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Juni und Juli 2013 - Seehas Magazin

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10 JAHRE SIELMANNS BIOTOPVERBUND BODENSEE<br />

Prof. Dr. Peter Berthold, ehemaliger Leiter der Vogelwarte Radolfzell, hat zusammen mit Heinz Sielmann den<br />

Gr<strong>und</strong>stein für den Biotopverb<strong>und</strong> am Bodensee gelegt<br />

Prof. Dr. Peter Berthold, der unermüdliche<br />

Motor des Projektes, erläutert den<br />

neu angelegten Inge Sielmann Weiher.<br />

Fotografie © Anneros Troll<br />

Herr Professor Berthold, am 16. März dieses Jahres wurde mit dem<br />

Walpertsweiler Weiher auf Überlinger Gemarkung das 24. Biotop im<br />

Biotopverb<strong>und</strong> Bodensee eingeweiht <strong>und</strong> auf den Namen “Inge-Sielmann-Weiher”<br />

getauft. Wie kam es zu dieser Initiative?<br />

Begonnen hat es vor 10 Jahren mit der Einweihung des “Heinz-Sielmann-Weihers”<br />

in der Gemeinde Owingen, der aus einer Idee des bekannten Tierfilmers<br />

<strong>und</strong> Stiftungsgründers Heinz Sielmann entstanden ist. Daraus sind mittlerweile<br />

24 Biotopbereiche mit gesamt 71 Einzelmaßnahmen in der nördlichen Bodenseeregion<br />

entstanden. Die Fläche, die dabei vernetzt wurde, umfasst ca. 500<br />

qkm <strong>und</strong> reicht von Büßlingen <strong>und</strong> Rielasingen an der Schweizer Grenze bis ins<br />

Deggenhauser Tal <strong>und</strong> nach Pfullendorf.<br />

Weshalb ist denn das Anlegen von Biotopen <strong>und</strong> deren Vernetzung so<br />

wichtig, was soll damit bewirkt werden?<br />

Seit 1961 betreibe ich ornithologische Untersuchungen am Institut für Ornithologie<br />

in Möggingen. Dabei habe ich mit Entsetzen festgestellt, dass von ehemals<br />

110 ansässigen Brutvogelarten etwa ein Drittel ganz verloren gegangen ist,<br />

ein Drittel nimmt ständig ab <strong>und</strong> nur ein Drittel ist stabil. Neue Arten sind so<br />

gut wie keine hinzu gekommen. Das gilt auch für Insekten, Säugetiere, Fische<br />

usw. in ganz Europa <strong>und</strong> in vielen Teilen der Erde. Es besteht ein eklatanter<br />

Artenschw<strong>und</strong> mit einem Verlust der Biodiversität. Die Roten Listen der bedrohten<br />

Arten werden jedes Jahr länger. Der Gedanke war, durch Renaturierung, also die<br />

Wiederherstellung von Lebensräumen zwischen den Ortschaften, die über viele<br />

Jahrzehnte verloren gegangen sind, eine Parallelwelt zu schaffen, in der Tiere<br />

<strong>und</strong> Pflanzen wieder ein Wohnzimmer finden, <strong>und</strong> damit diesen Artenschw<strong>und</strong><br />

aufzuhalten. Vor der Einrichtung des “Heinz-Sielmann-Weihers” war die Anzahl<br />

der ursprünglich 115 Vogelarten auf 101 gesunken. Inzwischen ist sie dort wieder<br />

auf 176 Arten angestiegen. Es sind 20 neue Brutvogelarten hinzu gekommen.<br />

Das war der Beweis des Nutzens der Biotope <strong>und</strong> der Startschuss für das Projekt<br />

der Biotopvernetzung am Bodensee, die derzeit fantastisch läuft. Kaum war<br />

der “Inge Sielmann Weiher” eingerichtet, kamen schon 4 Paare Graugänse zum<br />

Brüten. Diese Besiedelung strahlt natürlich auf den Umkreis aus. Deshalb ist es<br />

so wichtig in kurzen Entfernungen die weiteren Biotope einzurichten, dann geht<br />

die Ansiedelung sehr schnell.<br />

Gab es besondere Herausforderungen bei der Biotopvernetzung hier in<br />

der Bodenseeregion?<br />

Anfangs gab es schon Widerstände zu überwinden um die Leute vom Nutzen<br />

der Biotope zu überzeugen. Der Haupteinwand war die Angst vor einer etwaigen<br />

Schnakenplage. Das Gegenteil war der Fall. Die vielen kleinen Fische im<br />

Wasser hatten die Schnakenlarven schon gefressen, bevor sie zum Ausfliegen<br />

kamen. Angst vor Hochwasser kam teilweise hinzu. Inzwischen sind die Biotope<br />

vollkommen akzeptiert <strong>und</strong> überall hoch willkommen. Ein Gr<strong>und</strong> dafür ist<br />

sicher auch, dass wir keine Naturschutzgebiete machen <strong>und</strong> keine Konkurrenz<br />

zur Landwirtschaft aufbauen, sondern die Menschen zum Miterleben einladen.<br />

Die Großeltern haben sich inzwischen Ferngläser gekauft <strong>und</strong> kommen mit ihren<br />

Enkeln um die Vögel <strong>und</strong> andere Tiere zu beobachten. Wir bekommen von überall<br />

her Gr<strong>und</strong>stücke angeboten für die Errichtung von Biotopen, mehr als wir derzeit<br />

umsetzen können. Es ist ein richtiger Selbstläufer geworden.<br />

Was kostet denn das Anlegen eines Biotops, wie z.B. des “Inge-Sielmann-Weihers”<br />

<strong>und</strong> wie wird das finanziert?<br />

Der “Inge-Sielmann-Weiher” hat ca. 400 000 Euro gekostet, dabei schlägt das<br />

Anlegen des Damms allein mit 100 000 Euro zu Buche. Dabei gibt es natürlich<br />

baurechtliche <strong>und</strong> technische Vorschriften, die beachtet werden müssen.<br />

Es ist auch immer eine Mischfinanzierung. Beim “Inge-Sielmann-Weiher” trägt<br />

die Heinz-Sielmann-Stiftung ca. 150 000 Euro, die Stadt Überlingen 60 000<br />

Euro, damit hat sie sich sog. Ökopunkte verdient, die sie beispielsweise bei der<br />

Erschließung eines neuen Gewerbegebietes für ökologische Ausgleichsmaßnahmen<br />

wieder einsetzen kann. Für das nächste Projekt auf Überlinger Gemarkung,<br />

dem Nesselwanger Ried, das wir demnächst umsetzen werden, hat Überlingen<br />

bereits wieder 60 000 Euro im Haushalt eingestellt. Dazu kommen noch Gelder<br />

von anderen Stiftungen, wie z.B. dem Naturschutzfonds Baden-Württemberg,<br />

den Sparkassen <strong>und</strong> private Spenden. Insgesamt werden es wohl 10 verschiedene<br />

Töpfe sein, aus denen wir uns bedienen konnten. Der “Heinz-Sielmann-<br />

Weiher” wurde noch komplett aus Siftungsgeldern finanziert, gewissermaßen<br />

als Vorzeigeobjekt.<br />

Wird es noch weitere neue Biotope im Biotopverb<strong>und</strong> Bodensee der<br />

Heinz Sielmann Stiftung geben, evtl. sogar über die Grenze hinweg in<br />

die Schweiz <strong>und</strong> nach Österreich?<br />

Es können durchaus noch 200 oder 1000 Projekte daraus werden. Grenzübergreifend<br />

mit der Schweiz ist gerade ein w<strong>und</strong>erschönes Projekt bei Rielasingen<br />

im Entstehen, zusammen mit Schweizer Verbänden. Es wurden gerade erst<br />

Probelöcher gebohrt, um die Wasserstände zu prüfen <strong>und</strong> wir haben jetzt schon<br />

acht potenzielle Geldgeber. Darunter sind vier verschiedene Stiftungen aus der<br />

Schweiz <strong>und</strong> das Regierungspräsidium aus der Schweiz, die höchst interessiert<br />

sind, das Projekt mit der “Heinz-Sielmann-Stiftung” zu machen, weil sie es für<br />

eine w<strong>und</strong>erbare Sache halten, über die Grenze hinweg. Unser Zweig “Heinz-<br />

Sielmann-Stiftung-Schweiz” wird das Projekt von Schweizer Seite aus betreuen.<br />

Ein ähnliches Projekt wurde schon bei Büßlingen realisiert.<br />

Ein ganz großes grenzübergreifendes Projekt haben wir noch mit dem Binninger<br />

See vor uns, der einst schändlich mit Kiesgrubenabraum zugeschüttet wurde <strong>und</strong><br />

nun wieder renaturiert werden soll mit einem Finanzierungsvolumen von r<strong>und</strong><br />

zwei Millionen Euro. Dabei soll das Flüsschen Biber mit renaturiert werden, das<br />

von Deutschland in die Schweiz fließt. Mit Österreich gibt es bislang noch keine<br />

Projekte, das kann aber noch werden.<br />

Sind die Eigentümer denn gerne bereit, Ihnen ihre Gr<strong>und</strong>stücke zu überlassen?<br />

Ja, inzwischen sehr gerne. Feuchtwiesen sind für die Bauern ohnehin nutzlos,<br />

dafür wäre auf dem Markt auch kein guter Preis zu erzielen. Manche Landwirte<br />

wollen damit auch der Natur wieder etwas davon zurückgeben, was sie Gutes von<br />

ihr erhalten haben. Gute Landwirtschaftsflächen benötigen wir ohnehin nicht. Die<br />

braucht man in Deutschland ja um unsere Nahrungsmittel zu erzeugen.<br />

Herr Professor Berthold, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen<br />

Ihnen <strong>und</strong> Ihren Helfern weiterhin viel Erfolg!<br />

Kontakt <strong>und</strong> Informationen: www.sielmann-stiftung.de<br />

INTERVIEW : SEEHAS-MAGAZIN 05

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