Entscheidung BVerfG zum FFG - AG Kurzfilm
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Das Bundesverfassungsgericht<br />
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20140128_2bvr156112.html<br />
Seite 26 von 37<br />
29.01.2014<br />
126<br />
Zwischen der spezifischen Sachnähe der Abgabepflichtigen <strong>zum</strong> Zweck der Abgabenerhebung, einer<br />
daraus ableitbaren Finanzierungsverantwortung und der gruppennützigen Verwendung des<br />
Abgabenaufkommens besteht eine besonders enge Verbindung. Die Erfüllung dieser Merkmalsgruppe in<br />
ihrem Zusammenspiel bildet zugleich den entscheidenden Rechtfertigungsgrund für eine zu der<br />
Gemeinlast der Steuern hinzutretende Sonderlast und sichert so die Wahrung verhältnismäßiger<br />
Belastungsgleichheit (vgl. <strong>BVerfG</strong>E 124, 348 ; s. auch <strong>BVerfG</strong>E 124, 235 ; 123, 132 ).<br />
Sind Sachnähe <strong>zum</strong> Zweck der Abgabe und Finanzierungsverantwortung der belasteten Gruppe der<br />
Abgabepflichtigen gegeben, so wirkt die zweckentsprechende Verwendung des Abgabenaufkommens<br />
zugleich gruppennützig, entlastet die Gesamtgruppe der Abgabenschuldner nämlich von einer ihrem<br />
Verantwortungsbereich zuzurechnenden Aufgabe (vgl. <strong>BVerfG</strong>E 124, 348 ; s. auch <strong>BVerfG</strong>E 124,<br />
235 ; 123, 132 ).<br />
Besonders ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen den Kriterien für die Zulässigkeit von<br />
Sonderabgaben bei den Sonderabgaben, mit denen Angehörige eines bestimmten Wirtschaftszweiges zur<br />
Finanzierung von Fördermaßnahmen zugunsten eben dieses Wirtschaftszweiges herangezogen werden.<br />
Erforderliche Sachnähe und Finanzierungsverantwortung lassen sich hier praktisch ausschließlich mit Blick<br />
auf Zweck und Wirkung staatlicher Förderungsmaßnahmen zugunsten der belasteten Gruppe - das heißt:<br />
mit der Gruppennützigkeit der Mittelverwendung - begründen (vgl. <strong>BVerfG</strong>E 122, 316 ; 123, 132<br />
). Angesichts dieses die Eigenständigkeit der genannten Kriterien in ihrer beschränkenden Funktion<br />
mindernden engen Zusammenhangs sind für diesen Abgabentyp erhöhte Anforderungen an das Merkmal<br />
der Gruppennützigkeit der Mittelverwendung zu stellen, von dem her in dieser Konstellation die Bedeutung<br />
der übrigen Merkmale zu bestimmen ist. Der die Abgabe rechtfertigende Gruppennutzen muss hier evident<br />
sein (vgl. <strong>BVerfG</strong>E 122, 316 ; 123, 132 ).<br />
b) Nach diesen Maßstäben entsprechen die gesetzlichen Vorschriften, auf deren Grundlage die<br />
Beschwerdeführerinnen zur Filmabgabe herangezogen wurden, den finanzverfassungsrechtlichen<br />
Anforderungen.<br />
aa) Bei der Abgabe nach §§ 66 ff. <strong>FFG</strong> handelt es sich um eine nichtsteuerliche, nicht<br />
gegenleistungsabhängige Abgabe, die den dargestellten Anforderungen an die Erhebung von<br />
Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion unterliegt.<br />
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bb) Die Erhebung der Abgabe dient dem Ziel der Förderung der Struktur der deutschen Filmwirtschaft<br />
und der kreativ-künstlerischen Qualität des deutschen Films als Voraussetzung für dessen Erfolg im Inland<br />
und im Ausland (§ 1 Abs. 1 Satz 1 <strong>FFG</strong>) und damit einem über die bloße Mittelbeschaffung<br />
hinausgehenden Sachzweck.<br />
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cc) Die mit der Abgabe belasteten Untergruppen der Kinobetreiber (§ 66 <strong>FFG</strong>), der Programmanbieter<br />
und gleichgestellten Lizenzrechteinhaber der Videowirtschaft (§ 66a <strong>FFG</strong>) sowie der Fernsehveranstalter<br />
(§ 67 <strong>FFG</strong>) bilden als Inlandsvermarkter von Kinofilmen und insbesondere auch deutschen Kinofilmen<br />
gemeinsam eine homogene, durch spezifische Nähe zu diesem Sachzweck der Abgabe und eine daraus<br />
resultierende spezifische Finanzierungsverantwortung verbundene Gruppe. Die besondere Sachnähe und<br />
Finanzierungsverantwortung ist begründet in der Gemeinsamkeit des Interesses an der durch die Abgabe<br />
geförderten gedeihlichen Struktur der deutschen Filmwirtschaft und am Erfolg des deutschen Films (s.u.<br />
C.I.2.b)cc)(4)).<br />
132<br />
(1) Die Berufung der Beschwerdeführerinnen darauf, dass den weitaus meisten Mitgliedern der Gruppe<br />
der Kinobetreiber ein solches Interesse fehle, weil sie nicht an der Entstehung deutscher Filme, sondern<br />
allein am wirtschaftlichen Erfolg eines Films interessiert seien, wird bereits durch das Verhalten der<br />
Gruppenmitglieder widerlegt. Der Marktanteil deutscher Filme, gemessen an den Kinobesucherzahlen,<br />
schwankt seit dem Jahr 2000, mit insgesamt steigender Tendenz, zwischen 11,9 % (2002) und 27,4 %<br />
(2009). Im Streitjahr 2004 betrug er 23,8 % (Filmförderungsanstalt, FFA -info - Zahlen aus der<br />
Filmwirtschaft 1/2012, S. 14). Deutlicher als durch ihr in diesen Zahlen dokumentiertes freiwilliges<br />
Marktverhalten könnte die Kinowirtschaft ihr wirtschaftliches Interesse am deutschen Film nicht bekunden.<br />
Unstreitig könnten zwar in der Gruppe, der die Beschwerdeführerinnen angehören, wie auch in den beiden<br />
anderen abgabebelasteten Verwertungszweigen anstelle der auf Förderung angewiesenen deutschen<br />
Filme ausländische angeboten werden. Darin, dass tatsächlich im gegebenen Umfang deutsche Filme<br />
vermarktet werden, findet jedoch gerade eine insoweit im Vergleich zu ausländischen<br />
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