verantwortung in das Kerngeschäft integrieren,<br />

unternehmerische <strong>Nachhaltigkeit</strong> realisieren<br />

– was heißt das konkret? Früh investieren<br />

statt spät reparieren!<br />

Ausgangspunkt sind meist nachhaltige Produktions-<br />

und Geschäftsprozesse mit dem<br />

Ziel, problematische Stoffe zu ersetzen oder<br />

ein bestimmtes Verhalten zu verändern. Wenn<br />

Geschäftsprozesse nachhaltig gestaltet sind,<br />

dann sollten es auch die Produkte werden.<br />

Sustainability-Design kann<br />

schon bei der Entwicklung<br />

neuer Produkte die sozialen,<br />

ökologischen und ökonomischen<br />

Wirkungen für den<br />

gesamten Produktionszyklus optimieren.<br />

Ein gutes Produktdesign wiederum kann nur<br />

dann verantwortungsvoll umgesetzt werden,<br />

wenn es durch ein nachhaltiges Supply-<br />

Chain-Management unterstützt wird.<br />

Dazu gehören auch Sozial- und Umweltchecklisten<br />

für den Einkauf sowie regelmäßige<br />

Lieferantenaudits.<br />

Im Kern dieser Managementprozesse steht<br />

das Geschäftsmodell, das in vielerlei Hinsicht<br />

auf alle genannten Handlungsbereiche einwirkt.<br />

Unternehmen, die Verantwortung übernehmen,<br />

sollten sich deshalb grundlegend<br />

fragen: Welche <strong>Nachhaltigkeit</strong>swirkungen<br />

erzeugt unser aktuelles Wertangebot?<br />

Wie beeinflussen diese den Einmaligkeitscharakter<br />

des Unternehmens? Inwiefern<br />

können substanziell nachhaltigere Lösungen<br />

Mehrwert schaffen?<br />

In einer prosperierenden Wirtschaftslage fehlt<br />

oft der Anlass, neue Geschäftsmodelle zu<br />

entwickeln. Dynamisierung und Anpassungsdruck<br />

bestimmen die Agenda. Die Herausforderung<br />

besteht darin, diejenigen ökologischen<br />

und sozialen Aktivitäten zu identifizieren,<br />

die den ökonomischen Erfolg auch langfristig<br />

stärken.<br />

Es gilt, einen erfolgreichen „business case<br />

for sustainability“ zu schaffen: Umwelt- und<br />

Sozialmaßnahmen leisten einen signifikanten<br />

Beitrag zur Sicherung und Steigerung der<br />

Wettbewerbsfähigkeit. Nicht Unternehmenserfolg<br />

und <strong>Nachhaltigkeit</strong> lautet die Devise,<br />

sondern Unternehmenserfolg durch<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>.<br />

PROF. DR. STEFAN SCHALTEGGER<br />

ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre an<br />

der Leuphana Universität Lüneburg. Er leitet<br />

das Centre for Sustainability Management (CSM).<br />

Seine Forschungsschwerpunkte sind <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement,<br />

strategisches Management<br />

sowie die Integration von Betriebs- und Volkswirtschaftslehre,<br />

räumliche Ökonomie und <strong>Nachhaltigkeit</strong>sökonomie.<br />

Stefan Schaltegger hat das<br />

Sustainability Leadership Forum aufgebaut, einen<br />

Kreis fortschrittlicher Unternehmen, die Praxisthemen<br />

des <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagements wissenschaftlich<br />

fundiert diskutieren und Erfahrungen<br />

austauschen.<br />

Professor Schaltegger hat den MBA Sustainability<br />

Management an der Leuphana Universität<br />

Lüneburg eingeführt, den weltweit ersten universitären<br />

MBA zu <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement<br />

und zur Corporate Social Responsibility.<br />

In dem Programm, einer berufsbegleitenden<br />

Weiterbildung der Professional School der<br />

Leuphana, werden berufstätige Fach- und<br />

Führungskräfte zu so genannten Change Agents<br />

weitergebildet.<br />

http://www.leuphana.de/institute/csm.html


How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Suche nach der ne<br />

Erfolgsformel<br />

-


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 13<br />

uen<br />

Rücksichtsloses Handeln war gestern, die Dynamik der<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist heute – für Bayer-Vorstand Wolfgang Plischke<br />

kann ein Unternehmen ohne gesellschaftliche Akzeptanz nicht<br />

mehr erfolgreich operieren.<br />

Unternehmen suchen nach Wegen, Umwelt- und<br />

Sozialmanagement ins konventionelle ökonomische Management<br />

zu integrieren. Der Leverkusener Pharma- und Chemiemulti BAYER<br />

befördert weltweit Ernährungs- und Gesundheitsprojekte.<br />

Volkswagen liefert die Blaupause für ein neues Mobilitätskonzept.<br />

Der Softwareriese SAP spielt bewusst seine Marktmacht aus und<br />

setzt neue Maßstäbe im Zusammenspiel zwischen Herstellern und<br />

Lieferanten. Der Duft- und Aromenspezialist Symrise nutzt weiße<br />

Biotechnologie – und ein Hirsch sagt danke.


„<br />

g How<br />

RB: Herr Plischke, <strong>als</strong> Auslöser der Finanz -<br />

krise hat Bayer die Gier nach schnellem Geld<br />

gegeißelt. Heute präsentieren sich Unter -<br />

nehmensführer gerne <strong>als</strong> Wohltäter, die sich<br />

für Ökonomie in Verbindung mit Ökologie<br />

und sozialer Verantwortung einsetzen.<br />

Richtungswechsel oder PR-Gag?<br />

Plischke: Weder noch. Die Finanzkrise hat<br />

uns ja drastisch vor Augen geführt, wohin<br />

der Mangel an <strong>Nachhaltigkeit</strong> führen kann.<br />

Das Gute daran ist: Die fatale Dynamik der<br />

Kurzatmig keit macht endlich einer neuen<br />

Logik der <strong>Nachhaltigkeit</strong> Platz. Ich halte<br />

diese Ent wick lung nicht nur für glaubwürdig,<br />

sondern sogar für zwingend.<br />

RB: Ihr Motto lautet "Science for a better<br />

Life". Auch Bayer sonnt sich im neuen Licht.<br />

Plischke: Aber doch nicht erst seit heute.<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> hat bei Bayer eine lange<br />

Tradition. Nehmen Sie das Programm "Bayer<br />

forscht für den Umweltschutz" aus den 70er<br />

und 80er Jahren, unser Responsible-Care-<br />

Engage ment oder unsere Vereinbarungen zur<br />

Beschäftigungssicherung in Deutschland.<br />

Schon 1976 haben wir unseren ersten<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Das ist was<br />

für Marathonläufer,<br />

nichts für Sprinter<br />

Bayer-Vorstand Wolfgang Plischke über <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>als</strong> Mentalitätswechsel<br />

in der Wirtschaft, die Chancen einer neuen Ökonomie und die Frage,<br />

warum es kein Zurück mehr geben kann<br />


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 15<br />

Umwelt- und Sozialbericht veröffentlicht.<br />

Seit 1986 gibt es unsere Leitlinien für<br />

Umweltschutz und Sicherheit. 2000 waren<br />

wir Gründungs mitglied des UN Global<br />

Compact, 2004 wurden wir <strong>als</strong> erstes<br />

Unternehmen Partner des Umwelt pro -<br />

gramms der Vereint en Nationen im Bereich<br />

Jugend und Umwelt. 2007 starteten wir ein<br />

unternehmensweites Klimapro gramm. Im<br />

Jahr 2009 überarbeiteten wir unsere Nach -<br />

haltigkeits strate gie und verstärkten unsere<br />

Aktivitäten in unseren Kern bereichen<br />

Ernährung und Gesundheit sowie beim<br />

Klimaschutz. Und: Wir nehmen seit Jahren<br />

führende Positionen in weltweiten Sustain -<br />

ability-Rankings ein, was alles andere <strong>als</strong><br />

selbstverständlich ist.<br />

RB: Dann können Sie sich ja zurücklehnen<br />

und anderen bei der Aufholjagd zuschauen.<br />

Plischke: Überhaupt nicht! <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

<strong>als</strong> Unternehmensstrategie ist Dauer auf gabe<br />

des Topmanagements oder, wenn Sie so wollen,<br />

Chefsache. Es darf keinen Tag geben, an<br />

dem wir uns nicht fragen, was wir noch besser<br />

machen könnten. Das ist was für Mara -<br />

thonläufer, nichts für Sprinter.<br />

RB: Was bedeutet <strong>Nachhaltigkeit</strong> für Sie?<br />

Plischke: In einem Satz? Im Einklang mit<br />

gesellschaftlichen Zielen und Bedürfnissen<br />

zu agieren – denn gesellschaftliche Akzep -<br />

tanz ist die Basis für all unser Handeln und<br />

somit wesentlich für unseren Erfolg.<br />

RB: Das sagen viele.<br />

Plischke: Aber setzen es auch viele so konsequent<br />

um? Wir verwirklichen Nachhaltig -<br />

keit auf drei Ebenen. Erstens: Bayer ist Teil<br />

der Gesellschaft und leistet wichtige Bei -<br />

träge durch seine innovativen Produkte – sie<br />

sind der Kern unseres Geschäftes.<br />

Zweite Ebene: unsere Geschäftsmodalitäten,<br />

<strong>als</strong>o die Art und Weise, wie wir unser Ge -<br />

schäft betreiben. Schließlich: unser ge sell -<br />

schaftliches Engagement. Das sind rund<br />

300 Projekte weltweit, die unter anderem<br />

in der Bildungsförderung, der Gesundheits -<br />

ver sorgung und im Umwelt schutz angesiedelt<br />

sind.<br />

RB: Sind Sie Treiber oder ein Getriebener?<br />

Plischke: Eigentlich beides. Einmal folgen<br />

wir unserer Strategie aus Überzeugung und<br />

wollen Maßstäbe setzen. Zum anderen sind<br />

wir überzeugt: Es geht gar nicht mehr<br />

anders. Die Welt ändert sich. Kunden und<br />

Investoren verlangen mehr denn je nach<br />

einer verantwortungsvollen Unternehmens -<br />

führ ung, die Politik setzt neue Rahmenbe -<br />

ding ungen. Da ist unheimlich viel in Be -<br />

Dr. Wolfgang Plischke<br />

gehört seit dem 1. März 2006 dem<br />

Vorstand der Bayer AG an. Er ist ver -<br />

antwortlich für Innovation, Technologie<br />

und Umwelt und betreut die Region<br />

Asien/Pazifik. Plischke war vom 1. Juli<br />

2002 bis zu seiner Berufung in den<br />

Bayer-Vorstand Mitglied des Bayer<br />

HealthCare Executive Committee und<br />

leitete die Division Pharma.


How g<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

„<br />

wegung. <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist Voraussetzung Plischke: Das haben Sie gesagt! Lassen wir<br />

für wirtschaftlichen Erfolg. Und Erfolg ist die die Fakten sprechen. Von unseren Leucht -<br />

Basis für <strong>Nachhaltigkeit</strong>.<br />

turm pro jekten können weltweit Millionen<br />

RB: Die Unternehmensphilosophie zu verändern<br />

ist die eine Sache, sie konkret zu leben, die Energieeffizienz in der Produk tion bis<br />

Menschen profitieren. Wir haben zugesagt,<br />

eine andere. Es gibt Stimmen, die sagen: 2013 um 10 Prozent ge genüber 2008 zu<br />

Beim Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> gibt es kein steigern und so 350.000 Tonnen an Treib -<br />

Erkenntnis-, jedoch eher ein Umsetzungs - haus gas-Emis sionen pro Jahr einzusparen.<br />

problem. Wir wissen alles, aber wir tun zu Zudem soll eine neue Technologie zur Chlor -<br />

wenig.<br />

produktion die Treib hausgas-Emissionen um<br />

Plischke: Für Bayer trifft das nicht zu. Wir weitere 250.000 Tonnen bis 2020 senken.<br />

haben unsere Nachhaltig keits strategie ständig<br />

weiterentwickelt und das integrierte ein weiteres Einsparpotenzial von potenziell<br />

Durch deren Ver markt ung ergibt sich sogar<br />

Nach haltigkeit ist<br />

weit mehr <strong>als</strong> Klimaschutz<br />

“<br />

Bayer-<strong>Nachhaltigkeit</strong>sprogramm konzipiert. 5 Milli onen Tonnen Treibhausgas-Emissionen<br />

Im Mittelpunkt stehen drei wichtige Themen: jährlich. Das ist doch ein Wort!<br />

starke Allianzen für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung,<br />

innovative Partner schaften Energieeffizienz?<br />

RB: Was ist wichtiger? Energiesparen oder<br />

für mehr hochwertige Lebensmittel sowie Plischke: Beides ist wichtig, wobei in der<br />

neue Lösungen für den Klimaschutz und die Energieeffizienz noch viel Potenzial steckt.<br />

Ressourcennutzung. Aktuell zeigen unsere Nehmen wir zum Beispiel Chlor, einen wichtigen<br />

Grundstoff der chemischen Industrie.<br />

Arbeits gebiete in acht internationalen<br />

Leucht turm projekten, w ie Bayer mit sei nem Er ist unter anderem für die Herstellung von<br />

Know-how wirksame Beiträge für eine nachhaltige<br />

Entwicklung leisten kann.<br />

lich. Die Chlorherstellung gehört zu den<br />

Kunststoffen und Medikamenten unerläss-<br />

RB: Viele Menschen verbinden <strong>Nachhaltigkeit</strong> energieintensivsten chemischen Prozessen<br />

ausschließlich mit Klimaschutz ...<br />

überhaupt. Rund 50 Prozent der Kosten<br />

Plischke: ... eine der größten globalen Her - in der Chlor produktion sind<br />

aus forderungen überhaupt, aber nicht die Stromkosten.<br />

einzige ...<br />

Ein neues Verfahren der Chlor -<br />

RB: ... wieder andere mit nichts <strong>als</strong> "Green-<br />

gewin nung basiert auf dem<br />

washing". Kritische Aktionäre, auch solche Prinzip der Brenn stoffzelle und<br />

der Bayer AG, behaupten, gerade die Chemie recycelt Chlor aus Salz säure und<br />

habe die besten Gründe, das Image durch demnächst – daran arbeiten wir –<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> aufzupolieren.<br />

aus Kochsalz in einem ge schlossen -<br />

en Kreislauf. Diese Sauer stoff verzehr -<br />

kathoden-Techno logie ermöglicht gegenüber<br />

dem herkömmlichen Ver fahren eine<br />

Reduktion des Energie einsatzes und entsprechend<br />

der CO 2 -Emis sionen um 30<br />

Prozent. Aber Nach haltig keit ist natürlich<br />

weit mehr <strong>als</strong> Klima schutz.<br />

RB: Nämlich?<br />

Plischke: Bayer HealthCare engagiert sich<br />

in mehr <strong>als</strong> 130 Ländern, um die Vor aus -<br />

setzungen für ein selbstbestimmtes<br />

Leben und eine autonome Familienplanung<br />

zu schaffen. Wir widmen uns im Rahmen<br />

unseres <strong>Nachhaltigkeit</strong>sprogramms vernachlässigten<br />

Krank heiten wie Schlaf -<br />

krankheit oder Tuberkulose. Im Bereich<br />

Er nährung haben wir ein Pro gramm gestartet,<br />

das die Ertrags- und Einkommens situ -<br />

ation der Reisbauern nachhaltig verbessern<br />

soll. Bayer CropScience ist im Rahmen seines<br />

Programms "Food Chain Partnership" in<br />

Indien Partnerschaften für eine nachhaltige<br />

Gemüseproduktion eingegangen. Die explosiv<br />

wachsende Welt be völkerung verlangt<br />

Antworten nach innovativen Arzneimitteln<br />

und einer qualitativ hochwertigen Ernähr -<br />

ung. Selbst beim Klima schutz geht es nicht<br />

nur um CO 2 ...<br />

2<br />

Millionen Menschen<br />

sterben jährlich an<br />

Tuberkulose<br />

3,3<br />

Milliarden Menschen<br />

sind durch die Afri -<br />

kanische Schlafkrankheit,<br />

Chagas oder Tuberkulose<br />

gefährdet


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 17<br />

GESUNDHEIT<br />

DER TÖDLICHE BISS<br />

Zuerst kommt das Fieber. Die Lymph knoten schwellen<br />

an, Hautausschlag breitet sich aus, es juckt.<br />

Es folgen Krämpfe, Ver wir rung und Dämmer zustand.<br />

Und dann kommt der Tod. Anders <strong>als</strong> Malaria rafft die<br />

Afrikanische Schlaf krankheit ohne Behand lung<br />

unweigerlich jeden Men schen dahin – schätzungsweise<br />

70.000 pro Jahr.<br />

Laut Welt gesundheits orga nisation WHO sind 60 Milli -<br />

onen Menschen in Afrika allein südlich der Sahara von<br />

Trypanos omiasis bedroht. Urheber ist das ausschließlich<br />

in Zentral afrika vorkommende, mit Geißeln versehene<br />

Protozoon Trypanosoma brucei, das sich korkenzieherförmig<br />

fortbewegt und durch den Stich der<br />

Tsetsefliege auf den Men schen übertragen wird. Seit<br />

Beginn dieses Jahrhunderts ist die Krank heit heilbar<br />

und gut zu bekämpfen. 1905 wurde das erste wirksame<br />

Medi kament entwickelt - durch schlag ende<br />

Ergeb nisse bei der großflächigen Be kämpfung blieben<br />

aus.<br />

Jetzt verspricht eine neue Kombinationstherapie<br />

endlich Erfolg. Ein Mix aus den Wirk stoffen<br />

Nifurtimox von Bayer HealthCare und Eflornithin<br />

von einem anderen Arzneimittel her steller hat sich<br />

in klinischen Studien im Kampf ge gen die Krankheit<br />

<strong>als</strong> besonders vielversprechend erwiesen.<br />

Die WHO hat daraufhin im Mai 2009 diese Kombi -<br />

nationst herapie in die Liste der unentbehrlichen<br />

Medi ka mente aufgenommen. Parallel laufen bereits<br />

in den Län dern, in denen die Krankheit endemisch<br />

ist, die Vorbe reitungen für die Ein führ ung dieser<br />

Behand lung. Die WHO will neben den Medika men ten<br />

auch Schulungs maß nahmen anbieten, um damit den<br />

Zugang zur Kombinations thera pie sicherzustellen.<br />

RB: ... sondern?<br />

Plischke: ... ein Beispiel: Unser Malaria-<br />

Projekt im Rahmen unseres Klimapro -<br />

gram ms. Experten befürchten, dass im Zuge<br />

des Klimawandels die Zahl der Malaria-Infek -<br />

ti onen weltweit um 40 bis 60 Millionen zu<br />

nehmen und sich auch auf Regionen er -<br />

strecken könnte, die bisher von der Malaria<br />

verschont geblieben sind. Jetzt arbeiten wir<br />

mit der Bill and Melinda Gates Foundation<br />

sowie dem Innovative Vector Control<br />

Consortium zu sam men an der Lösung des<br />

Problems. Gemeinsam wollen wir eine neue<br />

Insektizid-Forschungs plattform für Public-<br />

Health-Wirk stoffe aufbauen und neue resistenzbrechende<br />

Schädlingsbekämpfungsmittel<br />

entwickeln.<br />

RB: Wo sind da die Grenzen zwischen sozialem<br />

Engagement und Geschäft?<br />

Plischke: Das ist doch das große Miss ver -<br />

ständnis! Wir unterziehen unser Handeln<br />

und unsere Produkte einer Bewertung, bei<br />

der wir die ökologischen und gesellschaftlichen<br />

Auswirkungen berücksichtigen, aber<br />

natürlich auch die ökonomischen. Nach -<br />

haltigkeit ist kein Pro-bono-Projekt, sondern<br />

ein Business-Modells, und zwar ein profitables<br />

– wenn man es richtig macht.<br />

RB: Gemessen an der Häufigkeit, mit der<br />

das Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> inzwischen auftaucht,<br />

fragt man sich auch, wann der Hype<br />

wohl wieder vorbei ist. Manche sprechen<br />

bereits von Medialisierung der Nach haltig -<br />

keit. Prägt der Begriff einen Modetrend?<br />

Plischke: Das wäre außerordentlich fatal.<br />

Denn das würde heißen, wir haben absolut<br />

nichts gelernt. Es ist allerdings durchaus<br />

richtig: Es besteht die Gefahr einer Inflation -<br />

ier ung des Begriffs und damit einer gewissen<br />

Entwertung des Themas. Umso mehr<br />

müssen wir aufpassen. <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist<br />

keine Zeiterscheinung. Sie muss in das<br />

Geschäft integriert sein. Jedes Unternehmen<br />

sollte konsequent daran arbeiten.<br />

RB: Der renommierte US-Soziologe Richard<br />

Sennett, der an der New York University und<br />

an der London School of Economics lehrt<br />

und seit Jahren die Auswirkungen des<br />

Kapitalismus auf unsere Gesellschaft<br />

er forscht, behauptet: Bestimmte Markt teil -<br />

nehmer hätten nichts aus der Krise gelernt<br />

und machten genau da weiter, wo sie aufgehört<br />

haben.<br />

Plischke: Ich maße mir nicht an, darüber zu<br />

urteilen, wer nun etwas gelernt hat und wer<br />

nicht. Für mich steht außer Zweifel:<br />

Ein Zu rück gibt es nicht mehr, darf es nicht<br />

mehr geben.<br />

RB: Ein anderer Wissenschaftler, der Ber liner<br />

Wilfried Mödinger vom Institute of Sustain -<br />

able Leadership der Steinbeis Hoch schule,<br />

spricht in Verbindung mit Nach haltigkeit von<br />

einer Stakeholder-Falle. Er meint damit, dass<br />

im Ausgleich mit ander en Anspruchsgruppen<br />

aus der Gesellschaft und der Ökologie der<br />

ökonomische Stand punkt zu kurz kommt.<br />

Plischke: 2009 war für Unternehmen sicher<br />

eines der schwierigsten Jahre der Nach -<br />

kriegs zeit. Trotzdem hat die Bayer AG das<br />

drittstärkste operative Ergebnis in der Unter -


How g<br />

„<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

KLIMA<br />

ALLES AUF NULL<br />

Weltweit verursacht der Energieverbrauch in Ge bäuden<br />

fast 20 Prozent der Treibhausgas-Emis sionen. Bayers<br />

Initiative „EcoCommercial Building” soll kommerzielle<br />

und öffentliche Ge bäude auf Energieeffizienz trimmen<br />

und zusammen mit Zu lieferern, Baufirmen, Architekten<br />

und Bauherren über das Netzwerk Niedrigenergie häuser,<br />

Passiv häuser oder Nullemissions-Gebäude vermitteln.<br />

Zi el: maßgeschneiderte Lösungen.<br />

Mit dem Null-Emissions-Betriebskindergarten in Mon -<br />

heim, dem Stammsitz von Bayer CropScience, fing es an.<br />

Das Ge bäude nutzt regenerative Energie und verfügt über<br />

eine optimale Dämmung unter Ver wendung von Poly -<br />

urethan-Rohstoffen.<br />

Ein zweites Pilot projekt kam hinzu, diesmal in der Nähe<br />

von Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. Der Bayer-Verwalt -<br />

ungs bau ist dort den speziellen subtropischen Be ding -<br />

ungen angepasst. Ein neues Bayer-Büro haus im belgischen<br />

Diegem heimste gleich den Preis für Archi tektur<br />

und Energie ein. Sein Energieverbrauch ist nur halb so<br />

hoch wie bei vergleichbaren Bauten. Jetzt soll aus den<br />

Piloten ein Geschäfts modell entstehen. Unter anderem<br />

Handelsketten haben Interesse angemeldet. Was bei den<br />

Wir haben bei uns ein Instrument<br />

eingeführt, mit dem wir sowohl die<br />

ökonomischen <strong>als</strong> auch die ökologischen<br />

und sozialen Komponenten eines Produktes<br />

bewerten können. Wir messen <strong>als</strong>o seinen<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>sbeitrag.<br />

nehmens geschichte überhaupt erzielen können.<br />

Die verstärkte Ausrichtung unserer<br />

Unternehmensstrategie auf <strong>Nachhaltigkeit</strong>,<br />

die einhergeht mit unserer Priorität für For -<br />

schung und Entwicklung, hat ganz wesentlich<br />

dazu beigetragen.<br />

RB: Was macht Sie da so sicher?<br />

Gebäuden recht, ist in der industriellen Produktion nur<br />

billig. Beispiel Chlor. Die Herstellung gehört zu den energieintensivsten<br />

chemischen Prozessen überhaupt.<br />

Rund 50 Prozent der Kosten gehen auf das Konto Strom.<br />

Die ständige Verbes serung der Energieeffizienz in der<br />

Chlorproduktion hat höchste Priorität.<br />

Ein erstes Bayer-Verfahren der Chlorgewinnung ba siert<br />

auf dem Prinzip der Brennstoffzelle und re cycelt Chlor<br />

aus Salzsäure in einem geschlossenen Kreislauf. Diese<br />

Sauerstoffverzehrkathoden-Techno logie senkt die CO 2 -<br />

Emissionen um ein Drittel. Lohn der Mühe: Der Umwelt -<br />

preis des Bun des verbandes der deutschen Industrie.<br />

Forscher entwickeln das patentierte Verfahren auf Basis<br />

von Kochsalz weiter. Energieeinsparung von 30 Prozent<br />

gegenüber dem herkömmlichen Verfahren ist möglich.<br />

Der Hebel für die Energie- und CO 2 -Einsparung in der<br />

Chlorherstellung ist enorm.<br />

Würden 15 Prozent aller existierenden Anlagen auf neue<br />

Technologien umgerüstet, könnte sich das weltweite<br />

CO 2 -Ein spar potenzial in der Chlorherstellung auf fünf<br />

Milli onen Tonnen pro Jahr summieren. Das ist dreimal<br />

soviel, wie die jährlich in Deutsch land neu zugelassenen<br />

Autos an Kohlendioxid einsparen, wenn sie die EU-Norm<br />

für den CO 2 -Ausstoß erfüllen.<br />

“<br />

Plischke: Ohne gesellschaftliche Akzeptanz<br />

kann kein Unternehmen erfolgreich agieren.<br />

Gerade die aktuelle Debatte um einen<br />

Energiekonsens in Deutschland zeigt doch,<br />

wie stark das Thema Zukunfts sicher ung die<br />

Gesellschaft berührt. Dabei ist es unstrittig,<br />

dass wir mehr regenerative Energien und<br />

eine ökologischere Wirt schafts weise brauchen.<br />

Die Wende in der Energie politik muss<br />

aber mit Augenmaß und Rücksicht auf die<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erfolgen.<br />

Ein weiteres Beispiel: nachhaltiges Invest -<br />

ment. Wir beobachten, dass mehr und mehr<br />

institutionelle Anleger sich an ethischen,<br />

ökologischen und sozialen Kriterien orientieren.<br />

Indem wir <strong>als</strong> Unter nehmen erfolgreich<br />

sind, können wir unterstellen, dass unsere<br />

Strategie der richtige Weg ist. <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

eröffnet neue Ge schäfts chancen – und<br />

diese nutzen wir.<br />

RB: Kann man Nach haltigkeit messen?<br />

Plischke: Dies ist eine Herausforderung –<br />

aber ja, man kann. Wir haben bei uns ein<br />

Instrument eingeführt, mit dem wir sowohl<br />

die ökonomischen <strong>als</strong> auch die ökologischen<br />

und sozialen Komponenten eines Produktes<br />

bewerten können. Wir messen <strong>als</strong>o seinen<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>sbeitrag. Wir tun dies aus der<br />

festen Erkenntnis heraus, dass die Nach frage<br />

nach nachhaltig produzierten Gütern ebenso


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 19<br />

zunehmen wird wie die Sensibilität der Ver -<br />

braucher gegenüber <strong>Nachhaltigkeit</strong>s themen.<br />

RB: Welche Rolle spielen Ihre Mitarbeiter<br />

dabei?<br />

Plischke: Sie haben eine Schlüsselfunktion.<br />

Ohne ihre Innovationskraft und Motivation<br />

wären unsere Strategien zum Scheitern ver -<br />

urteilt. Daher ist es uns auch so wichtig, sie<br />

nach Kräften zu fördern – zum Beispiel durch<br />

die Beteiligung am Unternehmens erfolg oder<br />

durch Maßnahmen zur be sseren Vereinbar -<br />

keit von Beruf und Familie. Wir haben außerdem<br />

den Anteil von Frauen im oberen Mana -<br />

ge ment in den vergangenen Jahren kontinuierlich<br />

erhöht.<br />

RB: Die Deutsche Tele kom will den Anteil von<br />

Frauen in oberen und mittleren Führungs -<br />

positionen bis 2015 auf 30 Prozent erhöhen.<br />

Als erstes Unter nehmen im Aktienindex<br />

Dax 30 hat die Telekom damit eine Quoten -<br />

regelung eingeführt. Können Sie sich so<br />

etwas auch bei Bayer vorstellen?<br />

Plischke: Wir sind bestimmt noch nicht da,<br />

wo wir hin wollen. Ich denke allerdings, wir<br />

werden unsere Ziele auch ohne Quoten regel -<br />

ung erreichen.<br />

40%<br />

der Bevölkerung Indiens –<br />

rund 500 Millionen<br />

Menschen – sind<br />

Vegetarier<br />

RB: Wie gehen Sie mit Ihren Lieferanten um?<br />

Plischke: Neben unseren Produkten er -<br />

streckt sich unser nachhaltiges Engagement<br />

auch auf unser eigenes Verhalten und unseren<br />

Anspruch gegenüber unseren Geschäftspartnern.<br />

Wir haben in den vergang enen<br />

ERNÄHRUNG<br />

KAMPF GEGEN DEN HUNGER<br />

Der Bedarf an Nahrung steigt – die zur Verfügung stehende<br />

landwirtschaftliche Anbaufläche bleibt bestenfalls<br />

konstant. Der Klimawandel bedroht die Ernten.<br />

Fast eine Milliarde Menschen hungern. Der Kongo belegt<br />

den letzten Platz von 84 Ländern beim Welthungerindex.<br />

Jedes fünfte Kind stirbt, bevor es fünf Jahre alt wird.<br />

In Indonesien leben mehr <strong>als</strong> 40 Millionen Men sch en<br />

vom Reis, doch die Ernteerträge sind schlecht. Eine neue<br />

Anbau methode im Rahmen des Bayer-<strong>Nachhaltigkeit</strong>s -<br />

programms soll die Er trags- und Einkommenssituation<br />

der Reisbauern verbessern.<br />

Statt traditionell Reissetzlinge vorzuzüchten und dann<br />

auf geflutete Felder umzupflanzen, wird Reis vorgekeimt<br />

und direkt gesät. Ergebnis: Ertrags steiger ungen von<br />

rund 10 Prozent. Auch die Umwelt profitiert. Der vorgekeimte,<br />

trocken gesäte Reis spart erhebliche Mengen<br />

Wasser.<br />

Jahr en unser Compliance-Programm weiterentwickelt<br />

und mit zahlreichen Initiativen,<br />

zum Beispiel zur Korruptions bekämpfung,<br />

akzentuiert. Unsere Partner werden nicht<br />

nur unter den Aspekten Preis und Qualität<br />

ausgesucht, sondern wir erwarten von ihnen<br />

auch explizit die Einhaltung ethischer, sozialer<br />

und ökologischer Kriterien, die wir in<br />

einem speziellen Code of Conduct festgeschrieben<br />

haben.<br />

RB: Partnerschaften scheinen für Bayer<br />

Ein weiterer Effekt: Der Ausstoß an klimaschädlichem<br />

Methan, das durch Gärung in stehenden Gewässern<br />

entsteht, reduziert sich um 30 Prozent. Das Programm<br />

umfasst außerdem ein integriertes Angebot von Saatgut,<br />

Sämaschinen, Pflanzenschutzprodukten und Schulungs -<br />

programmen für die Bauern.<br />

Bayer CropScience schließt unter dem Titel „Food- Chain-<br />

Partnership” Partner schaften für nachhaltige Gemüse -<br />

produktion. Die gesamte Nahrungsmittel kette kommt<br />

zusammen – von den Landwirten und Zulieferern über<br />

die Lebensmittel verarbeitende Industrie bis hin zu<br />

Händlern und Exporteuren. Experten unterstützen<br />

Landwirte beim Anbau nach den Regeln einer profitablen,<br />

nachhaltigen landwirtschaftlichen Praxis.<br />

Mehr Ertrag pro Hektar schützt Natur- oder Wald flächen.<br />

Dies kommt der Biod iversi tät zugute, deren Erhalt –<br />

gerade in aufstrebenden Schwellen ländern wie Indien –<br />

eine besondere Auf gabe darstellt.<br />

80 Food-Chain-Partnership-Pro jekte sind gestartet.<br />

Bis Ende 2011 soll sich die Zahl auf 125 erhöhen.<br />

zunehmend an Bedeutung zu gewinnen.<br />

Plischke: Völlig richtig. Wir setzen Partner -<br />

schaften in den unterschiedlichsten Be -<br />

reichen um – sei es im F&E-Bereich, im<br />

Dialog mit Stakeholdern oder im Rahmen<br />

unseres gesellschaftlichen Engagements.<br />

Die Themen in Verbindung mit <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

sind häufig so komplex und weitreichend,<br />

dass wir gezielt partnerschaftliche Kooper -<br />

ationen eingehen, um gemeinsam weiterzukommen.


How g<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> in der Praxis: PRODUKTION<br />

Grüne Größe<br />

SPÄTESTENS 2018 WILL DER VOLKSWAGEN-KONZERN DER<br />

– MIT KARACHO AN TOYOTA VORBEI.<br />

Ein Hochleistungssportwagen mit reinem Elektroantrieb:<br />

Der e-tron von Audi<br />

Kaum war der mächtige Konkurrent ins Straucheln geraten,<br />

da blies der schärfste Verfolger frohgemut zum Generalangriff.<br />

Während Toyota 4,5 Millionen Autos wegen vermeintlich<br />

klemmender Gaspedale in die Werk stätten rief und der Nimbus<br />

der Ja paner <strong>als</strong> Qualitätsweltmeister sich in Nichts aufzulösen<br />

schien, da verkündete Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn das ehr -<br />

geizigste Wachstumsprojekt in der Geschichte des Autobauers. In drei bis fünf<br />

Jahren, stichelte der Konzern-Obere Anfang des Jahres Richtung Asien,<br />

solle der Absatz des Wolfsburger Markenkonglomerats von gut sechs<br />

Millionen auf acht Millionen Fahrzeuge steigen, bis 2018 sogar auf mehr <strong>als</strong><br />

zehn Millionen. Dann wäre Winterkorns Mannschaft endlich am Ziel: auf dem<br />

Gipfel, ganz oben.<br />

Size matters, aber Größe ist nicht alles. Volkswagen will auch „der umweltfreundlichste<br />

Autoher steller der Welt werden“. Dafür steht – angelehnt an<br />

die "Strategie 2018" des Konzerns – das Programm „18plus“. Schon heute<br />

ist Volkswagens „BlueMotion“ das bekannteste Umweltlabel im Fahr zeug bau.<br />

Wolfsburgs grüne Welle heißt „Think blue“ – Ausdruck einer übergeordneten<br />

Unternehmens philosophie, die auf den drei Säulen umweltverträgliche<br />

Lösungen und Produkte, individuelles Verhalten und Umweltinitiativen ruht.


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 21<br />

ÖKONOMISCHE UND ÖKOLOGISCHE WELTMARKTFÜHRER IM AUTOMOBILBAU WERDEN.<br />

NACHHALTIGE PRODUKTION IST EIN ERFOLGSREZEPT.<br />

SIE SOLL EHRGEIZIGE WACHSTUMS- UND REN DITEZIELE VERWIRKLICHEN UND MAXIMALE MARKEN-<br />

UND MODELL VIELFALT BEI GLEICHZEITIG SINKENDER KOMPLEXITÄT GARANTIEREN.<br />

„<br />

Für Massenher steller wie Volkswagen ein Höllen ritt. Einerseits gehört der Weniger Einsatz, höhere Flexibilität, mehr Marken- und Modellvielfalt: Volks -<br />

Automobilbau be sonders in aufstrebenden Märkten zu den Haupttreibern wagens Modulstrategie spült – rein rechnerisch – schon heute viel Geld in<br />

wirtschaftlicher Ent wicklung. Andererseits bringt die rasant wachsende<br />

die Kasse. Einmal aufwendungen und Stück kosten können jeweils um<br />

Mobilität große Herausforderungen mit sich: von der weiteren, schnellen 20 Prozent sinken, die "Engineered Hours per Vehicle" sogar um ein Drittel.<br />

Reduzierung von Emissionen über die Endlich keit fossiler Ressourcen bis Fertigungszeit und -komplexität werden wesentlich reduziert. Die Zahl der<br />

hin zum drohenden Ver kehrs kollaps in Megacitys wie Peking oder Mumbai. Varianten sinkt beträchtlich, bei Klimaanlagen beispielsweise um mehr <strong>als</strong><br />

Volkswagens Wachstums strate gie beruht im Wesent lichen<br />

auf einer neuen Platt formarchitektur – den modularen Quer-<br />

(MQB) und Längs bau kästen (MLB). Für Winterkorn sind sie<br />

der Kern nachhaltiger Industrie produktion: „Mit ihnen können<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist ein Grund prinzip der<br />

wir die ehrgeizigen Wachs tums- und Renditeziele des Kon -<br />

zerns und seiner Marken stemmen und maximale Markenund<br />

Modellvielfalt bei gleich zeitig sinkender Komplexität rea-<br />

für lang fristigen Erfolg. Profit abilität, Umweltschutz<br />

und soziale Verant wortung.<br />

lisieren.“<br />

Martin Winterkorn, CEO, Volkswagen<br />

Mehr <strong>als</strong> acht Milliarden Euro steckt Wolfsburg jährlich in die<br />

“<br />

Entwicklung neuer Modelle und innovativer Umwelttechno logien.<br />

Rendite ist der Stoff, aus dem die Träume sind. Ob Audi A5, Q5, A4 oder der 70 Prozent. Vor allem: Zusammen mit abgespeckten, hocheffektiven turbogetriebenen<br />

Benzin- und Diesel motoren, innovativen Getrieben und Elektroa -<br />

neue A8: Sie alle basieren auf dem Längs bau kasten. Mittel fristig soll die Zahl<br />

dieser Modelle konzernweit auf rund 15 erhöht werden. Dagegen ist der<br />

ntrieben befördern die Kästen Volkswagens ehrgeizige Verbrauchs- und<br />

modulare Querbau kasten das technische Fundament der künftigen Fahr - Emissionsziele. Modelle der neuen Klein wagen generation "New Small Family"<br />

zeugflotte im A0-, A- und B-Segment, <strong>als</strong>o kleiner und mittlerer Autos –<br />

tragen ebenso dazu bei. Deren Haupt merkmale: kompakte Ausmaße, umweltschonende<br />

Motoren, geringes Gewicht. Derzeit emittieren bereits mehr immerhin rund drei Millionen Ein heiten pro Jahr. Konzernweit bringt<br />

<strong>als</strong><br />

Unter nehmens führung und der Schlüssel<br />

Für Winterkorn „ist <strong>Nachhaltigkeit</strong> ein Grund prinzip der Unternehmens -<br />

führung und der Schlüssel für langfristigen Erfolg“. Profit abilität, Um welt -<br />

schutz und soziale Verant wortung: „Diese drei Aspekte gilt es langfristig<br />

weltweit in Einklang zu bringen.“<br />

Volkswagen auf dieser Grundlage mittelfristig mehr <strong>als</strong> 40 neue Modelle an<br />

den Start. Den Anfang macht der neue Audi A3. Auch das wichtigste Volumen -<br />

modell, der Golf VII, basiert erstm<strong>als</strong> auf dem MQB. Auch ein Sportwagen -<br />

baukasten ist denkbar – wenn, dann ist Porsche mit dabei.


How g<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

170 Modellvarianten des Konzerns weniger <strong>als</strong> 140 Gramm Kohlen dioxid pro<br />

Kilometer, 130 Gramm schreibt die EU <strong>als</strong> Höchstgrenze für Neu wagen ab<br />

2015 vor. Highlight ist der Polo: 87 Gramm, der sparsamste Fünftürer der<br />

Welt. Eine <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Studie bescheinigt den deutschen Autobauern inzwischen<br />

auch die größte Kompe tenz in Sachen Elektro mobilität. Dieses<br />

Ergebnis kommt nicht von ungefähr. Volkswagen setzt auf einen Mix verschiedener<br />

Antriebskonzepte: moderne Verbrennungsmotoren, verminderte<br />

Emissionen, Hybride und Elektrotraktion.<br />

Nahtlos fügt sich die Produktion ins Glied. Auswirkungen der Fertigungs -<br />

prozesse und Produkte auf alle Lebensbereiche werden bereits im Voraus in<br />

die Planung einbezogen. Das Stichwort lautet: integrierter Umwelt schutz.<br />

Dabei werden alle Verant wortlich keiten und Abläufe weltweit genau festgelegt,<br />

zertifiziert nach der internationalen Norm ISO 14001 und dem europäischen<br />

Öko-Audit, der EMAS (Eco-Management and Audit Scheme).<br />

Schonender Umgang mit Ressour cen sichert laut Volkswagens Nachhaltig -<br />

keits strategie „die Zukunft des Unter nehm ens“. Umweltverträgliche Pro -<br />

duktion beginnt mit der Pro duktentwicklung. Nur dort werden die Umwelt -<br />

auswirkungen späterer Fertigungs- und Verwertungsprozesse beein flusst,<br />

etwa durch die Konstruktion und Werk stoff auswahl.<br />

Beim be trieblichen Umweltschutz stehen neben Energie effizienz und<br />

Klimaschutz vor allem die Themen Wasser und Luft, Abwasser und Abfall<br />

im Vorder grund. Ökologische Maßstäbe gelten weltweit für alle 61 Volks -<br />

wagen-Stand orte in 27 Ländern, auch in den Wachs tums märk ten USA, China,<br />

Russland und Indien. Die Reise geht weiter. Lackierereien sind in der<br />

Automobilproduktion mit die größten Energiefresser. Die thermische<br />

Nachverbrennungs anlage (TNV) erzeugt bei der Trock nung von Karosserien<br />

zwangsläufig mehr Wärme, <strong>als</strong> der zugehörige Trockner abnehmen kann.<br />

Volkswagen schaltet zur Abluft reinigung einen Katalysator nach. Energie ver -<br />

brauch: minus 40 Prozent. Die ersten Kataly satoren<br />

wurden in der Lack iererei des Werkes Wolfs -<br />

40%<br />

burg in den Hallen 9 und 15b installiert.<br />

Nach 17 Monaten Be triebs dauer lag der<br />

Erdgasverbrauch der ersten Decklacklinie<br />

mit Kataly sator etwa 40 Prozent<br />

der Deutschen wollen in<br />

den kommenden drei bis unter dem Verbrauch herkömmlicher<br />

zehn Jahren ein Elektro- Maschinen. Im gleichen Zug wurden auch<br />

Auto kaufen<br />

die CO 2 -Emissionen gesenkt. Mittlerweile<br />

sind am Standort Wolfs burg bereits 21<br />

Katalysator anlagen im Einsatz.<br />

INDIEN – DAS NEUE CHINA<br />

China ist für Volkswagen schon lange ein Millionen-<br />

Markt, Indien soll es werden:<br />

Ab 2018 wollen die Wolfsburger dort eine Million Fahrz<br />

euge jährlich verkaufen. Große Hoffnungen setzt Volks -<br />

wagen auf Suzuki, Indiens größten Autohersteller dort,<br />

an dem VW 20 Prozent erworben hat.<br />

Weltweit sichert der Volkswagen-Konzern seine Zukunft<br />

und die seiner Standorte mit dem Ziel der wirtschaftlichen,<br />

technologischen und sozialen Wettbewerbs fähig -<br />

keit. In der Sozialcharta aus dem Jahr 2002 verpflichtet<br />

sich Volkswagen, dass Arbeitszeiten, Vergütungen sowie<br />

Arbeits- und Gesundheitsschutz mindestens den<br />

jeweiligen nationalen Standards entsprechen. Dabei<br />

wird das Grundrecht auf freie Vereinigung anerkannt.<br />

Kein Mitar beiter darf aufgrund seiner ethnischen Her -<br />

kunft, seines Geschlechts, seiner Religion, Staats ange<br />

hörigkeit, sexuellen Ausrichtung, sozialen Herkunft<br />

oder demokratischen politischen Einstellung benachteiligt<br />

werden. Der Volkswagen-Konzern will damit den<br />

Grund sätzen des UN Global Compact – Menschen rech -<br />

te, Arbeitsnormen, Umweltschutz, Korruptionsverbot –<br />

an allen seinen Standorten Geltung verschaffen<br />

Die leistungsstärkste Windkraft anlage der Welt<br />

steht auf dem Volkswagen-Gelände in Emden.<br />

Für den Konzern ist die kontinuierliche Verbes -<br />

serung der Umweltver träglichkeit von Produk tion<br />

und Produkten ein Symbol für ökologisch nachhaltiges<br />

Wachs tum und ein elementarer Be standteil<br />

der Strategie 2018. Für das Werk Emden ist z. B.<br />

auch seit 2008 die Ver sorgung mit Wärme aus Bio -<br />

masse ein weiterer Schritt auf dem Weg zur CO 2 -<br />

neutralen Blue Factory. Neben der Windkraft be -<br />

schäftigt sich Volkswagen in Emden, wo der Passat<br />

BlueMotion gebaut wird, auch mit Sonnen energie.<br />

Seit Dezember 2009 steht auf dem Emden er<br />

Werks ge lände auf 400.000 Quadrat metern der<br />

Energie wald. Er liefert rund 200.000 Liter heizöläquivalenten<br />

Brennstoff pro Jahr. 2009 deckte<br />

Volkswagen in Emden bereits rund ein Drittel seines<br />

gesamten Energie bedarfes aus regenerativ<br />

erzeugter Energie. Megakraftwerk in Emden, Mini -<br />

kraftwerke im Mo toren werk Salz gitter – kleine<br />

Energie liefer anten, die mit einem Erdgasmotor be -


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 23<br />

NEUE DIMENSIONEN<br />

DER EFFIZIENZSTEIGERUNG<br />

Während der Golf der sechsten<br />

Generation im Vergleich zum Golf<br />

der dritten Generation in nahezu<br />

allen Eigenschaften zugelegt hat,<br />

ist der Verbrauch um fast ein<br />

Viertel gesunken.<br />

Leistung<br />

Gewicht<br />

Länge<br />

Breite<br />

Höhe<br />

Verbrauch<br />

+ 64 %<br />

+ 13 %<br />

+ 4,5 %<br />

+ 5 %<br />

+ 6 %<br />

– 24 %<br />

trieben werden und an einen elektrischen Generator angeschlossen sind.<br />

Ihr Name: EcoBlue. Diese Blockheiz kraftwerke basieren auf dem Prinzip der<br />

Kraft-Wärme-Kopplung: Bei der Strom erzeugung wird zugleich Wärme produziert,<br />

die direkt vor Ort gespeichert und genutzt werden kann. Auch große<br />

Kraft werke arbeiten so, wenn auch mit einem deutlich niedrigeren Wirk ungs -<br />

grad. Der erreicht in Salzgitter mehr <strong>als</strong> 90 Prozent. Ein konventionelles<br />

Groß kraft werk kommt auf 50 Prozent. Der erste EcoBlue-Proto typ, nicht größer<br />

<strong>als</strong> ein Kühlschrank, ging 2008 ans Netz, um für warm es Wasch wasser<br />

zu sorgen. Bis Ende 2010 sind 25 dieser Anlagen im Einsatz. Auch Privat -<br />

haus halte sollen profitieren: Mit LichtBlick, Deutsch lands größtem Ökostromanbieter,<br />

entwickelte Volks wagen ein Konzept für ein neu es Zuhause -<br />

kraftwerk, tauglich für den Massen markt. Das Vorbild: EcoBlue. 40.000 An -<br />

fragen liegen vor. Ende 2010 sollen die ersten Anlagen stehen – in Ham burg.<br />

Strom ist der eine, Wasser der<br />

1Mio.<br />

andere Grund stoff der Automobilpro -<br />

duktion. Etwa fünf Kubik meter<br />

E-Fahrzeuge benötigen zirka Wasser werden für die Ferti gung<br />

zwei Terawattstunden Strom.<br />

eines einzigen Fahr zeugs ge -<br />

Das ist soviel wie eine Stadt mit<br />

braucht.<br />

40.000 Einwohnern – etwa<br />

Buxtehude – im Jahr<br />

verbraucht<br />

Die Möglich keiten, den Wasser einsatz<br />

immer weiter zu reduzieren, sind be -<br />

grenzt. Umso wichtiger ist das Thema Wieder verwer tung. Das heißt: Wasser<br />

auf be reiten und im Kreislauf führen. Die Mehr fachnutzung von Wasser bei<br />

Volks wagen in Wolfsburg ist in dieser Form einzigartig. Herzstück ist das<br />

Betriebs wasser rück halte becken mit etwa 1,7 Millionen Kubik metern Spei -<br />

cher volumen. Es dient vor allem <strong>als</strong> Spei cher becken für das Betriebswasser,<br />

ist gleichzeitig aber auch eine Hoch wasser schutz maß nahme für die Region<br />

Wolfsburg. Das Rückhalte becken nimmt Kühl wasser, gereinigtes Abwasser<br />

aus der betriebseigenen Kläran lage und Regen wasser sowohl vom Werksge -<br />

lände <strong>als</strong> auch von Teilen des Stadt ge biets auf. Nach maximal sieben Tagen<br />

Standzeit wird das Wasser aufbereitet und wieder ins Betriebswassernetz<br />

eingespeist. Es wird im Wolfsburger Werk überwiegend zur Kühlung in der<br />

Produktion ge braucht. Rein statistisch betrachtet wird dort jeder Wasser -<br />

tropfen mehr <strong>als</strong> sechs Mal im Kreislauf geführt, bevor er gereinigt in den<br />

Vorfluter geleitet wird.<br />

Manchmal sind es auch die kleinen Zahlen, die zu den großen Ergebnissen<br />

führen. Bereits zum siebten Mal zeichnet Volkswagen Mitarbeiter mit dem<br />

internen Umweltpreis aus. In der Kategorie „Produkt“ ging der erste Preis<br />

an Mitarbeiter der Abteilung Anbauteile, Verglasung und Korrosionsschutz.<br />

Das Team entwickelte eine Unterbodenverkleidung aus Recyclingmaterial,<br />

die bereits im Polo verbaut wird. Sie verringert Luftwiderstand, Geräusch -<br />

pegel und Fahrzeug gewicht – und senkt den Spritverbrauch um etwa 0,05<br />

Liter auf 100 Kilometer.


g How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> in der Praxis: FORSCHUNG & ENTWICKLUNG<br />

Weißer Hirsch<br />

DIE MEDIZIN HAT DIE ROTE, DIE LANDWIRTSCHAFT DIE GRÜNE, JETZT SOLL DIE WEIßE<br />

BIOTECHNOLOGIE NACHHALTIGE INDUSTRIEPRODUKTION IN DEUTSCHLAND BEFLÜGELN.<br />

DUFTSPEZIALIST SYMRISE, WELTWEIT BEDEUTENDER HERSTELLER VON AROMEN<br />

UND PARFUM KOMPOSITIONEN, ENTWICKELT PRODUKTE AUF DER BASIS<br />

NACHWACHSENDER RESSOURCEN –<br />

EIN HIRSCH SAGT DANKE.<br />

Kein Geweih, die Ohren eines Hasen, die Grazie eines Rehs,<br />

aber dafür hauerartige Eckzähne wie bei einem Wildschwein.<br />

So durchzieht er das zentral- und ostasiatische Hochland auf<br />

ständiger Suche nach Nahrung – und auf der Flucht vor den<br />

Men schen. Er ist der einzige Hirsch, der mühelos schräge<br />

Bäume bis zu den Kronen ersteigen kann, um dort Blätter, Zweige und Baum -<br />

flecht en abzufressen. Doch zum Objekt der Begierde macht ihn eine walnussgroße<br />

Drüse am Bauch vor den Geschlechts organ en. Sie produziert ein ganz<br />

besonderes Sekret: Moschus, König der Düfte und legendärer Rohstoff für die<br />

traditionelle chin e sische Volksmedizin. Bis zu 30 Gramm des Zauber mittels<br />

gibt die Brunftdrüse des – erlegten – Moschus hirsch-Männ chens her. Seit<br />

dem Altertum ist Mosch us die am meisten ge schätzte tierische Droge.<br />

Ärzte verschrieben sie im Mittel alter <strong>als</strong> Allzweckwaffe gegen Geistes krank -<br />

heiten und Nerven leiden. Als "Bisamäpfel" um den H<strong>als</strong> getragen, sollte sie<br />

die Pest vertreiben. Chin e sische Wunder heiler schätzten ihre Wirkung auf<br />

Nerven system, Schweiß sekretion, Puls und Atem schon lange davor. Kreuz -<br />

ritter brachten Moschus nach Europa – <strong>als</strong> Aphro disiakum.<br />

Moschus vermittelt, wie die drei anderen tierischen Duftstoffe Ambra, Zibet<br />

und Castoreum auch, Wärme und Geborgen heit. Es hält Parfums länger auf<br />

der Haut und belebt deren Kompo sition. Haar- und Körperpflege bauen<br />

darauf, Wasch- und Haushaltsmittel ebenso. Moschus-Parfums setzen ganz<br />

auf die erotische Wirkung des Stoffs. Schätzungsweise mehr <strong>als</strong> 400 chinesische<br />

und koreanische Medikamente enthalten tierischen Moschus.<br />

Auch die indischen Naturheilver fahren Ajurveda und Unani kommen ohne<br />

den natürlichen Wirkstoff nicht aus. Der ist, in reiner Form, so teuer wie Gold.<br />

Um den Nach schub zu sichern, werden Hirsche in Zuchtfarmen dreimal im<br />

Jahr gemolken – und leben. Doch noch immer übersteigt die Nachfrage das<br />

Angebot. Deshalb wird der Stoff heute hauptsächlich synthetisch hergestellt.<br />

Dem Chemiker Leopold Ruzicka gelangen 1926 die Struktur aufklärung und<br />

später auch die ersten Synthesen. Den Hirschen hilft es trotzdem nicht.<br />

Einige der Arten sind vom Aussterben bedroht. Schutzgesetze sollen das<br />

Schlimmste verhindern.


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 25<br />

Mehr <strong>als</strong><br />

20 Mio<br />

Exemplare von „Das Parfum“<br />

wurden weltweit verkauft.<br />

Das Buch von Patrick Süskind<br />

wurde in 47 Sprachen<br />

übersetzt<br />

3000<br />

verschiedene Düfte verarbeitet<br />

die Duftstoffindustrie.<br />

Ein Parfum kann aus bis<br />

zu 300 verschie denen<br />

Duftstoffen<br />

bestehen<br />

Weiße Biotechno logie, auch industrielle Biotechno logie genannt, soll helfen,<br />

womöglich ganz auf den natürlichen Moschus-Lieferanten zu verzichten.<br />

Entwickler des Duft spezialisten Symrise aus der Weserstadt und deutschen<br />

Duftmetropole Holzminden entwickeln im Rahmen des vom BMBF initiierten<br />

Projektes „BIO2021“ einen unabhängigen biotechnologischen Moschus-<br />

Produkt ions prozess zu konkurrenzfähigen Preisen, der auch künstlichen<br />

Moschus ersetzen kann. „Wir betreten absolutes Neuland“, sagt Johannes<br />

Panten, bei Symrise Projektleiter und Director Technology Scouting.<br />

„Die natürlichen Biosynthesewege sind bisher völlig unbekannt.“<br />

Symrise ist ein weltweit führender Hersteller von Aromen, Parfum komposi -<br />

tionen und kosmetischen Inhaltsstoffen. Zu den Kunden gehören die großen<br />

Lebensmittelhersteller und die Parfumindustrie. Das Unternehmen verarbeitet<br />

rund 10.000 Rohstoffe. In Forschung und Entwicklung liegt der Schwer -<br />

punkt zunehmend auf der Nutzung erneuerbarer Ressourcen.<br />

Biotechnologie gilt <strong>als</strong> die Schlüsseltechno logie des 21. Jahrhunderts.<br />

Nach der roten mit praktischem Nutzen der Forschungs ergebnisse aus der<br />

Bio-und Gentechnologie und der grünen in der Landwirtschaft vor allem zur<br />

Verbes serung von Nutzpflanzen soll die weiße Biotechnologie durch den<br />

Einsatz von Mikroorganismen, Enzymen oder anderen natürlichen Produkt -<br />

ions systemen chemische Herstellungsprozesse ersetzen. Die Bundes -<br />

regierung verbindet damit „vielversprechende Wachstums potenziale für<br />

ökonomisch bedeutende Industriezweige“. Im Rahmen der Hightech-Strategie<br />

für Deutsch land fördert Berlin die weiße Biotechnologie bis 2012 mit bis zu<br />

100 Millionen Euro.<br />

Die Welt von Symrise<br />

Symrise ist ein globaler Anbieter von Duft- und Geschmacksstoffen sowie<br />

kosmetischen Grund- und Wirkstoffen für die Parfümerie-, Kosmetik- und<br />

Lebensmittelindustrie. Mit einem Umsatz von rund 1,4 Milliarden Euro<br />

(2009) und rund 5.000 Mitarbeitern gehört das Unternehmen zu den<br />

Top 4 im globalen Markt der Düfte und Aromen. Das Unter nehmen mit Sitz<br />

in Holzminden ist in mehr <strong>als</strong> 35 Ländern in Europa, Asien, den USA sowie<br />

in Lateinamerika vertreten. 7 Prozent vom Umsatz fließen in Forschung<br />

und Entwicklung.


ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

den Aspekt der <strong>Nachhaltigkeit</strong> von Anfang an in die Entwicklung seiner<br />

WAS IST EIN PARFÜM?<br />

Aromen und Inhalts stoffe ein“, sagt Dr. Claus-Oliver Schmidt, in der<br />

Holzmindener Duftfabrik verantwortlich für weltweite Qualitäts kontrolle und<br />

Parfüms: Enthalten 20 bis 30 Prozent Riechstoffe und werden<br />

mit 95-prozentigem Alkohol vermischt.<br />

Inno vationsmanagement. „Die Men schen erwarten nicht nur, dass fertige<br />

Eau de Parfum (auch Esprit de Parfum oder Parfum de Toilette),<br />

eine schwächere Variante des Parfüms mit etwa 15 bis 25 Prozent<br />

Konzentration der Duftstoffe.<br />

Eau de Toilette enthält noch 10 Prozent bis 20 Prozent Duftstoffe.<br />

Produkte im Supermarktregal auf nachhaltige Weise hergestellt worden sind,<br />

sie achten mehr und mehr auch auf die Inhalts stoffe.“ Längst gehe es nicht<br />

mehr nur um die Reduzierung des Wasser-, Energie-, oder CO 2 -Verbrauchs,<br />

„sondern um <strong>Nachhaltigkeit</strong> bei jeder Produkt entwicklung.“<br />

Eau de Cologne beinhaltet nur noch 2 bis 5 Prozent Riechstoffe<br />

und kommt in 70- bis 80-prozentigem Alkohol daher.<br />

Beispiel Vanillin. Mehr <strong>als</strong> 400 Einzelaromen tragen zum einzigartigen<br />

Die Bezeichnung wird oft bei den Düften für den Herrn benutzt.<br />

Ge schmack von Vanille bei, die in ihrer natürlichen Form aus der Schote eines<br />

Parfümgele enthalten 5 bis 7 Prozent Parfümöl, wenig Alkohol,<br />

dafür Gelbildner.<br />

After Shave (Aprés Rasage) hat immerhin noch 3 bis 5 Prozent<br />

Duftstoffe.<br />

Orchideengewächses gewonnen wird. Vanillin ist der sensorisch bedeutendste<br />

Bestandteil der Vanille. Bereits 1874 gelang es Wilhelm Haar mann,<br />

Vanillin synthetisch herzustellen, eine Revolution. Jetzt folgt die zweite:<br />

die biokatalytische Herstellung. Der Geschmackstoff kommt aus Reis.<br />

Natürliche Ferula säure wird mithilfe enzymatischer Fermentation in Vanillin<br />

Schon heute beeinflusst das Zukunftsfeld Biotechnologie Produkte und Pro -<br />

zesse in vielen Branchen substanziell. Dabei ist sie – streng genommen – ein<br />

alter Hut. Sumerer in Meso potamien brauten aus gekeimter Gerste ein alkoholhaltiges<br />

Getränk, das erste Bier vor 8.000 Jahren. Wein, Sauerteigbrot oder<br />

Käse gäbe es nicht ohne Mikro organ ismen.<br />

umgewandelt – mit gleich mehreren Vor teilen auf einmal: Ausgangsbasis<br />

ist ein nachwachsender natürlicher Rohstoff, chlorhaltige<br />

Ausgangs produkte fallen weg. Der Prozess findet<br />

bei Raum temper atur statt. Das bedeutet<br />

geringeren Energiever brauch. Das<br />

Abwasser ist pH-neutral.<br />

Ob im Haushalt bei Wasch mittel enzymen, in der Textilindustrie bei Farben und<br />

Leder behand lung oder bei der Dekon taminierung von Müll: Weiße Bio techno -<br />

logie ist heute überall dabei. Jetzt soll auch die chemische Industrie davon<br />

profitieren. Die Disziplin ist noch jung. Doch die Vorteile der Verfahren, die<br />

zum Einsatz kommen, liegen auf der Hand: Sie verlaufen zum großen Teil<br />

katalytisch und äußerst selektiv – es fallen vielfach keine Nebenprodukte<br />

an. Außerdem: Weiße Biotechnologie kommt häufig ohne<br />

den Einsatz gefährlicher Chemikalien aus.<br />

Wo immer möglich – Symrise folgt dem<br />

Farm-to-Fork-Ansatz: die Verwendung von<br />

Rohstoffen aus benachbartem Anbau.<br />

So werden Transport kosten minimiert und<br />

Lieferketten optimiert. Am Hauptsitz Holzminden<br />

etwa stammen Zwiebeln, Wirsingkohl oder Rote Beete<br />

von ortsansäs sigen Land wirten. Die Auswahl des<br />

400<br />

Saatguts, den Ein satz von Dünge mitteln sowie den Zeitpunkt<br />

Forschung und Entwicklung auf Basis nach -<br />

der Ernte bestimmen Unterneh men und Landwirte gemeinsam.<br />

wachsender Ressourcen sind der Kern der<br />

Der bei der Produktion entstandene Trester kommt <strong>als</strong> umweltfreundliches<br />

Düngemittel auf den Acker. Seit der Akquisition des<br />

Symrise-<strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategie. „Nach-<br />

haltigkeit ist aus unserer Unter nehmens -<br />

strategie nicht mehr wegzudenken“, so<br />

Dr. Heinz-Jürgen Bertram, Vorsitzender des<br />

Vorstands. „Der Markt verlangt danach.<br />

Einzelaromen tragen zu dem<br />

unverkennbaren<br />

Vanille-Geschmack bei<br />

Rohstoff lieferanten Aromatics S.A.S. auf Mada gaskar werden Vanille -<br />

schoten direkt an ihrem Herkunfts ort ver arbeitet. Damit ist Symrise das<br />

einzige Aromenhaus mit Rückwärts integration in diesem Bereich. Auch der<br />

Citrus-Geschmack ist eine Kern kompetenz von Symrise. Die erfolgreichste<br />

Außerdem sind wir es der Umwelt schuldig.“<br />

Besonders Nahrungsmittelhersteller spüren<br />

den Druck der Ver braucher und deren<br />

Forderung nach natürlichen, umweltfreundlichen,<br />

fair gehandelten und –<br />

vor allem – bezahlbaren Lebens -<br />

mitteln. „Symrise bezieht deshalb<br />

Geschmacks richtung im Ge tränke sektor ist daher ein wichtiges Element der<br />

Symrise-Nachhaltig keits strategie: Verringerung der Transport wege durch ein<br />

globales Citrus-Center in Brasilien, beispielhafte Energiestandards für eine<br />

„saubere“ Produktion, nachhaltige Extraktions ver fahren unter Einsatz<br />

umweltverträglicher Lösungs mittel. Innovative Technologien unterstützen<br />

die Prozesse. Eine davon heißt SymTrap®, ein Verfahren zur Rückgewinnung<br />

hochqualitativer Aroma stoffe, die bei der industriellen Verarbeitung von


„<br />

Früchten und Ge müsen normaler weise verloren gehen. Dabei werden die<br />

Rohstoffe optimal genutzt, und das ohne größeren Energieaufwand. Das<br />

Ergebnis ist ein natür liches und authentisches Ge sch mack s profil. Die<br />

Bandbreite der SymTrap®-An wendungen reicht von Frücht en, verschiedenen<br />

Gemüse sorten, Kräutern und anderen<br />

natürlichen Nutz pflanzen bis hin zu<br />

Fisch und Fleisch.<br />

Für die biotechnologische Erzeu gung<br />

von Moschusriech stoffen kooperiert<br />

Symrise im Rahmen eines vom BMBF<br />

geförderten Projektes mit folgenden<br />

Part nern: den beiden Techni schen<br />

Universitäten Darmstadt und Dresden<br />

sowie dem Karl-Winnacker-Institut Dr. Heinz-Jürgen Bertram, CEO, Symrise<br />

(Gesellschaft für Chemische Technik<br />

und Biotechnologie) und den Enzym spezia listen von c-Lecta aus Leipzig. Ihre<br />

Aufgabe, so Projektleiter Panten: „Mit ihren molekularbiologischen Verfahren die<br />

Stoffwechselwege in den natürlichen Produzenten aufzuklären und in biotechnologische<br />

Prozesse umzuwandeln.“<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

ist aus unserer Unter nehmens strategie<br />

nicht mehr wegzudenken,<br />

“<br />

Der Markt<br />

verlangt danach. Außerdem sind wir<br />

es der Umwelt schuldig.<br />

Dabei könnte dem Moschushirsch auch auf andere Weise geholfen werden,<br />

wenn auch nur auf dem Papier. Zwar werden verwandte Moleküle des begehrten<br />

Riechs toffs auch in anderen Säugetieren und Pflanzen gebildet. Moschus -<br />

ochsen, Moschus böcke, Bisam ratten und Moschus enten sondern „f<strong>als</strong>chen“<br />

Moschus ab. Bei den Pflanzen sind es Gauklerblume und Abelmoschus.<br />

Doch für eine industrielle Verwendung taugen sie nicht. Die nur geringen<br />

Konzen trationen würden den immensen Aufwand für die Ge winnung kaum<br />

recht fertigen. Bleibt <strong>als</strong> Alternative die synthetische Herstellung.<br />

Die synthetische Erzeugung von Moschus geschieht auf Basis petrochemischer<br />

Grundstoffe. Drei Hauptklassen gibt es: polyzyklische, makrozyklische und<br />

Nitromoschusverbindungen. Vor allem die polyzyklischen Moschusersatzstoffe<br />

stehen in puncto Umwelt und Gesundheit unter Beschuss. Sie reichern sich im<br />

Fettgewebe an, und sie sind nur schwer abbaubar. In den üblichen Kläranlagen<br />

können sie nur teilweise aus dem Wasser entfernt werden. Bei Symrise stehen<br />

deshalb die makrozyklischen Riechstoffe im Fokus. Sie sind biologisch abbaubar<br />

und werden in der Parfümerie aufgrund ihrer Eigenschaften hoch geschätzt.<br />

Dennoch: Der biotechnologischen Erzeugung von Moschusriechstoffen geht<br />

es nicht anders <strong>als</strong> der weißen Biotechnologie insgesamt: „Der Maßstab industrieller<br />

Produktion, der nötig wäre, um diese Technologie flächendeckend und<br />

gewinnbringend zu nutzen, ist noch nicht erreicht“, sagt Symrise-Chef Bertram.<br />

„Ein langer Atem ist in der Forschung unerlässlich.“<br />

★ ★<br />

★<br />

★<br />

★<br />

think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 27<br />

2.350<br />

USD kostet das<br />

teuerste Parfum der Welt<br />

pro Flasche (330ml) -<br />

Clive Christian No. 1<br />

Mehr Verbraucherschutz:<br />

Die neue Natürlichkeit in der EU<br />

★ ★<br />

★<br />

★<br />

★★ ★<br />

Die Verordnung 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates<br />

vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittel -<br />

zutaten soll den freien Verkehr mit Lebensmitteln sicherstellen und zur<br />

Gesundheit und zum Wohlergehen der Verbraucher beitragen. Sie wird<br />

ab 20. Januar 2011 gültig. Aroma ist dabei ein Erzeugnis, das <strong>als</strong><br />

solches nicht zum Verzehr bestimmt ist und Lebensmitteln zugesetzt<br />

wird, um ihnen einen besonderen Geruch und/oder Geschmack zu verleihen<br />

oder diese zu verändern.<br />

Die Verordnung gilt nicht für Stoffe mit ausschließlich süßem, saurem<br />

oder salzigem Geschmack, rohe Lebensmittel, Raucharomen sowie<br />

Mischungen von frischen, getrockneten oder tiefgekühlten Gewürzen<br />

und/oder Kräutern, Teemischungen und Mischungen von teeähnlichen<br />

Erzeugnissen, sofern sie nicht <strong>als</strong> Lebensmittelzutaten verwendet wurden.<br />

Zulässig sind nur solche Aromen, die in der EU-Gemeinschaftsliste<br />

aufgeführt sind.<br />

Die Kennzeichnung der Lebensmittelaromen muss entweder das Wort<br />

„Aroma“ oder eine genauere Angabe oder eine Beschreibung des Aromas<br />

tragen. Außerdem die Angabe „für Lebensmittel“ oder „für Lebensmittel,<br />

begrenzte Verwendung“ oder einen genaueren Hinweis auf die vorgesehene<br />

Verwendung. Der Begriff „natürlich“ wird nur für Stoffe oder<br />

Extrakte verwendet, die direkt aus einem Stoff tierischen oder pflanzlichen<br />

Ursprungs hergestellt werden. Der Begriff „natur identisches<br />

Aroma“ wird gestrichen.


g How<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> in der Praxis: EINKAUF & SCM<br />

Blaue Macht<br />

RIGOROS SPIELEN AUTOHERSTELLER IHRE EINKAUF MACHT BEI ZU LIEFER ERN AUS.<br />

JETZT GERATEN SIE SELBST UNTER DRUCK. DOCH NICHT NUR SIE.<br />

UNTERNEHMEN WIE DER SOFTWARERIESE SAP SPIELEN BEWUSST<br />

STÄRKEN FÜR DIE EIGENE NACH HALTIGKEIT AUS –<br />

EINE NEUE QUALITÄT IM ZUSAMMEN SPIEL ZWISCHEN HERSTELLERN UND LIEFERANTEN.<br />

Die Nachricht an die Mitar beiter innen und Mitarbeiter der SAP AG<br />

war nur ein paar Zeilen lang, aber für die erfolgsverwöhnten<br />

Premium-Hersteller der deutschen Auto mobil industrie verhieß<br />

sie nichts Gutes. Höchstens 170 Gramm Kohlendioxid (CO 2 ) pro Kilometer,<br />

so lautete die Anweisung, dürfen Dienst wagen des Walldorfer Software -<br />

konzerns derzeit noch in die Luft pusten, 30 Gramm weniger <strong>als</strong> lange Zeit<br />

zuvor. Zwar sind SAP-Firmenange hörige immer noch kommod auf den Straßen<br />

der Welt unterwegs, doch mit deutlich ge bremster Ener gie. Spitzenver treter<br />

der oberen Mittelklasse oder gar die Vorzeige karossen der Luxuskategorie<br />

bleiben draußen. Ein Audi A6 oder Volks wagen Passat 2.0 TDI, ein Mercedes<br />

Diesel E 200 oder der BMW 530d ist gerade noch drin. Danach ist Schluss.<br />

"Wir bei SAP stehen in der Verant wortung, einen engagierten Beitrag zu einer<br />

lebenswerten und nachhaltigen Zukunft zu leisten. Diesen Pro zess treiben<br />

wir aktiv voran“, lautet einer der Kernsätze der Firmenstrategie. Prinzipien der<br />

Nach haltigkeit sollen nicht nur im eigenen Unternehmen umgesetzt, Kunden<br />

mit cleveren Software lösungen versorgt werden. „Unser übergeordnetes Ziel<br />

ist es, die besonderen Stärken unseres Unter nehmens einzusetzen, um<br />

einen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ent wicklung<br />

sowie zum Umweltschutz zu leisten.“<br />

+++ Die <strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategie der SAP +++ Durch nachhaltiges<br />

Kundenerwartungen +++ Nachhaltige Geschäftsabläufe helfen, diese Hera


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 29<br />

Stärken einsetzen? Dafür sind bislang vor allem die Zentral einkäufer der<br />

Super markt ketten bekannt. Rigoros spielen sie ihre Einkaufsmacht im Einzel -<br />

handel aus und begründeten damit einen mörderischen Wettbewerb. Auch<br />

die Automobilindustrie setzte mit ihren unkonventionellen Ent wicklungsund<br />

Einkaufsmethoden einen massiven Wandel ihrer Zulieferindustrie in<br />

Gang – jetzt trifft es sie selbst.<br />

Dass Unter nehmen wie SAP ihre Muskeln für nachhaltiges Wirt schaften<br />

offen siv spielen lassen, verleiht dem Thema eine neue Qualität. Wichtig<br />

sei in erster Linie ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl die Erfassung des<br />

CO 2 -Ausstoßes, des Energie- und Wasser verbrauchs <strong>als</strong> auch Finanzdaten<br />

oder Informationen zu sozialen Auswirkungen unternehmerischen Handelns<br />

be rücksichtigt. Das gilt nicht nur für das eigene Unternehmen. „Schritt für<br />

Schritt“, so Daniel Schmid, Leiter Sustainability Operations, „binden wir das<br />

Netzwerk aus Zulieferern und Partnern in unsere Nachhaltig keits strategie<br />

ein. Dies wird Innovationen zum Nutzen unserer Lieferanten und auch zu<br />

unserem eigenen Nutzen hervorbringen."<br />

50%<br />

weniger Bestellkosten verzeich<br />

nen Topunternehmen im<br />

Vergleich zum Durchschnitt<br />

50%<br />

der Industrie- und Dienst -<br />

leistungsunternehmen<br />

weniger Treibhausgase will SAP<br />

bis zum Jahr 2020 verantworten.<br />

Basis ist der Wert von 540.000<br />

Tonnen aus dem Jahr 2007<br />

Schon heute gilt SAP <strong>als</strong> das am nachhaltigsten operierende Unter nehmen<br />

der weltweiten Software industrie. Im Dow Jones Sustain ability Index (DJSI)<br />

schafften es die Deutschen in ihrer Kategorie viermal hintereinander auf<br />

Platz eins. Auch das Medienunternehmen Corporate Knights zählt SAP seit<br />

2005 zu den weltweit 100 nachhaltigsten Großunternehmen. Ob im FTSE4 -<br />

Good-Index, im Global Challe nges Index oder im NASDAQ OMX CRD Global<br />

Sustainability 50 Index – der Name SAP taucht ganz vorne auf. Bis 2020 will<br />

SAP die Treibhaus gasemissionen auf das Niveau von 275 Kilo- tonnen CO 2 im<br />

Jahr 2000 drücken. Gemessen am CO 2 -Ausstoß von 2007, mit 540 Kilo ton -<br />

nen das Rekordjahr in der Geschichte des Unter neh mens, entspricht dies<br />

einer Ver ringerung um 50 Prozent. Sustainability-Champions agieren im<br />

Unternehmen <strong>als</strong> Multi plikatoren. Allein die Reduktion des ge fährlichen<br />

Treibhausgases von 500 Kilo tonnen im Jahr 2008 auf 425 Kilo tonnen im<br />

Jahr 2009 spülte rein rechnerisch 90 Millionen Euro Ersparnis in die Kasse.<br />

Für Schmid „der beste Beweis, dass sich <strong>Nachhaltigkeit</strong> und Profitabilität<br />

nicht ausschließen.“ Doch noch immer ist das Thema in vielen Unter nehmen<br />

neben Kosten- und Strategie programmen zwar kein Erkenntnis-, aber ein<br />

latentes Umsetzungsproblem, wie die auf <strong>Nachhaltigkeit</strong> spezialisierte<br />

Leuphana Universität Lüneburg ermittelte (siehe auch Seite 11). Dabei habe<br />

gerade die jüngste Wirt schafts krise gezeigt, so Schmid, „dass Unternehmen,<br />

die Risiken und Chancen ganzheitlich managen, auch wirtschaftlich besser<br />

darstehen.“„Für SAP ist das Thema Nachhaltig keit Teil der strategischen<br />

Planung und sowohl für uns <strong>als</strong> auch für unsere Kunden ein wesentlicher<br />

Faktor auf dem Weg zu langfristigem Unternehmenserfolg", sagt auch<br />

Peter Graf, Chief Sustainability Officer und Executive Vice President Sustain -<br />

ability Solutions. Bereits im März 2009 gründeten die Walldorfer einen<br />

funktionsübergreifenden Geschäfts bereich für Nachhaltig keit mit dem<br />

Chief Sustain ability Officer an der Spitze. Seine Aufgabe: Koordination aller<br />

Initia tiven in den drei Hand lungs feldern Umwelt, gesellschaftliches Engage -<br />

ment und wirtschaftliche Entwicklung, sowohl unternehmensintern <strong>als</strong> auch<br />

in der globalen Ge schäfts welt. Organisatorisch ist der Bereich an andere<br />

Funktions be reiche angebunden. Das Ziel: die flächendeckende Umsetzung<br />

der <strong>Nachhaltigkeit</strong>sinitiativen.<br />

Für den Standort Newtown Square im US-Bundesstaat Penn sylvania er reichte<br />

SAP das Prädi kat Platin: Geo thermische Anlagen nutzen die konstante Erd -<br />

wärme für Heizung und Kühlung. Tageslichtab hängigeBeleuchtungs systeme<br />

regeln mithilfe von Licht sensoren das Beleucht ungsniveau. Ein hybrides<br />

Klima system nutzt tagsüber Eis zur Gebäudekühlung. Nachts, wenn<br />

Energie verbrauch und Stromkosten am geringsten sind, wird das Schmelz -<br />

wasser rückgekühlt.<br />

Wirtschaften profitabler werden +++ Strengere Vorschriften, steigende Betriebskosten und imm<br />

usforderungen erfolgreich zu meistern +++ Die <strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategie der SAP +++ Wirtscha


How<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Eine Solaranlage auf den SAP-Gebäuden im kalifornischen Palo Alto soll den<br />

CO 2 -Ausstoß jährlich um 154 Tonnen verringern. Damit kann sich das<br />

Rechenzentrum <strong>als</strong> Spitzenverbraucher vom Stromnetz verabschieden.<br />

Beschäftigte in den 40 größten SAP-Bürogebäuden sind ständig<br />

nehmen“, ergänzt Daniel Schmid. Noch sei der Prozess nicht abgeschlossen.<br />

„Aber Ziel ist es, unsere eigene Lieferkette konsequent danach auszurichten.“<br />

Schließlich: „Kunden und Mitarbeiter erwarten viel von uns.“ Auch SAP<br />

verspürt Druck auf die eigene <strong>Nachhaltigkeit</strong>sperformance. Wer<br />

über den aktuellen Stromverbrauch informiert. In China fordern<br />

Aufkleber an den Fahrstühlen sie dazu auf, lieber die<br />

dem „Supplier Code of Conduct“, zum besseren Verständnis<br />

Geschäftspartner von SAP werden und bleiben will, beugt sich<br />

Treppen zu benutzen. Freitagnachmittags steht jeder<br />

nachzulesen im Internet. Er erfüllt auch die Standards des<br />

22.000<br />

zweite Lift still.<br />

Sarbanes-Oxley Act von 2002, eines US-Bundesgesetzes,<br />

das <strong>als</strong> Reaktion auf vergangene Bilanzskandale<br />

SAP-Mitarbeiter nahmen<br />

bislang an virtuellen<br />

Gesellschaftliches Engagement vereinigt SAP unter Veranstaltungen teil. Dabei die Verlässlichkeit der Berichterstattung von Unternehmen<br />

verbessern soll, die den öffentlichen Kapital-<br />

dem Label "A Better Community" – einem koordinierten,<br />

konnten Flugreisen in<br />

erheblichen Umfang<br />

ganzheitlichen CSR-Ansatz (Corporate Social Responsibility)<br />

eingespart werden. markt der USA in Anspruch nehmen.<br />

für die Betreuung von Nichtregierungsorganisationen<br />

und gemeinnützigen Einrichtungen in den Bereichen Bildung<br />

(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften), Transparenz und<br />

Governance (Offenheit, Kommunikation und verantwortungsvolle<br />

Unternehmensführung), Überbrückung der digitalen Kluft (Zugang zu digitalen<br />

Informationen) sowie Umweltschutz (behutsamer Umgang mit<br />

Ressourcen). 2009 nahmen 16 Prozent der SAP-Beschäftigten an solchen<br />

Im „Supplier Code of Conduct“ verpflichten sie SAP-Partner, geltende<br />

Gesetze einzuhalten, soziale Standards zu respektieren, sorgfältig und<br />

verantwortlich mit Umwelt und natürlichen Ressourcen umzugehen,<br />

Urheberrechte und geistiges Eigentum nicht zu verletzen und jeglichem<br />

Interessenkonflikt aus dem Wege zu gehen. Ein bloßes Abnicken reicht nicht.<br />

SAP prüft, strikt und vertraglich bindend, etwa, ob gegen das Tabu von Kinderoder<br />

Zwangsarbeit verstoßen wird. Hardware-Lieferanten stehen unter be-<br />

Initiativen teil. Sie leisteten in 30 Ländern mehr <strong>als</strong> 62.000 ehrenamtliche<br />

„<br />

Arbeitsstunden, umgerechnet rund 7.700 Arbeitstage oder 21 Arbeitsjahre. sonderer Beobachtung – wegen der unter Menschenrechtsaspekten kritischen<br />

Rohstoffförderung (Casseterite, Coltan, BFR).<br />

„<strong>Nachhaltigkeit</strong> bei SAP“, sagt Sustainability-Chief Peter Graf, „endet nicht in<br />

den eigenen vier Wänden, sondern erstreckt sich über die gesamte Wertschöpfungskette.“<br />

Das Rollenverständnis <strong>als</strong> Vorbild und Lösungsanbieter 200 Toplieferanten mit einem Einkaufsvolumen von jeweils mehr <strong>als</strong> einer<br />

zugleich erfasst Geschäftspartner voll: Lieferanten wie Auftragnehmer,<br />

Million Euro wurden gebeten, ihre eigene <strong>Nachhaltigkeit</strong>spolitik zu dokumentieren.<br />

Gut ein Drittel schickte bislang die Antworten auf die 90 Fragen zu-<br />

Subunternehmer wie Berater. Jedes Jahr liegt die Latte ein wenig höher.<br />

Es geht ums große Geld: Das jährliche Einkaufsvolumen von SAP liegt bei rück. Das Resultat, so Schmid: „Grundsätzlich positiv, was nicht zu erwarten<br />

rund 3 Milliarden Euro.<br />

war.“ Wie er mit Firmen umgeht, die sich gar nicht an der Umfrage beteiligen<br />

wollen, steht nicht fest. Nur eines ist sicher, so Schmid: „Die Reise geht<br />

„Wir haben damit angefangen, die Kriterien ökonomischer, ökologischer<br />

weiter.“ Wohin, das bekommen etwa Energieversorger oder auch Bahn und<br />

und sozialer Handlungen Zug um Zug in unsere Einkaufs-Policy aufzu-<br />

Post in Verhandlungen mit SAP-Einkäufern zu spüren. Die einen können nur<br />

dann auf lukrative Aufträge hoffen, wenn sie helfen, SAPs Anteil an grünem<br />

Strom aus erneuerbaren Energien weltweit von 33 auf 50 Prozent zu steigern;<br />

in Deutschland ist der Anteil dieses Jahr sogar um 50 Prozent gewachsen.<br />

Bahn und Post entwickelten Modelle, mit denen SAP nicht nur seine Mitarbeiter,<br />

sondern auch Briefe, Pakete und Expresssendungen klimaneutral befördern<br />

lassen kann. Höhere Preise nehmen die Walldorfer dabei in Kauf.<br />

Das Geld kommt durch Energiesparprogramme wieder herein. Sieben Prozent<br />

weniger Strom verbrauchte SAP 2009 gegenüber dem Jahr zuvor. Eine Million<br />

Euro blieb in der Kasse.<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> bei SAP,<br />

endet nicht in den eigenen<br />

vier Wänden, sondern<br />

erstreckt sich über die gesamte<br />

Wertschöpfungskette.<br />

Peter Graf, Sustainability-Chief, SAP<br />

„Sustainable Sourcing and Procurement: More than Green“, titelt SAP denn<br />

auch seine Kundenansprache. Die Botschaft ist klar: <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist<br />

nur dann effektiv, wenn Geld gespart wird. So beträgt der Kaufpreis eines<br />

Computers lediglich 20 Prozent der Gesamtkosten. Eine teurere Anschaffung


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 31<br />

können niedrigere Betriebs-, Wartungs- oder<br />

Recyclingkosten leicht wieder wettmachen.<br />

Erst m<strong>als</strong> richtet SAP jetzt den Einkauf von IT-<br />

Equip ment nach dem Lebens zyklus der Geräte<br />

aus. Das ist kein Trost für die Autobauer. Sie<br />

müssen sich bei SAP schon mit der nächsten<br />

Schrumpfkur auseinandersetzen.<br />

Extra-Boni sollten die weltweit rund 18.000<br />

Firmenwagenbesitzer dazu ermutigen,<br />

sich tiefer unter der 170-Gramm-Marke zu<br />

be wegen. SAP-Berater oder Vertriebs leute<br />

müssen trotz dem nicht auf die Sparweltmeister<br />

VW Polo oder Smart schielen. Eine standesgemäße<br />

Be förderung ist auch jetzt schon unter<br />

120 Gramm pro Kilometer zu haben.<br />

WIE SAP<br />

NACHHALTIGKEIT MANAGT:<br />

SAP hat im März 2009 ein Governance-<br />

Modell für <strong>Nachhaltigkeit</strong> etabliert.<br />

Ein Teil dieses Modells ist das<br />

„Sustainability Council“, das die wesentlichen<br />

Entscheidungen im Kontext von<br />

Nachhaltig keit trifft. Diesem Gremium<br />

gehören Vorstandsmitglieder (inklusive<br />

beider CEOs) sowie weitere Senior<br />

Executives an. Das Governance-Modell<br />

beinhaltet zudem auch führende<br />

Managementfunkt ionen, darunter den<br />

Chief Sustainability Officer (Peter Graf),<br />

den Head of Sustainability Operations<br />

(Daniel Schmid) und den Vice President<br />

Green-IT (Timo Stelzer).<br />

SAP definiert <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>als</strong> das<br />

Steigern der kurz- und langfristigen<br />

Profitabilität durch das ganzheitliche<br />

Management der ökologischen, gesellschaftlichen<br />

und wirtschaftlichen<br />

Chancen und Risiken.<br />

www.sapsustainabilityreport.com<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

wird zum Wirtschaftsfaktor<br />

EINE NEUE STUDIE VON ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

UND DEM BUNDES VERBAND FÜR MATERIALWIRTSCHAFT, EINKAUF<br />

UND LOGISTIK (BME) ZEIGT: WIRTSCHAFTLICHES KALKÜL IST DER<br />

HAUPTTREIBER VON NACHHALTIGKEIT – WELTWEIT.<br />

Mehr <strong>als</strong> 250 Entscheider aus den Einkaufs -<br />

ab teilungen führender Unternehmen<br />

nahmen an der globalen Untersuchung teil.<br />

Gefragt waren Einschätzungen, wie Nach -<br />

haltigkeit das Einkaufsverhalten der Unter -<br />

nehmen beeinflusst, welche Ziele sie damit<br />

verbinden und wie sich die klassischen<br />

Orientierungsgrößen Preis/Kosten, Zeit/ -<br />

Liefertreue sowie Produktqualität konkret<br />

verändern. Wesentlichste Erkenntnis:<br />

69 Prozent der Unternehmen sind überzeugt:<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong> rechnet sich.<br />

Nicht nur die eigene Überzeugung, vor<br />

allem Markterfordernisse führen dazu,<br />

dass Einkaufsabteilungen besonders in<br />

West europa und Nordamerika über alle<br />

Branchen hinweg derzeit Modelle für eine<br />

nachhaltige Einkaufspolitik entwickeln.<br />

Vor allem: <strong>Nachhaltigkeit</strong> und Profitabilität<br />

schließen sich nicht aus. Für die überwältigende<br />

Mehrheit (83 Prozent) der<br />

von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

und dem BME befragten Einkäufer ist<br />

„wirtschaftliches Kalkül“ der Haupttreiber<br />

ihrer <strong>Nachhaltigkeit</strong>sanstrengungen.<br />

Dahinter rangieren Kundenanforderungen<br />

(78 Prozent) und die eigene Unternehmen -<br />

s philosophie (77 Prozent) .Die Ergeb -<br />

nisse der Studie sind für den <strong>Roland</strong>-<br />

<strong>Berger</strong>-Partner <strong>Roland</strong> Schwientek ein<br />

Indiz, „wie konsequent <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />

bereits heute im Einkauf um gesetzt<br />

wird.“ Und: „Die Bedeutung nimmt in den<br />

nächsten fünf Jahren signifikant weiter zu.“<br />

Zahl reiche Unternehmen schließen nur noch<br />

dann Kooperationen, wenn sich Ge schäfts -<br />

partner dem „Code of Conduct“ beugen –<br />

ein, so Schwientek, „weiteres Instru ment,<br />

Nach haltig keit in den Untern eh men zum<br />

Durch bruch zu ver helfen.“<br />

Schon heute bezieht gut ein Drittel der<br />

an der Studie beteiligten Unter nehmen<br />

(38 Prozent) seine direkten Zulieferer in<br />

seine <strong>Nachhaltigkeit</strong>saktivitäten ein.<br />

Die Inte gration mehrerer Lieferstufen<br />

steckt dagegen noch in den Kinderschuhen:<br />

Lediglich 20 Prozent haben Kontakt mit<br />

Lieferanten aus der zweiten und sogar nur<br />

5 Prozent aus der dritten Ebene. Auch der<br />

Implement ierungs grad im Einkauf variiert.<br />

In rund jeder zweiten Firma ist laut Studie<br />

Nach haltig keit in den Unter nehmenszielen<br />

verankert. In jeder dritten richtet sich auch<br />

der Einkauf danach. Doch nur jede zweite<br />

hat konkrete Handlungs felder und<br />

Aktivitäten daraus<br />

abgeleitet.<br />

38%<br />

der an der Studie<br />

beteiligten Unternehmen<br />

beziehen ihre direkten<br />

Zulieferer in<br />

83%<br />

der von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

und dem BME befragten<br />

Einkäufer nennen<br />

„wirtschaftliches Kalkül“<br />

<strong>als</strong> Hauptreiber ihrer<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>sanstrengungen.<br />

ihre <strong>Nachhaltigkeit</strong>s -<br />

aktivitäten ein.


Who<br />

Fragen an Otmar Hauck,<br />

7<strong>COO</strong> KION Group<br />

OTMAR HAUCK, 55, Chief<br />

Operating Officer der KION Group, dem<br />

Marktführer in Europa und der Nummer<br />

Zwei weltweit im Segment Flurförderzeuge.<br />

Otmar Hauck startete seine berufliche<br />

Lauf bahn <strong>als</strong> Zeitsoldat bei der Bundeswehr<br />

und studierte dort Elektro technik an der<br />

Bundeswehr-Universität München. Nach<br />

Beendigung seiner Dienstzeit wechselte er<br />

zur Audi AG, wo er von 1986 bis 1992<br />

Führungspositionen im Personalwesen<br />

innehatte. Bis 2003 war er in verschiedenen<br />

Management positionen in der Produktion und<br />

im Personalwesen von Volkswagen tätig.<br />

Von 2004 bis 2007 arbeitete er in Mexiko, wo er das<br />

dortige Fahr zeugwerk von Volkswagen leitete.<br />

Von dort ging er nach Wolfsburg <strong>als</strong> Verantwortlich er<br />

für das Geschäfts feld Kunststoff bei der Volkswagen AG.<br />

In dieser Funktion war er verantwortlich für die Ent wick -<br />

lung und Herstellung von Kunststoffbauteilen und<br />

Modulen für die Marke Volkswagen.<br />

Seit 2009 ist er Mitglied der Geschäftsführung<br />

der KION Group.<br />

1. WARUM BRAUCHT<br />

KION SIE?<br />

Meine Funktion bei KION stellt die Klammer<br />

für drei Kernbereiche unseres Unterneh -<br />

mens dar, Entwicklung, Beschaffung und<br />

Produktion. Die enge Kooperation dieser<br />

Bereiche ist eine wesentliche Voraus setz -<br />

ung, um die Ziele unseres sehr ehrgeizigen<br />

Operational-Excellence-Programms zu<br />

er reichen. Dieses hilft uns dabei, unsere<br />

Pro dukte kosteneffizient herzustellen und<br />

damit für den weltweiten Wettbewerb fit zu<br />

bleiben. Gerade bei technisch anspruchs -<br />

vollen Produkten ist diese enge Verzahnung<br />

von Entwicklung, Beschaffung und Produk -<br />

tion absolut erforderlich, aber nicht immer<br />

selbstverständlich. Bei allem, was ich tue,<br />

spielen die Stichworte Qualität und Sicher -<br />

heit eine entscheidende Rolle – dabei<br />

ver stehe ich mich nie <strong>als</strong> isolierte Entschei -<br />

dungs instanz, sondern immer <strong>als</strong> Teil eines<br />

Führungsteams.<br />

2. HABEN SIE<br />

EINE ZUKUNFT?<br />

Oh, ja. Ich glaube zwar, dass der Titel <strong>COO</strong><br />

derzeit nur im angelsächsischen Sprach -<br />

gebrauch wirklich geläufig ist. Doch das<br />

ändert sich schnell. Ein <strong>COO</strong> ist sicher nicht<br />

in jedem Unternehmen sinnvoll und hilfreich.<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Aber er wird allgemein sehr stark an<br />

Be deutung gewinnen. Die <strong>COO</strong>-Funktion ist<br />

nicht nur bestens BUSINESS geeignet, Sdie u s ta Vernetzung<br />

i n a b i l i t y<br />

33<br />

zwischen wichtigen operativen Kernpro -<br />

zessen im Unternehmen sicherzustellen,<br />

sondern sie ist auch Garant dafür, dass<br />

unternehmensweit bewährte Standards und<br />

Best-Practise-Prozesse umgesetzt werden.<br />

Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass<br />

die Einrichtung einer <strong>COO</strong>-Position auch für<br />

europäische Unternehmen – bei richtigem<br />

Zuschnitt der Funktion – ein guter Weg ist.<br />

3. WIE DEFINIEREN SIE<br />

IHRE ROLLE?<br />

Das spannendste an meinen Job, wie ich Ihn<br />

lebe, ist die Übersetzung von Marktan forder -<br />

ungen in ein echtes, handfestes, herausragendes<br />

Produkt, das die Zielkosten erreicht<br />

oder – noch besser – sogar darunter liegt.<br />

Dabei geht es immer darum, Prozesse und<br />

Standards kontinuierlich zu verbessern und<br />

nie stehen zu bleiben. Die Komplexität der<br />

Aufgabe ist die Herausforderung in diesem<br />

Job – und meine Antriebskraft zugleich.<br />

4. SITZEN SIE ZWISCHEN<br />

ALLEN STÜHLEN?<br />

Ganz im Gegenteil: Besonders <strong>als</strong> Initiator<br />

des unternehmensweiten Operational-<br />

Excellence-Programms verstehe ich mich<br />

<strong>als</strong> derjenige bei KION, der permanent nach<br />

den besten Verfahren und Abläufen sucht,<br />

sie optimiert, um sie danach zum Nutzen<br />

aller Standorte und Regionen einzusetzen.<br />

Damit entsteht für die operativ Verant wort -<br />

lichen ein echter Mehrwert, der ihnen bei der<br />

Erreichung ihrer Zielsetzung zugute kommt.<br />

Gleichzeitig nutzen wir beispielsweise durch<br />

die Zusammenfassung der Einkaufs funkti -


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 33<br />

onen aller Marken bestmöglich die Syner -<br />

gien, die unser Konzern bietet.<br />

5. WAS BESCHÄFTIGT SIE<br />

AM MEISTEN?<br />

Um die Auswirkungen der weltweiten<br />

Wirt schaftskrise zu bewältigen, hat KION<br />

frühzeitig ein Kostensenkungs- und Opti -<br />

mierungs programm aufgesetzt, das wir<br />

Schritt für Schritt weiter umsetzen.<br />

Gleichzeitig arbeiten wir auch in meinem<br />

Verantwortungsbereich an Maßnahmen,<br />

um die deutlichen Wachstumschancen in<br />

Regionen wie Asien, Osteuropa und Süd -<br />

amerika in vollem Umfang zu nutzen.<br />

Unsere Weichen stehen <strong>als</strong>o wieder auf<br />

Wachstum, aber wir bleiben wachsam und<br />

behalten die Entwicklung der internationalen<br />

Märkte im Auge. Aber das Ziel ist klar:<br />

Wir wollen Weltmarktführer werden.<br />

6. WIE NUTZEN SIE<br />

IHRE RESSOURCEN?<br />

Als Mitglied der Geschäftsführung bin ich<br />

nicht nur für die Bereiche Entwicklung,<br />

Einkauf und Produktion inklusive Qualitäts -<br />

sicherung, sondern auch für die Themen<br />

Umwelt und Sicherheit verantwortlich.<br />

Meine Aufgabe besteht darin, die lang -<br />

fristigen Ziele und Strategien mit meinen<br />

Mitar beitern zu definieren und sie bei der<br />

Umsetz ung zu unterstützen. Sustain ability<br />

ist dabei ein zentrales Thema. Jedes Unter -<br />

nehmen sollte sich heute damit auseinandersetzen.<br />

Für uns heißt das vor allem:<br />

neue Fertigungsverfahren und die Verwendung<br />

umwelt schonender Materialien sowie<br />

um weltfreundliche Produkte. Heute verbraucht<br />

beispielsweise ein Stapler aus dem<br />

KION-Konzern im Vergleich zu anderen<br />

Produkten auf dem Markt rund 40 Prozent<br />

weniger Energie bei mindestens gleicher<br />

Umschlag leistung. Ein wesentliches Feld<br />

unserer Zukunftssicherung ist es, diesen<br />

Vorsprung weiter konsequent auszubauen<br />

und kontinuierlich nach neuen Wegen zu<br />

STECKBRIEF: KION<br />

suchen, um nachhaltige Produkte anzubieten.<br />

Nachhaltig zu wirtschaften bedeutet<br />

für KION, unsere Energie- und Ressourcen -<br />

effizienz kontinuierlich zu steigern, um<br />

dadurch auch morgen noch im Geschäft<br />

zu sein.<br />

7. WOFÜR STEHEN SIE?<br />

Für das permanente Streben nach Verbes -<br />

serung durch konsequentes Lösen von<br />

Problemen. Das macht uns in allen Unter -<br />

nehmensbereichen langfristig noch erfolgreicher<br />

und bringt uns unserem Ziel der<br />

Marktführerschaft Schritt für Schritt näher.<br />

Die KION Group GmbH ist ein weltweit führender Anbieter von<br />

Gabelstaplern, Lagertechnikgeräten und anderen Flurförderzeugen<br />

und Markt führer in Europa. Unter dem Dach der KION Group sind<br />

seit 2006 die drei Gabelstaplermarken Linde, Still und OM gebündelt.<br />

Unternehmenssitz ist in Wiesbaden.<br />

Mit der Integration des chinesischen Joint<br />

Ventures KION Baoli (Jiangsu) Forklift Co., Ltd.<br />

(im Januar 2009) ist die KION Group außerdem<br />

größter ausländischer Gabelstapler produzent<br />

in China.<br />

KION hat im Geschäftsjahr 2009 mit den<br />

Stapler marken Linde, Still, OM und Baoli mit rund 20.000 Mitar beit -<br />

ern einen Umsatz von mehr <strong>als</strong> 3,1 Mrd. Euro erzielt.<br />

Das Wort KION stammt aus der Sprache der Massai. Für das ostafrikanische<br />

Krieger- und Nomadenvolk bedeutet "Kion(gozi)"<br />

so viel wie "Führung übernehmen".<br />

www.kiongroup.com


What<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Blick in die<br />

Werkstatt<br />

Die Automobilindustrie boomt – Zulieferer sehen trotzdem mageren<br />

Zeiten entgegen. Die Krise hat die Liquidität des Mittelstands aufgezehrt<br />

– die Reserven in den Betrieben aber sind enorm.<br />

Der Blick über den Tellerrand erhöht die Schlagkraft von Organisationen –<br />

doch die meisten Abteilungen bleiben unter sich: Exklusive Studien von<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Stategy Consultants bieten Perspektiven und<br />

Standortbestimmungen für das Management – und auch die Antwort auf<br />

die Frage, woher die Managementphilosophie der Zukunft kommt.


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 35


g What<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Auto-Zulieferer:<br />

Keine Entwarnung nach der Krise<br />

DIE BOOMENDEN AUTOMÄRKTE CHINA, INDIEN UND BRASILIEN VERSETZEN FAHRZEUGHERSTELLER WIEDER<br />

IN PARTYLAUNE. ZULIEFERER GUCKEN ZU: IHRE ZUKUNFT SIEHT ALLES ANDERE ALS ROSIG AUS.<br />

AMERIKA<br />

˜25<br />

2007 2008 2009<br />

˜55<br />

˜70<br />

˜20 ˜40<br />

˜25 ˜25<br />

˚2007 2008 2009<br />

2007 2008 2009<br />

INSOLVENZEN IN DER AUTOMOBILZULIEFERERINDUSTRIE 2007-2009<br />

Ungefähr 350 Zulieferer weltweit haben die globale Wirtschaftskrise nicht überstanden<br />

Quelle: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

„Die Autobranche erholt sich. Die Zulieferer stehen<br />

jedoch vor großen Herausforderungen“,<br />

heißt es in einer Studie von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> und<br />

der US-Investmentbank Lazard. Der weiter steigende<br />

Druck der Fahrzeughersteller belastet<br />

die Margen. Gleichzeitig müssen Zulieferer rund<br />

um den Globus bis 2015 ein Refinanzierungs -<br />

vo lumen von schätzungsweise 130 Mrd. Euro<br />

stemmen – ein Kraftakt.<br />

Dabei hat die Branche allen Grund, mit sich<br />

zufrieden zu sein. Zwar hat sie während der<br />

Krise weltweit rund 200 Mrd. Euro Umsatz,<br />

75 Mrd. Euro EBIT (Gewinn vor Zinsen und<br />

Steuern) sowie und 15 Mrd. Euro Eigenkapital<br />

eingebüßt. 350 Unternehmen fielen dem rüden<br />

EUROPA<br />

˜45<br />

˜100<br />

JAPAN<br />

Absturz der Weltautomobilmärkte zum Opfer.<br />

Doch inzwischen hat sich die Lage deutlich<br />

entspannt, in Europa und Nordamerika sogar<br />

massiv.<br />

Selbst im Katastrophenjahr 2009 erzielt das<br />

Gewerbe einen positiven Free Cashflow.<br />

Investitionen wurden gekappt, Working-Capital-<br />

Maßnahmen optimiert, die Kosten erneut<br />

ge schliffen. Folge: "Die Umsätze der Zulieferer<br />

haben weltweit nahezu wieder das Vorkrisen -<br />

niveau erreicht. Die Profitabilität wird mit einer<br />

Umsatzrendite von etwa sechs Prozent im Jahr<br />

2010 möglicherweise sogar einen neuen<br />

Rekord markieren", sagt Marcus Berret, Partner<br />

bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants.<br />

Freude mag dennoch nicht so richtig aufkommen.<br />

Die EBIT-Marge von durchschnittlich<br />

sechs Prozent ist nur auf den ersten Blick<br />

wirklich gut, zumal das Zuliefergeschäft hohe<br />

Sach investitionen und enorme Ausgaben für<br />

For schung und Entwicklung erfordert. Andere<br />

Industrien sind längst an höhere Margen<br />

gewöhnt. Gleichzeitig nimmt der Preisdruck<br />

der Hersteller extreme Züge an. Selbst großzügig<br />

eingeräumte Rabatte führten nicht<br />

mehr automatisch zu einem Auftrag. Zulieferer<br />

überlegen inzwischen auf breiter Front, ob<br />

gewisse Ge schäfte überhaupt noch lohnenswert<br />

für sie sind. Wer sich wehrt, landet<br />

schnell im Aus.<br />

Dazu kommt: Echte Konsolidierung ist trotz<br />

der Krise ausgeblieben. Jedes fünfte Unter -<br />

nehmen der globalen Zulieferbasis gilt noch<br />

immer <strong>als</strong> strukturschwach. Sie sind besonders<br />

gefährdet, sobald die Absatzzahlen der<br />

Hersteller wieder in eine andere Richtung<br />

deuten: nach unten. Die Schere zwischen den<br />

Besten der Branche und den Nachzüglern<br />

öffnet sich immer weiter. Die Krise hat den<br />

Trend nur verstärkt.<br />

Dass sich Hersteller damit ins eigene Fleisch<br />

schneiden, glaubt <strong>Berger</strong>-Partner Berret nur<br />

begrenzt: „In der Krise haben die Autokonzerne<br />

ihren Zulieferern geholfen. Und im Notfall müssen<br />

sie den Betrieb aufrecht erhalten – gerade,<br />

wenn das betroffene Unternehmen in seinem<br />

Segment eine gewisse Bedeutung hat. Aber bis


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 37<br />

zu dem Punkt, wo es existenziell knirscht, werden<br />

die Autohersteller die Schrauben anziehen.“<br />

So brutal es klingt: Sie haben kaum eine andere<br />

Wahl. Rücksichtsvoller Umgang hilft dem<br />

Wettbewerber. Der verlässt sich dann darauf,<br />

dass ein anderer Hersteller bessere Preise<br />

bezahlt und drängt selbst auf immer höhere<br />

Rabatte. Resultat: Für Investoren und Eigen -<br />

tümer nimmt die Branche immer weiter an<br />

Attraktivität ab.<br />

Verborgene Schätze<br />

DIE KRISE HAT DIE LIQUIDITÄT AUFGEZEHRT.<br />

VIELE MITTELSTÄNDLER KLAGEN ÜBER DIE<br />

KREDITKLEMME. SIE ÜBERSEHEN:<br />

RESERVEN STECKEN IM UNTERNEHMEN SELBST<br />

Die Studie kommt daher zu dem Schluss,<br />

dass Zulieferer ihre operative Leistung weiter<br />

verbessern, ihre Preisdisziplin steigern und<br />

sich auf profitable Geschäfte konzentrieren<br />

sollten, statt um jedes einzelne Projekt zu<br />

kämpfen. Zudem müssen sie sich intensiv um<br />

neue Finanzierungsquellen bemühen.<br />

Berater Berret: "Autohersteller sollten außerdem<br />

die Zusammenarbeit mit ihren<br />

Zulieferern intensivieren und sich<br />

verstärkt um eine Verbes -<br />

60 Mrd.<br />

Euro Cash für den<br />

Aufschwung benötigt der<br />

deutsche Mittelstand nach<br />

einer neuen Studie von<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

serung des Zustands strukturschwacher<br />

Produktsegmente bemühen, indem sie eine<br />

echte Konsolidierung zulassen und unter -<br />

stützen."<br />

120 Mrd.<br />

an Liquiditätsreserven bleiben<br />

nach Schätzungen von<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

ungenutzt<br />

Mittelstand auf Magerkur:<br />

Rund 60 Milliarden Euro benötigen nach<br />

Einschätzung von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants die Unternehmen bis 2012 für<br />

den Kauf von Rohstoffen, Betriebsmitteln<br />

und Invest itionsgütern – Geld, das nicht da<br />

ist. Die Krise hat die Liquiditätspolster auf -<br />

gezehrt. Viele Unternehmen stecken in der<br />

Kredit klemme. Ausgerechnet in der wieder<br />

anziehenden Konjunktur blockiert die häufig<br />

fehlende Finanzierung von Vorleistungen<br />

den Aufschwung.<br />

Häufig liegt das Geld auf der Straße. <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong> und der Auskunfts- und Inkasso-<br />

Dienstleister Creditreform haben in einer<br />

über die vergangenen vier Jahre groß angelegten<br />

Umfrage unter 2.500 Unternehmen<br />

und 300 Führungskräften festgestellt:<br />

Die ungenutzten Liquiditätsreserven sind<br />

enorm. Working Capital, das Management<br />

von Beständen, Forderungen und Verbind -<br />

lich keiten, wird unterschätzt.<br />

Zwar ging bei den befragten Unternehmen<br />

die durchschnittliche Kapitalbindung zwischen<br />

2006 und 2009 von 64 auf 56 Tage<br />

zurück. Auch verringerte sich der Anteil<br />

verspäteter Zahlungen. Doch noch immer<br />

ist das Kapital großer Firmen im Schnitt nur<br />

halb so lange gebunden wie im deutschen<br />

Mittelstand.<br />

Die gute Nachricht: „Die meisten Unterneh -<br />

men haben ihr Liquiditäts manage ment in<br />

der Krise deutlich verbessert", sagt <strong>Roland</strong><br />

Schwientek, Partner im Kompetenz zentrum<br />

Operations Strategy bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Strategy Consultants.<br />

Die schlechte: „Der deutsche Mittelstand hat<br />

noch viel nach zuholen.“ Auf der anderen<br />

Seite bietet dieses ungenutzte Potenzial nun<br />

Chancen, zur Finanzierung des Wachstums<br />

beizutragen.<br />

Working Capital steht bei jedem Unter n eh -<br />

men mit mehr <strong>als</strong> 200 Millionen Euro<br />

Jahresumsatz auf der Agenda. Kleinere<br />

Firmen kümmern sich weniger darum –<br />

oder gar nicht. Konzerne betreiben ihr<br />

Liquiditätsmanagement professionell.<br />

„Klassische Mittelständler“, so Schwientek,<br />

„konzentrieren sich dagegen oft noch auf<br />

Umsatz und Wachstum."<br />

Nahrungsmittelhersteller (7 Tage) und<br />

Handel (16 Tage) verzeichnen im Branchen -<br />

vergleich die geringste Kapitalbindungs -<br />

dauer, Bekleidungshersteller (57) die längste.<br />

Im Maschinenbau arbeitet eine Reihe<br />

von Unternehmen mit einer nur halb so<br />

langen Kapitalbindung wie der Durchschnitt<br />

der Branche, während andere den Schnitt<br />

um 600 Prozent toppen. Über alle Branchen<br />

hinweg bleiben nach Schätzungen von<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> rund 120 Milliarden Euro an<br />

Liquiditätsreserven ungenutzt.


g<br />

What<br />

ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />

Viele wollen das nicht wahrhaben. Fast 90<br />

Prozent der von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> und Credit -<br />

reform Befragten sind überzeugt, ihr Forder -<br />

ungsmanagement habe sich in den vergangenen<br />

drei Jahren deutlich verbessert oder<br />

befinde sich zumindest auf dem Stand von<br />

2007. Bilanzanalysen zeigen etwas anderes:<br />

Nur zwei Drittel der Mittelständler können<br />

„Die Befähigung der Mitarbeiter zu effizienter<br />

Zusammenarbeit über den eigenen Funk ti -<br />

ons bereich hinaus wird immer wichtiger“,<br />

sagt Thomas Rinn, Partner von <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong> Strategy Consultants. Doch Wunsch<br />

und Wirklichkeit trennen Welten. Eine Studie<br />

mit 20 Unternehmen in Deutschland aus<br />

unterschiedlichen Bran chen ergab: Eigen -<br />

sinn geht vor Gemeinwohl. So geben 85<br />

Prozent der befragten Untern ehmen an:<br />

Mitarbeiter fühlen sich hauptsächlich ihrer<br />

das tatsächlich von sich behaupten.<br />

Alle ander en haben sich verschlechtert, und<br />

das sogar signifikant.<br />

Schon eine um fünf bis zehn Prozent kürzere<br />

Kaptalbindung kann den kompletten Finanzierungsbedarf<br />

abfedern, den eine Um -<br />

satz steigerung um zehn Prozent mit sich<br />

Über den Tellerrand hinaus<br />

ALLE REDEN DAVON, WENIGE TUNS WIRKLICH:<br />

CROSS-FUNKTIONALES ARBEITEN MACHT ORGANISATIONEN SCHLAG -<br />

KRÄFTIGER. ENTTÄUSCHEND: DIE MEISTEN ABTEILUNGEN KOMMEN NICHT<br />

ÜBER IHREN TELLERRAND HINAUS.<br />

eigenen Funktion wie Einkauf, Produktion<br />

oder Vertrieb zugehörig und arbeiten nur be -<br />

grenzt an gemeinsamen Zielen.<br />

Entsprechend halten fast genauso viele<br />

Teilnehmer (81 Prozent) den aktuellen Stand<br />

cross-funktionaler Zusammenarbeit für<br />

unzureichend. Fehlende Anreize, die Angst<br />

der Manager vor Machtverlust oder schlicht<br />

mangelnde Kapazi täten verhindern enge<br />

Kooperationen oder den effizienten Wissensund<br />

Ge danken austausch über die eigenen<br />

bringt. Automatisiertes Forderungs manage -<br />

ment und niedrigere Bestände durch eine<br />

optimierte Auftragsplanung können schnell<br />

Liquidität freisetzen. „Künftig wird aber auch<br />

ein professionelleres Screening der Kunden -<br />

basis auf Kredit würdigkeit eine wichtigere<br />

Rolle spielen", weiß <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Partner<br />

Schwientek.<br />

Grenzen hinweg. Statt den Austausch mit<br />

Andersdenkenden zu suchen, verharren<br />

Abteil ungen viel zu oft im eigenen Saft.<br />

Schlagkräftige Organisations strukturen<br />

sehen anders aus. "Hauptziel eines modernen<br />

Management-Systems ist die verstärkte<br />

Integration der Funktionen“, sagt Jochen<br />

Gleisberg, ebenfalls Partner von <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong>. „In unserer Studie haben sich vor<br />

allem die primäre Organisationsstruktur,<br />

kooperationsunterstützende Rollen sowie<br />

das HR Management <strong>als</strong> entscheidende<br />

Stellhebel gezeigt." Abhängig von der Indu -<br />

strie werden beispielsweise Netzwerk- und<br />

Prozessorganisationen nach Überzeugung<br />

von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

deutlich an Bedeutung gewinnen.<br />

Schon früher haben<br />

sich nur wenige getraut,<br />

mal über den Tellerrand<br />

hinaus zu schauen,<br />

um den eigenen Horizont<br />

zu erweitern.<br />

★<br />

★<br />

★<br />

Auch die Rolle des "Kümmerers" wird<br />

wichtiger: Mitarbeiter, die Aufgaben operativ<br />

in cross-funktionalen Teams vorantreiben<br />

und dabei zwischen verschiedenen<br />

Stakeholdern moderieren. Entscheidend<br />

ist auch die Bef ähigung der Mitarbeiter,<br />

Aufgaben in wenig strukturierten Umfeldern<br />

und ohne direkte Weisungsbefugnisse<br />

gegenüber anderen erfolgreich anzugehen.<br />

<strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Projektmanager Sebastian<br />

Durst: "Mitarbeiter, die diese Fähigkeit<br />

mitbringen, werden immer wertvoller.<br />

Weit sichtige Unternehmen bereiten sich<br />

schon heute darauf vor."


think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 3 9<br />

Kiosk<br />

Chinesische<br />

Managementrevolution<br />

NACH EINEM VIERTELJAHRHUNDERT BE-<br />

RATUNG IN CHINA BEOBACHTEN WIR EINE<br />

INTERESSANTE ENTWICKLUNG UND VER-<br />

ÄNDERUNG DER MANAGEMENTSTRATEGIE<br />

IN DIESEM LAND<br />

China entwickelt sich, nach unserer Einschätzung,<br />

zur Avantgarde einer neuen<br />

Managementphilosophie. Die wachsende<br />

Green Growth, Green Profit<br />

WIR STEHEN AM BEGINN EINER ÖKONOMI-<br />

SCHEN ZEITENWENDE. DIE ENTWICKLUNG<br />

ZUM GREEN BUSINESS IST AUS UNSERER<br />

SICHT UNUMKEHRBAR.<br />

Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern<br />

auch für die Unternehmen in diesen<br />

Märkten, wie unsere exklusive Befragung<br />

von 1.300 Unternehmen und 200<br />

Forschungseinrichtungen gezeigt hat.<br />

Das wesentliche Ergebnis: Der Umsatz der<br />

globalen Umweltindustrie wird sich bis zum<br />

Jahr 2020 mehr <strong>als</strong> verdoppeln, auf dann<br />

3.100 Milliarden Euro. Im Jahr 2007 setzte<br />

Supply Chain Management ist eine Königsdisziplin<br />

des Managements. Und ein strategischer<br />

Wettbewerbsvorteil dazu. Aber nur,<br />

wenn auch der Supply Chain Fit gelingt!<br />

Skepsis gegenüber dem amerikanischen<br />

Managementmodell, verbunden mit der<br />

größten Wirtschafts- und Finanzkrise,<br />

die ihren Ursprung in den USA hatte, und<br />

kombiniert mit kulturellen Wurzeln, u.a.<br />

der Dreieinigkeit von Geist, Land und<br />

Energie, führen dazu, dass mehr und mehr<br />

chinesische Unternehmer ein eigenes<br />

Managementmodell verfolgen. In seinem<br />

in Kürze erscheinenden Buch "Chiná s<br />

die Umweltindustrie weltweit 1.400 Milliarden<br />

Euro um, in Deutschland waren es<br />

fast 270 Milliarden Euro. Rund 300.000<br />

Menschen sind hierzulande allein im Bereich<br />

erneuerbarer Energien beschäftigt. Weltweit<br />

sind es 2,3 Millionen.<br />

Um die Potenziale der Green Economy für<br />

Deutschland voll zu erschließen, ist koordiniertes<br />

Vorgehen auf vielen Feldern nötig.<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants hat<br />

umfangreiche Analysen und Studien zu<br />

diesen Fragen erstellt. Wie können die<br />

bestehenden Wettbewerbsvorteile in größeres<br />

Wachstum und neue Beschäftigung<br />

think:act CONTENT: Supply Chain Management<br />

Das neue und interessante Ergebnis einer<br />

exklusiven Studie von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>, der<br />

WHU Otto Beisheim School of Management<br />

in Vallendar bei Koblenz, der Eidgenössischen<br />

Technischen Hochschule (ETH) Zürich<br />

und der in Kalifornien beheimateten Stanford<br />

University lautet: Aus dem Kostenkiller<br />

wird ein Gewinntreiber! Best-Practice-Unternehmen,<br />

die ihre Lieferkette konsequent<br />

segmentieren und an den Produktmerkmalen<br />

ausrichten, erzielen überdurchschnittliche<br />

Erfolge. Bei diesen Unternehmen ist<br />

Management Revolution" erläutert Charles-<br />

Eduard Bouée, Partner von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Strategy Consultants in China, seine<br />

Beobachtungen und analysiert mögliche<br />

Konsequenzen.<br />

Titel: China´s Management Revolution<br />

– Spirit, Land, Energy<br />

Autor: Charles-Eduard Bouée, Member of the Global<br />

Executive Committee of <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants and President of Asia<br />

http://think-act.com/fresh-thinking-for-decision-makers/think-act-books/chinas-management-revolution/content.html<br />

verwandelt werden? Welche Themenfelder<br />

bieten sich dafür besonders an?<br />

Welche Märkte haben die größten Chancen?<br />

Lesen Sie unsere Antworten in unserem<br />

aktuellen Buch!<br />

Titel: Green Growth,<br />

Green Profit –<br />

How Green<br />

Transformation<br />

Boosts Business<br />

Autor: <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants,<br />

International<br />

Green Team<br />

http://think-act.com/fresh-thinking-for-decision-makers/think-act-books/green-growth-green-profit/content.html<br />

die Gesamtkapitalrendite (ROA) doppelt so<br />

hoch wie bei Unternehmen ohne Supply<br />

Chain Fit – einem von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

Strategy Consultants entwickelten Ansatz,<br />

Lieferketten exakt auf das Geschäftsmodell<br />

des jeweiligen Unternehmens auszurichten.<br />

>> Lesen Sie die weiteren Ergebnisse<br />

unserer Untersuchung in unserem aktuellen<br />

think:act CONTENT Supply Chain<br />

Management.<br />

http://www.think-act.info/

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