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RECHT KOMPAKT<br />
BAU - VERGABE - IMMOBILIEN<br />
AUSGABE 4-2012<br />
(STAND: 17.10.2012)<br />
BGH: Keine Mehrvergütungsansprüche des Bauunternehmers wegen Bauzeitverschiebung<br />
infolge Vergabeverzögerung nach Annahme eines Zuschlags mit veränderter Bauzeit!<br />
Der BGH hat mit Urteil vom 6. September 2012 – VII ZR 193/10 (vorgehend: LG Berlin, Kammergericht<br />
Berlin) erneut zum Anspruch des Auftragnehmers <strong>bei</strong> verzögerter Vergabe eines Auftrages<br />
Stellung genommen und seine bisherige Rechtsprechung – vgl. u. a. RECHT KOMPAKT 4-<br />
2009 – ergänzt. Danach hat der Auftragnehmer dann, anders als in bisher entschiedenen Fällen,<br />
keinen Anspruch auf eine geänderte Vergütung trotz verzögerter Vergabe und Verschiebung/Verlängerung<br />
der Bauzeit, wenn der öffentliche Auftraggeber bereits im Zuschlagsschreiben<br />
Änderungen der Bauzeit ohne Anpassung der Vergütung ausdrücklich vorgibt und der Auftragnehmer<br />
diesen Zuschlag seinerseits „gegenbestätigt“.<br />
Zutreffend weist der BGH insoweit darauf hin, dass durch ein Zuschlagsschreiben, welches Änderungen<br />
zum ursprünglichen Angebot des Auftragnehmers (Bieters) enthält, kein Vertrag zustande<br />
kommt. Vielmehr stellt dieser „Zuschlag“ gemäß § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot auf<br />
Abschluss eines (veränderten) Vertrages dar, welches gesondert angenommen werden muss. §<br />
150 Abs. 2 BGB regelt: „Eine Annahme (Anm.: des Angebotes) unter Erweiterungen, Einschränkungen<br />
oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung (Anm.: des Angebotes) verbunden mit<br />
einem neuen Antrag“, wo<strong>bei</strong> mit „Antrag“ ein Angebot gemeint ist.<br />
Im entschiedenen Fall hatte das gem. § 2 Abs. 5 VOB/B auf veränderte Vergütung klagende<br />
Bauunternehmen dem Auftraggeber nach öffentlicher Ausschreibung ein Angebot zum Neubau<br />
einer Teilstrecke einer Bundesstraße mit einer Angebotssumme von € 7.113.491,35 unterbreitet.<br />
Die Ar<strong>bei</strong>ten sollten spätestens am 31. Mai 2006 beendet sein. Die ursprünglich bis 28. Februar<br />
2005 laufende Zuschlags- und Bindefrist wurde mehrfach einvernehmlich, zuletzt bis 15. Juni<br />
2005, verlängert. An diesem Tag erteilte der Auftraggeber "auf Basis des Angebots" der Klägerin<br />
und unter Einbeziehung der VOB/B den Auftrag zu einer reduzierten Auftragssumme von €<br />
6.524.718,61. Die geänderte Auftragssumme resultierte unter anderem daraus, dass nun verschiedene<br />
Positionen der ursprünglich ausgeschriebenen und angebotenen Leistungen nicht zur<br />
Ausführung kommen und eine Position gesondert beauftragt werden sollte. Das Auftragsschreiben<br />
bestimmte des Weiteren, dass wegen der Verschiebung des Ausführungsbeginns um 3,5<br />
Monate die Gesamtfertigstellung der Baumaßnahme nunmehr bis zum 15. September 2006 zu<br />
erfolgen habe.<br />
Dieses „Zuschlagsschreiben“ mit den darin enthaltenen Änderungen bestätigte der Auftragnehmer<br />
auf Aufforderung des Auftraggebers mit Annahmebestätigung vom 24. Juni 2005 und führte<br />
die Ar<strong>bei</strong>ten danach entsprechend aus.<br />
In der Schlussrechnung machte der Auftragnehmer sodann gem. § 2 Abs. 5 VOB/B wegen geänderter<br />
Bauzeit per Nachtrag € 643.526,25 für den Ankauf von Bodenmaterial und € 265.746,03<br />
wegen Mehrkosten für Asphaltmischgut geltend. Insoweit habe infolge der Verschiebung des<br />
Baubeginns Bodenmaterial zugekauft werden müssen, das <strong>bei</strong> Einhaltung der ursprünglichen<br />
Zuschlagsfrist kostenlos zur Verfügung gestanden hätte. Darüber hinaus seien Mehrkosten für<br />
eingebautes Asphaltmischgut entstanden, da es in 2006 zu einer drastischen Preissteigerung für<br />
Bindemittel und Zuschlagsstoffe gekommen sei.
RECHT KOMPAKT<br />
BAU - VERGABE - IMMOBILIEN<br />
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Die insoweit vom Auftragnehmer erhobene Zahlungsklage blieb in allen Instanzen erfolglos.<br />
Durch das eindeutig von der Ausschreibung und dem Angebot des Auftragnehmers abweichende<br />
Zuschlagsschreiben wurde ein Vertrag zu den Bedingungen des Angebotes nicht abgeschlossen.<br />
Vielmehr bot der Auftraggeber einen abweichenden Vertragsschluss an, den der Auftragnehmer<br />
durch Bestätigung, insbesondere auch hinsichtlich der geänderten Bauzeit, annahm. Eine Verlängerung<br />
der Bauzeit als „geänderte Leistung“ im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B und daraus folgende<br />
geänderte (erhöhte) Vergütung konnte der Auftragnehmer daher nicht geltend machen.<br />
Praxistipp:<br />
<br />
Bei Bauvergaben kommt es aufgrund von Verzögerungen häufig zu Verlängerungen der<br />
Bindefrist. Wenn dadurch ursprünglich vorgesehene Termine gefährdet oder unmöglich<br />
werden, sollten möglichst einvernehmlich neue Vertragsfristen unter Berücksichtigung der<br />
daraus folgenden finanziellen Folgen vereinbart werden. Hier<strong>bei</strong> sind ggfs. vergabe<strong>recht</strong>liche<br />
Beschränkungen zu beachten.<br />
Wenn der Auftraggeber die Bedingungen der Ausschreibung/das Angebot – sei es z. B.<br />
durch Veränderung der Leistung, der Leistungszeit oder der Preise – im Auftrags-<br />
/Zuschlagsschreiben modifiziert kommt allein hierdurch kein entsprechender Vertrag zu<br />
den veränderten Bedingungen zustande. Vielmehr muss der Auftragnehmer, wenn er diese<br />
Veränderungen überhaupt gelten lassen will, das neue Angebot annehmen.<br />
<br />
<br />
Die Annahme eines neuen Angebotes kann ausdrücklich, aber auch durch schlüssiges<br />
Verhalten erfolgen. Der Auftragnehmer ist also nicht auf der „sicheren Seite“, wenn er den<br />
veränderten Vertrag zwar nicht ausdrücklich annimmt, aber mit den Ar<strong>bei</strong>ten beginnt.<br />
Denn schon dies kann als Annahme des veränderten Angebotes gewertet werden.<br />
Bei Zweifelsfragen sollte aufgrund der noch in Entwicklung befindlichen Rechtsprechung<br />
vor der Erklärung von Bindefristverlängerungen oder <strong>bei</strong> Eingang von abändernden Zuschlagsschreiben<br />
unverzüglich kundiger Rechtsrat eingeholt werden, um die adäquate<br />
Reaktion zu besprechen und den Verlust von Ansprüchen zu vermeiden.<br />
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an einen unserer Spezialisten an den u. g. Standorten.<br />
Weitere Angaben erhalten Sie auf unserer Website.<br />
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Impressum:<br />
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Themen rund um die Immobilie, herausgegeben von <strong>SNP</strong> <strong>Schlawien</strong> <strong>Partnerschaft</strong>.<br />
Verantwortlich für den Inhalt (V. i. S. d. P.):<br />
René Buscher, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architekten<strong>recht</strong><br />
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Beiträge dieser Ausgabe von: René Buscher