JOGU 207/2009 - Johannes Gutenberg-Universität Mainz
JOGU 207/2009 - Johannes Gutenberg-Universität Mainz
JOGU 207/2009 - Johannes Gutenberg-Universität Mainz
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[<strong>JOGU</strong>]<br />
Nr. <strong>207</strong> Januar <strong>2009</strong><br />
Das Magazin der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong><br />
[ Ideen für die Zukunft ]<br />
[ CampusNet – Herausforderung und Chance ]<br />
[ Verborgene Krankheit ]<br />
[ Vom Leben, der Liebe und Einkaufszentren ]
Inhalt<br />
Zum Titelbild: Die Auswirkungen der globalen Erwärmung an den Gletschern des Schweizer Wallis zu<br />
untersuchen, nach Systemen für die Zukunft zu forschen und Problemlösungen zu entwickeln, war die<br />
Aufgabenstellung einer Projektstudie am Geographischen Institut. Welche außergewöhnlichen Ideen die<br />
27 Studierenden um Prof. Hans-Joachim Fuchs entwickelt und umgesetzt haben, lesen Sie auf Seite 7.<br />
3<br />
4<br />
4<br />
6<br />
Editorial<br />
Danke.<br />
Campus aktuell<br />
„Wir sind aufeinander angewiesen“<br />
Sitzungstermine des Senats<br />
„Intellektuell ein Vergnügen“<br />
Foto: Peter Thomas<br />
Diskussionsbereit:<br />
Bundespräsident<br />
Köhler zu Gast<br />
Seite 4<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
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21<br />
22<br />
24<br />
26<br />
Studium & Lehre<br />
Ideen für die Zukunft<br />
Verbindende Vergangenheit –<br />
trennende Gegenwart?<br />
Auf allen Kanälen daheim<br />
Fingerfertige Faszination<br />
Bildung durch Gesang<br />
Üben für den Ernstfall<br />
Affentheater im Waisenhaus<br />
Wissenschaft & Forschung<br />
Fördertöpfe sind heiß umkämpft<br />
Neue Töne anstimmen<br />
„Verborgene Krankheit“<br />
Einblick in die Steinzeitfamilie<br />
Next Stop: <strong>Mainz</strong><br />
Nur eine Illusion?<br />
Campus international<br />
Das moderne Indien entdecken<br />
Die Schönheit der menschlichen Sprache<br />
Foto: Peter Pulkowski<br />
Foto: © Bistum <strong>Mainz</strong><br />
Herausragend: Karl<br />
Kardinal Lehmann ist<br />
Stiftungsprofessor<br />
Seite 6<br />
Zukunftsweisend:<br />
Skills-Lab an der<br />
Uniklinik<br />
27<br />
28<br />
Kultur auf dem Campus<br />
Vom Leben, der Liebe und Einkaufszentren<br />
Funktionalität und Ästhetik<br />
Seite 12<br />
30<br />
31<br />
32<br />
www.uni-mainz.de<br />
Herausforderung und Chance<br />
Shakespeare digital<br />
Personen & Positionen<br />
Neu an der Uni<br />
Foto: Peter Thomas<br />
Gutaussehend:<br />
Neubau Musik<br />
eingeweiht<br />
34<br />
34<br />
34<br />
Kurz & Bündig<br />
Besuch von Verteidigungsminister Jung<br />
Impressum<br />
Fit bleiben<br />
Seite 28<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong> 2
Editorial<br />
Danke.<br />
Das Bild unserer Universität in der Öffentlichkeit ist<br />
geprägt von Erfolgsmeldungen in Forschung und<br />
Lehre: Wir reden gerne und oft über international<br />
beachtete Forschungsergebnisse, Publikationen,<br />
Preise, hohe Drittmitteleinnahmen und über hohe<br />
Studierenden- und Absolventenzahlen, neue Studiengänge,<br />
Lehrpreise oder andere Auszeichnungen.<br />
Dabei stehen neben den Studierenden in der Regel<br />
vor allem unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />
im Zentrum des Interesses. Das ist gut so<br />
und soll auch in Zukunft so bleiben.<br />
Aber dabei wird oft vergessen, dass an der Universität<br />
nicht nur Studierende und Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler arbeiten. Die meisten der<br />
gut 8.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die<br />
Universität gemeinsam mit der Universitätsmedizin<br />
zum größten Arbeitgeber in <strong>Mainz</strong> und zum zweitgrößten<br />
Arbeitgeber des Landes Rheinland-Pfalz<br />
machen, sind im so genannten wissenschaftsstützenden<br />
Bereich und in der Krankenversorgung tätig.<br />
Hier ist eine Vielzahl von Berufsgruppen zu fi nden<br />
– von technischen Berufen bis hin zum Gartenbau,<br />
von der Krankenpfl ege bis hin zu kaufmännischen<br />
und Verwaltungsberufen, vom Kraftfahrer bis hin<br />
zur Telefonzentrale, vom Marketing bis hin zur Weiterbildung<br />
– die Liste ist zu lange, als dass eine vollständige<br />
Aufzählung an dieser Stelle möglich wäre.<br />
Dabei ist die Universität nicht nur ein großer Arbeitgeber,<br />
sondern auch ein großer und äußerst vielfältiger<br />
Ausbildungsbetrieb: Gut 120 junge Menschen<br />
erlernen hier einen von 15 Ausbildungsberufen –<br />
sie profi tieren vom Wissen der erfahrenen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter und von der besonderen<br />
Herausforderung, die der Universitätsbetrieb für<br />
jeden Einzelnen bedeutet. Denn der Gärtner pfl egt<br />
eben nicht nur Hecken und Rasen auf dem Campus,<br />
sondern er muss sich im Botanischen Garten<br />
mit einer Vielzahl ausgefallenster Pfl anzen vertraut<br />
machen. Die Mechanikerin in der Werkstatt des<br />
Fachbereichs verrichtet nicht jeden Tag die gleiche<br />
Arbeit, sondern muss sich immer wieder mit ausgefallenen<br />
Ideen für den Aufbau neuer Experimente<br />
auseinandersetzen und dabei oftmals an die Grenze<br />
des technisch Machbaren und darüber hinaus gehen.<br />
Und dabei möglichst gestern schon das funktionierende<br />
Produkt abliefern. Sei es der sich ständig<br />
weiter entwickelnden Forschung und einem internationalen<br />
Wettbewerb geschuldet oder dem Umgang<br />
mit engagierten und ideenreichen Studierenden<br />
aus über 130 Ländern der Erde: Die Arbeit an der<br />
Universität ist eine besondere Herausforderung für<br />
jeden Einzelnen. Dass die stets engen öffentlichen<br />
Haushalte das ihre dazu beitragen, dass die Gehälter<br />
nicht in den Himmel wachsen, und dass mit der<br />
Arbeitszeit so effi zient wie möglich umzugehen ist,<br />
muss nicht extra ausgeführt werden.<br />
Und doch sind es diese vielen Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter, die mit ihrem großen Engagement und<br />
ihrer Leistungsfähigkeit das Rückgrat der Universität<br />
bilden und all unsere sichtbaren Erfolge in Lehre,<br />
Forschung und Krankenversorgung und in den<br />
anderen Aufgabenfeldern der Universität möglich<br />
machen. Jeder unserer Wissenschaftlerinnen und<br />
Wissenschaftler kann Einzelne benennen, ohne die<br />
die eigenen Erfolge nicht möglich gewesen wären.<br />
Sie stehen jedoch meist im Hintergrund und ihre<br />
Leistungen werden selten gewürdigt. Ihnen ist das<br />
heutige Editorial gewidmet. Und mit ihnen auch all<br />
denen, die sich um die Interessen der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter bemühen, allen voran die<br />
Personalräte und die zuständigen Abteilungen der<br />
Verwaltung. Der Präsident, der sich nicht nur als<br />
Leiter der Dienststelle Universität, sondern auch als<br />
Forscher und Hochschullehrer versteht, erlaubt sich<br />
daher an dieser Stelle im Namen aller Studierenden<br />
und aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />
ein klares Wort, das längst überfällig ist und gerne<br />
auch dezentral wiederholt werden darf:<br />
Danke!<br />
Es grüßt Sie herzlich<br />
Ihr<br />
Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch<br />
Präsident<br />
3<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Campus aktuell<br />
Foto: Sascha Kopp<br />
„Wir sind aufeinander<br />
angewiesen“<br />
SPIEGEL-Gespräch mit Bundespräsident Horst Köhler<br />
Der Hörsaal RW1 war mit 1.000 Besuchern voll besetzt und draußen<br />
vor dem Saal saßen mindestens noch einmal so viele, die über<br />
eine Leinwand per public viewing den Auftritt von Horst Köhler mitverfolgten.<br />
Der Bundespräsident war auf Einladung der <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Universität und des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL<br />
nach <strong>Mainz</strong> gekommen, um mit den SPIEGEL-Redakteuren Martin<br />
Doerry und Jan Fleischhauer zum Thema „Wie politisch ist Amt des<br />
Bundespräsidenten?“ zu sprechen. Zur Begrüßung sprach Universitätspräsident<br />
Prof. Dr. Georg Krausch.<br />
Es war wohl der sich in den letzten Monaten immer<br />
rascher zuspitzenden wirtschaftlichen Weltlage<br />
geschuldet, dass der Grundtenor des Gespräches<br />
von Beginn an unter dem Vorzeichen der internationalen<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise stand. Dies<br />
lag nicht nur aufgrund der Aktualität der Ereignisse<br />
nahe, denn mit Bundespräsident Horst Köhler, dem<br />
ehemaligen Direktor des Internationalen Währungsfonds,<br />
stand zugleich ein Kenner der Finanzbranche<br />
und der globalen Wirtschaftsprozesse als<br />
Gesprächspartner zur Verfügung. Und Köhler sparte<br />
nicht mit Kritik an der Branche, die augenscheinlich<br />
für die derzeitige Krise mitverantwortlich ist.<br />
Es sei die schlimmste wirtschaftliche Krise seit dem<br />
Zweiten Weltkrieg, die deutlich die Schwächen des<br />
Finanzsystems offenbare, so Köhler. Nun aber eine<br />
Grundsatzdebatte über einer neue, staatsgelenkte<br />
Marktwirtschaft zu führen, lehnte er als den falschen<br />
Ansatz ab. Vielmehr müsse gerade jetzt die<br />
Chance für sinnvolle Reformen genutzt werden, die<br />
undurchsichtigen Strukturen des Finanzsystems zu<br />
regulieren und umzugestalten.<br />
Dabei könnte dieser falsche Ansatz, der Ruf nach<br />
einem dauerhaft starken Staat, trotz Köhlers<br />
Vorbehalten, aber angesichts der Eingriffe der<br />
Bundesregierung durch das<br />
Bankenrettungspaket und der<br />
Kreditverhandlungen mit dem<br />
Rüsselsheimer Autobauer Opel<br />
schon längst zur Wirklichkeit<br />
geworden sein. Die deutsche<br />
Autoindustrie sei eine solide<br />
Branche, die durch die Krise<br />
gerade in einer Umbruchsphase<br />
getroffen werde und der über<br />
die entstandene Durststrecke<br />
durch den Staat hinweggeholfen<br />
werden sollte, relativierte<br />
Foto: Peter Thomas<br />
Für mehr Augenmaß:<br />
Köhler und SPIEGEL-Redakteur<br />
Fleischhauer<br />
Vollbesetzter Hörsaal RW 1: Universitätspräsident Krausch<br />
begrüßt Bundespräsident Köhler<br />
Köhler seine Aussagen. Der Frage nach den Grenzen<br />
dieser staatlichen Hilfen, wich der Bundespräsident<br />
aus. Vielmehr betonte er, dass das in der Vergangenheit<br />
im Ausland oft belächelte Modell der Sozialen<br />
Marktwirtschaft nicht überholt sei, sondern wieder<br />
zunehmend an Attraktivität gewinne. „Die Freiheit<br />
des Marktes muss sich in Regelungen der sozialen<br />
Verantwortung binden“, rief Köhler auf und forderte<br />
zugleich von Managern sich in stärkerem Maße an<br />
der öffentlichen Diskussion zu beteiligen und „sich<br />
die Frage zu stellen, was angemessen ist.“ Das<br />
die Finanzbranche in den letzten zwanzig Jahren<br />
Strukturen hervorgebracht hat, die „jede Bodenhaftung<br />
verloren“ haben, ist derzeit eine so simple,<br />
wie augenscheinliche Erkenntnis und doch vermisst<br />
Köhler vor allem von Seiten derer, die momentan<br />
am heftigsten im Kreuzfeuer der Kritik stehen, die<br />
Einsicht in ihre Lage und ihre gesellschaftliche Verantwortung.<br />
„Die Freiheit des Marktes muss<br />
sich in Regelungen der sozialen<br />
Verantwortung binden.“<br />
„Die Globalisierung braucht Gegenlager“, forderte<br />
der Bundespräsident, stellte aber auf Nachfrage<br />
klar, dass die Partei DIE LINKE, als ein solches, ideologisches<br />
Gegenlager, nicht die richtigen Lösungen<br />
bereithalte: „Eine staatsdominierte soziale Marktwirtschaft<br />
wäre Augenwischerei, Deutschland nagt<br />
nicht am Hungertuch.“ Köhler plädierte auch hier,<br />
wie während des gesamten Gespräches für mehr<br />
Augenmaß und dafür, die Probleme nüchtern und<br />
frei von starren Denkmustern zu betrachten und<br />
daraus die richtigen und notwendigen Maßnahmen<br />
abzuleiten.<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong> 4
Campus aktuell<br />
Foto: Peter Thomas<br />
Apell an die Studierenden: „Ich zähle auf sie!“<br />
Eines dürfe jedoch auf gar keinen Fall geschehen:<br />
Energisch warnte der Bundespräsident vor einem<br />
Rückzug des Staates und des Einzelnen auf die eigene<br />
Interessenlage. Noch trifft die Entwicklungsländer<br />
die Wirtschaftskrise kaum, da sie weniger<br />
stark in die internationale Wirtschaft integriert sind,<br />
jedoch wird sich ein Wirtschaftsabschwung oder gar<br />
eine Rezession in den Industriestaaten mittelfristig<br />
auch und vielleicht in noch härterem Maße auf sie<br />
auswirken. Die Folgen wären unabsehbar und die<br />
Konsequenzen einer humanitären Katastrophe in<br />
Afrika würde Europa unmittelbar zu spüren bekommen.<br />
Köhler sprach mit den Lebensbedingungen<br />
der Menschen auf dem Afrikanischen Kontinent ein<br />
Thema an, dass er während seiner bisherigen Amtszeit<br />
immer wieder zum Gegenstand der öffentlichen<br />
Diskussion gemacht hatte. Gerade war er zusammen<br />
mit seiner Frau von einer Reise nach Nigeria<br />
zurückgekehrt und berichtete eindrücklich von der<br />
Situation der Menschen dort.<br />
„Die Globalisierung<br />
braucht Gegenlager.“<br />
Bei der Frage, warum sich die Europäische Union<br />
nicht im Kongo engagiert, wo ein seit mehreren Jahren<br />
schwelender und nun wieder ausgebrochener<br />
Konfl ikt zwischen Regierung und Rebellen zehntausende<br />
Menschen in ihrer Existenz betrifft, sagte<br />
Köhler: „Wenn wir es ernst meinen mit den Werten,<br />
die für uns alle stehen, müssen auch die Europäer<br />
Soldaten stellen, um diesem Morden Einhalt zu<br />
gebieten.“ Er erneuerte damit seine Forderung von<br />
2006 UN-Truppen in den Kongo zu senden um die<br />
Aufforderung eines europäischen Engagements in<br />
Zentralafrika. Die Europäer, wie auch die gesamte<br />
Staatengemeinschaft hätten sonst an diesem Punkt<br />
ein Glaubwürdigkeitsproblem. Köhler forderte von<br />
der UNO über ein robustes Mandat für den Kongo<br />
nachzudenken und warnte zugleich vor den Konsequenzen<br />
des Nicht-Einmischens: „Entweder wir<br />
sagen, dass wir solche Situationen aus humanitären<br />
Gründen nicht mehr zulassen wollen, oder wir lassen<br />
es laufen, weil wir es nicht lösen können.“<br />
„Wenn wir es ernst meinen mit<br />
den Werten, die für uns alle<br />
stehen, müssen auch die Europäer<br />
Soldaten stellen,<br />
um diesem Morden Einhalt<br />
zu gebieten.“<br />
Zum Ende des Gesprächs auf die in diesem Jahr<br />
anstehende Wahl des Bundespräsidenten und die<br />
Gründe weshalb er sich zur Wiederwahl stellt angesprochen,<br />
reagierte Köhler staatsmännisch und<br />
gestand eigene Fehler während seiner Amtszeit<br />
ein. Als ein Bundespräsident, der sich mehr als seine<br />
Vorgänger in die Politik eingemischt hat, unter<br />
anderem indem er 2006 seine Unterschrift zum<br />
Flugsicherheitsgesetzt verweigerte, habe er es in<br />
manchen Fällen an der öffentlichen Kommunikation<br />
seiner Entscheidungen fehlen lassen. Neben dem<br />
weiteren Engagement für Afrika wolle er einen Beitrag<br />
für die gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands<br />
leisten, sich für Arbeit und Bildung vor allem<br />
für junge Menschen einsetzen und die Integration<br />
aller Menschen in Deutschland fördern.<br />
Wenn auch die Frage, wie politisch das Amt des<br />
Bundespräsidenten ist, nicht wörtlich gestellt wurde,<br />
so hatten die Zuhörer in den Antworten Horst<br />
Köhlers doch vieles über das Selbstverständnis und<br />
die Prinzipien der Amtsführung, des derzeit beliebtesten<br />
deutschen Politikers erfahren.<br />
„Wir sind aufeinander angewiesen“, war eine, in<br />
seinen Aussagen immer wieder auftauchende Mahnung.<br />
Und Köhler wurde nicht müde die Chancen<br />
eines gemeinsamen und konstruktiven Miteinanders<br />
für Deutschland zu betonen. Die Demokratie<br />
in Deutschland sieht er stabil und handlungsfähig.<br />
Damit diese es auch bleibt, rief Köhler am Ende der<br />
Veranstaltung die zahlreichen Studentinnen und<br />
Studenten im Saal und vor den Türen dazu auf, sich<br />
zu engagieren und persönlichen Einsatz nicht zu<br />
scheuen: „Sie sind die nächste Generation. Ich zähle<br />
auf sie!“<br />
Sebastian KUMP ■<br />
Sitzungstermine<br />
des Senats<br />
Wintersemester <strong>2009</strong>/10<br />
Freitag, den 06. 11. <strong>2009</strong><br />
Freitag, den 04. 12. <strong>2009</strong><br />
Freitag, den 15. 01. 2010<br />
Freitag, den 05. 02. 2010<br />
Die Sitzungen fi nden im Sitzungszimmer<br />
der Naturwissenschaftlichen Fachbereiche<br />
(Johann-Joachim-Becher-Weg 21, 7.Stock)<br />
statt und beginnen jeweils um 13.00 Uhr.<br />
Neu im Senat<br />
Nadine Heilmaier (Studierende)<br />
Neue Prodekanin am FB 06:<br />
Univ.-Prof. Dr, Susanne Klengel<br />
5<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Campus aktuell<br />
„Intellektuell<br />
ein Vergnügen“<br />
Foto: © Bistum <strong>Mainz</strong><br />
Karl Kardinal Lehmann wird Stiftungsprofessur <strong>2009</strong> Der Coup, der mit<br />
der Besetzung der nächsten <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Stiftungsprofessur gelungen<br />
ist, darf getrost als Sensation bezeichnet werden: Karl Kardinal Lehmann wird<br />
im Sommersemester <strong>2009</strong> an der <strong>Mainz</strong>er Uni Vorlesungen halten – wieder,<br />
nach 38 Jahren. Bei der Pressekonferenz zur Verkündigung der frohen Botschaft<br />
musste die Hauptperson jedoch leider krankheitsbedingt fehlen.<br />
Karl Kardinal Lehmann<br />
Binnen Wochenfrist nach dem 40jährigen Jubiläum<br />
seiner Berufung zum „ordentlichen öffentlichen<br />
Professor“ auf den Lehrstuhl für Dogmatik erfolgte<br />
ein zweiter Professoren-Ruf der Universität <strong>Mainz</strong><br />
an Karl Lehmann, mittlerweile Kardinal und seit<br />
langem einer breiten Öffentlichkeit auch bekannt<br />
als Bischof von <strong>Mainz</strong> und langjähriger Vorsitzender<br />
der Deutschen Bischofskonferenz: Er wird Stiftungsprofessor<br />
<strong>2009</strong>. Mit ihm krönen die „Freunde der<br />
Universität e.V.“ als stiftende Instanz zusammen mit<br />
der Universität ein weiteres Jubiläum: Die <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Stiftungsprofessur, die jeweils für den<br />
Verlauf des Sommersemesters eines Jahres einen<br />
profi lierten Gast zu einer speziell zugeschnittenen<br />
Themenstellung einlädt, geht damit in ihr zehntes<br />
Jahr.<br />
Karl Kardinal Lehmann widmet sich dem Thema<br />
„Weltreligionen – Verstehen, Verständigen, Verantwortung“<br />
und wird dazu unter dem Motto „Mut<br />
zum Dialog“ zahlreiche Gäste zur Bereicherung<br />
der Vorlesungsreihe einladen, die in von ihm moderierten<br />
Vorträgen die spezifi sche Problematik der<br />
einzelnen Weltreligionen und bedeutsame Detailaspekte<br />
vorstellen werden.<br />
„Schon häufi ger wollten wir dieses Thema des<br />
interreligiösen Dialoges in Angriff nehmen“, so<br />
Andreas Cesana, Leiter des Studium generale und<br />
Vorsitzender der Stiftung, bei der Pressekonferenz<br />
zur Vorstellung des neuen Stiftungsprofessors am<br />
10. November 2008, „aber es hatte sich stets als zu<br />
schwierig erwiesen.“ Cesana erläuterte die akute<br />
Brisanz und die allgemeine Relevanz des Themas.<br />
„Religionen haben uns in letzter Zeit das Fürchten<br />
gelehrt – sie haben ein erschreckendes Gewaltpotential“,<br />
bekannte er mit aufklärerischem Blick nach<br />
Ost und West (die kurz darauf folgenden Ereignisse<br />
in Bombay und Nigeria sollten diesem Aspekt brennende<br />
Aktualität geben). Dies führte Cesana konsequent<br />
zu der (über-)pointierten Frage, ob denn eine<br />
neue Epoche der Religionskriege heraufziehe:<br />
„Warum ist der interreligiöse Dialog so schwierig,<br />
warum scheitert er so oft? Wenn man eine Stiftungsprofessur<br />
zu diesem Thema in <strong>Mainz</strong> organisieren<br />
will, dann ist Kardinal Lehmann ein unumgänglicher<br />
Gesprächspartner und Ratgeber.<br />
„Religionen haben uns in letzter<br />
Zeit das Fürchten gelehrt<br />
– sie haben ein erschreckendes<br />
Gewaltpotential.“<br />
Wir sind in den Gesprächen mit ihm auf so viel<br />
Aufgeschlossenheit und Engagement zum Thema<br />
gestoßen, dass wir es kurzerhand wagten, den<br />
Kardinal selbst zu fragen“, erläuterte Cesana das<br />
Zustandekommen der Besetzung. „Die Begegnung<br />
mit Kardinal Lehmann war eine beglückende Erfahrung,<br />
menschlich eine Freude, intellektuell ein Vergnügen.“<br />
Und an diesem Vergnügen sollen nun im<br />
Sommer <strong>2009</strong> die <strong>Mainz</strong>er Studierenden und alle<br />
interessierten Bürger der Region teilhaben können.<br />
Die Stiftungsprofessur ist schon seit langem zu einer<br />
echten Institution geworden im intellektuell-akademischen<br />
wie gesellschaftlich-kulturellen Leben der<br />
Rhein-Main-Region – und darüber hinaus „das<br />
schönste Geschenk der ‚Freunde’ an die Universität<br />
– aber auch an die Stadt und die Region“, so<br />
Universitätspräsident Prof. Georg Krausch: „Die Uni<br />
ist per se Ort der interkulturellen und interreligiösen<br />
Kommunikation. Ich bin sicher, dass diese zehnte<br />
Stiftungsprofessur eine besondere Aufmerksamkeit<br />
in der Öffentlichkeit fi nden und damit maßgeblich<br />
zum Ansehen der Universität beitragen wird.“ Leh-<br />
mann ist dabei wichtig, mit den einzelnen Fachleuten<br />
ins Gespräch zu kommen, das sich idealerweise<br />
auch mit den Religionen fortsetzt: „Durch einen<br />
konstruktiven Dialog im Sinne des klassischen<br />
Grundsatzes ein Gleicher redet mit einem Gleichen<br />
kann die gemeinsame Verantwortung für eine friedliche<br />
Zukunft der Welt wahrgenommen werden.“<br />
Frank WITTMER ■<br />
Eingeläutet wird die Veranstaltungsreihe am<br />
Sonntag, 26. April, um 11 Uhr vormittags mit<br />
einem Empfang im Ratssaal des <strong>Mainz</strong>er Rathauses.<br />
Beginnend mit dem 28. April wird die<br />
Vorlesung jeweils dienstags von 18.15 Uhr bis<br />
ca. 19.45 Uhr im großen Hörsaal ReWi 1 stattfi<br />
nden. Die erste Vorlesung und die abschließende<br />
elfte am 7. Juli hält Kardinal Lehmann<br />
selbst. Bei den Terminen dazwischen begrüßt<br />
er als Gastredner: den EKD-Ratsvorsitzenden<br />
Bischof Wolfgang Huber, Bettina Bäumer zum<br />
Thema Hinduismus, Johann Maier zum Judentum,<br />
Gudrun Krämer (Islam), Michael von<br />
Brück (Buddhismus), Manfred Hutter (Baha’i),<br />
desweiteren Hans Joas, Helwig Schmidt-<br />
Glintzer und Eberhard Jüngel. Lehmann ist<br />
dabei wichtig, mit den einzelnen Fachleuten<br />
ins Gespräch zu kommen, das sich idealerweise<br />
auch mit den Religionen fortsetzt: „Durch<br />
einen konstruktiven Dialog im Sinne des klassischen<br />
Grundsatzes ein Gleicher redet mit<br />
einem Gleichen kann die gemeinsame Verantwortung<br />
für eine friedliche Zukunft der Welt<br />
wahrgenommen werden.“<br />
Die Vorlesungen fi nden jeweils dienstags von<br />
18.15 bis ca. 20.00 Uhr im Hörsaal RW 1,<br />
Haus Recht und Wirtschfaft, statt.<br />
http://www.stiftung-jgsp.uni-mainz.de<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong> 6
Studium & Lehre<br />
Ideen für die Zukunft<br />
Windfang-Projekt erfolgreich Die Auswirkungen der globalen Erwärmung an<br />
den Gletschern des Schweizer Wallis zu untersuchen, nach Systemen für die Zukunft<br />
zu forschen und Problemlösungen zu entwickeln, war die Aufgabenstellung<br />
der Projektstudie. Es war die außergewöhnliche Idee von Prof. Hans-Joachim Fuchs<br />
vom Geographischen Institut der Universität <strong>Mainz</strong>, mit 27 seiner Geographie-<br />
Studentinnen und -studenten einen Windfang auf dem Rhone-Gletscher zu bauen.<br />
Der Windfang, in der Mitte der fl ach auslaufenden Zunge des Gletschers aufgebaut,<br />
so die Idee, fängt die kalten Fallwinde, die normalerweise ungehindert ins<br />
Tal abfl ießen, auf und erzeugt ein Kaltluftpolster und damit einen Kühleffekt.<br />
sogar 3 Grad Celsius. „Wir haben mit unserem Test-<br />
Windfang auf dem Rhone-Gletscher eine eindeutige<br />
Abkühlung der oberfl ächennahen Lufttemperatur<br />
erreicht“, stellt Hans-Joachim Fuchs fest. Das Team<br />
ist stolz auf diesen Erfolg.<br />
Zu Recht! Ein hoffnungsfrohes Ergebnis, wenn man<br />
bedenkt, welche Auswirkungen das weitere rasante<br />
Abschmelzen der Schweizer Gletscher haben wird.<br />
Prof. Fuchs: „Wir haben auf dem Gletscher begriffen<br />
und gespürt, dass die Zeit knapp wird und wir wollten<br />
mit unserem Experiment auch auf die Gefahren<br />
aufmerksam machen.“<br />
Während der monatelangen Projektplanung und<br />
Vorbereitung leisteten die in fünf Arbeitsgruppen<br />
aufgeteilten Studierenden Erstaunliches. Für die<br />
fi nanziellen Mittel und die notwendige Unterstützung,<br />
ohne die eine Lehrveranstaltung in dieser<br />
Größe und Dimension nicht möglich ist, akquirierte<br />
das Team eigenständig Sponsoren und machte mit<br />
guter Pressearbeit auch die Öffentlichkeit auf dieses<br />
ökologische Problem aufmerksam. Die Medien<br />
bundes- als auch weltweit griffen das Thema mit Interesse<br />
auf, auch das Fernsehen berichtete über das<br />
außergewöhnliche Projekt der <strong>Mainz</strong>er. Angefangen<br />
mit der Erstellung von Konstruktionsplänen, der Bereitstellung<br />
von Baumaterial, der Herstellung von<br />
Stahlstangen, war die Hilfsbereitschaft überwältigend<br />
und auch vor Ort im Schweizer Wallis stieß<br />
das Team auf Hilfestellungen der nettesten Art.<br />
Am 11. August begann das zehntägige Experiment<br />
unter dem Motto „Lets go Wallis 2008“, das Team<br />
um Prof. Fuchs startete mit dem Bau des Windfangs<br />
auf dem Rhone-Gletscher. Durch die Sonneneinstrahlung<br />
wieder los geschmolzene Strahlträger,<br />
eine nicht funktionierende Wärmebildkamera und<br />
andere Schwierigkeiten, konnten die große Motivation<br />
und Begeisterung der Gruppe nicht bremsen.<br />
Die Konstruktion aus Stahlstangen und Planen, 15<br />
Meter breit und 3 Meter hoch, stand am dritten Tag<br />
1 Meter tief im Eis. Elf Temperaturmessgeräte in der<br />
Umgebung des Windfangs ermittelten fast 16.000<br />
Messwerte pro Tag. An sechs Tagen im Gelände<br />
wurden so 95.000 Messwerte aufgezeichnet, um<br />
die Lufttemperatur direkt am Windfang, in dessen<br />
unmittelbarer Nähe und in weiterer Entfernung zu<br />
ermitteln.<br />
Die Temperaturen am Windfang<br />
lagen nachts um durchschnittlich<br />
1,5 bis 2 Grad tiefer<br />
als die Temperaturen außerhalb<br />
des Windfangs.<br />
Das einzigartige Windfang-Experiment funktionierte.<br />
Die Datenauswertung nach Abschluss des Experiments<br />
zeigte, dass bei wolkenfreiem Himmel und<br />
den dann herrschenden Fallwinden der Kühleffekt<br />
am größten war. Die Temperaturen am Windfang<br />
lagen nachts um durchschnittlich 1,5 bis 2 Grad<br />
tiefer als die Temperaturen außerhalb des Windfangs.<br />
Der maximale Temperaturunterschied betrug<br />
Eine Umfrage vor Ort unter den Besuchern des<br />
Gletschers zeigte denn auch deutlich, dass viele<br />
die Folgen der Gletscherschmelze noch immer nicht<br />
als eine reale Gefahr sehen, der Wunsch nach Information<br />
aber vorhanden ist. Ein Lehrpfad, vom<br />
<strong>Mainz</strong>er Team geplant, soll den Gletscher erlebbar<br />
machen und wird von einem Schweizer Unternehmen<br />
fi nanziert und umgesetzt. Informationen rund<br />
um das Thema bietet auch der Internetauftritt des<br />
Teams, der sogar während der Zeit im Wallis täglich<br />
aktualisiert wurde. Und auch fi lmisch wurde<br />
das Projekt umgesetzt. Am 6. Februar <strong>2009</strong> wird<br />
der von den Studentinnen und Studenten auf dem<br />
Rhone-Gletscher gedrehte Lehrfi lm der Öffentlichkeit<br />
vorgestellt.<br />
Forschendes und entdeckendes Lernen und Stolz auf<br />
das Erreichte; das motiviert nicht nur für das weitere<br />
Studium, sondern erzeugt auch neue Ideen für die<br />
Zukunft. Viele der Sponsoren, die das Projekt 2008<br />
unterstützten, haben bereits Hilfe bei weiteren Projekten<br />
zugesagt. Und auch neue Angebote liegen<br />
vor – sogar ein Unternehmen aus Japan bietet dem<br />
Team um Prof. Fuchs eine Zusammenarbeit an.<br />
Maria COLOMBO ■<br />
Foto: © Geographisches Institut<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Studium & Lehre<br />
Quelle: tns emnid/Bertelsmann Stiftung<br />
Verbindende Vergangenheit –<br />
trennende Gegenwart?<br />
Das Israelbild der Deutschen Den 60. Jahrestag der Gründung des Staates<br />
Israel nahm die Bertelsmann Stiftung zum Anlass die Deutsche Bevölkerung<br />
nach ihrem Israelbild zu befragen. Im Gegensatz zu einer frühere Umfragen der<br />
britischen BBC, die ergeben hatte, dass Israel von den Deutschen als das Land<br />
gesehen wurde, das den negativsten Einfl uss auf die Weltpolitik hat, zeichnet<br />
die Bertelsmann-Umfrage eine tendenziell positives Israelbild der Deutschen.<br />
Die Israel-Expertin der Stiftung Maren Qualmann stellte in einem Vortrag der<br />
Arbeitsgemeinschaft Israel der Universität <strong>Mainz</strong> nun die Ergebnisse ihrer<br />
Umfrage von 2007 vor.<br />
Es mag zunächst irritierend klingen, dass Israel von<br />
den Deutschen als das Land gesehen wird, das<br />
weltweit den negativsten Einfl uss auf die Weltpolitik<br />
hat. Gerade im Hinblick auf die besondere Historische<br />
Beziehung und Verantwortung Deutschlands<br />
gegenüber Israel erstaunt dieses Umfrageergebnis<br />
der BBC aus dem Jahr 2007. Doch ist dieses zunächst<br />
weniger aussagekräftig, als vielleicht vorschnell<br />
vermutet werden könnte. „Umfragen können<br />
eben nicht erklären, was hinter den Aussagen<br />
steck“, erläutert die Israel-Expertin der Bertelsmann<br />
Stiftung Maren Qualmann dazu in ihrem Vortrag. So<br />
entsprechen die Ergebnisse der BBC-Umfrage nicht<br />
einem generell negativen Israelbild der Deutschen,<br />
sondern vielmehr der gegenwärtigen Wahrnehmung<br />
Israels und des gesamten Nahen Ostens als<br />
eine internationale Krisenregion.<br />
Grade der Zustimmung der Bundesbürger zur Aussage:<br />
„Mich beschämt, dass Deutsche so viele Verbrechen an den Juden<br />
begangen haben.“<br />
Vorschnelle Urteile zu vermeiden und gezielt und<br />
konkret das Verhältnis der beiden Staaten zu hinterfragen<br />
war Anliegen der 2007 durchgeführten<br />
Umfrage der Bertelsmann Stiftung, die ihre eigenen<br />
Ergebnisse mit Zahlen aus einer Umfrage des<br />
Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL von 1991 vergleichen<br />
konnte.<br />
„Umfragen können eben nicht<br />
erklären, was hinter den<br />
Aussagen steckt.“<br />
Was denken die Menschen von Israel und warum<br />
denken sie so, wie sie denken? Zu keinem anderen<br />
Land, außer zu Frankreich, unterhält Deutschland so<br />
lebendige und weit reichende Beziehungen wie zu<br />
Israel. Dies mag aus der gemeinsamen Geschichte<br />
resultieren, ist aber gerade aus diesem<br />
Grund keine Selbstverständlichkeit,<br />
sondern spricht vielmehr für ein reges<br />
Interesse der beiden Nationen aneinander.<br />
Zurückblickend lautet eines der entscheidenden<br />
Ergebnisse der Umfrage,<br />
dass die Shoah Deutschland und Israel<br />
nicht voneinander trennt, sondern auf<br />
deutscher Seite vor allem das Bewusstsein<br />
der schamhaften Vergangenheit<br />
dem entgegensteht. So empfi nden zwei<br />
Drittel der Bundesbürger die deutschen<br />
Verbrechen an den Juden als Scham<br />
(s. Grafi k) und die Hälfte der Bevölkerung<br />
verspürt eine besondere Verantwortung<br />
gegenüber Israel. Dieses Verständnis<br />
spiegelt sich auch in der Politik wieder.<br />
„Die besondere Verantwortung Deutsch-<br />
lands gegenüber Israel ist Teil der Staatsräson der<br />
Bundesrepublik und als solche unumstößlich“, fasst<br />
Qualmann ihre Erfahrungen mit Deutschen Politikern<br />
zusammen.<br />
Zugleich wünschen sich jedoch mehr als die Hälfe<br />
der Deutschen einen Schlussstrich hinter die gemeinsame<br />
Vergangenheit zu ziehen. Dieser Wunsch<br />
entspricht der veränderten Wahrnehmung Israels<br />
in Deutschlands, die zunehmend von aktuellen Ereignissen<br />
dominiert wird. Prägend für das Israelbild<br />
sind nicht mehr nur die Verbrechen des Nationalsozialismus,<br />
sondern in stärkerem Maße der Nahostkonfl<br />
ikt, die Israelische Siedlungspolitik und die<br />
Situation der Palästinenser in den Autonomiegebieten,<br />
wobei sich in diesen Themen die unterschiedliche<br />
politische Kultur beider Länder widerspiegelt.<br />
So begrüßen die Israelis den Einsatz deutscher<br />
Soldaten vor der Libanesischen Küste im Rahmen<br />
der UNIFIL-Mission der Vereinten Nationen, wogegen<br />
in der Bundesrepublik Militäreinsätze seit dem<br />
Zweiten Weltkrieg generell sehr kritisch diskutiert<br />
werden. Aus demselben Grund halten die Deutschen<br />
einen Krieg gegen den Iran wegen dessen<br />
Atomprogramm mehrheitlich für ungerechtfertigt,<br />
während die Israelis – aufgrund der unmittelbaren<br />
Bedrohung – diesen befürworten würden.<br />
„Die Vergangenheit verbindet Deutschland und<br />
Israel“ so Qualmann, doch ist sie und wird in Zukunft<br />
gegenüber aktuellen Ereignissen weniger<br />
bedeutend werden. „Die Perspektiven werden sich<br />
mit neuen Generationen zunehmend verändern.<br />
Diese müssen ernst genommen, werden.“ So zeigt<br />
die Umfrage ebenfalls, dass jüngere Generationen<br />
in Deutschland wie in Israel weniger Interesse am<br />
jeweils anderen Land zeigen und vor allem in Israel<br />
junge Menschen eine generell skeptischere Haltung<br />
als ihre Eltern und Großeltern vertreten.<br />
Dieser Paradigmenwechsel, in dem die Unterschiede<br />
in der politischen Kultur der beiden Staaten zunehmend<br />
das gegenseitige Bild bestimmen, birgt Chancen,<br />
zugleich aber auch die Gefahr einander nicht<br />
mehr zu verstehen. Das Ergebnis der Bertelsmann-<br />
Umfrage ist daher neben der Feststellung eines eher<br />
positiven Israelbild der Deutschen zugleich die Aufforderung,<br />
den Dialog der Bevölkerung beider Länder<br />
voranzutreiben und die guten Beziehungen, vor<br />
allem zwischen den jungen Bürgern beider Staaten,<br />
auszubauen und zu festigen. Sebastian KUMP ■<br />
[<strong>JOGU</strong>] 200/2007 <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
8
Studium & Lehre<br />
Auf allen Kanälen daheim<br />
Spagat zwischen Vielfalt und Tiefgang „Aus dem Stoff für einen Zeitschriftenartikel<br />
kann noch ein Radiobericht werden und zum Radiobericht können<br />
sie vielleicht ein Internetangebot bauen. Lernen sie crossmediales Denken,<br />
verkaufen sie Ihre Themen über mehrere Kanäle!“ So ermunterte Radio-Professor<br />
Axel Buchholz in der ersten Woche des Wintersemesters seine Journalismus-<br />
Studenten, ein Leben als Eierlegende Wollmilchsau zu testen. Sieben Studenten<br />
des Journalistischen Seminars der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong> setzten<br />
nun ein einziges Thema für vier verschiedene Medien um: In einem Video,<br />
einem Zeitungsartikel, einem Onlineauftritt und einer Radiosendung erzählen<br />
sie von der Herkunft und Bedeutung deutscher Familiennamen.<br />
Natürlich lassen sich viele Recherchen so mehrfach<br />
verwerten. Doch „crossmedial denken“ heißt keineswegs,<br />
viermal das Gleiche in unterschiedlicher<br />
Verpackung anzubieten, wie Journalismus-Studentin<br />
Ulrike Bastian erklärt: „Jedes Medium braucht<br />
eine spezielle Aufbereitung. In der Zeitung oder online<br />
kann man gut die Fakten rüberbringen – was<br />
der Leser nicht versteht, kann er ja nochmal lesen.<br />
Im Radio sind Emotionen leichter zu vermitteln, und<br />
das Online-Video liefert die Bilder.“ Bastian nahm<br />
im vergangenen Semester an einem ähnlichen Projekt<br />
bei Professor Buchholz teil. Trotz der kreativen<br />
und fi nanziellen Chancen sieht sie crossmediales<br />
Arbeiten kritisch: „Der Nachteil ist, dass wir uns<br />
künftig nie mehr auf ein Ding konzentrieren können.<br />
Jeder kann alles, aber nichts richtig. Ich will<br />
lieber konzentriert an einen Bereich arbeiten als<br />
oberfl ächlich an vielen.“<br />
Für ihren Kommilitonen Stefan Bock ist Crossmedia<br />
die neue Norm: „Die Menschen informieren sich<br />
heute über mehrere Kanäle – meist auch noch parallel.<br />
Daher muss man auf vielen Feldern präsent<br />
sein.“ Tatsächlich sind fast alle Zeitungsredaktionen<br />
und Rundfunksender auch im Internet präsent.<br />
Ständig entstehen neue Genres wie Podcast, Handy-TV<br />
oder Videoblog. Der Nachwuchs-Journalist<br />
sollte sie zumindest kennen und verstehen, denn<br />
viele Chefredakteure äußern sich ähnlich wie Tagesspiegel-Online-Chefi<br />
n Mercedes Bunz: „Wir wollen<br />
Online- und Printredaktion lieber verzahnen anstatt<br />
einen sinnlosen Doppelbetrieb aufzubauen“, sagte<br />
sie dem „Medium Magazin“.<br />
„Jeder kann alles,<br />
aber nichts richtig.“<br />
Der Wandel von Radiosendern oder Zeitungshäusern<br />
zu Multimedia-Betrieben ist erst seit wenigen<br />
Jahren im Gange. Medienhäuser, Journalistenschulen<br />
und Universitäten bilden zwar schon lange an<br />
unterschiedlichen Medien aus, doch wirklich verzahnt<br />
sind die einzelnen Bereiche meist noch nicht.<br />
Auch der <strong>Mainz</strong>er Journalismus-Master ist bisher<br />
klassisch aufgeteilt: Die Studenten lernen Print, Radio<br />
und Fernsehen in getrennten Lehrredaktionen,<br />
dazu gibt es einige Online-Blöcke. Journalismus-<br />
Student Jochen Steiner, der im Crossmedia-Projekt<br />
die <strong>Mainz</strong>er Forschungen zur geographischen Namensforschung<br />
(siehe <strong>JOGU</strong> Nr. 196/2006) vorstellt,<br />
fi ndet: „Nach ersten Versuchen sollte das Seminar<br />
Crossmedia als Lehrredaktion weiter anbieten.“<br />
Versuchsphase: Wie lässt<br />
sich klassischer Pressejournalismus<br />
mit Online-<br />
Arbeit verknüpfen?<br />
Wie das Journalistische Seminar den Spagat zwischen<br />
Format-Vielfalt und profunder Grundausbildung<br />
bewältigen will, ist noch nicht klar. „Was<br />
die crossmediale Ausbildung anbelangt, geht es<br />
uns nicht anders als den Verlagen: Wir sind in der<br />
Versuchsphase“, sagt Ulrike Trampus, vor ihrer<br />
Lehrtätigkeit Chefredakteurin des „Wiesbadener<br />
Kuriers“. Sie bereitet eine neue Lehrredaktion vor,<br />
die klassischen Pressejournalismus mit Online-<br />
Arbeit verknüpft. Auch richtig dabei zu sein“, doch<br />
auch eine große Chance: „Der Journalist kann sich<br />
eine im Arbeitsalltag oft sträfl ich vernachlässigte<br />
Frage immer wieder neu stellen und sie auch beantworten:<br />
Wie muss ein Thema aufbereitet sein,<br />
um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen, sie<br />
seriös, hintergründig, aktuell zu informieren und gut<br />
zu unterhalten?“ Jan FREDRIKSSON ■<br />
„Was ist Crossmedia?“<br />
Der Ausdruck „crossmedial“ kommt aus der<br />
Werbebranche, wo er den medienübergreifenden<br />
Charakter einer Werbekampagne<br />
bezeichnet. Entsprechend ist crossmedialer<br />
Journalismus die Umsetzung eines Themas<br />
unterschiedlichen Kanälen wie Zeitung, Online-Text,<br />
Video oder Podcast. Dahinter steht<br />
die Absicht, möglichst viele Interessenten zu<br />
erreichen. Für Medienhäuser ist „Crossmedia“<br />
eine Strategie, über eine breitere Präsenz<br />
den Markt besser abzudecken und ihre Kunden<br />
– etwa über Mitmach-Angebote – stärker<br />
zu binden. Vor allem die angeschlagenen<br />
Zeitungsverlage hoffen, damit ihre sinkenden<br />
Aufl agen zumindest teilweise auszugleichen.<br />
Foto: Peter Pulkowski
Studium & Lehre<br />
Fingerfertige Faszination<br />
Devilstick, Diabolo und anderes mehr Der Jonglage mit bunten Bällen,<br />
glitzernden Keulen und anderen Objekten widmet sich eine Gruppe des Allgemeinen<br />
Hochschulsports. Im kommenden Jahr wollen die Kleinkünstler zum<br />
zweiten Mal eine Jonglage-Convention auf dem <strong>Mainz</strong>er Campus ausrichten.<br />
Flirrend wie ein Feuerwerk sausen die vier orangeroten<br />
Ringe aus den Händen von Paul Lind im ewigen<br />
Reigen zur Decke der Sporthalle und wieder zurück.<br />
Was mühelos leicht aussieht, ist Ergebnis langen<br />
Trainings. Die entsprechenden Tricks und Kniffe lernen<br />
die Teilnehmer des Kursangebots „Jonglieren“<br />
im Rahmen des Allgemeinen Hochschulsports an<br />
der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong>.<br />
Einige Mitglieder der Gruppe jonglieren bereits auf<br />
hohem Niveau, lassen die Keulen, Diabolos und Pois<br />
elegant durch die Luft tanzen oder balancieren bei<br />
der Kontaktjonglage Bälle am Körper entlang. Aber<br />
auch für Anfänger ist die Gruppe<br />
genau das Richtige, sagt Bernadette<br />
Hertrampf, Obfrau des AHS<br />
für das Jonglieren. Alles was man<br />
dazu mitbringen muss, sind Neugier,<br />
Spaß an den anspruchsvollen<br />
Koordinationstechniken und Freude<br />
an der Kommunikation. Denn<br />
neben den kleinen Workshops, die<br />
in den Übungsstunden jeweils zu<br />
bestimmten Techniken angeboten<br />
werden, fi ndet Wissensvermittlung<br />
meist durch den persönlichen<br />
Austausch statt: Wer etwas lernen<br />
möchte, sagt einfach „Bring mir<br />
das doch bitte bei.“<br />
Wer etwas lernen<br />
möchte, sagt einfach<br />
„Bring mir das doch<br />
bitte bei.“<br />
Die bisher größte eigene Veranstaltung<br />
der Gruppe war die<br />
Jonglier-Convention, die 2007 mit<br />
150 Teilnehmern auf dem Campus<br />
stattfand. Das dreitägige Programm<br />
in der Leichtathletikhalle<br />
fand seinen Höhepunkt in der<br />
Jonglage-Galashow auf der Bühne des Hörsaals<br />
P1. Motto der Convention war „Ministry of Silly<br />
Juggling“, eine Verneigung vor dem Humor des bri-<br />
Foto: Peter Thomas<br />
tischen Ensembles Monty Python. <strong>2009</strong> wollen die<br />
Jongleure wieder ein ähnliches Treffen auf die Beine<br />
stellen, sagt Trainer Constantin Schneider. Er hat<br />
im Dezember 2008 die Nachfolge der bisherigen<br />
Trainerin Daniela Daub angetreten. Schneider, der<br />
selbst seit fünf Jahren jongliert, will mit der Gruppe<br />
auch häufi ger zu Conventions fahren.<br />
Mittelfristig planen die Jongleure außerdem, einen<br />
eigenen Verein zu gründen, um über das Training<br />
im Rahmen des AHS-Programms hinaus noch weitere<br />
Übungszeiten anbieten zu können. Denn wer<br />
einmal von der Faszination des Jonglierens gepackt<br />
Unterschiedliche Jonglagetechniken:<br />
Nicht nur Bälle und<br />
Keulen, sondern auch Pois und<br />
Diabolos fl iegen durch die Luft<br />
wird, der will diesen Aspekt der Artistik weiter erkunden.<br />
Die meisten Novizen trainieren erst einmal<br />
drei Bälle in einer Kaskade zu jonglieren. An diesem<br />
Abend stehen auch Astrid Hahn, Melanie Deiß und<br />
Eva Wirsing nebeneinander und lassen die bunten<br />
Kugeln in der hell erleuchteten Halle mit sanften<br />
Bewegungen kreisen. Einige Schritte weiter arbeitet<br />
Friederike Bertsch konzentriert mit vier rot-weißen<br />
Bällen.<br />
Das Untergeschoss der Turnhalle mit seinem weich<br />
gepolsterten Boden ist von Herbst bis Frühjahr das<br />
Domizil der Jongleure. Hier trainieren die <strong>Mainz</strong>er<br />
Artisten vor allem klassische Jonglage, aber auch<br />
Figuren am Vertikaltuch und auf dem Balancierseil.<br />
„Sobald es Wetter und Licht zulassen, gehen<br />
wir allerdings ins Freie“, sagt Bernadette Hertrampf.<br />
Dann übt die Gruppe auf der Wiese vor dem<br />
Schwimmbad.<br />
Wer Jonglage nur mit Bällen und Keulen in Zusammenhang<br />
bringt, den belehrt ein Blick in die Materialkoffer<br />
der <strong>Mainz</strong>er Gruppe eines<br />
Besseren: Hier liegen auch die Pois<br />
– das in strumpfähnliche Stoffbeutel<br />
eingenähte Bälle. Außerdem<br />
fi nden sich bunte Ringe, Devilstick,<br />
Diabolo und anderes mehr. Für Abwechslung<br />
sorgen aber nicht nur<br />
die Geräte, sondern auch die verschiedenen<br />
Techniken: Während es<br />
bei der Wurfjonglage darum geht,<br />
mehrere Objekte durch Werfen in<br />
einem gleichmäßigen Bewegungsablauf<br />
zu halten, verlangt die Kontaktjonglage<br />
das Balancieren des<br />
Objekts auf dem Körper.<br />
Feine Unterschiede gibt es auch bei<br />
den typischen Bewegungsabläufen<br />
in der Arbeit mit einer geraden Zahl<br />
von Objekten und dem Jonglieren<br />
mit einer ungeraden Anzahl: Bei<br />
fünf Bällen wechseln die Objekte<br />
während der Kaskade die Hände,<br />
bei vier Bällen dagegen üblicherweise<br />
nicht. Der Betrachter kann<br />
diese Details im rasenden Flug der<br />
bunten Gegenstände kaum unterscheiden.<br />
Was bleibt, ist Staunen<br />
über jene Fingerfertigkeit, welche<br />
die Jonglage-Gruppe auch schon beim Tag des<br />
Hochschulsports mit einem gemeinsamen Auftritt<br />
bewiesen hat.<br />
Peter THOMAS ■<br />
[<strong>JOGU</strong>] 200/2007 <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
10
Bildung durch Gesang<br />
Studium & Lehre<br />
Chorgesang: tolle Chance<br />
für die kognitive, soziale und<br />
kreative Entwicklung<br />
Foto: © EuropaChorAkademie<br />
Klassische Chorkultur an Schulen Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle<br />
Freizeitbeschäftigung anzubieten ist enorm wichtig. Singen in der Gruppe mit<br />
Gleichgesinnten bedeutet andere und anderes kennenzulernen, Bereitschaft zur<br />
Integration und den „Bau von Brücken“. Als Lohn winkt der Applaus, der wiederum<br />
das Selbstbewusstsein stärkt.<br />
Akademie im Wiesbadener Kurhaus zu hören. Hier<br />
durften die neuen Eleven bei „Stille Nacht, heilige<br />
Nacht“ erstmals Bühnenerfahrung sammeln. Für<br />
dieses Jahr ist, neben einem eigenen Schulkonzert,<br />
auch die Teilnahme am Semesterabschlusskonzert<br />
des Collegium musicum im Sommer geplant.<br />
Genau hier setzt Professor Joshard Daus mit seinem<br />
künstlerisch-pädagogischen Programm „Klassische<br />
Chorkultur an Schulen“ an. Der Leiter der Europa-<br />
ChorAkademie und des Collegium musicum der <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Universität hat sich zur Aufgabe<br />
gemacht, musikinteressierte Kinder und Jugendliche<br />
genau an dem Ort abzuholen, an dem sie den größten<br />
Teil des Tages verbringen – in der Schule. Mit<br />
der zunehmenden ganztägig schulischen Beanspruchung<br />
der Kinder schwindet auch ihre Bereitschaft<br />
für außerschulische Freizeitaktivitäten. Aber gerade<br />
hier greift das Konzept, klassische Chormusik in die<br />
Schulen zu bringen. Musik in ihrem umfassenden<br />
kulturellen Kontext zu begreifen und Schülern somit<br />
über den kunstästhetischen Selbstwert hinaus vielfältige<br />
Zugänge zu den Musikwerken zu erschließen<br />
ist Ziel des Projektes. Unterstützt wird es vom<br />
rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft,<br />
Weiterbildung, Forschung und Kultur.<br />
„Chormusik ist wie ein<br />
guter Mannschaftssport:<br />
Sie schult den Teamgeist<br />
und setzt Energien frei.“<br />
„Zuallererst soll die Musik den Schülern Freude<br />
bereiten. Darüber hinaus ist es mir ein Anliegen,<br />
ihnen die Musik und die Inhalte auch fachlich zu<br />
vermitteln, sie zu ermutigen, sich mit ihrem Talent<br />
einzubringen und am Musizieren zu wachsen, oftmals<br />
auch unerwartet, über die eigenen Grenzen<br />
hinaus,“ erklärt Daus sein Vorhaben. „Die Zeit ist<br />
reif für Neuerungen im Chorbereich. Gerade Kinder<br />
singen gerne und gut, auch in unserer heutigen<br />
Zeit. Und besonders der Chorgesang bietet eine<br />
tolle Chance für die kognitive, soziale und kreative<br />
Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.“<br />
Gerade auch die Kinder können hierbei ihre Stärken<br />
entdecken, die Schwierigkeiten mit dem Leistungskatalog<br />
der Schule haben. „Nicht nur die Schulung<br />
der Singstimme steht im Vordergrund, sondern auch<br />
die Motivation der Kinder und Jugendlichen zum gemeinsamen<br />
Singen. Darüber hinaus vermitteln gemeinsame<br />
Auftritte mit Sängern und Musikern des<br />
Collegium musicums Freude und Erfolgserlebnisse.<br />
Chormusik ist wie ein guter Mannschaftssport:<br />
sie schult den Teamgeist, setzt Energien frei und<br />
lenkt überschüssige Kraft in eine gute Richtung“,<br />
ergänzt Chorleiter Sebastian Kunz. Gemeinsam mit<br />
Jan Hoffmann, beide aus den Reihen der Europa-<br />
ChorAkademie, unterrichtet er einmal wöchentlich<br />
die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5-12 an<br />
der Bretzenheimer Gesamtschule in <strong>Mainz</strong>. Trotz<br />
des umfangreichen Angebotes an Musik-AGs und<br />
Instrumental-Ensembles existierte an der Schule<br />
bislang kein Chor. Das Angebot der Uni kam somit<br />
genau zum richtigen Zeitpunkt.<br />
Die ersten Erfolge des Pilotprojektes, dem eine<br />
Zusammenarbeit mit weiteren Schulen folgen soll,<br />
waren schon im Weihnachtskonzert der EuropaChor<br />
Als „Zentrale Einrichtung“ der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität<br />
bietet das Collegium musicum Studierenden,<br />
Universitätsangehörigen und allen dem<br />
Musikleben der Universität nahe stehenden Interessierten<br />
die Möglichkeit der aktiven Teilnahme.<br />
Auf dem Programm der beiden Ensembles Chor und<br />
Orchester stehen neben den großen Werken sinfonischer<br />
Literatur, berühmte Oratorien und populäre<br />
Filmmusik. Farbig wie das Profi l der beiden Ensembles<br />
sind auch die Konzerte, die jeweils zu Semesterabschluss<br />
stattfi nden.<br />
Auf dem Programm des Abschlusskonzertes am<br />
8. Februar in der <strong>Mainz</strong>er Phönixhalle steht Mendessohns<br />
„Elias“ – eines der bekanntesten Werke<br />
des Komponisten. Am Ende des Sommersemesters<br />
wird unter Mitwirkung der Schülerinnen und Schüler<br />
der IGS Bretzenheim Filmmusik von Gershwin,<br />
Morricone und John Williams zu hören sein.<br />
Ute SAUERZAPF ■<br />
Information: Die Proben für das Sommersemester<br />
beginnen für das Orchester am Dienstag, den<br />
21. April <strong>2009</strong> und für den Chor am Mittwoch,<br />
den 22. April <strong>2009</strong>, jeweils um 19 Uhr in der Alten<br />
Mensa auf dem Unigelände.<br />
Interessierte sind jederzeit herzlich willkommen.<br />
Kontakt: Collegium musicum, Gresemundweg 4,<br />
55099 <strong>Mainz</strong> oder über<br />
www.collegium-musicum.uni-mainz.de<br />
11<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Studium & Lehre<br />
Üben für den Ernstfall<br />
Know-how für zukünftige<br />
Mediziner Am <strong>Mainz</strong>er Skills-Lab<br />
des Universitätsklinikums wird praktische<br />
Ausbildung großgeschrieben. Das<br />
Selbstlernzentrum bietet Medizinstudenten<br />
eine zusätzliche Möglichkeit,<br />
neben den Pfl ichtkursen im Studium<br />
wichtige praktische Fertigkeiten für die<br />
spätere ärztliche Tätigkeit zu erlernen.<br />
Üben für die Praxis: „Im Skills-Lab ist täglich<br />
Tag der offenen Tür.”<br />
Foto: Peter Pulkowski<br />
Der Patient bewegt sich nicht, reagiert nicht, wenn<br />
man ihn anspricht. Tom schaut ob die Atemwege<br />
frei sind, und bemerkt, dass der Mann nicht atmet.<br />
Sofort beginnt er mit der Herzdruckmassage. Als sich<br />
der Zustand des Patienten nach wiederholten Beatmungen<br />
und Thoraxkompressionen nicht ändert,<br />
heißt es „defi brillieren“. Doch kurz davor hustet der<br />
Patient und macht sich durch ein Stöhnen bemerkbar.<br />
Alle Beteiligten sind erleichtert, der Defi brillator<br />
kann wieder eingepackt werden, jetzt heißt es<br />
schnell ins Krankenhaus mit dem Patienten.<br />
Solche und andere Szenarien spielen sich häufi g<br />
im <strong>Mainz</strong>er Skills-Lab ab. Zum Glück ist im Selbstlernzentrum<br />
des Universitätsklinikums niemals ein<br />
Mensch in Gefahr. Die Studierenden der Medizin<br />
üben unter anderem an Puppensimulatoren, die<br />
fast bis ins kleinste Detail dem menschlichen Organismus<br />
entsprechen.<br />
„Dem Fachbereich Medizin ist<br />
die finanzielle sowie ideelle<br />
Unterstützung des Skills-Lab<br />
ein besonderes Anliegen“<br />
Seit 2003 trägt das <strong>Mainz</strong>er Skills-Lab am Universitätsklinikum<br />
zur Intensivierung der praktischen<br />
Ausbildung im Medizinstudium bei. Das Skills-Lab<br />
geht ideell und organisatorisch auf die Initiative einer<br />
Gruppe von Studierenden zurück. Auch heute<br />
noch liegt die Organisation in der Hand von zwölf<br />
studentischen Mitarbeitern. Die laufenden Kosten<br />
für Geräte und Personal von 30.000 Euro im Jahr<br />
übernimmt der Fachbereich Medizin.<br />
„Dem Fachbereich Medizin ist die fi nanzielle sowie<br />
ideelle Unterstützung des Skills-Lab ein besonderes<br />
Anliegen“, erklärte der Dekan des Fachbereichs<br />
Medizin, Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban im Rahmen<br />
der Eröffnungsfeier der neuen Räumlichkeiten, in<br />
denen sich das Selbstlernzentrum seit April 2008<br />
befi ndet.<br />
Im Gebäude 405 ist das Skills-Lab für die Studenten<br />
täglich von 10-18 Uhr geöffnet. Das Angebot reicht<br />
von einer Vielzahl an Kursen bis hin zum individuellen<br />
Üben während der Öffnungszeiten.<br />
So bieten die insgesamt 23 Kurse des Skills-Lab von<br />
„Auskultation am Patienten“ über „Nahttechni-<br />
ken“ bis „Steril Waschen – Das kleine OP-Einmaleins“<br />
eine sinnvolle Ergänzung zu den Pfl ichtveranstaltungen<br />
des Medizinstudiums. Die Dozenten<br />
kommen zum Großteil aus der Ärzteschaft des<br />
Universitätsklinikums und machen es mit ihrem ehrenamtlichen<br />
Engagement möglich, den Studenten<br />
in den Kursen wichtiges Know-How für die spätere<br />
Tätigkeit als Arzt zu vermitteln.<br />
Wie groß der Zuspruch ist, beweisen die oftmals<br />
schnell ausgebuchten Kurse. Im „Auskultations-<br />
Kurs“, einem der beliebtesten bei den Studierenden,<br />
kann es passieren, dass bereits einige Sekunden<br />
nach Anmeldebeginn auf der Internet-Plattform<br />
ILIAS die wenigen heiß begehrten Kursplätze schon<br />
vergeben sind.<br />
Unter dem Motto „Zwei innovative Ausbildungseinrichtungen<br />
unter einem Dach“ hat sich neben dem<br />
Skills-Lab das Simulationszentrum der Klinik für<br />
Anästhesiologie im Gebäude 405 auf dem Klinikgelände<br />
eingerichtet. In Zukunft wird durch diese<br />
auch räumlich enge Zusammenarbeit und die Möglichkeit<br />
zur gemeinsamen Nutzung von Simulatoren<br />
das Kursangebot weiter ausgebaut werden.<br />
„Im Skills-Lab ist täglich Tag der offenen Tür“, lautet<br />
das Anliegen der Einrichtung. Durch die ganztägigen<br />
Öffnungszeiten wird den Studenten die<br />
Möglichkeit gegeben, einfach mal zwischen den<br />
Vorlesungen oder in der Mittagspause das gerade<br />
theoretisch Erlernte selbst praktisch auszuprobieren,<br />
die Inhalte des Kurses am Vortag zu wiederholen,<br />
oder sich mit anderen Studenten zu treffen,<br />
um gemeinsam chirurgisches Nähen zu üben. Dafür<br />
stehen den Studierenden viele verschiedene Tasktrainer,<br />
Patientensimulatoren, medizinische Geräte<br />
und Lernprogramme zur Verfügung.<br />
Sehr beliebt bei den Medizinstudenten ist das neue,<br />
eigens für Übungszwecke angeschaffte Ultraschallgerät.<br />
Wie wichtig die praktischen Fertigkeiten sind, bemerkt<br />
man spätestens in der ersten Famulatur. Dann<br />
wird es ernst, und das Blutabnehmen sollte beim<br />
Patienten, der meist genauso aufgeregt ist wie der<br />
Famulus, halbwegs professionell ablaufen. Damit<br />
im Ernstfall alles klappt, kann man am Blutabnahmetrainer<br />
üben. Ohne Skrupel, jemandem weh zu<br />
tun, lassen sich die dem Verlauf der menschlichen<br />
Gefäße nachempfundenen Venen des Plastikarms<br />
punktieren, und das Erfolgsgefühl stellt sich ein,<br />
wenn das Kunstblut in die Kanüle fl ießt.<br />
Anna-Maria VON RODA ■<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
12
Studium & Lehre<br />
Affentheater im Waisenhaus<br />
Langwieriger Prozess der Resozialisierung Morgens, halb acht in Sambia, mitten im Busch: Die Arbeit hat vor einer<br />
Stunde begonnen. Es ist ein sonniger, aber sehr kalter Morgen in Chimfunshi, ein Waisenhaus für Schimpansen. Zwei<br />
<strong>Mainz</strong>er Biologiestudentinnen stehen als Volontäre auf der Ladefl äche eines zwanzig Jahre alten Trucks, die Füße versinken<br />
in zermatschten Tomaten und Orangen. Die Aufgabe lautet: Obst und Gemüse sortieren, denn die Schimpansen, die in der<br />
Auffangstation des Chimfunshi Vereins zum Schutz bedrohter Umwelt e.V. in Sambia leben, warten schon auf ihr Frühstück.<br />
Nur zweimal in der Woche fährt der Truck<br />
in die nächste Stadt namens Chingola, um<br />
Obst und Gemüse, das der örtliche Supermarkt<br />
spendet, abzuholen. Ansonsten ist<br />
die Auffangstation von der Außenwelt abgeschottet.<br />
Die meisten der Schimpansen<br />
in Chimfunshi wurden als Babys durch<br />
Wilderer zu Waisen und auf Märkten verkauft.<br />
Sie kamen dann in Zoos, Zirkussen<br />
oder privaten Haushalten. Viele von ihnen<br />
wurden misshandelt, mussten in Bars die<br />
Bierfl aschen der Gäste öffnen oder Zigaretten<br />
verteilen und wurden schließlich<br />
selbst Alkohol- und Nikotinabhängig.<br />
Wurden die Schimpansen dann zu groß<br />
und somit unberechenbar, fanden die Besitzer<br />
keine Verwendung mehr für sie.<br />
„Der intensive Körperkontakt<br />
mit den Tieren<br />
hat sich als unvergesslich<br />
schöne Erinnerung in unser<br />
Gedächtnis eingebrannt.“<br />
Die über lange Zeit gequälten und unter grauenvollen<br />
Umständen gehaltenen Menschenaffen fi n-<br />
den in Chimfunshi ein neues und friedliches Zuhause.<br />
Eine Auswilderung kommt nicht in Frage, da die<br />
Menschenaffen sonst mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
wieder in die Hände von Wilderern geraten würden.<br />
Die Geschichte Chimfunshis begann mit Sheila und<br />
David Siddle, die im Norden Sambias eine Rinderfarm<br />
betrieben. Eines Tages im Jahre 1968 wurde<br />
ein verwaistes Schimpansenjunges zu ihnen gebracht.<br />
Mittlerweile sind es 126 Schimpansen, das<br />
halbzahme Flusspferd Billy, einige Papageien und<br />
andere Tiere. So entwickelte sich die Farm zu einem<br />
weltweit bekannten Zufl uchtsort. Dort mit anzupacken,<br />
den bedrohten Tieren zu helfen und zugleich<br />
wertvolle Erfahrungen im Umgang mit Menschenaffen<br />
zu sammeln, ermöglichte den beiden Biologiestudentinnen<br />
ein Volontariat. Die Planung des<br />
Aufenthalts, der Reise und Unterkunft stellten dabei<br />
eine besondere Herausforderung dar, denn die<br />
Zu Tisch: Schimpansen in der Auffangstation.<br />
Mitarbeit am Projekt lässt sich zwar als Exkursion<br />
im Hauptstudium anrechnen, wurde aber von den<br />
Biologinnen eigenständig organisiert.<br />
Die erste Station für neu ankommende Menschenaffen<br />
stellt das Waisenhaus dar, eine gesonderte<br />
Station, in der die Tiere behutsam auf ihre neue<br />
Umgebung vorbereitet werden Die Tiere werden<br />
hier erst einmal an ihre Artgenossen gewöhnt bis<br />
sie schließlich in eine Gruppe integriert werden können.<br />
Damit beginnt der langwierige Prozess der Resozialisierung.<br />
Bildet sich eine Gruppe mit circa 15<br />
Tieren heraus, können diese dann in das eigentliche<br />
„Projekt“ umgesiedelt werden. Hier leben die Gruppen<br />
in fünf Hektar großen Freigehegen, in denen ein<br />
artgerechtes Leben ermöglicht wird. Einzig die Fütterung<br />
liegt in den Händen der Menschen. Eine weitere<br />
Aufgabe war die Hilfe bei dem Bau eines neuen<br />
Geheges. Das ist eine ganz besondere Aufgabe mitten<br />
im Busch Afrikas, wo der Strom ausschließlich<br />
aus Solarzellen oder Generatoren kommt.<br />
Foto: Geyer/Nitzsche<br />
Bei sogenannten Bushwalks haben<br />
Touristen und Volontäre die Möglichkeit<br />
mit jungen Schimpansen spazieren zu<br />
gehen. „Der intensive Körperkontakt<br />
mit den Tieren hat sich als unvergesslich<br />
schöne Erinnerung in unser Gedächtnis<br />
eingebrannt“, fassen die beiden zusammen.<br />
Dennoch hat es einen traurigen<br />
Hintergrund, da das Projekt fi nanziell<br />
auf die Touristen angewiesen ist. Auch<br />
hier mitten im Nirgendwo geht eben<br />
nichts ohne das nötige Kleingeld.<br />
Neben freiwilligen Helfern und Volontären<br />
aus der ganzen Welt kommen<br />
jährlich amerikanische Studenten, um<br />
das Verhalten der Affen zu untersuchen<br />
und zu erforschen.<br />
Die ausgeprägte Individualität der Affen<br />
beeindruckt die Wissenschaftler dabei<br />
am meisten. Und angesichts der genetischen Übereinstimmung<br />
von 98,7 Prozent sollte die Ähnlichkeit<br />
zwischen Menschen und Schimpansen keine<br />
Verwunderung auslösen.<br />
Eine weitere Kooperation besteht zwischen Chimfunshi<br />
und der Universität Oxford. In diesem Rahmen<br />
untersucht der Primatologe und Manager des<br />
Projekts Innocent Mulenga die Verwandtschaftsverhältnisse<br />
der vier Schimpansen-Unterarten. Anhand<br />
von Kotproben werden DNA-Sequenz-Analysen<br />
durchgeführt und zur Stammbaumerstellung verwendet.<br />
Der unvergesslichen Zeit in Afrika trauern die beiden<br />
Biologiestudentinnen sehnsuchtsvoll nach: „Selbst<br />
jetzt, einige Monate nach unserer abenteuerlichen<br />
Reise, müssen wir täglich an die lieb gewonnenen<br />
Affen denken. Die Sehnsucht wird wohl nie versiegen.“<br />
Rebecca GEYER / Elisa NITZSCHE ■<br />
Information: www.chimfunshi.com<br />
13<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Interview<br />
Wissenschaft & Forschung<br />
Fördertöpfe sind<br />
heiß umkämpft<br />
Er verfügt über eine breite Berufspraxis in internationalen Unternehmen<br />
und Forschungseinrichtungen: Seit Juli leitet Dr. Harald Knobloch<br />
die neue Stabsstelle „Forschungsförderung und Technologietransfer“,<br />
die direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Wie der 47jährige<br />
Physiker den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen im „Förder-<br />
Dschungel“ zur Seite stehen will, darüber äußert sich Dr. Knobloch<br />
im Gespräch mit der <strong>JOGU</strong>-Redaktion.<br />
<strong>JOGU</strong>: Die <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong><br />
gehört mit 2.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />
zu den forschungsstarken deutschen<br />
Universitäten, das Einwerben von Drittmitteln spielt<br />
eine entscheidende Rolle. Ob national oder international,<br />
ob EU-Gelder oder Fördermittel der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft (DFG) – die Fördertöpfe<br />
sind heiß umkämpft. Wie kann Ihre Stabsstelle<br />
dazu beitragen, dass sich die <strong>Mainz</strong>er Wissenschaftler<br />
ein möglichst großes Stück von diesem „Förder-<br />
Kuchen“ sichern?<br />
Knobloch: Die Stabsstelle „Forschung und Technologietransfer“<br />
versteht sich als Service-Einrichtung,<br />
die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />
Blutspenden in der Uni<br />
Spendeort<br />
<strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong>,<br />
Linke Aula, Alte Mensa, Becher-Weg 5<br />
Information Tel. 0 61 31/17-32 16 oder 32 17<br />
Termin<br />
Dienstag, den 10. 2., 26. 5., 28. 7 und 3. 11. <strong>2009</strong><br />
Spendezeiten<br />
8.30 bis 14.00 Uhr<br />
aller Fachrichtungen unserer Universität beim Einwerben<br />
von Drittmitteln und bei Kooperationen mit<br />
der Wirtschaft unterstützt. Wir merken schon jetzt<br />
nach kurzer Zeit, dass diese Hilfestellung von den<br />
Forschern sehr gut angenommen wird, insbesondere<br />
vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit der Fördermöglichkeiten<br />
heutzutage und der zunehmenden<br />
Bedeutung von Drittmitteln, ohne die eine Durchführung<br />
von Forschungsvorhaben unmöglich wäre.<br />
<strong>JOGU</strong>: Stichwort „Vielfältigkeit der Fördermöglichkeiten“<br />
– gerade diese Vielfalt ist es, die zwar einerseits<br />
gute Chancen auf umfangreiche Fördergelder<br />
eröffnet, die sich gleichzeitig aber auch sehr unübersichtlich<br />
darstellt und in letzter Konsequenz oft<br />
einen bürokratischen Hürdenlauf nach sich zieht.<br />
Knobloch: Das ist sicherlich richtig. Wir haben<br />
daher in der Stabsstelle drei Förderschwerpunkte<br />
eingerichtet: die inneruniversitäre Forschungsförderung<br />
und die Begleitung des Profi lbildungsprozesses<br />
der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong><br />
im Rahmen der Forschungsinitiative 2008-2011 des<br />
Landes Rheinland-Pfalz, die nationale Förderung<br />
(u.a. DFG) sowie die europäische Forschungsförderung.<br />
Gerade letzterer kommt eine besondere<br />
Bedeutung zu, denn jedes Jahr fl ießen rund vier<br />
Millionen Euro aus Brüssel nach <strong>Mainz</strong>. Die Europäische<br />
Union ist somit ein zunehmend wichtiger<br />
Geldgeber, und wir verzeichnen einen entsprechend<br />
steigenden Beratungsbedarf. Deshalb ergänzt seit<br />
Oktober 2008 Julia Doré unser Team, die in engem<br />
Kontakt zu den nationalen EU-Kontaktstellen steht<br />
und die Wissenschaftler auf dem weiten Feld der<br />
EU-Antragstellung berät und begleitet.<br />
<strong>JOGU</strong>: Über den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn<br />
hinaus ist der Technologietransfer – die<br />
Überführung dieser Erkenntnisse in wirtschaftlich<br />
verwertbare Produkte und Verfahren – von zunehmender<br />
Bedeutung. Welche Rolle spielen solche<br />
Kooperationen bei Ihren Überlegungen?<br />
Knobloch: Natürlich eine sehr große! Dem Thema<br />
Technologietransfer kommt eine stetig wachsende<br />
Bedeutung zu. So arbeiten Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität<br />
– regional, national und weltweit – sowohl<br />
mit kleinen und mittelständigen Unternehmen als<br />
auch mit großen Industrieunternehmen aus allen<br />
Branchen zusammen. Wir wollen diesen Bereich gezielt<br />
weiter ausbauen und dabei auch verstärkt auf<br />
rheinland-pfälzische Unternehmen und den Mittelstand<br />
setzen. Dabei gilt es insbesondere, den Unternehmen<br />
das hohe Potenzial der Universität für eine<br />
Zusammenarbeit darzustellen und darüber hinaus<br />
sowohl den Wissenschaftlern als auch den Firmen<br />
den Weg für Kooperationen zu ebnen.<br />
<strong>JOGU</strong>: … zu welchem Zweck?<br />
Dr. Harald Knobloch<br />
Knobloch: Den <strong>Mainz</strong>er Wissenschaftlern eröffnet<br />
diese Zusammenarbeit die Möglichkeit, zusätzliche<br />
Drittmittel für sich einzuwerben. So haben die Wissenschaftler<br />
im Jahr 2007 allein durch Kooperationen<br />
mit Industrieunternehmen Drittmittel in Höhe<br />
von 16,6 Millionen Euro eingeworben. Und die<br />
Unternehmen profi tieren ebenfalls in hohem Maße<br />
von dieser Partnerschaft – durch den Zugang zu<br />
neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zur<br />
Innovationskraft, Wettbewerbsfähigkeit und zum<br />
Wachstum dieser technologieorientierter Unternehmen<br />
mit beitragen.<br />
Das Gespräch führte Petra GIEGERICH ■<br />
Foto: Thomas Hartmann<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
14
Wissenschaft & Forschung<br />
Neue Töne anstimmen<br />
Musikwissenschaft im Nationalsozialismus Ende 2008 wurde im <strong>Mainz</strong>er Rathaus die Ausstellung „Entartete<br />
Musik“ gezeigt. Anlässlich der Schau fand auch eine musikwissenschaftliche Tagung statt, in der sich Fachleute aus ganz<br />
Deutschland mit der Thematik befassten. Organisiert hatte die Tagung Thorsten Hindrichs. Der <strong>Mainz</strong>er Musikwissenschaftler<br />
sagt: „Das Konzept ist aufgegangen. Aber Diskussion und Aufarbeitung müssen weitergehen.“<br />
Im Jahr 1938 fanden in Düsseldorf die sogenannten<br />
„Reichsmusiktage“ statt. Teil der Veranstaltung war<br />
die Ausstellung „Entartete Musik“. Im Mittelpunkt<br />
stand Musik, die der Rassenwahn-Ideologie der<br />
Nationalsozialisten widersprach. Viele Künstler und<br />
Komponisten waren betroffen. Einer, der das alles<br />
weiß, ist Eckhard John. Der Musikwissenschaftler,<br />
der am Institut für internationale Popularliedforschung<br />
im Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg<br />
arbeitet, setzt sich schon seit vielen Jahren kritisch<br />
mit diesem Thema auseinander.<br />
John studierte Musikwissenschaft, Volkskunde und<br />
Geschichte, promovierte 1993, war als Ausstellungsmacher<br />
tätig, dazu als Dozent und Publizist,<br />
und ist Gründer und Herausgeber des „Historischkritischen<br />
Liederlexikons“.<br />
„Das Konzept ist aufgegangen.<br />
Aber Diskussion und Aufarbeitung<br />
müssen weitergehen.“<br />
Als einer von acht Referenten war auch er zur musikwissenschaftlichen<br />
Tagung „Entartete Musik“<br />
nach <strong>Mainz</strong> gekommen. Im Rathaus sprach der<br />
Fachmann zum Thema „Mythos Entartete Musik<br />
– Strukturen der Musikpolitik im NS-Staat“. Die<br />
Fachtagung sollte der interessierten Öffentlichkeit<br />
die verschiedenen fatalen Konsequenzen der nationalsozialistischen<br />
Kulturpolitik für die Musikkultur<br />
ins Bewusstsein rufen.<br />
Angereist waren Experten aus ganz Deutschland,<br />
die meisten darunter Musikwissenschaftler. Ihre<br />
Vorträge deckten ein breites Spektrum ab. Es ging<br />
um die nationalsozialistische Machtübernahme<br />
und Machtergreifung in <strong>Mainz</strong> 1933, aber genauso<br />
auch um die Rolle der Musik in der französischen<br />
Kulturpolitik in Deutschland zwischen 1945 und<br />
1949.So lautete das Thema eines der Vorträge:<br />
„Rééducation mit musikalischen Mitteln – französische<br />
Konzepte einer geistigen Neuorientierung der<br />
Deutschen nach 1945.“<br />
Die Tagung war integriert in eine mehrere Wochen<br />
laufende Ausstellung im <strong>Mainz</strong>er Rathaus, die ebenfalls<br />
den Titel „Entartete Musik“ trug. 1988 war die<br />
Ausstellung von Albrecht Düling und Peter Girth<br />
rekonstruiert worden, und heute, 20 Jahre später,<br />
wurde sie neu konzipiert. Ein weiteres Ziel der<br />
eintägigen Tagung mit den acht Experten bestand<br />
darin, der Ausstellung „Entartete Musik“ eine musikwissenschaftliche<br />
Perspektive zu verleihen.<br />
Entartete Musik? Die meisten könnten wahrscheinlich<br />
eher mit dem Begriff „Entartete Kunst“ etwas<br />
anfangen als mit „Entartete Musik“. Thorsten Hindrichs<br />
möchte das nicht eindeutig bejahen, aber<br />
„tendenziell stimmt das wohl“. Hindrichs arbeitet<br />
als Musikwissenschaftler an der<br />
<strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität. Mit<br />
dem Thema der Tagung beschäftigt er<br />
sich seit den 90er Jahren. Er sagt: „Die<br />
Ausstellung ,Entartete Musik’ hat auch<br />
nie so ein großes Medienecho gehabt<br />
wie die Ausstellung ,Entartete Kunst’,<br />
die ein Jahr vorher stattgefunden hatte.“<br />
Hindrichs hat die Tagung im Rathaus<br />
konzipiert und organisiert. Er investierte<br />
viel Zeit und Engagement in die Planungen.<br />
Zwei Jahre beanspruchten die Planungen<br />
und Vorbereitungen. Und es hat<br />
sich gelohnt, wie er findet. Ein paar Tage<br />
nach der umfangreichen Veranstaltung im<br />
Rathaus sitzt er in seinem Büro im Philosophicum<br />
der Universität und zieht Bilanz:<br />
„Inhaltlich war es eine schöne Tagung, ich<br />
fand die Vorträge sehr spannend, die Qualität<br />
war sehr gut, es war viel Neues dabei.“<br />
In der Ankündigung zur Tagen war zu lesen: en:<br />
„Gerade angesichts des Umstands, dass die<br />
,Reichsmusiktage’ 1938 – einschließlich der<br />
dort gezeigten Ausstellung – in wesentlichen Teilen<br />
von Musikwissenschaftlern konzipiert und durchgeführt<br />
wurden, sieht sich das akademische Fach<br />
Musikwissenschaft in der Verantwortung, deutlich<br />
Position zu beziehen.“ Ist das gelungen? Hindrichs<br />
findet: Ja.<br />
Das Konzept, das er sich überlegt habe, sei aufgegangen.<br />
Nichtsdestotrotz müsse vor allem fachintern<br />
die Diskussion weitergehen. Aber auch die<br />
Aufarbeitung. „Es ist die erste Tagung dieser Art<br />
gewesen. Die Absicht war, sich wissenschaftlich mit<br />
diesem Thema auseinanderzusetzen. Das kann man<br />
aber nicht oft genug machen“, sagt er. Deswegen<br />
werde das mit Sicherheit nicht die letzte Veranstaltung<br />
dieser Art gewesen sein. Dimitri TAUBE ■<br />
derAusstellungsplakat<br />
15<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Wissenschaft & Forschung<br />
„Verborgene Krankheit”<br />
Die Welt – so unwirklich wie ein Gemälde von Magritte Zu den weit<br />
verbreiteten, aber dennoch wenig erforschten psychischen Störungen zählt das<br />
Phänomen der so genannten Depersonalisierung. Betroffene erleben sich selbst<br />
und ihre Umwelt als fremd und unwirklich – in dem Bewusstsein, dass diese<br />
Veränderung der Wahrnehmungs-Perspektive keinem äußeren Impuls folgt.<br />
Unter der Leitung des Psychotherapeuten und Arztes Dr. Matthias Michal<br />
befasst sich derzeit eine Arbeitsgruppe am <strong>Mainz</strong>er Uniklinikum mit dieser<br />
„verborgenen” Krankheit.<br />
Die Welt ist eine Kulisse nur, ein Pappmaché-Land<br />
der Unwirklichkeiten, unberührbar, unerreichbar.<br />
Darin das eigene Ich, das keines mehr ist. Die Hände<br />
sind größer geworden. Die Stimme klingt fremd,<br />
fremd ist das Bild im Spiegel. Was wie die Beschreibung<br />
eines Alptraumes klingt, ist für knapp zwei<br />
Prozent aller Bundesbürger nahezu tagtäglicher<br />
Wachzustand: das Phänomen extremer Selbstentfremdung,<br />
der so genannten Depersonalisation,<br />
kurz DP. In ihrer schweren klinischen Form ist diese<br />
Krankheit bisher kaum erforscht.<br />
„Die Gründe dafür sind vielfältig”, erläutert PD Dr.<br />
Matthias Michal von der Klinik für Psychosomatische<br />
Medizin und Psychotherapie des <strong>Mainz</strong>er<br />
Universitätsklinikums. „Eigentlich gehört die Depersonalisation<br />
dem allgemeinen Repertoire menschlicher<br />
Reaktionen an. Drei Viertel von uns lernen im<br />
Laufe ihres Lebens die entsprechenden Symptome<br />
kennen, die ja auch oft im Zusammenhang mit<br />
Übermüdung auftreten. Der Zustand der Selbstdistanz<br />
dauert aber normalerweise nicht allzu lange<br />
an, und so nehmen die meisten Menschen jene<br />
kurze Phase des Neben-Sich-Stehens eben nicht als<br />
Belastung wahr – zu welcher die Depersonalisierungserfahrung<br />
jedoch dann wird, wenn die Betroffenen<br />
sich bedroht fühlen, wenn sie glauben, dass<br />
sie verrückt werden, oder wenn diese Störung des<br />
Selbstbezuges Tage, Wochen und Monate anhält.<br />
Meist tritt die klinisch bedeutsame Form der DP<br />
im Zusammenhang mit anderen psychischen Störungen<br />
wie Ängsten oder Depressionen auf – was<br />
dazu führt, dass Ärzte die DP als vernachlässigbar<br />
abtun. Damit aber wird man den Betroffenen nicht<br />
gerecht.”<br />
Das wollen Michal und seine Kollegen ändern. In<br />
einer vor zwei Jahren durchgeführten Repräsentativerhebung<br />
unternahmen die Forscher den Versuch,<br />
die Koordinaten der Krankheit abzustecken.<br />
„Das ist in Form einer Umfrage geschehen – was<br />
in diesem Fall auch sehr gut möglich ist, weil die<br />
Störung – anders, als etwa die Schizophrenie – den<br />
Betroffenen sehr wohl bewusst ist. Die Patienten<br />
begreifen, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, und,<br />
was sehr wichtig ist: Sie können weiterhin die Realität<br />
als solche erkennen. Ihnen ist völlig klar, dass<br />
ihre Wahrnehmung sich verändert hat, nicht aber<br />
die Welt.”<br />
„Ihnen (den Patienten) ist<br />
völlig klar, dass ihre Wahrnehmung<br />
sich verändert hat,<br />
nicht aber die Welt.”<br />
Die <strong>Mainz</strong>er Forscher wollten es genau wissen:<br />
Wieviel Prozent aller Deutschen sind betroffen,<br />
und was sind die Ursachen für diese bisher kaum<br />
als eigenständige Krankheit anerkannte psychische<br />
Störung?<br />
1.287 Personen zwischen 14 und 90 Jahren füllten<br />
in Gegenwart jeweils eines von insgesamt 119<br />
geschulten Interviewern einen entsprechenden<br />
Fragebogen aus. Die verwendete deutsche Version<br />
der so genannten „Cambridge Depersonalization<br />
Scale” fragt nach der Häufi gkeit und Dauer<br />
der entsprechenden Symptome: Erleben sich die<br />
Teilnehmer „wie abgetrennt von ihrer Umgebung<br />
oder erscheint ihnen diese unwirklich, so, als ob<br />
ein Schleier zwischen ihnen und der äußeren Welt<br />
läge”? Oder fühlen sie sich „aus heiterem Himmel<br />
fremd, als ob sie nicht wirklich wären oder von der<br />
Welt abgeschnitten?”<br />
Das Befragungsergebnis belegt, dass DP kein gesellschaftliches<br />
Marginal-Problem darstellt. Immerhin<br />
9,7 Prozent aller im November und Dezember<br />
2006 Befragten gaben an, dass sie sich während<br />
der vergangenen sechs Monate von DP beeinträchtigt<br />
fühlten.<br />
Bei 1,9 Prozent aller Befragten lag das Ausmaß<br />
der DP-Symptome im klinisch relevanten Bereich,<br />
die Häufi gkeit dieser schwereren Ausprägung der<br />
Depersonalisation entspricht dem bundesdeutschen<br />
Auftreten von Schizophrenie, Epilepsie und<br />
Magersucht. „Und für letztgenannte Krankheiten<br />
sind inzwischen Ambulanzen eingerichtet worden”,<br />
so Michal, „DP hingegen zählt weiterhin zu<br />
den so genannten verborgenen Störungen. Unsere<br />
Überprüfung von 1,5 Millionen Versicherungsakten<br />
ergab, dass nur bei einem von 10.000 Versicherten<br />
die Diagnose DP gestellt wurde.”<br />
„Unsere Überprüfung von 1,5<br />
Millionen Versicherungsakten<br />
ergab, dass nur bei einem von<br />
10.000 Versicherten die Diagnose<br />
DP gestellt wurde.”<br />
Informationen zur Biographie und aktuellen Lebenssituation<br />
der Befragten konnten erste Hinweise auf<br />
mögliche Krankheitsursachen geben. Demnach verursachen<br />
elterliche Vernachlässigung oder Über-Betreuung<br />
(= Kontrolle) eine erhöhte DP-Gefährdung.<br />
Problematische berufl iche oder partnerschaftliche<br />
Situationen beeinfl ussen ebenfalls die DP-Anfälligkeit.<br />
Auffällig im Vergleich mit anderen Umfragen<br />
war die für die Gruppe der Rentner nachgewiesene<br />
erhöhte DP-Gefährdung. Ob der Faktor „(mangelnde)<br />
gesellschaftliche Anerkennung” in diesem Kontext<br />
eine Rolle spielt, kann nur gemutmaßt werden.<br />
Konform zu den Ergebnissen zweier internationaler<br />
Untersuchungen, aber dennoch erstaunlich<br />
aus hiesiger Sich, bleiben die für die Bevölkerung<br />
West- und Ostdeutschlands deutlich unterschiedenen<br />
Resultate. Weltweit scheint zu gelten, dass DP<br />
in kollektivistisch orientierten Gemeinschaften eine<br />
deutlich geringere Rolle als in individualistisch ausgerichteten<br />
Gesellschaften spielt. Dass die Wahlfreiheit<br />
erhöhte psychische Anforderungen an den<br />
Einzelnen stellt, kann im gegebenen Kontext nur<br />
andeutende These bleiben.<br />
Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang allerdings,<br />
dass DP zu den angeborenen Strategien<br />
physischen Überlebens zählt.<br />
„Ich griene in mich hinein, komme mir vor wie eine<br />
auf der Bühne agierende Person. Was gehen mich<br />
die alle an! Bin noch nie so weit von mir selber<br />
weg gewesen und mir so entfremdet. Alles Gefühl<br />
scheint tot. Einzig der Lebenstrieb lebt. Die sollen<br />
mich nicht zerstören”, schreibt eine junge Frau im<br />
Berlin des Jahres 1945, und formuliert an anderer<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
16
Wissenschaft & Forschung<br />
Sich selbst fremd: Veränderte<br />
Hirnaktivierungen lassen sich im<br />
Kernspintomograf nachweisen.<br />
Fotos: Matthias Michal<br />
Stelle: „Wobei mir die seltsame Vorstellung einfällt,<br />
eine Art Wachtraum, der mir heute früh kam, als<br />
ich nach Petkas Weggang vergeblich einzuschlafen<br />
versuchte. Es war mir, als läge ich fl ach auf meinem<br />
Bett und sähe mich gleichzeitig selber daliegen,<br />
während sich aus meinem Leib ein leuchtendweißes<br />
Wesen erhob; eine Art Engel, doch ohne Flügel, der<br />
steil aufwärts schwebte. Ich spüre noch, während<br />
ich dies schreibe, das hochziehende, schwebende<br />
Gefühl. Natürlich ein Wunschtraum und Fluchttraum.<br />
Mein Ich läßt den Leib, den armen, verdreckten,<br />
mißbrauchten, einfach liegen. Es entfernt sich<br />
von ihm und entschwebt rein in weiße Fernen. Es<br />
soll nicht mein ‘Ich’ sein, dem dies geschieht. Ich<br />
schiebe all das aus mir hinaus. Ob ich wohl spinne?<br />
Aber mein Kopf faßt sich in diesem Augenblick kühl<br />
an, die Hände sind bleiern und ruhig.”<br />
Wesentlich ist, dass dieser<br />
Zustand der Selbstdistanz nur<br />
temporär sein darf.<br />
Wie 110.000 Leidensgenossinnen (vgl. Stern Nr.<br />
44/2008) ist die Verfasserin, deren Erinnerungen<br />
unter dem Titel „Anonyma” aktuell als Taschenbuch<br />
und Film herausgekommen sind, von sowjetischen<br />
Besatzungssoldaten mehrfach mißbraucht worden.<br />
Der Autorin dieses Tagebuch-Textes ist eines klar:<br />
Wesentlich ist, dass dieser Zustand der Selbstdistanz<br />
nur temporär sein darf, dass mit der Rückkehr<br />
der Normalität, in diesem Falle einer zivilen Friedensgesellschaft,<br />
die Rückführung des Systemes<br />
Mensch in den emotionsoffenen Normalzustand<br />
gelingen muss. Der Ausnahmezustand darf nicht<br />
chronisch werden, der Schutzmechanismus muss<br />
dann enden, wenn seine Funktion erfüllt ist – die<br />
Ablösung vom eigenen Körper und den eigenen<br />
Emotionen, die Erzeugung eines durchdringenden<br />
Gefühles der Irrealität dienen schließlich einzig der<br />
Bewahrung des eigentlichen Selbst.<br />
Dass die Depersonalisation auch der Bewältung<br />
physischer Beeinträchtigungen dient, zeigt die<br />
Neurobiologie. In einer Studie konnten Michal und<br />
seine Kollegen nachweisen, dass DP bei gesunden<br />
Probanden vermittels hypnotischer Suggestion vorübergehend<br />
indiziert werden kann. Dieser künstlich<br />
herbeigeführte Zustand der Selbstentfremdung<br />
führte zu bedeutsamen Veränderungen der<br />
Schmerzverarbeitung im Gehirn: in Regionen, die für<br />
die Konstruktion des Körperschemas verantwortlich<br />
sind, und auch in den Bereichen, welche Emotionen<br />
generieren und regulieren. Die Technologie der<br />
Positronen-Emissions-Tomografi e kann diese Modifi<br />
zierung des Glukosestoffwechsels abbilden, veränderte<br />
Hirnaktivierungen lassen sich auch mit Hilfe<br />
der funktionellen Kernspintomografi e nachweisen.<br />
Die vom <strong>Mainz</strong>er Interdisziplinären Forschungszentrum<br />
für Neurowissenschaften, kurz IFZN, geförderten<br />
aktuellen Untersuchungen sind dem veränderten<br />
Emotionserleben auf der Spur. Fortlaufend<br />
werden zwei Probandengruppen – Gesunde und<br />
Betroffene – auf die Emotionsverarbeitung im Zustand<br />
der Depersonalisation getestet.<br />
„Die Welt wie ein Magritte-Gemälde erleben zu<br />
müssen, stellt eine schwere Belastung dar. Ein Gespräch<br />
ist in diesem Zusammenhang oft hilfreich”,<br />
erläutert der Psychotherapeut Michal seine Erfahrungen.<br />
Ulrike BRANDENBURG ■<br />
Information: Gesunde, die sich auf ihre Hypnosefähigkeit<br />
testen lassen und an der entsprechenden<br />
Studie teilnehmen wollen, erhalten unter E-Mail<br />
dp-studie@uni-mainz.de weitere Informationen.<br />
Betroffene, die eine Beratung über die Möglichkeiten<br />
der Behandlung wünschen oder an der Studie<br />
teilnehmen möchten, können sich jederzeit unter<br />
(06131) 177381 (= Spezialsprechstunde der Klinik<br />
für psychosomatische Medizin und Psychotherapie)<br />
an Dr. Michal und seine Kollegen wenden.<br />
Verantwortliche der Studie zur „Emotionsverarbeitung<br />
bei hypnotisch induzierter und klinischer<br />
Depersonalisation” sind unter anderen Dr. Matthias<br />
Michal und Prof. Dr. Manfred E. Beutel von der<br />
<strong>Mainz</strong>er Klinik und Poliklinik für Psychosomatische<br />
Medizin und Psychotherapie und Prof. Dr. Peter<br />
Stoeter vom Institut für Neuroradiologie, Prof. Dr.<br />
Mathias Schreckenberger, Klinik und Poliklinik für<br />
Nuklearmedizin und Prof. Dr. Thomas Metzinger<br />
(Philosophisches Seminar). Die Studie wird vom<br />
IFZN (Interdisziplinäres Forschungszentrum für Neurowissenschaften)<br />
gefördert.<br />
Vom 18. bis 21. März <strong>2009</strong> fi ndet in <strong>Mainz</strong> die 60.<br />
Arbeitstagung des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische<br />
Medizin (DKPM) und zugleich die<br />
17. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für<br />
Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie<br />
(DGPM) statt.<br />
Internet: http:/www.ifzn.uni-mainz.de/321.php<br />
17<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Wissenschaft & Forschung<br />
Einblick in die Steinzeitfamilie<br />
Foto: LDA Sachsen-Anhalt und Landesmuseum Halle<br />
Vielbachtete Ausgrabung durch<br />
<strong>Mainz</strong>er Anthropologen Es war<br />
einmal in Sachsen-Anhalt vor 4.500<br />
Jahren: Nach der Entdeckung von vier<br />
Gräbern aus der Jungsteinzeit im Jahr<br />
2005 haben <strong>Mainz</strong>er Anthropologen,<br />
zusammen mit Kollegen aus Halle,<br />
Adelaide und Bristol, erstmals den<br />
Beweis erbracht, dass die Menschen<br />
schon damals in kleinen Familien zusammen<br />
lebten und sich am Wohnort<br />
des Mannes niederließen.<br />
Es ist einem grausamen Glücksfall zu verdanken,<br />
dass die Forscher um Prof. Dr. Kurt W. Alt diesen<br />
Beweis führen konnten: In vier Gräbern nahe dem<br />
Dorf Eulau wurden Erwachsene und Kinder gemeinsam<br />
bestattet, weil sie einer Gewalttat zum Opfer<br />
gefallen waren. Man fand unter anderem Wirbel, in<br />
denen Pfeilspitzen steckten (Abb.) und Hiebverletzungen<br />
an Schädeln und Unterarmen. Die potentiellen<br />
Familiengräber sind eine seltene Ausnahme,<br />
denn normalerweise überlebten die Kinder ihre Eltern<br />
um viele Jahre und auch die Frauen<br />
starben meist später als ihre Männer.<br />
Die steinzeitliche Tragödie<br />
bescherte den Wissenschaftlern<br />
zwei Generationen gleichzeitig,<br />
deren sterbliche Überreste zumindest<br />
in zwei Gräbern (Nr. 98<br />
und 99) hervorragend konserviert waren. „Ein weiterer<br />
Glücksfall, der in der Geologie der Fundstätte<br />
begründet ist“, erklärt Guido Brandt und ergänzt,<br />
„nur selten erhalten wir solch ausgezeichnetes Probenmaterial<br />
für unsere Analysen.“ Der diplomierte<br />
Anthropologe fertigt gerade seine Doktorarbeit<br />
an und war beim Eulau-Fund für die genetischen<br />
Analysen zuständig. Die Untersuchung des Erbguts,<br />
das aus den Zahnwurzeln der Skelette gewonnen<br />
wurde, erbrachte dann das spektakuläre Ergebnis:<br />
Die Personen in Grab 99 sind Eltern mit leiblichen<br />
Kindern; damit wurde der weltweit älteste molekulargenetische<br />
Beweis für eine Kernfamilie erbracht.<br />
„Nur selten erhalten wir solch<br />
ausgezeichnetes Probenmaterial<br />
für unsere Analysen.“<br />
Kernfamilie, das bedeutet, dass Vater, Mutter und<br />
Kinder zusammen in einem Haushalt leben. Dies<br />
ist heute weit verbreitet, möchte man meinen,<br />
aber Prof. Alt widerspricht: „Meine jüngsten Erhebungen<br />
ergaben, dass es in unserer modernen<br />
Gesellschaft 10 bis 15 verschiedene Familientypen<br />
gibt. Die Kernfamilie mit verheiratetem Ehepaar und<br />
eigenen Kindern macht dabei nur etwa ein Viertel<br />
der Fälle aus.“ Auch für die Jungsteinzeit, die<br />
Menschlicher Wirbel mit<br />
eingedrungener Pfeilspitze<br />
aus Feuerstein (wahrscheinliche<br />
Todesursache).<br />
Eine Auswahl von Gefäßformen<br />
der schnurkeramischen Kultur.<br />
in Mitteleuropa etwa von 5.500 bis 2.200 v. Chr.<br />
datiert wird, können daher solch unterschiedliche<br />
Lebensmodelle angenommen werden. „Was wir<br />
gefunden haben, ist ein Mosaikstück aus der Zeit<br />
der Schnurkeramik“, sagt Alt. Die schnurkeramische<br />
Kultur selbst ist eine von vielen Kulturen, die man<br />
während der Jungsteinzeit im Mittelelbe-Saale-<br />
Gebiet unterscheidet. Es waren sesshafte Bauern<br />
und Viehzüchter, die ihre Tongefäße mit charakteristischen<br />
Kordelmustern versehen haben (Abb.<br />
Tongefäße). Warum sich die einzelnen Kulturen nur<br />
etwa 300 bis 400 Jahre lang hielten und ob ein Kulturwechsel<br />
auch mit einem Bevölkerungswechsel<br />
einher ging, das ist die zentrale Fragestellung des<br />
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />
geförderten Projektes, im Rahmen dessen auch die<br />
Gräber in Eulau untersucht werden. Außerdem werden<br />
dabei 22 weitere Fundplätze in Sachsen-Anhalt<br />
unter die Lupe genommen, wobei die Zusammenarbeit<br />
mit den Archäologen aus Halle eine zentrale<br />
Rolle spielt.<br />
„Was wir gefunden haben, ist<br />
ein Mosaikstück aus der Zeit<br />
der Schnurkeramik.“<br />
Warum aber sind die Funde von Eulau, einem Ortsteil<br />
von Naumburg an der Saale, so gut erhalten? Es<br />
handelt sich um ein großes Kiesabbaugebiet, das vor<br />
einigen Jahren erschlossen wurde. Vor Beginn der<br />
Baggerarbeiten wurde wie immer eine Prospektion<br />
Foto: Christian Meyer<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
18
Wissenschaft & Forschung<br />
aus der Luft durchgeführt (Abb. Luftbild). „Dabei<br />
wurden die Gräber entdeckt, einfach weil sie sich<br />
durch einen anderen Bewuchs von der Umgebung<br />
abhoben“, erklärt Christian Meyer. Er ist ebenfalls<br />
Promovend bei Prof. Alt und untersucht die Knochen<br />
nach morphologischen Kriterien. „Pfl anzen spiegeln<br />
die Bodenverhältnisse wieder und hier war es wohl<br />
der im Vergleich zu den Kiesböden höhere Anteil<br />
organischen Materials im Bereich der Grabstätten“,<br />
so Meyer. Nach der Entdeckung wurde unter Federführung<br />
des Landesamtes für Denkmalpfl ege und<br />
Archäologie in Halle zügig ausgegraben und die<br />
exzellente Qualität der Funde festgestellt. Verschiedene<br />
Faktoren sind für den DNA-Erhalt ausschlaggebend:<br />
Temperatur, Feuchtigkeit, Strahlung, pH-<br />
Wert und mikrobieller Befall. Am Saaleufer waren<br />
diese Faktoren für die Lagerungsbedingungen ideal.<br />
Zu Beginn der Grabung wurden dann sofort einige<br />
Zähne gezogen, doppelt eingetütet und gekühlt ins<br />
<strong>Mainz</strong>er Labor transportiert. „Für valide genetische<br />
Untersuchungen muss nicht nur die Erhaltung<br />
stimmen, sondern auch eine Kontamination des<br />
Probenmaterials vermieden werden“, sagt Brandt<br />
und ergänzt: „Jede Hautschuppe, jedes Haar von<br />
uns Mitarbeitern enthält unser Erbgut. Die schnelle<br />
und saubere Probenentnahme ist daher ebenso<br />
ausschlaggebend wie die exakte Arbeitsweise im<br />
Labor.“ (Abb. Probenbearbeitung)<br />
Luftbild des Fundortes Eulau mit den vier Mehrfachbestattungen, die sich dunkel aus dem Bewuchs abzeichnen.<br />
Das genetische Labor ist hermetisch abgeriegelt<br />
und kann nicht besichtigt werden. Jeden Morgen<br />
passiert Brandt eine Hygieneschleuse, in der er sich<br />
„dekontaminiert“ und mit Schutzanzug, Handschuhen<br />
sowie Mundschutz ausrüstet; dann erst betritt<br />
er das Labor. „Meine Arbeit besteht zu 90 Prozent<br />
aus putzen“, stellt er lakonisch fest. Für seine Analysen<br />
verwendete er sowohl die mitochondriale<br />
DNA als auch die DNA aus Zellkernen. Letztere ist<br />
dabei besonders wichtig, denn nur sie lässt das so<br />
genannte genetische Fingerprinting zu, mit dem<br />
Verwandtschaftsverhältnisse zweifelsfrei geklärt<br />
werden können. Dagegen unterliegt das Erbgut der<br />
Mitochondrien – sie sind in jeder Zelle tausendfach<br />
vertreten und für die Energieproduktion verantwortlich<br />
– nicht der Rekombination der Gene, wie sie<br />
nach der Befruchtung der Eizelle durch das Spermium<br />
im Zellkern von statten geht. Die mitochondriale<br />
DNA stammt ausschließlich von der Mutter<br />
und enthält keine Erbgut-Anteile des Vaters. Oft<br />
sind die Mitochondrien aber die einzige Quelle,<br />
aus denen Archäologen genetische Informationen<br />
schöpfen können; denn intakte Zellkerne fi nden<br />
sich nur selten in solch alten Proben. Dass ein Zahn,<br />
Foto: LDA Sachsen-Anhalt und Landesmuseum Halle<br />
Grab 99. Familiengrab mit Mann, Frau und zwei<br />
Kindern die molekulargenetisch als Familie<br />
identifiziert wurden und „face to face and hand<br />
in hand“ niedergelegt wurden.<br />
Foto: LDA Sachsen-Anhalt und Landesmuseum Halle<br />
19<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Wissenschaft & Forschung<br />
Foto: Guido Brandt<br />
der 4.500 Jahre im Sand gelegen hat, überhaupt<br />
noch analysefähiges Erbgut aufweist, mag manchen<br />
verwundern, für die Experten ist das jedoch<br />
keine Sensation. „Menschliche DNA kann unter<br />
guten Lagerungsbedingungen bis zu 100.000 Jahre<br />
überdauern, im Gletschereis sogar bis zu 500.000<br />
Jahre“, berichtet Alt.<br />
„Menschliche DNA kann unter<br />
guten Lagerungsbedingungen<br />
bis zu 100.000 Jahre überdauern,<br />
im Gletschereis sogar<br />
bis zu 500.000 Jahre.“<br />
So wie die Gene des Zellkerns über die Abstammung<br />
eines Menschen Auskunft geben, so refl ektiert der<br />
Zahnschmelz die Umweltbedingungen der Kinderjahre.<br />
Wie die Experten erklären, lässt die Verteilung<br />
der Strontium-Isotope im Zahnschmelz aus Grab<br />
99 darauf schließen, dass Vater und Kinder an ein<br />
und demselben Ort aufgewachsen sind, die Mutter<br />
hingegen muss zugewandert sein. Damit liefern<br />
die <strong>Mainz</strong>er erstmals einen Beleg dafür, dass in<br />
den schnurkeramischen Gemeinschaften außerhalb<br />
der Sippe geheiratet wurde und sich die Familien<br />
dann am Wohnort des Mannes niederließen. Mit<br />
einer derartigen Analyse des Strontiums im Zahnschmelz<br />
– sie wurde von Kollegen der Universität<br />
Bristol durchgeführt – können darüber hinaus auch<br />
Wanderungsbewegungen ganzer Bevölkerungsgruppen<br />
nachvollzogen werden, eine sehr wichtige<br />
Methode für das angesprochene DFG-Projekt. Andere<br />
Isotope aus Knochen und Zähnen, wie Kohlenstoff<br />
und Stickstoff, analysiert Alts Team selbst und<br />
erhält dadurch Auskunft über die Ernährung der<br />
Steinzeitmenschen. Neben diesen laborchemischen<br />
Analysen lieferten die Beobachtungen am Fundort<br />
(in situ) sowie die späteren morphologischen Untersuchungen<br />
sehr wichtige Erkenntnisse. Wie Christian<br />
Meyer erläutert, fi nden sich an manchen der<br />
Unterarmknochen Frakturen, die bereits Jahre vor<br />
dem Tod entstanden sein müssen. Sie lassen den<br />
Schluss zu, dass die Menschen mehrfach das Ziel<br />
von Gewaltangriffen waren und sich mit den Armen<br />
zu schützen versuchten. „Hinweise auf perimortale<br />
Gewalteinwirkung, das heißt also Gewalt um den<br />
Todeszeitpunkt herum, fi nden sich schließlich in allen<br />
vier Gräbern aus Eulau“, so Meyer: „Die Opfer<br />
wurden wahrscheinlich mit den damals üblichen<br />
Steinäxten erschlagen beziehungsweise mit Pfeil<br />
und Bogen getötet. Warum, darüber können wir nur<br />
spekulieren.“<br />
Probenaufarbeitung und Dekontaminationsmaßnahmen<br />
im Spurenlabor.<br />
Die Grabanalysen vor Ort gewährten allerdings<br />
einen guten Einblick in die Gedankenwelt unserer<br />
Vorfahren. Alle dreizehn Menschen kamen offensichtlich<br />
gewaltsam zu Tode und wurden von den<br />
Überlebenden Familienmitgliedern sorgsam bestattet.<br />
Dabei scheint die Lage der Körper im Grab die<br />
früheren zwischenmenschlichen Beziehungen zu refl<br />
ektieren. So kehrt die Frau aus Grab 98 den beiden<br />
Geschwisterkindern den Rücken zu. „Das spricht<br />
nicht dafür, dass sie die Mutter der Kinder ist“, und<br />
genau das konnte Brandt mit seinen genetischen<br />
Untersuchungen belegen. „Sie könnte jedoch die<br />
Stiefmutter oder Tante gewesen sein“, erläutert Alt.<br />
Von bisherigen Fundstätten wusste man außerdem,<br />
dass die Männer stets mit dem Kopf im Westen und<br />
die Frauen mit dem Kopf im Osten eines Grabes<br />
beerdigt wurden; weiterhin schrieb das Bestattungsritual<br />
den Blick der Toten gen Süden vor. „In<br />
den Gräbern von Eulau wird dieser Ritus teilweise<br />
zu Gunsten der biologischen Verwandtschaft vernachlässigt.<br />
Die beiden Knaben aus Grab 99 (Abb.)<br />
schauen ihre Eltern an und einer liegt sogar mit<br />
dem Kopf im Osten“; so Meyer. In seinem Labor<br />
betrachtet der junge Anthropologe jeden Knochen<br />
ganz genau und fi ndet dabei zum Beispiel Hinweise<br />
auf Krankheiten wie Karies und Arthrose (Abb.<br />
Arthrose). Auch die individuelle Alters- und Geschlechtsbestimmung<br />
liegt in seinen Händen; letztere<br />
führt er vor allem mit Hilfe von Merkmalen an<br />
den Beckenknochen und Schädeln durch. Das spart<br />
immense Kosten, denn die sonst notwendige genetische<br />
Untersuchung kostet nicht nur viele Euro,<br />
sondern ist auch stark von der Erhaltung abhängig.<br />
Für die Altersbestimmung stehen morphologische<br />
und histologische Verfahren zur Verfügung.<br />
Christian Meyer zeigt einen etwa 4.500 Jahre alten<br />
Oberschenkelknochen mit deutlichen Anzeichen für<br />
eine Arthrose.<br />
Eine wahrlich interdisziplinäre Arbeitsgruppe also,<br />
die Alt, der 1999 von Freiburg nach <strong>Mainz</strong> kam,<br />
etabliert hat. Heute gehört <strong>Mainz</strong> neben Göttingen<br />
und München zu den letzten größeren anthropologischen<br />
Standorten in Deutschland. Seit der Veröffentlichung<br />
der Eulau-Ergebnisse am 17.11.08 im<br />
hoch angesehenen US-amerikanischen Fachmagazin<br />
PNAS (Proceedings of the National Academy of<br />
Science 2008; Vol. 105, No. 47; S. 18226-18231)<br />
klingelt nun unentwegt das Telefon mit Interview-<br />
Anfragen für Zeitung, Radio und Fernsehen. Aber<br />
das Team bleibt ruhig, auch weil die Wissenschaftler<br />
Erfolg gewöhnt sind. „Wir integrieren die Studierenden<br />
schon im Grundstudium in unsere Forschung<br />
und viele haben schon vor Beendigung der Promotion<br />
in hochkarätigen Journals publiziert“, sagt der<br />
Anthropologe. „Alle unsere Promovenden forschen<br />
auf höchstem Niveau und machen nebenbei noch<br />
Co-Betreuung bei Diplomanden.“<br />
Frank ERDNÜSS ■<br />
Foto: Frank Erdnüß<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
20
Wissenschaft & Forschung<br />
Next Stop:<br />
<strong>Mainz</strong><br />
Humboldt-Stipendiatin zu Gast<br />
am Institut für Slavistik Seit September<br />
forscht Maria Rubins, Literatur-<br />
und Kulturwissenschaftlerin der<br />
University of London, als Humboldt-<br />
Stipendiatin am Institut für Slavistik<br />
der Universität <strong>Mainz</strong>. Hier arbeitet<br />
sie an ihrem aktuellen Buchprojekt<br />
über russische Schriftsteller im französischen<br />
Exil der 1930er Jahre.<br />
<strong>JOGU</strong>: Warum haben Sie sich gerade für einen Forschungsaufenthalt<br />
am Institut für Slavistik der Universität<br />
<strong>Mainz</strong> entschieden?<br />
RUBINS: Eigentlich verdanke ich das einem schönen<br />
Zufall. Ich wollte mich speziell um ein Humboldt-<br />
Stipendium im „Europa-Forschungsprogramm“ bewerben<br />
und so die Möglichkeit haben, ein ganzes<br />
Jahr nur zu forschen. Die Bewerbung bei der Alexander<br />
von Humboldt-Stiftung muss auch durch eine<br />
deutschen Universität unterstützt werden. Sie müssen<br />
wissen, wir wenigen hauptberuflichen Slavisten<br />
treffen uns auf internationalen Konferenzen immer<br />
wieder, man knüpft Kontakte. So habe ich auch Birgit<br />
Menzel vom Institut für Slavistik in Germersheim<br />
kennengelernt. Als ich ihr von meinem Vorhaben erzählte,<br />
stellte sie mich Prof. Frank Göbler vom <strong>Mainz</strong>er<br />
Institut für Slavistik vor. So ergab es sich dann,<br />
dass ich einen Teil meines Forschungsaufenthalts<br />
hier in <strong>Mainz</strong> verbringe.<br />
<strong>JOGU</strong>: Vor wenigen Tagen hat das Institut für Slavistik<br />
seine „Kasack-Bibliothek“ eingeweiht. War<br />
das auch ein Grund für Sie, nach <strong>Mainz</strong> zu kommen?<br />
dass dafür aber einzigartig ist. Gefreut habe ich<br />
mich vor allem auf den Austausch mit den Kollegen<br />
hier am Institut. Prof. Frank Göbler und Dr. habil.<br />
Rainer Goldt haben beide schon zu Teilaspekten<br />
meines Forschungsgebiets publiziert – da ergeben<br />
sich spannende Fachgespräche.<br />
<strong>JOGU</strong>: Worin besteht Ihr aktuelles Forschungsprojekt?<br />
RUBINS: Ich arbeite an einer Monographie über<br />
die Generation russischer Schriftsteller, die hauptsächlich<br />
in den 1930er Jahren im französischen Exil<br />
schriftstellerisch tätig waren. Dabei steht vor allem<br />
die „junge Generation“ im Vordergrund: Gajto Gazdanov,<br />
Boris Poplavskij, Nina Berberova, Ekaterina<br />
Bakunina. Sie alle lebten im Paris der Zwischenkriegsjahre,<br />
waren zweisprachig und identifizierten<br />
sich mit der französischen Kultur. Trotzdem griffen<br />
sie in ihrem literarischen Arbeiten auf das Russische<br />
als kreative Sprache zurück – und so entstand ein<br />
ganz eigener Mix aus französischer und russischer<br />
Kultur, Tradition und Sprache.<br />
<strong>JOGU</strong>: Welchen neuen Beitrag leistet Ihre Forschungsarbeit<br />
für die Slavistik?<br />
RUBINS: In der Geschichte der Emigrantenliteratur<br />
der 1930er Jahre gibt es viele Lücken, die ich<br />
schließen möchte. Ein Beispiel: Irene Nemirovskij. In<br />
den 1930er Jahren war sie in Frankreich eine sehr<br />
bekannte Autorin, kam 1942 in den Konzentrationslagern<br />
von Auschwitz um, geriet in den Nachkriegsjahren<br />
fast vollständig in Vergessenheit. Nur<br />
ihrer Tochter ist zu verdanken, dass wir uns heute<br />
überhaupt an sie erinnern.<br />
<strong>JOGU</strong>: Wie gelangen Sie an Material für Ihr Buch?<br />
RUBINS: Mein Stipendium ermöglicht es mir, mehrere<br />
europäische Forschungseinrichtungen zu besuchen.<br />
Natürlich liegt es in meinem Fall nahe, in<br />
Frankreich auf Spurensuche zu gehen. Deshalb reise<br />
ich schon morgen nach Caen. In diesem kleinen<br />
französischen Städtchen sind alle verfügbaren Materialien<br />
über Irene Nemirovskij gesammelt. Weiter<br />
geht es dann unter anderem in die Pariser Turgenev-<br />
Bibliothek. Außerdem werde in an der Université<br />
Paris in Nanterre zu Gast sein und dann nach Russland<br />
weiterreisen. Die letzten beiden Monate meiner<br />
Forschungsreise bin ich dann wieder in <strong>Mainz</strong>,<br />
um in Ruhe die Ergebnisse zusammenzutragen und<br />
einen ersten Druckentwurf anzufertigen.<br />
<strong>JOGU</strong>: Sie sind in Leningrad, dem heutigen Sankt-<br />
Petersburg geboren, haben in den USA studiert und<br />
später unterrichtet, leben jetzt seit fünf Jahren in<br />
Europa, lieben Paris und arbeiten in London. Wo ist<br />
Ihre Heimat?<br />
RUBINS: Ich fühle mich an vielen Orten in der Welt<br />
wohl – weil ich auch an vielen Orten der Welt Freunde<br />
habe. Einen Großteil meines Lebens habe ich in<br />
den USA verbracht, besitze sowohl die russische als<br />
auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Meine<br />
Eltern, meine gesamte Familie lebt in Russland. Ich<br />
fliege jedes Jahr ein paar mal zu ihnen – und fühle<br />
noch immer eine ganz tiefe Verbindung mit „meiner<br />
Stadt“ Sankt-Petersburg.<br />
<strong>JOGU</strong>: Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.<br />
Das Interview führte Kathrin VOIGT ■<br />
Interview<br />
Foto: privat<br />
RUBINS: Kasack war einer der bedeutendsten<br />
Slavisten der Gegenwart und seine Sammlung von<br />
Briefwechseln und anderen Aufzeichnungen birgt in<br />
der Tat wahre Schätze. Kasacks Hauptinteresse galt<br />
jedoch einer älteren Generation sowjetrussischer<br />
Schriftsteller als ich momentan untersuche. Insofern<br />
bietet das sehr gut organisierte Kasack-Archiv für<br />
mein Forschungsprojekt zwar nur wenig Material,<br />
Humblodt-Stipendiatin Rubins: „In der Geschichte der Emigrantenliteratur<br />
der 1930er Jahre gibt es viele Lücken, die ich schließen möchte.”<br />
21<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Wissenschaft & Forschung<br />
Fotos: privat<br />
Nur eine Illusion?<br />
Dilthey-Fellowship für innovatives geisteswissenschaftliches Forschungsprojekt<br />
Maximal zehn hoch qualifi zierte Nachwuchswissenschaftler<br />
erhalten pro Jahr die besondere Unterstützung der Initiative „Pro Geisteswissenschaften“,<br />
die im Jahr 2005 von vier großen privaten Förderorganisationen ins<br />
Leben gerufen wurde. Dr. Tobias Müller, seit Oktober 2008 Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter des Arbeitsbereiches Praktische Philosophie der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-<br />
Universität <strong>Mainz</strong>, wurde für sein neues Forschungsprojekt auf dem Gebiet der<br />
Gehirn-Geist-Debatte mit einem Dilthey-Fellowship ausgestattet – eine besondere<br />
Auszeichnung der VolkswagenStiftung/Fritz-Thyssen-Stiftung, die für innovative<br />
geisteswissenschaftliche Forschung vergeben wird. „Das Rätsel des Bewusstseins.<br />
Auf der Suche nach einer integralen Theorie“ lautet sein Forschungsprojekt<br />
und ist am Philosophischen Seminar bei Prof. Stephan Grätzel angesiedelt.<br />
Jeder kennt es: das untrügliche Gefühl, Herr der eigenen<br />
Handlungen zu sein. Wir sind meist davon<br />
überzeugt, zwischen mehreren Handlungsalternativen<br />
frei wählen zu können und letztlich unser Leben<br />
selbst in der Hand zu haben. Doch seit die moderne<br />
Hirnforschung versucht, Handlungen, Denkabläufe<br />
und Gefühle durch Prozesse im Gehirn zu erklären,<br />
steht der freie Wille zur Diskussion. Ist der freie Wille<br />
lediglich eine Illusion, die das menschliche Gehirn<br />
Tobias Müller studierte in <strong>Mainz</strong> und Frankfurt Philosophie,<br />
Physik und Theologie und war fünf Jahre<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Religionsphilosophie<br />
Fachbereich Kath. Theologie der Goethe-Universität<br />
Frankfurt am Main. Seine Doktorarbeit<br />
„Gott-Welt-Kreativität. Eine Analyse der Philosophie<br />
A.N. Whiteheads“ erschien im Schöningh Verlag.<br />
hervorbringt? Ist es möglich, Antworten auf diese<br />
Frage zu fi nden? Dr. Tobias Müller beschäftigt sich<br />
in seiner Arbeit mit den Vorstellungen und Konzepten<br />
vom menschlichen Bewusstsein und in der Folge<br />
dem Selbstverständnis des Menschen. Im Rahmen<br />
seines aktuellen Forschungsgebietes interessieren<br />
ihn auch die lebenspraktischen Konsequenzen. Er<br />
bezieht dabei die jüngsten Erkenntnisse der Neurowissenschaften<br />
ein, ohne jedoch den Schlussfolgerungen<br />
mancher Hirnforscher zu folgen, wonach<br />
der Mensch unfrei und determiniert ist, dass alle<br />
Ereignisse, die geschehen, eine zwangsläufi ge und<br />
eindeutige Folge aus vorangegangenen Ereignissen<br />
sind und keine Alternativen existieren.<br />
Es ist politisch, juristisch und<br />
sozial folgenreich, ob man sein<br />
Gegenüber als determinierte<br />
Biomaschine oder als frei<br />
handelndes Subjekt ansieht.<br />
Der Erkenntnisgewinn in der Neurobiologie schreitet<br />
mit einem atemberaubenden Tempo voran.<br />
Im Bereich der kognitiven Leistungen hat sich die<br />
funktionalistische Analyse der Kognitionswissenschaften<br />
als ein hervorragendes Instrumentarium<br />
der Erkenntnisgewinnung herausgestellt und die<br />
hier gewonnenen Erkenntnisse können mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit auch zu therapeutischen Zwecken<br />
nutzbar gemacht werden. Allerdings ist die<br />
entscheidende und sehr unterschiedlich beantwortete<br />
Frage, wieweit die Konsequenzen der neurobiologischen<br />
Ergebnisse auch für die Konzeption einer<br />
Bewusstseinstheorie und damit gleichzeitig für das<br />
Selbstverständnis des Menschen reichen. Wenn es<br />
sich herausstellen sollte, dass freie Handlungen<br />
gar nicht möglich sind, ist jegliche Ethik überfällig.<br />
Wenn es nur sehr begrenzt freie Handlungen gibt,<br />
müsste dies gesellschaftlich berücksichtigt werden.<br />
Der Umgang der Menschen untereinander ist eben<br />
auch von dem theoretischen Konzept von Geist und<br />
Seele abhängig. Es ist politisch, juristisch und sozial<br />
folgenreich, ob man sein Gegenüber als determinierte<br />
Biomaschine oder als frei handelndes Subjekt<br />
ansieht.<br />
Die neuen Ergebnisse der Neurowissenschaften<br />
führen also<br />
unvermeidlich zu den Fragen,<br />
wie sich Neurowissenschaften<br />
und Philosophie des Geistes<br />
verbinden können.<br />
Die neuen Ergebnisse der Neurowissenschaften<br />
führen also unvermeidlich zu den Fragen, wie sich<br />
Neurowissenschaften und Philosophie des Geistes<br />
verbinden können, ob Gehirnzustände mit Bewusstseinszuständen<br />
identisch sind und ob unser freier<br />
Wille als Illusion entlarvt ist. Da die Tragweite der<br />
neurobiologischen Ergebnisse aus methodischen<br />
Gründen sich nicht aus der Neurobiologie selbst<br />
ergibt, stellt sich hier eine philosophische Aufgabe.<br />
Diese Fragen machen das Projekt einer philosophischen<br />
Bewusstseinstheorie unumgänglich.<br />
Dr. Müller hält es einerseits für notwendig, die empirisch<br />
gesicherten neurobiologischen Erkenntnisse<br />
in eine angemessene Deutung des Menschseins<br />
einzubegreifen, andererseits zu bedenken, dass sich<br />
die anthropologische Tragweite naturwissenschaftlicher,<br />
zum Beispiel neurobiologischer Befunde, nicht<br />
schon aus der Neurobiologie selbst ergibt. Denn als<br />
Naturwissenschaft sind für sie bestimmte methodische<br />
Einstellungen konstitutiv, die historisch und<br />
lebensweltlich weder selbstverständlich noch ausschließlich<br />
sind. Damit ergibt sich die Frage, inwieweit<br />
Theorien des Geistes die Ebene der von ihnen<br />
in Anspruch genommenen Bewusstseinsphänomene<br />
Phänomen-adäquat einholen können. Schon von<br />
daher ist das Bestreben gerechtfertigt, eine integrative<br />
Theorie des Bewusstseins zu entwickeln.<br />
Interessant ist hier die Tatsache, dass sich innerhalb<br />
der philosophischen Debatte aufgrund der Probleme<br />
reduktionistischer Theorien zwei Ansätze herausgebildet<br />
haben, die dem Anspruch auf eine integrale<br />
Sicht auf das Bewusstsein gerecht werden wollen:<br />
Die sogenannte Emergenztheorie und der Pan-<br />
Proto-Psychismus. Beide Ansätze gehen davon aus,<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
22
Wissenschaft & Forschung<br />
dass sich Geistiges nicht einfach auf Physikalisches<br />
reduzieren lässt. Dabei bleiben wichtige Fragen in<br />
beiden Ansätzen ungeklärt, was eben deshalb gravierend<br />
ist, weil sich gerade Kerngedanken beider<br />
Ansätze für eine integrale Bewusstseinstheorie als<br />
wertvoll erweisen könnten.<br />
Ziel des Forschungsprojekts ist es, so Dr. Tobias<br />
Müller, den „ontologischen“ und systematischanthropologischen<br />
Erklärungswert der vorgestellten<br />
naturwissenschaftlich vorgehenden Theorien<br />
herauszuarbeiten und für das Bewusstseinsproblem<br />
fruchtbar zu machen. Der thematische Fokus liegt<br />
hier auf den Konzepten der Emergenz, des Panpsychismus,<br />
wissenschaftstheoretischer Implikationen<br />
des Reduktionismus, des Problems der Willensfreiheit<br />
und des phänomenalen Bewusstseins. Vor allem<br />
soll im Rahmen der Forschung herausgearbeitet<br />
werden, wie die naturwissenschaftlichen Modelle<br />
und die philosophische Refl exion zusammenarbeiten<br />
können, um auf dem neusten Stand sowohl der<br />
gegenwärtigen Naturforschung als auch philosophischer<br />
Refl exion einen weiterführenden Beitrag zur<br />
Lösung des Rätsels des Bewusstseins zu leisten. Dabei<br />
werden vor allem naturphilosophische Konzepte<br />
wie „Materiebegriff“, kausale Geschlossenheit der<br />
physischen Welt, „Kausalitätsbegriff“ beleuchtet<br />
und hierbei könnte auch die Quantenphysik entscheidende<br />
Impulse für eine philosophische Refl exion<br />
liefern, da sie Annahmen der „klassischen“ Physik<br />
grundlegend relativiert hat, die auch für diese<br />
Diskussion relevant sind.<br />
Das Projekt „Das Rätsel des Bewusstseins. Auf der<br />
Suche nach einer integralen Theorie“ bietet somit<br />
die Möglichkeit, einen internationalen und interdisziplinären<br />
Gedankenaustausch zu initiieren, zu dem<br />
Fachleute verschiedener Disziplinen und Richtungen<br />
zu Diskussionen regelmäßig zusammenkommen.<br />
Die Gründung eines Netzwerks von Nachwuchswissenschaftlern<br />
aus verschiedenen Disziplinen und<br />
Richtungen sieht Dr. Müller als wichtigen Teil des<br />
Projekts an, denn in der interdisziplinären Debatte<br />
um das Bewusstsein ist es sinnvoll, ein Forum für<br />
Nachwuchswissenschaftler zu schaffen, in dem verschiedene<br />
Richtungen und Ansätze, vor allem aber<br />
in der Diskussion bislang einfach vorausgesetzte<br />
Konzepte diskutiert werden können.<br />
Auch die Quantenphysik könnte<br />
entscheidende Impulse für<br />
eine philosophische Reflexion<br />
liefern, da sie Annahmen der<br />
„klassischen“ Physik grundlegend<br />
relativiert hat.<br />
Dieses Nachwuchs-Netzwerk wurde im letzten Oktober<br />
auf einer Konferenz in Stuttgart gegründet<br />
und besteht bereits kurz nach seiner Gründung aus<br />
über 20 Mitgliedern aus den Gebieten der Philosophie,<br />
Medizin, Kognitionswissenschaften, Physik,<br />
Mathematik, Biologie und Theologie. Geplant sind<br />
nun eine Reihe von Tagungen und Workshops, zu<br />
denen Experten für spezielle thematische Aspekte<br />
eingeladen werden und Raum geschaffen wird, die<br />
verschiedenen Stärken und Schwächen der Ansätze<br />
zu diskutieren. Auch hier soll der thematische<br />
Schwerpunkt auf wichtige Konzepte gelegt werden,<br />
die bislang nur am Rande der Diskussion um die<br />
Geist-Gehirn-Problematik vorkamen, aber trotzdem<br />
von großer Bedeutung sind. Ein solcher „Rahmen“<br />
könnte die Diskussion um das Bewusstsein und<br />
die damit verbundene anthropologische Dimension<br />
nachhaltig beeinfl ussen, insofern hier Grundprinzipien<br />
und -begriffe interdisziplinär beleuchtet<br />
und Verkürzungen aufgedeckt werden könnten,<br />
was sich dann auch in der öffentlichen Diskussion<br />
in Form einer differenzierteren Perspektive niederschlagen<br />
könnte.<br />
Für Müllers Projekt ist der Standort <strong>Mainz</strong> besonders<br />
günstig, da er vor Ort eine ganze Reihe von<br />
Experten als Gesprächspartner hat. Auch eine eventuelle<br />
Kooperation mit dem „Interdisziplinären Forschungszentrum<br />
für Neurowissenschaften (IFZN)“,<br />
das eine eigene Abteilung für Neurophilosophie besitzt,<br />
könnte zu den idealen Rahmenbedingungen<br />
für sein Vorhaben beitragen.<br />
Das Projekt ist nicht nur von großer gesellschaftlicher<br />
Relevanz und Aktualität. Tobias Müller sieht<br />
hier gleichzeitig auch die Möglichkeit der Kooperation<br />
zwischen der Philosophie und den empirisch arbeitenden<br />
Wissenschaften wie Neurowissenschaften<br />
und Physik, kritisch-konstruktive Perspektiven<br />
in aktuellen Debatten fruchtbar zu machen. Und<br />
vielleicht in absehbarer Zeit eine Antwort zu fi nden<br />
auf die Frage: „Ist der freie Wille lediglich eine Illusion?“<br />
Maria COLOMBO ■<br />
Das Rätsel des Bewusstseins: Dr. Tobias Müller bei Vortrag in Stuttgart.<br />
23<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Campus international<br />
Das moderne Indien entdecken<br />
Von alten Schriften hin zu aktuellen<br />
Wirtschaftsthemen Ähnlich<br />
wie die USA in der Zeit nach dem<br />
2. Weltkrieg birgt nun Indien, ebenso<br />
wie China natürlich, große Zukunftshoffnungen,<br />
vor allem was die<br />
wirtschaftliche Entwicklung betrifft.<br />
Entsprechend formiert sich auch die<br />
<strong>Mainz</strong>er Indologie neu, mit jetzt stärkerem<br />
Fokus auf das moderne Indien.<br />
Foto: Elke Mohr<br />
„Memorandum of Understanding“: Nach der Unterzeichnung im Büro des Präsidenten.<br />
„Vor kurzem haben wir eine neue Disziplin innerhalb<br />
unseres Instituts gegründet“, sagt Dr. Ajit-Singh<br />
Sikand, einer der Dozenten in <strong>Mainz</strong>. „Wir nennen<br />
sie ‚Indian Area Studies‘ und meinen damit vor allem<br />
das neue Indien, das nun verstärkt bearbeitet werden<br />
soll. Dazu gehören zum Beispiel die boomende<br />
Filmindustrie und die IT-Branche.“ Bollywood macht<br />
mittlerweile mehr Umsatz als ihr US-amerikanisches<br />
Pendant und von den hochqualifi zierten Computer-<br />
Spezialisten des indischen Subkontinents haben wir<br />
alle schon gehört. Natürlich bleiben auch die verschiedenen<br />
indischen Religionen und Sprachen ein<br />
Schwerpunkt der studentischen Ausbildung. Aber es<br />
sind eben nicht mehr nur religiöse Schriften, zum<br />
Beispiel in Sanskrit, sondern auch Filmvorführungen,<br />
mit denen Lehrinhalte vermittelt werden; so<br />
sehen die Studierenden Bollywood-Filme im Original<br />
ohne Untertitel und lernen dadurch Hindi. Institutsleiter<br />
Prof. Dr. Konrad Meisig pfl ichtet seinem<br />
Kollegen bei. Er möchte die Indologie ebenfalls modernisieren<br />
und den Bogen schlagen von den alten<br />
Schriften hin zu aktuellen Wirtschaftsthemen. „Wir<br />
müssen mit unserem Lehrangebot der Stellung und<br />
Wichtigkeit Indiens in der Weltgemeinschaft Rechnung<br />
tragen“, sagt er und ergänzt: „Die Anfragen<br />
aus der Industrie nehmen zu und wir versuchen,<br />
verstärkt mit Unternehmen zu kooperieren. Darüber<br />
hinaus setzen wir auf eine stärkere Zusammenarbeit<br />
mit indischen Universitäten.“<br />
„Wir müssen mit unserem<br />
Lehrangebot der Stellung und<br />
Wichtigkeit Indiens in der<br />
Weltgemeinschaft Rechnung<br />
tragen.“<br />
Bislang bestehen vier Kooperationen, und zwar mit<br />
den Universitäten in Amritsar, Haridwar, Patiala und<br />
Madurai. Letztere ist auch einer der Orte, an denen<br />
kürzlich ein Indisch-Deutsches Symposium stattfand.<br />
Anlass war der 300. Geburtstag des Sri Guru<br />
Granth Sahib, des heiligen Buches der Sikhs. Der<br />
Sikhismus ist eine monotheistische Hochreligion,<br />
die im 15. Jahrhundert im indischen Bundesstaat<br />
Foto: Frank Erdnüß<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
24
Campus international<br />
Punjab entstanden ist. Heute zählt sie rund 18<br />
Millionen Gläubige, die zum größten Teil noch im<br />
Punjab leben. Das Symposium begann am 12. November<br />
im Institut für Wissenschaftliche Irenik der<br />
Goethe-Universität Frankfurt am Main. Dieses von<br />
Prof. Dr. Edmund Weber geleitete Institut ist dem<br />
Theologischen Fachbereich der Goethe-Universität<br />
angeschlossen und widmet sich unter anderem<br />
den Beziehungen der Weltreligionen zueinander<br />
sowie ihren Möglichkeiten, den Frieden in der Welt<br />
zu sichern. An den beiden Folgetagen trafen sich<br />
die Experten dann in <strong>Mainz</strong> und vom 17. bis 19.<br />
Dezember 2008 fand der dritte Teil an der Kamraj<br />
University im südindischen Madurai statt. Neben<br />
zahlreichen Fachvorträgen zur Sikhismus-Forschung<br />
gab es bei dem Treffen in <strong>Mainz</strong> einen weiteren Höhepunkt:<br />
Die Zusammenarbeit zwischen der <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Universität und der Gurukul Kangri<br />
University im indischen Haridwar wurde schriftlich<br />
fi xiert. Dazu unterzeichnete der Vice-Chancellor<br />
der Universität Haridwar, Prof. Swatanter Kumar,<br />
mit Prof. Dr. Georg Krausch, Präsident der <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Universität, ein ‚Memorandum of<br />
Understanding‘. „Wir wollen damit unter anderem<br />
den Austausch von Studierenden fördern, die an der<br />
jeweiligen Partner-Uni zum Beispiel ihre Doktorarbeit<br />
machen“, erklärt Sikand. Derzeit bestehen hier<br />
noch gravierende logistische Probleme, was etwa<br />
die Einreiseformalitäten in Deutschland betrifft. So<br />
lief die Erteilung von Visa für die indischen Konferenzteilnehmer<br />
keineswegs reibungslos, obwohl<br />
Meisig eigens mit dem deutschen Botschafter in<br />
Neu Dehli telefoniert hatte. „Da erhoffen wir uns<br />
eine deutliche Verbesserung in der Zukunft“, sagt<br />
der Indologe. Von politischer Seite ist ebenfalls<br />
Unterstützung zugesichert worden. Im März <strong>2009</strong><br />
wird Ministerpräsident Kurt Beck nach Indien reisen,<br />
sicher mit zahlreichen Kooperationsangeboten<br />
im Gepäck.<br />
„Wir setzen auf eine stärkere<br />
Zusammenarbeit mit<br />
indischen Universitäten.“<br />
Die Attraktion des Rahmenprogramms war dann<br />
das Konzert „Long Night of Indian Classical Music“<br />
am 13. November 2008. Zu ihrem ersten Deutschland-Besuch<br />
waren sieben Musiker aus dem Punjab<br />
angereist, allen voran der in Indien hoch verehrte<br />
Dhrupad-Sänger Surinder Pal Singh Der Mittsiebziger<br />
gestaltete mit seiner Gruppe einen musikalischen<br />
Abend an der Uni <strong>Mainz</strong>, bei dem er den<br />
mehr als 60 begeisterten Zuhörern eine Mischung<br />
aus meditativen und spirituellen Liedern in Dhrupad-Tradition<br />
bot. Dhrupad ist die Älteste Form<br />
klassischer Musik in Indien, die heute noch existiert.<br />
Sie ging aus dem Singen gebetsähnlicher Hymnen<br />
und Mantras hervor und stellt heute sowohl eine<br />
bestimmte Form von Poesie als auch einen Musikstil<br />
dar, in dem die Verse melodisch vertont werden.<br />
Dhrupad gilt als hochentwickelte, klassische<br />
Kunst mit komplexer Grammatik und Ästhetik, die<br />
Surinder Pal Singh meisterhaft beherrscht. Normalerweise<br />
musizieren er und seine Freunde vor einem<br />
wesentlich größeren Publikum in den Tempeln ihrer<br />
Heimat, doch auch in der so andersartigen Atmosphäre<br />
in <strong>Mainz</strong> fühlten sich die Musiker sichtlich<br />
wohl. Anschließend reisten sie dann noch zu weiteren<br />
Konzerten nach Hamburg, Berlin und Frankfurt.<br />
Das Institut für Indologie in <strong>Mainz</strong> besteht seit 1958<br />
und gehört dem Fachbereich 5, „Philosophie und<br />
Philologie“ an. Es bietet eine der wenigen Möglichkeiten<br />
in Deutschland Indologie zu studieren, denn<br />
in den letzten fünf Jahren schrumpfte die Zahl der<br />
Indologie-Institute von 18 auf acht; <strong>Mainz</strong> ist dabei<br />
der einzige Vertreter unseres Bundeslandes, genau<br />
wie Marburg in Hessen, dessen Fachgebiet Indologie<br />
gerade so an der Schließung vorbei schrammte.<br />
In <strong>Mainz</strong> nehmen zurzeit 123 Studierende am<br />
Lehrangebot teil, das mit einem von der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft geförderten Schwerpunkt<br />
‚Buddhistisches Chinesisch‘ auf sich aufmerksam<br />
macht. „Hier werden ursprünglich auf indisch verfasste<br />
Texte aus dem Chinesischen rückübersetzt<br />
(ins Deutsche und ins Englische), da die indischen<br />
Originale aus dem 3. und 4. Jahrhundert nach Christus<br />
verschollen sind“, erklärt Meisig. Ein spannendes<br />
Studienfach also, dessen Veranstaltungen teilweise<br />
in Englisch gehalten werden; denn indische<br />
Gastdozenten sind eine feste Größe im Dozentenpool<br />
des Instituts. So unterrichtet im Wintersemester<br />
2008/09 Prof. Sukhwant S. Bindra von der Guru<br />
Nanak Dev University in Amritsar im Rahmen des<br />
von der indischen Regierung fi nanzierten „Chair<br />
of India Studies“ hier in <strong>Mainz</strong> indische Politik. Amritsar<br />
liegt im Punjab, der Kornkammer Indiens, und<br />
bildet auch die Hochburg der Sikhs. Im Goldenen<br />
Tempel von Amritsar wird das heilige Buch aufbewahrt,<br />
dessen 300. Geburtstag jetzt gefeiert<br />
wurde.<br />
Frank ERDNÜSS ■<br />
Der Sänger Surinder Pal Singh (Mitte) mit<br />
seiner Gruppe. Neben der Trommel (Tabla)<br />
und dem Harmonium (links) wird auch eine<br />
Dilruba gespielt, das traditionelle indische<br />
Saiteninstrument mit Bogen.<br />
25<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Campus international<br />
Die Schönheit der<br />
menschlichen Sprache<br />
Von den indigenen Völkern<br />
Kanadas Zum Auftakt des Symposiums<br />
„First Nations“ waren die kanadisch-indianischen<br />
Künstler Tomson<br />
Highway und Drew Hayden Taylor zu<br />
Gast des Zentrums für Interkulturelle<br />
Studien (ZIS). Der literarisch-musikalische<br />
Abend vertiefte das Thema der<br />
Fachvorträge am darauffolgenden Tag.<br />
Was hat Johann Sebastian Bach mit dem kulturellen<br />
Selbstverständnis eines Musikers des kanadischen<br />
Cree-Volkes zu tun? Für den Schriftsteller und Musiker<br />
Tomson Highway gibt es eine ganze Menge<br />
von Querverbindungen. Denn den Thomaskantor<br />
Bach nennt Highway augenzwinkernd – ebenso wie<br />
Schubert – als wichtiges Vorbild für seine eigene<br />
Musik. Einen bunten Querschnitt aus seinen Chansons<br />
und Liedern stellte der Künstler im Wintersemester<br />
zusammen mit der Sängerin Patricia Cano<br />
und dem Saxophonisten Peter Ehwald auf Einladung<br />
des Zentrums für Interkulturelle Studien (ZIS)<br />
an der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität vor.<br />
An demselben Abend, mit dem das Symposium „First<br />
Nations“ eröffnet wurde, trat auch der Schriftsteller<br />
Drew Hayden Taylor auf. Damit waren die beiden<br />
Der Musiker<br />
Tomson Highway<br />
und die Sängerin<br />
Patricia Cano<br />
bekanntesten zeitgenössischen kanadisch-indianischen<br />
Autoren zu Gast an der <strong>Mainz</strong>er Hochschule.<br />
Sie gaben einen Einblick in die kanadisch-indianische<br />
Kultur – „eine der faszinierendsten kulturellen<br />
Ausdrucksformen Nordamerikas“, wie ZIS-Sprecher<br />
Professor Dr. Anton Escher betonte. Dass die Auseinandersetzung<br />
mit Begriff und Kontext der „First<br />
Nations“ nicht leicht ist, machte Hayden Taylor auf<br />
spielerisch-satirische Weise deutlich: Der 1962 geborene<br />
Autor, von dem in den letzten Jahren der<br />
Vampirroman „The Night Wanderer: A Native Gothic<br />
Novel“ und die Satire „Berlin Blues“ erschienen<br />
sind, spiegelte die sentimentale Außen- wie<br />
Binnensicht auf das Leben der indianischen Völker<br />
Kanadas mit ironisch gebrochenen Szenen wider.<br />
Anekdoten, Gags und Bonmots<br />
kreisten immer wieder um die<br />
Schönheit der menschlichen<br />
Sprache in ihrer ganzen<br />
Vielfalt.<br />
Das Spiel mit den Perspektiven, das kunstvolle Verweben<br />
von Realität und Fiktion prägte anschließend<br />
den Auftritt von Tomson Highway: Patricia Cano<br />
trug mit einer soulsatten, kraftvollen Stimme eine<br />
Auswahl von Stücken aus Highways Musicals vor,<br />
vor allem aus seinem jüngsten Werk „Rose“. Das<br />
waren Songs mit großer Intensität von Musik und<br />
Text, die bei allen farbenfrohen Szenen das Leben<br />
der kanadisch-indianischen „First Nations“ spiegeln:<br />
Hier die Casinoeröffnung mit Elvis-Imitator<br />
als Grundlage eines modernen Wirtschaftsbetriebs.<br />
Dort der Kampf der alten Rose, Vorsitzende der<br />
Reservation, um den Erhalt der Traditionen ihres<br />
Volkes.<br />
Der philosophisch tiefen Betrachtung solcher Phänomene<br />
ließ Tomson Highway bei dem Auftritt im<br />
Hermann-Staudinger-Saal des Max-Planck-Institutes<br />
für Polymerforschung jedoch keinen Raum:<br />
Zwischen Klavier und Mikrophon wechselnd, gab er<br />
den Takt des gemeinsamen Programms mit der kanadischen<br />
Sängerin und dem deutschen Saxophonisten<br />
vor. Anekdoten, Gags und Bonmots kreisten<br />
dabei immer wieder um die Schönheit der menschlichen<br />
Sprache in ihrer ganzen Vielfalt. Musikalisch<br />
griff Patricia Cano dieses Motiv unter anderem mit<br />
einem Chanson auf, der zwischen Französisch und<br />
anderen Sprachen wechselte. Was jedoch die allerschönste<br />
Sprache der Welt ist, daran ließ Tomson<br />
Highway keinen Zweifel: „Cree is the most beautiful<br />
language of the world“, betonte der Künstler –<br />
gleich danach komme jedoch auch schon Deutsch.<br />
Auf den gut besuchten musikalisch-literarischen<br />
Abend im großen Saal des MPI folgte am zweiten<br />
Tag des Symposiums eine Reihe von Vorträgen. Deren<br />
Schwerpunkte und Blickrichtungen erwiesen<br />
sich als ähnlich vielfältig wie das Programm der beiden<br />
kanadisch-indianischen Künstler: Professor Dr.<br />
Stephen Muecke, Direktor des „Transforming Cultures<br />
Reserach Centre“ aus Sydney, weitete die Perspektive<br />
des Blicks auf den Naturbegriff indigener<br />
Kulturen. Die Journalistin Dr. Margit Klingler-Clavijo<br />
betrachtete unter dem Titel „Der Blumenkrieg“ indigene<br />
Lyrik aus Mexiko. Dr. Kerstin Vogel (Universität<br />
<strong>Mainz</strong>) lotete in ihrem Vortrag „Challenging the<br />
Constitution: On Native American Representation<br />
in the Early 19th Century“ die politikhistorische<br />
Dimension indigener Kultur aus. Mit Kosmologien<br />
nordamerikanischer indigener Völker setzte sich<br />
Dr. Birgit Däwes (Universität Würzburg) in ihrem<br />
Beitrag „The Globe of the World as it Floats in<br />
Space“ auseinander. Und Professor Dr. Helmbrecht<br />
Breinig (Universität Erlangen-Nürnberg) betrachtete<br />
schließlich das Thema „Evil in Native North American<br />
Literature“.<br />
Das Symposium „First Nations“ stand in einer Tradition<br />
ähnlicher ZIS-Veranstaltungen der vergangenen<br />
Jahre. Das vor 11 Jahren gegründete Zentrum,<br />
an dem rund 100 Wissenschaftler aus Geistes- und<br />
Sozialwissenschaften mitarbeiten, ist in der Vielfalt<br />
seiner Themen einmalig in der deutschen Interkulturalitätsforschung.<br />
Peter THOMAS ■<br />
Foto: Peter Thomas<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Kultur auf dem Campus<br />
Vom Leben, der Liebe<br />
und Einkaufszentren<br />
Autor liest aus seinen Werken Der Schriftsteller und Journalist Kolja Mensing<br />
kam eigentlich nur deshalb nach <strong>Mainz</strong>, um aus seinen Büchern „Minibar“ und<br />
„13. Shop“ zu lesen. So, wie er es in vielen anderen Städten auch macht. Doch<br />
im Philosophicum der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität war auf einmal alles<br />
anders. Aus einer normalen Lesung wurde eine besondere Begegnung.<br />
Seine Texte sind kurz aber<br />
effektvoll: Kolja Mensing<br />
Foto: Juliane Henrich<br />
besteht auf den ersten Blick kaum ein Unterschied<br />
zwischen ihnen und dem Schriftsteller aus Berlin.<br />
Mensing trägt einen grauen Pulli, dazu dunkelblaue<br />
Jeans, wirkt lässig, unprätentiös. Das macht ihn<br />
sympathisch. Er präsentiert sich so, wie er ist.<br />
Kolja Mensing sagt über sich, er sei vor der Arbeit<br />
in Bremen ein Mensch gewesen, der nur ungern in<br />
solche Einkaufszentren gegangen sei. Er habe sich<br />
dort immer unwohl gefühlt – weil es dort laut sei,<br />
wuselig, überall blinke irgendetwas, man könne sich<br />
nicht konzentrieren, außerdem rieche es nach 1.000<br />
Dingen, die nicht richtig zusammenpassten. „Doch<br />
auf einmal war das toll“, sagt er, „wir hatten während<br />
der vier Wochen auch viel Zeit, um über uns<br />
selbst nachzudenken, uns zu besinnen.“<br />
Die Pointen seien „sehr ruhig<br />
gesetzt“ gewesen – doch genau<br />
mit diesem Stil habe der<br />
Schriftsteller „die schlimmsten<br />
Kommunikationsstörungen<br />
dargestellt, die es unter<br />
Menschen gibt.“<br />
Kolja Mensing hat sich geirrt und freut sich nun darüber.<br />
„Als ich nach <strong>Mainz</strong> gekommen bin, dachte<br />
ich eigentlich“, sagt er, „dass ich hier niemanden<br />
kenne.“ Doch das stimmt nicht. „Heute Abend ist<br />
der Neffe meines Großvaters hier, zusammen mit<br />
seiner Frau.“ Mensing fi ndet das großartig. Denn<br />
vorher sind sie sich noch nie begegnet. Bloß ein<br />
Foto hat er mal gesehen.<br />
Jetzt sitzen sie also zum ersten Mal beisammen:<br />
Kolja Mensing, der Schriftsteller aus Berlin, und<br />
der Neffe des Großvaters mit seiner Frau, beide aus<br />
<strong>Mainz</strong>. Doch es ist kein privates Treffen, sondern<br />
eine Lesung. In „P 110“, einem Seminarraum im<br />
Philosophicum der Universität. Kolja Mensing liest,<br />
der Neffe seines Großvaters sitzt im Auditorium und<br />
hört zu.<br />
Mensing – Jahrgang 1971, geboren in Oldenburg –<br />
arbeitet nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als<br />
Literaturkritiker und freier Journalist. Seit 2003 lebt<br />
er in Berlin. Im Jahr 2002 hat er ein Buch über das<br />
Aufwachsen in der Provinz geschrieben, Titel: „Wie<br />
komme ich hier raus?“ Danach hat er ein paar interaktive<br />
Projekte gemacht, mit seinem Kollegen<br />
Florian Thalhofer. Unter anderem haben sie zusammen<br />
vier Wochen lang in einem Einkaufszentrum in<br />
Bremen gelebt. Daraus entstanden später ein Dokumentarfi<br />
lm und ein Buch.<br />
2007 erschien „Minibar“, ein Band mit kurzen Erzählungen.<br />
Überhaupt mag es Mensing eher kurz.<br />
Kurz, aber effektvoll. In „Minibar“ schreibt er über<br />
das Leben und die Liebe. Bei Mensing hört sich das<br />
so an: „Wieder verging ein Jahr, und als ich schon<br />
fast nicht mehr an sie dachte, stand sie plötzlich vor<br />
meiner Tür. Ich bin zurück, sagte sie. Noch einmal<br />
versuchten wir, ein Liebespaar zu werden. Diesmal<br />
endete es richtig schlimm. “Mensing liest nicht nur<br />
aus „Minibar“ sondern trägt auch einige kurze<br />
Geschichten aus „13. Shop“ vor. Darin geht es um<br />
Menschen, die er und Florian Thalhofer während ihres<br />
Projekts im Bremer Einkaufszentrum interviewt<br />
haben. Um einfache Menschen. Um Menschen mit<br />
kleinen Sorgen und großen Problemen.<br />
In „P 110“ sitzt Mensing vorne, dort, wo normalerweise<br />
die Dozenten sitzen oder Studierende, die<br />
ein Referat halten. Auch sind an diesem Abend die<br />
meisten Zuhörer im Raum Studierende. Äußerlich<br />
Generell fi ndet Mensing es interessant, sich Welten<br />
anzugucken, die er nicht kennt. „Für mich ist es sehr<br />
aufregend, auf welche Menschen man dann immer<br />
stößt. Denn über diese Menschen erfährt man<br />
spannende Geschichten, die man sonst nie erfahren<br />
hätte.“ Um solche Menschen und Geschichten<br />
dreht sich auch alles in „Minibar“. Darin beschreibt<br />
Mensing „verschiedene Reisende“, wie er es nennt.<br />
Reisende in vielerlei Hinsicht.<br />
Die Zuhörer lauschen gebannt. Organisiert hat die<br />
Lesung die Studentengruppe „Vor-Lesung“. Seit<br />
1994 veranstaltet sie zwei bis drei Lesungen pro<br />
Semester. „Wir vertrauen dabei auf unseren individuellen<br />
Geschmack“, heißt es von der Gruppe. Mit<br />
Kolja Mensing hat sie nichts falsch gemacht.<br />
Am Ende meldet sich noch einmal der Neffe von<br />
Mensings Großvater. Er attestiert Kolja Mensing einen<br />
„unaufgeregten Erzählstil“. Die Pointen seien<br />
„sehr ruhig gesetzt“ gewesen – doch genau mit<br />
diesem Stil habe der Schriftsteller „die schlimmsten<br />
Kommunikationsstörungen dargestellt, die es unter<br />
Menschen gibt“. Präziser und kürzer hätte es wohl<br />
keiner im Raum auf den Punkt bringen können. Außer<br />
vielleicht Kolja Mensing selbst, der Schriftsteller<br />
aus Berlin, der jetzt um eine schöne persönliche Geschichte<br />
reicher ist – eine Geschichte aus <strong>Mainz</strong>.<br />
Dimitri TAUBE ■<br />
27<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Kultur auf dem Campus<br />
Funktionalität<br />
und Ästhetik<br />
Neues Schmuckkästchen:<br />
„Die Verbesserung<br />
lässt sich nicht in Prozent<br />
ausdrücken.”<br />
Konzert im „Roten Saal”: Auftakt der<br />
Konzertreihe „Uni Sono”.<br />
Neubau Musik eingeweiht<br />
Die Hochschule für Musik hat zum<br />
Wintersemester den lang ersehnten<br />
Neubau auf dem Campus der <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Universität bezogen.<br />
„Unser Wunsch ist damit endlich in<br />
Erfüllung gegangen“, sagte Rektor<br />
Jürgen Blume. Im November wurde<br />
das Gebäude mit einem Festakt<br />
offi ziell eingeweiht. Gefeiert wird das<br />
Ereignis aber noch bis Juli <strong>2009</strong> – mit<br />
der Veranstaltungsreihe „Uni Sono“.<br />
Der Monat November ist in der Regel grau und trüb,<br />
kalt und unfreundlich, nicht selten auch regnerisch<br />
und stürmisch. Der November 2008 war in dieser<br />
Hinsicht keine Ausnahme. Trotzdem wird vor allem<br />
einer diesen Monat wohl für immer in positiver Erinnerung<br />
behalten: Jürgen Blume, der Rektor der<br />
Hochschule für Musik in <strong>Mainz</strong>.<br />
Im November sah jeder einen überaus glücklichen,<br />
zufriedenen und bei öffentlichen Anlässen stets<br />
strahlenden Jürgen Blume. Und mit ihm waren in<br />
seinem Umfeld noch viele andere glücklich und<br />
zufrieden. Das hatte seinen Grund: Zum laufenden<br />
Wintersemester konnte Blumes Einrichtung<br />
den lang ersehnten Neubau auf dem Campus der<br />
<strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität beziehen. Und im<br />
November wurde das neue Gebäude mit einem<br />
Festakt offi ziell eingeweiht.<br />
Das Dasein im „unzulänglichen Gebäude an der<br />
Binger Straße“ (Blume) hat ein Ende genommen.<br />
Die neue schicke Adresse für rund 380 Studierende<br />
und 40 Lehrkräfte lautet: Jakob-Welder-Weg 28.<br />
Der Rektor ist sich sicher: „Im neuen Hochschulgebäude<br />
vereinen sich Funktionalität und Ästhetik.<br />
In den hellen und akustisch optimal konzipierten<br />
Räumen macht das Unterrichten und Studieren, das<br />
Forschen und Konzertieren ebenso große Freude<br />
wie die Verwaltungsarbeit.“<br />
Bis zu diesem Wintersemester sah das anders aus.<br />
Von verschiebbaren Akustikvorhängen, wie sie im<br />
Neubau zu fi nden sind, oder gar von moderner Klima-<br />
und Lüftungstechnik konnten die Studierenden<br />
und ihre Lehrkräfte nur träumen. Modernen Ansprüchen<br />
wurde das alte Haus in der Binger Straße<br />
schon lange nicht mehr gerecht. Zuletzt war es stark<br />
sanierungsbedürftig. In diesem Punkte sind sich<br />
nicht nur Fachleute einig gewesen. Der Bauzustand<br />
sowie die dort herrschende Raumnot – „beides war<br />
nicht mehr länger tragbar“, urteilte Doris Ahnen,<br />
die rheinland-pfälzische Ministerin für Bildung, Wissenschaft,<br />
Jugend und Kultur.<br />
Im Grunde ist seit zwei Jahrzehnten klar gewesen,<br />
dass das frühere Gebäude keine Zukunft haben<br />
kann – auch daran ist in jenen Novembertagen<br />
2008 oft noch einmal erinnert worden. Übrigens<br />
gab es vor mehreren Jahren neben der Errichtung<br />
eines Neubaus zunächst noch zwei weitere Optionen:<br />
die Grundsanierung in der Binger Straße und<br />
der Umzug an einen anderen Ort mit einem schon<br />
stehenden Gebäude. Ein Kostenvergleich brachte<br />
schließlich die Entscheidung: Wir bauen neu.<br />
„In den Räumen macht das<br />
Unterrichten und Studieren,<br />
das Forschen und Konzertieren<br />
ebenso große Freude wie die<br />
Verwaltungsarbeit.“<br />
Die Baukosten für das neue „Schmuckkästchen“<br />
auf dem Campus betrugen 12 Millionen Euro. Baubeginn<br />
war im September 2006. Das Richtfest wurde<br />
im August 2007 gefeiert. Als Bauherr fungierte<br />
Fotos: Peter Thomas<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong> 28
Kultur auf dem Campus<br />
der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung.<br />
Der U-förmige, dreigeschossige Beton-, Glasund<br />
Stahl-Bau des Architekten Thomas Seyler und<br />
der Projektleiterin Gudrun Biesenbach besteht aus<br />
2.600 Quadratmetern Nutzfl äche. Klug ausgedacht<br />
und dann auch umgesetzt wurden gleich mehrere<br />
Dinge.<br />
Zum Beispiel kann der Innenhof für Konzerte genutzt<br />
werden. Oder: Durch die Aufteilung in zwei<br />
Flügel wurde es möglich, das Gebäude klar zu trennen.<br />
Einerseits in einen sogenannten „Leise-Trakt“<br />
mit Tonstudio, Bibliothek und Verwaltung, andererseits<br />
in einen „Laut-Trakt“ für Übungs- und Ausbildungszwecke.<br />
Rektor Blume ist begeistert. Im Sonderheft der Hochschule<br />
für Musik zum Neubau schreibt er: „Mit der<br />
U-Form passt sich das Haus nicht nur an die Vorgabe<br />
der Gestaltung des Philosophicums an, sondern<br />
ist Abbild einer ausgewogenen und schlüssigen<br />
Symmetrieform, die ebenso wie der gleichmäßige<br />
Hell-Dunkel-Rhythmus der Fassade musikalische<br />
Assoziationen weckt.“ Der neue Standort werde<br />
dazu beitragen, den Dialog zwischen Wissenschaft<br />
und Kunst zu intensivieren.<br />
Im Gebäude selbst befi nden sich 36 Räume für<br />
Gesangs- und Instrumentalunterricht. Den Studierenden<br />
stehen 24 Räume zum Üben zur Verfügung.<br />
Darüber hinaus gibt es drei Ensembleräume, den<br />
„roten“ Konzertsaal, einen Orgelsaal, eine Studiobühne<br />
(„Black Box“) und ein elektronisches Studio,<br />
außerdem fünf Theorieräume, zwei Seminarräume,<br />
das Hörlabor, die Bibliothek mit Lesesaal und Magazin,<br />
einen Aufenthaltsraum, Wirtschaftsräume sowie<br />
Büros für Verwaltung und Abteilungsleiter.<br />
Neben dem „Roten Saal“ für 220 Zuhörer und der<br />
„Black Box“ – so genannt aufgrund der schwarzen<br />
Wände des Raumes – wird den Hochschulmusikern<br />
ab 2010 mit dem Orgelsaal eine dritte eigene Spielstätte<br />
zur Verfügung stehen. Angesprochen auf all<br />
die Neuerungen und die Verbesserung im Vergleich<br />
zum früheren Standort, sagt Blume: „Die Verbesserung<br />
lässt sich gar nicht in Prozenten ausdrücken,<br />
es ist ja fast ein Wunder.“ Die Attraktivität des<br />
Musikstudiums und des Musiklebens in <strong>Mainz</strong> sei<br />
jedenfalls ganz deutlich gestiegen.<br />
Abgeschlossen sind die Feierlichkeiten zum Neubau-Ereignis<br />
allerdings noch nicht. Es geht weiter.<br />
Anlässlich der Eröffnung organisiert die Hochschule<br />
bis Mitte <strong>2009</strong> die umfangreiche Veranstaltungsreihe<br />
„Uni Sono“. Den Auftakt bildete, ebenfalls im<br />
November, ein Festkonzert im schmucken „Roten<br />
Saal“ des Hauses. Unter der Leitung von Wolfram<br />
Koloseus wurde eine Auftragskomposition der<br />
Hochschule uraufgeführt – Thomas Wells’ „Sechs<br />
Trakl-Gesänge für Tenor, Chor und Orchester“ nach<br />
Gedichten von Georg Trakl. Außerdem erklang die<br />
„Jupiter-Sinfonie“ von Wolfgang Amadeus Mozart.<br />
„Die Verbesserung lässt sich<br />
gar nicht in Prozenten ausdrücken,<br />
es ist ja fast ein Wunder.“<br />
Über 200 Gäste zeigten sich an diesem Abend gleichermaßen<br />
von Raum und vom Können der Musiker<br />
angetan. Nicht weniger beeindruckte der sehr<br />
gründlich vorgehende Dirigent Wolfram Koloseus,<br />
insbesondere das Publikum in der ersten Reihe<br />
konnte ihn ziemlich genau bei der Arbeit beobachten<br />
und seine Bewegungen und Anweisungen<br />
studieren. Zwischen Koloseus und das Auditorium<br />
passte kaum ein Blatt Papier. Die Konzertbesucher<br />
waren tatsächlich mittendrin statt nur dabei.<br />
Für Wolfram Koloseus war das Eröffnungskonzert<br />
zugleich auch das Antrittskonzert. Der Dirigent<br />
und Konzertorganist wurde zum Wintersemester<br />
2007/08 als Professor für Orchestererziehung und<br />
Studienleitung an die Hochschule für Musik berufen.<br />
Mit Antritt seiner Professur hat der gebürtige<br />
Wiener und ehemalige Wiener Sängerknabe die Leitung<br />
des Hochschulorchesters übernommen.<br />
Eine weitere Besonderheit des Konzerts bestand im<br />
Beitrag von Thomas Wells. Wells ist Professor für<br />
Komposition und Direktor der Sound Synthesis Studios<br />
an der Ohio State University in Columbus, Ohio.<br />
Seine Werke werden weltweit aufgeführt, unter anderem<br />
in China, Japan, Australien, Kuba, Brasilien<br />
und Europa.<br />
Der Komponist aus den USA wurde von der Hochschule<br />
für Musik beauftragt, anlässlich der Einweihung<br />
des neuen Gebäudes ein Werk für Tenor, Chor<br />
Begeisterter Rektor Blume: „Fast wie ein Wunder.”<br />
und Orchester zu komponieren. Nach längerer Zeit<br />
des Überlegens entschied sich Wells für die Vertonung<br />
der Gedichte des österreichischen Künstlers<br />
Georg Trakl. Wells’ Intention war es schließlich, ein<br />
Werk zu komponieren, das als Metapher für Hoffnung<br />
und den Glauben an einen Neubeginn gelten<br />
kann.<br />
Das Premierenkonzert sorgte bereits für viel Begeisterung<br />
unter den Besuchern. Der „Rote Saal“ eroberte<br />
prompt viele Herzen. Zu den größten Anhängern<br />
zählt dabei Jürgen Blume. Der Rektor kam aus<br />
dem Schwärmen für den Raum kaum heraus. Blume<br />
strahlte an diesem Abend mit seinen Kollegen und<br />
den Studierenden beinahe um die Wette. Man muss<br />
wohl kein Prophet sein um zu behaupten, dass sich<br />
auch zukünftige Studierende der Hochschule für<br />
Musik vom Enthusiasmus rund um den Neubau anstecken<br />
lassen werden.<br />
Wie gut trifft es sich da, dass die „Uni Sono“-Reihe<br />
nicht nur im Wintersemester läuft, sondern auch im<br />
kommenden Sommersemester sieben Veranstaltungen<br />
durchgeführt werden. Das „Finale Uni Sono“<br />
fi ndet am 17. Juli statt – mit einem Musikalischen<br />
Sommerfest. Die Chancen stehen übrigens gut, dass<br />
dann auch das Wetter mitspielt. Und nicht nur Rektor<br />
Blume und seine Studierenden strahlen werden,<br />
sondern auch die Sonne. Dimitri TAUBE ■<br />
Eigenkomposition: Aufführung<br />
des für die Eröffnung geschriebenen<br />
Stückes von Thomas Wells.<br />
29
www.uni-mainz.de<br />
Herausforderung und Chance<br />
Zukunftsweisende Organisation<br />
des Studiums CampusNet, das<br />
integrierte Studien- und Prüfungsverwaltungssystem<br />
der <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong>, geht<br />
in Betrieb. Die tief greifenden Auswirkungen<br />
der damit verbundenen<br />
Verwaltungsprozesse spüren vor allem<br />
auch die Fachbereiche.<br />
Foto: Peter Thomas<br />
Im Februar <strong>2009</strong> haben die Studierenden der <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong> zum ersten<br />
Mal vollen Zugriff auf CampusNet, das integrierte<br />
Studien- und Prüfungsverwaltungssystem der <strong>Mainz</strong>er<br />
Hochschule. In den Herbst- und Wintermonaten<br />
des Jahres 2008 sind zuvor sukzessive die Module<br />
für den Studierendenservice, das Prüfungsmanagement<br />
und das Lehrveranstaltungsmanagement sowie<br />
das Online-Portal für Lehrende in Betrieb genommen<br />
worden.<br />
„Die Einführung von CampusNet greift tief in die<br />
Struktur von Studium und Lehre dieser Universität<br />
ein, gerade in der Frage der Organisation. Der Start<br />
des Online-Portals für Studierende ist somit ein<br />
Meilenstein in der revolutionären Neuordnung der<br />
Studien- und Prüfungsverwaltung“, erläutert Prof.<br />
Dr. Bernhard Einig, Leiter der Abteilung Studium<br />
und Lehre, „und dazu ein besonders großer unter<br />
den vielen kleinen und größeren Bausteinen eines<br />
langen und vielfältigen Prozesses, der damit noch<br />
lange nicht abgeschlossen ist. „<br />
„Für den Fachbereich 05 ist der Februar ein Starttermin,<br />
nicht das Ende einer Entwicklung“, bestätigt<br />
Dr. Doris Lindner. Sie ist im Fachbereich-Servicebüro<br />
des FB 05 – Philosophie und Philologie verantwortlich<br />
für die Organisation der Rahmenbedingungen<br />
zur Einführung von CampusNet. „Dabei stellt nicht<br />
die Nutzung der neuen Verwaltungssoftware als<br />
Handwerkszeug die größte Herausforderung für einen<br />
Fachbereich dar“, erklärt Lindner. Dahinter stehe<br />
vielmehr eine umfassende Neuordnung zentraler<br />
Verwaltungsprozesse binnen kurzer Zeit – „und das<br />
ist eine neue Dimension, die alle administrativen<br />
Veränderungen der letzten Jahre übertrifft“.<br />
„Es macht Spaß, so etwas aufzubauen“: Dr. Doris Lindner, Prof. Mechthild Dreyer und Annette Elbert (v.l.)<br />
Dr. Doris Lindner nennt einige Zahlen, die hinter<br />
dieser Komplexität stecken: Alleine im FB 05 müssen<br />
künftig bis zu 40.000 Modulprüfungen und<br />
-Teilprüfungen im Jahr als rechtsverbindliche Prüfungsleistungen<br />
dokumentiert und verwaltet werden.<br />
Zu den verschiedenen administrativen Aufgaben,<br />
die im Zuge der Einführung von CampusNet<br />
neu organisiert werden müssen, kommt für den<br />
FB 05 die Raumverwaltung mit über 1.200 Lehrveranstaltungen<br />
pro Woche für rund 14.900 Erstfachstudierende<br />
im eigenen Fachbereich sowie in<br />
den Fachbereichen 02 und 07 hinzu. Insgesamt, so<br />
haben die Expertinnen des Fachbereichs errechnet,<br />
bedeutet die Verwaltungsreform eine Steigerung<br />
verschiedener administrativer Aufgaben und Vorgänge<br />
um bis zu 530 Prozent. „Die Entscheidung<br />
für die modularisierten Studiengänge hatte deshalb<br />
den Aufbau einer neuen Verwaltungsstruktur samt<br />
der Software CampusNet zur unvermeidbaren Konsequenz“,<br />
betont Prof. Mechthild Dreyer, seit dem<br />
Sommersemester 2008 Dekanin des Fachbereichs<br />
05.<br />
Die Verwaltungsreform<br />
bedeutet eine Steigerung<br />
verschiedener administrativer<br />
Aufgaben und Vorgänge um<br />
bis zu 530 Prozent<br />
Die beiden ersten Semester, in denen CampusNet<br />
eingesetzt wird, bringen sicher Probleme mit sich,<br />
die zurzeit noch niemand einschätzen kann. „Das<br />
hat aber nichts mit dieser Software zu tun, sondern<br />
mit der schieren Komplexität des Prozesses – mit<br />
SAP wäre es nicht anders“, sagt Dreyer. Äußerlicher<br />
Ausdruck der neuen Struktur im Fachbereich Philosophie<br />
und Philologie sind fünf „Studienbüros“<br />
mit insgesamt 62 Mitarbeitern aus Wissenschaft<br />
und Verwaltung, die als Studienmanager, Lehrveranstaltungs-<br />
und Prüfungsverwaltungsmitarbeiter,<br />
sowie als Studiengangsbeauftragte oder Studienfachberater<br />
zusammenarbeiten. Um diese Stellen<br />
zu besetzen, hat der Fachbereich zwischen Juli und<br />
September 2008 acht neue Ausschreibungsverfahren<br />
mit 178 Bewerbern bestritten und insgesamt 19<br />
verschiedene Stellenbeschreibungen erstellt. Zwei<br />
der Büros sind dabei auch räumlich komplett neu<br />
eingerichtet worden.<br />
An der gesamten Universität wird es künftig 32<br />
Studienbüros geben – „fl ächendeckend in allen<br />
Fachbereichen und für alle Studiengänge, erläutert<br />
Einig. Die Studienbüros organisieren und dokumentieren<br />
jeden Schritt des Studiums und garantieren<br />
das vollständige Studienangebot. Dazu kommen 13<br />
Prüfungsämter in allen Fachbereichen. Denn mit der<br />
Einführung modularisierter Bachelor- und Master-<br />
Studiengänge ist künftig jede einzelne Lehrveranstaltung<br />
mit einer Prüfungsleistung verbunden.<br />
Das hat nicht nur quantitative, sondern auch erhebliche<br />
qualitative Auswirkungen, betont Annette Elbert.<br />
Die Juristin ist Leiterin der Prüfungsverwaltung<br />
des Fachbereichs 05. „Jede Modulabschlussprüfung<br />
ist künftig eine rechtlich angreifbare Teilprüfung“,<br />
sagt die Juristin. Besonders wichtig war für Elbert<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
30
www.uni-mainz.de<br />
deshalb, bei der aufwändigen Neustrukturierung<br />
der Studienverwaltung dafür zu sorgen, dass Formfehlern<br />
künftig durch klare und einheitliche Abläufe<br />
vorgebeugt wird. „Insgesamt bietet diese Reform<br />
tatsächlich die Chance, einheitlichere Verwaltungsabläufe<br />
einzuführen und die Verwaltung innerhalb<br />
des Fachbereichs weiter zu professionalisieren“,<br />
stimmt Lindner zu.<br />
„Jede Modulabschlussprüfung<br />
ist künftig eine rechtlich angreifbare<br />
Teilprüfung“<br />
Dazu hat ein Team von so genannten Modellierern<br />
mehr als 500 Prüfungsordnungen aller Fächer für<br />
CampusNet adaptiert, damit das System bei Bedarf<br />
auch auf eine alte Magisterprüfungsordnung<br />
zurückgreifen kann. Parallel sind 1,5 Millionen Datensätze<br />
erfasst worden, die neben den aktuellen<br />
Studierenden auch jene der vergangenen Jahre erfasst<br />
– insgesamt knapp 90.000 Personen.<br />
Zurzeit nämlich zieht die Dekanin ein vorsichtig positives<br />
Resümee des Prozesses: Auch wenn es immer<br />
wieder chaotische Momente gegeben habe, seien<br />
die zahlreichen Gespräche doch insgesamt positiv<br />
verlaufen. In der fächerübergreifenden, intensiven<br />
Kommunikation sieht die Philosophieprofessorin einen<br />
wichtigen Baustein für den Erfolg der Umstrukturierung:<br />
Insbesondere die Zusammenarbeit des<br />
Fachbereichs mit der Abteilung Studium und Lehre<br />
funktioniere exzellent.<br />
„Es macht bei aller Belastung einfach Spaß, so etwas<br />
aufzubauen“, sagt die Leiterin der Prüfungsverwaltung<br />
Annette Elbert über den laufenden Prozess.<br />
Dem stimmt Dr. Doris Lindner zu – obwohl sie sich<br />
für den FB 05 mehr Zeit für diesen enormen Veränderungsprozess<br />
gewünscht hätte. Positiv sieht die<br />
Verwaltung des Fachbereichs auch die Chancen zur<br />
Personalentwicklung im wissenschaftsstützenden<br />
Bereich, die sich aus der Neustrukturierung ergeben:<br />
Insofern die bisher übliche Sekretariatsarbeit<br />
durch komplexere Aufgaben ergänzt würde, gebe es<br />
nun die Möglichkeit zum Aufstieg in besser dotierte<br />
Stellen.<br />
Peter THOMAS ■<br />
Shakespeare digital<br />
Einmaliges Bildarchiv zu Shakespeare-Dramen<br />
ist jetzt online verfügbar<br />
Mitte November 2008 wurde in der Universitätsbibliothek die Web-Version<br />
des Shakespeare-Bildarchivs Oppel-Hammerschmidt vorgestellt. Das Besondere:<br />
Die Sammlung umfasst rund 3.500 bisher unveröffentlichte Illustrationen<br />
zu sämtlichen Werken William Shakespeares aus fünf Jahrhunderten,<br />
die sogar bis in die Lebenszeit des Dichters zurückreichen. Unter den<br />
rund 800 Künstlern, die Szenen und Charaktere aus Shakespeares Stücken<br />
bildkünstlerisch aufarbeiteten, fi nden sich so bekannte Namen wie William<br />
Turner, Salvador Dalí und Marc Chagall. Den Nutzern des Online-Archivs<br />
bietet sich die Möglichkeit, per Suchmaske nach verfügbaren Darstellungen<br />
zu einzelnen Werken, sogar szenenspezifi sch, nach Einzelthemen oder auch<br />
nach den Darstellungen eines bestimmten Künstlers zu suchen.<br />
Den Grundstein für das weltweit einzige Bildarchiv dieser Art legte im Jahr<br />
1946 der Shakespeare- und Goethe-Forscher Prof. Dr. Horst Oppel. Nach<br />
seinem Tod übernahm Prof. Dr. Hildegard Hammerschmidt-Hummel seine<br />
Sammlung und erweiterte sie auf circa 7.000 bildkünstlerische Darstellungen.<br />
Schließlich ging das Archiv im Jahr 2005 als Schenkung in den Besitz<br />
der <strong>Mainz</strong>er Universitätsbibliothek über – mit der Verpfl ichtung, die bisher<br />
unveröffentlichten Bestände elektronisch zu erfassen und öffentlich zugänglich<br />
zu machen. Dieses interdisziplinäre Großprojekt wurde jetzt durch<br />
das gemeinsame Engagement der Universitätsbibliothek und der Zentralen<br />
Datenverarbeitung (ZDV) realisiert.<br />
Derzeit ist das Projekt auf allen im Uninetz registrierten Rechnern frei zugänglich<br />
über die Internetseiten der Universitätsbibliothek: http://www.<br />
ub.uni-mainz.de/6295.php.<br />
Kathrin VOIGT ■<br />
31<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Personen & Positionen<br />
Neu an der Uni<br />
Fotos: Peter Pulkowski<br />
Dr. Magarete Imhof<br />
ist neue W3 Professorin<br />
am Psychologischen<br />
Institut<br />
Ihre universitäre Laufbahn<br />
begann Imhof mit<br />
dem Studium der Fächer<br />
Psychologie (Diplom) und<br />
Anglistik (Staatsexamen)<br />
an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Bereits<br />
während des Studiums unterrichtete sie für ein<br />
Semester im Rahmen eines Austauschprogramms<br />
des Pädagogischen Austauschdienstes Bonn als<br />
German Language Teaching Assistant im britischen<br />
Stevenage. Im Jahr 1983 machte sie ihren Abschluss<br />
sowohl mit dem Diplom in Psychologie als auch mit<br />
der ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien.<br />
Von der Universität wechselte Imhof daraufhin<br />
als Studienreferendarin für die Fächer Englisch<br />
und Schulpsychologie an das Siebold-Gymnasium in<br />
Würzburg und schloss zwei Jahre nach dem ersten<br />
auch das zweite Staatsexamen ab. Nach einer kurzen<br />
Lehrtätigkeit trat Imhof eine Lektorenstelle für<br />
Deutsch am Luther College in Decorah (Iowa) in den<br />
Vereinigten Staaten an. Innerhalb der USA wechselte<br />
sie 1989 als Teaching Assistant und Graduate<br />
Student an die University of Illinois at Chicago und<br />
kehrte ein Jahr später nach Deutschland zurück.<br />
An der Otto-Friedrich Universität Bamberg forschte<br />
Imhof in den darauffolgenden Jahren u.a. zu den<br />
Themengebieten Konzentration und motorische<br />
Nebentätigkeiten und „Hyperaktive“ Kinder in der<br />
Schule und promovierte 1994 mit der Gesamtnote<br />
„Magna cum laude“. Bis 2001 war Imhof an der<br />
Goethe-Universität Frankfurt Studienrätin im Hochschuldienst<br />
am Institut für Pädagogische Psychologie<br />
der Universität Frankfurt und wurde, nach einem<br />
einjährigen Aufenthalt am College of New Jersey in<br />
den USA, zur Oberstudienrätin im Hochschuldienst<br />
ernannt. Ihre Habilitation schloss Imhof im Jahr<br />
2003 zum Thema Psychologische Aspekte von Zuhören<br />
ab.<br />
■<br />
Die W3-Professur<br />
für Medienrecht,<br />
Kulturrecht und<br />
Öffentliches Recht<br />
übernimmt Dr.<br />
Matthias Cornils<br />
Nach dem Studium der<br />
Geschichte, Politik, Volkswirtschaft<br />
und Rechtswissenschaften<br />
an der Universität Bonn und der<br />
ersten juristischen Staatsprüfung 1993 promovierte<br />
Matthias Cornils 1995 mit der Dissertation „Der<br />
gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch“<br />
an der Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät<br />
der Universität Bonn („summa cum laude“).<br />
Für seine Dissertation erhielt er den Preis der Gesellschaft<br />
von Freunden und Förderern der Rheinischen<br />
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn e.V. Im<br />
Anschluss daran übte er Lehrtätigkeiten an der Mittelrheinischen<br />
Verwaltungsakademie Bonn aus und<br />
hielt Vorlesungen im Staats- und Verwaltungsrecht.<br />
Während dieser Zeit legte Cornils die zweite juristische<br />
Staatsprüfung (1997) ab und arbeitete als<br />
Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Öffentliches<br />
Recht der Universität Bonn. Im Jahr 2004 habilitierte<br />
er sich mit der Schrift „Die Ausgestaltung der<br />
Grundrechte – Untersuchungen zur Grundrechtsbindung<br />
des Ausgestaltungsgesetzgebers“. In den<br />
darauffolgenden Jahren vertrat er mehrere rechtswissenschaftliche<br />
Lehrstühle, u.a. den Lehrstuhl für<br />
Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Universität<br />
München (Präsident des Bundesverfassungsgerichts<br />
Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier), den Lehrstuhl<br />
des deutschen Richters am EuGH Prof. Dr. Thomas<br />
von Danwitz an der Universität zu Köln und zuletzt<br />
den Lehrstuhl des stellvertretenden Präsidenten des<br />
BVerfG Prof. Dr. Andreas Voßkuhle an der Universität<br />
Freiburg. Zu den Forschungsschwerpunkten von<br />
Cornils gehören neben dem Medienverfassungsund<br />
-verwaltungsrecht insbesondere das öffentliche<br />
Wirtschaftsrecht, das Staatsrecht und das Staatshaftungsrecht.<br />
Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit<br />
ist Matthias Cornils zudem Mitherausgeber<br />
der online-Zeitschrift „Zeitschrift für das juristische<br />
Studium“.<br />
■<br />
Dr. Holger Preuß ist<br />
neuer Professor für<br />
Sportsoziologie und<br />
Sportökonomie an<br />
der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität<br />
Nach Abitur und Zivildienst,<br />
begann Preuß<br />
im April 1990 ein Wirtschaftspädagogik-<br />
und Sportstudium an der Georg-August-Universität<br />
Göttingen. Der Abschluss<br />
als „Diplom-Handelslehrer“ erfolgte 1995. Im<br />
Anschluss daran studierte Preuß ein Semester an<br />
der Internationalen Olympischen Akademie in Griechenland.<br />
Zurück in Göttingen promovierte er in den<br />
Jahren 1997 bis 1999 mit der Arbeit „Ökonomische<br />
Implikationen der Ausrichtung Olympischer Spiele<br />
von München 1972 bis Atlanta 1996“ („summa<br />
cum laude“) und gewann den „Karl Hofmann<br />
Preis“ für die beste sportwissenschaftliche Dissertation<br />
1999. Während dieser Zeit war Preuß bereits<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Sport<br />
der Universität <strong>Mainz</strong>. 2002 wechselte er nach Köln<br />
und arbeitete als wissenschaftlicher Assistent am<br />
„Institut für Sportökonomie und -management“.<br />
Darauf folgte der Ruf auf eine Juniorprofessur für<br />
Sportökonomie in <strong>Mainz</strong>. Verschiedene Auslandsaufenthalte<br />
führten ihn u.a. als Visiting Professor<br />
an die „School of Management“ der Beijing Sport<br />
University in Peking und als Visiting Scholar an die<br />
State University of New York in Cortland. Ab 2006<br />
vertrat Preuß die Professur für Sportentwicklung am<br />
FB Psychologie und Sportwissenschaften der Universität<br />
Frankfurt und kehrte 2007 nach <strong>Mainz</strong> zurück.<br />
Holger Preuß ist international renommiert und<br />
u.a. als Associate Editor des „European Sport Management<br />
Quarterly“, einer führenden Zeitschrift<br />
im Sportmanagement tätig. Seine Forschungsfelder<br />
sind die Ermittlung ökonomischer Wirkungen<br />
von Mega-Sport-Events und liegen außerdem im<br />
Bereich des Sport-Eventtourismus, sowie im Sportmarketing<br />
bei der Messung von Imagetransfers und<br />
beim Ambush-Marketing. Eines seiner aktuellen<br />
Forschungsprojekte ist eine Studie zu „Image und<br />
Konsummustern der Besucher der EURO 2008 in<br />
Österreich” in Kooperation mit Prof. Dr. H. Siller<br />
(MCI Innsbruck).<br />
■<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
32
Personen & Positionen<br />
Die W 2-Professur für<br />
Allgemeine Sprachwissenschaften<br />
übernimmt<br />
Dr. Matthias<br />
Schlesewsky<br />
Dr. Matthias Schlesewsky<br />
absolvierte zunächst ein<br />
Biologie- und Chemiestudium<br />
an der Hochschule<br />
für Lehrerbildung in Potsdam, bevor er 1990 an der<br />
Universität Potsdam das Studium der Chemie mit<br />
dem Schwerpunkt Physikalische/Analytische Chemie<br />
aufnahm. Nach dem Abschluss als Diplomchemiker<br />
1992 war Schlesewsky – unterstützt durch<br />
ein Graduiertenförderstipendium des Landes Brandenburg<br />
– im Rahmen eines Postgradualstudiums<br />
der Toxologie an der Universität Leipzig tätig. Im<br />
darauffolgenden Jahr begann er an der Universität<br />
Potsdam Allgemeine und theoretische Linguistik zu<br />
studieren und promovierte 1997 in dieser Fachrichtung<br />
mit der Dissertation „Kasusphänomene in der<br />
Sprachverarbeitung: eine Studie zur Verarbeitung<br />
von kasusmarkierten und Relativsatzkonstruktionen<br />
im Deutschen“. In dieser Zeit arbeite er als Projektmitarbeiter<br />
im Teilprojekt „Kognitive Einfachheit von<br />
Grammatiken“ am Innovationskolleg „Formale Modelle<br />
kognitiver Komplexität“. Nach der Promotion<br />
arbeite und forschte Schlesewsky als wissenschaftlicher<br />
Assistent am Lehrstuhl für Grammatiktheorie:<br />
Syntax und Morphologie der Universität Potsdam.<br />
Im Jahr 2002 wurde Schlesewsky Leiter der selbstständigen<br />
Nachwuchsgruppe Neurolinguistik am<br />
Institut für Germanische Sprachwissenschaft der<br />
Philipps-Universität Marburg und trat zugleich<br />
eine Stelle als Juniorprofessor für Neurolinguistik<br />
an. Von 2004 bis 2006 war Schlesewsky zudem<br />
Geschäftsführender Direktor des Institutes. Neben<br />
seiner Tätigkeit in der Lehre und als Organisator<br />
von internationalen Fachkonferenzen und Tagungen<br />
beschäftigt sich Matthias Schlesewsky in seiner<br />
Forschungsarbeit vor allem mit den Themen „Theoretische<br />
Modellierung empirischer Daten aus den<br />
Sprachen der Welt“, „Die Rolle von Morphologie<br />
und struktureller Position bei der Verarbeitung von<br />
Core-Relationen“ und „Der Einfluss von Diskursinformationen<br />
in der Argumentinterpretation“. In seinen<br />
Forschungsarbeiten untersucht und beschäftigt<br />
sich Schlesewsky unter anderem neben Deutsch mit<br />
Sprachen wie Isländisch, Türkisch und Hindi. ■<br />
Thomas Schmidt<br />
übernimmt W 2<br />
Professur an der Akademie<br />
für Bildende<br />
Künste<br />
Thomas Schmidt, Jahrgang<br />
1960, begann seine<br />
künstlerische Laufbahn<br />
mit dem Studium der<br />
Malerei an der Hochschule der Künste in Berlin bei<br />
Prof. H. Bachmann. Im Jahr 1986 schloss Schmidt<br />
sein Studium in Berlin ab und erhielt im darauffolgenden<br />
Jahr den Förderpreis des Förderkreises<br />
Bildende Kunst in Nürnberg. Ein Reisestipendium<br />
des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes<br />
führte ihn 1988 nach Spanien. In den folgenden<br />
Jahren arbeitete er als freier Künstler und hatte<br />
Ausstellungen unter anderem in Berlin, Nürnberg<br />
und Bern. 1993 gründete er zusammen mit Hans<br />
Hemmert, Axel Lieber und Georg Zey die Künstlergruppe<br />
„Inges Idee“ in Berlin, die 1995 die ersten<br />
Projekte im öffentlichen Raum realisierte und vier<br />
Jahre später ihre erste Ausstellung in Berlin eröffnete.<br />
Am Fachbereich für Bildende Künste der <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Universität erhielt Schmidt im Jahr<br />
2000 einen Lehrauftrag für die Orientierungsklasse<br />
und war während des Wintersemesters 2004/5 mit<br />
der Gruppe „Inges Idee“ als Gastprofessor an der<br />
Bauhaus-Universität Weimar tätig. Dort leitete er<br />
den MFA-Studiengang „Kunst im öffentlichen Raum<br />
und neue künstlerische Strategien“. Während der<br />
Lehrtätigkeiten hatte Schmidt sowohl eigene Ausstellungen<br />
als auch Projekte mit der Gruppe „Inges<br />
Idee“, unter anderem in Düsseldorf, Tokyo und Singapur.<br />
Als Gastprofessor für die Orientierungsklasse<br />
kam er 2005 zurück an die Universität <strong>Mainz</strong> und<br />
die Akademie für Bildende Künste. Neben seiner<br />
Lehrtätigkeit ist Thomas Schmidt auch weiterhin<br />
als Künstler tätig. So war er 2006 mit „Inges Idee“<br />
auf der Biennale für Kunst im öffentlichen Raum in<br />
Neuseeland vertreten. Derzeit werden zahlreiche<br />
Arbeiten der Gruppe realisiert, darunter Skulpturen<br />
für das Convention Center in Vancouver, Kanada,<br />
das World Games Stadion 09 in Kaoshing, Taiwan,<br />
das Towada Art Center, Japan und dem Neubau des<br />
Danish Radio DR in Kopenhagen.<br />
■<br />
Die W2-Professur<br />
in der Abteilung<br />
Quanten-, Atom- und<br />
Neutronenphysik am<br />
Institut für Physik<br />
übernimmt Dr. Arno<br />
Rauschenbeutel<br />
Arno<br />
Rauschenbeutel<br />
begann seine wissenschaftliche<br />
Laufbahn 1991 als Stipendiat der<br />
Studienstiftung des deutschen Volkes mit dem<br />
Physik- und Mathematikstudium an der Heinrich<br />
Heine-Universität Düsseldorf. Bereits während seiner<br />
Studienzeit führte in ein Auslandssemester an<br />
das Imperial College of Science, Technology, and<br />
Medicine nach London. Nach den Vordiplomen in<br />
Mathematik und Physik wechselte Rauschenbeutel<br />
1994 an die Universität Bonn und schloss sein<br />
Studium 1997 mit der Diplomarbeit „Ein neuartiges<br />
Konzept zur Kontrolle der relativen Lichtphasen<br />
in lichtgebundenen Atomgittern“ ab. Vom Rhein<br />
wechselte er danach an die Seine. Am Laboratoire<br />
Kastler Brossel der Ecole Normale Supérieure in Paris<br />
begann er im gleichen Jahr mit dem Promotionsstudium<br />
in Experimentalphysik, welches er 2001 mit<br />
der Arbeit „Atome und Resonator: Präparation und<br />
Manipulation komplexer verschränkter Zustände“<br />
abschloss. Nach der Promotion mit Auszeichnung<br />
wechselte Rauschenbeutel wieder nach Bonn, wo<br />
er in den Jahren 2001 bis 2005 als wissenschaftlicher<br />
Assistent am Institut für angewandte Physik<br />
arbeitete und im Anschluss daran die Vertretung<br />
einer W3-Professur für Experimentalphysik in Bonn<br />
übernahm. 2006 erhielt Rauschenbeutel den Ruf<br />
auf eine W2-Professur für Experimentelle Quantenoptik<br />
an die <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität. Die<br />
wissenschaftliche Arbeit und Lehre von Arno Rauschenbeutel<br />
ist mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem<br />
erhielt er 2005 einen „Marie Curie Exellence<br />
Award“ der Europäischen Kommission und 2006<br />
eine Lichtenberg Professur der Volkswagen-Stiftung<br />
und einen „European Young Investigators Award“<br />
der Europäischen Science Foundation. ■<br />
33<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>
Kurz & Bündig<br />
Besuch von Verteidigungsminister<br />
Jung<br />
Am 6. November sprach Bundesverteidigungsminister Dr. Franz-Josef Jung anlässlich einer Vortragsveranstaltung<br />
der „Freunde der Universität <strong>Mainz</strong>“ zum Thema „Deutsche Sicherheitspolitik: Im Einsatz<br />
für den Frieden“. Jung skizzierte in seinem Vortrag die Geschichte und Entwicklung der Bundeswehr<br />
von einer Verteidigungsarmee im Kalten Krieg bis zu den Aufgaben der Krisenintervention und humanitären<br />
Einsätzen heute. Mit Blick auf den derzeitigen Einsatz in Afghanistan hob er die gemeinsame<br />
Bedeutung von militärischer Sicherheit und zivilem Wiederaufbau hervor: „Ohne Sicherheit keine Entwicklung<br />
und ohne Entwicklung keine Sicherheit“.<br />
■<br />
Veranstaltungstipp<br />
Fit bleiben<br />
Der Allgemeine Hochschulsport bietet gesundheitlich<br />
orientiertes Training an Fitness-<br />
Geräten mit persönlicher Betreuung an.<br />
Das Training kann individuell je nach persönlichen<br />
Bedürfnissen als Reha-Training (Ausgleich von muskulären<br />
Disbalancen und Haltungsproblemen), als<br />
Präventionstraining (zum Beispiel bei hauptsächlich<br />
sitzender Tätigkeit) oder auch als allgemeines Fitness-Training<br />
ausgerichtet werden. Die persönliche<br />
Betreuung erfolgt durch Physiotherapeuten/Krankengymnasten.<br />
Das Training fi ndet im Fitnessraum<br />
statt und ist kostenpfl ichtig.<br />
Termin 1: Mo. 12:00 - 13:00, Silke Wolf<br />
Termin 2: Mo. 18.00 - 19.00, Anika Brosch<br />
Termin 3: Mi. 12:30 - 13:30, Silke Wolf<br />
Kostenbeitrag: 10er-Karte (gültig für 10 Einheiten<br />
à 60 Min. bei beliebiger Terminwahl) für Sportausweisinhaber<br />
€ 20,- , Externe € 30,-<br />
■<br />
(v. l.) Dr. h.c. Klaus G. Adam, Bundesminister für Verteidigung Dr. Franz-Josef Jung,<br />
Universitätspräsident Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Der Präsident der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong>,<br />
Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch<br />
Leitung Bereich Öffentlichkeitsarbeit:<br />
Petra Giegerich<br />
Leitung Redaktion:<br />
Annette Spohn-Hofmann (V.i.S.d.P.)<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dr. Ulrike Brandenburg,<br />
Maria Colombo, Dr. Frank Erdnüß, Dimitri Taube,<br />
Peter Thomas, Kathrin Voigt, Frank Wittmer,<br />
Peter Pulkowski (Fotos)<br />
Redaktionsassistenz: Birgitt Maurus, Sebastian Kump<br />
Kontakt:<br />
Telefon: +49 6131 3922369, 3920593<br />
Telefax: +49 6131 3924139<br />
E-Mail: Annette.Spohn@verwaltung.uni-mainz.de<br />
Auflage: 10.000 Exemplare, die Zeitschrift<br />
erscheint viermal im Jahr<br />
Redaktionsschluss der <strong>JOGU</strong> 208,<br />
Ausgabe Mai <strong>2009</strong>, ist der 2. März <strong>2009</strong><br />
Titelbild: Geographisches Institut<br />
Gestaltung: Thomas Design, Freiburg<br />
Vertrieb: Öffentlichkeitsarbeit<br />
Anzeigen:<br />
Marc Thal<br />
Campus-Service GmbH<br />
crossmediales Hochschulmarketing<br />
Neuenhöfer Allee 49-51<br />
50935 Köln<br />
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Druck:<br />
Werbedruck GmbH Horst Schreckhase<br />
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Telefax +49 56 63939880<br />
www.schreckhase.de<br />
kontakt@schreckhase.de<br />
Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht<br />
unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.<br />
Für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Bildmaterial<br />
wird keine Gewähr geleistet. Nachdruck<br />
nur mit Quellenangabe gestattet.<br />
[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />
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Telefon 0 61 31/17-32 16 / 32 17<br />
Termine<br />
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