Geschäftsbericht 2011 - Kanton Solothurn
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Staatsanwaltschaft<br />
Franziskanerhof, Barfüssergasse 28<br />
Postfach 157<br />
4502 <strong>Solothurn</strong><br />
Telefon 032 627 60 30<br />
Telefax 032 627 76 83<br />
An den Regierungsrat<br />
31. Januar 2012<br />
Geschäftsbericht der Staatsanwaltschaft für das Jahr <strong>2011</strong><br />
Sehr geehrter Herr Landammann<br />
Sehr geehrte Frau Regierungsrätin<br />
Sehr geehrte Herren Regierungsräte<br />
Gemäss § 113 des Gesetzes über die Gerichtsorganisation erstattet der Oberstaatsanwalt dem<br />
Regierungsrat jährlich Bericht über die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft. § 4 lit. e der regierungsrätlichen<br />
Verordnung über die Organisation und die Geschäftsführung der Staatsanwaltschaft<br />
sieht vor, dass dieser Bericht vorgängig durch die Geschäftsleitung der Staatsanwaltschaft zu<br />
genehmigen ist; dies ist am 31. Januar 2012 geschehen.<br />
Der vorliegende Bericht orientiert sich in Struktur und Umfang ungefähr am Bericht des Vorjahres.<br />
Damit wird eine gewisse Vergleichbarkeit der Darstellung angestrebt.<br />
1. Allgemeines<br />
Das Jahr <strong>2011</strong> war geprägt vom Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung. Am<br />
1. Januar <strong>2011</strong> nahm die Staatsanwaltschaft Abschied von der aus dem Jahre 1970 stammenden<br />
und auf die Installation des Staatsanwaltsmodells am 1. August 2005 hin letztmals umfassend<br />
revidierten solothurnischen Strafprozessordnung (BGS 321.1). Der <strong>Kanton</strong> <strong>Solothurn</strong> war von der<br />
Neuordnung durch den Bund weniger stark betroffen als diejenigen <strong>Kanton</strong>e, welche erst auf<br />
das Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom Untersuchungsrichter- zum Staatsanwaltsmodell<br />
wechselten, wie etwa unsere Nachbarkantone Bern, Aargau oder Basel-Landschaft. Die Staatsanwaltschaft<br />
war aufgrund der Vorarbeiten im Jahre 2010 auch gut auf das neue Recht vorbereitet:<br />
Die nötigen Weisungen und Richtlinien lagen zeitgerecht vor.
Trotz diesen relativ günstigen Voraussetzungen war das neue Recht für die Mitarbeitenden der<br />
Staatsanwaltschaft eine grosse Herausforderung. Die <strong>Solothurn</strong>er Paragraphen und Usanzen<br />
waren ihnen geläufig; nun aber musste jede Amtshandlung an den neuen, noch unvertrauten<br />
Artikeln der neuen Strafprozessordnung (StPO) gemessen werden. Wesentlich verändert hat sich<br />
insbesondere der Umgang mit dem wichtigsten Partner der Staatsanwaltschaft: der <strong>Kanton</strong>spolizei.<br />
Die StPO verlangt häufig Formalitäten und insbesondere Schriftlichkeit, wo früher blosse<br />
Absprachen genügten. Dies führte zu Mehraufwand vor allem im Bereich der mittelschweren<br />
Kriminalität.<br />
Dass aus der StPO solcher Mehraufwand resultieren würde, war im Voraus bekannt. Parlament<br />
und Regierung haben in den vergangenen Jahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft deren<br />
personelle Ressourcen verstärkt. Wir waren gespannt, ob diese personelle Verstärkung ausreichen<br />
würde. Es war ein erklärtes Ziel, trotz den „Widrigkeiten“ des neuen Rechts mit den bestehenden<br />
Mitteln den Erledigungsquotienten 1.0 zu halten. Dies ist gelungen.<br />
Wichtig war, dass diejenigen Instrumente der StPO, die der Effizienz dienen, genutzt würden.<br />
Auch dieses Ziel wurde erreicht. Nach einem Jahr kann insbesondere darüber berichtet werden,<br />
dass das neu eingeführte „abgekürzte Verfahren“ mehr taugt als erwartet. In diesem Verfahren<br />
einigen sich die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft auf die Anklagepunkte und auf die<br />
angemessene Sanktion. Kommt es zu einer solchen Einigung und stimmt auch noch eine allfällige<br />
Privatklägerschaft zu, wird vor Gericht nicht mehr Beweis geführt. Das Gericht prüft, ob die<br />
Einigung zustande gekommen ist und ob die Anklageschrift plausibel ist. Ist dies der Fall, so<br />
erhebt es die Straftatbestände, Sanktionen und Zivilansprüche der Anklageschrift zum Urteil.<br />
Die solothurnische Staatsanwaltschaft konnte im Berichtsjahr eine ganze Reihe von Fällen auf<br />
diese Weise erledigen, und die Gerichte haben bisher die ausgehandelten Anklageschriften<br />
akzeptiert. Es hat sich allerdings gezeigt, dass sich der Minderaufwand des abgekürzten Verfahrens<br />
eher bei den Gerichten auswirkt als bei der Staatsanwaltschaft. Zu einem Vergleich kommt<br />
es in der Regel erst aufgrund einer soliden Beweislage, also eher gegen Ende der staatsanwaltschaftlichen<br />
Untersuchung. Einzelne Staatsanwältinnen und Staatsanwälte haben berichtet, dass<br />
ihnen durch die Verhandlungen mit den Parteien gegenüber einer ordentlichen Anklageerhebung<br />
gar Mehraufwand entstanden ist. Angesichts der klaren Vorteile im Gerichtsverfahren<br />
(keine Beweisführung, weniger Vorbereitungsaufwand, kürzere Verhandlungen, keine Rechtsmittelverfahren)<br />
ist dies in Kauf zu nehmen.<br />
Auf den 1. Januar <strong>2011</strong> wurde der Bereich „Traffic“ personell verstärkt und mit neuen Aufgaben<br />
betraut. Neu werden alle Verfahren aus dem Bereich des Strassenverkehrsrechts hier abgewickelt.<br />
Insbesondere befassen sich die allgemeinen Abteilungen in <strong>Solothurn</strong> und Olten nicht<br />
mehr mit alkoholisierten oder sonst fahrunfähigen Lenkern von Motor- und anderen Fahrzeugen.<br />
Diese Konzentration hat sich bewährt. Sie trägt zur rechtsgleichen Behandlung straffälliger<br />
Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer bei.<br />
Seit anfangs <strong>2011</strong> wird das altbekannte Vier-Augenprinzip, wie es auch die schweizerische Strafprozessordnung<br />
vorsieht, nicht mehr in allen Fällen und ohne Einbezug der Leitenden Staatsanwälte<br />
durch den Oberstaatsanwalt oder durch seine Stellvertreterin wahrgenommen. Im Vordergrund<br />
steht nun die Verantwortung des direkten Vorgesetzten, des Leitenden Staatsanwaltes.<br />
Auch diese Änderung hat sich gut eingespielt.<br />
Die regelmässigen Aussprachen mit den wichtigsten Partnerorganisationen (insbesondere der<br />
Polizei, den erstinstanzlichen Gerichten und der Anwaltschaft) führten wiederum zu wertvollen<br />
Ergebnissen. Besonders erwähnenswert ist die Einrichtung eines Anwaltspiketts durch den solothurnischen<br />
Anwaltsverband. Damit ist nicht nur sichergestellt, dass jederzeit ein „Anwalt der<br />
ersten Stunde“ beigezogen werden kann; die Staatsanwaltschaft sieht sich auch nicht mehr mit<br />
2
der latenten Kritik konfrontiert, sie wähle ihren „Gegenanwalt“ selbst aus oder sie bevorzuge<br />
einzelne Mitglieder der Anwaltschaft.<br />
Dass die Staatsanwaltschaft die StPO erfolgreich umsetzen konnte, ist auch dem neuen JURIS-<br />
Desktop zu verdanken. Nach der technischen Umstellung anfangs Dezember 2010 war man in<br />
den ersten Tagen des neuen Jahres darauf gespannt, ob der Release wirklich das gebracht habe,<br />
was man sich erhofft und gewünscht hatte. Welche Erleichterung, als sich bald herausstellte, dass<br />
das System die gestellten Anforderungen erfüllte! Dieser Befund änderte sich auch im Laufe des<br />
Jahres nicht; wir sind mit dem neuen Desktop zufrieden. Das grösste Kompliment für die erfolgreiche<br />
Einführung der StPO geht aber nicht an die Maschinen, sondern an die Menschen: die<br />
Mitarbeitenden in allen Chargen, die mit ihrem Einsatz und mit ihrer Flexibilität das fast unmöglich<br />
Scheinende bewältigten.<br />
2. Geschäftsgang<br />
Im Berichtsjahr gingen Geschäfte mit insgesamt 30‘227 (29‘954 1 ) Beschuldigten ein. Dazu kam<br />
wie immer der Übertrag aus dem vorhergehenden Kalenderjahr von 3‘628 (4‘909). Das ergibt<br />
33‘855 beschuldigte Personen. 30‘902 (31‘335) dieser Fälle konnten erledigt werden; am Jahresende<br />
waren noch Verfahren mit 2‘953 (3‘628) Betroffenen pendent. Damit lagen die Pendenzen<br />
wiederum deutlich unter den politischen Vorgaben des Globalbudgets, wo bei Eingängen von<br />
30‘000 Beschuldigten für das Jahresende 4‘700 Pendenzen erwartet werden.<br />
Die Zahl der Eingänge stellt sich sehr stabil dar. Dazu gilt es allerdings zu vermerken, dass im<br />
Jahre <strong>2011</strong> die Übertretungen des Personenbeförderungsgesetzes („Schwarzfahren“) weit gehend<br />
entfielen und die Gesamtzahl der Anzeigen somit etwas täuscht. Im Januar <strong>2011</strong> hat das<br />
Bundesgericht einen überraschenden Entscheid gefällt und die häufigste Form des Schwarzfahrens<br />
für straflos erklärt, weil die notwendige gesetzliche Grundlage für eine Bestrafung fehle.<br />
Die Staatsanwaltschaft hat sich sofort mit den Transportunternehmen in Verbindung gesetzt und<br />
gebeten, künftig auf solche Anzeigen zu verzichten. Demzufolge gingen <strong>2011</strong> statt der üblichen<br />
1‘000 nur noch gut 200 Anzeigen ein. Sobald die Gesetzeslücke geschlossen ist – die „Bahnreform<br />
2“ enthält eine entsprechende Korrektur und wird voraussichtlich im Frühjahr 2012 in Kraft<br />
treten – werden sich diese Anzeigen wieder häufen.<br />
Im Berichtsjahr erreichte die Staatsanwaltschaft die Vorgabe bezüglich der pendenten Verfahren<br />
wegen Verbrechen und Vergehen. Das Globalbudget geht hier von 2‘500 Beschuldigten aus, eine<br />
Zahl, die in den Vorjahren nicht erreicht worden war (2008: 3236; 2009: 3252; 2010: 2552). Per<br />
31. Dezember <strong>2011</strong> zählt die Staatsanwaltschaft noch 2‘070 wegen Verbrechen und Vergehen<br />
Beschuldigte. Dazu gehören auch 340 Beschuldigte, deren Verfolgung sistiert ist, meist wegen<br />
unbekannten Aufenthaltes. Mit 2'070 Beschuldigten liegt der Pendenzenstand um 17 Prozent<br />
unter den politischen Erwartungen. Entsprechend erreicht die Staatsanwaltschaft in diesem<br />
Bereich eine gute Erledigungsquote von 109 Prozent, was, zusammen mit weiteren Faktoren,<br />
auch zu einem guten Finanzergebnis beitrug.<br />
Angesichts dieser günstigen Entwicklung gilt das Augenmerk des Oberstaatsanwaltes nun vermehrt<br />
der Altersstruktur der Fälle. Vergleichsweise wenig alte Fälle finden sich in der Abteilung<br />
<strong>Solothurn</strong>. Deutlich mehr ältere Fälle entfallen auf die Abteilung Olten, dies trotz der enormen<br />
Anstrengungen, welche die dortigen Mitarbeitenden unternommen haben. Die Pendenzen<br />
haben dadurch deutlich abgenommen, und die Mitarbeitenden sind zuversichtlich, den Penden-<br />
1<br />
In Klammern, wenn nichts anderes vermerkt, die Vergleichszahl aus dem Vorjahr.<br />
3
zenberg aus eigener Kraft abbauen zu können. Dazu braucht es aber noch Zeit. Die Abteilung<br />
WOK schliesslich hat naturgemäss einen hohen Anteil von überjährigen Fällen. Sie befasst sich<br />
mit komplexen Verfahren, deren Erledigung viel Zeit beansprucht. Problematisch ist, dass im<br />
Berichtsjahr eine Reihe von Verfahren, die an sich reif für eine Anklage wären, wegen anderer,<br />
dringenderer Fälle liegen blieb. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Geschäfte der<br />
WOK verhältnismässig grossen Schwankungen unterliegen. Es ist zu hoffen, dass sich dieser<br />
Umstand auch einmal zu Lasten der Anzahl eingehender Geschäfte auswirkt.<br />
Einige zusätzliche statistische Befunde:<br />
• Verfahrensdauer: Obwohl sich der Anteil der innert sechs Arbeitstagen erledigten Anzeigen<br />
von einem Drittel auf ein Viertel verminderte, hat sich die Verfahrensdauer insgesamt<br />
günstig entwickelt: Bis zum Ablauf von drei Monaten seit Eingang waren insgesamt<br />
rund 87 (83), bis zum Ablauf von sechs Monaten 91 (86) Prozent erledigt. Bei 2‘005<br />
(2‘980) Beschuldigten betrug die Verfahrensdauer mehr als ein Jahr. Dabei ist zu beachten,<br />
dass das JURIS bei diesem Suchlauf die Verfahrensdauer der erledigten Verfahren<br />
misst, nicht das Alter der aktuellen Pendenzen. Ein neu eingeführtes Controlling zählt<br />
nun Ende jeden Monats die aktuelle Pendenzenzahl und weist aus, wie viele davon über<br />
12 und über 30 Monate alt sind und welche davon sistiert sind, also gar nicht bearbeitet<br />
werden können. Wir werden im nächsten Geschäftsbericht darauf zurückkommen.<br />
• Haftgeschäfte: Gegenüber dem Vorjahr ist ein starker Rückgang der Haftsachen zu vermelden.<br />
Im Berichtsjahr hat die Staatsanwaltschaft 173 (240) Haftanträge, das heisst solche<br />
auf Anordnung oder Verlängerung der Untersuchungshaft, auf Ersatzmassnahmen<br />
und auf Anordnung der Sicherheitshaft, gestellt. Die Geschäftsleitung hat Gründe für<br />
diesen Rückgang gesucht und ist nicht wirklich fündig geworden. Wir haben nicht den<br />
Eindruck, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hätten an Engagement und Zugriffsfreude<br />
verloren. Nach unseren Erkundigungen kann sich auch die Polizei den Rückgang<br />
schlecht erklären. Ein Blick in unseren Nachbarkanton Bern zeigt, dass auch dort ein markanter<br />
Rückgang der Haftzahlen festzustellen ist. Dem Vernehmen nach hatte das kantonalbernische<br />
Zwangsmassnahmengericht (zuständig für die Region Bern-Mittelland mit<br />
gegen 400‘000 Einwohnern sowie für die drei Staatsanwaltschaften für Wirtschaftsdelikte,<br />
für Besondere Aufgaben und für Jugendstrafsachen) kaum mehr Haftanträge zu behandeln<br />
als das solothurnische Haftgericht. In beiden <strong>Kanton</strong>en kann der Grund für die<br />
im Verhältnis zum Vorjahr tiefen Zahlen nicht direkt in der neuen StPO liegen, denn beide<br />
verfügten schon zuvor über Haftgerichte, so dass der bekannte Rückgang von Untersuchungshaft<br />
nach Einrichtung eines neuen Haftgerichts nicht als Erklärungsversuch<br />
taugt. Die kurzfristige Entwicklung muss auch nicht überbewertet werden, denn im<br />
Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2010 kam es zu 156 Haftanträgen.<br />
• Überweisungen und Anklagen an die Gerichte: Die Staatsanwaltschaft hat den erstinstanzlichen<br />
Gerichten deutlich weniger Fälle überwiesen als im Vorjahr. Insgesamt gingen<br />
nur 457 (2010: 725; 2009: 536) Geschäfte zur Beurteilung an die Gerichte. In 280<br />
(426) Fällen handelte es sich um Einsprachen gegen Strafverfügungen, in 119 (231) um<br />
Anklagen in Präsidialkompetenz und in 58 (86) um solche in Amtsgerichtskompetenz. Als<br />
Gründe für diese Abnahme kommen vor allem drei Faktoren in Betracht: Erstens war das<br />
Jahr 2010 ein Rekordjahr, geprägt vom Abbau alter Pendenzen, was zu vielen Anklagen<br />
führen musste. Zweitens war die Staatsanwaltschaft bemüht, die Triage der Einsprachen<br />
zu verbessern und zutreffende Argumente von einsprechenden Personen in Form von<br />
neuen Strafbefehlen oder gar von Einstellungsverfügungen zu berücksichtigen, statt die<br />
Fälle kurzerhand den Gerichten zum Entscheid zu unterbreiten. Schliesslich konnten im<br />
Vorjahr strittige Fälle noch ohne Weiteres den Gerichten zum Entscheid überwiesen werden,<br />
während das neue Recht für den Bereich bis zu 180 Strafeinheiten bei Vorliegen der<br />
gesetzlichen Voraussetzungen obligatorisch die Erledigung durch staatsanwaltschaftli-<br />
4
chen Strafbefehl vorsieht. Auch das führte wohl zu einigen Dutzend durch die Staatsanwaltschaft<br />
erledigten statt den Gerichten überwiesenen Fällen.<br />
• Einsprachen: Gegen die insgesamt 25‘783 (26‘346) Strafbefehle wurden 1‘555 (1‘623) Einsprachen<br />
erhoben und davon deren 365 (426) zurückgezogen. Über das Gesamte beträgt<br />
die Einsprachequote 6.0 (6.2) Prozent, unter Berücksichtigung der Rückzüge noch 4.6<br />
(4.5) Prozent. Naturgemäss unterscheidet sich die Quote nach der Schwere des Delikts.<br />
Die nicht zurückgezogenen Einsprachen machen bei den Übertretungen 3.6 (3.5) Prozent<br />
aus, bei den Verbrechen und Vergehen 10.3 (8.4) Prozent.<br />
• Beschwerden: Gegen die Staatsanwaltschaft wurden im Berichtszeitraum 107 (104) Beschwerden<br />
erhoben. Nach der Geschäftskontrolle der Staatsanwaltschaft beurteilte die<br />
Beschwerdekammer deren 82. Sie trat auf 28 (43) nicht ein, wies 32 (28) ab und erledigte<br />
5 (13) durch Abschreibung. 17 (14) hiess sie ganz oder teilweise gut.<br />
• Urteilskontrolle: Im Berichtsjahr hatten der Oberstaatsanwalt und seine Stellvertreterin<br />
688 (624) Urteile der erstinstanzlichen Gericht und der Strafkammer des Obergerichts auf<br />
die Notwendigkeit oder Opportunität der Einlegung eines staatsanwaltschaftlichen<br />
Rechtsmittels zu überprüfen. Darin spiegelt sich inbesondere die hohe Anzahl von Überweisungen<br />
im Jahre 2010. Der Aufwand für die Bearbeitung der einzelnen Fälle ist gestiegen.<br />
Unter solothurnischen Recht musste die Staatsanwaltschaft auf Appellationen<br />
von Beschuldigten und Privatklägern nicht reagieren; heute hat sie in jedem Fall, in welchem<br />
eine beschuldigte Person oder eine Privatklägerschaft die Berufung erklärt, eine<br />
formelle Berufungsantwort abzugeben. Darin nimmt sie wenigstens Stellung zu den Eintretensvoraussetzungen,<br />
zur Frage einer Anschlussberufung und zur weiteren Teilnahme<br />
der Staatsanwaltschaft am Berufungsverfahren.<br />
Wir haben uns vorgenommen, künftig in jedem Geschäftsbericht einen Arbeitsbereich der<br />
Staatsanwaltschaft vorzustellen, welcher der Leserschaft vielleicht etwas weniger vertraut ist. So<br />
ist die Staatsanwaltschaft zuständig zur Behandlung von aussergewöhnlichen Todesfällen, das<br />
heisst solchen, deren Ursache unklar oder auf Gewalt verdächtig ist, und zwar ungeachtet der<br />
Frage, ob ein Anfangsverdacht für eine Straftat besteht. Im Berichtsjahr befasste sich die Staatsanwaltschaft<br />
mit 149 solchen Todesfällen; in unserem Jargon sprechen wir von „Leichenschauen“.<br />
Zusammen mit einem Amteiarzt und der Polizei rückt die Staatsanwältin oder der Staatsanwalt<br />
an den Fundort aus, besichtigt die Leiche und die Fundsituation („Legalinspektion“), gibt<br />
Aufträge, entscheidet über den Beizug von Experten, diskutiert mit den Anwesenden die weiteren<br />
Massnahmen. Gefragt sind besonders Einsatzbereitschaft, kriminalistische Neugier, Flair für<br />
wissenschaftliche Zusammenhänge, Sinn für interdisziplinäre Teamarbeit und hohe persönliche<br />
Belastbarkeit. Der Umgang mit Leichen ist schon als solcher nicht jedermanns Sache. Bei gewissen<br />
Legalinspektionen aber sind die Bilder und Gerüche auch für langjährige Mitarbeitende nur<br />
schwer zu ertragen.<br />
Die Staatsanwaltschaft ist Teil der staatlichen Verwaltung. Folglich wird sie wie alle Ämter periodisch<br />
durch eine Delegation der kantonalen Finanzkontrolle inspiziert und auf Herz und Nieren<br />
geprüft. Im Sommer <strong>2011</strong> hat eine solche Inspektion stattgefunden und zu einigen Beanstandungen<br />
geführt. Nicht dass die Staatsanwaltschaft mit den ihr zugeteilten Finanzen nicht korrekt<br />
umgegangen wäre! Die Inspizienten stellten aber fest, dass einzelne administrative Geschäftsabläufe<br />
nicht den aktuellen kantonalen Standards entsprachen. Gestützt auf den Inspektionsbericht<br />
werden künftig der Oberstaatsanwalt und der Departementscontroller insbesondere ihre<br />
Mitverantwortung für die Arbeit der Zentralen Gerichtskasse durch Unterzeichnung des jährlichen<br />
Berichtspaketes dokumentieren; zudem hat die Geschäftsleitung der Staatsanwaltschaft im<br />
Oktober <strong>2011</strong> ihr internes Kontrollsystem (IKS) verabschiedet und dessen Vollzug initialisiert. Die<br />
Pendenzen aus der Inspektion waren – mit einer kleinen Ausnahme – Ende des Berichtsjahres<br />
abgearbeitet. Damit hat die Staatsanwaltschaft im administrativen Bereich ihre Hausaufgaben<br />
5
gemacht; und nur dieser Bereich war Gegenstand von Beanstandungen. Bezüglich der eigentlichen<br />
Geschäftsprozesse der Staatsanwaltschaft erkannte die Finanzkontrolle ohnehin kein erhöhtes<br />
Risiko.<br />
3. Personelles<br />
Am 1. Januar <strong>2011</strong> haben zwei neue Staatsanwältinnen und ein neuer Staatsanwalt ihr Amt<br />
angetreten, nämlich Julia Siegenthaler in der Abteilung Olten, Mélanie Wasem in der Abteilung<br />
<strong>Solothurn</strong> und Domenic Fässler in der Abteilung Wirtschaft und organisierte Kriminalität. Sie<br />
haben sich gut eingelebt und in ihre Teams eingefügt.<br />
Der <strong>Kanton</strong>srat befasste sich im Januar <strong>2011</strong> mit einer Vakanz aus dem Jahre 2010 und wählte<br />
Judith Zimmermann zur neuen Staatsanwältin der Abteilung Olten. Sie hatte dort bereits seit<br />
Dezember 2010 als a.o. Staatsanwältin geamtet.<br />
Der Leitende Staatsanwalt Rolf von Felten hat am 1. März <strong>2011</strong> sein Amt als Amtsgerichtspräsident<br />
von <strong>Solothurn</strong>-Lebern angetreten. Der <strong>Kanton</strong>srat wählte Christian Calamo zu seinem<br />
Nachfolger als Staatsanwalt für Wirtschaftsdelikte. In der Leitungsfunktion ersetzte ihn der<br />
Regierungsrat durch Staatsanwalt Jan Gutzwiller.<br />
Per Ende Mai <strong>2011</strong> stellte Staatsanwalt Manfred Affolter sein Amt zur Verfügung, um im <strong>Kanton</strong><br />
Schaffhausen die Leitung des Justizvollzugs zu übernehmen. Der <strong>Kanton</strong>srat regelte die Nachfolge<br />
durch die Wahl von Kerstin Lehniger, Leitende Staatsanwältin im <strong>Kanton</strong> Schaffhausen.<br />
Angesichts dieser Mutationen war die Stellvertretung in der Leitung der Abteilungen WOK und<br />
Olten neu zu regeln. Die Geschäftsleitung der Staatsanwaltschaft betraute damit die Staatsanwälte<br />
Philipp Rauber und Christoph Fricker.<br />
Neu in die Staatsanwaltschaft eingetreten sind auch Aline Rossel (juristische Untersuchungsbeamtin<br />
WOK), Sandro Käser (Untersuchungsbeamter Traffic), Matthias Ziegler (juristischer Untersuchungsbeamter<br />
Traffic), Monika Nyfeler (Leiterin Kanzlei) und Monica Grädel (Empfang).<br />
Der Oberstaatsanwalt hatte sich vorgenommen, im Jahre <strong>2011</strong> die seit Jahren pendent gebliebene<br />
Frage der Einstufung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte anzupacken. Dank der Unterstützung<br />
durch den Justizdirektor und die Regierung ist es gelungen, diese Pendenz zu erledigen.<br />
Neu sind für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zwei Lohnklassen vorgesehen. Die<br />
höhere Klasse erreichen sie bei Übernahme einer Führungsfunktion (z.B. als stellvertretende<br />
Leitende Staatsanwältinnen oder Staatsanwälte) oder nach Bewährung in fünf Arbeitsjahren.<br />
Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Landammann, sehr geehrte Frau Regierungsrätin, sehr<br />
geehrte Herren Regierungsräte, für Ihre Unterstützung im Berichtsjahr und bitte Sie, von unserem<br />
Geschäftsbericht Kenntnis zu nehmen.<br />
Mit freundlichen Grüssen<br />
Der Oberstaatsanwalt<br />
F. Bänziger<br />
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