Newsletter 01/2010 (250 kb) - Schwegler-rae.de
Newsletter 01/2010 (250 kb) - Schwegler-rae.de
Newsletter 01/2010 (250 kb) - Schwegler-rae.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
1/2<strong>01</strong>0<br />
<strong>Newsletter</strong><br />
Neuanfang mit Kontinuität und Verstärkung<br />
Seit <strong>de</strong>m 1. September 2<strong>01</strong>0 ist unsere neu gegrün<strong>de</strong>te Kanzlei<br />
schwegler rechtsanwälte tätig.<br />
Sie setzt für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen an<br />
allen Standorten <strong>de</strong>r Kanzlei schnei<strong>de</strong>r:schwegler rechtsanwälte<br />
<strong>de</strong>ren Tradition fort.<br />
Zusätzlich hat sie sich mit weiteren Leistungsträgern verstärkt.<br />
Unser Ziel ist, <strong>de</strong>n bisherigen Standard und das erworbene<br />
Ansehen <strong>de</strong>r früheren Formation kontinuierlich zu bewahren und<br />
systematisch für eine nachhaltige Vertretung von Arbeitnehmerinteressen<br />
weiterzuentwickeln.<br />
So will auch dieser <strong>Newsletter</strong> Bekanntes und Bewährtes mit<br />
neuen optischen und inhaltlichen Akzenten verbin<strong>de</strong>n. Wir<br />
wünschen viel Spaß und gute Erkenntnisse beim Lesen und sind<br />
für Ihre/Eure Anregungen dan<strong>kb</strong>ar.<br />
Unser Ziel ist es, für Sie/Euch immer besser zu wer<strong>de</strong>n, um<br />
gemeinsam auch in Zukunft die Interessen <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
möglichst effektiv durchzusetzen.<br />
Ihre<br />
schwegler rechtsanwälte<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
1
Inhalt<br />
In eigener Sache 3<br />
Tarifrecht: „BAG gibt Grundsatz <strong>de</strong>r Tarifeinheit auf“ 4<br />
Betriebsräte: Kurzüberblick über wichtige Entscheidungen 7<br />
Arbeitnehmer: „Karenzentschädigung – „überschießen<strong>de</strong>s“<br />
Wettbewerbsverbot“ 10<br />
Arbeitnehmer: Kurzüberblick über wichtige Entscheidungen 14<br />
Trends: Gesetzgeberische Reaktion auf die Finanzkrise:<br />
Teil II – Mitarbeiterboni 16<br />
Veröffentlichungen 18<br />
Veranstaltungen 20<br />
Impressum 21<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
2
In eigener Sache<br />
schwegler rechtsanwälte wird als hochspezialisierte Kanzlei für die<br />
Vertretung von Arbeitnehmern, Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten,<br />
Arbeitnehmervertretern in Aufsichtsräten und Führungskräften sowie die<br />
Wahrnehmung damit korrespondieren<strong>de</strong>r Mandate tätig sein und die<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Geschäftsfel<strong>de</strong>r an allen bisherigen Standorten (Düsseldorf,<br />
Berlin, Frankfurt am Main, Köln) betreiben.<br />
Hierzu gehört selbstverständlich auch die Bearbeitung gesellschaftsrechtlicher<br />
Fragestellungen, soweit sie insbeson<strong>de</strong>re für mitbestimmungsrechtliche<br />
Problemstellungen relevant sind.<br />
Insgesamt besteht die Startformation von schwegler rechtsanwälte aus<br />
sieben Partnern (Lorenz <strong>Schwegler</strong>, Felix Laumen, Dr. Michael Bachner,<br />
Michael Merzhäuser, Heike Merzhäuser, Ralf Trümner und Dieter Lenz), zehn<br />
Associates (Dr. Sascha Lerch, Sebastian Kolb, Enrico Meier, Karsten<br />
Sparchholz, Lars Weinbrenner und Sabrina Staack in Berlin, Yvonne Goebel,<br />
Michael <strong>Schwegler</strong>, Nadine Zeibig in Düsseldorf, Peter Gerhardt in Frankfurt),<br />
sechs Of Counsel-Anwälten (unter diesen weiterhin insbeson<strong>de</strong>re Prof. Dr.<br />
Herta Däubler-Gmelin und Gunter Rose in Berlin, Michael Scho<strong>de</strong>n in<br />
Düsseldorf sowie Dr. Manfred Bobke-von Camen in Köln) und <strong>de</strong>n wissenschaftlichen<br />
Beratern Prof. Dr. Wolfgang Däubler und Prof. Dr. Bernhard<br />
Nagel.<br />
Zum Ausbau <strong>de</strong>r Beratungskompetenz für gestaltungsorientierte<br />
Mitbestimmung in <strong>de</strong>r privaten und öffentlichen Wirtschaft konnten als Of<br />
Counsel-Anwälte Prof. Dr. Heinz Klinkhammer (vormals Arbeitsdirektor<br />
Deutsche Telekom AG/Mannesmann AG) sowie Dr. Johannes Vöcking<br />
(vormals Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Barmer Ersatzkasse und unterschiedliche<br />
Positionen in Bun<strong>de</strong>sministerien) gewonnen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Betreuung individualrechtlicher Mandate aus allen Bereichen <strong>de</strong>r<br />
Arbeitswelt und auf damit vergleichbaren Tätigkeitsfel<strong>de</strong>rn (Sportler,<br />
Künstler, kreative Freiberufler) run<strong>de</strong>t auch weiterhin die Ausrichtung unserer<br />
Kanzlei auf alle Aspekte <strong>de</strong>s Arbeitsrechtes ab.<br />
Wir wür<strong>de</strong>n uns freuen, wenn Sie uns auch in Zukunft Ihr Vertrauen<br />
entgegenbringen wür<strong>de</strong>n. Gerne setzen wir die Zusammenarbeit mit Ihnen<br />
auch im Rahmen <strong>de</strong>r neuen Formation fort.<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
3
Tarifrecht<br />
BAG gibt Grundsatz <strong>de</strong>r Tarifeinheit auf<br />
BAG v. 23.06.2<strong>01</strong>0 – Az.: 10 AS 2/10 und 10 AS 3/10<br />
Tenor:<br />
Der 10. Senat schließt sich <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>s 4. Senats an, dass die<br />
Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die <strong>de</strong>n Inhalt, <strong>de</strong>n Abschluss und die<br />
Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1<br />
TVG in <strong>de</strong>n jeweiligen Arbeitsverhältnissen eines Betriebes unmittelbar<br />
gelten und diese durch das Tarifvertragsgesetz vorgesehene Geltung nicht<br />
dadurch verdrängt wird, dass für <strong>de</strong>n Betrieb kraft Tarifbindung <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1 TVG mehr als ein Tarifvertrag gilt, für<br />
Arbeitsverhältnisse <strong>de</strong>rselben Art im Falle einer Tarifbindung eines o<strong>de</strong>r<br />
mehrerer Arbeitnehmer allerdings jeweils nur ein Tarifvertrag<br />
(„Tarifpluralität“).<br />
Sachverhalt:<br />
Der 4. Senat <strong>de</strong>s BAG hatte in zwei Fällen über einen tarifvertraglichen<br />
Aufschlag zur Urlaubsvergütung zu entschei<strong>de</strong>n. In bei<strong>de</strong>n Verfahren war<br />
<strong>de</strong>r Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 TVG zum einen unmittelbar an <strong>de</strong>n<br />
zwischen <strong>de</strong>r VKA und <strong>de</strong>r Gewerkschaft ver.di geschlossenen TVöD/VKA<br />
gebun<strong>de</strong>n. Zum an<strong>de</strong>ren bestand eine Bindung an <strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>r VKA<br />
und <strong>de</strong>m Marburger Bund geschlossenen und im Verhältnis zwischen <strong>de</strong>n<br />
Parteien im maßgeblichen Zeitraum noch voll wirksamen BAT. Die Kläger<br />
waren jeweils Mitglied im Marburger Bund und machten die Rechte aus <strong>de</strong>m<br />
BAT geltend. Der Arbeitgeber war <strong>de</strong>r Meinung, dass <strong>de</strong>r BAT keine<br />
Anwendung fin<strong>de</strong>, da dieser nach <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r Tarifeinheit vom<br />
spezielleren TVöD verdrängt wer<strong>de</strong>. Der 4. Senat ist bei seiner<br />
Entscheidungsfindung zu <strong>de</strong>m Ergebnis gekommen, dass er <strong>de</strong>n Grundsatz<br />
<strong>de</strong>r Tarifeinheit, <strong>de</strong>n er zuvor jahrelang vertreten hat, nicht aufrecht<br />
erhalten wollte. Er war allerdings an einer abschließen<strong>de</strong>n Entscheidung<br />
gehin<strong>de</strong>rt, weil er in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von <strong>de</strong>r<br />
Rechtsauffassung eines an<strong>de</strong>ren Senats <strong>de</strong>s BAG abweichen wollte. Der 10.<br />
Senat hat in seiner Entscheidung vom 25. Juli 20<strong>01</strong> nämlich die<br />
Rechtsauffassung vertreten, dass „in diesem Fall <strong>de</strong>r Tarifkonkurrenz bzw. -<br />
pluralität … nach <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r Spezialität allein <strong>de</strong>r Tarifvertrag zur<br />
Anwendung [kommt], <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und<br />
persönlich am nächsten steht und <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen und<br />
Eigenarten <strong>de</strong>s Betriebes und <strong>de</strong>r darin tätigen Arbeitnehmer am besten<br />
gerecht wird“ (BAG v. 25.07.20<strong>01</strong> - 10 AZR 599/00).<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
4
Tarifrecht<br />
Der 4. Senat fragte daher beim 10. Senat an, ob dieser <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r<br />
Tarifeinheit aufrecht erhalten wollte (BAG v. 27.<strong>01</strong>.2<strong>01</strong>0 – Az.: 4 AZR<br />
549/08 (A) und 4 AZR 537/08 (A)). In diesem Fall hätte <strong>de</strong>r 4. Senat <strong>de</strong>n<br />
Großen Senat <strong>de</strong>s BAG anrufen müssen. Der Große Senat entschei<strong>de</strong>t gem.<br />
§ 45 Abs. 2 ArbGG, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von <strong>de</strong>r<br />
Entscheidung eines an<strong>de</strong>ren Senats o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Großen Senats abweichen will.<br />
Eine Vorlage an <strong>de</strong>n Großen Senat ist gem. § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG<br />
jedoch nur zulässig, wenn <strong>de</strong>r Senat, von <strong>de</strong>ssen Entscheidung abgewichen<br />
wer<strong>de</strong>n soll, auf Anfrage <strong>de</strong>s erkennen<strong>de</strong>n Senats erklärt hat, dass er an<br />
seiner Rechtsauffassung festhält.<br />
Entscheidung:<br />
Der 10. Senat hält an seiner Rechtsauffassung nicht fest. Er schließt sich<br />
<strong>de</strong>r Auffassung an, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelte auch dann uneingeschränkt,<br />
wenn in einem Betrieb kraft Tarifbindung <strong>de</strong>s Arbeitgebers nach § 3 Abs. 1<br />
TVG auf mehrere Arbeitsverhältnisse <strong>de</strong>rselben Art verschie<strong>de</strong>ne<br />
Tarifverträge zur Anwendung kommen. Das TVG ordnet in § 3 Abs. 1, § 4<br />
Abs. 1 die unmittelbare und zwingen<strong>de</strong> Wirkung <strong>de</strong>r Normen eines<br />
Tarifvertrags im Arbeitsverhältnis bei<strong>de</strong>rseits Tarifgebun<strong>de</strong>ner an. Es<br />
besteht kein hinreichen<strong>de</strong>r Grund, die damit im Gesetz angelegte<br />
Möglichkeit auszuschließen, dass für verschie<strong>de</strong>ne Arbeitnehmer im Betrieb<br />
unterschiedliche Tarifverträge gelten. Insbeson<strong>de</strong>re enthält das TVG keinen<br />
insoweit vorgehen<strong>de</strong>n allgemeinen Grundsatz <strong>de</strong>r Tarifeinheit. Die durch<br />
bei<strong>de</strong>rseitige Verbandsmitgliedschaft o<strong>de</strong>r durch Verbandsmitgliedschaft<br />
und eigenen Abschluss <strong>de</strong>s Tarifvertrags legitimierte Geltung <strong>de</strong>r<br />
Tarifnormen darf nicht entgegen <strong>de</strong>r ein<strong>de</strong>utigen gesetzlichen Regelung<br />
aufgehoben wer<strong>de</strong>n. Angesichts <strong>de</strong>r vom 4. Senat im Beschluss vom 27.<br />
Januar 2<strong>01</strong>0 ausführlich und überzeugend dargelegten Begründung sieht<br />
<strong>de</strong>r 10. Senat von einer weiteren Begründung ab.<br />
Folge dieser Entscheidung war, dass <strong>de</strong>r Große Senat <strong>de</strong>s BAG nicht<br />
angerufen wer<strong>de</strong>n musste. Der 4. Senat konnte seine bei<strong>de</strong>n Verfahren<br />
entschei<strong>de</strong>n und sprach <strong>de</strong>n Klägern jeweils <strong>de</strong>n Aufschlag zur<br />
Urlaubsvergütung nach <strong>de</strong>m BAT zu (BAG v. 07.07.2<strong>01</strong>0 - 4 AZR 549/08<br />
und 4 AZR 537/08).<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
5
Tarifrecht<br />
Be<strong>de</strong>utung für die Praxis:<br />
Der über 50 Jahre in <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BAG vertretene Grundsatz <strong>de</strong>r<br />
Tarifeinheit ist nun aufgegeben. Das be<strong>de</strong>utet, dass Normen eines kraft<br />
beidseitiger Tarifbindung <strong>de</strong>r Arbeitsvertragsparteien auf ein Arbeitsverhältnis<br />
anwendbaren Tarifvertrages, die <strong>de</strong>n Inhalt, <strong>de</strong>n Abschluss und<br />
die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln, nicht mehr durch<br />
speziellere tarifliche Regelungen verdrängt wer<strong>de</strong>n, die kraft einseitiger<br />
Tarifbindung <strong>de</strong>s Arbeitgebers im Betrieb ebenfalls Anwendung fin<strong>de</strong>n.<br />
Das BAG hat allerdings offen gelassen, welche Folgen sich für betriebs- o<strong>de</strong>r<br />
betriebsverfassungsrechtliche Normen verschie<strong>de</strong>ner Tarifverträge ergeben.<br />
Ebenso hat es sich nicht geäußert, wie es bei einer Kollision eines<br />
kraft Allgemeinverbindlichkeit im Betrieb gültigen Tarifvertrages mit einem<br />
im Betrieb aufgrund <strong>de</strong>r Tarifbindung <strong>de</strong>s Arbeitgebers anzuwen<strong>de</strong>n<br />
Tarifvertrags entschei<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />
Probleme ergeben sich in <strong>de</strong>r Praxis für die Arbeitgeber. Diese müssen die<br />
in ihren Betrieben zur Anwendung kommen<strong>de</strong>n tariflichen Regelungen<br />
erfassen und individuell auf <strong>de</strong>n jeweiligen Arbeitnehmer zur Anwendung<br />
bringen. Die Arbeitgeber wer<strong>de</strong>n allerdings in <strong>de</strong>r Regel keine Kenntnis von<br />
<strong>de</strong>r Gewerkschaftszugehörigkeit <strong>de</strong>r Arbeitnehmer haben. Ein Fragerecht<br />
steht ihnen diesbezüglich nämlich nicht zu. Will <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
Ansprüche aus Tarifverträgen einfor<strong>de</strong>rn, muss er im Streitfall aber seine<br />
Gewerkschaftszugehörigkeit als Anspruchsvoraussetzung offen legen.<br />
Die Aufgabe <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>r Tarifeinheit wird auch Auswirkungen auf<br />
die Auslegung von Bezugnahmeklauseln in Individualarbeitsverträgen<br />
haben.<br />
Der DGB hat gefor<strong>de</strong>rt, dass <strong>de</strong>r Gesetzgeber <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r<br />
Tarifeinheit ins TVG hineinschreiben solle. Das Prinzip „Ein Betrieb – ein<br />
Tarifvertrag“ hat sich bewährt und ist im Interesse bei<strong>de</strong>r Tarifvertragsparteien.<br />
Den Arbeitnehmern nutzt die Tarifeinheit, weil sie <strong>de</strong>n Zusammenhalt<br />
innerhalb <strong>de</strong>r Gesamtbelegschaften stärkt. Sie verhin<strong>de</strong>rt, dass<br />
einzelne Belegschaftsteile gegeneinan<strong>de</strong>r ausgespielt wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Schwachen brauchen die Solidarität <strong>de</strong>r Starken – das gilt nicht nur in <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft, son<strong>de</strong>rn auch im Betrieb. Auch dafür steht die Tarifeinheit. Es<br />
ist allerdings offen, ob <strong>de</strong>r Gesetzgeber diesem Vorschlag folgen wird.<br />
Lars Weinbrenner, Berlin<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
6
Betriebsräte<br />
te<br />
Arbeitgeber tragen die Kosten für die Kin<strong>de</strong>rbetreuung eines<br />
alleinerziehen<strong>de</strong>n Betriebsratsmitglieds<br />
– BAG, Beschluss vom 23. Juni 2<strong>01</strong>0 – 7 ABR 103/08 – Pressemitteilung Nr. 47/10 –<br />
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt <strong>de</strong>r Arbeitgeber die Kosten für die<br />
Betriebsratstätigkeit. Auf Kosten <strong>de</strong>r privaten Lebensführung erstreckt sich<br />
diese Kostentragungspflicht nicht, auch wenn diese aufgrund <strong>de</strong>r Betriebsratstätigkeit<br />
erhöht sein sollten. Verfassungsrechtlich ist hier allerdings eine<br />
Ausnahme geboten, wenn wegen <strong>de</strong>r Betriebsratstätigkeit außerhalb <strong>de</strong>r<br />
persönlichen Arbeitszeit <strong>de</strong>s Betriebsratsmitglieds Kin<strong>de</strong>rbetreuungskosten<br />
entstehen. Denn gemäß Art. 6 Abs. 2 GG sind Pflege und Erziehung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />
nicht nur „das natürliche Recht“ <strong>de</strong>r Eltern, son<strong>de</strong>rn auch die „zuvör<strong>de</strong>rst<br />
ihnen obliegen<strong>de</strong> Pflicht“. Kommt das Betriebsratsmitglied seinen<br />
Verpflichtungen sowohl aus <strong>de</strong>r Betriebsverfassung als auch aus <strong>de</strong>m<br />
Grundgesetz nach, ist das dadurch entstehen<strong>de</strong> Vermögensopfer in<br />
verfassungskonformer Auslegung <strong>de</strong>s § 40 Abs. 1 BetrVG <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />
aufzuerlegen.<br />
In <strong>de</strong>m entschie<strong>de</strong>nen Fall hatte eine alleinerziehen<strong>de</strong> Mutter geklagt, die<br />
während insgesamt zehntägiger Abwesenheiten aufgrund von Gesamtbetriebsratssitzungen<br />
und einer Betriebsräteversammlung ihre 11 und 12 Jahre alten<br />
Kin<strong>de</strong>r betreuen lassen musste. Auch die Gesamtkosten von 600 Euro durfte<br />
das Betriebsratsmitglied für erfor<strong>de</strong>rlich halten.<br />
Diese Rechtsprechung dürfte nicht auf alleinerziehen<strong>de</strong> Betriebsratsmitglie<strong>de</strong>r<br />
beschränkt bleiben, zumal das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht es für unschädlich hielt,<br />
dass die volljährige Tochter <strong>de</strong>s Betriebsratsmitglieds sich geweigert hatte, die<br />
jüngeren Geschwister zu betreuen. Allerdings dürften bei Vorhan<strong>de</strong>nsein<br />
weiterer Erziehungsberechtigter höhere Anfor<strong>de</strong>rungen an die Unvermeidlichkeit<br />
<strong>de</strong>r Fremdbetreuung zu stellen sein. In Betracht käme hier z. B. die<br />
beruflich bedingte Verhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Erziehungsberechtigten.<br />
Einzelne Betriebsratsmitglie<strong>de</strong>r haben grundsätzlich Anspruch auf<br />
Internet und E-Mail-Adresse<br />
– BAG, Beschluss vom 14. Juli 2<strong>01</strong>0 – ABR 80/08 – Pressemitteilung Nr. 50/10 –<br />
Nach<strong>de</strong>m die Rechtsprechung, wonach grundsätzlich je<strong>de</strong>s Betriebsratsgremium<br />
Anspruch auf einen PC mit Internetanschluss hat, nach einigem Hin<br />
und Her in <strong>de</strong>n unteren Instanzen nunmehr gefestigt erscheint, hat das<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
7
Betriebsräte<br />
te<br />
Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht jetzt (entgegen <strong>de</strong>n Vorinstanzen) klargestellt, dass nach<br />
§ 40 Abs. 2 BetrVG auch je<strong>de</strong>s einzelne Betriebsratsmitglied die Eröffnung<br />
eines Internetzugangs und die Einrichtung einer eigenen E-Mail-Adresse<br />
verlangen kann, sofern berechtigte Interessen <strong>de</strong>s Arbeitgebers nicht<br />
entgegenstehen. Bei <strong>de</strong>r Entscheidung, welche Informations- und Kommunikationsmittel<br />
für die Betriebsratsarbeit erfor<strong>de</strong>rlich sind, hat <strong>de</strong>r Betriebsrat<br />
einen Beurteilungsspielraum. Dieser <strong>de</strong>ckt grundsätzlich die Entscheidung,<br />
dass ggf. je<strong>de</strong>s einzelne Betriebsratsmitglied mit Dritten über E-Mail<br />
kommunizieren muss und – etwa zur Vorbereitung <strong>de</strong>r Betriebsratssitzung –<br />
einen Internetanschluss benötigt.<br />
Zu <strong>de</strong>n entgegenstehen<strong>de</strong>n Belangen <strong>de</strong>s Arbeitgebers, die <strong>de</strong>r Betriebsrat bei<br />
seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat, gehört insbeson<strong>de</strong>re die<br />
Kostenbelastung. Dieser kommt nach Ansicht <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts keine<br />
Be<strong>de</strong>utung zu, wenn die Betriebsratsmitglie<strong>de</strong>r bereits über PC-Arbeitsplätze<br />
verfügen, bei <strong>de</strong>nen lediglich das Internet frei geschaltet und eine E-Mail-<br />
Adresse eingerichtet wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Betriebsratstätigkeit ist auch im Restmandat unentgeltlich<br />
– BAG, Urteil vom 5. Mai 2<strong>01</strong>0 – 7 AZR 728/08 – Pressemitteilung Nr. 35/10 –<br />
Die Betriebsratstätigkeit ist ein unentgeltliches Ehrenamt, § 37 Abs. 1 BetrVG.<br />
Diesen Grundsatz hat das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht nun auch für Freizeitopfer<br />
bestätigt, die ein Betriebsratsmitglied im Restmandat erbringt.<br />
Ein Restmandat entsteht, wenn ein Betrieb durch Stilllegung, Spaltung o<strong>de</strong>r<br />
Zusammenlegung untergeht, gemäß § 21b BetrVG für die damit noch im<br />
Zusammenhang stehen<strong>de</strong>n Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte. U. U.<br />
kann zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis <strong>de</strong>s Betriebsratsmitglieds<br />
bereits been<strong>de</strong>t sein, so dass eine Freistellung nach § 37 Abs. 3 BetrVG für<br />
Betriebsratstätigkeit außerhalb <strong>de</strong>r Arbeitszeit nicht mehr in Betracht kommt.<br />
Eine Vergütung <strong>de</strong>r Tätigkeit im Restmandat kann das Betriebsratsmitglied<br />
wegen <strong>de</strong>ren ehrenamtlichen Charakters <strong>de</strong>nnoch nicht verlangen. Nicht<br />
entschie<strong>de</strong>n hat das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht allerdings, ob ein Ausgleichsanspruch<br />
für Vermögensopfer besteht, falls ein Arbeitnehmer sich bei einem<br />
neuen Arbeitgeber zur Wahrnehmung <strong>de</strong>s Restmandats unbezahlt freistellen<br />
lässt. Dies dürfte wegen <strong>de</strong>r allgemeinen Kostentragungspflicht <strong>de</strong>s § 40 Abs.<br />
1 BetrVG zu bejahen sein.<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
8
Betriebsräte<br />
te<br />
Politische Betätigung <strong>de</strong>s Betriebsrats<br />
– BAG, Beschluss vom 17. März 2<strong>01</strong>0 – 7 ABR 95/08 –<br />
Das Verbot <strong>de</strong>r „parteipolitischen Betätigung“ in § 74 Abs. 2 Satz 3, 1.<br />
Halbsatz BetrVG be<strong>de</strong>utet nicht, dass <strong>de</strong>m Betriebsrat jegliche politische<br />
Äußerung o<strong>de</strong>r auch Betätigung verboten ist. So umfasst das Verbot nicht je<strong>de</strong><br />
allgemeinpolitische Äußerung, z. B. nicht die Auffor<strong>de</strong>rung zur Teilnahme an<br />
politischen Wahlen o<strong>de</strong>r Abstimmungen. Dass es kein „Politikverbot“ gibt,<br />
welches die Behandlung solcher tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer<br />
und wirtschaftlicher Angelegenheiten ausschließen wür<strong>de</strong>, die <strong>de</strong>n<br />
Betrieb o<strong>de</strong>r seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, stellt das Gesetz selbst<br />
klar. Hierzu darf <strong>de</strong>r Betriebsrat sich nicht nur äußern, son<strong>de</strong>rn im Rahmen<br />
seiner allgemeinen Zuständigkeiten auch aktiv wer<strong>de</strong>n.<br />
Soweit <strong>de</strong>r Betriebsrat sich tatsächlich verbotenerweise parteipolitisch betätigt,<br />
hat das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht klargestellt, dass <strong>de</strong>r Arbeitgeber gegen diesen<br />
Gesetzesverstoß keinen Unterlassungsanspruch geltend machen kann. Ein<br />
solcher ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der Arbeitgeber muss also gemäß § 23<br />
Abs. 1 BetrVG die Auflösung <strong>de</strong>s Betriebsrats beantragen. Entsprechen<strong>de</strong>s<br />
dürfte für die Entfernung aus <strong>de</strong>m Betriebsrat gelten, falls ein einzelnes<br />
Mitglied das parteipolitische Betätigungsverbot verletzt. Der Antrag nach § 23<br />
Abs. 1 BetrVG hat allerdings nur Erfolg bei einer groben Pflichtverletzung.<br />
Diese kann sowohl in <strong>de</strong>r Schwere eines einzelnen Verstoßes liegen als auch in<br />
<strong>de</strong>r hartnäckigen Wie<strong>de</strong>rholung leichterer Verfehlungen.<br />
Dementsprechend hat das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht die Anträge eines Arbeitgebers<br />
abgewiesen, die darauf gerichtet waren, <strong>de</strong>m Betriebsrat Äußerungen<br />
über <strong>de</strong>n letzten Irakkrieg zu untersagen. Den hilfsweise gestellten Antrag auf<br />
Feststellung, dass <strong>de</strong>r Betriebsrat zu Äußerungen zum Irakkrieg im Betrieb<br />
nicht berechtigt sei, hat das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht mit <strong>de</strong>r allgemeingültigen<br />
prozessualen Erwägung abgewiesen, dass für diesen Antrag mehrere Jahre<br />
nach Kriegsen<strong>de</strong> kein berechtigtes Interesse mehr ersichtlich ist.<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
9
Arbeitnehmer<br />
Karenzentschädigung – „überschießen<strong>de</strong>s“ Wettbewerbsverbot<br />
- BAG, Urteil vom 21.04.2<strong>01</strong>0 – 10 AZR 288/09 -<br />
Leitsatz:<br />
Der Anspruch auf Karenzentschädigung setzt voraus, dass <strong>de</strong>r Arbeitnehmer<br />
das Wettbewerbsverbot insoweit einhält, als es nach § 74a Abs. 1 HGB<br />
verbindlich ist. Die Einhaltung auch in seinem unverbindlichen Teil ist nicht<br />
erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
Orientierungssatz:<br />
Häufig sind in Arbeitsverträgen Wettbewerbsverbote enthalten. Während<br />
<strong>de</strong>s rechtlichen Bestehens <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses ist auch ohne<br />
entsprechen<strong>de</strong> individual- o<strong>de</strong>r kollektivvertragliche Vereinbarung je<strong>de</strong><br />
Konkurrenztätigkeit zum Nachteil <strong>de</strong>s Arbeitgebers untersagt (§§ 60 HGB<br />
bzw. 60 HGB analog, 241 Abs. 2 BGB). Ein Wettbewerbsverbot kann aber<br />
auch für die Zeit nach rechtlicher Beendigung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses<br />
vereinbart wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Anfor<strong>de</strong>rungen an ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ergeben<br />
sich aus §§ 110 GewO, 74 ff. HGB. Nicht gesetzlich geregelt ist die Frage<br />
<strong>de</strong>s Bestehens eines Anspruchs auf Karenzentschädigung bei einem<br />
teilweise verbindlichen und teilweise unverbindlichen Wettbewerbsverbot.<br />
Der 10. Senat <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts hat an<strong>de</strong>rs als die Vorinstanzen<br />
nun entschie<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Anspruch nicht voraussetzt, dass <strong>de</strong>r<br />
Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot insgesamt beachtet; es genügt die<br />
Einhaltung <strong>de</strong>s verbindlichen Teils.<br />
Sachverhalt:<br />
Gegenstand <strong>de</strong>r Entscheidung war ein Streit <strong>de</strong>r Parteien über die<br />
Verpflichtung <strong>de</strong>r Beklagten zur Zahlung einer Karenzentschädigung aus<br />
einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot i.H.v. knapp 67.000 € an <strong>de</strong>n<br />
Kläger.<br />
Der Kläger war bis zum 31.08.2003 für die Beklagte, zuletzt als<br />
Marketingleiter, tätig; die Beklagte stellt Fenster und Türen her, die sie an<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
10
Arbeitnehmer<br />
<strong>de</strong>n Fachhan<strong>de</strong>l vertreibt. Nach einem zwischen <strong>de</strong>m Kläger und <strong>de</strong>r<br />
Beklagten 1996 vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot war <strong>de</strong>r Kläger<br />
verpflichtet, während <strong>de</strong>r Dauer von zwei Jahren nach Beendigung <strong>de</strong>s<br />
Arbeitsverhältnisses nicht für ein Unternehmen tätig zu sein, das mit <strong>de</strong>r<br />
Beklagten in Konkurrenz steht. Als ein Konkurrenzunternehmen galt nach<br />
dieser Vereinbarung ein Unternehmen, das sich mit <strong>de</strong>r Herstellung o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>m Vertrieb von Fenstern, Türen, Fensterlä<strong>de</strong>n, Isolier- und<br />
Funktionsgläsern o<strong>de</strong>r spezifischen EDV-Programmen für eine dieser<br />
Branchen befasst. Die Beklagte verpflichtete sich für die Dauer <strong>de</strong>s<br />
Wettbewerbsverbots, <strong>de</strong>m Kläger eine Entschädigung in Höhe <strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r<br />
zuletzt vom Kläger bezogenen Vergütung zu zahlen.<br />
Der Kläger arbeitete im in Streit stehen<strong>de</strong>n Zeitraum als selbständiger<br />
Han<strong>de</strong>lsvertreter für ein an<strong>de</strong>res Unternehmen. Das Unternehmen, welches<br />
<strong>de</strong>n Großteil seiner Produkte von <strong>de</strong>r Beklagten bezog, vertrieb als<br />
Fachhändler Fenster und Türen an private und gewerbliche Endkun<strong>de</strong>n.<br />
Mit Schreiben vom 16.10.2003 hat <strong>de</strong>r Kläger Zahlung <strong>de</strong>r vereinbarten<br />
Karenzentschädigung von <strong>de</strong>r Beklagten verlangt.<br />
In <strong>de</strong>n Vorinstanzen ist er erfolglos geblieben. Seine Revision vor <strong>de</strong>m 10.<br />
Senat <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts hatte Erfolg.<br />
Inhalt <strong>de</strong>r Entscheidung:<br />
Nach Auffassung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts besteht ein Anspruch <strong>de</strong>s<br />
Klägers auf Zahlung <strong>de</strong>r Karenzentschädigung aus <strong>de</strong>m vereinbarten<br />
Wettbewerbsverbot. Der Kläger hat das Wettbewerbsverbot, soweit es für<br />
ihn verbindlich ist, beachtet, was für einen Anspruch auf die vereinbarte<br />
Karenzentschädigung genüge.<br />
Der Kläger war nicht gehalten, das Wettbewerbsverbot auch insoweit zu<br />
beachten, als es für ihn unverbindlich war. Gemäß § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB<br />
ist ein Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht <strong>de</strong>m Schutz<br />
eines berechtigten geschäftlichen Interesses <strong>de</strong>s Arbeitgebers dient. Gemäß<br />
§ 74a Absatz 1 Satz 2 HGB ist es ferner unverbindlich, soweit es unter<br />
Berücksichtigung <strong>de</strong>r gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit o<strong>de</strong>r<br />
Gegenstand eine unbillige Erschwerung <strong>de</strong>s Fortkommens <strong>de</strong>s<br />
Arbeitnehmers enthält. Zwar war auch nach Ansicht <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts<br />
das Unternehmen, für das <strong>de</strong>r Kläger im streitgegenständlichen<br />
Zeitraum tätig war, ein Konkurrenzunternehmen i.S.d. Wettbewerbsverbots,<br />
jedoch war das Wettbewerbsverbot insoweit für <strong>de</strong>n Kläger unverbindlich,<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
11
Arbeitnehmer<br />
als das vertraglich vereinbarte Verbot <strong>de</strong>s Vertriebs von Fenstern und Türen<br />
direkt an <strong>de</strong>n Endverbraucher kein berechtigtes schützenswertes<br />
geschäftliches Interesse <strong>de</strong>s Arbeitgebers darstellt. Eine Konkurrenztätigkeit<br />
auf einer an<strong>de</strong>ren Han<strong>de</strong>lsstufe stellt keine unerlaubte Konkurrenztätigkeit<br />
dar, an <strong>de</strong>ren Untersagung ein berechtigtes geschäftliches Interesse <strong>de</strong>s<br />
Arbeitgebers besteht. Die Beklagte unterhält keine Beziehungen zum<br />
Endkun<strong>de</strong>n; sie vertreibt ihre Produkte ausschließlich an <strong>de</strong>n Fachhan<strong>de</strong>l.<br />
Der Kläger hat im streitigen Zeitraum auf <strong>de</strong>r nächsten Han<strong>de</strong>lsstufe<br />
Fenster und Türen an Endkun<strong>de</strong>n vertrieben; er hat we<strong>de</strong>r für ein Fenster<br />
und Türen herstellen<strong>de</strong>s Unternehmen gearbeitet, noch ist er auf <strong>de</strong>r<br />
Vertriebsebene zwischen Produzent und Fachhändler tätig gewor<strong>de</strong>n, wo er<br />
seine im Betrieb <strong>de</strong>r Beklagten erworbenen Kenntnisse über Kun<strong>de</strong>n, Preise<br />
und Vertriebsstrukturen zum Nachteil <strong>de</strong>r Beklagten hätte nutzen können.<br />
Ein berechtigtes Interesse ergibt sich nach Auffassung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts<br />
auch nicht aus <strong>de</strong>r zuletzt beklei<strong>de</strong>ten Stellung <strong>de</strong>s Klägers<br />
als Marketingleiter bei <strong>de</strong>r Beklagten und <strong>de</strong>n daraus resultieren<strong>de</strong>n<br />
Kenntnissen über Vertrieb und Endprodukte. Die Gefahr, dass <strong>de</strong>r Kläger<br />
einzelne Mitarbeiter <strong>de</strong>r Beklagten in Schlüsselpositionen anspricht, um sie<br />
zu einem Wechsel zu seinem neuen Arbeitgeber zu bewegen, geht über <strong>de</strong>n<br />
Schutzzweck <strong>de</strong>s Wettbewerbsverbots hinaus.<br />
Folge eines solchen, zu weit gefassten Wettbewerbsverbots ist gemäß § 74a<br />
Abs. 1 Satz 1 HGB, die nur teilweise Verbindlichkeit <strong>de</strong>ssen. Das Wettbewerbsverbot<br />
büßt seine Wirksamkeit hinsichtlich <strong>de</strong>s zu weit gefassten<br />
Teils von Gesetzes wegen ein. Sofern <strong>de</strong>r Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot<br />
in seinem verbindlichen Teil einhält, hat er Anspruch auf die<br />
vereinbarte Entschädigung. An<strong>de</strong>rs als noch das Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht in<br />
dieser Sache ist es nach Ansicht <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts für <strong>de</strong>n<br />
Anspruch nicht nötig, dass <strong>de</strong>r Arbeitnehmer auch <strong>de</strong>n unverbindlichen Teil<br />
<strong>de</strong>s Wettbewerbsverbots beachtet. Dies wi<strong>de</strong>rspräche <strong>de</strong>m Schutzzweck <strong>de</strong>s<br />
§ 74a Abs. 1 HGB sowie <strong>de</strong>r durch Art. 12 Grundgesetz geschützten<br />
Berufsfreiheit <strong>de</strong>s Arbeitnehmers. Eine an<strong>de</strong>re Beurteilung wür<strong>de</strong> dazu<br />
führen, dass es <strong>de</strong>r Arbeitgeber durch eine zu weit gefasste<br />
Wettbewerbsklausel in <strong>de</strong>r Hand hätte, <strong>de</strong>n Arbeitnehmer bei <strong>de</strong>r Inanspruchnahme<br />
<strong>de</strong>r Karenzentschädigung von seiner beruflichen Tätigkeit<br />
beliebig auszuschließen. Zu<strong>de</strong>m verstoße ein an<strong>de</strong>res Verständnis <strong>de</strong>r Norm<br />
gegen § 75d HGB, wonach sich ein Prinzipal nicht auf eine von § 74a Abs. 1<br />
HGB zum Nachteil <strong>de</strong>s Arbeitnehmers abweichen<strong>de</strong> Vereinbarung berufen<br />
kann.<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
12
Arbeitnehmer<br />
Be<strong>de</strong>utung für die Praxis:<br />
Die Entscheidung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts ist für die betriebliche Praxis<br />
von großer Be<strong>de</strong>utung. In Zeiten <strong>de</strong>r Dominanz von Formulararbeitsverträgen<br />
wird es für eine Reihe von Arbeitnehmern interessant sein,<br />
unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts<br />
etwaige in ihren Verträgen enthaltene Wettbewerbsklauseln kritisch zu<br />
prüfen. Über die hier erörterten Fragen <strong>de</strong>r Verbindlichkeit eines nachträglichen<br />
Wettbewerbsverbots hinaus, ist bei seiner solchen Vereinbarung<br />
beachten, dass sie gemäß § 74 Abs. 1 HGB <strong>de</strong>r Schriftform bedarf und<br />
gemäß § 74 Abs. 2 HGB nur verbindlich ist, wenn sich <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
verpflichtet, für die Dauer <strong>de</strong>s Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für<br />
je<strong>de</strong>s Jahr <strong>de</strong>s Verbots min<strong>de</strong>stens die Hälfte <strong>de</strong>r vom Arbeitnehmer zuletzt<br />
bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreicht. Gemäß § 74a Abs. 1 Satz<br />
3 HGB darf das Wettbewerbsverbot zu<strong>de</strong>m einen Zeitraum von mehr als<br />
zwei Jahren von <strong>de</strong>r Beendigung <strong>de</strong>s Arbeitsverhältnisses an nicht<br />
überschreiten.<br />
Zur im Zusammenhang mit Wettbewerbsverboten ebenfalls virulent<br />
wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Frage <strong>de</strong>r Untersagung einer Nebentätigkeit in Konkurrenzunternehmen<br />
siehe aktuell entschie<strong>de</strong>n BAG 10. Senat vom 24.03.2<strong>01</strong>0 – 10 AZR<br />
66/09. Auch hier muss bei <strong>de</strong>r Bestimmung <strong>de</strong>r Reichweite <strong>de</strong>s im<br />
laufen<strong>de</strong>n Arbeitsverhältnisses bestehen<strong>de</strong>n Wettbewerbsverbots die durch<br />
Art. 12 Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit <strong>de</strong>s Arbeitnehmers Berücksichtigung<br />
fin<strong>de</strong>n; im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstän<strong>de</strong> ist<br />
festzustellen, ob die an<strong>de</strong>rweitige Tätigkeit zu einer Gefährdung <strong>de</strong>r<br />
Interessen <strong>de</strong>s Arbeitgebers führt.<br />
Nadine Zeibig, Düsseldorf<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
13
Arbeitnehmer<br />
Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch bei unrichtiger Arbeitgeberauskunft<br />
- BAG, Urteil vom 4. Mai 2<strong>01</strong>0 – 9 AZR 184/09 – Pressemitteilung Nr. 34/10 –<br />
Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Arbeitnehmern die vertragliche Nebenpflicht,<br />
keine falschen Auskünfte zu erteilen. Entsteht <strong>de</strong>m Arbeitnehmer durch<br />
eine unrichtige Auskunft ein Scha<strong>de</strong>n und hat <strong>de</strong>r Arbeitgeber schuldhaft<br />
gehan<strong>de</strong>lt, haftet <strong>de</strong>r Arbeitgeber grundsätzlich auf Scha<strong>de</strong>nsersatz.<br />
In <strong>de</strong>m entschie<strong>de</strong>nen Fall hatte das beklagte Land <strong>de</strong>m bei ihm im öffentlichen<br />
Dienst beschäftigten Kläger ohne je<strong>de</strong>n Vorbehalt mitgeteilt, eine<br />
Altersteilzeitarbeit im Blockmo<strong>de</strong>ll führe nicht dazu, dass sich <strong>de</strong>r Zeitraum für<br />
einen Bewährungsaufstieg verlängere. Diese Auskunft hatte sich als falsch<br />
erwiesen. Zu Recht wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Kläger ein Bewährungsaufstieg zu <strong>de</strong>m<br />
Zeitpunkt, zu <strong>de</strong>m er ohne Altersteilzeit fällig gewesen wäre, verweigert („Wer<br />
nicht arbeitet, kann sich auch nicht bewähren.“). Den aus <strong>de</strong>m entgangenen<br />
Bewährungsaufstieg resultieren<strong>de</strong>n finanziellen Scha<strong>de</strong>n hätte das Land<br />
ersetzen müssen, wenn im konkreten Fall neben <strong>de</strong>r schuldhaften Pflichtverletzung<br />
auch ihre Ursächlichkeit für <strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>nseintritt festgestan<strong>de</strong>n<br />
hätte; hier fehlte es lediglich an hinreichen<strong>de</strong>n Darlegungen <strong>de</strong>s Klägers, dass<br />
er ohne die Falschauskunft am Bewährungsaufstieg hätte teilnehmen können.<br />
Massenentlassungsanzeige auch bei Massen-Än<strong>de</strong>rungskündigungen<br />
- ArbG Berlin, Urteil vom 30.09.2009 – 55 Ca 7676/09 –<br />
Wer<strong>de</strong>n bei einer Massenentlassung die Schwellenwerte <strong>de</strong>s § 17 Abs. 1<br />
KSchG überschritten, muss diese bei <strong>de</strong>r zuständigen Agentur für Arbeit<br />
angezeigt wer<strong>de</strong>n. Für Beendigungskündigungen hat die Rechtsprechung<br />
klargestellt, dass die Anzeige vor <strong>de</strong>m Zugang <strong>de</strong>r Kündigung erfolgen muss.<br />
Ob dies auch für die Än<strong>de</strong>rungskündigung gilt, ist streitig, weil bei ihrem<br />
Zugang noch nicht feststeht, ob sie das Arbeitsverhältnis been<strong>de</strong>n wird.<br />
Vielmehr kann <strong>de</strong>r Arbeitnehmer die Än<strong>de</strong>rungskündigung auch vorbehaltlos<br />
o<strong>de</strong>r unter Vorbehalt annehmen. Deshalb wird auch vertreten, dass die<br />
Anzeigepflicht erst dann eintritt, wenn tatsächlich eine <strong>de</strong>n Schwellenwert<br />
erreichen<strong>de</strong> Anzahl an Arbeitsverhältnissen innerhalb von 30 Kalen<strong>de</strong>rtagen<br />
en<strong>de</strong>t.<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
14
Arbeitnehmer<br />
Das Arbeitsgericht Berlin hat <strong>de</strong>mgegenüber mit nachvollziehbarer<br />
Begründung angenommen, dass Beendigungs- und Än<strong>de</strong>rungskündigungen<br />
gleich zu behan<strong>de</strong>ln sind: Da die Anzeigepflicht <strong>de</strong>r Agentur für Arbeit frühzeitige<br />
Vermittlungsbemühungen ermöglichen soll, entspricht nur dies <strong>de</strong>m<br />
Sinn und Zweck <strong>de</strong>r §§ 17 und 18 KSchG. Auch wird die Reaktion <strong>de</strong>s<br />
Arbeitnehmers auf eine Än<strong>de</strong>rungskündigung stark von <strong>de</strong>r mit ihr im Einzelfall<br />
verbun<strong>de</strong>nen Belastung beeinflusst; die gesetzliche Anzeigepflicht kann aber<br />
nicht von einzelfallbezogenen Prognosebetrachtungen abhängen.<br />
Auch die Rechtsfolge <strong>de</strong>r Anzeigepflichtverletzung ist dieselbe wie bei <strong>de</strong>r<br />
Beendigungskündigung: Die Än<strong>de</strong>rungskündigung ist unwirksam.<br />
Steuerlich vorteilhafte Gestaltung von Abfindungsvereinbarungen<br />
- BFH, Urteil vom 11. November 2009 – IX R 1/09 –<br />
Nicht laufend gezahlter Arbeitslohn ist in <strong>de</strong>m Kalen<strong>de</strong>rjahr zu versteuern, in<br />
<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>m Arbeitnehmer zufließt, d. h. im Normalfall, in <strong>de</strong>m er ausgezahlt<br />
wird. Angesichts dieses Anknüpfungspunkts für die steuerliche Belastung liegt<br />
es auf <strong>de</strong>r Hand, dass <strong>de</strong>r Arbeitnehmer im Einzelfall ein erhebliches<br />
finanzielles Interesse daran haben kann, für eine Abfindungszahlung einen<br />
bestimmten Auszahlungszeitpunkt mit <strong>de</strong>m Arbeitgeber zu vereinbaren, z. B.<br />
<strong>de</strong>n Januar <strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Vertragsbeendigung folgen<strong>de</strong>n Kalen<strong>de</strong>rjahres. Eine solche<br />
Fälligkeitsvereinbarung allein unter steuerlichen Gesichtspunkten ist von <strong>de</strong>r<br />
Rechtsprechung seit langem anerkannt und wird nicht als rechtsmissbräuchlich<br />
(§ 42 AO) angesehen.<br />
Für solche Fälligkeitsvereinbarungen hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof nun präzisiert,<br />
dass die Fälligkeit einer Abfindung auch dann noch steuerwirksam auf das<br />
nächste Kalen<strong>de</strong>rjahr verschoben wer<strong>de</strong>n kann, wenn sie zunächst für einen<br />
früheren Zeitpunkt vereinbart wor<strong>de</strong>n war. Einschränkend gilt allerdings, dass<br />
die Abfindung zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt, in <strong>de</strong>m ihre Fälligkeit nach hinten verschoben<br />
wird, nach <strong>de</strong>r ursprünglichen Vereinbarung noch nicht fällig sein darf.<br />
Zugleich hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sfinanzhof festgestellt, dass Fälligkeitsregelungen in<br />
einem Sozialplan einer einzelvertraglichen Gestaltung trotz § 77 Abs. 4 Satz 1<br />
BetrVG nicht entgegenstehen. Die vom Arbeitnehmer zu erzielen<strong>de</strong>n<br />
Steuervorteile erlauben nach <strong>de</strong>m Günstigkeitsprinzip eine Abweichung vom<br />
Sozialplan.<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
15
Trends<br />
Gesetzgeberische Reaktion auf die Finanzkrise:<br />
Teil II – Mitarbeiterboni<br />
Im September 2009 hat die Kanzlei schnei<strong>de</strong>r:schwegler Arbeitnehmervertreter<br />
im Aufsichtsrat zu einer Veranstaltung zu <strong>de</strong>m kurz zuvor in Kraft<br />
getretenen „Gesetz zur Angemessenheit <strong>de</strong>r Vorstandsvergütung (VorstAG)“<br />
gela<strong>de</strong>n, mo<strong>de</strong>riert und referiert von <strong>de</strong>n heutigen „schwegler<br />
rechtsanwälten“ Lorenz <strong>Schwegler</strong>, Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin und Prof.<br />
Dr. Heinz Klinkhammer. Trotz <strong>de</strong>r unterschiedlichen Blickwinkel <strong>de</strong>r<br />
Referenten und Diskussionsteilnehmer war man sich darüber einig, dass<br />
aufgrund <strong>de</strong>r gravierend falschen Anreize, die in <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />
bezüglich Zusammensetzung und Höhe <strong>de</strong>r Vorstandsgehälter gesetzt<br />
wor<strong>de</strong>n waren und erhebliche Schä<strong>de</strong>n bis an <strong>de</strong>n Rand <strong>de</strong>s Zusammenbruchs<br />
<strong>de</strong>s weltweiten Finanzsystems angerichtet hatten, gesetzgeberischer<br />
Handlungsbedarf bestand. Ob das VorstAG mit <strong>de</strong>n unbestimmten Rechtsbegriffen<br />
<strong>de</strong>r „Angemessenheit“, „Nachhaltigkeit“ etc. und <strong>de</strong>ren nur<br />
indirekter Implementierung und Kontrolle über die verschärfte Aufsichtsratshaftung<br />
für die Vorstandsvergütung <strong>de</strong>r richtige Weg ist, ist heute so<br />
umstritten wie vor einem Jahr. Eine Kienbaum-Studie von Anfang 2<strong>01</strong>0 hat<br />
u. a. ergeben, dass zu diesem Zeitpunkt 25 % aller Unternehmen ihr<br />
Vergütungssystem „grundlegend“ umgestellt hatten. Insgesamt lassen die<br />
Ergebnisse <strong>de</strong>r Studie – wie auch die Pressemeldungen <strong>de</strong>r vergangenen<br />
Monate – darauf schließen, dass Anpassungen sich auf das Nötigste<br />
beschränken, ohne dass ein wirkungsvolles Um<strong>de</strong>nken stattgefun<strong>de</strong>n hätte.<br />
Die Ergebnisse sind nachzulesen unter www.kienbaum.<strong>de</strong>.<br />
Nach<strong>de</strong>m bereits im Dezember 2009 die BaFin verbindliche Rundschreiben<br />
zu „Anfor<strong>de</strong>rungen an Vergütungssysteme“ im Kredit-, Finanzdienstleistungs-<br />
und Versicherungsbereich veröffentlicht hatte, die auch<br />
Arbeitnehmer betrafen, hat <strong>de</strong>r Gesetzgeber diese En<strong>de</strong> Juli 2<strong>01</strong>0 durch<br />
Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Kreditwesengesetzes und <strong>de</strong>s Versicherungsaufsichtsgesetzes<br />
nun auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Die Än<strong>de</strong>rungen<br />
bei<strong>de</strong>r Gesetze sollen darauf hinwirken, dass Vergütungssysteme für<br />
Geschäftsleiter und Mitarbeiter angemessen, transparent und auf eine<br />
nachhaltige Entwicklung <strong>de</strong>s Unternehmens ausgerichtet sind. In <strong>de</strong>n<br />
Versicherungsunternehmen gelten die Anfor<strong>de</strong>rungen auch für Aufsichtsratsmitglie<strong>de</strong>r,<br />
allerdings weist die Gesetzesbegründung darauf hin, dass die<br />
gesetzliche Neuregelung ausschließlich jahrzehntelang praktizierte und<br />
bewährte Regelungen übernehmen sollte (enthalten im Rundschreiben 1/78<br />
<strong>de</strong>s BAV und im Rundschreiben 23/2009 <strong>de</strong>r BaFin).<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
16
Trends<br />
Nach<strong>de</strong>m diese Anfor<strong>de</strong>rungen ähnlich abstrakt ausgestaltet sind wie im<br />
VorstAG, ist das Bun<strong>de</strong>sministerium <strong>de</strong>r Finanzen ermächtigt, durch<br />
Rechtsverordnung die Einzelheiten zu Ausgestaltung, Überwachung, Weiterentwicklung,<br />
Entscheidungsprozessen, Verantwortlichkeiten, Zusammensetzung<br />
<strong>de</strong>r Vergütung, Parametern, Leistungszeiträumen und Offenlegung<br />
zu regeln. Die Ermächtigung kann auf die BaFin übertragen wer<strong>de</strong>n, die in<br />
Bezug auf Kredit- und Finanzinstitute das Einvernehmen <strong>de</strong>r Deutschen<br />
Bun<strong>de</strong>sbank benötigt.<br />
Relativ ausführlich setzt die Gesetzesbegründung sich mit <strong>de</strong>m Eingriff in<br />
die Vertragsfreiheit auseinan<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n die gesetzliche Regelung mit sich<br />
bringt. Dies insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>shalb, weil von <strong>de</strong>r Neuregelung auch<br />
bestehen<strong>de</strong> Verträge betroffen sind, wobei Rückzahlungen allerdings<br />
ausgeschlossen sind. Der Eingriff wird damit gerechtfertigt, dass er geeignet<br />
und erfor<strong>de</strong>rlich ist und das mil<strong>de</strong>ste Mittel darstellt, um das höchste<br />
volkswirtschaftliche Schutzgut – <strong>de</strong>n Erhalt eines funktionieren<strong>de</strong>n Kreditund<br />
Versicherungswesens – zu sichern.<br />
Für die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Kreditwesengesetzes stellt die Gesetzesbegründung<br />
erfreulicherweise klar, dass die Beteiligungsrechte <strong>de</strong>r Arbeitnehmervertretungen<br />
unberührt bleiben und dass Sozialplanleistungen nach ihrem<br />
Sinn und Zweck von <strong>de</strong>r Neuregelung nicht erfasst sind. Trotz <strong>de</strong>r<br />
diesbezüglich kürzer gefassten Gesetzesbegründung dürfte selbiges auch für<br />
die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Versicherungsaufsichtsgesetzes gelten.<br />
Nicht aufgenommen wur<strong>de</strong>n Vorschläge <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Fraktionen, z. B. die<br />
steuerliche Abzugsfähigkeit überhöhter Boni als Betriebsausgaben zu<br />
begrenzen (SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), <strong>de</strong>n variablen Anteil am<br />
Gehalt auf höchstens ein Viertel zu beschränken, die Haftung gegenüber<br />
geschädigten Anlegern für falsche Kapitalmarktinformationen zu<br />
verschärfen, die Versicherung <strong>de</strong>r Selbstbeteiligung im Scha<strong>de</strong>nsfall zu<br />
untersagen, die Zahl <strong>de</strong>r Aufsichtsratsmandate weiter zu beschränken und<br />
die individuellen Vorstandsgehälter ausnahmslos zu veröffentlichen<br />
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) o<strong>de</strong>r Boni über 27.000 Euro/Jahr mit einer<br />
Son<strong>de</strong>rabgabe von 50 % zu belegen, bis die Vergütungssysteme für<br />
Vorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Finanzbranche insgesamt „wirksam reguliert“ sind (DIE<br />
LINKE).<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
17
Veröffentlichungen<br />
Dr. Michael Bachner/Ralf Trümner:<br />
Däubler/Kittner/Klebe, Kommentar zum BetrVG, §§ 1, 3-5,18a, 78a,<br />
99-105, 119-132 BetrVG, 12. Auflage 2<strong>01</strong>0<br />
Dr. Michael Bachner:<br />
Däubler/Kittner/Klebe, Formularbuch zum BetrVG, §§ 3, 4, 78a, 99-105<br />
BetrVG, 3. Auflage 2<strong>01</strong>0<br />
Blanke/Fed<strong>de</strong>r, Privatisierung, Ein Rechtshandbuch für die<br />
Verwaltungspraxis, Personal- wie Betriebsräte und <strong>de</strong>ren Berater, „Die<br />
Richtlinie 20<strong>01</strong>/23/EG <strong>de</strong>s Rates vom 12. März 20<strong>01</strong> zur Angleichung <strong>de</strong>r<br />
Rechtsvorschriften <strong>de</strong>r Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen<br />
<strong>de</strong>r Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben o<strong>de</strong>r<br />
Unternehmens- o<strong>de</strong>r Betriebsteilen“, „Die Rahmen-Richtlinie 2002/14/EG<br />
zur Unterrichtung und Anhörung <strong>de</strong>r Arbeitnehmer“, 2. Auflage 2<strong>01</strong>0<br />
Interessenvertretung an <strong>de</strong>r Unternehmensspitze: Die Beschlussfassung im<br />
Aufsichtsrat, in: Der Betriebsrat, Heft 7/2<strong>01</strong>0<br />
Dr. Sascha Lerch:<br />
Einfache dynamische Bezugnahme auf räumlich nicht einschlägigen<br />
Tarifvertrag – Betriebsübergang, Anmerkung zu BAG vom 21.10.2009 – 4<br />
AZR 396/08, in: Arbeitsrecht Aktuell 2<strong>01</strong>0, S. 241<br />
Keine Vorzeit ärztlicher Tätigkeit als Arzt im Praktikum, Anmerkung zu BAG<br />
vom 23.09.2009 – 4 AZR 382/08, in: Zeitschrift für das öffentliche Arbeitsund<br />
Tarifrecht 2<strong>01</strong>0, S. 22<br />
Dr. Sascha Lerch/Michael Hoffmann:<br />
Datenschutz im Konzern, in: Arbeitsrecht im Betrieb 2<strong>01</strong>0, S. 470-473<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
18
Veröffentlichungen<br />
Ralf Trümner/Dr. Sascha Lerch:<br />
Ansatzpunkte für eine Novellierung <strong>de</strong>r Anreizregulierungsverordnung,<br />
Schriftenreihe Hans-Böckler-Stiftung, 2<strong>01</strong>0<br />
Ralf Trümner/Lars Weinbrenner:<br />
Die Beför<strong>de</strong>rung von Beamten während einer Zuweisung, in: Der<br />
Personalrat 2<strong>01</strong>0, S. 189-192<br />
Der Konzernbegriff <strong>de</strong>s § 112a Abs. 2 Satz 2 BetrVG - Erzwingbarer<br />
Sozialplan bei Neugründungen nach rechtlichen Umstrukturierungen im<br />
Gleichordnungskonzern, in: Arbeit und Recht 2<strong>01</strong>0, S. 248-<strong>250</strong><br />
Rechtmäßigkeit <strong>de</strong>r Anreizregulierung (ARegV), Schriftenreihe Hans-<br />
Böckler-Stiftung, 2<strong>01</strong>0<br />
Lars Weinbrenner:<br />
BAG: Keine Geschäftsführerhaftung bei unzureichen<strong>de</strong>r Insolvenzsicherung<br />
von Wertguthaben bei Altersteilzeit, in: Arbeitsrecht Aktuell 2<strong>01</strong>0, S. 375<br />
Vertragsstrafen im Betriebsverfassungsrecht, in: Fachanwalt Arbeitsrecht<br />
2<strong>01</strong>0, S. 229-232<br />
BAG: Zulage für ständige Schichtarbeit nicht nur bei tatsächlicher<br />
Arbeitsleistung, in: Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht<br />
2<strong>01</strong>0, S. 113<br />
Arbeitskleidung und Mitbestimmungsrechte <strong>de</strong>s Betriebsrats, in:<br />
Arbeitsrecht Aktuell 2<strong>01</strong>0, S. 260-262<br />
LAG Hamm: Einigungsstelle zum Mobbing, Arbeitsrecht im Betrieb 2<strong>01</strong>0,<br />
S. 4<strong>01</strong>-403<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
19
Veranstaltungen<br />
Spezial-Kanzleigespräch für Arbeitnehmervertreter/Innen in <strong>de</strong>r<br />
GKV zum Thema „Fusionen und Outsourcing in <strong>de</strong>r GKV“<br />
29. November 2<strong>01</strong>0 in Frankfurt<br />
Referenten: Rechtsanwalt Dr. Johannes Vöcking, Dr. Torsten von Roetteken<br />
und Rosemarie Dieckhoff<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
20
Impressum<br />
V.i.S.d.P.:<br />
RA Lorenz <strong>Schwegler</strong><br />
Königsallee 60 G<br />
40212 Düsseldorf<br />
schwegler@schwegler-<strong>rae</strong>.<strong>de</strong><br />
Kontakt:<br />
Düsseldorf<br />
Königsallee 60 G<br />
D-40212 Düsseldorf<br />
Tel.: 0211/300 43-0<br />
Fax: 0211/300 43-499<br />
duesseldorf@schwegler-<strong>rae</strong>.<strong>de</strong><br />
Berlin<br />
Unter <strong>de</strong>n Lin<strong>de</strong>n 12<br />
D-1<strong>01</strong>17 Berlin<br />
Tel.: 030/44<strong>01</strong>37-0<br />
Fax: 030/44<strong>01</strong>37-12<br />
berlin@schwegler-<strong>rae</strong>.<strong>de</strong><br />
Frankfurt<br />
Schillerstraße 28<br />
D-60313 Frankfurt<br />
Tel.: 069/216599-0<br />
Fax: 069/216599-18<br />
frankfurt@schwegler-<strong>rae</strong>.<strong>de</strong><br />
Köln<br />
Riehler Straße 36<br />
D-50668 Köln<br />
Tel.: 0221/35557-0<br />
Fax: 0221/35557-99<br />
koeln@schwegler-<strong>rae</strong>.<strong>de</strong><br />
Wissenschaftliche Berater:<br />
Lorenz <strong>Schwegler</strong><br />
Felix Laumen<br />
Yvonne Goebel<br />
Michael Scho<strong>de</strong>n<br />
Gunter Rose<br />
Michael Merzhäuser<br />
Ralf Trümner<br />
Heike Merzhäuser<br />
Sebastian Kolb<br />
Dr. Michael Bachner<br />
Peter Gerhardt<br />
Dieter Lenz<br />
Dr. Manfred Bobke-von Camen<br />
Prof. Dr. Wolfgang Däubler<br />
Prof. Dr. Bernhard Nagel<br />
Dr. Johannes Vöcking<br />
Prof. Dr. Heinz Klinkhammer<br />
Nadine Zeibig<br />
Michael <strong>Schwegler</strong><br />
Dr. Sascha Lerch<br />
Enrico Meier M.A.<br />
Karsten Sparchholz<br />
Lars Weinbrenner<br />
Sabrina Staack<br />
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin<br />
Hinweis und Haftungsausschluss<br />
Dieser <strong>Newsletter</strong> ist sorgfältig zusammengestellt. Er soll <strong>de</strong>n Mandanten von schwegler rechtsanwälte<br />
einen Überblick über das aktuelle Geschehen im Arbeitsrecht bieten. Im Einzelfall auftreten<strong>de</strong><br />
Rechtsfragen können nur unter Beachtung konkreter, immer differenziert zu betrachten<strong>de</strong>r Sachverhalte<br />
beantwortet wer<strong>de</strong>n, so dass die Lektüre dieses <strong>Newsletter</strong>s nicht die rechtliche Beratung im Einzelfall<br />
ersetzt. schwegler rechtsanwälte können <strong>de</strong>shalb für Schä<strong>de</strong>n, die aus <strong>de</strong>r Anwendung o<strong>de</strong>r Übernahme<br />
von in diesem <strong>Newsletter</strong> gefun<strong>de</strong>nen Inhalten in <strong>de</strong>r Praxis resultieren, keine Haftung übernehmen.<br />
Kanzlei für Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertretungen<br />
21