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Nacht der Kirchen 2014 - Bauernhauskirche

Unter dem Motto "Der Bauern Kirche, des Herren Land" hatten wir uns am 19. September an der Nacht der Kirchen beteiligt. Gutes Essen, leckere Cocktails, Musik und Aktionen wurden den ganzen Abend angeboten. Dazu konnten die Besucher sich auf großen Plakaten einmal durch die Kirchengeschichte über die Grenzgänge von Bäuerlichem und Kirchlichem informieren. Diese Plakate können Sie hier noch einmal nachlesen.

Unter dem Motto "Der Bauern Kirche, des Herren Land" hatten wir uns am 19. September an der Nacht der Kirchen beteiligt. Gutes Essen, leckere Cocktails, Musik und Aktionen wurden den ganzen Abend angeboten. Dazu konnten die Besucher sich auf großen Plakaten einmal durch die Kirchengeschichte über die Grenzgänge von Bäuerlichem und Kirchlichem informieren. Diese Plakate können Sie hier noch einmal nachlesen.

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Der Bauern Kirche,<br />

des Herren Land.<br />

Grenzgänge in <strong>der</strong> <strong>Bauernhauskirche</strong><br />

H ERZLICH WILLKOMMEN<br />

in <strong>der</strong> St. Gabriel Kirche in Russee – unserer <strong>Bauernhauskirche</strong>. Seit 60 Jahren feiern wir hier Gottesdienst in einer<br />

ehemaligen Tenne: Gottes Wort, wo einst Getreide gelagert und gedroschen wurde, wo das Vieh sein Heu bekam. Ein<br />

ungewöhnlicher Ort für den Gottesdienst. Und doch mit großem Vorbild: Schon König David errichtete auf einer<br />

Tenne einen Altar, später ließ Salomo an diesem Ort den Jerusalemer Tempel errichten.<br />

Die Tenne, auf <strong>der</strong> David zu Gott betete, sah an<strong>der</strong>s aus als unser Bauernhaus: Kein<br />

Reetdach, keine schweren Balken, kein Fachwerk. Doch hier wie dort, damals wie<br />

heute kann man auf <strong>der</strong> Tenne die Grundlagen unseres Lebens spüren: Wir sind zum<br />

einen angewiesen auf die Gaben <strong>der</strong> Natur, Geschenke aus Gottes Schöpfung. Zum<br />

an<strong>der</strong>en aber ist die Ernte und die Züchtung, das Dreschen des Getreides, das Melken<br />

<strong>der</strong> Tiere, ist all das menschliche Arbeit. Ohne den Bauern, <strong>der</strong> sich kümmert und<br />

sorgt, geht es nicht. So stimmt beides: Es ist des Bauern Kirche, des Herren Land. Und:<br />

Es ist des Herren Kirche, des Bauern Land.<br />

Und Gad kam zu David an jenem Tage und<br />

sprach zu ihm: „Geh hinauf und errichte dem<br />

HERRN einen Altar auf <strong>der</strong> Tenne Araunas,<br />

des Jebusiters.“ Da ging David hinauf, wie<br />

Gad nach des HERRN Gebot gesagt hatte.<br />

Und als Arauna aufschaute, sah er den König<br />

mit seinen Großen zu ihm herüberkommen<br />

und fiel nie<strong>der</strong> vor dem König auf sein Angesicht<br />

zur Erde und sprach: „Warum kommt<br />

mein Herr, <strong>der</strong> König, zu seinem Knecht?“<br />

David sprach: „Um von dir die Tenne zu kaufen<br />

und dem HERRN einen Altar zu bauen.“<br />

So kaufte David die Tenne und die Rin<strong>der</strong> für<br />

fünfzig Lot Silber. Und David baute dort dem<br />

HERRN einen Altar und opferte Brandopfer<br />

und Dankopfer. (2. Samuel 24)<br />

Die Bibel erzählt, dass die Arbeit nicht immer zum Leben gehörte. Im Paradies hatte<br />

Und Salomo fing an, das Haus des HERRN<br />

<strong>der</strong> Mensch alles ganz ohne sein Zutun. Die Frucht, die den Sündenfall und die Vertreibung<br />

aus dem Paradies brachte, wurde bald als Apfel beschrieben. So wurde er die wo <strong>der</strong> HERR seinem Vater David erschienen<br />

zu bauen in Jerusalem auf dem Berge Morija,<br />

war, an <strong>der</strong> Stätte, die David auf <strong>der</strong> Tenne<br />

sündige Frucht. Er ist aber auch (neben dem Getreide) Inbegriff <strong>der</strong> Erntegaben geworden.<br />

Der Apfel befindet sich immer auf <strong>der</strong> Grenze zwischen theologischer Über-<br />

(2. Chronik 3)<br />

Araunas, des Jebusiters, zubereitet hatte.<br />

höhung und bodenständigem Grundnahrungsmittel. – Wir laden Sie ein, durch die<br />

<strong>Kirchen</strong>geschichte hindurch mal das Bauernhaus, mal die Landwirtschaft und ganz oft den Apfel neu zu entdecken!


Am Anfang<br />

kein<br />

war <strong>der</strong> Apfel.<br />

–<br />

Von einer gestohlenen Frucht zum Ackerbau<br />

Der Schöpfungsmythos erzählt wirklich paradiesisches: Kein Stress, keine Krankheit, keine Schmerzen, keine Arbeit<br />

– mit Adam und Eva wollte man gerne tauschen. Dass die beiden vom Baum <strong>der</strong> Erkenntnis<br />

aßen, führte zum Rauswurf aus dem Paradies. Vorbei war es mit dem sorgenfreien<br />

Leben: Um genug zum Essen zu haben, musste <strong>der</strong> Mensch seitdem früh morgens aufstehen,<br />

pflanzen und ernten, Tiere züchten, Tiere jagen. Frost und Dürre, Krankheit und Schmerzen<br />

bedrohen den Lohn für seine Arbeit.<br />

Und zum Mann sprach Gott:<br />

Weil du gehorcht hast <strong>der</strong> Stimme<br />

deiner Frau und gegessen<br />

von dem Baum, von dem ich<br />

dir gebot und sprach: Du sollst<br />

nicht davon essen -, verflucht sei<br />

<strong>der</strong> Acker um deinetwillen! Mit<br />

Mühsal sollst du dich von ihm<br />

nähren dein Leben lang. Dornen<br />

und Disteln soll er dir tragen,<br />

und du sollst das Kraut auf dem<br />

Felde essen. Im Schweiße deines<br />

Angesichts sollst du dein Brot<br />

essen, bis du wie<strong>der</strong> zu Erde werdest,<br />

davon du genommen bist.<br />

(1. Mose 3)<br />

Eine Schlange soll die beiden ersten Menschen zum Naschen verführt haben. Kein Wun<strong>der</strong>,<br />

dass das Verhältnis von Mensch und Schlange seither angespannt ist. Vielleicht wäre es dem<br />

Obst, das sie verzehrten, genauso ergangen – wenn wir wüssten, was dort am Baum hing: Die<br />

Bibel erzählt nur von einer Frucht. Und es war keineswegs von Anfang an unbestritten, dass<br />

es <strong>der</strong> Apfel war, <strong>der</strong> die Erkenntnis von Gut und Böse in die Welt brachte.<br />

Die ältesten Überlieferungen und Darstellungen gehen davon aus, dass Adam und Eva von einem Feigenbaum aßen:<br />

Die Feige war in <strong>der</strong> Antike ein sexuelles Symbol. Viele Theologen sahen in <strong>der</strong> Sexualität den eigentlichen Sündenfall.<br />

Die Deutung des Baumes als Apfelbaum war also auch ein theologischer Gegenentwurf:<br />

Durch die Erkenntnis von Gut und Böse kam auch das Böse in die Welt: Neid und Lüge<br />

als Folge von Begierde und Eitelkeit. Dass dies nun gerade mit dem Apfel verbunden<br />

wurde, liegt am lateinischen Wort für Obst: „malum“ kann sowohl „Apfel“ als auch<br />

„Böse“ bedeuten. Ganz verschwunden ist die Feige aber aus dem Schöpfungsmythos<br />

nicht: Bis heute sind es Feigenblätter geblieben, mit denen Adam und Eva ihre Scham<br />

bedecken.<br />

Auch wenn <strong>der</strong> Weg ins Paradies dem Menschen für immer versperrt ist, so fanden<br />

die ersten Menschen, die im heutigen Israel und Palästina sesshaft wurden,<br />

auch paradiesisch schöne Landschaften. Sie ermöglichten Viezucht genauso<br />

wie Ackerbau und den Anbau von Obstbäumen. Das Alte Testament erzählt<br />

von <strong>der</strong> Kultivierung <strong>der</strong> Landschaft durch und für den Menschen. Erst viel später,<br />

als die Schriften des Neuen Testaments verfasst wurden, wuchs die Tendenz, mit<br />

Bil<strong>der</strong>n aus <strong>der</strong> Landwirtschaft zu veranschaulichen, wie Gott ist.<br />

Zweig des Feigenbaums


„Der Sündenfall“<br />

Holzschnitt von Michael Wolgemut<br />

aus <strong>der</strong> Schedelschen<br />

Weltchronik (Nürnberg 1493).<br />

Der Apfelbaum in <strong>der</strong> Mitte<br />

ist gut zu erkennen. Beson<strong>der</strong>s<br />

an dieser Darstellung ist, dass<br />

alle drei, Adam, Eva und die<br />

Schlange, einen Apfel halten<br />

bzw. essen.<br />

„Adam und Eva“<br />

Darstellung auf dem Sarkophag<br />

des Iunius Bassus, 359 n.Chr.<br />

in Rom. Kunsthistoriker erkennen<br />

in dem Baum in <strong>der</strong> Mitte<br />

eindeutig einen Feigenbaum.<br />

Es ist einene <strong>der</strong> jüngsten Paradiesdarstellungen<br />

mit diesem<br />

Obst als Baum <strong>der</strong> Erkenntnis.


Ein Kind<br />

in einem Stall.<br />

Wie Gott auch zu den Tieren kam.<br />

Schon beim allerersten Weihnachtsfest wurde Gottesdienst im Bauernhaus gefeiert: Jesus kam ja in einem Stall zur<br />

Welt, ein Futtertrog war sein Bett, <strong>der</strong> Atem von Ochsen und Esel sollen ihn gewärmt haben. Wie bei unseren Gottesdiensten<br />

heute kamen die Menschen dorthin um zu beten. Und wie heute machte es keinen Unterschied ob arm<br />

o<strong>der</strong> reich: alle waren eingeladen: Hirten genauso wie die drei Weisen, die von weither anreisten und so prachtvoll<br />

gekleidet waren, dass man sie für Könige hielt. Heute erklingt in den <strong>Kirchen</strong> die Königin <strong>der</strong> Instrumente, die Orgel,<br />

damals sollen Engel für die musikalische Gestaltung gesorgt haben.<br />

Ob auch <strong>der</strong> Engel Gabriel dabei war? Nach ihm heißt unsere <strong>Bauernhauskirche</strong>. Er ist nicht irgendein Engel. Er ist<br />

<strong>der</strong> Bote Gottes. In <strong>der</strong> jüdischen Tradition ist er es, <strong>der</strong> schon den Erzeltern Gottes Willen mitteilt. Lukas berichtet<br />

im Neuen Testament, dass <strong>der</strong> Engel Gabriel Maria die Geburt von Jesus ankündigte. Auf dem Kanzelrelief ist dies<br />

in unserer Kirche dargestellt. Wenn also Engel bei <strong>der</strong> Geburt Jesu dabei waren, dann war Gabriel ganz sicher unter<br />

ihnen. Und dann wird er alles genau beobachtet haben: Das Kind, in dem Gott ein Mensch wurde. Den tristen Ort,<br />

an dem deutlich sichtbar wurde, wie hart die Arbeit <strong>der</strong> Bauern und Hirten war, wie karg <strong>der</strong> Ertrag. Aber auch die<br />

Tiere, die ersten Zeugen <strong>der</strong> Geburt Jesu. Hier setzt sich fort, was schon das Alte Testament gebot: Dass <strong>der</strong> Mensch<br />

Achtung gegenüber den Tieren zeige. Schon im Schöpfungsmythos wird ihm die Verantwortung für sie übertragen,<br />

das Gesetz des Mose legt fest: Auch für die Tiere ist <strong>der</strong> Sabbat, <strong>der</strong> letzte Tag <strong>der</strong> Woche, arbeitsfrei.<br />

Ochs und Esel waren im Stall, Schafe und sicherlich auch Ziegen kamen mit den Hirten dazu. Doch im wahrsten<br />

Sinne des Wortes war kein Schwein bei <strong>der</strong> Geburt dabei. Sie galten als unrein. Gottgegeben war das nicht: Lange<br />

Zeit aßen auch Juden Schweinefleisch. Erst in <strong>der</strong> Zeit nach dem Exil wurde es verboten, Schweinefleisch zu essen.<br />

Vermutlich wurden Schweine mit dämonischen Wesen in Verbindung gebracht – warum, ist unklar. Erkennbar wird<br />

die Geringschätzung in dem aus <strong>der</strong> Bibel stammenden Sprichwort „Perlen vor die Säue zu werfen“.<br />

Ein Schwein fehlt auf den Darstellungen Jesu im Stall – <strong>der</strong> Apfel fehlt nicht. Jesus, <strong>der</strong> noch<br />

als Baby im <strong>der</strong> Krippe seiner Mutter einen Apfel reicht, war ein beliebtes Motiv: Brachte <strong>der</strong><br />

Apfel die Sünde in die Welt, so wird sie in <strong>der</strong> Hand Jesu überwunden.<br />

„An das Kreuz geheftet hing<br />

Christus einem Apfel gleich am<br />

Baum und strömte den Duft<br />

<strong>der</strong> Welterlösung aus. Er hat ja<br />

den üblen Geruch <strong>der</strong> schweren<br />

Sünde hinweggenommen und<br />

das Arome des Lebenstrankes<br />

ergossen. Allein nicht bloß Wohlgeruch,<br />

auch süße Labung bietet<br />

<strong>der</strong> Apfel: – Diese köstliche Nahrung<br />

ist Christus!“<br />

(St. Ambrosius)


„Madonna und Kind“<br />

Hans Memling, 1487.<br />

Statt eines Stalls malt Memling<br />

Maria und Jesus in einem Haus<br />

seiner Zeit und seiner Kultur.<br />

Das ist historisch natürlich<br />

falsch – theologisch bringt es<br />

aber etwas wichtiges zum Ausdruck.<br />

Mit den Worten Angelus<br />

Silesius: „Wäre Christus tausendmal<br />

in Bethlehem geboren,<br />

und nicht in dir: Du bliebest<br />

doch in alle Ewigkeit verloren.“<br />

„Die Erschaffung <strong>der</strong> Tiere“<br />

Meister Bertram, Grabower<br />

Altar (1375–1383).<br />

Die Darstellung Jesu, <strong>der</strong> den<br />

Tieren predigt, nimmt Motive<br />

<strong>der</strong> griechischen Orpheus-Sage<br />

auf. In ganz frühen christlichen<br />

Darstellungen wird zunächst<br />

auch noch Orpheus stellvertretend<br />

für Christus gemalt. Später<br />

wird wie<strong>der</strong>um meist <strong>der</strong><br />

Heilige Franziskus anstelle Jesu<br />

zwischen den Tieren gezeigt.<br />

In allen Darstellung kommt die<br />

Verantwortung des Menschen<br />

für die Tiere und ihre große<br />

Nähe zum Ausdruck.


Christus<br />

Imperator.<br />

Das Kreuz mit dem Apfel.<br />

Es gibt einen Apfel, <strong>der</strong> ist beson<strong>der</strong>s typisch für das Mittelalter: Der Reichsapfel. Er soll nicht übergangen werden,<br />

auch wenn <strong>der</strong> „Apfel“ im Namen eigentlich in eine falsche Richtung führt. Im Lateinischen heißt das Kreuz auf <strong>der</strong><br />

Kugel schlicht „globus cruciger“: Ein Kreuz auf <strong>der</strong> Weltkugel als Symbol für die universelle Herrschaft Christi. Im<br />

Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation wurde <strong>der</strong> Reichsapfel Herrschaftsinsignie <strong>der</strong> Kaiser, die ihre Herrschaft<br />

als gottgewollt sahen und sich dadurch gleichzeitig in <strong>der</strong> Pflicht fühlten, das Christentum zu verteidigen.<br />

Ein erster Hinweis darauf, dass zur Krönung ein – kunstvoll und wertvoll verzierter – Reichsapfel überreicht wurde<br />

findet sich in einem Bericht über die Kaiserkrönung Heinrichs II. durch Papst Benedikt VIII. am 14. Februar 1014.<br />

Im Reichsapfel blieb ein Wissen <strong>der</strong> Antike erkennbar: Viel früher als lange Zeit angenommen, war bekannt, dass<br />

die Erde eine Kugel war. Auch das Mittelalter bewahrte dieses Wissen, es war aber exklusives Wissen <strong>der</strong> Gebildeten.<br />

Das einfache Volk war im Mittelalter abhängig von den Feudalherren. Die Feudalstrukturen sind ein wesentlicher<br />

Grund dafür, dass das Mittelalter im Rückblick als „finster“ beschrieben wird. Es wird aber leicht übersehen, dass<br />

auch das Mittelalter keine Zeit des Stillstandes war. Gerade in <strong>der</strong> Landwirtschaft gab es große Fortschritte: Insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Einführung <strong>der</strong> Dreifel<strong>der</strong>wirtschaft, die ab dem 12. Jahrhun<strong>der</strong>t die älteren Bewirtschaftungsformen<br />

ablöste, trug wesentlich zur Erhöhung <strong>der</strong> Erntemengen bei. Mit <strong>der</strong> Umstellung auf diese Bewirtschaftung konnte<br />

auch <strong>der</strong> Gemüse-, Obst- und Weinanbau gezielt ausgebaut werden, so dass die Ernährungslage <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung<br />

besser und vielfältiger wurde. Die Abfolge bei dieser Bewirtschaftungsform sah vor, dass eines <strong>der</strong> drei Fel<strong>der</strong><br />

für gewisse Zeit unbearbeitet bleiben sollte, damit <strong>der</strong> Boden sich erholen konnte und nicht auslaugte. Sommerfeld,<br />

Winterfeld und Brache wurden nun regelmäßig abwechselnd genutzt.<br />

Das Mittelalter zeigt sich also zerrissen: Die Herrschaft Christi wurde pervertiert zu<br />

einer unterdrückenden Herrschaft <strong>der</strong> Feudalherren, des Adles und <strong>der</strong> Kirche. Die<br />

Pest schürte die Ängste in <strong>der</strong> unterdrückten Bevölkerung weiter. Gleichzeitig bewahrten<br />

gerade die Klöster das Wissen <strong>der</strong> Antike, führten es fort und schufen eine eigene,<br />

vielfältige Kultur.<br />

Das Logo <strong>der</strong> Evangelischen Jugendarbeit in unserem <strong>Kirchen</strong>kreis greift den Reichsapfel auf. →


Am Ende<br />

bleibt <strong>der</strong> Apfel.<br />

Die Wie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong> Gnade Gottes.<br />

Die <strong>Kirchen</strong>geschichte und die politische Geschichte <strong>der</strong> Landwirtschaft vermengen sich in <strong>der</strong> Reformationszeit<br />

beson<strong>der</strong>s: Mitten in <strong>der</strong> Reformation, ab 1524, erhoben sich viele Bauern gegen ihre Herren, da sie ausgebeutetet<br />

und unterdrückten wurden. Die Standpunkte <strong>der</strong> Reformation waren eine wesentliche Rechtfertigung für die aufständischen<br />

Bauern. Von <strong>der</strong> Obrigkeit wurde Martin Luther daher zunehmend für die Geschehnisse im Bauernkrieg<br />

verantwortlich gemacht, wohl auch, weil er sich nicht eindeutig von den For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Bauern distanzierte.<br />

Noch 1525 kritisierte Luther in seiner Ermahnung zum Frieden das „hochmütige“ Verhalten <strong>der</strong> Fürsten. Erst<br />

nachdem Graf Ludwig von Helfenstein und seiner Begleiter vor den Toren <strong>der</strong> Stadt Weinsberg durch aufständische<br />

Bauern getötet wurde, schlug er sich eindeutig auf die Seite <strong>der</strong> Fürsten und verurteilte die Aufständischen scharf.<br />

Der impulsive Reformator sprach oftmals in deutlichen und bildreichen Worten. So sehr man über manchen Fluch<br />

erschrickt, so sehr erfreuen wir uns bis heute an den Zitaten Luthers, die von <strong>der</strong> Liebe Gottes und seiner Hoffnung<br />

handeln. Eines <strong>der</strong> bekanntesten ist:<br />

„Wenn morgen die Welt unterginge,<br />

würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“<br />

Berühmt ist dieser Satz. Nur lei<strong>der</strong> hat Martin Luther ihn nie gesagt. Aber: Er hätte<br />

ihn sagen können, er passt zu ihm. Er, <strong>der</strong> von Gott als einem „Backofen voll<br />

Liebe“ sprach, hatte bei seinem Studium <strong>der</strong> Bibel die frohe Botschaft wie<strong>der</strong> entdeckt:<br />

Der Gott, <strong>der</strong> sich in Jesus Christus gezeigt hat, ist ein Gott, <strong>der</strong> jeden Menschen<br />

liebt. Er ist ein Gott, <strong>der</strong> vergibt und gnädig ist. Er ist aber auch ein Gott, <strong>der</strong><br />

größer ist als alles, was wir uns vorstellen können.<br />

Ein Apfelbäumchen gepflanzt am Vortag des Weltuntergangs: Symbol <strong>der</strong> Hoffnung,<br />

dass über Zeit und Raum <strong>der</strong> Gott ist, <strong>der</strong> das Leben will: <strong>der</strong> größer ist als die Zeit, <strong>der</strong><br />

größer ist als <strong>der</strong> Raum, <strong>der</strong> größer ist als <strong>der</strong> Tod.<br />

An <strong>der</strong> Hörstation können Sie eine mo<strong>der</strong>ne Adaption des „Apfelbäumchens“ hören:<br />

„Mein Apfelbäumchen“ von Reinhard Mey.


Alle guten Gaben,<br />

alles, was wir haben.<br />

Matthias Claudius‘ Erntedank-Hymne.<br />

Matthias Claudius haben wir großes zu verdanken: Es gibt wohl kaum ein schöneres Abendlied als „Der Mond ist<br />

aufgegangen“. Es gibt wohl kaum eine schönere Liebeserklärung als die, die Matthias Claudius seiner Fraus zur Silberhochzeit<br />

schenkte. Und es gibt wohl kaum ein schöneres Erntedanklied, als „Wir pflügen und wir streuen“.<br />

1783 veröffentlichte Matthias Claudius diese Erntedank-Hymne als Teil eines Artikels im Wandsbecker Boten. Der<br />

Artikel beschreibt unter dem Titel „Paul Erdmanns Fest“ ein fiktives Erntedankfest auf dem Lande. In ihm stellt<br />

Matthias Claudius den etwas arroganten adeligen Herrschaften den menschlichen Adel <strong>der</strong> Landarbeiter gegenüber.<br />

Als Höhepunkt des Festes fragt <strong>der</strong> Sprecher <strong>der</strong> Bauern den Herrn, ob sie ihr „Bauernlied“ singen dürften. Es ist<br />

die Grundform des heute bekannten Liedes „Wir pflügen und wir streuen“.<br />

Im Wandsbecker Boten ist es noch als Wechselgesang gestaltet zwischen dem Vorsänger, Matthias Claudius gibt ihm<br />

den Namen Hans Westen, und dem Chor „alle Bauern“. Auch beginnt es an<strong>der</strong>s als die uns heute bekannte Fassung.<br />

Der ursprüngliche Beginn bezieht sich auf den zweiten Satz <strong>der</strong> Bibel: „Und die Erde war wüst und leer, und es war<br />

finster auf <strong>der</strong> Tiefe; und <strong>der</strong> Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.“ Mit insgesamt 16 vierzeiligen Strophen ist das<br />

ursprüngliche Lied auch erheblich länger, <strong>der</strong> Refrain lautet zudem etwas an<strong>der</strong>s.<br />

Wir pflügen, und wir streuen den Samen auf das Land,<br />

doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand:<br />

<strong>der</strong> tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf<br />

und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf.<br />

Refrain: Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn,<br />

drum dankt ihm dankt, drum dankt ihm dankt<br />

und hofft auf ihn.


Bauernlied<br />

von Matthias Claudius<br />

Der Vorsänger Hans Westen:<br />

Im Anfang war‘s auf Erden<br />

Nur finster, wüst, und leer;<br />

Und sollt was sein und werden,<br />

Mußt es woan<strong>der</strong>s her.<br />

Coro. Alle Bauern: Alle gute Gabe<br />

Kam oben her, von Gott,<br />

Vom schönen blauen Himmel herab!<br />

Vorsänger<br />

So ist es hergegangen<br />

Im Anfang, als Gott sprach;<br />

Und wie sich‘s angefangen,<br />

So geht‘s noch diesen Tag.<br />

Vorsänger<br />

Und bringt ihn denn behende<br />

In unser Feld und Brot;<br />

Es geht durch seine Hände,<br />

Kömmt aber her von Gott.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Was nah ist und was ferne,<br />

Von Gott kömmt alles her!<br />

Der Strohhalm und die Sterne,<br />

Der Sperling und das Meer.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Er gehet ungesehen<br />

Im Dorfe um und wacht,<br />

Und rührt die herzlich flehen<br />

Im Schlafe an bei <strong>Nacht</strong>.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger. Coro fällt ein<br />

Darum, so wolln wir loben,<br />

Und loben immerdar<br />

Den großen Geber oben.<br />

Er ist‘s! und Er ist‘s gar!<br />

Coro: Alle gute Gabe<br />

Kömmt oben her, von Gott,<br />

Vom schönen blauen Himmel herab!<br />

Vorsänger<br />

Wir pflügen, und wir streuen<br />

Den Samen auf das Land;<br />

Doch Wachstum und Gedeihen<br />

Steht nicht in unsrer Hand.<br />

Coro: Alle gute Gabe<br />

Kömmt oben her, von Gott,<br />

Vom schönen blauen Himmel herab!<br />

Vorsänger<br />

Der tut mit leisem Wehen<br />

Sich mild und heimlich auf,<br />

Und träuft, wenn wir heimgehen,<br />

Wuchs und Gedeihen drauf.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Der sendet Tau und Regen,<br />

Und Sonn- und Mondenschein,<br />

Der wickelt Gottes Segen<br />

Gar zart und künstlich ein.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Von Ihm sind Büsch und Blätter,<br />

Und Korn und Obst von Ihm,<br />

Von Ihm mild Frühlingswetter,<br />

Und Schnee und Ungestüm.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Er, Er macht Sonnaufgehen,<br />

Er stellt des Mondes Lauf,<br />

Er läßt die Winde wehen,<br />

Er tut den Himmel auf.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Er schenkt uns Vieh und Freude,<br />

Er macht uns frisch und rot,<br />

Er gibt den Kühen Weide,<br />

Und unsern Kin<strong>der</strong>n Brot.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Auch Frommsein und Vertrauen,<br />

Und stiller edler Sinn,<br />

Ihm flehn, und auf Ihn schauen,<br />

Kömmt alles uns durch Ihn.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Und Er hat große Dinge<br />

An Nachbar Paul getan;<br />

Denn ärmlich und geringe<br />

Trat Paul sein Erbe an.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Er hat bewahrt vor Schaden,<br />

Hat reichlich ihn bedacht,<br />

Hat heute ihm aus Gnaden<br />

Ein Jubilei gemacht.<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Vorsänger<br />

Und solche Gnad und Treue<br />

Tut er den Menschen gern.<br />

Er segne Paul aufs neue,<br />

Und unsern lieben Herrn!<br />

Coro: Alle gute Gabe etc.<br />

Matthias Claudius

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