Entscheidung BVerfG zum FFG - AG Kurzfilm
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Das Bundesverfassungsgericht<br />
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20140128_2bvr156112.html<br />
Seite 16 von 37<br />
29.01.2014<br />
auch im Jahr 2011 die deutschen Filmhersteller zu mehr als der Hälfte in einem Bereich kritischer Renditen<br />
gearbeitet hätten und deutsche Filme bei mehrjähriger Betrachtung mit mindestens 40 % über<br />
Fördergelder finanziert würden. Im europäischen Wettbewerb würden alle anderen nationalen<br />
Filmindustrien ebenfalls erheblich gefördert. Auch die Förderung gerade durch den Bund sei im<br />
gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. Dass diese Überzeugung von Bund und Ländern ausdrücklich<br />
geteilt werde, sei ein starkes Indiz für ihre Richtigkeit. Die Förderanteile der deutschen Kinofilme verteilten<br />
sich regelmäßig etwa hälftig auf Bund und Länder. Die Übernahme des Fördervolumens durch die Länder<br />
sei unrealistisch. Diesen stehe das Instrument der Sonderabgabe nicht zur Verfügung, weil durch die<br />
regionale Ungleichverteilung der möglichen Abgabepflichtigen eine entsprechende Abgabe nicht oder<br />
jedenfalls nicht ohne negative Effekte für die Wirtschaftseinheit erhoben werden könnte. Vor allem aber<br />
könne eine von regionalen Standortbindungen unabhängige Förderung nur durch den Bund erfolgen. Bei<br />
der Förderung durch die Länder seien Vereinbarungen, wonach der Förderungsempfänger 200 bis 300 %<br />
der Fördersumme in dem jeweiligen Land zu verausgaben habe, keine Ausnahme. Die<br />
standortunabhängige Förderung erfülle zentrale Funktionen für die Filmwirtschaft, indem sie eine<br />
standortunabhängige Gestaltung von Themen und Inhalten sowie eine standortunabhängige Nutzung<br />
hochspezieller Ressourcen ermögliche. Der Anteil der Förderung durch die Filmförderungsanstalt mache<br />
zwar mit durchschnittlich 6,4 % über die letzten sechs Jahre auf den ersten Blick nur einen relativ geringen<br />
Finanzierungsanteil an den Gesamtherstellungskosten aus. Angesichts von Umsatzrenditen von unter 5 %<br />
bei mehr als der Hälfte der Kinofilmhersteller sowie der Tatsache, dass nur 5 % der Kosten aus<br />
Eigenmitteln der Hersteller bestritten würden, sei dieser Anteil jedoch von großer Bedeutung. Der<br />
Gesetzgeber habe nach alledem von der Erforderlichkeit der durch das Filmförderungsgesetz 2004<br />
organisierten Filmförderung zur Wahrung der Wirtschaftseinheit ausgehen dürfen. Unabhängig davon halte<br />
sich der Bund jedenfalls im Rahmen seiner Änderungskompetenz aus Art. 125a Abs. 2 GG.<br />
b) Das Filmförderungsgesetz 2004 sei materiell verfassungsgemäß.<br />
77<br />
aa) Bei der Sonderabgabe gehe es darum, von denjenigen, die einen unmittelbaren wirtschaftlichen<br />
Nutzen aus der Verwertung deutscher Filme zögen, <strong>zum</strong>indest einen finanziellen Beitrag zu der<br />
öffentlichen Förderung zu erhalten, durch die die Filme überhaupt erst ermöglicht würden. Auch wenn die<br />
Finanzierungsverantwortung allein auf dem Nutzen beruhe, den die Gruppe aus dem geförderten Zweck<br />
erziele, sei die Konstellation anders als bei den Absatzfonds. Denn hier könne der erstrebte Nutzen schon<br />
aus prinzipiellen Gründen nicht vom einzelnen Verwerter individuell erzielt werden. Auch gehe es zwar um<br />
eine zwangsweise Fördermaßnahme, doch werde die Gruppe der Abgabepflichtigen nicht nur aus Gründen<br />
eines Nutzens herangezogen, den der Gesetzgeber ihr zugedacht habe, sondern aus Gründen eines<br />
Nutzens, den sie aufgrund freier unternehmerischer <strong>Entscheidung</strong> erlange. Hinsichtlich der Förderarten,<br />
die nur mit den Einnahmen von Teilen der Abgabepflichtigen finanziert würden, bleibe die zentrale<br />
Verbindung über die Filmproduktion und das gemeinsame Interesse an der Verwertung der Filme<br />
unberührt. So hänge etwa der wirtschaftliche Erfolg der dem Kino nachfolgenden Verwertungsstufen<br />
zentral vom Erfolg im Kino ab, weshalb eine Kinoförderung auch die Verwertungsmöglichkeiten der<br />
anderen Gruppen verbessere.<br />
78<br />
Die Abgabe verfolge den Sachzweck der Förderung der Struktur der Filmwirtschaft. Zur abgabepflichtigen<br />
Gruppe hätten wegen des schon im Streitjahr bestehenden Kontrahierungszwangs von vornherein auch<br />
die Fernsehveranstalter gehört; die weitergehende gesetzliche Ausgestaltung durch das Sechste Gesetz<br />
zur Änderung des Filmförderungsgesetzes verstoße zudem nicht gegen verfassungsrechtliche<br />
Beschränkungen der Rückwirkung. Die Abgabepflichtigen seien über das Merkmal der wirtschaftlichen<br />
Verwertung der Filme gegenüber den inländischen Endverbrauchern zu einer homogenen Gruppe mit<br />
spezifischer Sachnähe und Finanzierungsverantwortung verbunden. Angesichts der vielfältigen und<br />
mehrstufigen Verwertungsstrukturen im Filmbereich habe der Gesetzgeber die Gruppe belastet, die an der<br />
Erlösquelle der Filmproduktion sitze. Damit würden Verzerrungen in den je nach Vertriebswegen<br />
unterschiedlichen Verwertungsstrukturen und eine Beeinflussung ihrer Ausgestaltung vermieden. Diese<br />
träten notwendig auf, wenn alle Wertschöpfungsstufen herangezogen würden. Die spätere Verschiebung<br />
auf die vorgelagerte Stufe der Videoprogrammanbieter im Bereich der Videowirtschaft sei zulässig, da sie<br />
gerade durch den verfolgten Sachzweck geboten gewesen sei. Dessen Verwirklichung wäre andernfalls<br />
infolge der - zwischenzeitlich noch weiter erhöhten - Zahl der Vertriebsstätten durch zu hohe<br />
Vollzugskosten beeinträchtigt worden.<br />
79<br />
Andere, nicht einbezogene Gruppen hätten keinen gleichermaßen intensiven Bezug <strong>zum</strong> Sachzweck. Die<br />
Nichtinanspruchnahme der Filmexporteure sei bereits deshalb konsistent, weil sie weder im Inland noch<br />
gegenüber den Endkunden verwerteten. Die Marktsituation sei für den deutschen Film im In- und Ausland<br />
grundverschieden; im Ausland liege der Marktanteil deutscher Filme oftmals unter einem Prozent.<br />
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