Gemeinschaftwärmt Editorial
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1080<br />
<strong>Editorial</strong><br />
lerweile neurowissenschaftlich immer besser<br />
nachweisen:Für dasvisuelle System ist<br />
eindeutig nachgewiesen, dass „höhere“ visuelle<br />
Areale Einflüsse auf „niedere“ visuelle<br />
Areale haben und deren Aktivierung<br />
beim Wahrnehmungsvorgang mit strukturieren(16).<br />
Ein weiteres schönes Beispiel haben<br />
Haukund Mitarbeiter(6) publiziert. Verstehe<br />
ich das Wort „Treten“, dann lässt sich<br />
neuronale Aktivität über diejenigen Bereicheder<br />
Gehirnrindenachweisen,die fürdie<br />
Beine im Hinblick auf Motorik und Sensorik<br />
zuständig sind. Konfrontiert mit dem<br />
Wort „Greifen“ liegt die Aktivität auf den<br />
sensomotorischen kortikalenKartenimBereich<br />
der Hand und konfrontiert mit dem<br />
Wort „Schlecken“liegt die AktivitätimBereichvon<br />
Lippenund Zunge (Abb.1). Es ist<br />
also nicht so,dass beim Verstehenvon Sprachenur<br />
Bereiche desGehirns aktivsind,die<br />
für die Verarbeitung akustischer Signale,<br />
vom Hören von Frequenzen über Laute,<br />
Wörter bis zu Bedeutungen, zuständig sind.<br />
Vielmehr reicht die Aktivitätauchbis hin zu<br />
Bereichen des Gehirns, die weder für das<br />
Hörennochfür dasSprachverstehenzuständig<br />
sind, sondern die Körperteile kodieren,<br />
um die es geht. DasLesen desWortes „Treten“<br />
aktiviert Motorprogramme des Beines<br />
So wie semantische Repräsentationen<br />
sensomotorische Repräsentationen<br />
aktivieren und Verhalten beeinflussen<br />
können, können motorische Repräsentationen<br />
Bewertungen beeinflussen.<br />
Nervenheilkunde12/2008<br />
Abb. 1 Gehirn vonlinksdargestellt mit schematisch eingezeichneter<br />
Lage der Repräsentation vonBein, Hand und<br />
Mund. Beim Verstehen von bein- (rot), arm- (blau) und<br />
mundbezogenen (grün) Wörtern werden die entsprechenden<br />
Bereiche aktiviert.Das Experiment wurde in englischer<br />
Sprachedurchgeführt, was den Vorteilhatte,dassdie Wörter<br />
sehr ähnlich klingen und damit andere Erklärungen<br />
(der jeweils andereKlang wurde anderswo verarbeitet) unwahrscheinlichsind<br />
(nach 6).<br />
Abb. 2 Wie sehr mögen Menschen, die gut auf der Tastatur<br />
tippen können, Buchstabenkombinationen mehr, die<br />
einfach zu tippen sind.Lautetdie Aufgabe einfach nur (grüne<br />
Säulen):„WelchesBuchstabenpaar mögen Sielieber:FV<br />
oder CJ?“, dann zeigte sich eine Präferenzfür dieleichter zu<br />
tippenden Paare,das heißt, sie wurden signifikant(*) häufiger<br />
ausgewählt. Die Zufallswahrscheinlichkeit entspricht<br />
bei einer Auswahl auszwei Alternativen0,5, eine Vorliebe<br />
oder Abneigung dagegen einer signifikanten Abweichung<br />
von0,5. Probanden,die nicht Tippen können, zeigtenkeine<br />
signifikanten Abweichungen vom Zufallswert 0,5(dieseDaten<br />
sind nicht dargestellt). Müssen die Probanden, die gut<br />
Maschine schreiben können, jedoch mit den fürdas Tippen<br />
eines der beiden zu beurteilenden Buchstabenpaare zu verwendenden<br />
Fingern gleichzeitig auf der Tastatur tippen<br />
(Doppelaufgabe, rote Säulen) ist der Effekt verschwunden<br />
(Experiment 1). Wird hingegen mit Fingern getippt, die<br />
nicht an der Ausführung der zu beurteilenden Buchstabenpaare<br />
beteiligtsind,ist diePräferenz für einfach zu tippende<br />
Kombinationenauch bei der Doppelaufgabe vorhanden<br />
(nach 3, S. 54, Fig. 2).<br />
bzw. mögliche Empfindungen im Bein.<br />
Man bewegt nichts und spürtnichts,abereine<br />
Voraktivierung besteht dennoch und<br />
kann durchaus Effekte haben auf nachfolgendesVerhalten.<br />
Daher laufen wir jaauch<br />
nachgewiesenermaßenlangsamer,wennder<br />
Begriff „Alter“ in unserem Gehirn (ohne<br />
Wissen der Versuchspersonen) voraktiviert<br />
wurde (1).<br />
Eine schöne Studie hierzu wurde schon<br />
vor fast 20 Jahren publiziert (18). Menschen,die<br />
aufder Schreibmaschine flott waren<br />
und über jede Menge Erfahrungen mit<br />
demTippen verfügten, wurden gefragt, welche<br />
von zwei Buchstabenkombinationen<br />
(beispielsweiseFVoderFJ) ihnen ganz einfach<br />
besser gefällt. Sie sollten diese Entscheidung<br />
spontan fällen. Eswurde keine<br />
Beziehung zurSchreibmaschine hergestellt,<br />
ging esdoch einfach nur darum, welches<br />
Buchstabenpaar den Probanden irgendwie<br />
lieber war.<br />
Es zeigte sich, dass sieBuchstabenpaare<br />
bevorzugten, die sich mit zwei Fingern tippen<br />
lassen, imVergleich zuBuchstabenkombinationen,<br />
bei denen man mit einem<br />
Finger beide Buchstaben schreiben muss,<br />
was beim Maschineschreiben schwieriger<br />
geht. Anfänger im Maschineschreibenzeigten<br />
im gleichenTest keine Vorliebe für entsprechende<br />
Buchstabenkombinationen. Alle<br />
Versuchspersonen wurden hinterher gefragt<br />
und konnten sich ihre Bevorzugung<br />
bestimmter Buchstabenkombinationen gegenüberanderennicht<br />
erklären.<br />
Geht man aber davonaus,dass die Wahrnehmung<br />
vonzweiBuchstabenbei erfahrenenSchreibmaschinenschreibern<br />
die jeweiligenMotorprogramme<br />
zumAusführen der<br />
Buchstaben auf der Schreibmaschine aktiviert<br />
und dass es Interferenzen zwischen<br />
den Motorprogrammen für Buchstaben<br />
gibt, die mit dem gleichen Finger zu tippen<br />
sind, soerklärt sich die Bevorzugung von<br />
Buchstabenpaaren, deren Ausführung gewissermaßen<br />
„keine Umstände“ macht (zu<br />
keinerInterferenz führt),automatisch.<br />
Um den Zusammenhang zwischen motorischem<br />
System und der Zuneigung oder<br />
Abneigung zu Buchstabenpaaren noch genauer<br />
aufzuklären, wurden 2007 zwei weitere<br />
Experimente unter Verwendung der<br />
Methode der Doppelaufgabe (Dual Task)<br />
publiziert (3). Die Untersuchungen wurde<br />
wieder anerfahrenen Maschinenschreibern<br />
(Experiment 1:n=28; Experiment 2: n=<br />
20) und Anfängern (Experiment 1:n=16;<br />
Experiment 2: n=22) durchgeführt. Die<br />
Versuchspersonen mussten mit ihren Fingern<br />
bestimmte Tasten drücken, während<br />
siewiederumzuentscheiden hatten,welche<br />
von zwei Buchstabenkombinationen ihnen<br />
besser gefällt. Hierbei handelt es sich entweder<br />
umBuchstabenkombinationen, die<br />
mitdem gleichenFinger dergleichenHand<br />
eingetippt werden (z. B. FV) oder die mit<br />
unterschiedlichen Fingern jeweils unterschiedlicherHände<br />
eingetippt werden(z. B.<br />
CJ). DasExperiment 1war so angelegt, dass<br />
die Fingersolche Tasten drückten, die beim<br />
Schreibenjeweils einesder beiden Buchstabenpaareinvolviertwaren.InExperiment<br />
2<br />
war die nicht der Fall. Hier wurden zwar<br />
auch Tasten auf derTastatur gedrückt, während<br />
das bevorzugte Buchstabenpaar auszusuchen<br />
war, es handelte sich aber nicht