COO Insights "Nachhaltigkeit als Geschäftsprinzip" - Roland Berger
COO Insights "Nachhaltigkeit als Geschäftsprinzip" - Roland Berger
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ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
NOVEMBER 2010<br />
<strong>COO</strong> INSIGHTS<br />
BUSINESS<br />
Unternehmen<br />
erheben<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
zum Geschäftsprinzip<br />
–<br />
und<br />
verdienen<br />
auch noch<br />
daran!<br />
Aber nicht nur<br />
deshalb gibt<br />
es für Bayer-<br />
Vorstand Wolfgang<br />
Plischke kein<br />
Zurück.
BEWÖLKT BIS HEITER: DIE FORTSCHRITTE DER EU AUF DEM WEG ZU EINER NACHHALTIGEN<br />
ENTWICKLUNG SIND EHER GEMISCHT Elf von über 100 behandelten Indikatoren wurden <strong>als</strong> Leit -<br />
indi ka toren festgelegt. Diese Leitindikatoren sollen Aufschluss darüber geben, ob die EU Fortschritte in<br />
Richtung einer nachhaltigen Entwicklung erzielt hat. Eine Bewertung der Fortschritte seit dem Jahr 2000<br />
auf Basis dieser Leitindikatoren ergibt ein recht gemischtes Bild.<br />
BEWERTUNG DER<br />
VERÄNDERUNG FÜR EU-27<br />
’<br />
THEMA DER INDIKATOREN FÜR<br />
NACHHALTIGE ENTWICKLUNG<br />
SOZIOÖKONOMISCHE ENTWICKLUNG<br />
LEITINDIKATOR<br />
WACHSTUM DES PRO-KOPF-BIP<br />
⁄ ⁄’’<br />
÷‹<br />
KLIMAWANDEL UND ENERGIE<br />
NACHHALTIGER VERKEHR<br />
NACHHALTIGER KONSUM UND<br />
NACHHALTIGE PRODUKTION<br />
TREIBHAUSGASEMISSIONEN*<br />
VERBRAUCH ERNEUERBARER ENERGIEN<br />
ENERGIEVERBRAUCH DES VERKEHRS<br />
IM VERHÄLTNIS ZUM BIP<br />
RESSOURCENPRODUKTIVITÄT<br />
÷<br />
÷<br />
÷<br />
‹<br />
NATÜRLICHE RESSOURCEN<br />
ÖFFENTLICHE GESUNDHEIT<br />
SOZIALE EINGLIEDERUNG<br />
DEMOGRAFISCHE VERÄNDERUNGEN<br />
GLOBALE PARTNERSCHAFT<br />
POPULATION WEIT VERBREITETER VOGELARTEN**<br />
ERHALTUNG VON FISCHBESTÄNDEN***<br />
GESUNDE LEBENSJAHRE****<br />
ARMUTSGEFÄHRDUNG****<br />
BESCHÄFTIGUNGSQUOTE ÄLTERER ERWERBSTÄTIGER<br />
ÖFFENTLICHE ENTWICKLUNGSHILFE*****<br />
* EU-15 ** Auf Basis von 19 Mitgliedstaaten *** Im Nordostatlantik **** EU-25, ab 2005 ***** Ab 2005<br />
LEGENDE:<br />
’<br />
÷<br />
deutlich positive Veränderungen /<br />
dem Zielpfad entsprechend<br />
keine oder leicht positive Veränderungen/<br />
dem Zielpfad annähernd entsprechend<br />
‹<br />
‹<br />
leicht negative Veränderungen/<br />
weit vom Zielpfad entfernt<br />
deutlich negative Veränderungen/<br />
Entwicklung weg vom Zielpfad<br />
Quelle: European Commission, Sustainability Report 2009
Das haben viele nicht erwartet:<br />
Unternehmen, in der weltweiten<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise massiv unter<br />
Druck und nahe am Kollaps, haben gleichzeitig<br />
ihr Engagement für nachhaltiges Wirtschaften<br />
verstärkt, zumindest nicht zurückgefahren.<br />
Wer glaubte, drängende Kosten- und ehrgeizige<br />
Wachstumsprogramme würden das<br />
Thema Sustainability von der Agenda des<br />
Top-managements verdrängen oder <strong>als</strong><br />
Luxusproblem entlarven, wird eines Besseren<br />
belehrt: <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist kein Modetrend<br />
oder Marketinginstrument mehr. Sie wird<br />
mehr und mehr fester Bestandteil in der<br />
Philosophie und der operativen Ausrichtung<br />
zeitgemäß geführter Unternehmen.<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> bedeutet eben nicht Verzicht<br />
auf Profitabilität, sondern die Chance auf<br />
Profitabilität.<br />
Die Maxime heißt nicht, Zukunft trotz,<br />
sondern durch <strong>Nachhaltigkeit</strong>. Sustainability<br />
ist keine alternative Lebensform auf Gomera,<br />
sondern ein Managementprinzip in der globalen<br />
Wirtschaft. <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist nicht die<br />
Abkehr vom klassischem Unternehmertum,<br />
sondern dessen Wiederentdeckung.<br />
Why<br />
Was hat <strong>Nachhaltigkeit</strong> mit dem Kerngeschäft<br />
zu tun? Wie können Umwelt- und<br />
Sozialmanagement ins konventionelle ökonomische<br />
Management integriert werden?<br />
Wie überhaupt neu denken und dabei die<br />
gesamte Organisation mitnehmen?<br />
Praktische Fragen, die oft gestellt – und<br />
ebenso oft beantwortet werden. Einige<br />
Beispiele finden Sie in diesem Heft: Bayer,<br />
SAP oder Volkswagen, gleichsam Blaupausen<br />
für profundes <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement<br />
im Einkauf, in der Produktion, in Logistik,<br />
Forschung und Entwicklung. Dabei ist <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
kein Thema der Großen.<br />
Im Gegenteil: Kleine und mittlere Unternehmen<br />
stellen sich an die Spitze. So wie der<br />
Duft- und Aromenspezialist Symrise und<br />
seine weiße Biotechnologie, laut Bundesregierung<br />
ein Schlüssel für Wachstum in den<br />
kommenden Jahrzehnten.<br />
So ist diese zweite Ausgabe unseres think:<br />
act BUSINESS nicht nur ein leidenschaftliches<br />
Plädoyer für <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement,<br />
sondern auch ein praktischer Leitfaden durch<br />
alle Facetten nachhaltigen Wirtschaftens –<br />
und wie dieses Erfolgsprinzip schon heute<br />
die Praxis durchdringt.<br />
Ich wünsche Ihnen aufschlussreiche<br />
Momente und Erkenntnisse. Und natürlich<br />
freuen wir uns wieder auf Ihre Reaktion – am<br />
besten unter coo_insights@rolandberger.com<br />
Bestellung: Sie können dieses Magazin <strong>als</strong> pdf in deutsch und englisch bestellen unter:<br />
<strong>COO</strong>_<strong>Insights</strong>@rolandberger.com<br />
Ihr<br />
Axel Schmidt<br />
Global Head of Operations Strategy<br />
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 3<br />
Why<br />
Editorial<br />
Thought Leadership<br />
Sustainability: Vom Schönwetterthema<br />
zum Geschäftsprinzip<br />
Management<br />
6 Erfolgsfaktoren bestimmen<br />
Sustainability Excellence<br />
Gastkommentar<br />
Früh investieren statt spät reparieren<br />
How<br />
Praxis<br />
Interview Bayer-Vorstand<br />
Wolfgang Plischke: “Das ist was für<br />
Marathonläufer, nichts für Sprinter“<br />
Volkswagen: Grüne Größe<br />
Symrise: Weißer Hirsch<br />
SAP: Blaue Macht<br />
Studie<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> wird zum Wirtschaftsfaktor<br />
Who<br />
7 Fragen an Otmar Hauck, <strong>COO</strong> KION AG<br />
3<br />
4<br />
9<br />
10<br />
14<br />
20<br />
24<br />
28<br />
31<br />
32<br />
What<br />
Auto-Zulieferer<br />
36<br />
Keine Entwarnung nach der Krise<br />
Working Capital<br />
37<br />
Verborgene Schätze<br />
Cross-Funktionales Arbeiten<br />
37<br />
Über den Tellerrand hinaus<br />
Kiosk<br />
39<br />
China´s Management Revolution<br />
Green Growth, Green Business<br />
think:act CONTENT Supply Chain Management<br />
think:act BUSINESS<br />
<strong>COO</strong> <strong>Insights</strong><br />
Herausgeber: Axel Schmidt<br />
Gesamtverantwortung: <strong>Roland</strong> Schwientek<br />
Projektmanagement: Dr. Katherine Nölling<br />
Layout: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> DesignTeam<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Expertenteam:<br />
Marcus Berret, Sebastian Durst,<br />
Jochen Gleisberg, Robert Grimm,<br />
Thomas Hollmann, Florian Kaiser,<br />
Felix Mogge, Robert Ohmayer,<br />
Thomas Rinn, Axel Schmidt,<br />
<strong>Roland</strong> Schwientek, Christian Steinbach
Why<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
Unternehmenserfolg durch<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>:<br />
Lernen von den<br />
Champions<br />
Der Groß teil der Unter -<br />
neh men bekennt sich zum Thema<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>. Fast zwei von drei Firmen<br />
haben trotz Finanz- und Wirt schafts krise ihr<br />
Engagement für Nach haltig keit gestärkt oder<br />
beibehalten. Doch das Wertschöpfungspotenzial<br />
nachhaltigen Wirtschaftens ist bei weitem<br />
nicht ausgeschöpft.<br />
Nicht Unter nehmens erfolg und <strong>Nachhaltigkeit</strong> lautet<br />
die Devise, sondern Unternehmenserfolg durch<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>. Sustainability-Champions<br />
optimieren ihre Performance gezielt<br />
entlang der gesamten<br />
Wertschöpfungskette.
BUSINESS d e s i g n t o v a l u e<br />
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 5<br />
21
g Why<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
Sustainability: >><br />
Vom Schönwetterthema<br />
>> zum Geschäftsprinzip<br />
Für einige wenige ist es noch ein Modetrend, für viele aber bereits ein Paradigmenwechsel:<br />
„<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> beeinflusst die Geschäftsmodelle von Unternehmen, verschiebt die Gewichte<br />
zwischen Branchen und ordnet Beziehungen in den Lieferketten neu.<br />
Sechs Erfolgsfaktoren bestimmen die Sustainability Excellence in Operations<br />
Siemens tut es. BASF tut es.<br />
Und Daimler tut es auch. Schwer -<br />
gewichte im DAX-30-Börsenindex<br />
haben das Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
fest in ihrer Management struktur verankert.<br />
Beim Münchner Elektro unternehmen führt<br />
Chief Sustainability Officer Barbara Kux, im<br />
Vor stand zuständig für den Bereich Supply<br />
Chain, das Sustain ability Board.<br />
Beim Ludwigshafener Chemie riesen BASF<br />
leitet Vorstand und Arbeits direktor Harald<br />
Schwager den Nachhaltig keits rat. Das<br />
Sustain ability Board des Stutt garter<br />
Automobilbauers Daimler leitet Thomas<br />
Weber, im Vorstand verantwortlich für<br />
Konzernforschung & Mercedes-Benz Cars<br />
Entwicklung.<br />
So unterschiedlich die Branchen sind – der<br />
Anspruch des prominenten Trios an eine<br />
mo derne Unternehmensführung bleibt immer<br />
derselbe: Sie soll langfristig denken und handeln.<br />
"Wenn wir unsere heutigen Bedürfnisse<br />
Wir haben bei Siemens<br />
den klaren Anspruch, im<br />
Sinne künftiger Gener ati onen zu handeln –<br />
wirtschaftlich, ökologisch und sozial verantwortungsvoll.<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> bedeutet, allen<br />
drei Dimensionen zu entsprechen, indem wir<br />
langfristig denken und handeln.<br />
Wenn Siemens profitabel wächst, können wir<br />
unserer Verantwortung der Umwelt, unseren<br />
Mitarbeitern, unseren Aktionären und der<br />
Gesell schaft gegenüber gerecht werden. Der Einsatz von energieeffizienten Technologien folgt<br />
beispielsweise einer klaren wirtschaftlichen Logik: Durch die potenziell mit ihnen möglichen<br />
Einsparungen refinanziert sich die An schaffung<br />
“<br />
innerhalb kurzer Zeit von selbst. 'Grüne' Technik<br />
wird daher in Zukunft ein starker Motor für unser Wachstum sein.<br />
Mit uns profi tieren unsere Kunden durch signifikante CO 2<br />
- und Kostenein sparungen, und letztendlich wird<br />
vor allem ein wertvoller Beitrag zum Klimaund<br />
Umweltschutz geleistet – was mir<br />
besonders am Herzen liegt.<br />
Barbara Kux, Vorstand Siemens AG<br />
www.siemens.com/sustainability/report/09/pool/pdf/siemens_nb_2009.pdf
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 7<br />
AUF BASIS IHRER EINSTELLUNGEN ZU CORPORATE RESPONSIBILITY<br />
(CR) LASSEN SICH FÜNF KONSUMENTENTYPEN UNTERSCHEIDEN<br />
CR-Konsumententypen [Anteil an Gesamtbevölkerung]<br />
"Ich setze mich<br />
für Mensch und<br />
Natur ein."<br />
"Ich achte darauf,<br />
ob Unternehmen, gegen<br />
ethische Normen<br />
verstoßen."<br />
"Neue Wege gehen<br />
um gesellschaft liche<br />
Verantwortung zu zeigen<br />
ist mir wichtig."<br />
"Einsatz für das nähere<br />
Umfeld liegt mir<br />
am Herzen."<br />
"Ich finde es gut,<br />
wenn Staat und<br />
Unternehmen Kultur, Sport<br />
und Gesund heit der Leute<br />
fördern."<br />
nicht auf dem Rücken künftiger Generationen<br />
ausleben wollen, müssen wir nicht nur ökologisch,<br />
sondern auch gleichermaßen ökonomisch<br />
und gesellschaftlich verantwortungsbewusst<br />
handeln", schreibt zum Beispiel<br />
Thomas Weber seiner Belegschaft bei jeder<br />
Gelegenheit ins Stammbuch. "Dauerhaft<br />
erfolgreiches unternehmerisches Handeln ist<br />
ohne den sorgsamen Umgang mit Umwelt<br />
und Gesellschaft nicht möglich. Deshalb ist<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> ein fester Bestandteil unserer<br />
Strategie", verkünden BASF-Konzernchef<br />
Jürgen Hambrecht und Kollege Schwager<br />
unisono. Zuspruch kommt aus München:<br />
"Wir agieren", so Barbara Kux, "im Sinne künftiger<br />
Generationen – wirt schaft lich, ökologisch<br />
und sozial verantwortungsvoll. Nach -<br />
haltig keit bedeutet, allen drei Dimensionen<br />
zu entsprechen."<br />
Wie grundlegend das Thema<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> inzwischen<br />
tatsächlich in der globalen Pro -<br />
duktions- und Dienstleistungs -<br />
industrie verankert ist, hängt zwar stark von<br />
der jeweiligen Branche ab und wo sie zuhause<br />
ist. Konsumgüterhersteller oder das<br />
Business-to-Consumer-Geschäft agieren –<br />
auch wegen des unmittelbaren Drucks ihrer<br />
Kunden und des schnellen Umschlags neuer<br />
Kaufgewohnheiten – allgemein sensibler <strong>als</strong><br />
Produktionsgüterhersteller und das Businessto-Business-Geschäft.<br />
Europäische Unter -<br />
nehmen sind weiter <strong>als</strong> ihre Herausforderer<br />
21,2%<br />
VERANTWORTUNGS-<br />
BEWUSSTE<br />
ENGAGIERTE<br />
Quelle: GfK; <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Studie<br />
19,5%<br />
KRITISCH<br />
KONSUMIERENDE<br />
18,2%<br />
FORTSCHRITTLICHE<br />
MACHER<br />
in den aufstrebenden Wirtschaftsnationen<br />
Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC).<br />
Selbst in fortschrittlichen Unternehmen,<br />
sogenannten Sustainability Champions, fällt<br />
der Reifegrad von <strong>Nachhaltigkeit</strong>sinitiativen<br />
zwischen verschiedenen Funktionsbereichen<br />
unterschiedlich aus. Noch sind Sustainability-<br />
Standards wie in der Elektroniksparte eher<br />
selten.<br />
21,2%<br />
ICH-ZENTRIERTE<br />
GENIEßER<br />
19,9%<br />
EIGENVERANTWORTLICHE<br />
FAMILIENMENSCHEN<br />
Die Initiativen variieren ebenso wie die Ernst -<br />
haftigkeit, mit der die Unternehmen ihre<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategien verfolgen. Teils<br />
mag auch der Umfang des notwendigen<br />
ökologischen Umbaus unterschätzt werden.<br />
Und nicht zuletzt gibt es auch die Fälle, bei<br />
denen schnelles "Greenwashing" die Phan -<br />
tasie mancher Imagewerber gefährlich beflügelt.<br />
Trotzdem sind Deutschlands Unter neh -<br />
men sich beim Thema Sustainability einig wie<br />
selten, ein Modetrend ist das schon längst<br />
nicht mehr! Das Thema wird zunehmend in<br />
bestehende Managementsysteme integriert<br />
– und das nicht nur, weil strengere Auflagen<br />
und Ge setze etwa für den Schutz einer<br />
sauberen Umwelt die Unternehmen dazu<br />
zwingen. <strong>Nachhaltigkeit</strong> prägt unternehmerisches<br />
Denken und Handeln immer mehr –<br />
aus Überzeugung. Unternehmen bekommen<br />
dies sowohl auf der Erlös- <strong>als</strong> auch auf der<br />
Kosten seite zu spüren. Investitionen in Nach -<br />
haltigkeitsinitiativen werden zu Investitionen<br />
in produktübergreifende Markenwerte.<br />
Unternehmen minimieren ihre Risiken und<br />
differenzieren sich damit im Wettbewerb.<br />
Schlüssel hierfür sind Operations,<br />
<strong>als</strong>o Ent wicklung, Einkauf, Produk -<br />
tion und Logistik. <strong>Nachhaltigkeit</strong>s-<br />
Champions optimieren ge zielt ihre<br />
Sustainability Performance entlang der<br />
gesamten Wertschöpfungskette. So arbeitet<br />
etwa der Konsumgüterkonzern Procter &<br />
Gamble in der Entwicklung mit ausgewählten<br />
Forschungspartnern an neuen Verpackungen<br />
für Haarpflegemittel. Statt auf Erdöl setzen<br />
die Entwickler auf Zuckerrohr. Und die ersten<br />
in Biokunststoff verpackten Produkte sollen<br />
2011 in den Regalen stehen.<br />
In vielen Industrien liegt der Anteil eingekaufter<br />
Wertschöpfung bei mehr <strong>als</strong> 50 Prozent.<br />
Einkaufsabteilungen spielen deshalb eine<br />
zentrale Rolle in der Sustainability -Strategie
g Why<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
der Unternehmen. Beispiel: BASF, Sustainable<br />
Procurement: Dessen Standards verhelfen<br />
dem Projekt "1+3" in China zum Durchbruch.<br />
Dabei werden drei direkte Lieferanten<br />
ver pflich tet, konzernweite Prinzipien nachhaltiger<br />
Entwicklung zu befolgen und das<br />
Regel werk an drei weitere Zulieferer<br />
weiter zureichen, die wiederum drei andere<br />
Ge schäfts part ner nachziehen. Das intelligente<br />
Schnee ballsystem funktioniert. Jetzt soll<br />
es auch in Indien eingeführt werden.<br />
Sustain ability Audits steuern übergreifend<br />
die Lieferanten pools.<br />
In der Produktion gehören die Minimierung<br />
von Ausschussquoten und maximale<br />
Ressourcen ausschöpfung zum Pflichtpro -<br />
gramm. Wesentlich größer ist der Einfluss<br />
des gesamten Manufacturing Footprints auf<br />
die Umweltbilanz. Der Pariser Getränke- und<br />
Lebensmittelkonzern Danone hat damit be -<br />
gonnen, den CO 2 -Einsatz "vom Stall bis ins<br />
Kühlregal" von unabhängigen Partnern<br />
analysieren zu lassen, "damit wir wissen,<br />
„<br />
wie viel CO 2 -Ausstoß jedes einzelne unserer<br />
Produkte verursacht." Wesentliche Stellhebel<br />
zur Ver besserung der unternehmerischen<br />
CO 2 Bilanz sind neue Produktionsverfahren<br />
und die CO 2 -optimierte Ausrichtung des<br />
gesamten Produktions- und Logistik netz -<br />
werks. Übergeordnetes Ziel ist, den<br />
Ver brauch von Energie, Wasser und Abfall<br />
innerhalb der nächsten zehn Jahre um<br />
Unser zentrales<br />
Managementgremium<br />
für Nach haltigkeit ist das<br />
Sustain ability Board. Alle nachhaltigkeitsrelevanten<br />
Management prozesse sind hier wirk -<br />
ungs voll gebündelt. Direkt dem Vorstandsvorsitzenden zugeordnet, koordiniert das Gremium<br />
unternehmensweit bedeutende <strong>Nachhaltigkeit</strong>sinitiativen und unterstützt die operativen Be -<br />
reiche bei der Um setzung. Das Sustainability Board hat den Anspruch formuliert, beim Thema<br />
Nachhaltig keit zu den Besten in der Branche zu gehören. Hierzu wurden das Board sowie das<br />
unterstützende Office neu strukturiert, um die Einbindung relevanter Zentralbereiche, etablierter<br />
Gremien sowie wichtiger Entscheidungsträger aus allen Geschäfts feldern weiter zu optimieren.<br />
Das Sustainability Board analysiert und bewertet die <strong>Nachhaltigkeit</strong>sleistung von Daimler,<br />
bereitet im Auftrag des Vorstandsvorsitzenden Entscheidungs vorlagen vor und unterstützt<br />
zu sammen mit dem Sustainability Office denVorstand mit Second<br />
Opinions. Darüber hinaus verantwortet und koordiniert das<br />
Board die jährlich stattfind ende Veran -<br />
staltung "Sustainability Dialogue".<br />
Thomas Weber, Vorstand Daimler AG<br />
“<br />
http://nachhaltigkeit.daimler.com<br />
durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr zu<br />
verringern. Spätestens 2011 sollen für jeden<br />
Bereich der Wertschöpfungskette messbare<br />
Ziele vorliegen.<br />
Auch das Bayer Sustainable Supply Chain<br />
Management erfasst bei wesentlichen<br />
Entscheidungen die mit verschiedenen Alter -<br />
na tiven verbundenen CO 2 -Emissionen.<br />
In diese Kennzahl fließen alle relevanten<br />
Prozesse wie Transport, Abfüllen, Verpack -<br />
ung und Lagerhaltung der Produkte ein.<br />
Bayer HealthCare gelang damit der Aufbau<br />
zweier zusätzlicher Distributions läger<br />
bei gleichzeitiger Reduzierung der CO 2 -<br />
Emissionen um 75 Prozent. Der Hauptgrund<br />
hierfür war ein weitgehender Verzicht auf<br />
Luftfracht.<br />
Darüber hinaus erwarten Konsumenten ein<br />
sozial und ökologisch verantwortliches<br />
Management und nehmen dafür nachweislich<br />
höhere Preise in Kauf – so das Ergebnis<br />
einer Studie von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />
Consul tants in Zusammenarbeit mit GfK<br />
Panel Services Deutschland. Die Studie analysiert<br />
Einstellungen der Konsumenten zum<br />
Thema Corporate Responsibility (CR) und<br />
stellt sie dem tatsächlichen Kaufverhalten<br />
gegenüber. Demnach sind Konsumenten mit<br />
hohen Ansprüchen eine starke Zielgruppe.<br />
Es lohnt sich <strong>als</strong>o für Unternehmen, CR<br />
ganzheitlich ins Geschäftsmodell zu integrieren.<br />
Denn richtig umgesetzt lässt sich<br />
damit gutes Geld verdienen.<br />
So ist etwa die Zustimmung auf die Frage<br />
"Kaufen Sie umweltverträgliche Produkte?"<br />
in der Gruppe der "Verantwortungsbe wus -<br />
sten Engagierten" laut Studie mit 58 Prozent
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 9<br />
und bei den "Kritisch Konsu mierenden"<br />
mit 59 Prozent überdurchschnittlich hoch.<br />
Jeweils 32 Prozent der genannten Gruppen<br />
geben an, dass sie bei Nahrungsmitteln<br />
lieber Biopro duk te kaufen. Sie liegen<br />
damit deutlich über dem Durchschnitt<br />
der Bevölkerung (21 Prozent).<br />
Je stärker die Bedeutung von Sustainability Management,<br />
umso größer die Heraus forderungen. Unternehmen fragen sich<br />
unter anderem:<br />
• Wie vertragen sich immer kürzere Ent -<br />
wicklungszeiten und schmalere Etats mit<br />
gleichzeitig hohem Entwicklungs aufwand<br />
nachhaltiger Produkte?<br />
• Wie werden im Zieldreieck des Einkaufs<br />
aus Kosten, Produktqualität und Liefer -<br />
zeit/-service strenge <strong>Nachhaltigkeit</strong>s -<br />
kriterien berücksichtigt?<br />
• Wie können bei immer flexibleren und<br />
sich verändernden Kundenanforderungen<br />
Produktions- und Logistiknetzwerke<br />
nach haltig gestaltet werden?<br />
• Wie wird die Sustainability Performance<br />
entlang der Wertschöpfungskette<br />
unter Berücksichtigung aller relevanten<br />
Gestaltungsparameter<br />
messbar?<br />
• Wie rechnet sich<br />
überhaupt der<br />
"Business Case<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>"?<br />
„<br />
Für BASF lautet die Frage nicht:<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> oder wirtschaftliche<br />
Entwicklung?<br />
Vielmehr versteht BASF unter nachhaltiger<br />
Unter nehmens führung den An satz, soziale und<br />
ökologische Fragestellungen in die Geschäftsprozesse<br />
zu integrieren und damit langfristig<br />
wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Es gibt nur<br />
dann eine wirtschaftliche Ent wick lung, wenn<br />
“<br />
sie auf der Strategie der Nach haltig keit basiert,<br />
und das sehen auch die Partner der BASF wie<br />
Kunden, Mitarbeiter, der Finanzmarkt<br />
oder Nachbarn so.<br />
Harald Schwager,<br />
6<br />
http://www.basf.com/group/corporate/de/ Vorstand BASF AG<br />
sustainability/index<br />
Erfolgsfaktoren bestimmen<br />
die Sustainability Excellence<br />
in Operations – ein Leitfaden, der einer klaren<br />
wirtschaftlichen Logik folgt:<br />
1. TOP-DOWN-ANSATZ<br />
Sustainability ist fester Bestandteil der<br />
grundlegenden Unternehmensstrategie.<br />
Daraus werden ebenso anspruchsvolle wie<br />
realistische Ziele für jeden Operations-Be reich<br />
abgeleitet, zum Beispiel recyclingfähige<br />
Materialien (Forschung & Entwicklung)<br />
oder Lieferanten, die ein Sustainability Audit<br />
erfolg reich bestanden haben. Aus diesen<br />
abteilungs spezifischen Zielvorgaben resul -<br />
tieren konkrete Handlungsempfehlungen für<br />
jeden Mitarbeiter. Erst damit wird das gesamtunternehmerische<br />
Ziel greifbar.
g Why<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
2. ORGANISATORISCHE<br />
VERANKERUNG<br />
Die Position eines Chief Sustainability<br />
Officers auf höchster Managementebene<br />
ist der Ausdruck einer glaubwürdigen<br />
und unverrückbaren <strong>Nachhaltigkeit</strong>s-<br />
Strategie. Auch in den verschiedenen<br />
Operations-Funktionen muss es klare<br />
Verantwortlichkeiten geben. Nur so<br />
werden Konflikte überwunden und<br />
Sustain ability wird über alle Abteilungen<br />
und Funktionen hinweg durchgesetzt.<br />
Nachhaltig keit ist keine Verfügungs -<br />
masse.<br />
3. VERNETZTES ARBEITEN<br />
Eine wirkungsvolle Sustainability -<br />
strategie beruht nicht nur auf der eigenen<br />
Überzeugungskraft, sondern auch<br />
auf der Integration einflussreicher<br />
Partner außerhalb des Unter nehmens –<br />
beispielsweise externe Entwickler, Liefer -<br />
anten oder politische Institutionen.<br />
Ebenso wichtig ist ein be stimmtes Maß<br />
an Koordination mit dem direkten Wett -<br />
bewerb und Unter nehmen anderer<br />
Branchen. Das gilt etwa bei der Defi -<br />
nition und Umsetzung von Lieferanten -<br />
standards und Bewertungs logiken oder<br />
der Formu lierung der Codes of Conduct.<br />
Zudem sollten Kunden kontinuierlich in<br />
alle Sustainability-Aktivitäten einbezogen<br />
werden. Nur so bekommen Unter -<br />
nehmen ein Gespür für veränderte<br />
Kundenwünsche und Konsumge wohn -<br />
heiten. Sustainability-Champions kommunizieren<br />
gezielt Erfolge an den Markt.<br />
4. LEBENSZYKLUS-<br />
BEZOGENER OPTIMIERUNGS-<br />
ANSATZ<br />
Die Optimierung der Sustainability Per -<br />
form ance hat nur dann Erfolg, wenn der<br />
gesamte Lebenszyklus eines Produktes<br />
in die Rech nung einbezogen wird,<br />
ähnlich dem Ansatz Total Cost of<br />
Ownership (TCO). Auf Basis einer umfassenden<br />
Ana lyse für die Definition einer<br />
dem Geschäftsmodell entsprechenden<br />
Mess logik gilt es, wesentliche Nach -<br />
haltigkeitskriterien für die jeweilige<br />
Produkt verbesserung zu identifizieren.<br />
Auf dieser Basis werden dann optimal<br />
aufeinander abgestimmte Maßnahmen<br />
zur Steigerung der Sustainability Performance<br />
über den gesamten Lebens -<br />
zyklus abgeleitet.<br />
5. KONSEQUENZ IN DER<br />
UMSETZUNG<br />
Sustainability <strong>als</strong> Unternehmensziel<br />
verlangt nicht nur Kontinuität, sondern<br />
auch Konse quenz in der Umsetzung.<br />
Sustainability-Champions überprüfen<br />
ständig, wie weit sie ihrem Idealziel<br />
nahekommen – und sanktionieren<br />
Misserfolge und Rückschläge. Davon<br />
betroffen sind eigene Mitarbeiter wie<br />
externe Partner. Incentives können<br />
den Prozess be flügeln, zum Beispiel<br />
variable Gehalts- oder Honorarkompo -<br />
nenten, die an das Erreichen bestimmter<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>s ziele gekoppelt sind.<br />
6. KONTINUIERLICHE<br />
WEITERENTWICKLUNG<br />
Sustainability-Champions setzen auf<br />
die Weiterentwicklung aller Beteiligten.<br />
Verbesserungspotenziale werden einmal<br />
jährlich gemeinsam identifiziert und<br />
in künftige Ziel vorgaben integriert.<br />
Um technologische Neu erungen und<br />
ver besserte Erkenntnisse im Netzwerk<br />
an Partner weiterzugeben, bedarf es<br />
einer regel mäßigen Kommunikation<br />
von Neu heiten sowie einer aktiven<br />
Unter stützung der wesentlichen Partner<br />
bei der Umsetzung von Verbesserungs -<br />
maßnahmen.<br />
Früh<br />
investieren<br />
statt spät<br />
reparieren<br />
Unternehmerische <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
steht weder am Anfang noch am Ende<br />
des Produktionsprozesses,<br />
sondern im Kern des Unternehmens<br />
Von Prof. Stefan Schaltegger*<br />
Auf dem Papier scheint alles<br />
klar: Für mehr <strong>als</strong> die Hälfte<br />
der deutschen Unternehmen<br />
sind Klimawandel und<br />
Res sour cenverknappung relevant für das<br />
Ge schäft. Fast zwei von drei Firmen in<br />
Deu tsch land haben trotz Finanz- und Wirt -<br />
schafts krise ihr Engagement für Nachhaltig -<br />
keit nicht zurückgefahren; bei einem Drittel<br />
nimmt das Thema sogar einen höheren<br />
Stellen wert ein. <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist schon<br />
lange kein Modetrend mehr. Es verändert<br />
die Unternehmensführung gravierend.<br />
Die Praxis sieht weit weniger überzeugend<br />
aus: Unternehmen gelingt es häufig nicht,<br />
ihr <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement in Wettbewerbsvorteile<br />
umzusetzen. Mögen<br />
Produkte noch so attraktiv sein, die mit<br />
ökologischen und sozialen Emotionen und<br />
ideellen Werten besetzt sind, mag zudem<br />
die Reputation besonders von Unternehmen<br />
steigen, die sich aktiv für die nachhaltige<br />
Entwicklung der Gesellschaft einsetzen –<br />
das Wertschöpfungspotenzial nachhaltigen<br />
Wirt schaftens ist noch bei weitem nicht ausgeschöpft.<br />
Offensiv sind die Bekenntnisse,<br />
defensiv ist die Strategie. Es fehlt häufig die<br />
klare Vorstellung davon, was <strong>Nachhaltigkeit</strong>
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 11<br />
<strong>als</strong> Managementprinzip mit dem Kerngeschäft<br />
zu tun haben soll. Dabei geht es genau<br />
darum: Umwelt- und Sozialmanagement<br />
müssen ins konventionelle ökonomische<br />
Management integriert werden. Unternehmen<br />
gestalten nicht nur für sich und ihre Beschäftigten<br />
Arbeitsplätze, Unternehmenskultur und<br />
Produkte, sondern auch Beschäftigung, Kultur<br />
und Problemlösungen für die Gesellschaft.<br />
Mit ihren Leistungen und Aktivitäten können<br />
sie in ihrem geschäftlichen und ökologischen<br />
Umfeld eine nachhaltige Entwicklung anstoßen<br />
und Stück für Stück Wirklichkeit werden<br />
lassen. Voraussetzung dafür ist allerdings<br />
die Fähigkeit der Entscheidungsträger,<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>saspekte professionell zu<br />
managen. Für die einen beginnt <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
am Ende des Produktionsablaufs mit<br />
Kläranlagen und nachträglichen Korrekturen,<br />
andere übernehmen Verantwortung schon bei<br />
der Entwicklung optimierter Verfahren für<br />
ökologisch und sozial verträgliche Produkte.<br />
Zukunftsweisendes Wirtschaften geht darüber<br />
hinaus: Unternehmerische <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
steht weder am Anfang noch am Ende<br />
des Produktionsprozesses, sondern im Kern<br />
des Unternehmens.<br />
Verantwortung in das Kerngeschäft integrieren,<br />
unternehmerische <strong>Nachhaltigkeit</strong> realisieren<br />
– was heißt das konkret? Früh investieren<br />
statt spät reparieren!<br />
Ausgangspunkt sind meist nachhaltige Produktions-<br />
und Geschäftsprozesse mit dem<br />
Ziel, problematische Stoffe zu ersetzen oder<br />
ein bestimmtes Verhalten zu verändern. Wenn<br />
Geschäftsprozesse nachhaltig gestaltet sind,<br />
dann sollten es auch die Produkte werden.<br />
Sustainability-Design kann<br />
schon bei der Entwicklung<br />
neuer Produkte die sozialen,<br />
ökologischen und ökonomischen<br />
Wirkungen für den<br />
gesamten Produktionszyklus optimieren.<br />
Ein gutes Produktdesign wiederum kann nur<br />
dann verantwortungsvoll umgesetzt werden,<br />
wenn es durch ein nachhaltiges Supply-<br />
Chain-Management unterstützt wird.<br />
Dazu gehören auch Sozial- und Umweltchecklisten<br />
für den Einkauf sowie regelmäßige<br />
Lieferantenaudits.<br />
Im Kern dieser Managementprozesse steht<br />
das Geschäftsmodell, das in vielerlei Hinsicht<br />
auf alle genannten Handlungsbereiche einwirkt.<br />
Unternehmen, die Verantwortung übernehmen,<br />
sollten sich deshalb grundlegend<br />
fragen: Welche <strong>Nachhaltigkeit</strong>swirkungen<br />
erzeugt unser aktuelles Wertangebot?<br />
Wie beeinflussen diese den Einmaligkeitscharakter<br />
des Unternehmens? Inwiefern<br />
können substanziell nachhaltigere Lösungen<br />
Mehrwert schaffen?<br />
In einer prosperierenden Wirtschaftslage fehlt<br />
oft der Anlass, neue Geschäftsmodelle zu<br />
entwickeln. Dynamisierung und Anpassungsdruck<br />
bestimmen die Agenda. Die Herausforderung<br />
besteht darin, diejenigen ökologischen<br />
und sozialen Aktivitäten zu identifizieren,<br />
die den ökonomischen Erfolg auch langfristig<br />
stärken.<br />
Es gilt, einen erfolgreichen „business case<br />
for sustainability“ zu schaffen: Umwelt- und<br />
Sozialmaßnahmen leisten einen signifikanten<br />
Beitrag zur Sicherung und Steigerung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit. Nicht Unternehmenserfolg<br />
und <strong>Nachhaltigkeit</strong> lautet die Devise,<br />
sondern Unternehmenserfolg durch<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>.<br />
PROF. DR. STEFAN SCHALTEGGER<br />
ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre an<br />
der Leuphana Universität Lüneburg. Er leitet<br />
das Centre for Sustainability Management (CSM).<br />
Seine Forschungsschwerpunkte sind <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement,<br />
strategisches Management<br />
sowie die Integration von Betriebs- und Volkswirtschaftslehre,<br />
räumliche Ökonomie und <strong>Nachhaltigkeit</strong>sökonomie.<br />
Stefan Schaltegger hat das<br />
Sustainability Leadership Forum aufgebaut, einen<br />
Kreis fortschrittlicher Unternehmen, die Praxisthemen<br />
des <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagements wissenschaftlich<br />
fundiert diskutieren und Erfahrungen<br />
austauschen.<br />
Professor Schaltegger hat den MBA Sustainability<br />
Management an der Leuphana Universität<br />
Lüneburg eingeführt, den weltweit ersten universitären<br />
MBA zu <strong>Nachhaltigkeit</strong>smanagement<br />
und zur Corporate Social Responsibility.<br />
In dem Programm, einer berufsbegleitenden<br />
Weiterbildung der Professional School der<br />
Leuphana, werden berufstätige Fach- und<br />
Führungskräfte zu so genannten Change Agents<br />
weitergebildet.<br />
http://www.leuphana.de/institute/csm.html
How<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
Suche nach der ne<br />
Erfolgsformel<br />
-
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 13<br />
uen<br />
Rücksichtsloses Handeln war gestern, die Dynamik der<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist heute – für Bayer-Vorstand Wolfgang Plischke<br />
kann ein Unternehmen ohne gesellschaftliche Akzeptanz nicht<br />
mehr erfolgreich operieren.<br />
Unternehmen suchen nach Wegen, Umwelt- und<br />
Sozialmanagement ins konventionelle ökonomische Management<br />
zu integrieren. Der Leverkusener Pharma- und Chemiemulti BAYER<br />
befördert weltweit Ernährungs- und Gesundheitsprojekte.<br />
Volkswagen liefert die Blaupause für ein neues Mobilitätskonzept.<br />
Der Softwareriese SAP spielt bewusst seine Marktmacht aus und<br />
setzt neue Maßstäbe im Zusammenspiel zwischen Herstellern und<br />
Lieferanten. Der Duft- und Aromenspezialist Symrise nutzt weiße<br />
Biotechnologie – und ein Hirsch sagt danke.
„<br />
g How<br />
RB: Herr Plischke, <strong>als</strong> Auslöser der Finanz -<br />
krise hat Bayer die Gier nach schnellem Geld<br />
gegeißelt. Heute präsentieren sich Unter -<br />
nehmensführer gerne <strong>als</strong> Wohltäter, die sich<br />
für Ökonomie in Verbindung mit Ökologie<br />
und sozialer Verantwortung einsetzen.<br />
Richtungswechsel oder PR-Gag?<br />
Plischke: Weder noch. Die Finanzkrise hat<br />
uns ja drastisch vor Augen geführt, wohin<br />
der Mangel an <strong>Nachhaltigkeit</strong> führen kann.<br />
Das Gute daran ist: Die fatale Dynamik der<br />
Kurzatmig keit macht endlich einer neuen<br />
Logik der <strong>Nachhaltigkeit</strong> Platz. Ich halte<br />
diese Ent wick lung nicht nur für glaubwürdig,<br />
sondern sogar für zwingend.<br />
RB: Ihr Motto lautet "Science for a better<br />
Life". Auch Bayer sonnt sich im neuen Licht.<br />
Plischke: Aber doch nicht erst seit heute.<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> hat bei Bayer eine lange<br />
Tradition. Nehmen Sie das Programm "Bayer<br />
forscht für den Umweltschutz" aus den 70er<br />
und 80er Jahren, unser Responsible-Care-<br />
Engage ment oder unsere Vereinbarungen zur<br />
Beschäftigungssicherung in Deutschland.<br />
Schon 1976 haben wir unseren ersten<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
Das ist was<br />
für Marathonläufer,<br />
nichts für Sprinter<br />
Bayer-Vorstand Wolfgang Plischke über <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>als</strong> Mentalitätswechsel<br />
in der Wirtschaft, die Chancen einer neuen Ökonomie und die Frage,<br />
warum es kein Zurück mehr geben kann<br />
“
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 15<br />
Umwelt- und Sozialbericht veröffentlicht.<br />
Seit 1986 gibt es unsere Leitlinien für<br />
Umweltschutz und Sicherheit. 2000 waren<br />
wir Gründungs mitglied des UN Global<br />
Compact, 2004 wurden wir <strong>als</strong> erstes<br />
Unternehmen Partner des Umwelt pro -<br />
gramms der Vereint en Nationen im Bereich<br />
Jugend und Umwelt. 2007 starteten wir ein<br />
unternehmensweites Klimapro gramm. Im<br />
Jahr 2009 überarbeiteten wir unsere Nach -<br />
haltigkeits strate gie und verstärkten unsere<br />
Aktivitäten in unseren Kern bereichen<br />
Ernährung und Gesundheit sowie beim<br />
Klimaschutz. Und: Wir nehmen seit Jahren<br />
führende Positionen in weltweiten Sustain -<br />
ability-Rankings ein, was alles andere <strong>als</strong><br />
selbstverständlich ist.<br />
RB: Dann können Sie sich ja zurücklehnen<br />
und anderen bei der Aufholjagd zuschauen.<br />
Plischke: Überhaupt nicht! <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
<strong>als</strong> Unternehmensstrategie ist Dauer auf gabe<br />
des Topmanagements oder, wenn Sie so wollen,<br />
Chefsache. Es darf keinen Tag geben, an<br />
dem wir uns nicht fragen, was wir noch besser<br />
machen könnten. Das ist was für Mara -<br />
thonläufer, nichts für Sprinter.<br />
RB: Was bedeutet <strong>Nachhaltigkeit</strong> für Sie?<br />
Plischke: In einem Satz? Im Einklang mit<br />
gesellschaftlichen Zielen und Bedürfnissen<br />
zu agieren – denn gesellschaftliche Akzep -<br />
tanz ist die Basis für all unser Handeln und<br />
somit wesentlich für unseren Erfolg.<br />
RB: Das sagen viele.<br />
Plischke: Aber setzen es auch viele so konsequent<br />
um? Wir verwirklichen Nachhaltig -<br />
keit auf drei Ebenen. Erstens: Bayer ist Teil<br />
der Gesellschaft und leistet wichtige Bei -<br />
träge durch seine innovativen Produkte – sie<br />
sind der Kern unseres Geschäftes.<br />
Zweite Ebene: unsere Geschäftsmodalitäten,<br />
<strong>als</strong>o die Art und Weise, wie wir unser Ge -<br />
schäft betreiben. Schließlich: unser ge sell -<br />
schaftliches Engagement. Das sind rund<br />
300 Projekte weltweit, die unter anderem<br />
in der Bildungsförderung, der Gesundheits -<br />
ver sorgung und im Umwelt schutz angesiedelt<br />
sind.<br />
RB: Sind Sie Treiber oder ein Getriebener?<br />
Plischke: Eigentlich beides. Einmal folgen<br />
wir unserer Strategie aus Überzeugung und<br />
wollen Maßstäbe setzen. Zum anderen sind<br />
wir überzeugt: Es geht gar nicht mehr<br />
anders. Die Welt ändert sich. Kunden und<br />
Investoren verlangen mehr denn je nach<br />
einer verantwortungsvollen Unternehmens -<br />
führ ung, die Politik setzt neue Rahmenbe -<br />
ding ungen. Da ist unheimlich viel in Be -<br />
Dr. Wolfgang Plischke<br />
gehört seit dem 1. März 2006 dem<br />
Vorstand der Bayer AG an. Er ist ver -<br />
antwortlich für Innovation, Technologie<br />
und Umwelt und betreut die Region<br />
Asien/Pazifik. Plischke war vom 1. Juli<br />
2002 bis zu seiner Berufung in den<br />
Bayer-Vorstand Mitglied des Bayer<br />
HealthCare Executive Committee und<br />
leitete die Division Pharma.
How g<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
„<br />
wegung. <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist Voraussetzung Plischke: Das haben Sie gesagt! Lassen wir<br />
für wirtschaftlichen Erfolg. Und Erfolg ist die die Fakten sprechen. Von unseren Leucht -<br />
Basis für <strong>Nachhaltigkeit</strong>.<br />
turm pro jekten können weltweit Millionen<br />
RB: Die Unternehmensphilosophie zu verändern<br />
ist die eine Sache, sie konkret zu leben, die Energieeffizienz in der Produk tion bis<br />
Menschen profitieren. Wir haben zugesagt,<br />
eine andere. Es gibt Stimmen, die sagen: 2013 um 10 Prozent ge genüber 2008 zu<br />
Beim Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> gibt es kein steigern und so 350.000 Tonnen an Treib -<br />
Erkenntnis-, jedoch eher ein Umsetzungs - haus gas-Emis sionen pro Jahr einzusparen.<br />
problem. Wir wissen alles, aber wir tun zu Zudem soll eine neue Technologie zur Chlor -<br />
wenig.<br />
produktion die Treib hausgas-Emissionen um<br />
Plischke: Für Bayer trifft das nicht zu. Wir weitere 250.000 Tonnen bis 2020 senken.<br />
haben unsere Nachhaltig keits strategie ständig<br />
weiterentwickelt und das integrierte ein weiteres Einsparpotenzial von potenziell<br />
Durch deren Ver markt ung ergibt sich sogar<br />
Nach haltigkeit ist<br />
weit mehr <strong>als</strong> Klimaschutz<br />
“<br />
Bayer-<strong>Nachhaltigkeit</strong>sprogramm konzipiert. 5 Milli onen Tonnen Treibhausgas-Emissionen<br />
Im Mittelpunkt stehen drei wichtige Themen: jährlich. Das ist doch ein Wort!<br />
starke Allianzen für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung,<br />
innovative Partner schaften Energieeffizienz?<br />
RB: Was ist wichtiger? Energiesparen oder<br />
für mehr hochwertige Lebensmittel sowie Plischke: Beides ist wichtig, wobei in der<br />
neue Lösungen für den Klimaschutz und die Energieeffizienz noch viel Potenzial steckt.<br />
Ressourcennutzung. Aktuell zeigen unsere Nehmen wir zum Beispiel Chlor, einen wichtigen<br />
Grundstoff der chemischen Industrie.<br />
Arbeits gebiete in acht internationalen<br />
Leucht turm projekten, w ie Bayer mit sei nem Er ist unter anderem für die Herstellung von<br />
Know-how wirksame Beiträge für eine nachhaltige<br />
Entwicklung leisten kann.<br />
lich. Die Chlorherstellung gehört zu den<br />
Kunststoffen und Medikamenten unerläss-<br />
RB: Viele Menschen verbinden <strong>Nachhaltigkeit</strong> energieintensivsten chemischen Prozessen<br />
ausschließlich mit Klimaschutz ...<br />
überhaupt. Rund 50 Prozent der Kosten<br />
Plischke: ... eine der größten globalen Her - in der Chlor produktion sind<br />
aus forderungen überhaupt, aber nicht die Stromkosten.<br />
einzige ...<br />
Ein neues Verfahren der Chlor -<br />
RB: ... wieder andere mit nichts <strong>als</strong> "Green-<br />
gewin nung basiert auf dem<br />
washing". Kritische Aktionäre, auch solche Prinzip der Brenn stoffzelle und<br />
der Bayer AG, behaupten, gerade die Chemie recycelt Chlor aus Salz säure und<br />
habe die besten Gründe, das Image durch demnächst – daran arbeiten wir –<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> aufzupolieren.<br />
aus Kochsalz in einem ge schlossen -<br />
en Kreislauf. Diese Sauer stoff verzehr -<br />
kathoden-Techno logie ermöglicht gegenüber<br />
dem herkömmlichen Ver fahren eine<br />
Reduktion des Energie einsatzes und entsprechend<br />
der CO 2 -Emis sionen um 30<br />
Prozent. Aber Nach haltig keit ist natürlich<br />
weit mehr <strong>als</strong> Klima schutz.<br />
RB: Nämlich?<br />
Plischke: Bayer HealthCare engagiert sich<br />
in mehr <strong>als</strong> 130 Ländern, um die Vor aus -<br />
setzungen für ein selbstbestimmtes<br />
Leben und eine autonome Familienplanung<br />
zu schaffen. Wir widmen uns im Rahmen<br />
unseres <strong>Nachhaltigkeit</strong>sprogramms vernachlässigten<br />
Krank heiten wie Schlaf -<br />
krankheit oder Tuberkulose. Im Bereich<br />
Er nährung haben wir ein Pro gramm gestartet,<br />
das die Ertrags- und Einkommens situ -<br />
ation der Reisbauern nachhaltig verbessern<br />
soll. Bayer CropScience ist im Rahmen seines<br />
Programms "Food Chain Partnership" in<br />
Indien Partnerschaften für eine nachhaltige<br />
Gemüseproduktion eingegangen. Die explosiv<br />
wachsende Welt be völkerung verlangt<br />
Antworten nach innovativen Arzneimitteln<br />
und einer qualitativ hochwertigen Ernähr -<br />
ung. Selbst beim Klima schutz geht es nicht<br />
nur um CO 2 ...<br />
2<br />
Millionen Menschen<br />
sterben jährlich an<br />
Tuberkulose<br />
3,3<br />
Milliarden Menschen<br />
sind durch die Afri -<br />
kanische Schlafkrankheit,<br />
Chagas oder Tuberkulose<br />
gefährdet
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 17<br />
GESUNDHEIT<br />
DER TÖDLICHE BISS<br />
Zuerst kommt das Fieber. Die Lymph knoten schwellen<br />
an, Hautausschlag breitet sich aus, es juckt.<br />
Es folgen Krämpfe, Ver wir rung und Dämmer zustand.<br />
Und dann kommt der Tod. Anders <strong>als</strong> Malaria rafft die<br />
Afrikanische Schlaf krankheit ohne Behand lung<br />
unweigerlich jeden Men schen dahin – schätzungsweise<br />
70.000 pro Jahr.<br />
Laut Welt gesundheits orga nisation WHO sind 60 Milli -<br />
onen Menschen in Afrika allein südlich der Sahara von<br />
Trypanos omiasis bedroht. Urheber ist das ausschließlich<br />
in Zentral afrika vorkommende, mit Geißeln versehene<br />
Protozoon Trypanosoma brucei, das sich korkenzieherförmig<br />
fortbewegt und durch den Stich der<br />
Tsetsefliege auf den Men schen übertragen wird. Seit<br />
Beginn dieses Jahrhunderts ist die Krank heit heilbar<br />
und gut zu bekämpfen. 1905 wurde das erste wirksame<br />
Medi kament entwickelt - durch schlag ende<br />
Ergeb nisse bei der großflächigen Be kämpfung blieben<br />
aus.<br />
Jetzt verspricht eine neue Kombinationstherapie<br />
endlich Erfolg. Ein Mix aus den Wirk stoffen<br />
Nifurtimox von Bayer HealthCare und Eflornithin<br />
von einem anderen Arzneimittel her steller hat sich<br />
in klinischen Studien im Kampf ge gen die Krankheit<br />
<strong>als</strong> besonders vielversprechend erwiesen.<br />
Die WHO hat daraufhin im Mai 2009 diese Kombi -<br />
nationst herapie in die Liste der unentbehrlichen<br />
Medi ka mente aufgenommen. Parallel laufen bereits<br />
in den Län dern, in denen die Krankheit endemisch<br />
ist, die Vorbe reitungen für die Ein führ ung dieser<br />
Behand lung. Die WHO will neben den Medika men ten<br />
auch Schulungs maß nahmen anbieten, um damit den<br />
Zugang zur Kombinations thera pie sicherzustellen.<br />
RB: ... sondern?<br />
Plischke: ... ein Beispiel: Unser Malaria-<br />
Projekt im Rahmen unseres Klimapro -<br />
gram ms. Experten befürchten, dass im Zuge<br />
des Klimawandels die Zahl der Malaria-Infek -<br />
ti onen weltweit um 40 bis 60 Millionen zu<br />
nehmen und sich auch auf Regionen er -<br />
strecken könnte, die bisher von der Malaria<br />
verschont geblieben sind. Jetzt arbeiten wir<br />
mit der Bill and Melinda Gates Foundation<br />
sowie dem Innovative Vector Control<br />
Consortium zu sam men an der Lösung des<br />
Problems. Gemeinsam wollen wir eine neue<br />
Insektizid-Forschungs plattform für Public-<br />
Health-Wirk stoffe aufbauen und neue resistenzbrechende<br />
Schädlingsbekämpfungsmittel<br />
entwickeln.<br />
RB: Wo sind da die Grenzen zwischen sozialem<br />
Engagement und Geschäft?<br />
Plischke: Das ist doch das große Miss ver -<br />
ständnis! Wir unterziehen unser Handeln<br />
und unsere Produkte einer Bewertung, bei<br />
der wir die ökologischen und gesellschaftlichen<br />
Auswirkungen berücksichtigen, aber<br />
natürlich auch die ökonomischen. Nach -<br />
haltigkeit ist kein Pro-bono-Projekt, sondern<br />
ein Business-Modells, und zwar ein profitables<br />
– wenn man es richtig macht.<br />
RB: Gemessen an der Häufigkeit, mit der<br />
das Thema <strong>Nachhaltigkeit</strong> inzwischen auftaucht,<br />
fragt man sich auch, wann der Hype<br />
wohl wieder vorbei ist. Manche sprechen<br />
bereits von Medialisierung der Nach haltig -<br />
keit. Prägt der Begriff einen Modetrend?<br />
Plischke: Das wäre außerordentlich fatal.<br />
Denn das würde heißen, wir haben absolut<br />
nichts gelernt. Es ist allerdings durchaus<br />
richtig: Es besteht die Gefahr einer Inflation -<br />
ier ung des Begriffs und damit einer gewissen<br />
Entwertung des Themas. Umso mehr<br />
müssen wir aufpassen. <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist<br />
keine Zeiterscheinung. Sie muss in das<br />
Geschäft integriert sein. Jedes Unternehmen<br />
sollte konsequent daran arbeiten.<br />
RB: Der renommierte US-Soziologe Richard<br />
Sennett, der an der New York University und<br />
an der London School of Economics lehrt<br />
und seit Jahren die Auswirkungen des<br />
Kapitalismus auf unsere Gesellschaft<br />
er forscht, behauptet: Bestimmte Markt teil -<br />
nehmer hätten nichts aus der Krise gelernt<br />
und machten genau da weiter, wo sie aufgehört<br />
haben.<br />
Plischke: Ich maße mir nicht an, darüber zu<br />
urteilen, wer nun etwas gelernt hat und wer<br />
nicht. Für mich steht außer Zweifel:<br />
Ein Zu rück gibt es nicht mehr, darf es nicht<br />
mehr geben.<br />
RB: Ein anderer Wissenschaftler, der Ber liner<br />
Wilfried Mödinger vom Institute of Sustain -<br />
able Leadership der Steinbeis Hoch schule,<br />
spricht in Verbindung mit Nach haltigkeit von<br />
einer Stakeholder-Falle. Er meint damit, dass<br />
im Ausgleich mit ander en Anspruchsgruppen<br />
aus der Gesellschaft und der Ökologie der<br />
ökonomische Stand punkt zu kurz kommt.<br />
Plischke: 2009 war für Unternehmen sicher<br />
eines der schwierigsten Jahre der Nach -<br />
kriegs zeit. Trotzdem hat die Bayer AG das<br />
drittstärkste operative Ergebnis in der Unter -
How g<br />
„<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
KLIMA<br />
ALLES AUF NULL<br />
Weltweit verursacht der Energieverbrauch in Ge bäuden<br />
fast 20 Prozent der Treibhausgas-Emis sionen. Bayers<br />
Initiative „EcoCommercial Building” soll kommerzielle<br />
und öffentliche Ge bäude auf Energieeffizienz trimmen<br />
und zusammen mit Zu lieferern, Baufirmen, Architekten<br />
und Bauherren über das Netzwerk Niedrigenergie häuser,<br />
Passiv häuser oder Nullemissions-Gebäude vermitteln.<br />
Zi el: maßgeschneiderte Lösungen.<br />
Mit dem Null-Emissions-Betriebskindergarten in Mon -<br />
heim, dem Stammsitz von Bayer CropScience, fing es an.<br />
Das Ge bäude nutzt regenerative Energie und verfügt über<br />
eine optimale Dämmung unter Ver wendung von Poly -<br />
urethan-Rohstoffen.<br />
Ein zweites Pilot projekt kam hinzu, diesmal in der Nähe<br />
von Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. Der Bayer-Verwalt -<br />
ungs bau ist dort den speziellen subtropischen Be ding -<br />
ungen angepasst. Ein neues Bayer-Büro haus im belgischen<br />
Diegem heimste gleich den Preis für Archi tektur<br />
und Energie ein. Sein Energieverbrauch ist nur halb so<br />
hoch wie bei vergleichbaren Bauten. Jetzt soll aus den<br />
Piloten ein Geschäfts modell entstehen. Unter anderem<br />
Handelsketten haben Interesse angemeldet. Was bei den<br />
Wir haben bei uns ein Instrument<br />
eingeführt, mit dem wir sowohl die<br />
ökonomischen <strong>als</strong> auch die ökologischen<br />
und sozialen Komponenten eines Produktes<br />
bewerten können. Wir messen <strong>als</strong>o seinen<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>sbeitrag.<br />
nehmens geschichte überhaupt erzielen können.<br />
Die verstärkte Ausrichtung unserer<br />
Unternehmensstrategie auf <strong>Nachhaltigkeit</strong>,<br />
die einhergeht mit unserer Priorität für For -<br />
schung und Entwicklung, hat ganz wesentlich<br />
dazu beigetragen.<br />
RB: Was macht Sie da so sicher?<br />
Gebäuden recht, ist in der industriellen Produktion nur<br />
billig. Beispiel Chlor. Die Herstellung gehört zu den energieintensivsten<br />
chemischen Prozessen überhaupt.<br />
Rund 50 Prozent der Kosten gehen auf das Konto Strom.<br />
Die ständige Verbes serung der Energieeffizienz in der<br />
Chlorproduktion hat höchste Priorität.<br />
Ein erstes Bayer-Verfahren der Chlorgewinnung ba siert<br />
auf dem Prinzip der Brennstoffzelle und re cycelt Chlor<br />
aus Salzsäure in einem geschlossenen Kreislauf. Diese<br />
Sauerstoffverzehrkathoden-Techno logie senkt die CO 2 -<br />
Emissionen um ein Drittel. Lohn der Mühe: Der Umwelt -<br />
preis des Bun des verbandes der deutschen Industrie.<br />
Forscher entwickeln das patentierte Verfahren auf Basis<br />
von Kochsalz weiter. Energieeinsparung von 30 Prozent<br />
gegenüber dem herkömmlichen Verfahren ist möglich.<br />
Der Hebel für die Energie- und CO 2 -Einsparung in der<br />
Chlorherstellung ist enorm.<br />
Würden 15 Prozent aller existierenden Anlagen auf neue<br />
Technologien umgerüstet, könnte sich das weltweite<br />
CO 2 -Ein spar potenzial in der Chlorherstellung auf fünf<br />
Milli onen Tonnen pro Jahr summieren. Das ist dreimal<br />
soviel, wie die jährlich in Deutsch land neu zugelassenen<br />
Autos an Kohlendioxid einsparen, wenn sie die EU-Norm<br />
für den CO 2 -Ausstoß erfüllen.<br />
“<br />
Plischke: Ohne gesellschaftliche Akzeptanz<br />
kann kein Unternehmen erfolgreich agieren.<br />
Gerade die aktuelle Debatte um einen<br />
Energiekonsens in Deutschland zeigt doch,<br />
wie stark das Thema Zukunfts sicher ung die<br />
Gesellschaft berührt. Dabei ist es unstrittig,<br />
dass wir mehr regenerative Energien und<br />
eine ökologischere Wirt schafts weise brauchen.<br />
Die Wende in der Energie politik muss<br />
aber mit Augenmaß und Rücksicht auf die<br />
Wettbewerbsfähigkeit der Industrie erfolgen.<br />
Ein weiteres Beispiel: nachhaltiges Invest -<br />
ment. Wir beobachten, dass mehr und mehr<br />
institutionelle Anleger sich an ethischen,<br />
ökologischen und sozialen Kriterien orientieren.<br />
Indem wir <strong>als</strong> Unter nehmen erfolgreich<br />
sind, können wir unterstellen, dass unsere<br />
Strategie der richtige Weg ist. <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
eröffnet neue Ge schäfts chancen – und<br />
diese nutzen wir.<br />
RB: Kann man Nach haltigkeit messen?<br />
Plischke: Dies ist eine Herausforderung –<br />
aber ja, man kann. Wir haben bei uns ein<br />
Instrument eingeführt, mit dem wir sowohl<br />
die ökonomischen <strong>als</strong> auch die ökologischen<br />
und sozialen Komponenten eines Produktes<br />
bewerten können. Wir messen <strong>als</strong>o seinen<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>sbeitrag. Wir tun dies aus der<br />
festen Erkenntnis heraus, dass die Nach frage<br />
nach nachhaltig produzierten Gütern ebenso
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 19<br />
zunehmen wird wie die Sensibilität der Ver -<br />
braucher gegenüber <strong>Nachhaltigkeit</strong>s themen.<br />
RB: Welche Rolle spielen Ihre Mitarbeiter<br />
dabei?<br />
Plischke: Sie haben eine Schlüsselfunktion.<br />
Ohne ihre Innovationskraft und Motivation<br />
wären unsere Strategien zum Scheitern ver -<br />
urteilt. Daher ist es uns auch so wichtig, sie<br />
nach Kräften zu fördern – zum Beispiel durch<br />
die Beteiligung am Unternehmens erfolg oder<br />
durch Maßnahmen zur be sseren Vereinbar -<br />
keit von Beruf und Familie. Wir haben außerdem<br />
den Anteil von Frauen im oberen Mana -<br />
ge ment in den vergangenen Jahren kontinuierlich<br />
erhöht.<br />
RB: Die Deutsche Tele kom will den Anteil von<br />
Frauen in oberen und mittleren Führungs -<br />
positionen bis 2015 auf 30 Prozent erhöhen.<br />
Als erstes Unter nehmen im Aktienindex<br />
Dax 30 hat die Telekom damit eine Quoten -<br />
regelung eingeführt. Können Sie sich so<br />
etwas auch bei Bayer vorstellen?<br />
Plischke: Wir sind bestimmt noch nicht da,<br />
wo wir hin wollen. Ich denke allerdings, wir<br />
werden unsere Ziele auch ohne Quoten regel -<br />
ung erreichen.<br />
40%<br />
der Bevölkerung Indiens –<br />
rund 500 Millionen<br />
Menschen – sind<br />
Vegetarier<br />
RB: Wie gehen Sie mit Ihren Lieferanten um?<br />
Plischke: Neben unseren Produkten er -<br />
streckt sich unser nachhaltiges Engagement<br />
auch auf unser eigenes Verhalten und unseren<br />
Anspruch gegenüber unseren Geschäftspartnern.<br />
Wir haben in den vergang enen<br />
ERNÄHRUNG<br />
KAMPF GEGEN DEN HUNGER<br />
Der Bedarf an Nahrung steigt – die zur Verfügung stehende<br />
landwirtschaftliche Anbaufläche bleibt bestenfalls<br />
konstant. Der Klimawandel bedroht die Ernten.<br />
Fast eine Milliarde Menschen hungern. Der Kongo belegt<br />
den letzten Platz von 84 Ländern beim Welthungerindex.<br />
Jedes fünfte Kind stirbt, bevor es fünf Jahre alt wird.<br />
In Indonesien leben mehr <strong>als</strong> 40 Millionen Men sch en<br />
vom Reis, doch die Ernteerträge sind schlecht. Eine neue<br />
Anbau methode im Rahmen des Bayer-<strong>Nachhaltigkeit</strong>s -<br />
programms soll die Er trags- und Einkommenssituation<br />
der Reisbauern verbessern.<br />
Statt traditionell Reissetzlinge vorzuzüchten und dann<br />
auf geflutete Felder umzupflanzen, wird Reis vorgekeimt<br />
und direkt gesät. Ergebnis: Ertrags steiger ungen von<br />
rund 10 Prozent. Auch die Umwelt profitiert. Der vorgekeimte,<br />
trocken gesäte Reis spart erhebliche Mengen<br />
Wasser.<br />
Jahr en unser Compliance-Programm weiterentwickelt<br />
und mit zahlreichen Initiativen,<br />
zum Beispiel zur Korruptions bekämpfung,<br />
akzentuiert. Unsere Partner werden nicht<br />
nur unter den Aspekten Preis und Qualität<br />
ausgesucht, sondern wir erwarten von ihnen<br />
auch explizit die Einhaltung ethischer, sozialer<br />
und ökologischer Kriterien, die wir in<br />
einem speziellen Code of Conduct festgeschrieben<br />
haben.<br />
RB: Partnerschaften scheinen für Bayer<br />
Ein weiterer Effekt: Der Ausstoß an klimaschädlichem<br />
Methan, das durch Gärung in stehenden Gewässern<br />
entsteht, reduziert sich um 30 Prozent. Das Programm<br />
umfasst außerdem ein integriertes Angebot von Saatgut,<br />
Sämaschinen, Pflanzenschutzprodukten und Schulungs -<br />
programmen für die Bauern.<br />
Bayer CropScience schließt unter dem Titel „Food- Chain-<br />
Partnership” Partner schaften für nachhaltige Gemüse -<br />
produktion. Die gesamte Nahrungsmittel kette kommt<br />
zusammen – von den Landwirten und Zulieferern über<br />
die Lebensmittel verarbeitende Industrie bis hin zu<br />
Händlern und Exporteuren. Experten unterstützen<br />
Landwirte beim Anbau nach den Regeln einer profitablen,<br />
nachhaltigen landwirtschaftlichen Praxis.<br />
Mehr Ertrag pro Hektar schützt Natur- oder Wald flächen.<br />
Dies kommt der Biod iversi tät zugute, deren Erhalt –<br />
gerade in aufstrebenden Schwellen ländern wie Indien –<br />
eine besondere Auf gabe darstellt.<br />
80 Food-Chain-Partnership-Pro jekte sind gestartet.<br />
Bis Ende 2011 soll sich die Zahl auf 125 erhöhen.<br />
zunehmend an Bedeutung zu gewinnen.<br />
Plischke: Völlig richtig. Wir setzen Partner -<br />
schaften in den unterschiedlichsten Be -<br />
reichen um – sei es im F&E-Bereich, im<br />
Dialog mit Stakeholdern oder im Rahmen<br />
unseres gesellschaftlichen Engagements.<br />
Die Themen in Verbindung mit <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
sind häufig so komplex und weitreichend,<br />
dass wir gezielt partnerschaftliche Kooper -<br />
ationen eingehen, um gemeinsam weiterzukommen.
How g<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> in der Praxis: PRODUKTION<br />
Grüne Größe<br />
SPÄTESTENS 2018 WILL DER VOLKSWAGEN-KONZERN DER<br />
– MIT KARACHO AN TOYOTA VORBEI.<br />
Ein Hochleistungssportwagen mit reinem Elektroantrieb:<br />
Der e-tron von Audi<br />
Kaum war der mächtige Konkurrent ins Straucheln geraten,<br />
da blies der schärfste Verfolger frohgemut zum Generalangriff.<br />
Während Toyota 4,5 Millionen Autos wegen vermeintlich<br />
klemmender Gaspedale in die Werk stätten rief und der Nimbus<br />
der Ja paner <strong>als</strong> Qualitätsweltmeister sich in Nichts aufzulösen<br />
schien, da verkündete Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn das ehr -<br />
geizigste Wachstumsprojekt in der Geschichte des Autobauers. In drei bis fünf<br />
Jahren, stichelte der Konzern-Obere Anfang des Jahres Richtung Asien,<br />
solle der Absatz des Wolfsburger Markenkonglomerats von gut sechs<br />
Millionen auf acht Millionen Fahrzeuge steigen, bis 2018 sogar auf mehr <strong>als</strong><br />
zehn Millionen. Dann wäre Winterkorns Mannschaft endlich am Ziel: auf dem<br />
Gipfel, ganz oben.<br />
Size matters, aber Größe ist nicht alles. Volkswagen will auch „der umweltfreundlichste<br />
Autoher steller der Welt werden“. Dafür steht – angelehnt an<br />
die "Strategie 2018" des Konzerns – das Programm „18plus“. Schon heute<br />
ist Volkswagens „BlueMotion“ das bekannteste Umweltlabel im Fahr zeug bau.<br />
Wolfsburgs grüne Welle heißt „Think blue“ – Ausdruck einer übergeordneten<br />
Unternehmens philosophie, die auf den drei Säulen umweltverträgliche<br />
Lösungen und Produkte, individuelles Verhalten und Umweltinitiativen ruht.
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 21<br />
ÖKONOMISCHE UND ÖKOLOGISCHE WELTMARKTFÜHRER IM AUTOMOBILBAU WERDEN.<br />
NACHHALTIGE PRODUKTION IST EIN ERFOLGSREZEPT.<br />
SIE SOLL EHRGEIZIGE WACHSTUMS- UND REN DITEZIELE VERWIRKLICHEN UND MAXIMALE MARKEN-<br />
UND MODELL VIELFALT BEI GLEICHZEITIG SINKENDER KOMPLEXITÄT GARANTIEREN.<br />
„<br />
Für Massenher steller wie Volkswagen ein Höllen ritt. Einerseits gehört der Weniger Einsatz, höhere Flexibilität, mehr Marken- und Modellvielfalt: Volks -<br />
Automobilbau be sonders in aufstrebenden Märkten zu den Haupttreibern wagens Modulstrategie spült – rein rechnerisch – schon heute viel Geld in<br />
wirtschaftlicher Ent wicklung. Andererseits bringt die rasant wachsende<br />
die Kasse. Einmal aufwendungen und Stück kosten können jeweils um<br />
Mobilität große Herausforderungen mit sich: von der weiteren, schnellen 20 Prozent sinken, die "Engineered Hours per Vehicle" sogar um ein Drittel.<br />
Reduzierung von Emissionen über die Endlich keit fossiler Ressourcen bis Fertigungszeit und -komplexität werden wesentlich reduziert. Die Zahl der<br />
hin zum drohenden Ver kehrs kollaps in Megacitys wie Peking oder Mumbai. Varianten sinkt beträchtlich, bei Klimaanlagen beispielsweise um mehr <strong>als</strong><br />
Volkswagens Wachstums strate gie beruht im Wesent lichen<br />
auf einer neuen Platt formarchitektur – den modularen Quer-<br />
(MQB) und Längs bau kästen (MLB). Für Winterkorn sind sie<br />
der Kern nachhaltiger Industrie produktion: „Mit ihnen können<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> ist ein Grund prinzip der<br />
wir die ehrgeizigen Wachs tums- und Renditeziele des Kon -<br />
zerns und seiner Marken stemmen und maximale Markenund<br />
Modellvielfalt bei gleich zeitig sinkender Komplexität rea-<br />
für lang fristigen Erfolg. Profit abilität, Umweltschutz<br />
und soziale Verant wortung.<br />
lisieren.“<br />
Martin Winterkorn, CEO, Volkswagen<br />
Mehr <strong>als</strong> acht Milliarden Euro steckt Wolfsburg jährlich in die<br />
“<br />
Entwicklung neuer Modelle und innovativer Umwelttechno logien.<br />
Rendite ist der Stoff, aus dem die Träume sind. Ob Audi A5, Q5, A4 oder der 70 Prozent. Vor allem: Zusammen mit abgespeckten, hocheffektiven turbogetriebenen<br />
Benzin- und Diesel motoren, innovativen Getrieben und Elektroa -<br />
neue A8: Sie alle basieren auf dem Längs bau kasten. Mittel fristig soll die Zahl<br />
dieser Modelle konzernweit auf rund 15 erhöht werden. Dagegen ist der<br />
ntrieben befördern die Kästen Volkswagens ehrgeizige Verbrauchs- und<br />
modulare Querbau kasten das technische Fundament der künftigen Fahr - Emissionsziele. Modelle der neuen Klein wagen generation "New Small Family"<br />
zeugflotte im A0-, A- und B-Segment, <strong>als</strong>o kleiner und mittlerer Autos –<br />
tragen ebenso dazu bei. Deren Haupt merkmale: kompakte Ausmaße, umweltschonende<br />
Motoren, geringes Gewicht. Derzeit emittieren bereits mehr immerhin rund drei Millionen Ein heiten pro Jahr. Konzernweit bringt<br />
<strong>als</strong><br />
Unter nehmens führung und der Schlüssel<br />
Für Winterkorn „ist <strong>Nachhaltigkeit</strong> ein Grund prinzip der Unternehmens -<br />
führung und der Schlüssel für langfristigen Erfolg“. Profit abilität, Um welt -<br />
schutz und soziale Verant wortung: „Diese drei Aspekte gilt es langfristig<br />
weltweit in Einklang zu bringen.“<br />
Volkswagen auf dieser Grundlage mittelfristig mehr <strong>als</strong> 40 neue Modelle an<br />
den Start. Den Anfang macht der neue Audi A3. Auch das wichtigste Volumen -<br />
modell, der Golf VII, basiert erstm<strong>als</strong> auf dem MQB. Auch ein Sportwagen -<br />
baukasten ist denkbar – wenn, dann ist Porsche mit dabei.
How g<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
170 Modellvarianten des Konzerns weniger <strong>als</strong> 140 Gramm Kohlen dioxid pro<br />
Kilometer, 130 Gramm schreibt die EU <strong>als</strong> Höchstgrenze für Neu wagen ab<br />
2015 vor. Highlight ist der Polo: 87 Gramm, der sparsamste Fünftürer der<br />
Welt. Eine <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Studie bescheinigt den deutschen Autobauern inzwischen<br />
auch die größte Kompe tenz in Sachen Elektro mobilität. Dieses<br />
Ergebnis kommt nicht von ungefähr. Volkswagen setzt auf einen Mix verschiedener<br />
Antriebskonzepte: moderne Verbrennungsmotoren, verminderte<br />
Emissionen, Hybride und Elektrotraktion.<br />
Nahtlos fügt sich die Produktion ins Glied. Auswirkungen der Fertigungs -<br />
prozesse und Produkte auf alle Lebensbereiche werden bereits im Voraus in<br />
die Planung einbezogen. Das Stichwort lautet: integrierter Umwelt schutz.<br />
Dabei werden alle Verant wortlich keiten und Abläufe weltweit genau festgelegt,<br />
zertifiziert nach der internationalen Norm ISO 14001 und dem europäischen<br />
Öko-Audit, der EMAS (Eco-Management and Audit Scheme).<br />
Schonender Umgang mit Ressour cen sichert laut Volkswagens Nachhaltig -<br />
keits strategie „die Zukunft des Unter nehm ens“. Umweltverträgliche Pro -<br />
duktion beginnt mit der Pro duktentwicklung. Nur dort werden die Umwelt -<br />
auswirkungen späterer Fertigungs- und Verwertungsprozesse beein flusst,<br />
etwa durch die Konstruktion und Werk stoff auswahl.<br />
Beim be trieblichen Umweltschutz stehen neben Energie effizienz und<br />
Klimaschutz vor allem die Themen Wasser und Luft, Abwasser und Abfall<br />
im Vorder grund. Ökologische Maßstäbe gelten weltweit für alle 61 Volks -<br />
wagen-Stand orte in 27 Ländern, auch in den Wachs tums märk ten USA, China,<br />
Russland und Indien. Die Reise geht weiter. Lackierereien sind in der<br />
Automobilproduktion mit die größten Energiefresser. Die thermische<br />
Nachverbrennungs anlage (TNV) erzeugt bei der Trock nung von Karosserien<br />
zwangsläufig mehr Wärme, <strong>als</strong> der zugehörige Trockner abnehmen kann.<br />
Volkswagen schaltet zur Abluft reinigung einen Katalysator nach. Energie ver -<br />
brauch: minus 40 Prozent. Die ersten Kataly satoren<br />
wurden in der Lack iererei des Werkes Wolfs -<br />
40%<br />
burg in den Hallen 9 und 15b installiert.<br />
Nach 17 Monaten Be triebs dauer lag der<br />
Erdgasverbrauch der ersten Decklacklinie<br />
mit Kataly sator etwa 40 Prozent<br />
der Deutschen wollen in<br />
den kommenden drei bis unter dem Verbrauch herkömmlicher<br />
zehn Jahren ein Elektro- Maschinen. Im gleichen Zug wurden auch<br />
Auto kaufen<br />
die CO 2 -Emissionen gesenkt. Mittlerweile<br />
sind am Standort Wolfs burg bereits 21<br />
Katalysator anlagen im Einsatz.<br />
INDIEN – DAS NEUE CHINA<br />
China ist für Volkswagen schon lange ein Millionen-<br />
Markt, Indien soll es werden:<br />
Ab 2018 wollen die Wolfsburger dort eine Million Fahrz<br />
euge jährlich verkaufen. Große Hoffnungen setzt Volks -<br />
wagen auf Suzuki, Indiens größten Autohersteller dort,<br />
an dem VW 20 Prozent erworben hat.<br />
Weltweit sichert der Volkswagen-Konzern seine Zukunft<br />
und die seiner Standorte mit dem Ziel der wirtschaftlichen,<br />
technologischen und sozialen Wettbewerbs fähig -<br />
keit. In der Sozialcharta aus dem Jahr 2002 verpflichtet<br />
sich Volkswagen, dass Arbeitszeiten, Vergütungen sowie<br />
Arbeits- und Gesundheitsschutz mindestens den<br />
jeweiligen nationalen Standards entsprechen. Dabei<br />
wird das Grundrecht auf freie Vereinigung anerkannt.<br />
Kein Mitar beiter darf aufgrund seiner ethnischen Her -<br />
kunft, seines Geschlechts, seiner Religion, Staats ange<br />
hörigkeit, sexuellen Ausrichtung, sozialen Herkunft<br />
oder demokratischen politischen Einstellung benachteiligt<br />
werden. Der Volkswagen-Konzern will damit den<br />
Grund sätzen des UN Global Compact – Menschen rech -<br />
te, Arbeitsnormen, Umweltschutz, Korruptionsverbot –<br />
an allen seinen Standorten Geltung verschaffen<br />
Die leistungsstärkste Windkraft anlage der Welt<br />
steht auf dem Volkswagen-Gelände in Emden.<br />
Für den Konzern ist die kontinuierliche Verbes -<br />
serung der Umweltver träglichkeit von Produk tion<br />
und Produkten ein Symbol für ökologisch nachhaltiges<br />
Wachs tum und ein elementarer Be standteil<br />
der Strategie 2018. Für das Werk Emden ist z. B.<br />
auch seit 2008 die Ver sorgung mit Wärme aus Bio -<br />
masse ein weiterer Schritt auf dem Weg zur CO 2 -<br />
neutralen Blue Factory. Neben der Windkraft be -<br />
schäftigt sich Volkswagen in Emden, wo der Passat<br />
BlueMotion gebaut wird, auch mit Sonnen energie.<br />
Seit Dezember 2009 steht auf dem Emden er<br />
Werks ge lände auf 400.000 Quadrat metern der<br />
Energie wald. Er liefert rund 200.000 Liter heizöläquivalenten<br />
Brennstoff pro Jahr. 2009 deckte<br />
Volkswagen in Emden bereits rund ein Drittel seines<br />
gesamten Energie bedarfes aus regenerativ<br />
erzeugter Energie. Megakraftwerk in Emden, Mini -<br />
kraftwerke im Mo toren werk Salz gitter – kleine<br />
Energie liefer anten, die mit einem Erdgasmotor be -
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 23<br />
NEUE DIMENSIONEN<br />
DER EFFIZIENZSTEIGERUNG<br />
Während der Golf der sechsten<br />
Generation im Vergleich zum Golf<br />
der dritten Generation in nahezu<br />
allen Eigenschaften zugelegt hat,<br />
ist der Verbrauch um fast ein<br />
Viertel gesunken.<br />
Leistung<br />
Gewicht<br />
Länge<br />
Breite<br />
Höhe<br />
Verbrauch<br />
+ 64 %<br />
+ 13 %<br />
+ 4,5 %<br />
+ 5 %<br />
+ 6 %<br />
– 24 %<br />
trieben werden und an einen elektrischen Generator angeschlossen sind.<br />
Ihr Name: EcoBlue. Diese Blockheiz kraftwerke basieren auf dem Prinzip der<br />
Kraft-Wärme-Kopplung: Bei der Strom erzeugung wird zugleich Wärme produziert,<br />
die direkt vor Ort gespeichert und genutzt werden kann. Auch große<br />
Kraft werke arbeiten so, wenn auch mit einem deutlich niedrigeren Wirk ungs -<br />
grad. Der erreicht in Salzgitter mehr <strong>als</strong> 90 Prozent. Ein konventionelles<br />
Groß kraft werk kommt auf 50 Prozent. Der erste EcoBlue-Proto typ, nicht größer<br />
<strong>als</strong> ein Kühlschrank, ging 2008 ans Netz, um für warm es Wasch wasser<br />
zu sorgen. Bis Ende 2010 sind 25 dieser Anlagen im Einsatz. Auch Privat -<br />
haus halte sollen profitieren: Mit LichtBlick, Deutsch lands größtem Ökostromanbieter,<br />
entwickelte Volks wagen ein Konzept für ein neu es Zuhause -<br />
kraftwerk, tauglich für den Massen markt. Das Vorbild: EcoBlue. 40.000 An -<br />
fragen liegen vor. Ende 2010 sollen die ersten Anlagen stehen – in Ham burg.<br />
Strom ist der eine, Wasser der<br />
1Mio.<br />
andere Grund stoff der Automobilpro -<br />
duktion. Etwa fünf Kubik meter<br />
E-Fahrzeuge benötigen zirka Wasser werden für die Ferti gung<br />
zwei Terawattstunden Strom.<br />
eines einzigen Fahr zeugs ge -<br />
Das ist soviel wie eine Stadt mit<br />
braucht.<br />
40.000 Einwohnern – etwa<br />
Buxtehude – im Jahr<br />
verbraucht<br />
Die Möglich keiten, den Wasser einsatz<br />
immer weiter zu reduzieren, sind be -<br />
grenzt. Umso wichtiger ist das Thema Wieder verwer tung. Das heißt: Wasser<br />
auf be reiten und im Kreislauf führen. Die Mehr fachnutzung von Wasser bei<br />
Volks wagen in Wolfsburg ist in dieser Form einzigartig. Herzstück ist das<br />
Betriebs wasser rück halte becken mit etwa 1,7 Millionen Kubik metern Spei -<br />
cher volumen. Es dient vor allem <strong>als</strong> Spei cher becken für das Betriebswasser,<br />
ist gleichzeitig aber auch eine Hoch wasser schutz maß nahme für die Region<br />
Wolfsburg. Das Rückhalte becken nimmt Kühl wasser, gereinigtes Abwasser<br />
aus der betriebseigenen Kläran lage und Regen wasser sowohl vom Werksge -<br />
lände <strong>als</strong> auch von Teilen des Stadt ge biets auf. Nach maximal sieben Tagen<br />
Standzeit wird das Wasser aufbereitet und wieder ins Betriebswassernetz<br />
eingespeist. Es wird im Wolfsburger Werk überwiegend zur Kühlung in der<br />
Produktion ge braucht. Rein statistisch betrachtet wird dort jeder Wasser -<br />
tropfen mehr <strong>als</strong> sechs Mal im Kreislauf geführt, bevor er gereinigt in den<br />
Vorfluter geleitet wird.<br />
Manchmal sind es auch die kleinen Zahlen, die zu den großen Ergebnissen<br />
führen. Bereits zum siebten Mal zeichnet Volkswagen Mitarbeiter mit dem<br />
internen Umweltpreis aus. In der Kategorie „Produkt“ ging der erste Preis<br />
an Mitarbeiter der Abteilung Anbauteile, Verglasung und Korrosionsschutz.<br />
Das Team entwickelte eine Unterbodenverkleidung aus Recyclingmaterial,<br />
die bereits im Polo verbaut wird. Sie verringert Luftwiderstand, Geräusch -<br />
pegel und Fahrzeug gewicht – und senkt den Spritverbrauch um etwa 0,05<br />
Liter auf 100 Kilometer.
g How<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> in der Praxis: FORSCHUNG & ENTWICKLUNG<br />
Weißer Hirsch<br />
DIE MEDIZIN HAT DIE ROTE, DIE LANDWIRTSCHAFT DIE GRÜNE, JETZT SOLL DIE WEIßE<br />
BIOTECHNOLOGIE NACHHALTIGE INDUSTRIEPRODUKTION IN DEUTSCHLAND BEFLÜGELN.<br />
DUFTSPEZIALIST SYMRISE, WELTWEIT BEDEUTENDER HERSTELLER VON AROMEN<br />
UND PARFUM KOMPOSITIONEN, ENTWICKELT PRODUKTE AUF DER BASIS<br />
NACHWACHSENDER RESSOURCEN –<br />
EIN HIRSCH SAGT DANKE.<br />
Kein Geweih, die Ohren eines Hasen, die Grazie eines Rehs,<br />
aber dafür hauerartige Eckzähne wie bei einem Wildschwein.<br />
So durchzieht er das zentral- und ostasiatische Hochland auf<br />
ständiger Suche nach Nahrung – und auf der Flucht vor den<br />
Men schen. Er ist der einzige Hirsch, der mühelos schräge<br />
Bäume bis zu den Kronen ersteigen kann, um dort Blätter, Zweige und Baum -<br />
flecht en abzufressen. Doch zum Objekt der Begierde macht ihn eine walnussgroße<br />
Drüse am Bauch vor den Geschlechts organ en. Sie produziert ein ganz<br />
besonderes Sekret: Moschus, König der Düfte und legendärer Rohstoff für die<br />
traditionelle chin e sische Volksmedizin. Bis zu 30 Gramm des Zauber mittels<br />
gibt die Brunftdrüse des – erlegten – Moschus hirsch-Männ chens her. Seit<br />
dem Altertum ist Mosch us die am meisten ge schätzte tierische Droge.<br />
Ärzte verschrieben sie im Mittel alter <strong>als</strong> Allzweckwaffe gegen Geistes krank -<br />
heiten und Nerven leiden. Als "Bisamäpfel" um den H<strong>als</strong> getragen, sollte sie<br />
die Pest vertreiben. Chin e sische Wunder heiler schätzten ihre Wirkung auf<br />
Nerven system, Schweiß sekretion, Puls und Atem schon lange davor. Kreuz -<br />
ritter brachten Moschus nach Europa – <strong>als</strong> Aphro disiakum.<br />
Moschus vermittelt, wie die drei anderen tierischen Duftstoffe Ambra, Zibet<br />
und Castoreum auch, Wärme und Geborgen heit. Es hält Parfums länger auf<br />
der Haut und belebt deren Kompo sition. Haar- und Körperpflege bauen<br />
darauf, Wasch- und Haushaltsmittel ebenso. Moschus-Parfums setzen ganz<br />
auf die erotische Wirkung des Stoffs. Schätzungsweise mehr <strong>als</strong> 400 chinesische<br />
und koreanische Medikamente enthalten tierischen Moschus.<br />
Auch die indischen Naturheilver fahren Ajurveda und Unani kommen ohne<br />
den natürlichen Wirkstoff nicht aus. Der ist, in reiner Form, so teuer wie Gold.<br />
Um den Nach schub zu sichern, werden Hirsche in Zuchtfarmen dreimal im<br />
Jahr gemolken – und leben. Doch noch immer übersteigt die Nachfrage das<br />
Angebot. Deshalb wird der Stoff heute hauptsächlich synthetisch hergestellt.<br />
Dem Chemiker Leopold Ruzicka gelangen 1926 die Struktur aufklärung und<br />
später auch die ersten Synthesen. Den Hirschen hilft es trotzdem nicht.<br />
Einige der Arten sind vom Aussterben bedroht. Schutzgesetze sollen das<br />
Schlimmste verhindern.
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 25<br />
Mehr <strong>als</strong><br />
20 Mio<br />
Exemplare von „Das Parfum“<br />
wurden weltweit verkauft.<br />
Das Buch von Patrick Süskind<br />
wurde in 47 Sprachen<br />
übersetzt<br />
3000<br />
verschiedene Düfte verarbeitet<br />
die Duftstoffindustrie.<br />
Ein Parfum kann aus bis<br />
zu 300 verschie denen<br />
Duftstoffen<br />
bestehen<br />
Weiße Biotechno logie, auch industrielle Biotechno logie genannt, soll helfen,<br />
womöglich ganz auf den natürlichen Moschus-Lieferanten zu verzichten.<br />
Entwickler des Duft spezialisten Symrise aus der Weserstadt und deutschen<br />
Duftmetropole Holzminden entwickeln im Rahmen des vom BMBF initiierten<br />
Projektes „BIO2021“ einen unabhängigen biotechnologischen Moschus-<br />
Produkt ions prozess zu konkurrenzfähigen Preisen, der auch künstlichen<br />
Moschus ersetzen kann. „Wir betreten absolutes Neuland“, sagt Johannes<br />
Panten, bei Symrise Projektleiter und Director Technology Scouting.<br />
„Die natürlichen Biosynthesewege sind bisher völlig unbekannt.“<br />
Symrise ist ein weltweit führender Hersteller von Aromen, Parfum komposi -<br />
tionen und kosmetischen Inhaltsstoffen. Zu den Kunden gehören die großen<br />
Lebensmittelhersteller und die Parfumindustrie. Das Unternehmen verarbeitet<br />
rund 10.000 Rohstoffe. In Forschung und Entwicklung liegt der Schwer -<br />
punkt zunehmend auf der Nutzung erneuerbarer Ressourcen.<br />
Biotechnologie gilt <strong>als</strong> die Schlüsseltechno logie des 21. Jahrhunderts.<br />
Nach der roten mit praktischem Nutzen der Forschungs ergebnisse aus der<br />
Bio-und Gentechnologie und der grünen in der Landwirtschaft vor allem zur<br />
Verbes serung von Nutzpflanzen soll die weiße Biotechnologie durch den<br />
Einsatz von Mikroorganismen, Enzymen oder anderen natürlichen Produkt -<br />
ions systemen chemische Herstellungsprozesse ersetzen. Die Bundes -<br />
regierung verbindet damit „vielversprechende Wachstums potenziale für<br />
ökonomisch bedeutende Industriezweige“. Im Rahmen der Hightech-Strategie<br />
für Deutsch land fördert Berlin die weiße Biotechnologie bis 2012 mit bis zu<br />
100 Millionen Euro.<br />
Die Welt von Symrise<br />
Symrise ist ein globaler Anbieter von Duft- und Geschmacksstoffen sowie<br />
kosmetischen Grund- und Wirkstoffen für die Parfümerie-, Kosmetik- und<br />
Lebensmittelindustrie. Mit einem Umsatz von rund 1,4 Milliarden Euro<br />
(2009) und rund 5.000 Mitarbeitern gehört das Unternehmen zu den<br />
Top 4 im globalen Markt der Düfte und Aromen. Das Unter nehmen mit Sitz<br />
in Holzminden ist in mehr <strong>als</strong> 35 Ländern in Europa, Asien, den USA sowie<br />
in Lateinamerika vertreten. 7 Prozent vom Umsatz fließen in Forschung<br />
und Entwicklung.
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
den Aspekt der <strong>Nachhaltigkeit</strong> von Anfang an in die Entwicklung seiner<br />
WAS IST EIN PARFÜM?<br />
Aromen und Inhalts stoffe ein“, sagt Dr. Claus-Oliver Schmidt, in der<br />
Holzmindener Duftfabrik verantwortlich für weltweite Qualitäts kontrolle und<br />
Parfüms: Enthalten 20 bis 30 Prozent Riechstoffe und werden<br />
mit 95-prozentigem Alkohol vermischt.<br />
Inno vationsmanagement. „Die Men schen erwarten nicht nur, dass fertige<br />
Eau de Parfum (auch Esprit de Parfum oder Parfum de Toilette),<br />
eine schwächere Variante des Parfüms mit etwa 15 bis 25 Prozent<br />
Konzentration der Duftstoffe.<br />
Eau de Toilette enthält noch 10 Prozent bis 20 Prozent Duftstoffe.<br />
Produkte im Supermarktregal auf nachhaltige Weise hergestellt worden sind,<br />
sie achten mehr und mehr auch auf die Inhalts stoffe.“ Längst gehe es nicht<br />
mehr nur um die Reduzierung des Wasser-, Energie-, oder CO 2 -Verbrauchs,<br />
„sondern um <strong>Nachhaltigkeit</strong> bei jeder Produkt entwicklung.“<br />
Eau de Cologne beinhaltet nur noch 2 bis 5 Prozent Riechstoffe<br />
und kommt in 70- bis 80-prozentigem Alkohol daher.<br />
Beispiel Vanillin. Mehr <strong>als</strong> 400 Einzelaromen tragen zum einzigartigen<br />
Die Bezeichnung wird oft bei den Düften für den Herrn benutzt.<br />
Ge schmack von Vanille bei, die in ihrer natürlichen Form aus der Schote eines<br />
Parfümgele enthalten 5 bis 7 Prozent Parfümöl, wenig Alkohol,<br />
dafür Gelbildner.<br />
After Shave (Aprés Rasage) hat immerhin noch 3 bis 5 Prozent<br />
Duftstoffe.<br />
Orchideengewächses gewonnen wird. Vanillin ist der sensorisch bedeutendste<br />
Bestandteil der Vanille. Bereits 1874 gelang es Wilhelm Haar mann,<br />
Vanillin synthetisch herzustellen, eine Revolution. Jetzt folgt die zweite:<br />
die biokatalytische Herstellung. Der Geschmackstoff kommt aus Reis.<br />
Natürliche Ferula säure wird mithilfe enzymatischer Fermentation in Vanillin<br />
Schon heute beeinflusst das Zukunftsfeld Biotechnologie Produkte und Pro -<br />
zesse in vielen Branchen substanziell. Dabei ist sie – streng genommen – ein<br />
alter Hut. Sumerer in Meso potamien brauten aus gekeimter Gerste ein alkoholhaltiges<br />
Getränk, das erste Bier vor 8.000 Jahren. Wein, Sauerteigbrot oder<br />
Käse gäbe es nicht ohne Mikro organ ismen.<br />
umgewandelt – mit gleich mehreren Vor teilen auf einmal: Ausgangsbasis<br />
ist ein nachwachsender natürlicher Rohstoff, chlorhaltige<br />
Ausgangs produkte fallen weg. Der Prozess findet<br />
bei Raum temper atur statt. Das bedeutet<br />
geringeren Energiever brauch. Das<br />
Abwasser ist pH-neutral.<br />
Ob im Haushalt bei Wasch mittel enzymen, in der Textilindustrie bei Farben und<br />
Leder behand lung oder bei der Dekon taminierung von Müll: Weiße Bio techno -<br />
logie ist heute überall dabei. Jetzt soll auch die chemische Industrie davon<br />
profitieren. Die Disziplin ist noch jung. Doch die Vorteile der Verfahren, die<br />
zum Einsatz kommen, liegen auf der Hand: Sie verlaufen zum großen Teil<br />
katalytisch und äußerst selektiv – es fallen vielfach keine Nebenprodukte<br />
an. Außerdem: Weiße Biotechnologie kommt häufig ohne<br />
den Einsatz gefährlicher Chemikalien aus.<br />
Wo immer möglich – Symrise folgt dem<br />
Farm-to-Fork-Ansatz: die Verwendung von<br />
Rohstoffen aus benachbartem Anbau.<br />
So werden Transport kosten minimiert und<br />
Lieferketten optimiert. Am Hauptsitz Holzminden<br />
etwa stammen Zwiebeln, Wirsingkohl oder Rote Beete<br />
von ortsansäs sigen Land wirten. Die Auswahl des<br />
400<br />
Saatguts, den Ein satz von Dünge mitteln sowie den Zeitpunkt<br />
Forschung und Entwicklung auf Basis nach -<br />
der Ernte bestimmen Unterneh men und Landwirte gemeinsam.<br />
wachsender Ressourcen sind der Kern der<br />
Der bei der Produktion entstandene Trester kommt <strong>als</strong> umweltfreundliches<br />
Düngemittel auf den Acker. Seit der Akquisition des<br />
Symrise-<strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategie. „Nach-<br />
haltigkeit ist aus unserer Unter nehmens -<br />
strategie nicht mehr wegzudenken“, so<br />
Dr. Heinz-Jürgen Bertram, Vorsitzender des<br />
Vorstands. „Der Markt verlangt danach.<br />
Einzelaromen tragen zu dem<br />
unverkennbaren<br />
Vanille-Geschmack bei<br />
Rohstoff lieferanten Aromatics S.A.S. auf Mada gaskar werden Vanille -<br />
schoten direkt an ihrem Herkunfts ort ver arbeitet. Damit ist Symrise das<br />
einzige Aromenhaus mit Rückwärts integration in diesem Bereich. Auch der<br />
Citrus-Geschmack ist eine Kern kompetenz von Symrise. Die erfolgreichste<br />
Außerdem sind wir es der Umwelt schuldig.“<br />
Besonders Nahrungsmittelhersteller spüren<br />
den Druck der Ver braucher und deren<br />
Forderung nach natürlichen, umweltfreundlichen,<br />
fair gehandelten und –<br />
vor allem – bezahlbaren Lebens -<br />
mitteln. „Symrise bezieht deshalb<br />
Geschmacks richtung im Ge tränke sektor ist daher ein wichtiges Element der<br />
Symrise-Nachhaltig keits strategie: Verringerung der Transport wege durch ein<br />
globales Citrus-Center in Brasilien, beispielhafte Energiestandards für eine<br />
„saubere“ Produktion, nachhaltige Extraktions ver fahren unter Einsatz<br />
umweltverträglicher Lösungs mittel. Innovative Technologien unterstützen<br />
die Prozesse. Eine davon heißt SymTrap®, ein Verfahren zur Rückgewinnung<br />
hochqualitativer Aroma stoffe, die bei der industriellen Verarbeitung von
„<br />
Früchten und Ge müsen normaler weise verloren gehen. Dabei werden die<br />
Rohstoffe optimal genutzt, und das ohne größeren Energieaufwand. Das<br />
Ergebnis ist ein natür liches und authentisches Ge sch mack s profil. Die<br />
Bandbreite der SymTrap®-An wendungen reicht von Frücht en, verschiedenen<br />
Gemüse sorten, Kräutern und anderen<br />
natürlichen Nutz pflanzen bis hin zu<br />
Fisch und Fleisch.<br />
Für die biotechnologische Erzeu gung<br />
von Moschusriech stoffen kooperiert<br />
Symrise im Rahmen eines vom BMBF<br />
geförderten Projektes mit folgenden<br />
Part nern: den beiden Techni schen<br />
Universitäten Darmstadt und Dresden<br />
sowie dem Karl-Winnacker-Institut Dr. Heinz-Jürgen Bertram, CEO, Symrise<br />
(Gesellschaft für Chemische Technik<br />
und Biotechnologie) und den Enzym spezia listen von c-Lecta aus Leipzig. Ihre<br />
Aufgabe, so Projektleiter Panten: „Mit ihren molekularbiologischen Verfahren die<br />
Stoffwechselwege in den natürlichen Produzenten aufzuklären und in biotechnologische<br />
Prozesse umzuwandeln.“<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
ist aus unserer Unter nehmens strategie<br />
nicht mehr wegzudenken,<br />
“<br />
Der Markt<br />
verlangt danach. Außerdem sind wir<br />
es der Umwelt schuldig.<br />
Dabei könnte dem Moschushirsch auch auf andere Weise geholfen werden,<br />
wenn auch nur auf dem Papier. Zwar werden verwandte Moleküle des begehrten<br />
Riechs toffs auch in anderen Säugetieren und Pflanzen gebildet. Moschus -<br />
ochsen, Moschus böcke, Bisam ratten und Moschus enten sondern „f<strong>als</strong>chen“<br />
Moschus ab. Bei den Pflanzen sind es Gauklerblume und Abelmoschus.<br />
Doch für eine industrielle Verwendung taugen sie nicht. Die nur geringen<br />
Konzen trationen würden den immensen Aufwand für die Ge winnung kaum<br />
recht fertigen. Bleibt <strong>als</strong> Alternative die synthetische Herstellung.<br />
Die synthetische Erzeugung von Moschus geschieht auf Basis petrochemischer<br />
Grundstoffe. Drei Hauptklassen gibt es: polyzyklische, makrozyklische und<br />
Nitromoschusverbindungen. Vor allem die polyzyklischen Moschusersatzstoffe<br />
stehen in puncto Umwelt und Gesundheit unter Beschuss. Sie reichern sich im<br />
Fettgewebe an, und sie sind nur schwer abbaubar. In den üblichen Kläranlagen<br />
können sie nur teilweise aus dem Wasser entfernt werden. Bei Symrise stehen<br />
deshalb die makrozyklischen Riechstoffe im Fokus. Sie sind biologisch abbaubar<br />
und werden in der Parfümerie aufgrund ihrer Eigenschaften hoch geschätzt.<br />
Dennoch: Der biotechnologischen Erzeugung von Moschusriechstoffen geht<br />
es nicht anders <strong>als</strong> der weißen Biotechnologie insgesamt: „Der Maßstab industrieller<br />
Produktion, der nötig wäre, um diese Technologie flächendeckend und<br />
gewinnbringend zu nutzen, ist noch nicht erreicht“, sagt Symrise-Chef Bertram.<br />
„Ein langer Atem ist in der Forschung unerlässlich.“<br />
★ ★<br />
★<br />
★<br />
★<br />
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 27<br />
2.350<br />
USD kostet das<br />
teuerste Parfum der Welt<br />
pro Flasche (330ml) -<br />
Clive Christian No. 1<br />
Mehr Verbraucherschutz:<br />
Die neue Natürlichkeit in der EU<br />
★ ★<br />
★<br />
★<br />
★★ ★<br />
Die Verordnung 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittel -<br />
zutaten soll den freien Verkehr mit Lebensmitteln sicherstellen und zur<br />
Gesundheit und zum Wohlergehen der Verbraucher beitragen. Sie wird<br />
ab 20. Januar 2011 gültig. Aroma ist dabei ein Erzeugnis, das <strong>als</strong><br />
solches nicht zum Verzehr bestimmt ist und Lebensmitteln zugesetzt<br />
wird, um ihnen einen besonderen Geruch und/oder Geschmack zu verleihen<br />
oder diese zu verändern.<br />
Die Verordnung gilt nicht für Stoffe mit ausschließlich süßem, saurem<br />
oder salzigem Geschmack, rohe Lebensmittel, Raucharomen sowie<br />
Mischungen von frischen, getrockneten oder tiefgekühlten Gewürzen<br />
und/oder Kräutern, Teemischungen und Mischungen von teeähnlichen<br />
Erzeugnissen, sofern sie nicht <strong>als</strong> Lebensmittelzutaten verwendet wurden.<br />
Zulässig sind nur solche Aromen, die in der EU-Gemeinschaftsliste<br />
aufgeführt sind.<br />
Die Kennzeichnung der Lebensmittelaromen muss entweder das Wort<br />
„Aroma“ oder eine genauere Angabe oder eine Beschreibung des Aromas<br />
tragen. Außerdem die Angabe „für Lebensmittel“ oder „für Lebensmittel,<br />
begrenzte Verwendung“ oder einen genaueren Hinweis auf die vorgesehene<br />
Verwendung. Der Begriff „natürlich“ wird nur für Stoffe oder<br />
Extrakte verwendet, die direkt aus einem Stoff tierischen oder pflanzlichen<br />
Ursprungs hergestellt werden. Der Begriff „natur identisches<br />
Aroma“ wird gestrichen.
g How<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> in der Praxis: EINKAUF & SCM<br />
Blaue Macht<br />
RIGOROS SPIELEN AUTOHERSTELLER IHRE EINKAUF MACHT BEI ZU LIEFER ERN AUS.<br />
JETZT GERATEN SIE SELBST UNTER DRUCK. DOCH NICHT NUR SIE.<br />
UNTERNEHMEN WIE DER SOFTWARERIESE SAP SPIELEN BEWUSST<br />
STÄRKEN FÜR DIE EIGENE NACH HALTIGKEIT AUS –<br />
EINE NEUE QUALITÄT IM ZUSAMMEN SPIEL ZWISCHEN HERSTELLERN UND LIEFERANTEN.<br />
Die Nachricht an die Mitar beiter innen und Mitarbeiter der SAP AG<br />
war nur ein paar Zeilen lang, aber für die erfolgsverwöhnten<br />
Premium-Hersteller der deutschen Auto mobil industrie verhieß<br />
sie nichts Gutes. Höchstens 170 Gramm Kohlendioxid (CO 2 ) pro Kilometer,<br />
so lautete die Anweisung, dürfen Dienst wagen des Walldorfer Software -<br />
konzerns derzeit noch in die Luft pusten, 30 Gramm weniger <strong>als</strong> lange Zeit<br />
zuvor. Zwar sind SAP-Firmenange hörige immer noch kommod auf den Straßen<br />
der Welt unterwegs, doch mit deutlich ge bremster Ener gie. Spitzenver treter<br />
der oberen Mittelklasse oder gar die Vorzeige karossen der Luxuskategorie<br />
bleiben draußen. Ein Audi A6 oder Volks wagen Passat 2.0 TDI, ein Mercedes<br />
Diesel E 200 oder der BMW 530d ist gerade noch drin. Danach ist Schluss.<br />
"Wir bei SAP stehen in der Verant wortung, einen engagierten Beitrag zu einer<br />
lebenswerten und nachhaltigen Zukunft zu leisten. Diesen Pro zess treiben<br />
wir aktiv voran“, lautet einer der Kernsätze der Firmenstrategie. Prinzipien der<br />
Nach haltigkeit sollen nicht nur im eigenen Unternehmen umgesetzt, Kunden<br />
mit cleveren Software lösungen versorgt werden. „Unser übergeordnetes Ziel<br />
ist es, die besonderen Stärken unseres Unter nehmens einzusetzen, um<br />
einen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ent wicklung<br />
sowie zum Umweltschutz zu leisten.“<br />
+++ Die <strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategie der SAP +++ Durch nachhaltiges<br />
Kundenerwartungen +++ Nachhaltige Geschäftsabläufe helfen, diese Hera
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 29<br />
Stärken einsetzen? Dafür sind bislang vor allem die Zentral einkäufer der<br />
Super markt ketten bekannt. Rigoros spielen sie ihre Einkaufsmacht im Einzel -<br />
handel aus und begründeten damit einen mörderischen Wettbewerb. Auch<br />
die Automobilindustrie setzte mit ihren unkonventionellen Ent wicklungsund<br />
Einkaufsmethoden einen massiven Wandel ihrer Zulieferindustrie in<br />
Gang – jetzt trifft es sie selbst.<br />
Dass Unter nehmen wie SAP ihre Muskeln für nachhaltiges Wirt schaften<br />
offen siv spielen lassen, verleiht dem Thema eine neue Qualität. Wichtig<br />
sei in erster Linie ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl die Erfassung des<br />
CO 2 -Ausstoßes, des Energie- und Wasser verbrauchs <strong>als</strong> auch Finanzdaten<br />
oder Informationen zu sozialen Auswirkungen unternehmerischen Handelns<br />
be rücksichtigt. Das gilt nicht nur für das eigene Unternehmen. „Schritt für<br />
Schritt“, so Daniel Schmid, Leiter Sustainability Operations, „binden wir das<br />
Netzwerk aus Zulieferern und Partnern in unsere Nachhaltig keits strategie<br />
ein. Dies wird Innovationen zum Nutzen unserer Lieferanten und auch zu<br />
unserem eigenen Nutzen hervorbringen."<br />
50%<br />
weniger Bestellkosten verzeich<br />
nen Topunternehmen im<br />
Vergleich zum Durchschnitt<br />
50%<br />
der Industrie- und Dienst -<br />
leistungsunternehmen<br />
weniger Treibhausgase will SAP<br />
bis zum Jahr 2020 verantworten.<br />
Basis ist der Wert von 540.000<br />
Tonnen aus dem Jahr 2007<br />
Schon heute gilt SAP <strong>als</strong> das am nachhaltigsten operierende Unter nehmen<br />
der weltweiten Software industrie. Im Dow Jones Sustain ability Index (DJSI)<br />
schafften es die Deutschen in ihrer Kategorie viermal hintereinander auf<br />
Platz eins. Auch das Medienunternehmen Corporate Knights zählt SAP seit<br />
2005 zu den weltweit 100 nachhaltigsten Großunternehmen. Ob im FTSE4 -<br />
Good-Index, im Global Challe nges Index oder im NASDAQ OMX CRD Global<br />
Sustainability 50 Index – der Name SAP taucht ganz vorne auf. Bis 2020 will<br />
SAP die Treibhaus gasemissionen auf das Niveau von 275 Kilo- tonnen CO 2 im<br />
Jahr 2000 drücken. Gemessen am CO 2 -Ausstoß von 2007, mit 540 Kilo ton -<br />
nen das Rekordjahr in der Geschichte des Unter neh mens, entspricht dies<br />
einer Ver ringerung um 50 Prozent. Sustainability-Champions agieren im<br />
Unternehmen <strong>als</strong> Multi plikatoren. Allein die Reduktion des ge fährlichen<br />
Treibhausgases von 500 Kilo tonnen im Jahr 2008 auf 425 Kilo tonnen im<br />
Jahr 2009 spülte rein rechnerisch 90 Millionen Euro Ersparnis in die Kasse.<br />
Für Schmid „der beste Beweis, dass sich <strong>Nachhaltigkeit</strong> und Profitabilität<br />
nicht ausschließen.“ Doch noch immer ist das Thema in vielen Unter nehmen<br />
neben Kosten- und Strategie programmen zwar kein Erkenntnis-, aber ein<br />
latentes Umsetzungsproblem, wie die auf <strong>Nachhaltigkeit</strong> spezialisierte<br />
Leuphana Universität Lüneburg ermittelte (siehe auch Seite 11). Dabei habe<br />
gerade die jüngste Wirt schafts krise gezeigt, so Schmid, „dass Unternehmen,<br />
die Risiken und Chancen ganzheitlich managen, auch wirtschaftlich besser<br />
darstehen.“„Für SAP ist das Thema Nachhaltig keit Teil der strategischen<br />
Planung und sowohl für uns <strong>als</strong> auch für unsere Kunden ein wesentlicher<br />
Faktor auf dem Weg zu langfristigem Unternehmenserfolg", sagt auch<br />
Peter Graf, Chief Sustainability Officer und Executive Vice President Sustain -<br />
ability Solutions. Bereits im März 2009 gründeten die Walldorfer einen<br />
funktionsübergreifenden Geschäfts bereich für Nachhaltig keit mit dem<br />
Chief Sustain ability Officer an der Spitze. Seine Aufgabe: Koordination aller<br />
Initia tiven in den drei Hand lungs feldern Umwelt, gesellschaftliches Engage -<br />
ment und wirtschaftliche Entwicklung, sowohl unternehmensintern <strong>als</strong> auch<br />
in der globalen Ge schäfts welt. Organisatorisch ist der Bereich an andere<br />
Funktions be reiche angebunden. Das Ziel: die flächendeckende Umsetzung<br />
der <strong>Nachhaltigkeit</strong>sinitiativen.<br />
Für den Standort Newtown Square im US-Bundesstaat Penn sylvania er reichte<br />
SAP das Prädi kat Platin: Geo thermische Anlagen nutzen die konstante Erd -<br />
wärme für Heizung und Kühlung. Tageslichtab hängigeBeleuchtungs systeme<br />
regeln mithilfe von Licht sensoren das Beleucht ungsniveau. Ein hybrides<br />
Klima system nutzt tagsüber Eis zur Gebäudekühlung. Nachts, wenn<br />
Energie verbrauch und Stromkosten am geringsten sind, wird das Schmelz -<br />
wasser rückgekühlt.<br />
Wirtschaften profitabler werden +++ Strengere Vorschriften, steigende Betriebskosten und imm<br />
usforderungen erfolgreich zu meistern +++ Die <strong>Nachhaltigkeit</strong>sstrategie der SAP +++ Wirtscha
How<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
Eine Solaranlage auf den SAP-Gebäuden im kalifornischen Palo Alto soll den<br />
CO 2 -Ausstoß jährlich um 154 Tonnen verringern. Damit kann sich das<br />
Rechenzentrum <strong>als</strong> Spitzenverbraucher vom Stromnetz verabschieden.<br />
Beschäftigte in den 40 größten SAP-Bürogebäuden sind ständig<br />
nehmen“, ergänzt Daniel Schmid. Noch sei der Prozess nicht abgeschlossen.<br />
„Aber Ziel ist es, unsere eigene Lieferkette konsequent danach auszurichten.“<br />
Schließlich: „Kunden und Mitarbeiter erwarten viel von uns.“ Auch SAP<br />
verspürt Druck auf die eigene <strong>Nachhaltigkeit</strong>sperformance. Wer<br />
über den aktuellen Stromverbrauch informiert. In China fordern<br />
Aufkleber an den Fahrstühlen sie dazu auf, lieber die<br />
dem „Supplier Code of Conduct“, zum besseren Verständnis<br />
Geschäftspartner von SAP werden und bleiben will, beugt sich<br />
Treppen zu benutzen. Freitagnachmittags steht jeder<br />
nachzulesen im Internet. Er erfüllt auch die Standards des<br />
22.000<br />
zweite Lift still.<br />
Sarbanes-Oxley Act von 2002, eines US-Bundesgesetzes,<br />
das <strong>als</strong> Reaktion auf vergangene Bilanzskandale<br />
SAP-Mitarbeiter nahmen<br />
bislang an virtuellen<br />
Gesellschaftliches Engagement vereinigt SAP unter Veranstaltungen teil. Dabei die Verlässlichkeit der Berichterstattung von Unternehmen<br />
verbessern soll, die den öffentlichen Kapital-<br />
dem Label "A Better Community" – einem koordinierten,<br />
konnten Flugreisen in<br />
erheblichen Umfang<br />
ganzheitlichen CSR-Ansatz (Corporate Social Responsibility)<br />
eingespart werden. markt der USA in Anspruch nehmen.<br />
für die Betreuung von Nichtregierungsorganisationen<br />
und gemeinnützigen Einrichtungen in den Bereichen Bildung<br />
(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften), Transparenz und<br />
Governance (Offenheit, Kommunikation und verantwortungsvolle<br />
Unternehmensführung), Überbrückung der digitalen Kluft (Zugang zu digitalen<br />
Informationen) sowie Umweltschutz (behutsamer Umgang mit<br />
Ressourcen). 2009 nahmen 16 Prozent der SAP-Beschäftigten an solchen<br />
Im „Supplier Code of Conduct“ verpflichten sie SAP-Partner, geltende<br />
Gesetze einzuhalten, soziale Standards zu respektieren, sorgfältig und<br />
verantwortlich mit Umwelt und natürlichen Ressourcen umzugehen,<br />
Urheberrechte und geistiges Eigentum nicht zu verletzen und jeglichem<br />
Interessenkonflikt aus dem Wege zu gehen. Ein bloßes Abnicken reicht nicht.<br />
SAP prüft, strikt und vertraglich bindend, etwa, ob gegen das Tabu von Kinderoder<br />
Zwangsarbeit verstoßen wird. Hardware-Lieferanten stehen unter be-<br />
Initiativen teil. Sie leisteten in 30 Ländern mehr <strong>als</strong> 62.000 ehrenamtliche<br />
„<br />
Arbeitsstunden, umgerechnet rund 7.700 Arbeitstage oder 21 Arbeitsjahre. sonderer Beobachtung – wegen der unter Menschenrechtsaspekten kritischen<br />
Rohstoffförderung (Casseterite, Coltan, BFR).<br />
„<strong>Nachhaltigkeit</strong> bei SAP“, sagt Sustainability-Chief Peter Graf, „endet nicht in<br />
den eigenen vier Wänden, sondern erstreckt sich über die gesamte Wertschöpfungskette.“<br />
Das Rollenverständnis <strong>als</strong> Vorbild und Lösungsanbieter 200 Toplieferanten mit einem Einkaufsvolumen von jeweils mehr <strong>als</strong> einer<br />
zugleich erfasst Geschäftspartner voll: Lieferanten wie Auftragnehmer,<br />
Million Euro wurden gebeten, ihre eigene <strong>Nachhaltigkeit</strong>spolitik zu dokumentieren.<br />
Gut ein Drittel schickte bislang die Antworten auf die 90 Fragen zu-<br />
Subunternehmer wie Berater. Jedes Jahr liegt die Latte ein wenig höher.<br />
Es geht ums große Geld: Das jährliche Einkaufsvolumen von SAP liegt bei rück. Das Resultat, so Schmid: „Grundsätzlich positiv, was nicht zu erwarten<br />
rund 3 Milliarden Euro.<br />
war.“ Wie er mit Firmen umgeht, die sich gar nicht an der Umfrage beteiligen<br />
wollen, steht nicht fest. Nur eines ist sicher, so Schmid: „Die Reise geht<br />
„Wir haben damit angefangen, die Kriterien ökonomischer, ökologischer<br />
weiter.“ Wohin, das bekommen etwa Energieversorger oder auch Bahn und<br />
und sozialer Handlungen Zug um Zug in unsere Einkaufs-Policy aufzu-<br />
Post in Verhandlungen mit SAP-Einkäufern zu spüren. Die einen können nur<br />
dann auf lukrative Aufträge hoffen, wenn sie helfen, SAPs Anteil an grünem<br />
Strom aus erneuerbaren Energien weltweit von 33 auf 50 Prozent zu steigern;<br />
in Deutschland ist der Anteil dieses Jahr sogar um 50 Prozent gewachsen.<br />
Bahn und Post entwickelten Modelle, mit denen SAP nicht nur seine Mitarbeiter,<br />
sondern auch Briefe, Pakete und Expresssendungen klimaneutral befördern<br />
lassen kann. Höhere Preise nehmen die Walldorfer dabei in Kauf.<br />
Das Geld kommt durch Energiesparprogramme wieder herein. Sieben Prozent<br />
weniger Strom verbrauchte SAP 2009 gegenüber dem Jahr zuvor. Eine Million<br />
Euro blieb in der Kasse.<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> bei SAP,<br />
endet nicht in den eigenen<br />
vier Wänden, sondern<br />
erstreckt sich über die gesamte<br />
Wertschöpfungskette.<br />
Peter Graf, Sustainability-Chief, SAP<br />
„Sustainable Sourcing and Procurement: More than Green“, titelt SAP denn<br />
auch seine Kundenansprache. Die Botschaft ist klar: <strong>Nachhaltigkeit</strong> ist<br />
nur dann effektiv, wenn Geld gespart wird. So beträgt der Kaufpreis eines<br />
Computers lediglich 20 Prozent der Gesamtkosten. Eine teurere Anschaffung
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 31<br />
können niedrigere Betriebs-, Wartungs- oder<br />
Recyclingkosten leicht wieder wettmachen.<br />
Erst m<strong>als</strong> richtet SAP jetzt den Einkauf von IT-<br />
Equip ment nach dem Lebens zyklus der Geräte<br />
aus. Das ist kein Trost für die Autobauer. Sie<br />
müssen sich bei SAP schon mit der nächsten<br />
Schrumpfkur auseinandersetzen.<br />
Extra-Boni sollten die weltweit rund 18.000<br />
Firmenwagenbesitzer dazu ermutigen,<br />
sich tiefer unter der 170-Gramm-Marke zu<br />
be wegen. SAP-Berater oder Vertriebs leute<br />
müssen trotz dem nicht auf die Sparweltmeister<br />
VW Polo oder Smart schielen. Eine standesgemäße<br />
Be förderung ist auch jetzt schon unter<br />
120 Gramm pro Kilometer zu haben.<br />
WIE SAP<br />
NACHHALTIGKEIT MANAGT:<br />
SAP hat im März 2009 ein Governance-<br />
Modell für <strong>Nachhaltigkeit</strong> etabliert.<br />
Ein Teil dieses Modells ist das<br />
„Sustainability Council“, das die wesentlichen<br />
Entscheidungen im Kontext von<br />
Nachhaltig keit trifft. Diesem Gremium<br />
gehören Vorstandsmitglieder (inklusive<br />
beider CEOs) sowie weitere Senior<br />
Executives an. Das Governance-Modell<br />
beinhaltet zudem auch führende<br />
Managementfunkt ionen, darunter den<br />
Chief Sustainability Officer (Peter Graf),<br />
den Head of Sustainability Operations<br />
(Daniel Schmid) und den Vice President<br />
Green-IT (Timo Stelzer).<br />
SAP definiert <strong>Nachhaltigkeit</strong> <strong>als</strong> das<br />
Steigern der kurz- und langfristigen<br />
Profitabilität durch das ganzheitliche<br />
Management der ökologischen, gesellschaftlichen<br />
und wirtschaftlichen<br />
Chancen und Risiken.<br />
www.sapsustainabilityreport.com<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
wird zum Wirtschaftsfaktor<br />
EINE NEUE STUDIE VON ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
UND DEM BUNDES VERBAND FÜR MATERIALWIRTSCHAFT, EINKAUF<br />
UND LOGISTIK (BME) ZEIGT: WIRTSCHAFTLICHES KALKÜL IST DER<br />
HAUPTTREIBER VON NACHHALTIGKEIT – WELTWEIT.<br />
Mehr <strong>als</strong> 250 Entscheider aus den Einkaufs -<br />
ab teilungen führender Unternehmen<br />
nahmen an der globalen Untersuchung teil.<br />
Gefragt waren Einschätzungen, wie Nach -<br />
haltigkeit das Einkaufsverhalten der Unter -<br />
nehmen beeinflusst, welche Ziele sie damit<br />
verbinden und wie sich die klassischen<br />
Orientierungsgrößen Preis/Kosten, Zeit/ -<br />
Liefertreue sowie Produktqualität konkret<br />
verändern. Wesentlichste Erkenntnis:<br />
69 Prozent der Unternehmen sind überzeugt:<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong> rechnet sich.<br />
Nicht nur die eigene Überzeugung, vor<br />
allem Markterfordernisse führen dazu,<br />
dass Einkaufsabteilungen besonders in<br />
West europa und Nordamerika über alle<br />
Branchen hinweg derzeit Modelle für eine<br />
nachhaltige Einkaufspolitik entwickeln.<br />
Vor allem: <strong>Nachhaltigkeit</strong> und Profitabilität<br />
schließen sich nicht aus. Für die überwältigende<br />
Mehrheit (83 Prozent) der<br />
von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />
und dem BME befragten Einkäufer ist<br />
„wirtschaftliches Kalkül“ der Haupttreiber<br />
ihrer <strong>Nachhaltigkeit</strong>sanstrengungen.<br />
Dahinter rangieren Kundenanforderungen<br />
(78 Prozent) und die eigene Unternehmen -<br />
s philosophie (77 Prozent) .Die Ergeb -<br />
nisse der Studie sind für den <strong>Roland</strong>-<br />
<strong>Berger</strong>-Partner <strong>Roland</strong> Schwientek ein<br />
Indiz, „wie konsequent <strong>Nachhaltigkeit</strong><br />
bereits heute im Einkauf um gesetzt<br />
wird.“ Und: „Die Bedeutung nimmt in den<br />
nächsten fünf Jahren signifikant weiter zu.“<br />
Zahl reiche Unternehmen schließen nur noch<br />
dann Kooperationen, wenn sich Ge schäfts -<br />
partner dem „Code of Conduct“ beugen –<br />
ein, so Schwientek, „weiteres Instru ment,<br />
Nach haltig keit in den Untern eh men zum<br />
Durch bruch zu ver helfen.“<br />
Schon heute bezieht gut ein Drittel der<br />
an der Studie beteiligten Unter nehmen<br />
(38 Prozent) seine direkten Zulieferer in<br />
seine <strong>Nachhaltigkeit</strong>saktivitäten ein.<br />
Die Inte gration mehrerer Lieferstufen<br />
steckt dagegen noch in den Kinderschuhen:<br />
Lediglich 20 Prozent haben Kontakt mit<br />
Lieferanten aus der zweiten und sogar nur<br />
5 Prozent aus der dritten Ebene. Auch der<br />
Implement ierungs grad im Einkauf variiert.<br />
In rund jeder zweiten Firma ist laut Studie<br />
Nach haltig keit in den Unter nehmenszielen<br />
verankert. In jeder dritten richtet sich auch<br />
der Einkauf danach. Doch nur jede zweite<br />
hat konkrete Handlungs felder und<br />
Aktivitäten daraus<br />
abgeleitet.<br />
38%<br />
der an der Studie<br />
beteiligten Unternehmen<br />
beziehen ihre direkten<br />
Zulieferer in<br />
83%<br />
der von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
und dem BME befragten<br />
Einkäufer nennen<br />
„wirtschaftliches Kalkül“<br />
<strong>als</strong> Hauptreiber ihrer<br />
<strong>Nachhaltigkeit</strong>sanstrengungen.<br />
ihre <strong>Nachhaltigkeit</strong>s -<br />
aktivitäten ein.
Who<br />
Fragen an Otmar Hauck,<br />
7<strong>COO</strong> KION Group<br />
OTMAR HAUCK, 55, Chief<br />
Operating Officer der KION Group, dem<br />
Marktführer in Europa und der Nummer<br />
Zwei weltweit im Segment Flurförderzeuge.<br />
Otmar Hauck startete seine berufliche<br />
Lauf bahn <strong>als</strong> Zeitsoldat bei der Bundeswehr<br />
und studierte dort Elektro technik an der<br />
Bundeswehr-Universität München. Nach<br />
Beendigung seiner Dienstzeit wechselte er<br />
zur Audi AG, wo er von 1986 bis 1992<br />
Führungspositionen im Personalwesen<br />
innehatte. Bis 2003 war er in verschiedenen<br />
Management positionen in der Produktion und<br />
im Personalwesen von Volkswagen tätig.<br />
Von 2004 bis 2007 arbeitete er in Mexiko, wo er das<br />
dortige Fahr zeugwerk von Volkswagen leitete.<br />
Von dort ging er nach Wolfsburg <strong>als</strong> Verantwortlich er<br />
für das Geschäfts feld Kunststoff bei der Volkswagen AG.<br />
In dieser Funktion war er verantwortlich für die Ent wick -<br />
lung und Herstellung von Kunststoffbauteilen und<br />
Modulen für die Marke Volkswagen.<br />
Seit 2009 ist er Mitglied der Geschäftsführung<br />
der KION Group.<br />
1. WARUM BRAUCHT<br />
KION SIE?<br />
Meine Funktion bei KION stellt die Klammer<br />
für drei Kernbereiche unseres Unterneh -<br />
mens dar, Entwicklung, Beschaffung und<br />
Produktion. Die enge Kooperation dieser<br />
Bereiche ist eine wesentliche Voraus setz -<br />
ung, um die Ziele unseres sehr ehrgeizigen<br />
Operational-Excellence-Programms zu<br />
er reichen. Dieses hilft uns dabei, unsere<br />
Pro dukte kosteneffizient herzustellen und<br />
damit für den weltweiten Wettbewerb fit zu<br />
bleiben. Gerade bei technisch anspruchs -<br />
vollen Produkten ist diese enge Verzahnung<br />
von Entwicklung, Beschaffung und Produk -<br />
tion absolut erforderlich, aber nicht immer<br />
selbstverständlich. Bei allem, was ich tue,<br />
spielen die Stichworte Qualität und Sicher -<br />
heit eine entscheidende Rolle – dabei<br />
ver stehe ich mich nie <strong>als</strong> isolierte Entschei -<br />
dungs instanz, sondern immer <strong>als</strong> Teil eines<br />
Führungsteams.<br />
2. HABEN SIE<br />
EINE ZUKUNFT?<br />
Oh, ja. Ich glaube zwar, dass der Titel <strong>COO</strong><br />
derzeit nur im angelsächsischen Sprach -<br />
gebrauch wirklich geläufig ist. Doch das<br />
ändert sich schnell. Ein <strong>COO</strong> ist sicher nicht<br />
in jedem Unternehmen sinnvoll und hilfreich.<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
Aber er wird allgemein sehr stark an<br />
Be deutung gewinnen. Die <strong>COO</strong>-Funktion ist<br />
nicht nur bestens BUSINESS geeignet, Sdie u s ta Vernetzung<br />
i n a b i l i t y<br />
33<br />
zwischen wichtigen operativen Kernpro -<br />
zessen im Unternehmen sicherzustellen,<br />
sondern sie ist auch Garant dafür, dass<br />
unternehmensweit bewährte Standards und<br />
Best-Practise-Prozesse umgesetzt werden.<br />
Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass<br />
die Einrichtung einer <strong>COO</strong>-Position auch für<br />
europäische Unternehmen – bei richtigem<br />
Zuschnitt der Funktion – ein guter Weg ist.<br />
3. WIE DEFINIEREN SIE<br />
IHRE ROLLE?<br />
Das spannendste an meinen Job, wie ich Ihn<br />
lebe, ist die Übersetzung von Marktan forder -<br />
ungen in ein echtes, handfestes, herausragendes<br />
Produkt, das die Zielkosten erreicht<br />
oder – noch besser – sogar darunter liegt.<br />
Dabei geht es immer darum, Prozesse und<br />
Standards kontinuierlich zu verbessern und<br />
nie stehen zu bleiben. Die Komplexität der<br />
Aufgabe ist die Herausforderung in diesem<br />
Job – und meine Antriebskraft zugleich.<br />
4. SITZEN SIE ZWISCHEN<br />
ALLEN STÜHLEN?<br />
Ganz im Gegenteil: Besonders <strong>als</strong> Initiator<br />
des unternehmensweiten Operational-<br />
Excellence-Programms verstehe ich mich<br />
<strong>als</strong> derjenige bei KION, der permanent nach<br />
den besten Verfahren und Abläufen sucht,<br />
sie optimiert, um sie danach zum Nutzen<br />
aller Standorte und Regionen einzusetzen.<br />
Damit entsteht für die operativ Verant wort -<br />
lichen ein echter Mehrwert, der ihnen bei der<br />
Erreichung ihrer Zielsetzung zugute kommt.<br />
Gleichzeitig nutzen wir beispielsweise durch<br />
die Zusammenfassung der Einkaufs funkti -
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 33<br />
onen aller Marken bestmöglich die Syner -<br />
gien, die unser Konzern bietet.<br />
5. WAS BESCHÄFTIGT SIE<br />
AM MEISTEN?<br />
Um die Auswirkungen der weltweiten<br />
Wirt schaftskrise zu bewältigen, hat KION<br />
frühzeitig ein Kostensenkungs- und Opti -<br />
mierungs programm aufgesetzt, das wir<br />
Schritt für Schritt weiter umsetzen.<br />
Gleichzeitig arbeiten wir auch in meinem<br />
Verantwortungsbereich an Maßnahmen,<br />
um die deutlichen Wachstumschancen in<br />
Regionen wie Asien, Osteuropa und Süd -<br />
amerika in vollem Umfang zu nutzen.<br />
Unsere Weichen stehen <strong>als</strong>o wieder auf<br />
Wachstum, aber wir bleiben wachsam und<br />
behalten die Entwicklung der internationalen<br />
Märkte im Auge. Aber das Ziel ist klar:<br />
Wir wollen Weltmarktführer werden.<br />
6. WIE NUTZEN SIE<br />
IHRE RESSOURCEN?<br />
Als Mitglied der Geschäftsführung bin ich<br />
nicht nur für die Bereiche Entwicklung,<br />
Einkauf und Produktion inklusive Qualitäts -<br />
sicherung, sondern auch für die Themen<br />
Umwelt und Sicherheit verantwortlich.<br />
Meine Aufgabe besteht darin, die lang -<br />
fristigen Ziele und Strategien mit meinen<br />
Mitar beitern zu definieren und sie bei der<br />
Umsetz ung zu unterstützen. Sustain ability<br />
ist dabei ein zentrales Thema. Jedes Unter -<br />
nehmen sollte sich heute damit auseinandersetzen.<br />
Für uns heißt das vor allem:<br />
neue Fertigungsverfahren und die Verwendung<br />
umwelt schonender Materialien sowie<br />
um weltfreundliche Produkte. Heute verbraucht<br />
beispielsweise ein Stapler aus dem<br />
KION-Konzern im Vergleich zu anderen<br />
Produkten auf dem Markt rund 40 Prozent<br />
weniger Energie bei mindestens gleicher<br />
Umschlag leistung. Ein wesentliches Feld<br />
unserer Zukunftssicherung ist es, diesen<br />
Vorsprung weiter konsequent auszubauen<br />
und kontinuierlich nach neuen Wegen zu<br />
STECKBRIEF: KION<br />
suchen, um nachhaltige Produkte anzubieten.<br />
Nachhaltig zu wirtschaften bedeutet<br />
für KION, unsere Energie- und Ressourcen -<br />
effizienz kontinuierlich zu steigern, um<br />
dadurch auch morgen noch im Geschäft<br />
zu sein.<br />
7. WOFÜR STEHEN SIE?<br />
Für das permanente Streben nach Verbes -<br />
serung durch konsequentes Lösen von<br />
Problemen. Das macht uns in allen Unter -<br />
nehmensbereichen langfristig noch erfolgreicher<br />
und bringt uns unserem Ziel der<br />
Marktführerschaft Schritt für Schritt näher.<br />
Die KION Group GmbH ist ein weltweit führender Anbieter von<br />
Gabelstaplern, Lagertechnikgeräten und anderen Flurförderzeugen<br />
und Markt führer in Europa. Unter dem Dach der KION Group sind<br />
seit 2006 die drei Gabelstaplermarken Linde, Still und OM gebündelt.<br />
Unternehmenssitz ist in Wiesbaden.<br />
Mit der Integration des chinesischen Joint<br />
Ventures KION Baoli (Jiangsu) Forklift Co., Ltd.<br />
(im Januar 2009) ist die KION Group außerdem<br />
größter ausländischer Gabelstapler produzent<br />
in China.<br />
KION hat im Geschäftsjahr 2009 mit den<br />
Stapler marken Linde, Still, OM und Baoli mit rund 20.000 Mitar beit -<br />
ern einen Umsatz von mehr <strong>als</strong> 3,1 Mrd. Euro erzielt.<br />
Das Wort KION stammt aus der Sprache der Massai. Für das ostafrikanische<br />
Krieger- und Nomadenvolk bedeutet "Kion(gozi)"<br />
so viel wie "Führung übernehmen".<br />
www.kiongroup.com
What<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
Blick in die<br />
Werkstatt<br />
Die Automobilindustrie boomt – Zulieferer sehen trotzdem mageren<br />
Zeiten entgegen. Die Krise hat die Liquidität des Mittelstands aufgezehrt<br />
– die Reserven in den Betrieben aber sind enorm.<br />
Der Blick über den Tellerrand erhöht die Schlagkraft von Organisationen –<br />
doch die meisten Abteilungen bleiben unter sich: Exklusive Studien von<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Stategy Consultants bieten Perspektiven und<br />
Standortbestimmungen für das Management – und auch die Antwort auf<br />
die Frage, woher die Managementphilosophie der Zukunft kommt.
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 35
g What<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
Auto-Zulieferer:<br />
Keine Entwarnung nach der Krise<br />
DIE BOOMENDEN AUTOMÄRKTE CHINA, INDIEN UND BRASILIEN VERSETZEN FAHRZEUGHERSTELLER WIEDER<br />
IN PARTYLAUNE. ZULIEFERER GUCKEN ZU: IHRE ZUKUNFT SIEHT ALLES ANDERE ALS ROSIG AUS.<br />
AMERIKA<br />
˜25<br />
2007 2008 2009<br />
˜55<br />
˜70<br />
˜20 ˜40<br />
˜25 ˜25<br />
˚2007 2008 2009<br />
2007 2008 2009<br />
INSOLVENZEN IN DER AUTOMOBILZULIEFERERINDUSTRIE 2007-2009<br />
Ungefähr 350 Zulieferer weltweit haben die globale Wirtschaftskrise nicht überstanden<br />
Quelle: <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
„Die Autobranche erholt sich. Die Zulieferer stehen<br />
jedoch vor großen Herausforderungen“,<br />
heißt es in einer Studie von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> und<br />
der US-Investmentbank Lazard. Der weiter steigende<br />
Druck der Fahrzeughersteller belastet<br />
die Margen. Gleichzeitig müssen Zulieferer rund<br />
um den Globus bis 2015 ein Refinanzierungs -<br />
vo lumen von schätzungsweise 130 Mrd. Euro<br />
stemmen – ein Kraftakt.<br />
Dabei hat die Branche allen Grund, mit sich<br />
zufrieden zu sein. Zwar hat sie während der<br />
Krise weltweit rund 200 Mrd. Euro Umsatz,<br />
75 Mrd. Euro EBIT (Gewinn vor Zinsen und<br />
Steuern) sowie und 15 Mrd. Euro Eigenkapital<br />
eingebüßt. 350 Unternehmen fielen dem rüden<br />
EUROPA<br />
˜45<br />
˜100<br />
JAPAN<br />
Absturz der Weltautomobilmärkte zum Opfer.<br />
Doch inzwischen hat sich die Lage deutlich<br />
entspannt, in Europa und Nordamerika sogar<br />
massiv.<br />
Selbst im Katastrophenjahr 2009 erzielt das<br />
Gewerbe einen positiven Free Cashflow.<br />
Investitionen wurden gekappt, Working-Capital-<br />
Maßnahmen optimiert, die Kosten erneut<br />
ge schliffen. Folge: "Die Umsätze der Zulieferer<br />
haben weltweit nahezu wieder das Vorkrisen -<br />
niveau erreicht. Die Profitabilität wird mit einer<br />
Umsatzrendite von etwa sechs Prozent im Jahr<br />
2010 möglicherweise sogar einen neuen<br />
Rekord markieren", sagt Marcus Berret, Partner<br />
bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants.<br />
Freude mag dennoch nicht so richtig aufkommen.<br />
Die EBIT-Marge von durchschnittlich<br />
sechs Prozent ist nur auf den ersten Blick<br />
wirklich gut, zumal das Zuliefergeschäft hohe<br />
Sach investitionen und enorme Ausgaben für<br />
For schung und Entwicklung erfordert. Andere<br />
Industrien sind längst an höhere Margen<br />
gewöhnt. Gleichzeitig nimmt der Preisdruck<br />
der Hersteller extreme Züge an. Selbst großzügig<br />
eingeräumte Rabatte führten nicht<br />
mehr automatisch zu einem Auftrag. Zulieferer<br />
überlegen inzwischen auf breiter Front, ob<br />
gewisse Ge schäfte überhaupt noch lohnenswert<br />
für sie sind. Wer sich wehrt, landet<br />
schnell im Aus.<br />
Dazu kommt: Echte Konsolidierung ist trotz<br />
der Krise ausgeblieben. Jedes fünfte Unter -<br />
nehmen der globalen Zulieferbasis gilt noch<br />
immer <strong>als</strong> strukturschwach. Sie sind besonders<br />
gefährdet, sobald die Absatzzahlen der<br />
Hersteller wieder in eine andere Richtung<br />
deuten: nach unten. Die Schere zwischen den<br />
Besten der Branche und den Nachzüglern<br />
öffnet sich immer weiter. Die Krise hat den<br />
Trend nur verstärkt.<br />
Dass sich Hersteller damit ins eigene Fleisch<br />
schneiden, glaubt <strong>Berger</strong>-Partner Berret nur<br />
begrenzt: „In der Krise haben die Autokonzerne<br />
ihren Zulieferern geholfen. Und im Notfall müssen<br />
sie den Betrieb aufrecht erhalten – gerade,<br />
wenn das betroffene Unternehmen in seinem<br />
Segment eine gewisse Bedeutung hat. Aber bis
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 37<br />
zu dem Punkt, wo es existenziell knirscht, werden<br />
die Autohersteller die Schrauben anziehen.“<br />
So brutal es klingt: Sie haben kaum eine andere<br />
Wahl. Rücksichtsvoller Umgang hilft dem<br />
Wettbewerber. Der verlässt sich dann darauf,<br />
dass ein anderer Hersteller bessere Preise<br />
bezahlt und drängt selbst auf immer höhere<br />
Rabatte. Resultat: Für Investoren und Eigen -<br />
tümer nimmt die Branche immer weiter an<br />
Attraktivität ab.<br />
Verborgene Schätze<br />
DIE KRISE HAT DIE LIQUIDITÄT AUFGEZEHRT.<br />
VIELE MITTELSTÄNDLER KLAGEN ÜBER DIE<br />
KREDITKLEMME. SIE ÜBERSEHEN:<br />
RESERVEN STECKEN IM UNTERNEHMEN SELBST<br />
Die Studie kommt daher zu dem Schluss,<br />
dass Zulieferer ihre operative Leistung weiter<br />
verbessern, ihre Preisdisziplin steigern und<br />
sich auf profitable Geschäfte konzentrieren<br />
sollten, statt um jedes einzelne Projekt zu<br />
kämpfen. Zudem müssen sie sich intensiv um<br />
neue Finanzierungsquellen bemühen.<br />
Berater Berret: "Autohersteller sollten außerdem<br />
die Zusammenarbeit mit ihren<br />
Zulieferern intensivieren und sich<br />
verstärkt um eine Verbes -<br />
60 Mrd.<br />
Euro Cash für den<br />
Aufschwung benötigt der<br />
deutsche Mittelstand nach<br />
einer neuen Studie von<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
serung des Zustands strukturschwacher<br />
Produktsegmente bemühen, indem sie eine<br />
echte Konsolidierung zulassen und unter -<br />
stützen."<br />
120 Mrd.<br />
an Liquiditätsreserven bleiben<br />
nach Schätzungen von<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
ungenutzt<br />
Mittelstand auf Magerkur:<br />
Rund 60 Milliarden Euro benötigen nach<br />
Einschätzung von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />
Consultants die Unternehmen bis 2012 für<br />
den Kauf von Rohstoffen, Betriebsmitteln<br />
und Invest itionsgütern – Geld, das nicht da<br />
ist. Die Krise hat die Liquiditätspolster auf -<br />
gezehrt. Viele Unternehmen stecken in der<br />
Kredit klemme. Ausgerechnet in der wieder<br />
anziehenden Konjunktur blockiert die häufig<br />
fehlende Finanzierung von Vorleistungen<br />
den Aufschwung.<br />
Häufig liegt das Geld auf der Straße. <strong>Roland</strong><br />
<strong>Berger</strong> und der Auskunfts- und Inkasso-<br />
Dienstleister Creditreform haben in einer<br />
über die vergangenen vier Jahre groß angelegten<br />
Umfrage unter 2.500 Unternehmen<br />
und 300 Führungskräften festgestellt:<br />
Die ungenutzten Liquiditätsreserven sind<br />
enorm. Working Capital, das Management<br />
von Beständen, Forderungen und Verbind -<br />
lich keiten, wird unterschätzt.<br />
Zwar ging bei den befragten Unternehmen<br />
die durchschnittliche Kapitalbindung zwischen<br />
2006 und 2009 von 64 auf 56 Tage<br />
zurück. Auch verringerte sich der Anteil<br />
verspäteter Zahlungen. Doch noch immer<br />
ist das Kapital großer Firmen im Schnitt nur<br />
halb so lange gebunden wie im deutschen<br />
Mittelstand.<br />
Die gute Nachricht: „Die meisten Unterneh -<br />
men haben ihr Liquiditäts manage ment in<br />
der Krise deutlich verbessert", sagt <strong>Roland</strong><br />
Schwientek, Partner im Kompetenz zentrum<br />
Operations Strategy bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
Strategy Consultants.<br />
Die schlechte: „Der deutsche Mittelstand hat<br />
noch viel nach zuholen.“ Auf der anderen<br />
Seite bietet dieses ungenutzte Potenzial nun<br />
Chancen, zur Finanzierung des Wachstums<br />
beizutragen.<br />
Working Capital steht bei jedem Unter n eh -<br />
men mit mehr <strong>als</strong> 200 Millionen Euro<br />
Jahresumsatz auf der Agenda. Kleinere<br />
Firmen kümmern sich weniger darum –<br />
oder gar nicht. Konzerne betreiben ihr<br />
Liquiditätsmanagement professionell.<br />
„Klassische Mittelständler“, so Schwientek,<br />
„konzentrieren sich dagegen oft noch auf<br />
Umsatz und Wachstum."<br />
Nahrungsmittelhersteller (7 Tage) und<br />
Handel (16 Tage) verzeichnen im Branchen -<br />
vergleich die geringste Kapitalbindungs -<br />
dauer, Bekleidungshersteller (57) die längste.<br />
Im Maschinenbau arbeitet eine Reihe<br />
von Unternehmen mit einer nur halb so<br />
langen Kapitalbindung wie der Durchschnitt<br />
der Branche, während andere den Schnitt<br />
um 600 Prozent toppen. Über alle Branchen<br />
hinweg bleiben nach Schätzungen von<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> rund 120 Milliarden Euro an<br />
Liquiditätsreserven ungenutzt.
g<br />
What<br />
ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS<br />
Viele wollen das nicht wahrhaben. Fast 90<br />
Prozent der von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> und Credit -<br />
reform Befragten sind überzeugt, ihr Forder -<br />
ungsmanagement habe sich in den vergangenen<br />
drei Jahren deutlich verbessert oder<br />
befinde sich zumindest auf dem Stand von<br />
2007. Bilanzanalysen zeigen etwas anderes:<br />
Nur zwei Drittel der Mittelständler können<br />
„Die Befähigung der Mitarbeiter zu effizienter<br />
Zusammenarbeit über den eigenen Funk ti -<br />
ons bereich hinaus wird immer wichtiger“,<br />
sagt Thomas Rinn, Partner von <strong>Roland</strong><br />
<strong>Berger</strong> Strategy Consultants. Doch Wunsch<br />
und Wirklichkeit trennen Welten. Eine Studie<br />
mit 20 Unternehmen in Deutschland aus<br />
unterschiedlichen Bran chen ergab: Eigen -<br />
sinn geht vor Gemeinwohl. So geben 85<br />
Prozent der befragten Untern ehmen an:<br />
Mitarbeiter fühlen sich hauptsächlich ihrer<br />
das tatsächlich von sich behaupten.<br />
Alle ander en haben sich verschlechtert, und<br />
das sogar signifikant.<br />
Schon eine um fünf bis zehn Prozent kürzere<br />
Kaptalbindung kann den kompletten Finanzierungsbedarf<br />
abfedern, den eine Um -<br />
satz steigerung um zehn Prozent mit sich<br />
Über den Tellerrand hinaus<br />
ALLE REDEN DAVON, WENIGE TUNS WIRKLICH:<br />
CROSS-FUNKTIONALES ARBEITEN MACHT ORGANISATIONEN SCHLAG -<br />
KRÄFTIGER. ENTTÄUSCHEND: DIE MEISTEN ABTEILUNGEN KOMMEN NICHT<br />
ÜBER IHREN TELLERRAND HINAUS.<br />
eigenen Funktion wie Einkauf, Produktion<br />
oder Vertrieb zugehörig und arbeiten nur be -<br />
grenzt an gemeinsamen Zielen.<br />
Entsprechend halten fast genauso viele<br />
Teilnehmer (81 Prozent) den aktuellen Stand<br />
cross-funktionaler Zusammenarbeit für<br />
unzureichend. Fehlende Anreize, die Angst<br />
der Manager vor Machtverlust oder schlicht<br />
mangelnde Kapazi täten verhindern enge<br />
Kooperationen oder den effizienten Wissensund<br />
Ge danken austausch über die eigenen<br />
bringt. Automatisiertes Forderungs manage -<br />
ment und niedrigere Bestände durch eine<br />
optimierte Auftragsplanung können schnell<br />
Liquidität freisetzen. „Künftig wird aber auch<br />
ein professionelleres Screening der Kunden -<br />
basis auf Kredit würdigkeit eine wichtigere<br />
Rolle spielen", weiß <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Partner<br />
Schwientek.<br />
Grenzen hinweg. Statt den Austausch mit<br />
Andersdenkenden zu suchen, verharren<br />
Abteil ungen viel zu oft im eigenen Saft.<br />
Schlagkräftige Organisations strukturen<br />
sehen anders aus. "Hauptziel eines modernen<br />
Management-Systems ist die verstärkte<br />
Integration der Funktionen“, sagt Jochen<br />
Gleisberg, ebenfalls Partner von <strong>Roland</strong><br />
<strong>Berger</strong>. „In unserer Studie haben sich vor<br />
allem die primäre Organisationsstruktur,<br />
kooperationsunterstützende Rollen sowie<br />
das HR Management <strong>als</strong> entscheidende<br />
Stellhebel gezeigt." Abhängig von der Indu -<br />
strie werden beispielsweise Netzwerk- und<br />
Prozessorganisationen nach Überzeugung<br />
von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />
deutlich an Bedeutung gewinnen.<br />
Schon früher haben<br />
sich nur wenige getraut,<br />
mal über den Tellerrand<br />
hinaus zu schauen,<br />
um den eigenen Horizont<br />
zu erweitern.<br />
★<br />
★<br />
★<br />
Auch die Rolle des "Kümmerers" wird<br />
wichtiger: Mitarbeiter, die Aufgaben operativ<br />
in cross-funktionalen Teams vorantreiben<br />
und dabei zwischen verschiedenen<br />
Stakeholdern moderieren. Entscheidend<br />
ist auch die Bef ähigung der Mitarbeiter,<br />
Aufgaben in wenig strukturierten Umfeldern<br />
und ohne direkte Weisungsbefugnisse<br />
gegenüber anderen erfolgreich anzugehen.<br />
<strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Projektmanager Sebastian<br />
Durst: "Mitarbeiter, die diese Fähigkeit<br />
mitbringen, werden immer wertvoller.<br />
Weit sichtige Unternehmen bereiten sich<br />
schon heute darauf vor."
think: act BUSINESS S u s ta i n a b i l i t y 3 9<br />
Kiosk<br />
Chinesische<br />
Managementrevolution<br />
NACH EINEM VIERTELJAHRHUNDERT BE-<br />
RATUNG IN CHINA BEOBACHTEN WIR EINE<br />
INTERESSANTE ENTWICKLUNG UND VER-<br />
ÄNDERUNG DER MANAGEMENTSTRATEGIE<br />
IN DIESEM LAND<br />
China entwickelt sich, nach unserer Einschätzung,<br />
zur Avantgarde einer neuen<br />
Managementphilosophie. Die wachsende<br />
Green Growth, Green Profit<br />
WIR STEHEN AM BEGINN EINER ÖKONOMI-<br />
SCHEN ZEITENWENDE. DIE ENTWICKLUNG<br />
ZUM GREEN BUSINESS IST AUS UNSERER<br />
SICHT UNUMKEHRBAR.<br />
Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern<br />
auch für die Unternehmen in diesen<br />
Märkten, wie unsere exklusive Befragung<br />
von 1.300 Unternehmen und 200<br />
Forschungseinrichtungen gezeigt hat.<br />
Das wesentliche Ergebnis: Der Umsatz der<br />
globalen Umweltindustrie wird sich bis zum<br />
Jahr 2020 mehr <strong>als</strong> verdoppeln, auf dann<br />
3.100 Milliarden Euro. Im Jahr 2007 setzte<br />
Supply Chain Management ist eine Königsdisziplin<br />
des Managements. Und ein strategischer<br />
Wettbewerbsvorteil dazu. Aber nur,<br />
wenn auch der Supply Chain Fit gelingt!<br />
Skepsis gegenüber dem amerikanischen<br />
Managementmodell, verbunden mit der<br />
größten Wirtschafts- und Finanzkrise,<br />
die ihren Ursprung in den USA hatte, und<br />
kombiniert mit kulturellen Wurzeln, u.a.<br />
der Dreieinigkeit von Geist, Land und<br />
Energie, führen dazu, dass mehr und mehr<br />
chinesische Unternehmer ein eigenes<br />
Managementmodell verfolgen. In seinem<br />
in Kürze erscheinenden Buch "Chiná s<br />
die Umweltindustrie weltweit 1.400 Milliarden<br />
Euro um, in Deutschland waren es<br />
fast 270 Milliarden Euro. Rund 300.000<br />
Menschen sind hierzulande allein im Bereich<br />
erneuerbarer Energien beschäftigt. Weltweit<br />
sind es 2,3 Millionen.<br />
Um die Potenziale der Green Economy für<br />
Deutschland voll zu erschließen, ist koordiniertes<br />
Vorgehen auf vielen Feldern nötig.<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants hat<br />
umfangreiche Analysen und Studien zu<br />
diesen Fragen erstellt. Wie können die<br />
bestehenden Wettbewerbsvorteile in größeres<br />
Wachstum und neue Beschäftigung<br />
think:act CONTENT: Supply Chain Management<br />
Das neue und interessante Ergebnis einer<br />
exklusiven Studie von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>, der<br />
WHU Otto Beisheim School of Management<br />
in Vallendar bei Koblenz, der Eidgenössischen<br />
Technischen Hochschule (ETH) Zürich<br />
und der in Kalifornien beheimateten Stanford<br />
University lautet: Aus dem Kostenkiller<br />
wird ein Gewinntreiber! Best-Practice-Unternehmen,<br />
die ihre Lieferkette konsequent<br />
segmentieren und an den Produktmerkmalen<br />
ausrichten, erzielen überdurchschnittliche<br />
Erfolge. Bei diesen Unternehmen ist<br />
Management Revolution" erläutert Charles-<br />
Eduard Bouée, Partner von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
Strategy Consultants in China, seine<br />
Beobachtungen und analysiert mögliche<br />
Konsequenzen.<br />
Titel: China´s Management Revolution<br />
– Spirit, Land, Energy<br />
Autor: Charles-Eduard Bouée, Member of the Global<br />
Executive Committee of <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />
Consultants and President of Asia<br />
http://think-act.com/fresh-thinking-for-decision-makers/think-act-books/chinas-management-revolution/content.html<br />
verwandelt werden? Welche Themenfelder<br />
bieten sich dafür besonders an?<br />
Welche Märkte haben die größten Chancen?<br />
Lesen Sie unsere Antworten in unserem<br />
aktuellen Buch!<br />
Titel: Green Growth,<br />
Green Profit –<br />
How Green<br />
Transformation<br />
Boosts Business<br />
Autor: <strong>Roland</strong><br />
<strong>Berger</strong> Strategy<br />
Consultants,<br />
International<br />
Green Team<br />
http://think-act.com/fresh-thinking-for-decision-makers/think-act-books/green-growth-green-profit/content.html<br />
die Gesamtkapitalrendite (ROA) doppelt so<br />
hoch wie bei Unternehmen ohne Supply<br />
Chain Fit – einem von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />
Strategy Consultants entwickelten Ansatz,<br />
Lieferketten exakt auf das Geschäftsmodell<br />
des jeweiligen Unternehmens auszurichten.<br />
>> Lesen Sie die weiteren Ergebnisse<br />
unserer Untersuchung in unserem aktuellen<br />
think:act CONTENT Supply Chain<br />
Management.<br />
http://www.think-act.info/