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editorial - Saarländischer Chorverband

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EDITORIAL<br />

Vor 25 Jahren reiste Karl-Heinz Omlor in<br />

seiner Eigenschaft als Vorsitzender des<br />

Sängerkreises Homburg und Gesamtvorstandsmitglied<br />

des Saar-Sänger-Bundes<br />

(SSB) auf eigene Kosten in die DDR, um<br />

in Burkhardswalde (Sachsen) Ehrungen<br />

und eine Fahnenweihe im Namen des<br />

Deutschen Sängerbundes (DSB) durchzuführen.<br />

„Da dies in der DDR als unerlaubte<br />

Amtshandlung galt, riskierte ich<br />

meine Freiheit und Existenz“, so Omlor.<br />

Ein Gast aus der DDR, Feodor Ermer,<br />

hatte beim Chorfest „125 Jahre Deutscher<br />

Sängerbund“ 1987 in Coburg um<br />

die Ehrungen und die Fahnenweihe<br />

durch einen DSB-Vertreter gebeten, angesichts<br />

der politischen Situation aber<br />

keine feste Zusage erhalten, denn der<br />

DSB war in der DDR verboten. Omlor<br />

schlug vor, einen Besuch bei seinen Verwandten<br />

in Leipzig mit dem Besuch in<br />

Burkhardswalde zu verbinden. DSB und<br />

SSB stellten die erforderlichen Ehrennadeln<br />

und Urkunden zur Verfügung.<br />

Damit war die Idee zu der Reise geboren,<br />

mit der Omlor, der im Gegensatz zu<br />

vielen damals noch an die Wiedervereinigung<br />

glaubte, „den Menschen dort<br />

auch das Gefühl zu vermitteln“ suchte,<br />

dass man sie im Westen noch nicht abgeschrieben<br />

habe. Nachfolgend einige<br />

Auszüge aus seinem Bericht. Red.<br />

Rechtszeitig im Frühjahr 1988 haben<br />

meine Verwandten in Leipzig die Einreise<br />

in die DDR vom 3. bis 7. Juni<br />

1988 beantragt. Den Schriftverkehr<br />

mit Burkhardswalde zu meinem Kommen<br />

führte ich über die Anschrift<br />

meiner Eltern, um einer Zensur durch<br />

die Stasi zu entgehen. Die Urkunden<br />

und Ehrennadeln musste ich dann so<br />

im Auto verstauen, dass sie an der<br />

Grenze von den Beamten der DDR<br />

nicht zu finden waren. Ich begann<br />

nun meine Reise am späten Abend des<br />

2. Juni 1988 in Richtung Nürnberg /<br />

Hof, da ich den Grenzübergang Hirschberg<br />

benutzen musste. Zwischen 4<br />

und 5 Uhr kam ich an der Grenze in<br />

Hirschberg an. An der ostdeutschen<br />

Grenzkontrolle angekommen, nachdem<br />

ich den Slalom durch die Sperren<br />

passiert hatte, musste ich zunächst<br />

einmal eine halbe Stunde warten.<br />

Nachdem sich ein Grenzer bereit fand,<br />

zu mir zu kommen, musste ich ihm<br />

Einreisevisum, Reisepass, Führerschein<br />

und Zulassung des Autos aushändigen.<br />

Dann durfte ich weiter vorfahren<br />

zur Zollkontrolle. Als erstes<br />

musste ich den Kofferraum öffnen,<br />

die Koffer herausnehmen und das Ersatzrad<br />

zeigen. Dann musste ich den<br />

Rücksitz herausnehmen. Nachdem der<br />

Zollbeamte nun mein Handschuhfach<br />

durchsucht, die Gummimanschette<br />

über dem Schalthebel ab- und anmontiert,<br />

den festgeklebten Teppichboden<br />

der Beifahrerseite gelöst und zurück<br />

befestigt hatte, musste ich die<br />

Motorhaube öffnen.<br />

Die in einem Schlüsseletui versteckten<br />

Ehrennadeln und die Urkunden unter<br />

dem Schonbezug des Fahrersitzes blieben<br />

zum Glück unentdeckt. Bei der Weiterfahrt...<br />

... merkte ich hinter mir ein Auto der<br />

Volkspolizei. Diese hatte ich nun abwechselnd,<br />

bis ich die Autobahn bei<br />

Leipzig verließ, hinter mir. Nach der<br />

Ankunft und Begrüßung meiner Verwandten<br />

fuhr ich dann nach Delitzsch,<br />

um den Zwangsumtausch zu<br />

tätigen und den Aufenthalt in der<br />

DDR anzumelden. Der darauffolgende<br />

Tag stand ganz im Zeichen der Weiterreise<br />

nach Burkhardswalde. In Begleitung<br />

meines Vetters und dessen Ehefrau<br />

fuhr ich über die fast leere<br />

Autobahn in Richtung Dresden. An<br />

der Autobahn Dresden-Altstadt wurden<br />

wir von einer Abordnung des Männerchors<br />

„Sängerbund Burkhardswalde“<br />

freundlichst begrüßt. Der Initiator<br />

des Ganzen, Feodor Ermer, lotste mich<br />

nun durch Dresden nach Burkhardswalde,<br />

wo alles auf den Besuch aus<br />

der Bundesrepublik vorbereitet war.<br />

Unter Mitwirkung von vier Chören<br />

fanden am darauffolgenden Tag die<br />

Feierlichkeiten statt. Mir wurde versichert,<br />

dass alle Anwesenden verlässlich<br />

seien und dicht halten würden.<br />

Der Männerchor Sängerbund<br />

Burkhardswalde unter der Leitung<br />

von Egon Häusler eröffnete das Programm.<br />

Danach erfolgte die Begrüßung<br />

der Gäste durch Feodor Ermer.<br />

Nach dem Türmerlied und dem Bundeslied<br />

von Mozart wurde unter großem<br />

Beifall der anwesenden Chöre<br />

durch mich als Vertreter des DSB und<br />

des SSB die Fahnenweihe vollzogen.<br />

Nach dem Festspruch von Georg Döring<br />

wurden dann vier Sänger für<br />

über 50 Jahre aktives Singen mit der<br />

Ehrennadel in Gold und Onyx des DSB<br />

und 12 Sänger mit der silbernen Ehrennadel<br />

des SSB für über 30 Jahre Treue<br />

zum Chorgesang ausgezeichnet. Die<br />

Ergriffenheit aller Sänger während<br />

der Fahnenweihe und der Ehrung ließ<br />

den Anwesenden klar werden, wie ernst<br />

den Beteiligten die Sache war.<br />

Nach dem Festakt begaben sich die<br />

Chöre zum Friedhof, um den verstorbenen<br />

Sängerkameraden zu gedenken.<br />

Danach sangen die Chöre aus Burkhardswalde,<br />

Glashütte und Großenhain<br />

unter der Leitung von Egon<br />

Häusler in der nahegelegenen Kirche<br />

„Die Himmel rühmen“, „Das ist der<br />

Tag des Herrn“ und die „Nacht“ von<br />

Schubert. Nach etwa zwei Stunden<br />

Pause gestalteten die Chöre „Frauenchor<br />

Burkhardswalde“, „Männerchor<br />

Großenhain“, „Männerchor Glashütte“<br />

Vor 25 Jahren<br />

Freiheit und Existenz riskiert<br />

und der Jubiläumschor ein Freundschaftssingen.<br />

Im Verlauf dieses Freundschaftssingen<br />

wurden dann eine Anzahl<br />

von Sängern von den staatlichen<br />

Vertretern der DDR geehrt. Ich hatte<br />

dabei das Gefühl, der ständigen Beobachtung<br />

ausgesetzt zu sein.<br />

Als ich am nächsten Tag meine Rückreise<br />

nach Leipzig antrat, war nicht<br />

nur der Chorleiter, sondern eine große<br />

Zahl der Sänger erschienen, um mir<br />

für mein Kommen zu danken und<br />

mich zu verabschieden. Die Angst im<br />

Gefühl, dass die DDR-Funktionäre<br />

Nachforschungen über mein Tun bei<br />

dem Jubiläum anstellen könnten, zwang<br />

mich am darauffolgenden Tag meine<br />

Heimreise anzutreten. Ich musste<br />

wieder über Hirschberg die DDR verlassen.<br />

Dort angekommen ging das<br />

selbe Prozedere wie bei der Einreise<br />

los. Als dann die Aufforderung zum<br />

Weiterfahren kam, war ich sichtlich<br />

erleichtert. Zu Hause angekommen,<br />

wurde mir erst richtig bewusst, welches<br />

Risiko ich eingegangen war. Bei<br />

einem späteren Besuch in Burkhardswalde,<br />

nachdem die Grenze offen war,<br />

habe ich dann erfahren, dass einige<br />

Tage nach meiner Abreise von Seiten<br />

der DDR-Behörden Erkundigungen<br />

über meine Anwesenheit und mein<br />

Handeln eingeholt worden waren.<br />

Dies war für mich die Bestätigung,<br />

dass meine Vorsicht volle Berechtigung<br />

hatte.<br />

Karl-Heinz Omlor<br />

CHOR AN DER SAAR 2/2013<br />

SEITE 21

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