martin grubinger - Tonhalle-Orchester Zürich
martin grubinger - Tonhalle-Orchester Zürich
martin grubinger - Tonhalle-Orchester Zürich
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magazin<br />
August/September 2013<br />
Saisoneröffnung mit<br />
<strong>martin</strong> <strong>grubinger</strong>
les aMis du<br />
Mehr klassische Musik für die schweiz.<br />
Die Credit Suisse pflegt langfristige Partnerschaften,<br />
so auch mit dem <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich seit über 25 Jahren.<br />
credit-suisse.com/sponsoring
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Elmar Weingarten präsentiert<br />
seine letzte Konzertsaison<br />
Die Tränen der Natur<br />
Martin Grubinger spielt Tan Dun<br />
Frank Peter Zimmermann spielt Bach<br />
Orpheum Musikfesttage mit Kristjan Järvi<br />
«Kind und Krebs» – ein Benefizkonzert<br />
25 Jahre Stiftung Ruth und Ernst Burkhalter<br />
«Eine Alpensinfonie» mit Bildern –<br />
und Alexandre Tharaud mit Mozart<br />
Wie salonfähig ist Salonmusik?<br />
Die AMG-Bibliothek geht online<br />
Martin Helmchen und Lionel Bringuier<br />
Maurice Steger: «una follia di Napoli …»<br />
Christoph Croisé in der Reihe «Serie jeunes»<br />
Masterclass in Kuba<br />
Verehrtes Publikum!<br />
Mit einem Paukenschlag startet das <strong>Tonhalle</strong>-<br />
<strong>Orchester</strong> Zürich in die neue Saison. Tan Dun<br />
hat für uns (und für zwei weitere Auftraggeber)<br />
und vor allem für den unvergleichlichen<br />
Martin Grubinger ein Schlagzeugkonzert geschrieben,<br />
das so gar nicht den Vorstellungen<br />
entspricht, die man gemeinhin von einem solchen<br />
Konzert hegt.<br />
Zwar lässt Tan Dun gelegentlich ordentlich auf<br />
die Pauke hauen und scheut vor drastischen<br />
Fortissimi nicht zurück. Aber es ist im Grunde<br />
ein Stück, das der Natur abgelauscht ist, das<br />
feine und feinste Klänge und Geräusche bevorzugt,<br />
Klänge aus der Kindheit des Komponisten,<br />
an die er sich erinnert.<br />
Das Stück ist letztlich eine emphatische Stellungnahme<br />
für die Natur und Ausdruck der<br />
Angst um ihre Gefährdung. Tan Dun ist ein<br />
Meister der Orchestrierung derartiger subjektiver<br />
Empfindungen und politischer Haltungen.<br />
Seine Musik ist programmatisch in mancherlei<br />
Hinsicht. Natur ist nicht nur der Gegenstand<br />
seines Komponierens. Sie ist zudem<br />
auch der Gegenstand eines Appells an die<br />
Menschheit: Lasst sie nicht im Stich!<br />
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Simon’s Blog – kurz notiert<br />
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«Alpensinfonie» – Kolumne<br />
Elmar Weingarten, Intendant<br />
Die Konzerte der <strong>Tonhalle</strong>-Gesellschaft Zürich werden ermöglicht dank der Subventionen der Stadt Zürich sowie der Beiträge des Kantons Zürich.<br />
Titelbild © Felix Broede<br />
Projekt-Partner: Privatbank Maerki Baumann & Co. AG, Radio SRF 2 Kultur, F. Aeschbach AG / U. Wampfler, Swiss Re, Swiss Life Projekt-Förderer: Monika und Thomas Bär, Ruth Burkhalter,<br />
Hans Imholz-Stiftung, International Music & Art Foundation, MBF Foundation, Avina Stiftung Medienpartner: Neue Zürcher Zeitung<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 3
4 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013<br />
© Tom Haller
Freude –<br />
Glücksgefühl –<br />
Wehmut<br />
Elmar Weingarten präsentiert die neue Konzertsaison.<br />
Es ist seine letzte als Intendant des <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich.<br />
Ein Vorausblick – und ein Rückblick.<br />
Herr Weingarten, zum letzten Mal können Sie dem Publikum<br />
eine neue Konzertsaison präsentieren. Was empfinden Sie<br />
dabei – Wehmut? Genugtuung? Stolz?<br />
Elmar Weingarten: Eine Mischung aus vielem. In erster Linie<br />
aber Freude über die vergangenen sechs Jahre der Zusammenarbeit<br />
mit David Zinman. Wir waren schon lange gute Freunde,<br />
doch in diesen sechs Jahren ist die Beziehung noch enger geworden.<br />
Für mich war die Begegnung mit David Zinman eine<br />
der wichtigsten in meinem Leben, und die Arbeit mit ihm und<br />
dem <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich war wahrscheinlich die glücklichste,<br />
die ich erlebt habe.<br />
Das sagen Sie selbst als früherer Intendant der Berliner<br />
Philharmoniker?<br />
Das sage ich auf dem Hintergrund all meiner Erfahrungen. Natürlich<br />
macht sich nun etwas Wehmut breit – vor allem, weil es<br />
insgesamt eine schöne Zeit war. Aber gleichzeitig weiss ich,<br />
dass man irgendwann aufhören und das Szepter jungen Leuten<br />
weiterreichen soll. Ich bin froh, dass es Ilona Schmiel in die<br />
Hand bekommt und Lionel Bringuier der Nachfolger von David<br />
Zinman wird. Ich freue mich darauf, etwas ruhiger treten und<br />
Dinge geniessen zu können, für die ich in den letzten Jahren<br />
kaum mehr Zeit hatte. Lesen vor allem – und vielleicht auch<br />
wieder ein bisschen die Schweizer Natur geniessen.<br />
seinen vielfältigen Aspekten zu präsentieren. Einmal mit einem<br />
grossen Beethoven-Zyklus, der Bezug nimmt zum Anfang<br />
seiner Tätigkeit hier in Zürich mit dem <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich.<br />
Das <strong>Orchester</strong> hatte damals durch diese Arbeit ungeheuer<br />
profitiert.<br />
Das reicht gut fünfzehn Jahre zurück – die ersten Beethoven-Einspielungen<br />
fanden im März 1997 statt.<br />
Mit Beethoven und Zinman erreichte das <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong><br />
Zürich eine völlig neue künstlerische Qualität. Das war damals<br />
eine sehr gut überlegte Strategie. Mit unserem neuen Beethoven-Zyklus<br />
mit sämtlichen Sinfonien und den Klavierkonzerten<br />
schliesst sich nun sozusagen ein Kreis.<br />
Ebenso wichtig wurde für Zinman die Erschliessung von<br />
Mahlers musikalischem Kosmos.<br />
Die zweite Sinfonie liegt ihm besonders am Herzen. Schon früh<br />
bat er mich darum, mit diesem Werk sein Abschiedskonzert geben<br />
zu können. Aber nicht nur die Säulen des klassischen Repertoires<br />
– Beethoven, Schumann, Brahms, Richard Strauss,<br />
Mahler – lagen ihm am Herzen. David Zinman ist ein ungemein<br />
gewissenhafter Chefdirigent. Immer wieder nahm er Werke in<br />
seine Programme auf, die nicht auf dem Mainstream des Publikumsgeschmacks<br />
segeln.<br />
Ziehen Sie in Ihrer letzten Saison sozusagen die Summe<br />
Ihres ganzen Wirkens?<br />
Nicht unbedingt meines Wirkens, sondern vor allem des Wirkens<br />
von David Zinman. Wir haben versucht, David in allen<br />
Was ihm umgekehrt das Zürcher Musikpublikum nicht immer<br />
zu danken wusste …<br />
David hat wiederholt darüber gesprochen, und irgendwie fand<br />
ich das etwas traurig. David ist ein sehr wacher, aufmerksa-<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 5
Beethoven-Zyklus<br />
© Tom Haller<br />
«Die Sinfonien Beethovens sind vielleicht die grösste<br />
Herausforderung für einen Musiker. Sie sind beladen<br />
mit tonnenschwerer Interpretationsgeschichte. Es war<br />
ein Erlebnis, mit dem <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich zurückzugehen<br />
zu den authentischen Texten und die rasanten<br />
Tempi zu realisieren, die Beethoven sich vorgestellt<br />
hatte. Beethoven fesselt immer wieder mit seiner<br />
unbändigen kraftvollen Natur.»<br />
David Zinman<br />
MI 14.5.14 19.30 Uhr<br />
DO 15.5.14 19.30 Uhr<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman, Leitung<br />
Radu Lupu, Klavier<br />
Beethoven Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37<br />
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 «Eroica»<br />
SA 24.5.14 19.30 Uhr<br />
SO 25.5.14 11.15 Uhr<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman, Leitung<br />
András Schiff, Klavier<br />
Beethoven Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21<br />
Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58<br />
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 «Pastorale»<br />
Radu Lupu<br />
MI 4.6.14 19.30 Uhr<br />
DO 5.6.14 19.30 Uhr<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman, Leitung<br />
Mitsuko Uchida, Klavier<br />
Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73<br />
Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92<br />
András Schiff<br />
DO 19.6.14 19.30 Uhr<br />
FR 20.6.14 19.30 Uhr<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman, Leitung<br />
Christian Zacharias, Klavier<br />
Beethoven Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36<br />
Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15<br />
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60<br />
MI 25.6.14 19.30 Uhr<br />
DO 26.6.14 19.30 Uhr<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman, Leitung<br />
Maria João Pires, Klavier<br />
Beethoven Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93<br />
Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19<br />
Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67<br />
Christian Zacharias<br />
Maria João Pires<br />
Mitsuko Uchida<br />
Den Beethoven-Zyklus gibt es<br />
auch als Abonnement<br />
5 Konzerte ab CHF 115<br />
Fotos: Priska Ketterer, Marc Vanappelghem, Richard Avedon, elix Broede<br />
6 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
© Friedemann Dürrschnabel<br />
Elmar Weingarten: «Für mich war<br />
die Begegnung mit David Zinman<br />
eine der wichtigsten in meinem<br />
Leben.»<br />
mer, innovativer und neugieriger Dirigent. Vieles konnte er in<br />
Zürich realisieren, und vieles ist ihm auch wunderbar gelungen.<br />
Aber es gelang ihm nicht, die Zürcher für die Moderne zu<br />
interessieren, für Musik also, die nicht unbedingt dem Zeitgeschmack<br />
entspricht. Dass er, notabene in seinem Alter, in der<br />
vergangenen Saison noch einmal ein Werk wie das «Ballet mécanique»<br />
von George Antheil aufgriff, das war wirklich beeindruckend.<br />
Auch wenn das nicht unbedingt die totale Moderne<br />
ist, so ist es doch eines der mutigsten Stücke in den Zwanzigerjahren<br />
des vergangenen Jahrhunderts.<br />
In seiner letzten Saison nun wagt es David Zinman, gleich<br />
zwei Programme mit amerikanischer Musik zu machen –<br />
darunter die vierte Sinfonie von Charles Ives.<br />
Schon vor vielen Jahren sagte er mir, dass er diese Sinfonie<br />
gerne machen würde. Nun lässt sich das im Rahmen der «Tage<br />
für Neue Musik» endlich realisieren.<br />
Haben Sie sich für Ihre letzte Saison auch einige Wünsche<br />
erfüllt?<br />
Das mache ich immer … (schmunzelt) Programme, bei denen<br />
die Musikliebhaber den Eindruck haben, es sei doch höchst ungewöhnlich,<br />
dass man so etwas hier in Zürich mache, die kamen<br />
mehrheitlich auf meinen Wunsch zustande.<br />
Auch bei den Gastdirigenten sieht es so aus, als würden Sie<br />
in Ihrer letzten Saison sozusagen noch einmal die Summe<br />
ziehen …<br />
Es war tatsächlich mein Ziel, die grossen Dirigenten, die das<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich über Jahre begleitet und geprägt<br />
haben, wiederum einzuladen. Blomstedt, Dohnányi, Dutoit,<br />
Nelsons, Masur … Haitink kommt sogar zweimal, und er wird<br />
mir meine beiden Wünsche erfüllen: Mahlers neunte Sinfonie<br />
und Beethovens Missa solemnis. Da bin ich stolz darauf, denn das<br />
<strong>Orchester</strong> ist seit Jahren mit ihm befreundet, und ich bin es noch<br />
viel länger. Das ist für mich sicher ein Höhepunkt der Saison.<br />
Auch in anderer Hinsicht ziehen Sie sozusagen die Summe –<br />
indem Sie noch einmal auf eine Fernost-Tournee gehen.<br />
David Zinman war es sehr wichtig, noch einmal gemeinsam<br />
mit dem <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich nach Japan zu gehen. Diesmal<br />
kommt zudem noch ein Konzert in Südkorea hinzu. Das ist<br />
eine Art persönliche Abschiedstournee von David. Und wenn<br />
wir schon beim Abschied sind: Nach dem Abschiedskonzert in<br />
Zürich mit Mahlers zweiter Sinfonie Ende der Saison wird David<br />
seinen eigentlichen Abschied als Chefdirigent mit dem <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong><br />
Zürich bei den berühmten Proms in London<br />
geben.<br />
Eine letzte Frage: Welches ist der am meisten prägende<br />
Eindruck, den Sie in Ihrer Intendantentätigkeit in Zürich<br />
erhalten haben?<br />
Das Wichtigste für mich ist, festzustellen und festzuhalten,<br />
dass ein Dirigent 19 Jahre an einem Ort gewirkt hat, hier glücklich<br />
war und, davon bin ich überzeugt, auch sein <strong>Orchester</strong><br />
glücklich gemacht hat. Die Musiker haben nach wie vor eine<br />
grosse Zuneigung zu ihrem Chefdirigenten – und das gilt auch<br />
für das Publikum. In unseren Zeiten ist das höchst selten und<br />
höchst ungewöhnlich.<br />
Werner Pfister<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 7
© Michael Herdlein<br />
Gerade dreissig Jahre alt ist Martin Grubinger, aber schon auf allen grossen Festivals zu Hause – und dabei ein bisschen auch Popstar.<br />
Die Tränen der Natur<br />
Saisoneröffnung mit Martin Grubinger: Der virtuose junge Perkussionist spielt das Schlagzeugkonzert<br />
«Tears of Nature» von Tan Dun und geht tags darauf in einem Familienkonzert, moderiert von Sandra<br />
Studer, auf eine musikalische Weltreise mit den Schlagzeugern des <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich.<br />
Mit den beiden so stimmungsvollen und farbenreichen römischen<br />
Tableaus von Ottorino Respighi, den «Fontane di Roma»<br />
und den «Pini di Roma», wird David Zinman die neue Saison<br />
eröffnen. Im Mittelpunkt dieses Konzerts stehen jedoch andere<br />
Naturklänge, und zwar aus China: «The Tears of Nature» von<br />
Tan Dun. Darbieten wird sie Martin Grubinger, der junge, brillante<br />
Perkussionist aus Österreich, der in den letzten Jahren<br />
enorm für Furore gesorgt hat. Gerade dreissig Jahre alt ist er,<br />
aber schon auf allen grossen Festivals zu Hause – und dabei ein<br />
bisschen auch Popstar.<br />
Seit drei Jahren moderiert er, alternierend mit Sol Gabetta, im<br />
Bayerischen Fernsehen das Musikmagazin «Klickklack» und<br />
stellt dort regelmässig auch neue Klänge vor. Wer ihn allerdings<br />
nur für einen Medienprodukt hält, verkennt seine Ernst-<br />
haftigkeit und Gewissenhaftigkeit. Der bedeutende Komponist<br />
Friedrich Cerha, der für ihn 2008 ein Schlagzeugkonzert<br />
schrieb, bestätigt dies. Er hatte, als er sich an die Arbeit machte,<br />
Grubinger noch nie spielen gehört und suchte während der<br />
Arbeit auch keinerlei Kontakt zu ihm. «Ich wollte mich nicht in<br />
irgendeiner Weise beeinflussen lassen. Heute lese ich allerdings,<br />
dass ich ihm das Stück ‹auf den Leib› geschrieben hätte.<br />
Obwohl er es als das Schwierigste bezeichnet, das er je gespielt<br />
habe, hat er es sich so bravourös zu eigen gemacht, dass man<br />
das tatsächlich annehmen könnte.» Soweit Cerha.<br />
Beating heart – vibrating soul<br />
Andersherum verlief die Inspiration im Falle von Tan Dun, dem<br />
in den USA lebenden Chinesen, der seit seiner Filmmusik zu<br />
8 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
«Crouching Tiger, Hidden Dragon» ein Star unter den zeitgenössischen<br />
Komponisten ist. Grubinger sei einer der wenigen Musiker,<br />
der eine Saite tief in ihm drinnen anrühre und es ihm<br />
unmöglich mache, nicht über ein Werk für ihn nachzudenken.<br />
«I wanted to create something special for the hunger of his beating<br />
heart and his vibrating soul», sagt Tan Dun. So entstand<br />
«Tears of Nature», nicht einfach nur ein neues Stück, sondern<br />
ein Duett zwischen Interpret und Komponist – «about the beautiful<br />
sadness of nature’s predicament and the threat to our survival<br />
today». Durch die Musik erzählen uns die Tränen der Natur,<br />
dass die lebensbedrohliche Lage der Natur auch die von<br />
uns Menschen ist.<br />
Auf Steine schlagend<br />
Hinter diesen Tränen der Natur steht zudem eine persönliche<br />
Geschichte. Die ersten musikalischen Erfahrungen, so der 1957<br />
geborene Tan Dun, seien die Perkussionsgeräusche in der Natur<br />
und in der Umwelt gewesen: Wasser, Papier, Bambus. Das prägte<br />
ihn früh – und doch musste er diese Klänge erst wiederentdecken.<br />
Er lernte die Musik Bachs kennen, die westliche klassische<br />
Musik, und um sie genauer zu studieren, zog es ihn nach<br />
Europa und schliesslich nach New York. John Cage war es, der<br />
ihn wieder auf seine chinesischen Ursprünge aufmerksam<br />
machte, auf das Buch der Wandlungen, auf Lao Tse und auf die<br />
Natur. «Der Klang der Natur ist das grösste und älteste <strong>Orchester</strong><br />
der Welt», sagte Cage zu Tan Dun. Das öffnete ihm wieder<br />
die Ohren.<br />
Diese Klänge sind in dem Perkussionskonzert auf transformierte<br />
Weise zu erleben. So beginnt das halbstündige, dreisätzige<br />
Werk mit einem Harfenrhythmus, auf den der Perkussionist,<br />
auf zwei Steine schlagend, antwortet. Dann geht er zu den Pauken<br />
über, die er mit den unterschiedlichsten Schlägeln bzw.<br />
manchmal nur den Fingerkuppen spielt. Virtuoses, vor allem<br />
auf dem Marimbafon, Grubingers Lieblingsinstrument, ist zu<br />
hören, aber auch ganz ungewöhnliche Klänge und Spielweisen<br />
erprobt der chinesische Komponist. Der dritte Satz schliesslich<br />
führt dann sogar in die urbane Klanglandschaft von New York.<br />
«Schlag auf Schlag» – das Familienkonzert<br />
Das Sinfonieorchester des Norddeutschen Rundfunks hat das<br />
Werk am 13. Dezember 2012 in Lübeck uraufgeführt. An dem<br />
Kompositionsauftrag waren neben dem NDR auch das Los Angeles<br />
Philharmonic, das Bergen Philharmonic und das <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong><br />
Zürich beteiligt. Und nun erleben wir das Werk<br />
erstmals in Zürich. Nicht nur dem Solisten, sondern auch den<br />
<strong>Orchester</strong>schlagzeugern kommt darin eine wichtige Rolle zu.<br />
Und so ist es nur logisch, dass Grubinger und die Schlagzeuger<br />
die Zusammenarbeit noch in einem weiteren Programm vertiefen:<br />
Ein Familienkonzert nimmt uns am nächsten Tag «Schlag<br />
auf Schlag» auf eine musikalische Weltreise mit. Die Route<br />
führt durch Afrika, Asien, Europa, Südamerika und die USA –<br />
charmante Reiseleiterin ist Sandra Studer.<br />
SA 31.8.13<br />
Thomas Meyer<br />
GALAKONZERT DES GÖNNERVEREINS<br />
19.30 Uhr, Grosser Saal<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman Leitung<br />
Martin Grubinger Schlagzeug<br />
Tan Dun<br />
The Tears of Nature (EA)<br />
Ottorino Respighi<br />
Fontane di Roma<br />
Pini di Roma<br />
Unterstützt durch Credit Suisse<br />
SO 1.9.13<br />
familienkonzert<br />
11.15 und 14.15 Uhr, Grosser Saal<br />
SCHLAG AUF SCHLAG<br />
Eine musikalische Abenteuerreise<br />
rund um die Welt<br />
Schlagzeuger des <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich<br />
Martin Grubinger Schlagzeug<br />
Sandra Studer Moderation<br />
© Anna Sommer<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 9
«Bachs Musik steht wie ein<br />
Monolith in der Wüste …»<br />
Seinen ersten Auftritt als Artist in Residence beim <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich gibt Frank<br />
Peter Zimmermann mit einem reinen Bach-Abend – nicht mit den berühmten Solosonaten,<br />
sondern den seltener gespielten sechs Sonaten für Violine und obligates Cembalo.<br />
ZU GAST AM EDINBURGH<br />
INTERNATIONAL FESTIVAL<br />
SA 24.8.13<br />
19.30 Uhr, Usher Hall<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman Leitung<br />
Frank Peter Zimmermann Violine<br />
Artist in Residence<br />
Artist in Residence wird unterstützt durch Swiss Re<br />
Johannes Brahms<br />
Violinkonzert D-Dur op. 77<br />
Anton Bruckner<br />
Sinfonie Nr. 3 d-Moll<br />
3. Fassung 1889<br />
MO 26.8.13<br />
20.00 Uhr, Usher Hall<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman Leitung<br />
Rachel Harnisch Sopran<br />
Florian Boesch Bariton<br />
Edinburgh Festival Chorus<br />
Johannes Brahms<br />
Ein deutsches Requiem op. 45<br />
Die sechs Geigensonaten BWV 1014–1019 von Johann<br />
Sebastian Bach stehen deutlich im Schatten seiner Solosonaten.<br />
Ist das berechtigt?<br />
Frank Peter Zimmermann: Im Gegenteil. Dieser Zyklus ist, wie<br />
alles bei Bach, ein Abenteuer. Er baut sich schlüssig auf, kulminiert<br />
in der fünften Sonate in f-Moll, die ich für die grösste halte.<br />
Es gibt leider nicht viele Geiger, die sie regelmässig spielen.<br />
Und natürlich ist es immer eine Gewissensfrage, ob man sie mit<br />
Cembalo- oder Klavierbegleitung macht. Als wir vor acht Jahren<br />
mit der Arbeit begannen, haben Enrico Pace und ich uns<br />
für moderne Instrumente, also fürs Klavier, entschieden. Wie<br />
immer bei Bach ist es allerdings egal, mit welchen Instrumenten<br />
man diese Musik spielt: Man kann sie nie kaputt machen.<br />
Gerade in den langsamen Sätzen dieser Sechsergruppe<br />
findet sich sehr ausdrucksvolle Musik, weit mehr als in den<br />
Solosonaten.<br />
Genau. In den Solosonaten gibt es für mich nur gerade einen<br />
einzigen langsamen Satz, den ich absolut umwerfend finde,<br />
und zwar das Andante aus der zweiten Sonate. Die langsamen<br />
Sätze in den Sonaten für Geige und Klavier sind viel reicher,<br />
gerade in der f-Moll-Sonate oder auch schon in der ersten, die<br />
ein wunderschönes D-Dur-Andante hat, das an Bachs berühmte<br />
«Air» erinnert. Wenn man diese Sechsergruppe als Zyklus<br />
spielt, wird sie zum Ereignis. Diese Stücke sind immer wieder<br />
erfrischend und so unergründlich neu wie die Musik von Mozart<br />
und Beethoven, mit der man sich auch das ganze Leben<br />
lang beschäftigen kann.<br />
Wo liegen die Schwierigkeiten, wenn man Bach spielt?<br />
Bachs Musik steht wie ein Monolith in der Wüste. Ich glaube,<br />
wenn man eine Zeit lang ausschliesslich seine Musik spielen<br />
würde, verlöre man die Technik für alles andere. Seine Musik<br />
verlangt eine ganz besondere Spielweise, vor allem für die linke<br />
Hand. Ich finde es nicht einfach, ein Stadium zu erreichen, in<br />
10 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
«Ich fühle mich geehrt, in David Zinmans letzter Spielzeit<br />
Artist in Residence zu sein.» Frank Peter Zimmermann<br />
© Klaus Rudolph<br />
dem man sich mit Bach in der Öffentlichkeit zeigen kann. Im<br />
Zimmer scheint das alles machbar, aber wenn man vor den<br />
Leuten steht, ist man plötzlich unsicher, was man denn eigentlich<br />
will.<br />
Muss man denn etwas wollen?<br />
Genau das ist die Gratwanderung. Vielleicht ist es bei Bach wie<br />
beim Zen-Buddhismus: Wenn man zu viel will, wird es nicht<br />
funktionieren. Möglicherweise muss man ein Stadium erreichen,<br />
wo man diese Musik mit den Mitmusikern, dem Publikum<br />
und der Atmosphäre einfach passieren lassen kann. Aber<br />
als junger Mensch will man natürlich sein Herz ausschütten.<br />
Nach Bach spielen Sie während Ihrer Residenz Violinkonzerte<br />
von Brahms und Bartók. Wie ist diese Auswahl zustande<br />
gekommen?<br />
Ich wollte mit Brahms eines der grossen Standardkonzerte<br />
spielen, und als Gegengewicht ein nicht so bekanntes Konzert<br />
mitbringen. Bartóks erstes Violinkonzert habe ich überhaupt<br />
noch nie gespielt. Ich werde es im Januar 2014 erstmals aufführen<br />
und freue mich, es dann im Mai in Zürich mit Christoph<br />
von Dohnányi zu spielen. Das <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich befindet<br />
sich in sehr guter Verfassung, und ich fühle mich geehrt, in<br />
David Zinmans letzter Spielzeit Artist in Residence zu sein.<br />
Reinmar Wagner<br />
Sie behalten die Reihenfolge der sechs Sonaten in ihrem<br />
Programm bei. Hat Bach bei der Veröffentlichung zyklisch<br />
gedacht?<br />
Enrico Pace und ich finden diese Abfolge am schlüssigsten. Die<br />
erste Sonate ist zwar kompakt, aber der Beginn mit dem endlos<br />
langen Ton der Geige hat eine Initialfunktion. Die zweite Sonate<br />
ist sehr spielerisch, in der dritten geht es sehr individuell in<br />
diesen langsamen cis-Moll-Satz. Nach der Pause folgt in der<br />
vierten Sonate wieder ein sehr spielfreudiges Finale, bevor es<br />
in dieses absolut grosse f-Moll-Werk geht, dem Kulminationspunkt<br />
vor der letzten Sonate, in der Bach verschiedene Sätze<br />
aus verschiedenen Epochen kombinierte.<br />
DI 10.9.13 19.30 Uhr, Kleiner Saal<br />
Frank Peter Zimmermann Violine<br />
Enrico Pace Klavier<br />
Johann Sebastian Bach<br />
Die Sonaten für Violine und Klavier<br />
BWV 1014–1019<br />
Artist in Residence wird unterstützt durch Swiss Re<br />
Die weiteren Konzerte von Frank Peter Zimmermann:<br />
16./17./18.10.13 (Brahms, Violinkonzert), 7.4.14 (Trio Zimmermann),<br />
8./9.5.14 (Bartók, Violinkonzert Nr. 1 u.a.)<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 11
Die Stars von morgen<br />
Die Orpheum Musikfesttage bieten in drei Konzerten erneut Gelegenheit,<br />
junge, hochbegabte Instrumentalsolisten zu erleben.<br />
Truls Mørk, Martin Grubinger, Veronika Eberle, Viviane Hagner,<br />
Renaud Capuçon, Rafał Blechacz, Christian Poltéra, Oliver<br />
Schnyder – die Liste jener damals jungen Künstler, die sich<br />
einst an den Orpheum Musikfesttagen profilierten, liest sich<br />
heute wie ein Who is Who der Grossen. Mittlerweile haben sie,<br />
nun als sozusagen arrivierte Solisten, ziemlich weltweit Karriere<br />
gemacht und sind auch immer wieder für Konzertauftritte<br />
in die Zürcher <strong>Tonhalle</strong> zurückgekehrt.<br />
Debüt beim <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
Erneut stehen drei Orpheum-Solistenkonzerte an, wobei das<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich das letzte, sozusagen das Finale, begleitet.<br />
Am Pult steht ein Debütant beim <strong>Orchester</strong>: Kristjan<br />
Järvi. Sein Vater ist Dirigent, sein Bruder ebenfalls, wobei<br />
Kristjan als Jüngster in kürzester Zeit besondere Beachtung gefunden<br />
hat. Sein dirigentisches Handwerk lernte er u.a. als Assistent<br />
von Esa-Pekka Salonen beim Los Angeles Philharmonic<br />
Orchestra. Als Gastdirigent leitete er höchst erfolgreich Konzerte<br />
mit den Berliner Philharmonikern, dem London Symphony<br />
Orchestra, der Sächsischen Staatskapelle Dresden, dem<br />
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sowie dem<br />
Gewandhausorchester.<br />
Jung und sympathisch<br />
Seit 2012 ist Järvi Chefdirigent des MDR Sinfonieorchesters in<br />
Leipzig sowie des Gstaad Festival Orchestra. In der New Yorker<br />
«Times» wurde er euphorisch als Wiedergeburt Leonard Bernsteins<br />
gefeiert. In der Tat, Kristjan Järvi ist nicht nur smart,<br />
jung und sympathisch, sondern möchte wie sein legendärer<br />
Vorgänger mit aussergewöhnlichen Konzertprogrammen die<br />
klassische Musikszene neu aufmischen. Das Publikum folgt<br />
ihm, lässt sich von ihm verführen und ist begeistert.<br />
Bei seinem Debütkonzert mit dem <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
begleitet er den in Dubai geborenen iranischen Pianisten Arsha<br />
Kaviani in der Burleske von Richard Strauss sowie die Cellistin<br />
Chiara Enderle in Schumanns Cellokonzert. Sie ist Schülerin<br />
von Thomas Grossenbacher, dem Solo-Cellisten des <strong>Tonhalle</strong>-<br />
<strong>Orchester</strong>s Zürich, und sie tritt auch sonst sozusagen mit einem<br />
«Heimvorteil» auf – als Tochter des Primgeigers und der Bratschistin<br />
im Carmina Quartett.<br />
FR 6.9.13 19.30 Uhr, Grosser Saal<br />
SOLISTENKONZERT<br />
ORPHEUM MUSIKFESTTAGE<br />
Tschaikowsky-Sinfonieorchester des Moskauer Rundfunks<br />
Vladimir Fedoseyev Leitung<br />
Ye-Eun Choi Violine Eduard Kiprsky Klavier<br />
Karol Szymanowski Violinkonzert Nr. 2 op. 61<br />
Sergej Prokofjew Klavierkonzert Nr. 1 Des-Dur op. 10<br />
Sergej Rachmaninow Sinfonische Tänze op. 45<br />
SO 8.9.13 19.30 Uhr, Kleiner Saal<br />
SOLISTENKONZERT<br />
Chaarts Chamber AARTISTS, Howard Griffiths Leitung<br />
Erik Schumann Violine Barbara Buntrock Viola<br />
Lukas Geniusas Klavier Fabian Neuhaus Trompete<br />
ORPHEUM MUSIKFESTTAGE<br />
Fabian Künzli Neues Werk, UA (Auftragswerk der Orpheum Stiftung)<br />
Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante Es-Dur KV 364<br />
Dmitri Schostakowitsch Klavierkonzert Nr. 1 c-Moll op. 35<br />
George Antheil A Jazz Symphony (Fassung von 1955)<br />
MI 11.9.13 19.30 Uhr, Grosser Saal<br />
SOLISTENKONZERT<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich, Kristjan Järvi Leitung<br />
Chiara Enderle Violoncello Arsha Kaviani Klavier<br />
ORPHEUM MUSIKFESTTAGE<br />
Johannes Brahms Akademische Festouvertüre op. 80<br />
Robert Schumann Cellokonzert a-Moll op. 129<br />
Richard Strauss Burleske d-Moll für Klavier und <strong>Orchester</strong><br />
George Enescu Rumänische Rhapsodie A-Dur op. 11 Nr. 1<br />
Veranstalter aller drei Konzerte: Orpheum Stiftung zur Förderung junger Solisten, Zürich<br />
Debütiert beim<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich:<br />
Kristjan Järvi.<br />
12 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
Musiker und Ärzte ergreifen<br />
Initiative für «Kind und Krebs»<br />
25 von 100 Kindern sterben jährlich an ihrer Krebserkrankung<br />
– für den Mediziner Jean-Pierre Bourquin ein untragbarer Zustand.<br />
Das Gesundheitssystem erlaubt es, die kleinen Patienten<br />
gut zu behandeln. Für die Entwicklung von besseren Untersuchungsmethoden,<br />
weniger toxischen und effektiveren Therapien<br />
kann die öffentliche Hand aber unmöglich allein aufkommen.<br />
Hier springt die Schweizer Forschungsstiftung «Kind und<br />
Krebs» ein. Sie sammelt Gelder für die Erforschung neuer Therapien<br />
und Medikamente sowie innovativer Diagnoseverfahren<br />
für Kinder mit Krebs. Das Benefizkonzert im grossen <strong>Tonhalle</strong>saal<br />
mit den Konsi Strings Zürich und Musikern des<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich ist ein wichtiger Teil dieser Arbeit<br />
für «Kind und Krebs». Entstanden aus einer spontanen Idee des<br />
Dirigenten Philip A. Draganov, der Geigerin Hannah Weinmeister<br />
sowie dem Onkologen Jean-Pierre Bourquin, fand dieses<br />
Vorhaben sofort viel Unterstützung – nicht zuletzt durch das<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich und seinen Chefdirigenten David<br />
Zinman. So kam schnell auch die aussergewöhnliche Zusammenarbeit<br />
der beiden <strong>Orchester</strong> zustande.<br />
Das Programm ergänzt mit dem nicht gerade häufig aufgeführten<br />
Tripelkonzert den Beethoven-Zyklus von David Zinman in<br />
seiner letzten Saison als Chefdirigent. Und bei Piazzollas «Cuatro<br />
Estaciones Porteñas», den «Vier Jahreszeiten aus Buenos<br />
Aires», können die jungen Solisten der Konsi Strings ihr besonderes<br />
Talent zeigen.<br />
«Wir sind in der Schweiz dazu<br />
verpflichtet, noch viel aktiver zur<br />
Entwicklung der Kinderonkologie<br />
beizutragen. Noch viel zu oft<br />
müssen wir allzu intensive Behandlungskonzepte<br />
anwenden<br />
und Kinder beim Sterben begleiten.<br />
Wir können etwas ändern und bewegen – wichtige Fortschritte lassen sich belegen.<br />
Dazu müssen wir die fehlenden Mittel mobilisieren.»<br />
Jean-Pierre Bourquin, Onkologe, Universitäts-Kinderspital Zürich<br />
«Die Freude, junge Talente wie die Musikschüler in unserem<br />
<strong>Orchester</strong> zu fördern und reifen zu sehen, ist Antrieb und<br />
Bestätigung für uns. Ganz selbstverständlich war es daher<br />
auch, mit befreundeten Ärzten die Initiative für das Benefizkonzert<br />
zu ergreifen und ‹Kind und Krebs› zu unterstützen.»<br />
Philip A. Draganov, Leiter Konsi Strings,<br />
Musikschule Zürich<br />
«Besonders schwierig ist es zu verstehen, wenn Menschen<br />
vom Krebs betroffen sind, die am Anfang ihres Lebens<br />
stehen. Um die wertvolle Arbeit von ‹Kind und Krebs› zu<br />
unterstützen, können wir einen kleinen Teil dazu beitragen,<br />
die Forschung voranzubringen. Wir, das <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong><br />
Zürich und ich, tun dies von Herzen gerne.»<br />
David Zinman, Chefdirigent des<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich<br />
«Kind und Krebs» –<br />
die Forschungsstiftung<br />
Ohne Spenden und Drittmittel ist die Arbeit der Forscher und<br />
Mediziner nicht möglich. Die Erfolge in der Erwachsenen-Krebsforschung<br />
sind in der Behandlung von Kindern meistens nicht<br />
direkt nutzbar. Sie erkranken an anderen Krebsformen, und ihre<br />
Krankheit verläuft anders als bei Erwachsenen. «Kind und Krebs»<br />
fördert jedes Jahr zwei bis drei wichtige Projekte – in der<br />
gesamten Schweiz und in Zürich am Universitäts-Kinderspital.<br />
«Kind und Krebs» – Schweizer Forschungsstiftung,<br />
Sennhofstrasse 90, 8125 Zürich, www.kindundkrebs.ch<br />
SA 14.9.13<br />
19.30 Uhr, Grosser Saal<br />
BENEFIZKONZERT «KIND UND KREBS»<br />
Konsi Strings Zürich und<br />
Mitglieder aus dem <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
Philip A. Draganov Leitung David Zinman Leitung<br />
Sumina Studer, Sarah Kuo, Shaina Kuo, Hani Song Violine<br />
Charlotte Wieser Violoncello Benjamin Engeli Klavier<br />
Hanna Weinmeister Violine Thomas Grossenbacher Violoncello<br />
Ludwig van Beethoven Ouvertüre zu «Egmont» f-Moll op. 84<br />
Astor Piazzolla Cuatro Estaciones Porteñas<br />
Ludwig van Beethoven Tripelkonzert C-Dur op. 56<br />
In Zusammenarbeit mit der Stiftung Kind und Krebs<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 13
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14 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
Ein Herz für junge Musiker<br />
Die Stiftung Ruth und Ernst Burkhalter unterstützt <strong>Orchester</strong>konzerte, in denen junge,<br />
hochbegabte Musikerinnen und Musiker Gelegenheit zu solistischen Auftritten bekommen.<br />
Und das seit 25 Jahren. Das stolze Jubiläum wird mit einer Extra-Matinee gefeiert.<br />
Eigentlich ist es eine absolute Ausnahme, dass die Stiftung<br />
Ruth und Ernst Burkhalter selber zu einem Konzert einlädt.<br />
«Ziel der Stiftung ist es nicht, Konzerte zu veranstalten und Musiker<br />
zu engagieren», sagt Ruth Burkhalter. «Vielmehr vermitteln<br />
wir Engagements von jungen, begabten Solisten an <strong>Orchester</strong>.<br />
Dabei übernimmt die Stiftung entweder eine Defizitgarantie<br />
für das Konzert oder das jeweilige Solistenhonorar.»<br />
Über zwei Dutzend junge Musikerinnen und Musiker sind zurzeit<br />
bei der Stiftung Ruth und Ernst Burkhalter dokumentiert.<br />
Voraussetzung dafür ist, dass sie Preisträger beim Schweizerischen<br />
Jugendmusik Wettbewerb sind. «Wenn ein <strong>Orchester</strong><br />
einen dieser jungen Künstler als Solisten engagieren möchte,<br />
kann es ein Gesuch an die Stiftung stellen, und dann wird im<br />
Stiftungsrat entschieden.»<br />
Für junge Musiker ist das Zusammenspiel mit einem <strong>Orchester</strong><br />
eine wichtige Erfahrung für ihre berufliche Laufbahn. Genau<br />
hier setzt die Stiftung Ruth und Ernst Burkhalter an, stets auf<br />
der Suche nach einer Zusammenarbeit mit <strong>Orchester</strong>n und<br />
Konzertveranstaltern – und das seit 25 Jahren aus Liebe zur<br />
Musik: «Mein verstorbener Mann war genauso sehr an Musik<br />
interessiert, wie ich es bis heute bin», sagt Ruth Burkhalter.<br />
«Wir besuchten stets die Konzerte in der <strong>Tonhalle</strong>, und eigentlich<br />
bin ich in der <strong>Tonhalle</strong> sozusagen zu Hause.» Entsprechend<br />
fühlt sie sich diesem Zuhause auch verbunden – als Gönnerin<br />
des <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich, aber auch als Supporterin des<br />
Internationalen Dirigierkurses von David Zinman.<br />
Werner Pfister<br />
«Ziel der Stiftung ist es, Engagements von<br />
jungen, begabten Solisten an <strong>Orchester</strong><br />
zu vermitteln.»<br />
Ruth Burkhalter<br />
© Anne Bürgisser<br />
SO 15.9.13 11.00 Uhr, Kleiner Saal<br />
KONZERT ZUM 25-JAHR-JUBILÄUM DER STIFTUNG RUTH UND ERNST BURKHALTER<br />
Martin Frutiger Oboe Carmen Berger Klarinette Valeria Curti Fagott Florian Abächerli Horn<br />
Aline Champion Violine Isabelle Weilbach-Lambelet Violine Rahel Cunz Violine<br />
Patricia Pacozzi Violine Michel Rouilly Viola Julie Berthollet Viola Christian Poltéra Violoncello<br />
Lionel Cottet Violoncello Mischa Cheung Klavier<br />
Wolfgang Amadeus Mozart Quintett Es-Dur KV 452<br />
Felix Mendelssohn Oktett Es-Dur op. 20<br />
nach dem Konzert im Konzertfoyer Brunch<br />
Veranstalter: Stiftung Ruth und Ernst Burkhalter<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 15
Delikat und<br />
distinkt<br />
Der französische Pianist Alexandre Tharaud spielt<br />
Mozarts Klavierkonzert «Jenamy», das früher irrtümlicherweise<br />
«Jeunehomme» hiess.<br />
Alexandre Tharaud: Noblesse oblige. Auch und gerade in der<br />
Kunst des Mozart-Spiels.<br />
Es ist, wie man so sagt, ein geflügeltes Wort: Noblesse oblige.<br />
Adel verpflichtet. Übertragen auf die Musik beschreibt es einen<br />
Pianisten, der das Überschäumend-Überschwengliche scheut<br />
wie der Teufel das Weihwasser und dem es vielmehr um eine<br />
strukturell beglaubigte, sachlich-nüchterne (gleichwohl nicht<br />
anämische!) Durchdringung der musikalischen Angelegenheiten<br />
zu tun ist.<br />
© Marco Borggreve<br />
Pesson; dann eine Hinwendung zur kleinen Form, und schliesslich<br />
ein Faible für die Musik des Barockzeitalters, eine Musik, die<br />
das Schwelgen (noch) nicht kennt. Seine Deutungen der Werke<br />
Rameaus, Couperins und Bachs zeigen den grossen Stilisten.<br />
Faszinierend die nuancierte Anschlagskultur, die sich paart mit<br />
einer Verzierungskunst, die man nicht anders denn raffiniert<br />
nennen darf. Zumal die verzwickt-verspielten Agréments, von<br />
denen die französische Barockmusik durchflirrt ist, klingen unter<br />
seinen Händen wie lauter kleine Schmuckstückchen.<br />
Wohltuend anders<br />
Der Grund: Tharaud deutet die Funktion, die sie weiland für<br />
das Cembalo besassen, um in eine linear elastische, melodisch<br />
bereichernde und rhythmisch geschmackvolle Note. Das alles<br />
geschieht mit einer ästhetischen Subtilität, mit einer gestischen<br />
Zurückhaltung, die im »Zeitalter der Authentizität« (Charles<br />
Taylor), wo Aufmerksamkeit als härteste Währung gilt, nur als<br />
wohltuend anders empfunden werden kann – und die Alexandre<br />
Tharaud geradezu dazu prädestiniert, Werke von Wolfgang<br />
Amadé Mozart zu spielen. Denn wie gesagt. Noblesse oblige.<br />
Adel verpflichtet. Auch und gerade in der Kunst des Mozart-<br />
Spiels.<br />
Jürgen Otten<br />
Edel und erhaben<br />
Einen Pianisten wie zum Beispiel Alexandre Tharaud. Sein<br />
Spiel ist das des vollendeten Kavaliers. Es ist edel und erhaben,<br />
delikat und distinkt, es ist distanziert, ja beinahe soigniert<br />
(was nicht zu verwechseln ist mit altbacken!), und es folgt dem<br />
Notentext in den letzten Winkel, um auch verborgenste Nebenpfade<br />
aufzuspüren. Kurz und gut: Wir haben es hier mit einem<br />
äusserst feinsinnigen Pianisten zu tun, dem jegliche demonstrative<br />
Grossspurigkeit abgeht.<br />
Nicht zuletzt deswegen hat Tharaud immer drei Neigungen verfolgt.<br />
Da ist zum einen die Liebe für die französische Moderne<br />
und zeitgenössische Musik seiner Landsleute wie etwa Gérard<br />
MI 18.9.13<br />
DO 19.9.13<br />
19.30 Uhr, Grosser Saal<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman Leitung<br />
Alexandre Tharaud Klavier<br />
Wolfgang Amadeus Mozart<br />
Klavierkonzert Nr. 9 Es-Dur KV 271 «Jenamy»<br />
Richard Strauss<br />
Eine Alpensinfonie op. 64<br />
(in Bildern von Tobias Melle)<br />
16 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
«Anbetung der ewigen,<br />
herrlichen Natur …»<br />
«Eine Alpensinfonie» in Bildern und Klängen: David Zinman dirigiert das gigantische<br />
musikalische Alpenpanorama von Richard Strauss, und dazu werden Fotos von Tobias Melle<br />
aus der bayerischen Bergwelt projiziert.<br />
«Sinfonien schreiben freut mich gar nicht mehr», liess Richard<br />
Strauss im März 1911, wenige Wochen nach der Uraufführung<br />
des «Rosenkavalier», seinen Librettisten Hugo von Hofmannsthal<br />
wissen, und er ermahnte diesen gleichzeitig, ihm doch<br />
bald ein neues Opernlibretto zu liefern. Zum Glück liess sich<br />
Hofmannsthal Zeit – so viel Zeit, dass es Strauss langweilig<br />
wurde und er sich im Sommer 1911 sozusagen notbehelfsmässig<br />
älteren Skizzen zu einer «Alpensinfonie in vier Teilen» aus<br />
dem Jahr 1902 zuwandte, um diese nun als ein monumentales<br />
einsätziges Werk neu zu konzipieren.<br />
Für «anschauliche» Inspiration sorgte zweifellos das hehre Alpenpanorama,<br />
das Strauss von seiner Villa in Garmisch sehen<br />
konnte. Zudem griff er auf Erinnerungen an eine Bergkraxelei<br />
zurück, die er als Vierzehnjähriger unternommen hatte: Aufbruch<br />
um zwei Uhr frühmorgens, mehrere Stunden Aufstieg,<br />
Sonnenaufgang, schliesslich Gipfelrast und «ein furchtbarer<br />
Sturm», der ihn unterwegs überraschte. «Am nächsten Tag<br />
habe ich die Partie auf dem Klavier dargestellt», berichtete er<br />
damals seinem Jugendfreund Ludwig Thuille. «Natürlich riesige<br />
Tonmalerei und Schmarren (nach Wagner).»<br />
Eine riesige Tonmalerei ist auch die «Alpensinfonie» – ein gigantisch<br />
besetzter orchestraler Hymnus auf die erhabene Bergwelt,<br />
«Anbetung der ewigen, herrlichen Natur» nach Strauss’<br />
eigenem Bekunden. Genau hier setzte der Fotograf Tobias Melle<br />
mit seinen Fotos aus den Berchtesgadener Alpen an. Über drei<br />
Jahre lang war er unterwegs, die Fotoausrüstung immer im<br />
Rucksack. Und das ist vielleicht der entscheidende Schlüssel zu<br />
seiner überlegenen Fotokunst: Alle Bilder, alle Motive sind<br />
selbst erwandert, selbst erlebt. Und sie sind nach den 22 programmatischen<br />
Abschnitten der «Alpensinfonie» angeordnet:<br />
von «Nacht» über «Sonnenaufgang», «Anstieg», «Eintritt in den<br />
Wald», «Wanderung neben dem Bache» und so weiter bis zum<br />
abendlichen «Sonnuntergang» und zum «Ausklang» wiederum<br />
in der «Nacht». Ein einzigartiges Alpenabenteuer in Bildern und<br />
in Klängen.<br />
Werner Pfister<br />
FR 20.9.13<br />
22.00 Uhr, Grosser Saal<br />
classic meets electronic<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
David Zinman Leitung<br />
tonhalleLATE<br />
Richard Strauss Eine Alpensinfonie (in Bildern von Tobias Melle)<br />
anschliessend: Party mit No Regular Play (Wolf + Lamb. USA)<br />
Nicola Kazimir und Louh. DJs<br />
Projektil. Visuals<br />
Unterstützt durch Credit Suisse<br />
© Tobias Melle<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 17
Wie salonfähig ist Salonmusik?<br />
Sind Albéniz, Dvořák, Fauré, Grieg, Elgar, Rachmaninow und<br />
Schostakowitsch als Komponisten salonfähig? Allerdings, und<br />
zwar so sehr, dass man einstmals eher hätte fragen mögen, ob<br />
sie «konzertsaalfähig» sind – und man hat es gefragt, vor allem<br />
in deutschsprachigen Landen. Denn während diese Spanier,<br />
Böhmen, Franzosen, Norweger und Russen noch im 19. und<br />
frühen 20. Jahrhundert als Künstler kein Problem damit hatten,<br />
eingängige und unterhaltsame, sogenannte «leichtere» Musik<br />
für den Salon zu schreiben, musste ein deutscher Komponist<br />
sich um die Bewahrung der grossen Musiktradition (Brahms)<br />
oder um die «Musik der Zukunft» (Wagner) kümmern.<br />
Der Salon – seicht und halbseiden?<br />
Der halbseidene Beigeschmack, welcher dem Wort Salonmusik<br />
heute noch anhaftet, entsprang deutschem Tiefsinn: Was man<br />
für zu wenig schwer, für zu wenig gelehrt, zu wenig dunkel, zu<br />
wenig originalgeniemässig befand, galt den Deutschen als<br />
oberflächlich, und im Salon schien es ihnen durchaus seicht<br />
herzugehen. War doch dieser Ort geistreicher Geselligkeit etwas<br />
typisch Französisches, wofür es bezeichnenderweise gar<br />
kein deutsches Wort gab; und waren doch gerade die berühmtesten<br />
unter den frühen literarischen Salons in Deutschland<br />
von Jüdinnen (wie Henriette Herz und Rahel Levin) geführt<br />
worden. Doch blieben diese wenigen musikalischen Salons<br />
dortzulande eine Domäne zugewanderter Kosmopoliten vom<br />
Schlage eines Liszt.<br />
SO 22.9.13<br />
kammermusik-matinee<br />
11.15 Uhr, Kleiner Saal<br />
GRENZEN – SALONFÄHIG?<br />
Berühmte Komponisten tauchen in die Welt der<br />
Salonmusik ein.<br />
Salon Passion<br />
Marc Luisoni Violine<br />
Johannes Gürth Viola<br />
Stefania Verità Violoncello<br />
Peter Kosak Kontrabass<br />
Scarlet Cavassini Klavier<br />
Isaac Albéniz Tango<br />
Antonín Dvořák Humoreske<br />
Gabriel Fauré Après un rêve<br />
Edvard Grieg Ich liebe dich, Erotik<br />
Edward Elgar Chanson de nuit, Chanson de<br />
matin, Salut d’amour<br />
Sergej Rachmaninow Elegie<br />
Dmitri Schostakowitsch Walzer<br />
und Stücke von unbekannten Komponisten aus<br />
der Welt der Salonmusik<br />
10.30 Uhr, Grosser Saal<br />
Einblicke – Einführung mit Jens-Peter Schütte<br />
11.00 Uhr, Treffpunkt Vestibül<br />
Kinder-Matinee mit Sabine Appenzeller<br />
für Kinder der Konzertbesucher (ab 4 Jahren<br />
Deutschland und das Ausland<br />
Wenn «Salonmusik» im 19. Jahrhundert in Deutschland in Verruf<br />
geriet, war das kein Zufall: Zum einen trennten sich in dieser<br />
Zeit erstmals (und endgültig) die Wege der ernsten und der<br />
unterhaltenden Komponisten (so standen etwa Wagner und<br />
Brahms gegen die Walzerdynastie Strauss), zum anderen konnte<br />
man sich selber aufwerten, indem man nach gut deutschidealistischer<br />
Manier die «höheren» Sphären der Musik für sich<br />
reklamierte und das bloss Virtuose, Brillante, Elegante aufs<br />
Ausland verwies. Dass es auch in der typischen unterhaltenden<br />
Salonmusik Werke hohen Ranges gab, ja dass sich hier sogar<br />
manchmal ein musikantischer Schwung fand, der andernorts<br />
bereits unter einem Übermass von Seriosität erlahmt war, hat<br />
man erst in jüngerer Zeit so richtig begriffen.<br />
Jens-Peter Schütte<br />
Eine Leidenschaft für den Salon: das Ensemble Salon Passion mit Marc Luisoni, Scarlet<br />
Cavassini, Johannes Gürth, Peter Kosak und Stefania Verità (von links nach rechts).<br />
18 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
Quittung für die Mitwirkung in einem Konzert der AMG, unterschrieben von Clara Schumann, 10. Dezember 1857<br />
Allgemeine Musikgesellschaft Zürich:<br />
Die AMG-Bibliothek geht online<br />
Vom heimischen Schreibtisch einen Blick in Handschriften aus<br />
Archiv und Bibliothek der Allgemeinen Musik-Gesellschaft<br />
werfen? Seit März dieses Jahres ist dies das ganze Jahr rund<br />
um die Uhr möglich. Als nachträgliches Geschenk zum 200. Geburtstag<br />
der AMG hat die Zentralbibliothek Zürich etwa 700<br />
Originaldokumente der Gesellschaft elektronisch erfasst, sorgfältig<br />
gescannt und auf e-manuscripta.ch online gestellt. So<br />
lässt sich zum Beispiel Richard Wagners Korrespondenz mit<br />
der AMG im Kontext der ersten Wagner-Festspiele im Mai 1853<br />
studieren, in Philipp Christoph Kaysers Autograf des Goethe-<br />
Singspiels «Scherz, List und Rache» von 1787 blättern oder anhand<br />
von Honorarquittungen herausfinden, wie viel Gage Clara<br />
Schumann oder Johannes Brahms in den 1850er- und 1860er-<br />
Jahren für ihre Konzertauftritte in Zürich erhielten.<br />
Über 13’000 Titel verfügbar<br />
Von Texten, Briefen und Archivalien über Musikhandschriften<br />
bis zu Bildern, Karten und Plänen – e-manuscripta.ch, die<br />
Plattform für digitalisierte handschriftliche Quellen aus<br />
Schweizer Bibliotheken und Archiven, bietet eine vielfältige<br />
Auswahl aus mehreren Jahrhunderten an. Neben den Beständen<br />
der AMG sind Dokumente von Erasmus von Rotterdam und<br />
Albert Einstein ebenso zu entdecken wie der Nachlass des Geologen<br />
Arnold Escher von der Linth, die Korrespondenz um den<br />
Basler Arzt Felix Platter oder die Sammlung von Nachrichten<br />
zur Zeitgeschichte von Johann Jakob Wick («Wickiana»). Die<br />
hochwertigen Digitalisate lassen sich kostenlos online an-<br />
schauen oder als PDF-Datei zur Offline-Nutzung herunterladen.<br />
Mittlerweile sind bereits mehr als 13’000 Titel verfügbar, darunter<br />
auch bislang nur eingeschränkt zugängliche Dokumente.<br />
Brahms’ Vierte als Highlight<br />
Die neue Plattform, die von der Zentralbibliothek Zürich, der<br />
Universitätsbibliothek Basel und der ETH-Bibliothek aufgebaut<br />
wurde, bildet eine wichtige Ergänzung zum Angebot der Elektronischen<br />
Bibliothek Schweiz e-lib.ch. Das Angebot von e-manuscripta.ch<br />
wird kontinuierlich ausgebaut. Die AMG plant<br />
zum Beispiel, im Laufe des Jahres noch das Highlight ihrer Bibliothek,<br />
die autografe Partitur der vierten Sinfonie von Johannes<br />
Brahms, zu präsentieren.<br />
Eva Martina Hanke<br />
URL: http://www.e-manuscripta.ch<br />
Die Allgemeine Musik-Gesellschaft Zürich (AMG) wurde 1812<br />
durch den Zusammenschluss der alten Collegia Musica gegründet.<br />
Sie prägte bis zur Gründung der <strong>Tonhalle</strong>-Gesellschaft 1868<br />
das öffentliche Musikleben.<br />
Heute widmet sie sich der Verwaltung ihrer bedeutenden Bibliothek,<br />
der seit dem 17. Jahrhundert gepflegten Herausgabe<br />
eines Neujahrsblatts und veranstaltet Kammermusikanlässe<br />
(«Kammermusik im Predigerchor»).<br />
Werden Sie Mitglied!<br />
Allgemeine Musik-Gesellschaft Zürich, c/o Zentralbibliothek Zürich,<br />
Zähringerplatz 6, 8001 Zürich, www.amg-zürich.ch<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 19
© Marco Borggreve<br />
Euphorische Emphase<br />
und die Leichtigkeit des Seins<br />
Die hohe Kunst des gehobenen und intensiven Diskurses: Martin Helmchen spielt<br />
das Klavierkonzert von Robert Schumann.<br />
Die Geschichte ist, gemessen am rasenden Fortschreiten der<br />
Zeit, beinahe schon eine halbe Ewigkeit her. Kurz vor der Jahrtausendwende<br />
war es, an einem nasskalten Wintertag im grautrüben<br />
Frankfurt an der Oder, da trat ein blasser, schmächtiger<br />
Jüngling beim Wettbewerb «Jugend musiziert» ans Klavier,<br />
strich einmal kurz über die Tasten, als wolle er sich vergewissern,<br />
dass gewiss auch kein Staubkörnchen darauf läge – und<br />
spielte dann Etüden von Frédéric Chopin in einer Art und Weise,<br />
dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Da<br />
waren eine Leichtigkeit, eine Unbekümmertheit, eine euphorische<br />
Emphase zu spüren, die anscheinend das Technische dieser<br />
doch fürwahr horrenden Stücke gar nicht zur Kenntnis<br />
nahmen.<br />
Damit aber nicht genug. Die eigentliche Entdeckung war die,<br />
dass sich mit dergleichen Leichtigkeit ein geradezu heiliger<br />
Ernst glückhaft vereinte. Und siehe da, man fühlte sich mit ei-<br />
nem Mal an Maurizio Pollini erinnert, der ebenfalls als sehr<br />
junger Mann die Chopin-Etüden mit bravourösem Esprit gespielt<br />
hatte, mit Intelligenz, Einfühlungsvermögen und Verve.<br />
Ja, dachte man bei sich, während die Regentropfen ans Fenster<br />
schlugen und der Jüngling schüchtern den Beifall entgegennahm,<br />
das könnte dereinst mal ein Grosser werden – dieser<br />
bescheiden, fast noch linkisch wirkende Schlaks mit dem bübischen<br />
Grinsen.<br />
Fähigkeit zum Diskurs<br />
Martin Helmchen hat seit jenen fernen Frankfurter Tagen die<br />
in ihn gesetzten Hoffnungen mehr als erfüllt. Er hat sein Spiel<br />
kontinuierlich vertieft, sowohl das Repertoire als auch das<br />
Spektrum an Klangmöglichkeiten geweitet, und vor allem hat<br />
er keine Gelegenheit ausgelassen, Kammermusik zu machen.<br />
Für einen Solisten, so glauben viele, sei das doch gar nicht so<br />
20 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
© Priska Ketterer<br />
«Ich fühle mich bereits zu Hause hier», sagt Lionel Bringuier,<br />
designierter Chefdirigent des <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich ab der<br />
Saison 2014/15. Er wird in seinem einzigen Konzert in dieser Saison<br />
Martin Helmchen im Klavierkonzert von Schumann begleiten und<br />
zwei Klassiker des 20. Jahrhunderts dirigieren: «Le tombeau de<br />
Couperin» von Maurice Ravel und Bartóks Konzert für <strong>Orchester</strong>.<br />
entscheidend. Ein grandioser Irrtum! Man muss sich dazu nur<br />
einige Aufnahmen von Klavierkonzerten anhören, um zu begreifen,<br />
dass es nicht allein das solistische Talent ist, welches<br />
bedeutende Interpretationen zeitigt, sondern mehr noch die<br />
Fähigkeit zum intensiven Diskurs.<br />
Genau das ist es, was Martin Helmchens Interpretationen auszeichnet,<br />
über seine stupenden technischen, klanglichen und<br />
gestalterischen Fähigkeiten hinaus. Hört man seine Einspielungen<br />
der Klavierkonzerte Schumanns, Mozarts und Dvořáks,<br />
dann fasziniert vor allem die hohe Kunst des gehobenen und intensiven<br />
Diskurses. In eigentlich jedem Takt sucht er das Zwiegespräch<br />
mit den <strong>Orchester</strong>musikern, horcht er in ihre Stimmen<br />
hinein, stellt diese in den Kontext seines eigenen Notentextes<br />
und sucht erfolgreich nach der bezwingenden Synthese.<br />
Romantisch empfindsames Herz<br />
Ein musikalischer Dialektiker also, womöglich sogar aus dem<br />
Geiste Hegels. Der aber deswegen nicht eine Sekunde in den<br />
Verdacht geriete, ein rein sachlich-struktureller Ausdeuter und<br />
nüchterner Rationalist zu sein. Denn hinter dem Intellekt, da<br />
wohnt bei Martin Helmchen ganz entschieden der Nachfahre<br />
des Sturm und Drangs, wohnt das romantisch empfindsame<br />
Herz. Das verrät nicht zuletzt sein ausgeprägtes und anhaltendes<br />
Faible für die Klavierwerke von Robert Schumann. Virtuosität<br />
paart sich hierbei mit einer intimen Poesie, das Auffahrend-Überschwengliche<br />
eines Florestan mit der zarten<br />
Bedächtigkeit eines Eusebius, kurz und gut: Zwei Seelen wohnen<br />
auch in dieser Brust.<br />
Jürgen Otten<br />
Der Flötenzauber<br />
Nach dem Erfolg in der letzten Saison wird Toni, der kauzige<br />
Hauswart der <strong>Tonhalle</strong>, auch in der neuen Saison Kindern<br />
Kammermusik näher bringen. Toni hat Ende September wieder<br />
alle Hände voll zu tun. Es hat sich hoher Besuch angesagt. Die<br />
Flötenfamilie kommt. Toni ist ganz aufgeregt, denn die möchte<br />
er schon lange kennenlernen. Ehrfürchtig begrüsst er alle. Das<br />
kleine Piccolo hüpft vor Freude, weil es in die <strong>Tonhalle</strong> gehen<br />
darf. Die gemütliche Bassflöte versucht, das Kleine zu beruhigen.<br />
Wie staunt Toni, als sich die Flöten plötzlich anfangen zu<br />
verwandeln: Keiner will mehr sein, was er war. Was ist nur mit<br />
diesen Flöten los?<br />
SA 28.9.13 14.00 Uhr, Kleiner Saal<br />
DER FLÖTENZAUBER<br />
kammermusik für kinder<br />
Sabine Appenzeller Konzept und Regie<br />
Flötengruppe des <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich<br />
Rico Grandjean Schauspieler<br />
Eine heitere musikalische<br />
Geschichte für Kinder<br />
ab 5 Jahren<br />
SA 28.9.13 19.30 Uhr, Grosser Saal<br />
SO 29.9.13 11.15 Uhr, Grosser Saal<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich, Lionel Bringuier Leitung<br />
Martin Helmchen Klavier<br />
Maurice Ravel Le tombeau de Couperin<br />
Robert Schumann Klavierkonzert a-Moll op. 54<br />
Béla Bartók Konzert für <strong>Orchester</strong><br />
Unterstützt durch Credit Suisse<br />
© Anna Sommer<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 21
Lüste und Gelüste – «una follia<br />
Eine exquisite musikalische Barockreise in den Süden Italiens nach Neapel mit dem<br />
weltweit renommierten Schweizer Blockflötisten Maurice Steger und seinem Ensemble.<br />
«Neapel sehen und dann sterben», heisst es im Volksmund.<br />
Maurice Steger, nicht nur Ihre Kammermusik-Soiree in der<br />
<strong>Tonhalle</strong>, sondern auch Ihre letzte CD-Einspielung ist Neapel<br />
gewidmet. Ist das barocke Neapel zurzeit sozusagen Ihr<br />
absolutes musikalisches Supererlebnis?<br />
Maurice Steger: Ja, im Moment ist das zweifellos so. Allerdings<br />
geht es mir immer ähnlich: Wenn ich meine musikalische Nase<br />
in ein neues Gebiet reinstecke, dann identifiziere ich mich total<br />
damit.<br />
Erste Seite der<br />
Sinfonia a-moll von<br />
Nicolò Fiorenza.<br />
Zu hören ist dieses<br />
wunderschöne<br />
Stück auf Maurice<br />
Stegers neuer CD<br />
«Una follia di<br />
Napoli».<br />
Was fasziniert Sie an Neapel?<br />
Vor allem seine musikalische Eigenständigkeit. Neapel im Barockzeitalter<br />
– das ist eine sehr emotionale, sehr melodische<br />
und gleichzeitig eine einfache, unverblümte und direkt packende<br />
Musik. Einerseits ist das eine Folge der damals topmodernen<br />
neapolitanischen Oper, andererseits lag Neapel nicht direkt im<br />
unmittelbaren Einflussbereich des Papstes. In Neapel konnten<br />
Lüste und Gelüste ausgelebt werden, in der Kunst wie überhaupt<br />
im Leben. Zudem fanden hier die unterschiedlichsten<br />
Stile ihren Platz, denn Neapel zog damals viele Musiker an.<br />
Wo findet man heutzutage diese Werke? Ich nehme an, Sie<br />
konnten entsprechende Noten nicht in der erstbesten<br />
Musikalienhandlung kaufen …<br />
Ganz und gar nicht. Ohne aufwendige Recherchierarbeit geht<br />
es da nicht – sei es in Bibliotheken oder auch im Internet. In<br />
Neapel gab es im Barockzeitalter vier bedeutende Konservatorien<br />
und zahlreiche Bibliotheken. Auch in Klosterbibliotheken<br />
kann man fündig werden. Und nicht zu vergessen, auch andere<br />
Musiker haben schon ausführlich recherchiert, und entsprechend<br />
ist viel aufgelistet. Man muss es nur finden.<br />
Und haben Sie die Noten einmal gefunden, können Sie diese<br />
ja nicht einfach auf den Notenständer stellen und spielen.<br />
Das muss alles erst entziffert werden.<br />
Genau. Sehr oft sind es Handschriften, zum Teil auf Mikrofilmen<br />
überliefert. Hier kommen meine «Notentipper» zum Einsatz,<br />
und ihre Übertragung muss eins zu eins sein, sonst würde<br />
der Urtext verfälscht. Bei vielen Stellen muss man sich überlegen,<br />
was ein Komponist genau gemeint hat – ob beispielsweise<br />
SO 29.9.13<br />
19.30 Uhr, Kleiner Saal<br />
UNA FOLLIA DI NAPOLI<br />
Eine musikalische Reise in den Süden Italiens<br />
Maurice Steger Leitung und Blockflöte<br />
Daniele Caminiti Theorbe und Barockgitarre<br />
Mauro Valli Barockcello und Violoncello piccolo<br />
Margit Übellacker Psalterium<br />
Naoki Kitaya Cembalo<br />
Francesco Maria Veracini<br />
Sonata a-Moll per flauto e basso continuo<br />
Canzoni del sei’cento, «La Pighetta» per flauto<br />
e basso (Tarquinio Merula, Venezia um 1625)<br />
«La Tarantella» per gitarra solo (Improvisation<br />
über eine Tarantella aus Napoli um 1630)<br />
«La suave melodia» (Andrea Falconiero,<br />
Napoli 1625)<br />
Domenico Scarlatti<br />
Sonate per cembalo solo K 144 (Cantabile)<br />
Sonate per cembalo solo K 124 (Allegro)<br />
Giovanni Battista Pergolesi<br />
Sinfonia per violoncello e basso continuo «La<br />
Pulcinella» di Andrea Falconiero, Napoli 1625<br />
Canzoni del sei’cento (2 canti e basso)<br />
Passacalle, «La bella Marchesetta»<br />
Folias<br />
Johann Adolf Hasse<br />
Cantata per flauto e basso in D-Dur,<br />
Napoli frühes 18. Jahrhundert, anonym<br />
Sonata per salterio solo<br />
Alessandro Scarlatti<br />
Improvisation über die Partite<br />
«La Follia di Spagna»<br />
22 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
di Napoli …»<br />
eine bestimmte Floskel als Verzierung gemeint ist, oder ob man<br />
sie rhythmisch genau in den Musikverlauf einzupassen hat. Bei<br />
meinem Neapel-Projekt gibt es zudem nur wenige kontrapunktische<br />
Bezifferungen. Das heisst, die Harmonisierung der Musik<br />
muss ich selber sozusagen «herauslesen».<br />
Eine Menge Arbeit also, bevor Sie überhaupt zur Blockflöte<br />
greifen …<br />
Fast möchte ich sagen, in seinem solchen Projekt ist das Blockflötenspiel<br />
noch das Wenigste. Obwohl es natürlich ein anspruchsvolles<br />
Programm ist, da wir ausschliesslich – und dies<br />
im Unterschied zu meiner CD – in kammermusikalischer Besetzung<br />
und zum Teil sogar solistisch spielen. Zudem kommen<br />
sehr spezielle Instrumente wie zum Beispiel ein Psalterium,<br />
eine Theorbe oder ein Violoncello piccolo um Einsatz.<br />
Ihr Konzertprogramm «Una follia di Napoli» beginnt<br />
nicht in Neapel, sondern – mit Francesco Maria Veracini –<br />
in Florenz.<br />
Genau deshalb heisst es im Untertitel: «Eine musikalische Reise<br />
in den Süden Italiens». Wir starten in Florenz mit Veracini, dem<br />
Begründer einer noblen, berühmten Geigenschule. Mit Tarquinio<br />
Merula sind wir dann bereits im Veneto. Und mit der anschliessenden<br />
«Tarantella» von Andrea Falconiero definitiv in<br />
Neapel – das klingt sozusagen wie Spaghetti Napoli.<br />
«Wenn wir die ‹Follia› spielen, gleicht<br />
keine Aufführung der anderen.»<br />
maurice steger<br />
© Marco Borggreve<br />
Besonders brisant – man kennt es von Ihrer CD-Einspielung<br />
her – zum Schluss die Improvisationen über «Follia di<br />
Spagna» von Alessandro Scarlatti. Musik mit einem unwiderstehlichen<br />
Groove … Wie viel künstlerische Freiheit ist von<br />
den Musikern hier beim Improvisieren gewünscht resp.<br />
erlaubt?<br />
Ich gebe den Rahmen vor und lasse mich dabei von anderen<br />
musikalischen Quellen, die mir bekannt sind, leiten. Nicht jeder<br />
Musiker darf sozusagen einfach seine momentane private<br />
Befindlichkeit einbringen. Ein Rahmen muss sein, und zwar<br />
aufgrund der Architektur des Werks und seiner jeweiligen taktischen<br />
Einheiten. Im Jazz ist das letztlich nicht anders. Improvisieren<br />
ist eine spontanere Form des Komponierens, hält sich<br />
aber wie das Komponieren an Regeln. Dennoch, wenn wir die<br />
«Follia» spielen, gleicht keine Aufführung der anderen. Neulich<br />
in einem Konzert verloren wir sogar alle den Faden und fielen<br />
raus. Ich sagte dann zum Publikum: «Sehen Sie, das ist Improvisation.<br />
Wem so etwas nie passiert, der schummelt.»<br />
Werner Pfister<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 23
Linien, um ein Formular<br />
auszufüllen.<br />
Notenlinien,<br />
um ein grosses Werk<br />
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24 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013<br />
STRUKTURIERTE<br />
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Von allem Anfang an<br />
sehr fleissig:<br />
Christoph Croisé.<br />
«Bereits als Zwölfjähriger<br />
wollte er immer üben …»<br />
Gerade mal zwanzig ist er dieses Jahr – und bereits blickt der<br />
Schweizer Cellist Christoph Croisé auf Konzerttourneen durch<br />
die USA, auf Auftritte in Russland oder am Menuhin Festival in<br />
Gstaad zurück. Ein hochbegabter, junger Mann, der es mit der<br />
Kunst des Violoncellospiels offenbar sehr ernst nimmt: «Bereits<br />
als zwölfjähriger Bub wollte er immer üben», erinnert sich sein<br />
Lehrer Alexander Neustroev, stellvertretender Solo-Cellist im<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich. «Es macht wirklich Freude, ihn zu<br />
unterrichten. Er hat eine ernsthafte und professionelle Einstellung,<br />
und er war von allem Anfang an sehr fleissig.»<br />
Solcher Fleiss hat sich in vielen Auszeichnungen niedergeschlagen.<br />
Mehrfach war Christoph Croisé Preisträger beim<br />
Schweizer Jugendmusikwettbewerb, und dies sowohl in den<br />
Kategorien Solo wie auch Duo und Klaviertrio. Auch in Belgrad<br />
und in Sizilien räumte er Erste Preise ab. «Ich bewundere seine<br />
Virtuosität und seine Offenheit für musikalische Ideen», sagt<br />
Alexander Neustroev. Und vielleicht noch wichtiger: «Er ist<br />
sehr ehrlich beim Musizieren. Wenn ihm etwas nicht passt,<br />
dann zeigt er das auch.»<br />
Für seinen Auftritt im Rahmen der «Série jeunes» hat Christoph<br />
Croisé ein sehr anspruchsvolles Programm zusammengestellt<br />
mit Cellosonaten von Prokofjew, Brahms und Schostakowitsch<br />
im Zentrum. «Wir haben das Programm zusammen ausgewählt<br />
und erarbeitet», sagt Alexander Neustroev. «Wir wollten ein<br />
möglichst abwechslungsreiches, interessantes Programm mit<br />
Werken, die Christoph extrem gerne spielt.» Am Flügel begleitet<br />
wird er vom russischen Pianisten Alexander Panfilov, mit dem<br />
er schon mehrfach aufgetreten ist, in der Alten wie auch in der<br />
Neuen Welt.<br />
MO 30.9.13<br />
19.30 Uhr, Kleiner Saal<br />
Christoph Croisé Violoncello<br />
Alexander Panfilov Klavier<br />
Sergej Prokofjew Cellosonate C-Dur op. 119<br />
Johannes Brahms Cellosonate Nr. 1 e-Moll op. 38<br />
Dmitri Schostakowitsch Cellosonate d-Moll op. 40<br />
Pjotr I. Tschaikowsky Pezzo capriccioso op. 62<br />
David Popper Ungarische Rhapsodie op. 68<br />
«Es macht wirklich Freude, ihn zu unterrichten. Er hat<br />
eine ernsthafte und professionelle Einstellung …»<br />
Alexander Neustroev, stellvertretender Solo-Cellist im <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 25
Masterclass in Kuba<br />
Zwei Musiker des <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich unterrichteten unentgeltlich eine Woche lang<br />
kubanische Kinder und Jugendliche – und trafen auf offene Ohren, grosses instrumentales<br />
Geschick und viel Hingabe an die Musik.<br />
Samuel Alcántara, Kontrabassist, und Michel Willi, Bratschist<br />
im <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich, sagten sofort Ja: Sie würden eine<br />
Masterclass abhalten und so mithelfen, in der kubanischen<br />
Stadt Camagüey ein Kinder- und Jugendsinfonieorchester aufzubauen.<br />
Die Anfrage war von Egmont Rath gekommen, Kontrabassist<br />
im Musikkollegium Winterthur und ehrenamtlicher<br />
Mitarbeiter der Kinderhilfsorganisation Camaquito, die auf<br />
Kuba Kinder und Jugendliche in Bildung, Sport, Kultur und Gesundheit<br />
unterstützt.<br />
Die Zeit reicht nirgendwo hin<br />
Im März 2013 reisten Michel Willi und Samuel Alcántara in die<br />
drittgrösste Stadt der Insel. Beide kannten Kuba bereits von früheren<br />
Besuchen. Sechs Tage lang unterrichteten sie von 8.30 Uhr<br />
bis 19 Uhr an der örtlichen Musikschule, oft auch über Mittag,<br />
um so viel wie möglich von ihrem Wissen und Können weiterzugeben.<br />
Während Samuel Alcántara neun junge Kontrabassistinnen<br />
betreute, tat Michel Willi sein Bestes, um 30 wissbegierigen<br />
Geigerinnen und Bratschisten zwischen 10 und 18 Jahren<br />
Gala-Benefiz Konzert<br />
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schweren Hautkrankheiten wie Hautkrebs<br />
und entzündlichen Hauterkrankungen.<br />
Die Bruno Bloch-Stiftung fördert die<br />
Forschung auf diesen Gebieten.<br />
ANNE-SOPHIE<br />
MUTTER UND<br />
LAMBERT ORKIS<br />
PROGRAMM: MOZART, GRIEG, DEBUSSY, FRANCK<br />
7. November 2013, 20.00 Uhr<br />
<strong>Tonhalle</strong> Zürich
Samuel Alcántara (links) und Michel Willi unterrichten Kinder in Kuba.<br />
gerecht zu werden. Doch die Zeit, so realisierten die beiden<br />
Musiker schnell, reichte nirgendwo hin.<br />
Am eindrücklichsten war für Michel Willi die Leidenschaft und<br />
Freude der Kinder. Obwohl ihnen vorgeschrieben wurde, welches<br />
Instrument sie zu spielen hatten, waren sie ganz bei der<br />
Sache, nahmen jede Anregung auf und versuchten sie sofort<br />
umzusetzen, erzählt er im Gespräch. Das technische Niveau<br />
war beeindruckend hoch, doch wussten die Kinder kaum etwas<br />
über die Interpretation von europäischer klassischer Musik.<br />
Denn die Wende in Osteuropa hat auch in Kuba – trotz der<br />
reichen musikalischen Tradition des Landes – Spuren hinterlassen:<br />
In den 90er-Jahren verliessen die meisten namhaften<br />
osteuropäischen Professoren die karibische Insel, und mit ihnen<br />
war bald auch ihr Wissen weg.<br />
Zwei spielbare Kontrabässe<br />
Michel Willi erzählt, wie ihm einer der Schüler auswendig ein<br />
Stück auf der Bratsche vorspielte. Weder der Junge noch er kannten<br />
den Komponisten. Eine passende Interpretation zu finden,<br />
war daher schwierig. Aber da Willi handeln musste, tippte er auf<br />
einen Zeitgenossen von Schostakowitsch, und die beiden arbeiteten<br />
entsprechend: zupackend und energisch. Am nächsten Tag<br />
brachte der Junge die Noten mit, die Kopie einer Kopie einer Kopie,<br />
das Titelblatt in kyrillischer Schrift. Der Zürcher Bratschist<br />
konnte entziffern, dass das Stück von Johann Christian Bach<br />
stammte, also ungefähr 200 Jahre älter war, als er gedacht hatte.<br />
Es hätte eine ganz andere Interpretation verlangt – tänzerisch,<br />
leichtfüssig. Doch Michel Willi konnte mit dem Schüler nicht<br />
mehr lange arbeiten, denn 29 andere Kinder warteten. Nun muss<br />
er damit leben, dass in Kuba die Musik eines Bach-Sohns auch<br />
einmal sehr nach 20. Jahrhundert klingen kann ...<br />
Etwas anders lagen die Probleme bei Samuel Alcántara. Er hatte<br />
zwar mehr Zeit für die einzelnen Schülerinnen, aber diese<br />
konnten das Gelernte nur bedingt üben, denn an der ganzen<br />
Schule gab es genau zwei spielbare Kontrabässe. Niemand besass<br />
ein eigenes Instrument, kostet doch ein Kontrabass das<br />
20-fache eines durchschnittlichen Monatslohns. Es mangelte<br />
zudem an Stühlen, Notenpulten, Noten – an fast allem. Glücklicherweise<br />
hatten die beiden Musiker vor ihrer Abreise im <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong><br />
Zürich gesammelt und einiges an Saiten,<br />
Mundstücken oder an Stegen für Streichinstrumente mitgebracht.<br />
Und ein kubanischer Freund richtete während ihres<br />
Aufenthalts in einem Schulzimmer eine mobile Werkstatt ein<br />
und flickte Instrument um Instrument, so gut und schnell es<br />
eben ging.<br />
«Ich würde sofort wieder hinfahren»<br />
Michel Willi und Samuel Alcántara haben ihren Einsatz unentgeltlich<br />
geleistet. Die Hingabe der Kinder und Jugendlichen und<br />
ihr hellwaches Interesse am Wissen und Können der beiden<br />
Musiker des <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong>s Zürich war ihnen mehr als<br />
genug. «Es war eine grossartige Erfahrung», sagt Michel Willi.<br />
«All diese leuchtenden, konzentrierten Gesichter beim Abschlusskonzert<br />
werde ich nie vergessen. Es macht einen wirklich glücklich,<br />
etwas an junge Menschen weitergeben zu können, die es<br />
mit so viel Begeisterung und Dankbarkeit aufnehmen. Ich würde<br />
sofort wieder hinfahren!»<br />
Barbara Geiser<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 27
Musik ist der beste Koch.<br />
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Nachrichten aus dem<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
Wir begrüssen<br />
Elizaveta Shnayder Taub 1. Violine tutti<br />
Sarah Verrue Harfe<br />
Leslie Touret Praktikantin Violine<br />
Alessia Pallaoro Praktikantin Violine<br />
Tabea Kämpf Praktikantin Viola<br />
Beatriz Blanco Praktikantin Violoncello<br />
Clément Plet Praktikant Kontrabass<br />
Herzlich willkommen!<br />
Jubiläen<br />
Judith Horváth 2. Violine, 30 Jahre<br />
Michel Rouilly Solo-Viola, 30 Jahre<br />
David Goldzycher 1. Violine, 25 Jahre<br />
Marc Luisoni 1. Violine, 20 Jahre<br />
Beatrice Mössner 2. Violine, 20 Jahre<br />
Mischa Greull Solo-Horn, 20 Jahre<br />
Seiko Morishita 2. Violine, 15 Jahre<br />
Michel Willi Viola, 15 Jahre<br />
Elisabeth Harringer-Pignat 1. Violine, 10 Jahre<br />
David Greenlees stv. Solo-Viola, 10 Jahre<br />
Matthias Rácz Solo-Fagott, 10 Jahre<br />
Wir gratulieren herzlich!<br />
Nachrichten aus der<br />
administration<br />
Wir verabschieden auf Ende Saison 2012/13<br />
Etienne Reymond Mitglied der Geschäftsleitung,<br />
Leiter Künstlerisches Betriebsbüro<br />
Wir danken für die langjährige Treue und<br />
wünschen für die neue Herausforderung<br />
als Direktor des Lugano Festivals viel Erfolg!<br />
Daniela Köchli Marketing<br />
Wir wünschen alles Gute!<br />
Jubiläen<br />
SAVE THE DATE – Freitag, 24. Januar 2014<br />
Dîner Musical 2014<br />
St. Petersburg<br />
Gönnerverein<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich<br />
Tony Hofstetter 10 Jahre, Billettkasse<br />
Wir gratulieren herzlich!<br />
Das MAGAZIN im Abonnement<br />
6 Ausgaben für CHF 25<br />
Besser informiert. Mit dem Magazin<br />
wissen Sie, wer bei uns wann mit welchen<br />
Stücken zu Gast sein wird.<br />
Bestellungen bitte an info@tonhalle.ch<br />
Kartenverkauf Billettkasse Claridenstrasse 7, 8002 Zürich, Tel. +41 44 206 34 34, Fax +41 44 206 34 69<br />
tonhalle-orchester.ch; boxoffice@tonhalle.ch Schalterverkauf Mo bis Fr 10–18 Uhr resp. bis Konzertbeginn; Sa/So /Feiertage<br />
1½ Stunden vor Konzertbeginn Bestellungen Tel. Mo bis Fr 10–18 Uhr; Internet, Fax und E-Mail; Bearbeitung nach Eingang<br />
der Bestellung Weitere Vorverkaufsstellen Musik Hug, Jecklin, Jelmoli City, Migros City, Opernhaus Zürich, SBB HB Zürich<br />
Zahlungsbedingungen Barzahlung, Rechnung, Kreditkarte (Amexco, Diners, Mastercard, Visa), EC-Direct, Postcard.<br />
Bei Zustellung per Post verrechnen wir einen Unkostenbeitrag von CHF 8.–.<br />
Impressum<br />
MAGAZIN TONHALLE-ORCHESTER ZÜRICH 15. Jahrgang, August/September 2013 Erscheinungsweise sechsmal jährlich<br />
Offizielles Vereinsorgan der <strong>Tonhalle</strong>-Gesellschaft Zürich und des Vereins «Gönner der <strong>Tonhalle</strong>-Gesellschaft Zürich»<br />
Herausgeberin <strong>Tonhalle</strong>-Gesellschaft Zürich, Gotthardstr. 5, 8002 Zürich, Tel. +41 44 206 34 40, Fax +41 44 206 34 36,<br />
www.tonhalle-orchester.ch Redaktion Michaela Braun, Werner Pfister Gestaltung, Bildredaktion Eva Menghetti<br />
Druck Schellenberg Druck AG Inserate <strong>Tonhalle</strong>-Gesellschaft Zürich Redaktionsschluss 7. Juli 2013<br />
Auflage 12’500 Exemplare ISSN 2235-1051<br />
© <strong>Tonhalle</strong>-Gesellschaft Zürich. Änderungen und alle Rechte vorbehalten.<br />
Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung der <strong>Tonhalle</strong>-Gesellschaft.<br />
© Caroline Minjolle<br />
Dear friends of the<br />
<strong>Tonhalle</strong> Orchestra Zurich<br />
As I write this I am seated in the Rhätische<br />
Bahn, travelling down from Arosa to Chur<br />
before changing trains to travel home to Zurich.<br />
My holidays officially started around<br />
10 minutes ago when the train left Arosa,<br />
where I spent the past week with my good<br />
friend Thomas Ruedi, who plays tenor tuba<br />
with us, when orchestra requires that instrument.<br />
For the past week Thomas and I have,<br />
as we have done the past 3 years, been giving<br />
a course in “Low Brass” in Arosa, during<br />
the 1st week of the orchestras’ summer<br />
break.<br />
This is definitely music making at the other<br />
end of the spectrum, the students being of<br />
all ages and standards, and of many professions<br />
– there is a young boy who has travelled<br />
from Japan, a car dealer from Aarau, a<br />
Buchhalter from Luzern and so on. It has<br />
been great fun of course, and what we have<br />
done is basically that which would teach at<br />
any level, with focus classes on sound,<br />
rhythm, intonation on how to practice, and<br />
an ensemble concert to round the week off<br />
last night.<br />
Ever heard “Wilhelm Tell” performed by 15<br />
tubas?? I will only divulge that it is an unforgettable<br />
experience, for all the right reasons!!<br />
Once home I will put down my instrument,<br />
really for the only time in the year, and go on<br />
vacation. My instruments are on holiday too – I<br />
generally start practicing again after 3 weeks<br />
break, and so it will be this year, 1st August<br />
being my “Stichtag”. By that time I‘m generally<br />
speaking ready to get started again.<br />
See you soon!!!<br />
simon’s blog<br />
Simon Styles<br />
(Tuba player of the <strong>Tonhalle</strong> Orchestra Zurich)<br />
<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 29
«Alpensinfonie»<br />
Erst war da die Zeichnung. Gerard Hoffnung, Engländer mit deutschem<br />
Ursprung, Musiker, Exzentriker, Karikaturist, hatte sie gestrichelt.<br />
Darunter in krakeliger Schrift: «Alpensinfonie». Ich sah:<br />
das Alphorn. Die selbstvergessen vor sich hin spielenden Musiker<br />
in entsprechender Gewandung. Der Alphornist mit Tirolerhut. Die<br />
illustrierte, brausende Lautstärke des Werks. Das gefiel dem Gymnasiasten,<br />
der ich damals war. Aber auch: Wirkliche Lust, dem<br />
Werk irgendwann einmal zu begegnen, machte sie nicht.<br />
Jahre später: die Aufführung. Es muss in den 60er-Jahren gewesen<br />
sein. Junifestwochen. Das <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich spielte, Rudolf<br />
Kempe dirigierte. Für mich, den Studenten, wurde das zu einer<br />
Berg- und Talfahrt der Gefühle und Eindrücke. Erschlagen von der<br />
Tongewalt. Berührt von den heraufbeschworenen Stimmungen.<br />
Fasziniert von der Raffinesse der Komposition. Erschreckt und<br />
gleichzeitig entzückt über die masslose Dimension des Ganzen.<br />
Man wird nicht nur älter. Man<br />
kann auch klüger werden. Karajan hat<br />
mir dabei geholfen.<br />
Die Kritik – ich erinnere mich vor allem an die eine – setzte dann<br />
eine Angel, an der ich lange zappeln sollte. Da hiess es, dass diese<br />
Komposition doch wohl nicht auf dem Niveau der anderen Tondichtungen<br />
von Richard Strauss sei. Es gebe Fragen zu der allzu berechnenden<br />
Sentimentalität des Werks. Seinen Riesendimensionen. Die<br />
Instrumentation sei zwar unglaublich gekonnt, aber auch repetitiv.<br />
Geschickt wurde dann ein Bezug zum ersten grossen Krieg, zum<br />
Nationalstolz von Strauss und zum heraufdämmernden Faschismus<br />
der folgenden Jahre gezogen. Es kam, wie es mir in solchen<br />
Fällen geht: Ich blendete das Stück aus meinem Bewusstsein aus.<br />
Aber: Man wird nicht nur älter. Man kann auch klüger werden.<br />
Karajan hat mir dabei geholfen. Die Berliner Philharmoniker kamen<br />
dazu. Erst eine Aufführung in New York, dann die CD. Die erste<br />
klassische Silberscheibe überhaupt. Jetzt begriff ich die Weite<br />
des Stücks. Und das Erstaunlichste. Die Lautstärke der knapp 150<br />
Mann störten mich nicht mehr. Die Windmaschine fand ich perfekt.<br />
Die Kuhglocken sowieso. Die Balance des <strong>Orchester</strong>s, wie sie<br />
der Maestro erzielte, erklärte fast alles. Die Spannweite zwischen<br />
den Exzessen der Forti und jenen der Ruhe war so organisch. Anders<br />
konnte das alles nicht sein. Und seltsamerweise waren es<br />
dann die Deutungen von Jansons, Zinman und Haitink genauso<br />
und noch mehr.<br />
Eine Türe war aufgegangen. Question de l’âge? Was weiss man?<br />
Aber – und das scheint mir wichtig – gleichzeitig begann ich die<br />
Musik der nachfolgenden Jahre bis hin zum späten 20. Jahrhundert<br />
zu schätzen. Und in der «Alpensinfonie» wiederzufinden.<br />
Oder war’s umgekehrt?<br />
Michael Merz<br />
Illustration: Gerard Hoffnung<br />
aus: Das grosse Gerard Hoffnung Buch, Verlag Langen Müller<br />
30 <strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013
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<strong>Tonhalle</strong>-<strong>Orchester</strong> Zürich Magazin August/September 2013 31
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