Stellung der Arbeitnehmer im Nachlassverfahren - Transliq AG
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NACHLASS<br />
Dr. Jürg Rieben/Reto Aschenberger · <strong>Stellung</strong> <strong>der</strong> <strong>Arbeitnehmer</strong> <strong>im</strong> <strong>Nachlassverfahren</strong><br />
4. Behandlung <strong>der</strong> Arbeitsverhältnisse<br />
<strong>im</strong> Nachlass<br />
a) Eintritt in die Vertragsverhältnisse<br />
Die Gewährung <strong>der</strong> Nachlassstundung hat<br />
per se keine Wirkung auf bestehende Arbeitsverträge<br />
zwischen <strong>der</strong> insolventen<br />
Gesellschaft und ihren <strong>Arbeitnehmer</strong>n.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e tritt keine automatische Beendigung<br />
<strong>der</strong> Arbeitsverhältnisse ein.<br />
Für eine Übernahme <strong>der</strong> Produktion<br />
o<strong>der</strong> von Produktionsteilen durch Dritte<br />
kann es nötig sein, dass die <strong>Arbeitnehmer</strong><br />
weiter zur Verfügung stehen. Es würde <strong>der</strong><br />
Gläubigergesamtheit schaden, wenn die<br />
<strong>Arbeitnehmer</strong> sofort freigestellt, damit<br />
aber eine Nachfolgelösung verunmöglicht<br />
würde. Die Belastung <strong>der</strong> Masse durch die<br />
Lohnkosten ist abzuwägen gegen die<br />
Chance auf Realisierung einer für die<br />
Gläubiger vorteilhaften Nachfolgelösung.<br />
Wenn während <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> Nachlassstundung<br />
Personal weiter beschäftigt<br />
wird, kann <strong>der</strong> Sachwalter in die bestehenden<br />
Arbeitsverhältnisse eintreten (Art.<br />
211 Abs. 2 SchKG). Damit werden sämtliche<br />
Verpflichtungen aus diesen Verträgen<br />
zu Masseverbindlichkeiten 25 . Dies gilt<br />
auch für Verpflichtungen, die vor <strong>der</strong><br />
Nachlassstundung entstanden sind. Die<br />
Lohngefährdung i.S. von Art. 337a OR<br />
und damit das Recht zur fristlosen Kündigung<br />
durch den <strong>Arbeitnehmer</strong> entfallen.<br />
b) Weiterbeschäftigung ohne Eintritt<br />
in die Arbeitsverhältnisse<br />
In <strong>der</strong> Nachlassstundung wird zur Prüfung<br />
<strong>der</strong> vorhandenen Optionen regelmässig<br />
zumindest teilweise eine vorläufige<br />
Weiterbeschäftigung von <strong>Arbeitnehmer</strong>n<br />
angezeigt sein.<br />
Wenn <strong>der</strong> Sachwalter gegenüber den<br />
<strong>Arbeitnehmer</strong>n den Nichteintritt in die<br />
laufenden Arbeitsverträge erklärt, entsteht<br />
keine generelle Verpflichtung <strong>der</strong> Masse.<br />
In diesem Fall kann <strong>der</strong> <strong>Arbeitnehmer</strong> die<br />
Sicherstellung seines Lohnes verlangen<br />
(Art. 337a OR). Der Sachwalter hat dann<br />
zu entscheiden, welche <strong>Arbeitnehmer</strong> für<br />
wie lange weiter beschäftigt werden sollen.<br />
Er kann für die betreffenden <strong>Arbeitnehmer</strong><br />
die Zust<strong>im</strong>mung zur Bezahlung,<br />
allenfalls sogar zur Vorauszahlung des<br />
Lohnes erteilen. Arbeitsvertragliche Verpflichtungen<br />
aus <strong>der</strong> Vergangenheit werden<br />
dadurch nicht übernommen.<br />
Selbstverständlich besteht auch die<br />
Möglichkeit, die Arbeitsverhältnisse ordentlich<br />
zu kündigen, aber die <strong>Arbeitnehmer</strong><br />
nicht freizustellen, son<strong>der</strong>n während<br />
<strong>der</strong> Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen.<br />
Der Sachwalter wird seine Zust<strong>im</strong>mung<br />
zur Bezahlung <strong>der</strong> Löhne solange<br />
geben, als die <strong>Arbeitnehmer</strong> <strong>im</strong> Betrieb<br />
gebraucht werden.<br />
Zu beachten sind allenfalls die Best<strong>im</strong>mungen<br />
über Massenentlassungen (Art.<br />
335d OR) 26 .<br />
c) Keine Weiterbeschäftigung<br />
Bringt die Bezahlung eines <strong>Arbeitnehmer</strong>s<br />
<strong>der</strong> Masse keinen Vorteil, muss das Arbeitsverhältnis<br />
durch die Gesellschaft gekündigt<br />
werden. Der <strong>Arbeitnehmer</strong> hat<br />
dann bis zum Ablauf <strong>der</strong> Kündigungsfrist<br />
eine in <strong>der</strong> ersten Klasse privilegierte<br />
Lohnfor<strong>der</strong>ung. Er kann die Bevorschussung<br />
<strong>der</strong> Lohnzahlung mit Arbeitslosenentschädigung<br />
beantragen.<br />
Es empfiehlt sich, den <strong>Arbeitnehmer</strong><br />
per sofort definitiv freizustellen, weil <strong>der</strong><br />
<strong>Arbeitnehmer</strong> verpflichtet ist, sich bereits<br />
während <strong>der</strong> Kündigungsfrist um eine<br />
neue <strong>Stellung</strong> zu bemühen, und sich den<br />
neuen Verdienst anrechnen lassen muss.<br />
Das Nachlassvermögen wird entsprechend<br />
entlastet. Zudem gelten mit dem<br />
Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung<br />
die Ferienansprüche des <strong>Arbeitnehmer</strong>s<br />
<strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> verbleibenden<br />
Kündigungsfrist als bezogen 27 .<br />
5. Fazit<br />
Der Entscheid über die Weiterführung<br />
eines Betriebs o<strong>der</strong> Betriebsbereichs stellt<br />
für den Sachwalter eine grosse unternehmerische<br />
und soziale Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
dar.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> betroffenen <strong>Arbeitnehmer</strong><br />
sind folgende Fälle zu unterscheiden:<br />
• For<strong>der</strong>ungen aus dem Arbeitsverhältnis<br />
können für die letzten vier Monate<br />
vor <strong>der</strong> (allenfalls provisorischen) Bewilligung<br />
<strong>der</strong> Nachlassstundung mit<br />
<strong>der</strong> Insolvenzentschädigung bevorschusst<br />
werden. Der <strong>Arbeitnehmer</strong>,<br />
welcher die Bevorschussung beantragt,<br />
erhält den ihm zustehenden Betrag<br />
rasch. Das Risiko <strong>der</strong> Einbringlichkeit<br />
geht mit <strong>der</strong> Legalzession <strong>der</strong><br />
For<strong>der</strong>ung auf die bevorschussende<br />
Kasse über.<br />
• For<strong>der</strong>ungen des <strong>Arbeitnehmer</strong>s, welche<br />
weniger als sechs Monate vor<br />
Stundungsgewährung entstanden sind,<br />
werden in <strong>der</strong> ersten Klasse kolloziert.<br />
Ausbezahlt werden kann das Geld aber<br />
erst nach Rechtskraft des Kollokationsplans<br />
(Art. 266 SchKG). Soweit<br />
<strong>der</strong> <strong>Arbeitnehmer</strong> eine Bevorschussung<br />
in Anspruch nahm, tritt an seiner<br />
Stelle die Arbeitslosenkasse als Gläubigerin<br />
<strong>der</strong> ersten Klasse <strong>im</strong> <strong>Nachlassverfahren</strong><br />
auf.<br />
• For<strong>der</strong>ungen, welche älter als sechs<br />
Monate sind, fallen ohne Privileg in die<br />
dritte Klasse und unterliegen dem Risiko,<br />
nicht voll befriedigt zu werden.<br />
Die Auszahlung erfolgt ebenfalls erst<br />
nach Rechtskraft des Kollokationsplans,<br />
allenfalls sukzessive in Form<br />
von Abschlagszahlungen.<br />
• Werden die <strong>Arbeitnehmer</strong> während<br />
<strong>der</strong> Nachlassstundung nicht weiter beschäftigt,<br />
sind die bis zum Ablauf <strong>der</strong><br />
Kündigungsfrist entstehenden For<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong> ersten Klasse privilegiert.<br />
Je<strong>der</strong> <strong>Arbeitnehmer</strong> muss sich<br />
aber daran anrechnen lassen, was er<br />
in dieser Zeit an<strong>der</strong>weitig verdient hat<br />
o<strong>der</strong> hätte verdienen können. Gestützt<br />
auf Art. 29 AVIG hat <strong>der</strong> <strong>Arbeitnehmer</strong><br />
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.<br />
• Tritt <strong>der</strong> Sachwalter während <strong>der</strong> Dauer<br />
<strong>der</strong> Nachlassstundung in bestehende<br />
Arbeitsverhältnisse ein, werden<br />
sämtliche daraus resultierenden und<br />
auch die aus <strong>der</strong> Vergangenheit noch<br />
offenen Verpflichtungen aus dem<br />
Arbeitsverhältnis <strong>im</strong> Nachlassvertrag<br />
25 ZK-STAEHELIN, Art. 337a N 11<br />
26 Anwendbarkeit dieser Best<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> <strong>Nachlassverfahren</strong><br />
offen gelassen in BGE 123 III 179<br />
27 Daran vermag auch eine allfällige Auszahlung von<br />
Ferienlohn durch die Arbeitslosenkasse <strong>im</strong> Rahmen<br />
<strong>der</strong> Insolvenzentschädigung nichts zu än<strong>der</strong>n.<br />
Die Kasse subrogiert in die For<strong>der</strong>ung des<br />
<strong>Arbeitnehmer</strong>s und hat damit nicht mehr Rechte<br />
als <strong>der</strong> bevorschusste <strong>Arbeitnehmer</strong>.<br />
108 Insolvenz- und Wirtschaftsrecht<br />
§<br />
· 3/2002