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114 9 Die primäre Varikose - Schattauer

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<strong>114</strong> 9 <strong>Die</strong> <strong>primäre</strong> <strong>Varikose</strong><br />

Abb. 9-55a<br />

d<br />

Variköse V. saphena<br />

accessoria lateralis<br />

V. saphena magna<br />

a b c<br />

e<br />

Spitze des<br />

Saphenatrichters<br />

vergrößerter<br />

Saphenatrichter<br />

V. femoralis<br />

communis<br />

f<br />

g<br />

Abb. 9-55 Inkomplette Stammvarikose der V. saphena magna vom Seitenasttyp.<br />

a Schematische Zeichnung mit den beiden proximalen Insuffizienzpunkten<br />

in der Leiste und an der V. saphena magna in der Mitte des<br />

Oberschenkels.<br />

b Darstellung durch aszendierende Pressphlebographie im proximalen<br />

Bereich. Proximaler Insuffizienzpunkt.<br />

c Darstellung durch aszendierende Pressphlebographie im distalen<br />

Bereich. Distaler Insuffizienzpunkt.<br />

d Farbkodierte Duplexsonographie der Mündungsregion im Querschnitt.<br />

Der Mündungstrichter der V. saphena magna ist ungewöhnlich<br />

groß, die Stammvene erscheint suffizient.<br />

e Skizze zu d.<br />

f Sonographie im Längsschnitt. Zweiter proximaler Insuffizienzpunkt<br />

am Oberschenkel. Erweiterung der V. saphena magna rechts im Bild unterhalb<br />

der Einmündung des Seitenastes.<br />

g Querschnitt am zweiten proximalen Insuffizienzpunkt. Einmündung<br />

des Seitenastes von links.


9.6 Stammvarikose der V. saphena magna 115<br />

Klinik<br />

Bei schlanken Menschen lässt sich die Krankheit bei der Untersuchung<br />

im Stehen auf den ersten Blick vermuten.<br />

Diagnostik und Therapie<br />

Der Blow-out über der Dodd-Vene ist mitunter zu sehen und<br />

zu tasten. <strong>Die</strong> Duplexsonographie vermittelt eine sichere<br />

Diagnose. Wegen der besonderen Schnittführungen bleibt es<br />

dem Chirurgen überlassen, die Dokumentation durch das<br />

Phlebogramm zu vervollständigen (vgl. Abb. 9-57 a–c). Er<br />

kann sich dann während des Eingriffs immer wieder genau<br />

über die Topographie informieren.<br />

Es gibt noch einen anderen sehr wichtigen Grund, die genaue<br />

Diagnose nicht zu verkennen: Im Fall der Verwechselung<br />

mit einer kompletten Form der Stammvarikose kann es durch<br />

den Abriss der varikösen Dodd-Perforans zu einer lebensbedrohlichen<br />

Blutung aus der V. femoralis superficialis<br />

kommen.<br />

Cave Bei einer plötzlichen massiven Blutung aus<br />

dem Strippingkanal der (kompletten) Stammvarikose<br />

muss auch an eine übersehene und abgerissene insuffiziente<br />

Dodd-Vene gedacht werden. Intraoperativ ergibt<br />

sich die Diagnose durch manuelle Kompressionsmanöver<br />

am angehobenen Bein über dem Strippingkanal.<br />

Abb. 9-56 Schematische Darstellung<br />

einer inkompletten Stammvarikose<br />

der V. saphena magna vom<br />

Dodd-Perforanstyp. Der proximale<br />

Insuffizienzpunkt liegt in der Mitte<br />

des Oberschenkels, der distale dem<br />

Stadium III entsprechend am Unterschenkel.<br />

f<br />

g<br />

a<br />

b<br />

Abb. 9-57 Inkomplette Stammvarikose der V. saphena magna vom Dodd-Perforanstyp<br />

bei einem 35-jährigen Mann.<br />

a Klinisches Bild. Keine chronische venöse Insuffizienz.<br />

b Farbkodierte Duplexsonographie im Querschnitt. Unten V. femoralis superficialis, oben<br />

V. saphena magna. Zwischen beiden die Dodd-Vene.<br />

c Aszendierende Pressphlebographie. Suffiziente V. saphena magna. Oberer<br />

Insuffizienzpunkt an der Einmündung der Dodd-Vene.<br />

c


116 9 <strong>Die</strong> <strong>primäre</strong> <strong>Varikose</strong><br />

Abb. 9-58 Operationssitus zur selektiven Dissektion<br />

der Dodd-Perforans. 4 cm langer Längsschnitt<br />

über dem dopplersonographisch lokalisierten<br />

proximalen Insuffizienzpunkt. Unterbindung<br />

und Abtragung des suffizienten Saphenaabschnitts<br />

nach proximal. Dissektion<br />

der V. perforans an der Einmündung zur V. femoralis<br />

superficialis und Stripping nach distal<br />

(rechts im Bild).<br />

g<br />

Operation<br />

(1) <strong>Die</strong> Leistenregion bleibt zwar unberührt, sollte aber für einen<br />

notfallmäßigen Zugang steril abgedeckt sein. <strong>Die</strong> Dodd-<br />

Vene wird am Oberschenkel durch einen Längsschnitt von<br />

4–5 cm aufgesucht und angeschlungen. Nach Spaltung der<br />

Faszie lässt sich das Gefäß dann vorsichtig bis zu seiner Einmündung<br />

in die V. femoralis superficialis präparieren und<br />

bündig abtragen (Abb. 9-58). <strong>Die</strong> Faszienlücke wird durch<br />

eine Z-Naht verschlossen.<br />

(2) Anschließend erfolgt das Stripping-Manöver bis zum distalen<br />

Insuffizienzpunkt in der klassischen Weise. Nach proximal<br />

hin wird die V. saphena magna abgebunden und belassen.<br />

Cave Alle Manipulationen im subkutanen Gewebe<br />

des Oberschenkels sind zu unterlassen, sie können später<br />

zu einem unansehnlichen Matting führen.<br />

Komplikationen<br />

Der unerwartete Abriss einer stark erweiterten Dodd-Perforans<br />

beim Stripping-Manöver von der Leiste aus führt sofort<br />

zu einer erschreckenden, massiven Blutung. Sie lässt sich erst<br />

einmal durch Anhebung des Beins und manuelle Kompression<br />

entlang des Strippingkanals stoppen. Nach der punktförmigen<br />

Lokalisation der Blutungsquelle wird darüber ein<br />

Längsschnitt angelegt. Mitunter muss zur Erfassung des abgerissenen<br />

Stumpfes der V. perforans die Faszie eröffnet werden.<br />

a<br />

Abb. 9-59 Schematische Darstellung einer inkompletten Stammvarikose<br />

der V. saphena magna vom dorsalen Typ.<br />

a Insuffizienz des proximalen Abschnitts der V. saphena parva (großer<br />

Mündungstrichter) bis zum Abgang der varikösen V. femoropoplitea,<br />

die unmittelbar in die V. saphena magna einmündet.<br />

b Variation über die Giacomini-Anastomose und die V. saphena accessoria<br />

medialis zur V. saphena magna.<br />

Kasuistik. Im Jahr 1974 wurde in der allgemeinchirurgischen Abteilung<br />

eines Frankfurter Belegkrankenhauses die Operation einer<br />

Stammvarikose der V. saphena magna nach der dort üblichen Babcock-Methode<br />

durchgeführt. <strong>Die</strong> Indikation dazu ergab sich allein aus<br />

dem klinischen Aspekt, Phlebogramme lagen nicht vor. Unmittelbar<br />

nach dem Stripping-Manöver kam es zu einer schwallartigen und anhaltenden<br />

Blutung aus der Leistenwunde, deren Ursache der Operateur<br />

nicht orten konnte. Der nach einigen Minuten aus dem benachbarten<br />

Operationssaal herbeigerufene Gefäßchirurg lokalisierte die<br />

Blutungsquelle durch manuelle Kompressionsversuche in die Höhe<br />

der Dodd-Perforans und nahm die Unterbindung eines fingerdicken<br />

abgerissenen Gefäßes vor. Inzwischen war der Hämoglobinwert bei<br />

der Patientin auf 6,2 g% abgefallen. <strong>Die</strong> inkomplette Stammvarikose<br />

vom Dodd-Perforanstyp war präoperativ nicht diagnostiziert worden.<br />

Glücklicher Ausgang.<br />

In der postoperativen Zeit klagt der Patient manchmal über<br />

stärkere Schmerzen im Bereich der Operationswunde am<br />

Oberschenkel. In der Umgebung ist eine gewisse Induration<br />

vorhanden. In diesem Fall empfiehlt sich vorübergehend die<br />

Anlage einer zusätzlichen elastischen Kurzzugbinde unter<br />

dem Kompressionstrumpf.<br />

b


9.6 Stammvarikose der V. saphena magna 117<br />

V. femoropoplitea<br />

Spitze des Mündungstrichter<br />

V. saphena parva<br />

Mündungstrichter der<br />

V. saphena parva<br />

Muskelvene<br />

V. poplitea<br />

a<br />

b<br />

Abb. 9-60 Inkomplette Stammvarikose der V. saphena magna vom dorsalen Typ.<br />

a Farbkodierte Duplexsonographie des stark erweiterten Mündungstrichters der<br />

V. saphena parva und der varikösen V. femoropoplitea. V. saphena parva suffizient.<br />

b Skizze.<br />

c Aszendierende Pressphlebographie. Ausbildung des proximalen Insuffizienzpunktes oberhalb<br />

des Knies ( ) durch die variköse V. femoropoplitea. Darstellung durch aszendierende<br />

Pressphlebographie bei Innenrotation.<br />

c<br />

Dorsaler Typ (C 2–3 E p A S2–5 P R )<br />

Der dorsale Typ einer inkompletten Stammvarikose wird<br />

häufig übersehen. <strong>Die</strong> transfasziale Kommunikation, also<br />

der erste proximale Insuffizienzpunkt, geht von der V.<br />

femoropoplitea aus, die aus einem abnorm großen Mündungstrichter<br />

der V. saphena parva entspringt. <strong>Die</strong> V. femoropoplitea<br />

kann oberhalb vom Hunter-Kanal direkt in<br />

die V. saphena magna einmünden. Sie kann sich aber auch<br />

proximal über die Giacomini-Anastomose mit der V. saphena<br />

accessoria medialis verbinden, die dann kurz unterhalb<br />

der Krosse in die V. saphena magna einmündet und den<br />

zweiten proximalen Insuffizienzpunkt bildet. Von hier aus<br />

nimmt dann die inkomplette Stammvarikose entsprechend<br />

ihrem Stadium III den Ausgang. (Abb. 9-59 a und b). Eine<br />

Aktualisierung des Themas haben Sago et al. (2004) vorgenommen.<br />

Indikation zur Operation<br />

<strong>Die</strong> Zwischenschaltung einer Seitenastvarikose vermindert<br />

die hämodynamische Effizienz des Rezirkulationskreises, sodass<br />

es erst sehr spät oder überhaupt nicht zur Entwicklung<br />

einer sekundären Leitveneninsuffizienz kommt. <strong>Die</strong> Operationsindikation<br />

wird in der Hauptsache durch die Ausprägung<br />

der Krampfadern bestimmt.<br />

Klinik<br />

Klinisch lässt sich das Krankheitsbild nicht erkennen.<br />

Diagnostik<br />

Bei einem entsprechenden Verdacht ist die Diagnose durch<br />

die Duplexsonographie mosaikartig zusammenzusetzen.<br />

Letztendlich sollte der Beweis aber durch die Phlebographie<br />

erbracht werden (Abb. 9-60 a–c). Der Chirurg hat dann auch<br />

die Möglichkeit, sich während der Operation im Bereich der<br />

Kniekehle topographisch zu orientieren.<br />

Cave Aus der übersehenen Insuffizienz des Mündungstrichters<br />

der V. saphena parva resultiert beim inkompletten<br />

dorsalen Typ ein inadäquates Operationsverfahren.<br />

Therapie<br />

Operation<br />

(1) <strong>Die</strong> Krossektomie der V. saphena parva erfordert die<br />

Bauchlage des Patienten. Anschließend werden die V. femo-


9.6 Stammvarikose der V. saphena magna 121<br />

Abb. 9-67 Operationssitus II zur präfemoralen<br />

Saphenastumpfdissektion. Gefäßchirurgische<br />

Versorgung der beiden kurzen Stumpfenden<br />

durch fortlaufende Mäander-Naht.<br />

a<br />

b<br />

Abb. 9-68 Inguinales Varizenbeet. Aspekt der farbkodierten Duplexsonographie unter dem Valsalva-Test.<br />

<strong>Die</strong> kleinen Varizen können nicht mit einem belassenen Stumpf in Verbindung gebracht<br />

werden, sie füllen sich von den Seiten her auf. a Längsschnitt. b Querschnitt. A. femoralis<br />

rot kodiert.<br />

durchgeführt worden war. Sie entsprechen dem phlebographischen<br />

Aspekt des inguinalen Varizenbeets (Abb. 9-69).<br />

Nach der Ligatur der Seitenäste jeweils hinter ihren ersten<br />

Aufzweigungen bleibt das dahinter befindliche varikös veränderte<br />

Venennetz bestehen und wird von einem kleinen Gefäß<br />

aus der näheren oder weiteren Umgebung gespeist. Oft stehen<br />

diese kleinen Venen auch direkt mit den tiefen Leitvenen in<br />

Verbindung. Bei einer schweren Stammvarikose mit dekompensiertem<br />

Rezirkulationskreis sind entsprechende Veränderungen<br />

häufiger zu beobachten (Abb.9-70).<br />

Studie. Frings et al. (1999) in der Mosel-Eifel-Klinik fanden bei 81 duplexsonographischen<br />

Untersuchungen 4–5 Jahre nach der Erstoperation<br />

in 33,3% der Fälle Rezidive. In 25,9% der Fälle wurde ein kleiner<br />

Femoralisast dafür verantwortlich gemacht, obgleich bei der ersten<br />

Krossektomie die V. femoralis communis 1 cm um die saphenofemorale<br />

Mündung herum danach abgesucht wurde. In 7,4% lag ein starker<br />

Reflux vor, und bei der „äußerst schwierigen Nachoperation“ zeigte<br />

sich eine größere Rezidivvene, die aus der Vorderwand der V. femoralis<br />

entsprang und in einen dichten Lymphknotenstrang eingebettet war.<br />

Das inguinale Varizenbeet hat weder eine medizinische noch<br />

eine ästhetische Bedeutung. Der Rezirkulationskreis wurde<br />

bereits operativ ausgeschaltet und äußerlich sind keine<br />

Krampfadern zu sehen (Hach 1998). <strong>Die</strong> Entstehung von retikulären<br />

Varizen nach Krossektomie ließ sich von Bräumer<br />

(2004) durch die Verwendung eines nicht resorbierbaren Fadens<br />

reduzieren.<br />

Cave Das „Absuchen“ der V. femoralis communis<br />

nach möglichen kleinen Ästen verhindert die Entstehung<br />

des inguinalen Varizenbeets nicht, schädigt aber<br />

den Aufhängeapparat der Vene und vergrößert den Eingriff.<br />

!<br />

Für das inguinale Varizenbeet gibt es keine chirurgische<br />

Lösung, die mit dem Prinzip einer angemessenen Invasivität<br />

zu vereinbaren wäre. Seine Existenz hängt mit<br />

dem anatomischen Aufbau des Venensystems als Netzwerk<br />

zusammen.<br />

Neoangiogenese (C 1 E p A S1 P R )<br />

<strong>Die</strong> Konzeption einer Neubildung winziger Gefäße aus dem<br />

Endothel des abgebundenen Saphenatrichters beruht auf duplexsonographischen<br />

Untersuchungen (Abb. 9-71). Daraus<br />

Abb. 9-69<br />

Inguinales Varizenbeet.<br />

Phlebographischer<br />

Aspekt. Unzählige<br />

kleine und<br />

kleinste Varikositäten<br />

in der Leistenregion<br />

ohne nachweisbaren<br />

belassenen Stumpf.<br />

Keine therapeutische<br />

Konsequenz.


122 9 <strong>Die</strong> <strong>primäre</strong> <strong>Varikose</strong><br />

Krossektomien durch, die 34 Jahre zuvor von demselben Chirurgen<br />

operiert worden waren. Rezidive lagen in 60% der Fälle vor, und zwar<br />

in 17% mit diffusen kleinkalibrigen Gefäßen aus dem Stumpf, in<br />

24,8% mit einläufiger kleiner Varize aus dem Stumpf und in 17,6%<br />

mit kleinlumigen Gefäßen aus der Umgebung (Varizenbeet).<br />

V. femoralis<br />

communis<br />

Stumpf der<br />

V. saphena magna<br />

Abb. 9-70 Schematische Vorstellung über die Entstehung des inguinalen<br />

Varizenbeets. Nach der Krossektomie bleiben die varikös veränderten<br />

Nebenäste hinter ihrer Ligatur miteinander in netzförmigen Verbindungen<br />

und füllen sich beim Valsalva-Test von irgendwoher auf.<br />

resultiert aber – jedenfalls nach dem bisherigen Wissensstand<br />

– keinerlei klinische Bedeutung für den Patienten. <strong>Die</strong><br />

Kenntnis dieser Art des Krosserefluxes erscheint jedoch wichtig,<br />

um Fehldiagnosen zu vermeiden.<br />

Wenn der abgeschnittene Trichter hinter der Ligatur relativ<br />

lang belassen wird, verkleben die Innenseiten der Gefäßwand<br />

des Stumpfes miteinander, und das Refluxphänomen tritt weniger<br />

häufig in Erscheinung als bei einem kurz abgeschnittenen<br />

und blütenartig gespreizten Trichter. Es wurde deshalb<br />

auch empfohlen, den Trichter durch eine Naht oder einen<br />

Patch zu verschließen (Frings et al. 1999, 2004).<br />

Studie. <strong>Die</strong> Schweizer Autoren Fischer et al. (2000) führten eine duplexsonographische<br />

Nachuntersuchung bei 77 Patienten mit 125<br />

Rezidivvarikose des Saphenastamms<br />

(C 2 E p A S2-3 P R )<br />

<strong>Die</strong> V. saphena magna verläuft manchmal teilweise gedoppelt.<br />

Bei der Stripping-Operation wird in der Regel nur ein<br />

Stamm entfernt. <strong>Die</strong> Duplikation kann später varikös entarten<br />

und zu einem echten Rezidiv führen.<br />

Schließlich kann auch der im Rahmen der partiellen Saphenaresektion<br />

belassene periphere Abschnitt am Unterschenkel<br />

später varikös entarten. Das ist nach unserer Erfahrung<br />

eher selten der Fall. <strong>Die</strong>ses Argument wird aber gern für<br />

die generelle Befürwortung des Babcock-Prinzips verwendet<br />

(S. 99).<br />

Sobald ein relevantes Krosserezidiv ausgeschlossen ist, haben<br />

alle Formen des Stammrezidivs eines gemeinsam, nämlich<br />

dass sie über eine neu aufgetretene insuffiziente V. perforans<br />

gespeist werden. Nach einem solchen Gefäß ist demnach<br />

zu suchen (Abb. 9-72 a und b). Sehr oft handelt es sich um<br />

eine Dodd-Perforans, seltener um eine Hunter-Vene. Der<br />

Grund für die Perforansvarikose liegt oft in der sekundären<br />

Leitveneninsuffizienz. Eine erneute Operation bietet in der<br />

Regel keine besonderen Probleme.<br />

!<br />

Vor der Erstoperation sollte mit einer hinreichenden<br />

Sicherheit feststehen, ob der Patient bereits eine tiefe<br />

Leitveneninsuffizienz hat. In diesem Fall besteht die<br />

erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Rezidivvarikose im<br />

chirurgischen Sinne, insbesondere der Perforansvarikose.<br />

a<br />

b<br />

Abb. 9-71 Neoangiogenese. Aspekt der farbkodierten<br />

Duplexsonographie. Aus dem Endothel<br />

des abgetrennten Saphenastumpfes bilden<br />

sich kleinste Gefäße, die vielleicht später<br />

einmal weitere Anschlüsse finden. Keine klinische<br />

Konsequenz.<br />

a Längsschnitt.<br />

b Querschnitt. Arterie rot kodiert.


9.7 Seitenastvarikose 123<br />

V. femoralis communis<br />

V. saphena<br />

accessoria<br />

lateralis<br />

V. saphena accessoria<br />

medialis<br />

V. saphena magna<br />

V. arcuata cruris<br />

anterior<br />

V. arcuata cruris<br />

posterior<br />

a<br />

b<br />

Abb. 9-72 (oben) Rezidivvarikose über eine insuffiziente Dodd-Perforans<br />

( ) nach partieller Saphenaresektion. Bei der Erstoperation wurde die V.<br />

perforans offenbar nicht gefunden. Operation ohne Phlebographie.<br />

a Klinisches Bild mit der alten Operationsnarbe. Beschwerden.<br />

b Anschluss des Rezidivs an einen distalen Saphenastamm ( ).<br />

Darstellung durch aszendierende Pressphlebographie.<br />

Abb. 9-73 (rechts) Schematische Darstellung der Seitenäste der V. saphena<br />

magna.<br />

Rezidivvarikose vom retikulären Typ<br />

(C 1 E p A S5 P R )<br />

<strong>Die</strong> retikuläre <strong>Varikose</strong> und bestimmte Arten der Seitenastvarikose<br />

haben mit den insuffizienten transfaszialen Kommunikationen<br />

und mit vorausgegangen chirurgischen Interventionen<br />

nichts zu tun. Sie entstehen immer wieder erneut, mit<br />

Therapie und ohne.<br />

!<br />

Um die chirurgische Rezidivvarikose kümmert sich<br />

der Venenchirurg und stellt die Indikation zur Zweitoperation.<br />

<strong>Die</strong> phlebologische Rezidivvarikose ist<br />

schicksalsbedingt und erfordert die lebenslange Betreuung<br />

des Patienten durch seinen Phlebologen.<br />

9.7 Seitenastvarikose<br />

<strong>Die</strong> Seitenäste der beiden Stammvenen haben als Zubringer<br />

eine übergeordnete Transportfunktion nur im extrafaszialen<br />

Bereich. Sie sind in der Längsachse des Körpers ausgerichtet<br />

(Abb. 9-73). Es handelt sich um zarte Gefäße. Sie entspringen<br />

aus kleinen retikulären Venen in der Peripherie und lassen<br />

sich deshalb unter normalen Bedingungen nicht erkennen.<br />

Erst bei variköser Entartung fallen sie klinisch auf und sind<br />

dann auch duplexsonographisch oder phlebographisch darzustellen.<br />

Der Begriff „Seitenäste“ hat sich in der Praxis eingebürgert,<br />

obgleich er unlogisch ist. Venen nehmen Zuflüsse auf und geben<br />

keine Äste ab wie die Arterien. Allerdings drehen sich die<br />

Verhältnisse bei der varikösen Degeneration mit pathologischen<br />

Refluxen um.<br />

Definition. Bei der Seitenastvarikose handelt es sich um<br />

ein eigenständiges Krankheitsbild oder um einen Abschnitt<br />

des pathologischen Rezirkulationskreises. Als Ursachen<br />

kommen einerseits insuffiziente Kommunikationen<br />

zum tiefen Venensystem (transfasziale <strong>Varikose</strong>)<br />

und andererseits eine <strong>primäre</strong> Wandschädigung (extrafasziale<br />

Form) in Betracht.<br />

<strong>Die</strong> genaue Abklärung der Beziehung zum tiefen Venensystem<br />

(Tab. 9-5) erfolgt durch die Duplexsonographie in Verbindung<br />

mit dem klinischen Status und gegebenenfalls durch<br />

die aszendierende Pressphlebographie. Bei den transfaszialen<br />

Formen der <strong>Varikose</strong> ist die operative Therapie indiziert. Zur<br />

extrafaszialen Form gehört die variköse Degeneration der vorderen<br />

Bogenvene, und hier werden hauptsächlich minichirurgische<br />

Eingriffe oder die Sklerosierung angewendet.


126 9 <strong>Die</strong> <strong>primäre</strong> <strong>Varikose</strong><br />

Unbenannte Vene<br />

V. saphena accessoria<br />

lateralis<br />

Abnorm<br />

vergrößerter<br />

Saphenatrichter<br />

V. saphena magna<br />

V. femoralis superficialis<br />

a<br />

b<br />

Unbenannte<br />

Vene<br />

Abnorm<br />

vergrößerter<br />

Saphenatrichter<br />

V. saphena<br />

accessoria<br />

lateralis<br />

c<br />

A. femoralis<br />

communis<br />

d<br />

V. femoralis communis<br />

V. saphena<br />

magna<br />

Abb. 9-77 Seitenastvarikose der V. saphena<br />

accessoria lateralis. Darstellung mit farbkodierter<br />

Duplexsonographie und Skizze.<br />

a und b Längsschnitt.<br />

c und d Querschnitt.<br />

Operation<br />

Das Prinzip der Operation besteht in der erweiterten Krossektomie<br />

mit anschließender Miniphlebektomie.<br />

(1) Der große Saphena-Mündungstrichter mit der einmündenden<br />

V. saphena accessoria lateralis wird in üblicher Weise<br />

präpariert und bündig an der V. femoralis communis doppelt<br />

ligiert. <strong>Die</strong> V. saphena magna ist zwar unterhalb der Spitze<br />

des Mündungstrichters suffizient, die hier in ihren Bogen einmündenden<br />

kleinen Venen werden aber trotzdem bis hinter<br />

der ersten Aufzweigung verfolgt und abgetragen, um der Entstehung<br />

eines inguinalen Varizenbeets entgegenzuwirken.<br />

Das resezierte Segment beträgt demnach 5–8 cm (Abb. 9-78).<br />

(2) <strong>Die</strong> V. saphena accessoria lateralis lässt sich von der<br />

Krosse aus noch eine gewisse Strecke distalwärts sondieren<br />

und gegebenenfalls auch strippen. Wegen der unmittelbaren<br />

subkutanen Lage ist das Stripping-Manöver mit dem<br />

kleinsten Kopf und sehr behutsam durchzuführen. Weiter<br />

distal kommt die Miniphlebektomie in Betracht.<br />

Cave Bei einer Traumatisierung der Haut durch die<br />

operative Manipulation entstehen später Besenreiser<br />

und das Matting, die fast noch unschöner aussehen als<br />

die ursprüngliche Krampfader.<br />

!<br />

<strong>Die</strong> Miniphlebektomie allein reicht zur erfolgreichen<br />

Behandlung der <strong>Varikose</strong> der V. saphena accessoria lateralis<br />

nicht aus, die Krossektomie ist erforderlich. Sonst<br />

ist ein Rezidiv gewiss.<br />

<strong>Die</strong> Krossektomie allein bleibt auch unbefriedigend. Der<br />

Patient versteht nicht, warum der Chirurg seine Arbeit nicht<br />

zu Ende geführt hat und anschließend noch zeitaufwändig<br />

sklerosiert werden muss.<br />

<strong>Die</strong> Entfernung der Seitenastvarikose ist auch mit der Kryomethode<br />

möglich. Für die Seitenäste stehen kurze Sonden<br />

mit Durchmessern von 1,5–2,5 cm zur Verfügung, die durch<br />

eine Stichinzision eingeführt werden. Nach der Kälteapplikation<br />

friert die Venenwand an der Sondenspitze an. Es sind sowohl<br />

die endovasale Anwendung mit invaginierender Extraktion<br />

als auch ein extraluminaler Einsatz möglich (S. 100).<br />

Ein neues Verfahren ist die transilluminierte Phlebektomie<br />

mit dem TriVex-System ® . Der Eingriff wird in Blutleere mit<br />

einer Rollmanschette oder in Trendelenburg-Lagerung vorgenommen.<br />

<strong>Die</strong> Visualisierung der Krampfader erfolgt durch<br />

eine subkutan eingeführte Lichtsonde. Durch eine zweite Arbeitssonde<br />

wird die Varize mittels eines Rotators mobilisiert


9.7 Seitenastvarikose 127<br />

V. saphena<br />

accessoria<br />

medialis<br />

Abb. 9-78 Seitenastvarikose der V. saphena<br />

accessoria lateralis. Operationssitus in der<br />

Leiste. Variköser Seitenast. Stark<br />

vergrößerter Mündungstrichter der V. saphena<br />

magna, an dessen Spitze die Mündungsklappe<br />

gut erkennbar ist ( ).<br />

V. femoropoplitea<br />

V. saphena parva<br />

Abb. 9-79 Schematische Darstellung der<br />

Giacomini-Anastomose zwischen V. femoropoplitea<br />

und V. saphena accessoria medialis.<br />

Abb. 9-80 Schwere variköse Degeneration<br />

der hinteren Bogenvene bei Insuffizienz der<br />

mittleren Cockett-Perforans und Stammvarikose<br />

der V. saphena magna im Stadium IV. Dekompensierter<br />

Rezirkulationskreis. 55-jährige<br />

Frau mit Krankheitsdauer seit dem 25. Lebensjahr.<br />

und dann abgesaugt. Auf diese Weise lassen sich handflächengroße<br />

Bezirke erreichen. Zur Auflockerung der Gewebe wird<br />

die vorgesehene Region mit Tumeszenzlösung umspritzt.<br />

<strong>Die</strong> Sklerosierung des gesamten Seitenastes nach der Krossektomie<br />

erscheint für den Patienten schmerzhafter und umständlicher<br />

als die Miniphlebektomie. Sie nimmt auch mehr<br />

Zeit in Anspruch. Außerdem sind die ästhetischen Aspekte<br />

bei der Sklerosierung größerer Krampfadern (wie Pigmentierungen<br />

und das Matting) zu beachten.<br />

9.7.2 <strong>Varikose</strong> der V. saphena<br />

accessoria medialis (C 2 E p A S5 P R )<br />

<strong>Die</strong> Krankheit kommt nur im Rahmen einer inkompletten<br />

Stammvarikose der V. saphena magna vom dorsalen Typ vor<br />

(S. 117). In isolierter Form ist sie nicht bekannt.<br />

Anatomie und Topographie<br />

<strong>Die</strong> V. saphena accessoria medialis geht aus retikulären Gefäßen<br />

an der inneren und dorsalen Seite des Oberschenkels hervor,<br />

läuft an der Innenseite herum und mündet am unteren<br />

Rand des Hiatus saphenus in die V. saphena magna ein. In der<br />

Regel ist sie kleiner als die V. saphena accessoria lateralis (vgl.<br />

Abb. 9-73, S. 123).<br />

Pathomorphologie und Pathophysiologie<br />

Von praktischer Bedeutung ist eine Verbindung zwischen der<br />

V. femoropoplitea und der V. saphena accessoria medialis, die<br />

schon 1873 von Giacomini beschrieben wurde (Abb. 9-79).<br />

Über diese Giacomini-Anastomose kommunizieren demnach<br />

auch die V. saphena parva und die V. saphena magna<br />

miteinander. Bei einer varikösen Degeneration des Mündungstrichters<br />

der V. saphena parva bildet sich die inkomplette<br />

Stammvarikose der V. saphena magna vom dorsalen Typ<br />

aus. In den genannten Gefäßen lassen sich dann pathologische<br />

Refluxe nachweisen (Abb. 9-59, S. 116).<br />

Klinik<br />

<strong>Die</strong> variköse V. saphena accessoria medialis fällt im Unterhautfettgewebe<br />

an der dorsalen Innenseite des Oberschenkels<br />

kaum auf. Das klinische Bild entspricht als inkomplette Form<br />

vom dorsalen Typ einer Stammvarikose der V. saphena magna<br />

mit geringer Ausprägung, allerdings erscheint die Leistenregion<br />

bei der Untersuchung im Stehen unauffällig. Gelegentlich<br />

ist die insuffiziente V. femoropoplitea, von der die<br />

<strong>Varikose</strong> der V. saphena accessoria medialis ausgeht, in der<br />

Kniekehle zu tasten.


128 9 <strong>Die</strong> <strong>primäre</strong> <strong>Varikose</strong><br />

<strong>Die</strong> variköse Degeneration der hinteren Bogenvene hat eine<br />

große praktische Bedeutung. Sie kommt im Rahmen eines dekompensierten<br />

Rezirkulationskreises, beim postthrombotischen<br />

Syndrom oder anderen Krankheiten der tiefen Venen<br />

vor (Abb. 9-80).<br />

Anatomie und Topographie<br />

<strong>Die</strong> V. arcuata cruris posterior ist ein zartes Gefäß und verbindet<br />

arkadenförmig die drei Cockett-Vv.-perforantes in der<br />

imaginären Linton-Linie, die in der Mitte zwischen der dorsalen<br />

Schienbeinkante und der Achillessehne zu denken ist.<br />

Distal des Knies mündet die hintere Bogenvene in die V. saphena<br />

magna ein (vgl. Abb. 9-73, S. 123).<br />

Pathomorphologie und Pathophysiologie<br />

<strong>Die</strong> <strong>Varikose</strong> entsteht unmittelbar durch die Insuffizienz der<br />

mittleren oder oberen Cockett-Perforans. Der Blutstrom<br />

wird unter hohem Druck aus der V. tibialis posterior in die<br />

hintere Bogenvene gepresst (Blow-out). Im Lauf der Zeit<br />

formt sich die hintere Bogenvene zu einer stark gewundenen<br />

Krampfader um (Abb. 9-81). Dann kann das Blut aus den<br />

Plexus der oberflächlichen Gewebe nicht mehr in genügendem<br />

Maße abgeschöpft werden, und es kommt zu den dermatologischen<br />

Komplikationen des chronischen venösen Stauungssyndroms.<br />

a<br />

Abb. 9-81 Variköse Degeneration der V. arcuata cruris posterior<br />

( ) bei Insuffizienz der mittleren Cockett-Perforans ( ). Darstellung<br />

durch aszendierende Pressphlebographie bei<br />

a Innenrotation und b seitlich.<br />

Diagnostik und Therapie<br />

<strong>Die</strong> Diagnose kann nur durch die Duplexsonographie gestellt<br />

werden. In Anbetracht der vielen möglichen Variationen<br />

wird im Fall der Operation zur Phlebographie geraten.<br />

Operation<br />

<strong>Die</strong> chirurgische Behandlung erfolgt im Rahmen der inkompletten<br />

Stammvarikose vom dorsalen Typ (S. 117).<br />

9.7.3 <strong>Varikose</strong> der V. arcuata cruris<br />

posterior (C 2 E p A S5 P R )<br />

b<br />

Klinik<br />

<strong>Die</strong> Krankheit lässt sich aufgrund ihres typischen klinischen<br />

Aspekts diagnostizieren: <strong>Die</strong> stark geschlängelte Krampfader<br />

zieht an der Innenseite des Unterschenkels von der Cockett-<br />

Perforans bis zur Knieregion. Sie tritt hauptsächlich im Rahmen<br />

von dekompensierten Rezirkulationskreisen oder Kollateralkreisläufen<br />

auf.<br />

Diagnostik und Therapie<br />

<strong>Die</strong> Perforansinsuffizienz zeichnet sich bei der Duplexsonographie<br />

ab. Bei der Phlebographie sind technische Besonderheiten<br />

zu beachten: Gleich zu Beginn der Untersuchung<br />

füllt sich die variköse hintere Bogenvene über die Cockett-<br />

Perforans antegrad auf. Bei schwerem Befund fließt so viel<br />

Kontrastmittel in das extrafasziale Venensystem ab, dass die<br />

tiefen Venen überlagert werden und nicht mehr zu beurteilen<br />

sind. <strong>Die</strong> Röntgenbilder zeigen ein unentwirrbares Durcheinander<br />

von Gefäßen. Deshalb ist die straffe Anlage des Kompressionsschlauchs<br />

immer distal eines Blow-outs oder eines<br />

Krampfadergeschwürs wichtig. Zur besseren Darstellung der<br />

tiefen Leitvenen wird auch die Anlage eines Kompressionsverbandes<br />

vor der Kontrastmittelinjektion empfohlen.<br />

Operation<br />

Das therapeutische Konzept besteht im Rahmen einer kompletten<br />

Sanierung des extrafaszialen Venensystems, um<br />

den Rezirkulationskreis oder Kollateralkreislauf auszuschalten.<br />

(1) <strong>Die</strong> insuffiziente V. perforans wird subfaszial nach der<br />

May- oder Hauer-Methode disseziert (S. 152).<br />

(2) <strong>Die</strong> hintere Bogenvene lässt sich durch die Miniphlebektomie<br />

oder durch die nachfolgende Sklerosierung ausschalten.


132 9 <strong>Die</strong> <strong>primäre</strong> <strong>Varikose</strong><br />

Chirurgische Zugangswege zur V. saphena parva<br />

Ausnahmsweise wird die V. saphena parva in der arteriellen<br />

Gefäßchirurgie als Bypass verwendet. <strong>Die</strong> Vene ist durch<br />

Längsinzisionen leicht aufzufinden. Am besten beginnt die<br />

Präparation distal hinter dem Außenknöchel und setzt sich<br />

nach proximal fort. Dabei ist sorgfältig auf die Schonung des<br />

N. suralis zu achten. In der Regel wird die Krossektomie bei<br />

dieser Indikation nicht einbezogen.<br />

Spezielle chirurgische Aspekte der topographischen<br />

Anatomie<br />

Ähnlich wie für die V. saphena magna wird auch für die V. saphena<br />

parva eine zusätzliche Faszienduplikatur über den gesamten<br />

Verlauf angenommen, die in der CHIVA-Strategie<br />

von Bedeutung ist.<br />

In der Chirurgie der V. saphena parva spielen die iatrogenen<br />

Nervenverletzungen eine wichtige Rolle, wenn sie auch relativ<br />

selten sind. Der Verlauf der Nerven an der Rückseite des<br />

Beins muss dem Chirurgen deshalb bekannt sein (S. 140).<br />

Epidemiologie<br />

Infolge der zahlreichen Anomalien wird die Krankheit oftmals<br />

erst spät erkannt. <strong>Die</strong> klinische Manifestation liegt in der Statistik<br />

etwas später als bei der V. saphena magna, durchschnittlich<br />

im 29. Lebensjahr. <strong>Die</strong> Häufigkeit der Stammvarikose<br />

der V. saphena parva beträgt im Vergleich zur Stammvarikose<br />

der V. saphena magna 1 : 6. Frauen sind doppelt so häufig betroffen<br />

wie Männer: 70,3% versus 29,7%. <strong>Die</strong> linke Seite ist<br />

mit 53,1% gegenüber der rechten mit 46,9% leicht bevorzugt<br />

(Hach 1979).<br />

Pathomorphologie und Pathophysiologie<br />

<strong>Die</strong> Grundlagen der Pathogenese lassen sich aus dem entsprechenden<br />

Kapitel der V. saphena magna nachvollziehen (S.<br />

78). Auch hier beruht die Krankheit auf einer angeborenen<br />

Schwäche der Mündungsklappe. Sobald ihre Segel nicht mehr<br />

vollständig schließen, entstehen retrograde Refluxe, die in den<br />

Venenstamm und am distalen Insuffizienzpunkt in die konjugierende<br />

Seitenastvarikose übertreten. Der distale Insuffizienzpunkt<br />

ist anatomisch präformiert. Ein prinzipieller Unterschied<br />

zur Stammvarikose der V. saphena magna besteht<br />

darin, dass bei der V. saphena parva oberhalb der poplitealen<br />

Region, also in der V. femoralis superficialis, noch funktionsfähige<br />

Klappen vorgeschaltet sind. <strong>Die</strong> pathologischen Refluxe<br />

enthalten deshalb ein kleineres Blutvolumen, das anfangs<br />

nur aus dem Bereich der V. poplitea stammt.<br />

Infolgedessen ist die Progredienz der Krankheit zu Beginn<br />

wesentlich geringer ausgeprägt als bei einer Stammvarikose<br />

der V. saphena magna.<br />

Ganz anders verhält es sich aber bei den hohen Mündungsanomalien.<br />

Hier liegen keine vorgeschalteten Venenklappen<br />

vor, und die Hämodynamik ähnelt sehr einer schweren<br />

Stammvarikose der V. saphena magna mit voluminösen Refluxen.<br />

!<br />

Der Chirurg muss zur Beurteilung der Prognose und<br />

zur operativen Indikationsstellung die genaue hämodynamische<br />

Situation einer Stammvarikose der V. saphena<br />

parva kennen. Das ist mit der notwendigen<br />

Sicherheit oft nur durch die Kombination von Duplexsonographie<br />

und Phlebographie möglich.<br />

Als röntgenmorphologisches Korrelat der Klappeninsuffizienz<br />

gelten der Verlust des Teleskopzeichens im Bereich der<br />

Krosse und die Ausbildung von infravalvulären Dilatationen.<br />

Der Venenstamm verläuft am Unterschenkel in der Regel<br />

subfaszial, und die Venenwand wird durch die Fascia cruris<br />

gestützt. Deshalb sind die infravalvulären Dilatationen weniger<br />

stark ausgeprägt als bei einer Stammvarikose der V. saphena<br />

magna, und sackförmige Aneurysmen unterhalb der Klappenebenen<br />

gibt es kaum.<br />

Abb. 9-86 Stammvarikose der V. saphena<br />

parva mit dekompensiertem Rezirkulationskreis<br />

II. Schwere Seitenastvarikose. Lokalisation<br />

des chronisch-venösen Stauungssyndroms<br />

am Außenknöchel. 60-jährige Patientin<br />

mit einem Krankheitsverlauf von über 35 Jahren.<br />

Klinik<br />

Es werden die komplette und mehrere inkomplette Formen<br />

differenziert. Von sehr großer praktischer Bedeutung sind außerdem<br />

die verschiedenen Mündungsanomalien.<br />

Bei der klinischen Untersuchung im Stehen mit leicht angebeugtem<br />

Knie, der „Haltung der Venus von Milo“, ist der verdickte<br />

Venenstamm in der Mitte der Kniekehle oder etwas lateral<br />

davon gut tastbar. An der Wade verläuft das Gefäß im<br />

subfaszialen Raum geradlinig bis zum Faszienaustritt. Distal-


9.8 Stammvarikose der V. saphena parva 133<br />

wärts davon sind dann bei einem Stadium II die Krampfaderkonvolute<br />

ausgebildet (Abb. 9-86). Im Stadium III ist der variköse<br />

Venenstamm bis hinter den Außenknöchel und zum<br />

lateralen Fußrand zu verfolgen. Oftmals lässt sich die Stammvarikose<br />

aber auch bei ausgeprägtem Befund klinisch nicht<br />

mit Sicherheit identifizieren.<br />

Bei der Krankheit treten in 35% der Fälle periphere Ödeme<br />

auf. Im weiteren Krankheitsverlauf entstehen bei 11% der Patienten<br />

die dermatologischen Symptome der chronischen venösen<br />

Insuffizienz: Pigmentierungen, Gewebssklerose, Atrophie<br />

blanche bis hin zum Ulcus cruris. Auch hier weist die<br />

typische Lokalisation an der Außenseite des Unterschenkels<br />

und Fußes auf die Beziehung zur V. saphena parva hin. <strong>Die</strong><br />

Ursache der schweren Hautveränderungen muss immer auf<br />

eine sekundäre Leitveneninsuffizienz bezogen werden. In diesen<br />

Rahmen gehört dann auch die Entstehung einer Cockett-<br />

Perforansvarikose, die zum sogenannten Anterior-Ulkus<br />

oberhalb des Innenknöchels führen kann (S. 75).<br />

Cave <strong>Die</strong> falsche Zuordnung eines Anterior-Ulkus<br />

führt immer zum Misserfolg der chirurgischen Therapie.<br />

Öfter als zufällig ist die schwere Stammvarikose der V. saphena<br />

parva mit einer lateralen Perforansvarikose kombiniert.<br />

<strong>Die</strong> klinische Diagnose ergibt sich aus der gleitenden Palpation<br />

am liegenden Patienten (S. 159).<br />

!<br />

<strong>Die</strong> Perforansdiagnostik ist bei einer schweren Stammvarikose<br />

der V. saphena parva besonders wichtig und<br />

besonders schwierig. <strong>Die</strong> Duplexsonographie vermag<br />

einen klinischen Verdacht zu beweisen. <strong>Die</strong> aszendierende<br />

Pressphlebographie erlaubt darüber hinaus auch<br />

eine sichere Aussage über insuffiziente Vv. perforantes,<br />

die nicht an typischer Stelle liegen.<br />

Einteilung nach Stadien<br />

<strong>Die</strong> Einteilung einer Stammvarikose der V. saphena parva in<br />

drei Stadien richtet sich nach der Topographie des distalen Insuffizienzpunktes<br />

(Abb. 9-87 a–c). In einem durchschnittlichen<br />

venenchirurgischen Krankengut fallen die Stadien I, II<br />

und III etwa zu je einem Drittel an (Hach 1979).<br />

Das Stadium I entspricht einer Seitenastvarikose der von proximal<br />

kommenden V. femoropoplitea. Das Gefäß mündet in<br />

einen pathologisch verlängerten Saphena-parva-Mündungstrichter<br />

ein. <strong>Die</strong> Mündungsklappe sitzt demnach an einer atypischen<br />

Stelle. <strong>Die</strong> Pathomorphologie ist also vergleichbar<br />

mit der V. saphena accessoria lateralis (S. 124).<br />

Beim Stadium II reicht die Stammvarikose bis zum distalen<br />

Insuffizienzpunkt an der Wade, wo die charakteristische konjugierende<br />

Seitenastvarikose abgeht und sich meistens ein größeres<br />

Krampfaderkonvolut ausgebildet hat. Sehr oft ist diese<br />

Stelle mit dem Austrittspunkt der V. saphena parva aus dem<br />

intrafaszialen in den extrafaszialen Bereich identisch (Abb. 9-<br />

88 a und b).<br />

a b c<br />

Abb. 9-87 Stadien einer Stammvarikose<br />

der V. saphena parva.<br />

a Stadium I mit Insuffizienz des<br />

Saphenatrichters und variköser<br />

Degeneration der V. femoropoplitea.<br />

b Stadium II mit distalem Insuffizienzpunkt<br />

an der Wade.<br />

c Stadium III mit distalem Insuffizienzpunkt<br />

am Fuß.

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