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Kreismagazin 09/14

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18 <strong>Kreismagazin</strong> Fußballkreis Bad Kreuznach<br />

Fussball.de<br />

Themenwoche "Fußball im Alter" - SV Sommerloch|08.<strong>09</strong>.20<strong>14</strong>|<strong>09</strong>:30<br />

Ungebrochener Ehrgeiz mit gebrechlicher Hüfte<br />

„Wir haben hier alle unsere Wehwehchen, aber wir schenken uns nichts“, sagt Günther Braun über jene<br />

Zeit im Leben eines Spielers, in welcher der Ehrgeiz noch ungebrochen, die Hüfte aber schon gebrechlich<br />

ist. Günther Braun ist der älteste Spieler der Ü 60 des SV Sommerloch, einer von sechs Ü 60-Mannschaften<br />

im Südwestdeutschen Fußballverband.<br />

Sommerloch? Wer hier an die mediale Saure-Gurken-Zeit denkt, der irrt. Mag der Spielkalender auch Pause machen, im<br />

hintersten Winkel des rheinhessischen Hügellandes bebt weiterhin jeden Montagabend der Kunstrasenplatz. Lediglich<br />

meteorologisch fällt heute der Sommer aus. Ein kühler Wind fegt über das Hochplateau der winzigen Gemeinde. Den<br />

rund 30 mehrheitlich ergrauten Männern auf dem Rasen steht trotzdem der Schweiß auf der Stirn.<br />

Nur Günther Braun zieht die grün karierte Steppjacke enger. An diesem Abend schaut der 74-Jährige dem Training der<br />

anderen nur zu. Das Knie macht Probleme. „Der Kunstrasen hier ist ein Gedicht für die alten Knochen, aber meine wollen<br />

momentan nicht mehr“, sagt er. Der Zeitpunkt ist ungünstig, denn das Team befindet sich mitten in der Vorbereitung auf<br />

das erste Ü 60-Turnier in Rheinland-Pfalz.<br />

"Nichts mehr beibringen"<br />

„Da könnten wir den Günther schon gebrauchen, technisch ist er immer noch top“, ruft Rüdiger Kaminski - graues Haar,<br />

graue Brille, irisierende graue Trainingsweste, der die Bezeichnung „retro“ nicht wirklich gerecht werden kann – vom<br />

Platz herüber. Rüdiger Kaminski ist so etwas wie der Spielertrainer der AH aus Sommerloch, wobei er und seine Mitspieler<br />

auf die Formulierung „so etwas wie“ Wert legen. „Eigentlich brauchen wir gar keinen Trainer. Uns kann man sowieso<br />

nichts mehr beibringen“, meint Volker Fritz, der Erste Vorsitzende. Auch die beiden jüngsten Spieler sind schon in den<br />

Fünfzigern. Weshalb das Coaching hauptsächlich darin besteht, die Mannschaften einzuteilen und den Ball aufzupumpen.<br />

An diesem Abend hat Rüdiger Kaminski die Männer in zwei Gruppen à acht Spieler eingeteilt, seine eigene trägt gelbe<br />

Leibchen. „Egal, wie ich es mache, ich kriege nur Ärger. Und dabei stelle ich immer so, dass ich in dem Team bin, das<br />

verliert“, meint Rüdiger Kaminski und pfeift das Spiel an. Sofort hallen erste Flüche über den Platz. „Diskussionen<br />

gibt es auch im Alter immer. Aber danach sitzen wir zusam-<br />

men bei einem Bier und alles ist wieder<br />

gut“, ergänzt Günther Braun von der Seitenlinie. Entschieden<br />

werden die Spiele später am Tresen<br />

des Klubheims, ganz gleich wie sie ausgegangen sind.<br />

Noch steht die Null auf<br />

beiden Seiten. Die gelbe Abwehr verteidigt verbissen, lässt<br />

keinen Ball passieren.<br />

Standfußball Leben eingehaucht<br />

Das Leistungsvermögen der Spieler mag abgenommen<br />

haben, aber der Ehrgeiz nicht. Verbissen wird um jeden<br />

Ball gekämpft, auch wenn Günther Braun, sehnsüchtig<br />

das Spielgeschehen vom Rand kommentierend, zugibt, dass<br />

Schnelligkeit und Ausdauer nicht mehr wie früher sind. Davon, dass<br />

die Verletzungsgefahr in ihrem Alter angeblich höher sei, wollen die Sommerlocher<br />

jedoch nichts wissen. Wer rastet, der rostet. Sagen sie. Und setzen –<br />

Herzrhythmusstörung hin oder her - zum nächsten Sprint an. Auch wenn der nur kurz ist<br />

und die Stehpausen lang. Wohl selten hat ein Team dem Begriff Standfußball so viel Leben eingehaucht.<br />

„Ich spiele seit 70 Jahren Fußball. Wer kann das schon von sich behaupten?“, fragt Günther Braun, der einstige<br />

Abstauber. Und Volker Fritz ergänzt: „Es gibt viel, was die Jugend von uns lernen könnte.“ Wörter wie Kameradschaft,<br />

Pflichtbewusstsein und Zusammenhalt fallen. Wörter wie aus den 50er-Jahren.<br />

Zulauf in Sommerloch<br />

Wenn die Alten Herren ins Erzählen kommen, sind sie kaum noch zu bremsen. Von ihrer aktiven Zeit. Davon, wie schwer<br />

es war, eine Ü 60 zu etablieren. Zwar sind landesweit fast 26.000 Alte Herren-Mannschaften im freien Verbandsspielbetrieb<br />

organisiert, mehr Mannschaften als alle C- bis A-Juniorenteams zusammen. Doch nach oben wird die Luft immer<br />

dünner. Eine Ü 60 hat kaum ein Regionalverband. „Auch wir hatten in den Gründungsjahren zu kämpfen, neun Mann<br />

zusammenzukriegen. Trotzdem haben wir bei drei Ü 55-Meisterschaften im Kreis Bad Kreuznach dann den ersten Platz<br />

gemacht“, erzählt Volker Fritz. Auch weil die Qualität stimmt. „Ich habe mit 63 nach Leuten in meinem Alter gesucht, die<br />

ich von früher vom Kicken kannte. Alles frühere Oberliga- und Bundesligaspieler“, sagt Günther Braun. Heute muss er<br />

niemanden mehr suchen. Die Sommerlocher haben keine Nachwuchssorgen.<br />

An Interessenten mangelt es den Alten Herren nicht. Viele würden schon gern, dürfen aber noch nicht. Gerade Männer<br />

aus der Umgebung über 50 drängen in die Mannschaft. Vor ihrem 60. Geburtstag können sie jedoch allenfalls als Ergänzungsspieler<br />

mitmachen. „Es wird Zeit, dass die älter werden“, sagt Günther Braun lachend. Beklagen andere Regionen<br />

Mannschaftsschwund, ist in manchen Verbänden der Seniorenfußball gar nicht vertreten, boomt die AH der Sommerlocher.<br />

„Wenn man überlegt, dass jeden Montag zwischen 20 und 30 Männer ins Training kommen, dann ist das schon<br />

etwas Besonderes. Viele Vereine kriegen in ihren aktiven Mannschaften nicht annähernd so viele Spieler zusammen“,<br />

meint Volker Fritz.<br />

Aktuelle Informationen immer unter www.swfv-badkreuznach.de

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