Entscheidung BVerfG zum FFG - AG Kurzfilm
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Das Bundesverfassungsgericht<br />
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20140128_2bvr156112.html<br />
Seite 10 von 37<br />
29.01.2014<br />
sie Erfolgswahrscheinlichkeiten berechnen und Risiken minimieren könne; so sei etwa die Eigenschaft<br />
eines Films als Fortsetzung eines erfolgreichen Vorgängerfilms (sog. Sequel) ein nachgewiesener<br />
Erfolgsfaktor.<br />
43<br />
b) Darüber hinaus genüge das Filmförderungsgesetz 2004 nicht den Anforderungen des Art. 72 Abs. 2<br />
GG n. F. Zur Wahrung der Wirtschaftseinheit als dem einzig in Betracht kommenden<br />
Erforderlichkeitsgesichtspunkt liege ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers erst dann im<br />
gesamtstaatlichen Interesse, wenn Landesregelungen oder ein Untätigbleiben der Länder erhebliche<br />
Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich brächten oder wenn gerade durch unterschiedliches Recht in<br />
den Ländern eine Gefahrenlage entstünde.<br />
44<br />
Das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG n. F. sei umfassend gerichtlich überprüfbar.<br />
Zwar komme dem Gesetzgeber in prognostischer Hinsicht eine Einschätzungsprärogative zu. Das<br />
Bundesverwaltungsgericht verkenne aber, dass dies nur insoweit gelte, als der Gesetzgeber seiner<br />
Prognose sorgfältig ermittelte Sachverhaltsannahmen zugrundegelegt, die Prognose methodisch auf ein<br />
angemessenes Prognoseverfahren gestützt und sie konsequent verfolgt habe, ohne sachfremde<br />
Erwägungen einfließen zu lassen. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Gesetzgeber betone<br />
zwar, dass der deutsche Film als Kulturwirtschaftsgut im In- und Ausland gefördert und mit der von<br />
regionalen Standortbindungen unabhängigen Bundesförderung die Entstehung gleichwertiger<br />
Filmproduktionen in allen Bundesländern erreicht werden solle. Letzteres sei zur Wahrung der<br />
Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse aber weder erforderlich noch geeignet. Es drohe bereits<br />
kein Schaden für die Gesamtwirtschaft, wenn das Bundesfördersystem für deutsche Kinospielfilme entfiele.<br />
Etwaigen Nachteilen, denen der Wirtschaftssektor möglicherweise ausgesetzt sei, werde ohnehin bereits<br />
mit verschiedenen Fördersystemen der Länder begegnet. Dass die deutsche Filmwirtschaft mit<br />
nachteiligen Folgen für die Gesamtwirtschaft zusammenbräche, wenn sie nur mit der Länderförderung<br />
leben müsste, sei nicht ersichtlich. Dann aber bleibe unklar, was eine mit Zwangsbeiträgen finanzierte<br />
Bundesfilmförderung noch leisten solle. Soweit geltend gemacht werde, dass die Förderung nach dem<br />
Filmförderungsgesetz die mit den Standortbindungen der Länderförderung verbundenen Nachteile<br />
ausgleiche, werde verkannt, dass jeder Standort in Deutschland potenziell in den Genuss einer<br />
Länderförderung gelangen könne. Die Bundesförderung führe insoweit lediglich zu Mitnahmeeffekten.<br />
Präferenzen für die klassischen Produktionsstandorte München und Berlin/Potsdam könne ein<br />
Fördersystem des Bundes so wenig durchbrechen wie die gezielt regional ausgerichtete langjährige<br />
Filmförderung eines Bundeslandes wie Nordrhein-Westfalen. Dem Gesetzgeber gehe es demnach nicht<br />
um die Zielvorgabe der Wirtschaftseinheit, sondern um die Erhaltung der kulturellen Vielfalt des deutschen<br />
Films. Dem Vierten Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes ebenso wie allen nachfolgenden<br />
Änderungsgesetzen liege auch keine hinreichende Analyse der angeblich bedrohten Wirtschaftseinheit<br />
zugrunde. Der Gesetzgeber verweise insoweit nur auf Gespräche mit Verbänden der Filmwirtschaft sowie<br />
mit Vertretern der Länder und der Filmförderung der Länder und nehme deren, aus wirtschaftlicher Sicht<br />
verständliche, Forderung nach Ausbau eines weiteren Förderungstopfes <strong>zum</strong> Anlass für den zirkulären<br />
Schluss, dass eine standortunabhängige Förderung notwendig sei.<br />
45<br />
c) Die Übergangsnorm des Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG führe nicht dazu, dass anstelle des Art. 72 Abs. 2<br />
n.F. GG die alte Fassung der Norm anzuwenden sei. Die aus Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG folgende<br />
Änderungskompetenz des Bundes sei eng auszulegen. Die Neukonzeption eines unter der Geltung des<br />
Art. 72 Abs. 2 GG a.F. erlassenen Gesetzes, wie sie im vorliegenden Fall angesichts mehrfacher<br />
wesentlicher inhaltlicher Änderungen und der mit dem Vierten Änderungsgesetz erfolgten Verlängerung<br />
des zeitlich befristeten Gesetzes vorliege, ermögliche die Übergangsregelung nicht.<br />
46<br />
2. § 66 <strong>FFG</strong> genüge ferner nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Sonderabgaben mit<br />
Finanzierungsfunktion.<br />
47<br />
a) Die Kinobetreiber bildeten mit den gleichfalls zur Finanzierung der Filmförderung herangezogenen<br />
Unternehmen der Videowirtschaft und den Fernsehveranstaltern keine homogene Gruppe. Gesetzgeber<br />
und Fachgerichte nähmen irrig an, die Gruppe sei dadurch geeint, dass sie Kinofilme dem Endverbraucher<br />
darbiete und dabei gemeinsam von einer Auswertungskaskade profitiere. Bei der Gruppe der zur Abgabe<br />
nach § 66a <strong>FFG</strong> herangezogenen Videounternehmen knüpfe das Gesetz jedoch nicht an die Vermarktung<br />
auf der Endverbraucherstufe an, sondern belaste ausschließlich die Inhaber der Filmrechte auf der<br />
Zwischenhandelsstufe. Das sei systemwidrig und führe zur Bildung einer inhomogenen Gruppe. Der<br />
Gesichtspunkt der leichteren Vollziehbarkeit könne keine Abweichung vom Erfordernis der Homogenität<br />
rechtfertigen. Ohnedies seien die vorgetragenen Vollzugsprobleme kaum plausibel.