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JOGU 207/2009 - Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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[<strong>JOGU</strong>]<br />

Nr. <strong>207</strong> Januar <strong>2009</strong><br />

Das Magazin der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong><br />

[ Ideen für die Zukunft ]<br />

[ CampusNet – Herausforderung und Chance ]<br />

[ Verborgene Krankheit ]<br />

[ Vom Leben, der Liebe und Einkaufszentren ]


Inhalt<br />

Zum Titelbild: Die Auswirkungen der globalen Erwärmung an den Gletschern des Schweizer Wallis zu<br />

untersuchen, nach Systemen für die Zukunft zu forschen und Problemlösungen zu entwickeln, war die<br />

Aufgabenstellung einer Projektstudie am Geographischen Institut. Welche außergewöhnlichen Ideen die<br />

27 Studierenden um Prof. Hans-Joachim Fuchs entwickelt und umgesetzt haben, lesen Sie auf Seite 7.<br />

3<br />

4<br />

4<br />

6<br />

Editorial<br />

Danke.<br />

Campus aktuell<br />

„Wir sind aufeinander angewiesen“<br />

Sitzungstermine des Senats<br />

„Intellektuell ein Vergnügen“<br />

Foto: Peter Thomas<br />

Diskussionsbereit:<br />

Bundespräsident<br />

Köhler zu Gast<br />

Seite 4<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

18<br />

21<br />

22<br />

24<br />

26<br />

Studium & Lehre<br />

Ideen für die Zukunft<br />

Verbindende Vergangenheit –<br />

trennende Gegenwart?<br />

Auf allen Kanälen daheim<br />

Fingerfertige Faszination<br />

Bildung durch Gesang<br />

Üben für den Ernstfall<br />

Affentheater im Waisenhaus<br />

Wissenschaft & Forschung<br />

Fördertöpfe sind heiß umkämpft<br />

Neue Töne anstimmen<br />

„Verborgene Krankheit“<br />

Einblick in die Steinzeitfamilie<br />

Next Stop: <strong>Mainz</strong><br />

Nur eine Illusion?<br />

Campus international<br />

Das moderne Indien entdecken<br />

Die Schönheit der menschlichen Sprache<br />

Foto: Peter Pulkowski<br />

Foto: © Bistum <strong>Mainz</strong><br />

Herausragend: Karl<br />

Kardinal Lehmann ist<br />

Stiftungsprofessor<br />

Seite 6<br />

Zukunftsweisend:<br />

Skills-Lab an der<br />

Uniklinik<br />

27<br />

28<br />

Kultur auf dem Campus<br />

Vom Leben, der Liebe und Einkaufszentren<br />

Funktionalität und Ästhetik<br />

Seite 12<br />

30<br />

31<br />

32<br />

www.uni-mainz.de<br />

Herausforderung und Chance<br />

Shakespeare digital<br />

Personen & Positionen<br />

Neu an der Uni<br />

Foto: Peter Thomas<br />

Gutaussehend:<br />

Neubau Musik<br />

eingeweiht<br />

34<br />

34<br />

34<br />

Kurz & Bündig<br />

Besuch von Verteidigungsminister Jung<br />

Impressum<br />

Fit bleiben<br />

Seite 28<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong> 2


Editorial<br />

Danke.<br />

Das Bild unserer Universität in der Öffentlichkeit ist<br />

geprägt von Erfolgsmeldungen in Forschung und<br />

Lehre: Wir reden gerne und oft über international<br />

beachtete Forschungsergebnisse, Publikationen,<br />

Preise, hohe Drittmitteleinnahmen und über hohe<br />

Studierenden- und Absolventenzahlen, neue Studiengänge,<br />

Lehrpreise oder andere Auszeichnungen.<br />

Dabei stehen neben den Studierenden in der Regel<br />

vor allem unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

im Zentrum des Interesses. Das ist gut so<br />

und soll auch in Zukunft so bleiben.<br />

Aber dabei wird oft vergessen, dass an der Universität<br />

nicht nur Studierende und Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler arbeiten. Die meisten der<br />

gut 8.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die<br />

Universität gemeinsam mit der Universitätsmedizin<br />

zum größten Arbeitgeber in <strong>Mainz</strong> und zum zweitgrößten<br />

Arbeitgeber des Landes Rheinland-Pfalz<br />

machen, sind im so genannten wissenschaftsstützenden<br />

Bereich und in der Krankenversorgung tätig.<br />

Hier ist eine Vielzahl von Berufsgruppen zu fi nden<br />

– von technischen Berufen bis hin zum Gartenbau,<br />

von der Krankenpfl ege bis hin zu kaufmännischen<br />

und Verwaltungsberufen, vom Kraftfahrer bis hin<br />

zur Telefonzentrale, vom Marketing bis hin zur Weiterbildung<br />

– die Liste ist zu lange, als dass eine vollständige<br />

Aufzählung an dieser Stelle möglich wäre.<br />

Dabei ist die Universität nicht nur ein großer Arbeitgeber,<br />

sondern auch ein großer und äußerst vielfältiger<br />

Ausbildungsbetrieb: Gut 120 junge Menschen<br />

erlernen hier einen von 15 Ausbildungsberufen –<br />

sie profi tieren vom Wissen der erfahrenen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter und von der besonderen<br />

Herausforderung, die der Universitätsbetrieb für<br />

jeden Einzelnen bedeutet. Denn der Gärtner pfl egt<br />

eben nicht nur Hecken und Rasen auf dem Campus,<br />

sondern er muss sich im Botanischen Garten<br />

mit einer Vielzahl ausgefallenster Pfl anzen vertraut<br />

machen. Die Mechanikerin in der Werkstatt des<br />

Fachbereichs verrichtet nicht jeden Tag die gleiche<br />

Arbeit, sondern muss sich immer wieder mit ausgefallenen<br />

Ideen für den Aufbau neuer Experimente<br />

auseinandersetzen und dabei oftmals an die Grenze<br />

des technisch Machbaren und darüber hinaus gehen.<br />

Und dabei möglichst gestern schon das funktionierende<br />

Produkt abliefern. Sei es der sich ständig<br />

weiter entwickelnden Forschung und einem internationalen<br />

Wettbewerb geschuldet oder dem Umgang<br />

mit engagierten und ideenreichen Studierenden<br />

aus über 130 Ländern der Erde: Die Arbeit an der<br />

Universität ist eine besondere Herausforderung für<br />

jeden Einzelnen. Dass die stets engen öffentlichen<br />

Haushalte das ihre dazu beitragen, dass die Gehälter<br />

nicht in den Himmel wachsen, und dass mit der<br />

Arbeitszeit so effi zient wie möglich umzugehen ist,<br />

muss nicht extra ausgeführt werden.<br />

Und doch sind es diese vielen Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter, die mit ihrem großen Engagement und<br />

ihrer Leistungsfähigkeit das Rückgrat der Universität<br />

bilden und all unsere sichtbaren Erfolge in Lehre,<br />

Forschung und Krankenversorgung und in den<br />

anderen Aufgabenfeldern der Universität möglich<br />

machen. Jeder unserer Wissenschaftlerinnen und<br />

Wissenschaftler kann Einzelne benennen, ohne die<br />

die eigenen Erfolge nicht möglich gewesen wären.<br />

Sie stehen jedoch meist im Hintergrund und ihre<br />

Leistungen werden selten gewürdigt. Ihnen ist das<br />

heutige Editorial gewidmet. Und mit ihnen auch all<br />

denen, die sich um die Interessen der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter bemühen, allen voran die<br />

Personalräte und die zuständigen Abteilungen der<br />

Verwaltung. Der Präsident, der sich nicht nur als<br />

Leiter der Dienststelle Universität, sondern auch als<br />

Forscher und Hochschullehrer versteht, erlaubt sich<br />

daher an dieser Stelle im Namen aller Studierenden<br />

und aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

ein klares Wort, das längst überfällig ist und gerne<br />

auch dezentral wiederholt werden darf:<br />

Danke!<br />

Es grüßt Sie herzlich<br />

Ihr<br />

Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch<br />

Präsident<br />

3<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Campus aktuell<br />

Foto: Sascha Kopp<br />

„Wir sind aufeinander<br />

angewiesen“<br />

SPIEGEL-Gespräch mit Bundespräsident Horst Köhler<br />

Der Hörsaal RW1 war mit 1.000 Besuchern voll besetzt und draußen<br />

vor dem Saal saßen mindestens noch einmal so viele, die über<br />

eine Leinwand per public viewing den Auftritt von Horst Köhler mitverfolgten.<br />

Der Bundespräsident war auf Einladung der <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Gutenberg</strong>-Universität und des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL<br />

nach <strong>Mainz</strong> gekommen, um mit den SPIEGEL-Redakteuren Martin<br />

Doerry und Jan Fleischhauer zum Thema „Wie politisch ist Amt des<br />

Bundespräsidenten?“ zu sprechen. Zur Begrüßung sprach Universitätspräsident<br />

Prof. Dr. Georg Krausch.<br />

Es war wohl der sich in den letzten Monaten immer<br />

rascher zuspitzenden wirtschaftlichen Weltlage<br />

geschuldet, dass der Grundtenor des Gespräches<br />

von Beginn an unter dem Vorzeichen der internationalen<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise stand. Dies<br />

lag nicht nur aufgrund der Aktualität der Ereignisse<br />

nahe, denn mit Bundespräsident Horst Köhler, dem<br />

ehemaligen Direktor des Internationalen Währungsfonds,<br />

stand zugleich ein Kenner der Finanzbranche<br />

und der globalen Wirtschaftsprozesse als<br />

Gesprächspartner zur Verfügung. Und Köhler sparte<br />

nicht mit Kritik an der Branche, die augenscheinlich<br />

für die derzeitige Krise mitverantwortlich ist.<br />

Es sei die schlimmste wirtschaftliche Krise seit dem<br />

Zweiten Weltkrieg, die deutlich die Schwächen des<br />

Finanzsystems offenbare, so Köhler. Nun aber eine<br />

Grundsatzdebatte über einer neue, staatsgelenkte<br />

Marktwirtschaft zu führen, lehnte er als den falschen<br />

Ansatz ab. Vielmehr müsse gerade jetzt die<br />

Chance für sinnvolle Reformen genutzt werden, die<br />

undurchsichtigen Strukturen des Finanzsystems zu<br />

regulieren und umzugestalten.<br />

Dabei könnte dieser falsche Ansatz, der Ruf nach<br />

einem dauerhaft starken Staat, trotz Köhlers<br />

Vorbehalten, aber angesichts der Eingriffe der<br />

Bundesregierung durch das<br />

Bankenrettungspaket und der<br />

Kreditverhandlungen mit dem<br />

Rüsselsheimer Autobauer Opel<br />

schon längst zur Wirklichkeit<br />

geworden sein. Die deutsche<br />

Autoindustrie sei eine solide<br />

Branche, die durch die Krise<br />

gerade in einer Umbruchsphase<br />

getroffen werde und der über<br />

die entstandene Durststrecke<br />

durch den Staat hinweggeholfen<br />

werden sollte, relativierte<br />

Foto: Peter Thomas<br />

Für mehr Augenmaß:<br />

Köhler und SPIEGEL-Redakteur<br />

Fleischhauer<br />

Vollbesetzter Hörsaal RW 1: Universitätspräsident Krausch<br />

begrüßt Bundespräsident Köhler<br />

Köhler seine Aussagen. Der Frage nach den Grenzen<br />

dieser staatlichen Hilfen, wich der Bundespräsident<br />

aus. Vielmehr betonte er, dass das in der Vergangenheit<br />

im Ausland oft belächelte Modell der Sozialen<br />

Marktwirtschaft nicht überholt sei, sondern wieder<br />

zunehmend an Attraktivität gewinne. „Die Freiheit<br />

des Marktes muss sich in Regelungen der sozialen<br />

Verantwortung binden“, rief Köhler auf und forderte<br />

zugleich von Managern sich in stärkerem Maße an<br />

der öffentlichen Diskussion zu beteiligen und „sich<br />

die Frage zu stellen, was angemessen ist.“ Das<br />

die Finanzbranche in den letzten zwanzig Jahren<br />

Strukturen hervorgebracht hat, die „jede Bodenhaftung<br />

verloren“ haben, ist derzeit eine so simple,<br />

wie augenscheinliche Erkenntnis und doch vermisst<br />

Köhler vor allem von Seiten derer, die momentan<br />

am heftigsten im Kreuzfeuer der Kritik stehen, die<br />

Einsicht in ihre Lage und ihre gesellschaftliche Verantwortung.<br />

„Die Freiheit des Marktes muss<br />

sich in Regelungen der sozialen<br />

Verantwortung binden.“<br />

„Die Globalisierung braucht Gegenlager“, forderte<br />

der Bundespräsident, stellte aber auf Nachfrage<br />

klar, dass die Partei DIE LINKE, als ein solches, ideologisches<br />

Gegenlager, nicht die richtigen Lösungen<br />

bereithalte: „Eine staatsdominierte soziale Marktwirtschaft<br />

wäre Augenwischerei, Deutschland nagt<br />

nicht am Hungertuch.“ Köhler plädierte auch hier,<br />

wie während des gesamten Gespräches für mehr<br />

Augenmaß und dafür, die Probleme nüchtern und<br />

frei von starren Denkmustern zu betrachten und<br />

daraus die richtigen und notwendigen Maßnahmen<br />

abzuleiten.<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong> 4


Campus aktuell<br />

Foto: Peter Thomas<br />

Apell an die Studierenden: „Ich zähle auf sie!“<br />

Eines dürfe jedoch auf gar keinen Fall geschehen:<br />

Energisch warnte der Bundespräsident vor einem<br />

Rückzug des Staates und des Einzelnen auf die eigene<br />

Interessenlage. Noch trifft die Entwicklungsländer<br />

die Wirtschaftskrise kaum, da sie weniger<br />

stark in die internationale Wirtschaft integriert sind,<br />

jedoch wird sich ein Wirtschaftsabschwung oder gar<br />

eine Rezession in den Industriestaaten mittelfristig<br />

auch und vielleicht in noch härterem Maße auf sie<br />

auswirken. Die Folgen wären unabsehbar und die<br />

Konsequenzen einer humanitären Katastrophe in<br />

Afrika würde Europa unmittelbar zu spüren bekommen.<br />

Köhler sprach mit den Lebensbedingungen<br />

der Menschen auf dem Afrikanischen Kontinent ein<br />

Thema an, dass er während seiner bisherigen Amtszeit<br />

immer wieder zum Gegenstand der öffentlichen<br />

Diskussion gemacht hatte. Gerade war er zusammen<br />

mit seiner Frau von einer Reise nach Nigeria<br />

zurückgekehrt und berichtete eindrücklich von der<br />

Situation der Menschen dort.<br />

„Die Globalisierung<br />

braucht Gegenlager.“<br />

Bei der Frage, warum sich die Europäische Union<br />

nicht im Kongo engagiert, wo ein seit mehreren Jahren<br />

schwelender und nun wieder ausgebrochener<br />

Konfl ikt zwischen Regierung und Rebellen zehntausende<br />

Menschen in ihrer Existenz betrifft, sagte<br />

Köhler: „Wenn wir es ernst meinen mit den Werten,<br />

die für uns alle stehen, müssen auch die Europäer<br />

Soldaten stellen, um diesem Morden Einhalt zu<br />

gebieten.“ Er erneuerte damit seine Forderung von<br />

2006 UN-Truppen in den Kongo zu senden um die<br />

Aufforderung eines europäischen Engagements in<br />

Zentralafrika. Die Europäer, wie auch die gesamte<br />

Staatengemeinschaft hätten sonst an diesem Punkt<br />

ein Glaubwürdigkeitsproblem. Köhler forderte von<br />

der UNO über ein robustes Mandat für den Kongo<br />

nachzudenken und warnte zugleich vor den Konsequenzen<br />

des Nicht-Einmischens: „Entweder wir<br />

sagen, dass wir solche Situationen aus humanitären<br />

Gründen nicht mehr zulassen wollen, oder wir lassen<br />

es laufen, weil wir es nicht lösen können.“<br />

„Wenn wir es ernst meinen mit<br />

den Werten, die für uns alle<br />

stehen, müssen auch die Europäer<br />

Soldaten stellen,<br />

um diesem Morden Einhalt<br />

zu gebieten.“<br />

Zum Ende des Gesprächs auf die in diesem Jahr<br />

anstehende Wahl des Bundespräsidenten und die<br />

Gründe weshalb er sich zur Wiederwahl stellt angesprochen,<br />

reagierte Köhler staatsmännisch und<br />

gestand eigene Fehler während seiner Amtszeit<br />

ein. Als ein Bundespräsident, der sich mehr als seine<br />

Vorgänger in die Politik eingemischt hat, unter<br />

anderem indem er 2006 seine Unterschrift zum<br />

Flugsicherheitsgesetzt verweigerte, habe er es in<br />

manchen Fällen an der öffentlichen Kommunikation<br />

seiner Entscheidungen fehlen lassen. Neben dem<br />

weiteren Engagement für Afrika wolle er einen Beitrag<br />

für die gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands<br />

leisten, sich für Arbeit und Bildung vor allem<br />

für junge Menschen einsetzen und die Integration<br />

aller Menschen in Deutschland fördern.<br />

Wenn auch die Frage, wie politisch das Amt des<br />

Bundespräsidenten ist, nicht wörtlich gestellt wurde,<br />

so hatten die Zuhörer in den Antworten Horst<br />

Köhlers doch vieles über das Selbstverständnis und<br />

die Prinzipien der Amtsführung, des derzeit beliebtesten<br />

deutschen Politikers erfahren.<br />

„Wir sind aufeinander angewiesen“, war eine, in<br />

seinen Aussagen immer wieder auftauchende Mahnung.<br />

Und Köhler wurde nicht müde die Chancen<br />

eines gemeinsamen und konstruktiven Miteinanders<br />

für Deutschland zu betonen. Die Demokratie<br />

in Deutschland sieht er stabil und handlungsfähig.<br />

Damit diese es auch bleibt, rief Köhler am Ende der<br />

Veranstaltung die zahlreichen Studentinnen und<br />

Studenten im Saal und vor den Türen dazu auf, sich<br />

zu engagieren und persönlichen Einsatz nicht zu<br />

scheuen: „Sie sind die nächste Generation. Ich zähle<br />

auf sie!“<br />

Sebastian KUMP ■<br />

Sitzungstermine<br />

des Senats<br />

Wintersemester <strong>2009</strong>/10<br />

Freitag, den 06. 11. <strong>2009</strong><br />

Freitag, den 04. 12. <strong>2009</strong><br />

Freitag, den 15. 01. 2010<br />

Freitag, den 05. 02. 2010<br />

Die Sitzungen fi nden im Sitzungszimmer<br />

der Naturwissenschaftlichen Fachbereiche<br />

(Johann-Joachim-Becher-Weg 21, 7.Stock)<br />

statt und beginnen jeweils um 13.00 Uhr.<br />

Neu im Senat<br />

Nadine Heilmaier (Studierende)<br />

Neue Prodekanin am FB 06:<br />

Univ.-Prof. Dr, Susanne Klengel<br />

5<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Campus aktuell<br />

„Intellektuell<br />

ein Vergnügen“<br />

Foto: © Bistum <strong>Mainz</strong><br />

Karl Kardinal Lehmann wird Stiftungsprofessur <strong>2009</strong> Der Coup, der mit<br />

der Besetzung der nächsten <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Stiftungsprofessur gelungen<br />

ist, darf getrost als Sensation bezeichnet werden: Karl Kardinal Lehmann wird<br />

im Sommersemester <strong>2009</strong> an der <strong>Mainz</strong>er Uni Vorlesungen halten – wieder,<br />

nach 38 Jahren. Bei der Pressekonferenz zur Verkündigung der frohen Botschaft<br />

musste die Hauptperson jedoch leider krankheitsbedingt fehlen.<br />

Karl Kardinal Lehmann<br />

Binnen Wochenfrist nach dem 40jährigen Jubiläum<br />

seiner Berufung zum „ordentlichen öffentlichen<br />

Professor“ auf den Lehrstuhl für Dogmatik erfolgte<br />

ein zweiter Professoren-Ruf der Universität <strong>Mainz</strong><br />

an Karl Lehmann, mittlerweile Kardinal und seit<br />

langem einer breiten Öffentlichkeit auch bekannt<br />

als Bischof von <strong>Mainz</strong> und langjähriger Vorsitzender<br />

der Deutschen Bischofskonferenz: Er wird Stiftungsprofessor<br />

<strong>2009</strong>. Mit ihm krönen die „Freunde der<br />

Universität e.V.“ als stiftende Instanz zusammen mit<br />

der Universität ein weiteres Jubiläum: Die <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Gutenberg</strong>-Stiftungsprofessur, die jeweils für den<br />

Verlauf des Sommersemesters eines Jahres einen<br />

profi lierten Gast zu einer speziell zugeschnittenen<br />

Themenstellung einlädt, geht damit in ihr zehntes<br />

Jahr.<br />

Karl Kardinal Lehmann widmet sich dem Thema<br />

„Weltreligionen – Verstehen, Verständigen, Verantwortung“<br />

und wird dazu unter dem Motto „Mut<br />

zum Dialog“ zahlreiche Gäste zur Bereicherung<br />

der Vorlesungsreihe einladen, die in von ihm moderierten<br />

Vorträgen die spezifi sche Problematik der<br />

einzelnen Weltreligionen und bedeutsame Detailaspekte<br />

vorstellen werden.<br />

„Schon häufi ger wollten wir dieses Thema des<br />

interreligiösen Dialoges in Angriff nehmen“, so<br />

Andreas Cesana, Leiter des Studium generale und<br />

Vorsitzender der Stiftung, bei der Pressekonferenz<br />

zur Vorstellung des neuen Stiftungsprofessors am<br />

10. November 2008, „aber es hatte sich stets als zu<br />

schwierig erwiesen.“ Cesana erläuterte die akute<br />

Brisanz und die allgemeine Relevanz des Themas.<br />

„Religionen haben uns in letzter Zeit das Fürchten<br />

gelehrt – sie haben ein erschreckendes Gewaltpotential“,<br />

bekannte er mit aufklärerischem Blick nach<br />

Ost und West (die kurz darauf folgenden Ereignisse<br />

in Bombay und Nigeria sollten diesem Aspekt brennende<br />

Aktualität geben). Dies führte Cesana konsequent<br />

zu der (über-)pointierten Frage, ob denn eine<br />

neue Epoche der Religionskriege heraufziehe:<br />

„Warum ist der interreligiöse Dialog so schwierig,<br />

warum scheitert er so oft? Wenn man eine Stiftungsprofessur<br />

zu diesem Thema in <strong>Mainz</strong> organisieren<br />

will, dann ist Kardinal Lehmann ein unumgänglicher<br />

Gesprächspartner und Ratgeber.<br />

„Religionen haben uns in letzter<br />

Zeit das Fürchten gelehrt<br />

– sie haben ein erschreckendes<br />

Gewaltpotential.“<br />

Wir sind in den Gesprächen mit ihm auf so viel<br />

Aufgeschlossenheit und Engagement zum Thema<br />

gestoßen, dass wir es kurzerhand wagten, den<br />

Kardinal selbst zu fragen“, erläuterte Cesana das<br />

Zustandekommen der Besetzung. „Die Begegnung<br />

mit Kardinal Lehmann war eine beglückende Erfahrung,<br />

menschlich eine Freude, intellektuell ein Vergnügen.“<br />

Und an diesem Vergnügen sollen nun im<br />

Sommer <strong>2009</strong> die <strong>Mainz</strong>er Studierenden und alle<br />

interessierten Bürger der Region teilhaben können.<br />

Die Stiftungsprofessur ist schon seit langem zu einer<br />

echten Institution geworden im intellektuell-akademischen<br />

wie gesellschaftlich-kulturellen Leben der<br />

Rhein-Main-Region – und darüber hinaus „das<br />

schönste Geschenk der ‚Freunde’ an die Universität<br />

– aber auch an die Stadt und die Region“, so<br />

Universitätspräsident Prof. Georg Krausch: „Die Uni<br />

ist per se Ort der interkulturellen und interreligiösen<br />

Kommunikation. Ich bin sicher, dass diese zehnte<br />

Stiftungsprofessur eine besondere Aufmerksamkeit<br />

in der Öffentlichkeit fi nden und damit maßgeblich<br />

zum Ansehen der Universität beitragen wird.“ Leh-<br />

mann ist dabei wichtig, mit den einzelnen Fachleuten<br />

ins Gespräch zu kommen, das sich idealerweise<br />

auch mit den Religionen fortsetzt: „Durch einen<br />

konstruktiven Dialog im Sinne des klassischen<br />

Grundsatzes ein Gleicher redet mit einem Gleichen<br />

kann die gemeinsame Verantwortung für eine friedliche<br />

Zukunft der Welt wahrgenommen werden.“<br />

Frank WITTMER ■<br />

Eingeläutet wird die Veranstaltungsreihe am<br />

Sonntag, 26. April, um 11 Uhr vormittags mit<br />

einem Empfang im Ratssaal des <strong>Mainz</strong>er Rathauses.<br />

Beginnend mit dem 28. April wird die<br />

Vorlesung jeweils dienstags von 18.15 Uhr bis<br />

ca. 19.45 Uhr im großen Hörsaal ReWi 1 stattfi<br />

nden. Die erste Vorlesung und die abschließende<br />

elfte am 7. Juli hält Kardinal Lehmann<br />

selbst. Bei den Terminen dazwischen begrüßt<br />

er als Gastredner: den EKD-Ratsvorsitzenden<br />

Bischof Wolfgang Huber, Bettina Bäumer zum<br />

Thema Hinduismus, Johann Maier zum Judentum,<br />

Gudrun Krämer (Islam), Michael von<br />

Brück (Buddhismus), Manfred Hutter (Baha’i),<br />

desweiteren Hans Joas, Helwig Schmidt-<br />

Glintzer und Eberhard Jüngel. Lehmann ist<br />

dabei wichtig, mit den einzelnen Fachleuten<br />

ins Gespräch zu kommen, das sich idealerweise<br />

auch mit den Religionen fortsetzt: „Durch<br />

einen konstruktiven Dialog im Sinne des klassischen<br />

Grundsatzes ein Gleicher redet mit<br />

einem Gleichen kann die gemeinsame Verantwortung<br />

für eine friedliche Zukunft der Welt<br />

wahrgenommen werden.“<br />

Die Vorlesungen fi nden jeweils dienstags von<br />

18.15 bis ca. 20.00 Uhr im Hörsaal RW 1,<br />

Haus Recht und Wirtschfaft, statt.<br />

http://www.stiftung-jgsp.uni-mainz.de<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong> 6


Studium & Lehre<br />

Ideen für die Zukunft<br />

Windfang-Projekt erfolgreich Die Auswirkungen der globalen Erwärmung an<br />

den Gletschern des Schweizer Wallis zu untersuchen, nach Systemen für die Zukunft<br />

zu forschen und Problemlösungen zu entwickeln, war die Aufgabenstellung<br />

der Projektstudie. Es war die außergewöhnliche Idee von Prof. Hans-Joachim Fuchs<br />

vom Geographischen Institut der Universität <strong>Mainz</strong>, mit 27 seiner Geographie-<br />

Studentinnen und -studenten einen Windfang auf dem Rhone-Gletscher zu bauen.<br />

Der Windfang, in der Mitte der fl ach auslaufenden Zunge des Gletschers aufgebaut,<br />

so die Idee, fängt die kalten Fallwinde, die normalerweise ungehindert ins<br />

Tal abfl ießen, auf und erzeugt ein Kaltluftpolster und damit einen Kühleffekt.<br />

sogar 3 Grad Celsius. „Wir haben mit unserem Test-<br />

Windfang auf dem Rhone-Gletscher eine eindeutige<br />

Abkühlung der oberfl ächennahen Lufttemperatur<br />

erreicht“, stellt Hans-Joachim Fuchs fest. Das Team<br />

ist stolz auf diesen Erfolg.<br />

Zu Recht! Ein hoffnungsfrohes Ergebnis, wenn man<br />

bedenkt, welche Auswirkungen das weitere rasante<br />

Abschmelzen der Schweizer Gletscher haben wird.<br />

Prof. Fuchs: „Wir haben auf dem Gletscher begriffen<br />

und gespürt, dass die Zeit knapp wird und wir wollten<br />

mit unserem Experiment auch auf die Gefahren<br />

aufmerksam machen.“<br />

Während der monatelangen Projektplanung und<br />

Vorbereitung leisteten die in fünf Arbeitsgruppen<br />

aufgeteilten Studierenden Erstaunliches. Für die<br />

fi nanziellen Mittel und die notwendige Unterstützung,<br />

ohne die eine Lehrveranstaltung in dieser<br />

Größe und Dimension nicht möglich ist, akquirierte<br />

das Team eigenständig Sponsoren und machte mit<br />

guter Pressearbeit auch die Öffentlichkeit auf dieses<br />

ökologische Problem aufmerksam. Die Medien<br />

bundes- als auch weltweit griffen das Thema mit Interesse<br />

auf, auch das Fernsehen berichtete über das<br />

außergewöhnliche Projekt der <strong>Mainz</strong>er. Angefangen<br />

mit der Erstellung von Konstruktionsplänen, der Bereitstellung<br />

von Baumaterial, der Herstellung von<br />

Stahlstangen, war die Hilfsbereitschaft überwältigend<br />

und auch vor Ort im Schweizer Wallis stieß<br />

das Team auf Hilfestellungen der nettesten Art.<br />

Am 11. August begann das zehntägige Experiment<br />

unter dem Motto „Lets go Wallis 2008“, das Team<br />

um Prof. Fuchs startete mit dem Bau des Windfangs<br />

auf dem Rhone-Gletscher. Durch die Sonneneinstrahlung<br />

wieder los geschmolzene Strahlträger,<br />

eine nicht funktionierende Wärmebildkamera und<br />

andere Schwierigkeiten, konnten die große Motivation<br />

und Begeisterung der Gruppe nicht bremsen.<br />

Die Konstruktion aus Stahlstangen und Planen, 15<br />

Meter breit und 3 Meter hoch, stand am dritten Tag<br />

1 Meter tief im Eis. Elf Temperaturmessgeräte in der<br />

Umgebung des Windfangs ermittelten fast 16.000<br />

Messwerte pro Tag. An sechs Tagen im Gelände<br />

wurden so 95.000 Messwerte aufgezeichnet, um<br />

die Lufttemperatur direkt am Windfang, in dessen<br />

unmittelbarer Nähe und in weiterer Entfernung zu<br />

ermitteln.<br />

Die Temperaturen am Windfang<br />

lagen nachts um durchschnittlich<br />

1,5 bis 2 Grad tiefer<br />

als die Temperaturen außerhalb<br />

des Windfangs.<br />

Das einzigartige Windfang-Experiment funktionierte.<br />

Die Datenauswertung nach Abschluss des Experiments<br />

zeigte, dass bei wolkenfreiem Himmel und<br />

den dann herrschenden Fallwinden der Kühleffekt<br />

am größten war. Die Temperaturen am Windfang<br />

lagen nachts um durchschnittlich 1,5 bis 2 Grad<br />

tiefer als die Temperaturen außerhalb des Windfangs.<br />

Der maximale Temperaturunterschied betrug<br />

Eine Umfrage vor Ort unter den Besuchern des<br />

Gletschers zeigte denn auch deutlich, dass viele<br />

die Folgen der Gletscherschmelze noch immer nicht<br />

als eine reale Gefahr sehen, der Wunsch nach Information<br />

aber vorhanden ist. Ein Lehrpfad, vom<br />

<strong>Mainz</strong>er Team geplant, soll den Gletscher erlebbar<br />

machen und wird von einem Schweizer Unternehmen<br />

fi nanziert und umgesetzt. Informationen rund<br />

um das Thema bietet auch der Internetauftritt des<br />

Teams, der sogar während der Zeit im Wallis täglich<br />

aktualisiert wurde. Und auch fi lmisch wurde<br />

das Projekt umgesetzt. Am 6. Februar <strong>2009</strong> wird<br />

der von den Studentinnen und Studenten auf dem<br />

Rhone-Gletscher gedrehte Lehrfi lm der Öffentlichkeit<br />

vorgestellt.<br />

Forschendes und entdeckendes Lernen und Stolz auf<br />

das Erreichte; das motiviert nicht nur für das weitere<br />

Studium, sondern erzeugt auch neue Ideen für die<br />

Zukunft. Viele der Sponsoren, die das Projekt 2008<br />

unterstützten, haben bereits Hilfe bei weiteren Projekten<br />

zugesagt. Und auch neue Angebote liegen<br />

vor – sogar ein Unternehmen aus Japan bietet dem<br />

Team um Prof. Fuchs eine Zusammenarbeit an.<br />

Maria COLOMBO ■<br />

Foto: © Geographisches Institut<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Studium & Lehre<br />

Quelle: tns emnid/Bertelsmann Stiftung<br />

Verbindende Vergangenheit –<br />

trennende Gegenwart?<br />

Das Israelbild der Deutschen Den 60. Jahrestag der Gründung des Staates<br />

Israel nahm die Bertelsmann Stiftung zum Anlass die Deutsche Bevölkerung<br />

nach ihrem Israelbild zu befragen. Im Gegensatz zu einer frühere Umfragen der<br />

britischen BBC, die ergeben hatte, dass Israel von den Deutschen als das Land<br />

gesehen wurde, das den negativsten Einfl uss auf die Weltpolitik hat, zeichnet<br />

die Bertelsmann-Umfrage eine tendenziell positives Israelbild der Deutschen.<br />

Die Israel-Expertin der Stiftung Maren Qualmann stellte in einem Vortrag der<br />

Arbeitsgemeinschaft Israel der Universität <strong>Mainz</strong> nun die Ergebnisse ihrer<br />

Umfrage von 2007 vor.<br />

Es mag zunächst irritierend klingen, dass Israel von<br />

den Deutschen als das Land gesehen wird, das<br />

weltweit den negativsten Einfl uss auf die Weltpolitik<br />

hat. Gerade im Hinblick auf die besondere Historische<br />

Beziehung und Verantwortung Deutschlands<br />

gegenüber Israel erstaunt dieses Umfrageergebnis<br />

der BBC aus dem Jahr 2007. Doch ist dieses zunächst<br />

weniger aussagekräftig, als vielleicht vorschnell<br />

vermutet werden könnte. „Umfragen können<br />

eben nicht erklären, was hinter den Aussagen<br />

steck“, erläutert die Israel-Expertin der Bertelsmann<br />

Stiftung Maren Qualmann dazu in ihrem Vortrag. So<br />

entsprechen die Ergebnisse der BBC-Umfrage nicht<br />

einem generell negativen Israelbild der Deutschen,<br />

sondern vielmehr der gegenwärtigen Wahrnehmung<br />

Israels und des gesamten Nahen Ostens als<br />

eine internationale Krisenregion.<br />

Grade der Zustimmung der Bundesbürger zur Aussage:<br />

„Mich beschämt, dass Deutsche so viele Verbrechen an den Juden<br />

begangen haben.“<br />

Vorschnelle Urteile zu vermeiden und gezielt und<br />

konkret das Verhältnis der beiden Staaten zu hinterfragen<br />

war Anliegen der 2007 durchgeführten<br />

Umfrage der Bertelsmann Stiftung, die ihre eigenen<br />

Ergebnisse mit Zahlen aus einer Umfrage des<br />

Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL von 1991 vergleichen<br />

konnte.<br />

„Umfragen können eben nicht<br />

erklären, was hinter den<br />

Aussagen steckt.“<br />

Was denken die Menschen von Israel und warum<br />

denken sie so, wie sie denken? Zu keinem anderen<br />

Land, außer zu Frankreich, unterhält Deutschland so<br />

lebendige und weit reichende Beziehungen wie zu<br />

Israel. Dies mag aus der gemeinsamen Geschichte<br />

resultieren, ist aber gerade aus diesem<br />

Grund keine Selbstverständlichkeit,<br />

sondern spricht vielmehr für ein reges<br />

Interesse der beiden Nationen aneinander.<br />

Zurückblickend lautet eines der entscheidenden<br />

Ergebnisse der Umfrage,<br />

dass die Shoah Deutschland und Israel<br />

nicht voneinander trennt, sondern auf<br />

deutscher Seite vor allem das Bewusstsein<br />

der schamhaften Vergangenheit<br />

dem entgegensteht. So empfi nden zwei<br />

Drittel der Bundesbürger die deutschen<br />

Verbrechen an den Juden als Scham<br />

(s. Grafi k) und die Hälfte der Bevölkerung<br />

verspürt eine besondere Verantwortung<br />

gegenüber Israel. Dieses Verständnis<br />

spiegelt sich auch in der Politik wieder.<br />

„Die besondere Verantwortung Deutsch-<br />

lands gegenüber Israel ist Teil der Staatsräson der<br />

Bundesrepublik und als solche unumstößlich“, fasst<br />

Qualmann ihre Erfahrungen mit Deutschen Politikern<br />

zusammen.<br />

Zugleich wünschen sich jedoch mehr als die Hälfe<br />

der Deutschen einen Schlussstrich hinter die gemeinsame<br />

Vergangenheit zu ziehen. Dieser Wunsch<br />

entspricht der veränderten Wahrnehmung Israels<br />

in Deutschlands, die zunehmend von aktuellen Ereignissen<br />

dominiert wird. Prägend für das Israelbild<br />

sind nicht mehr nur die Verbrechen des Nationalsozialismus,<br />

sondern in stärkerem Maße der Nahostkonfl<br />

ikt, die Israelische Siedlungspolitik und die<br />

Situation der Palästinenser in den Autonomiegebieten,<br />

wobei sich in diesen Themen die unterschiedliche<br />

politische Kultur beider Länder widerspiegelt.<br />

So begrüßen die Israelis den Einsatz deutscher<br />

Soldaten vor der Libanesischen Küste im Rahmen<br />

der UNIFIL-Mission der Vereinten Nationen, wogegen<br />

in der Bundesrepublik Militäreinsätze seit dem<br />

Zweiten Weltkrieg generell sehr kritisch diskutiert<br />

werden. Aus demselben Grund halten die Deutschen<br />

einen Krieg gegen den Iran wegen dessen<br />

Atomprogramm mehrheitlich für ungerechtfertigt,<br />

während die Israelis – aufgrund der unmittelbaren<br />

Bedrohung – diesen befürworten würden.<br />

„Die Vergangenheit verbindet Deutschland und<br />

Israel“ so Qualmann, doch ist sie und wird in Zukunft<br />

gegenüber aktuellen Ereignissen weniger<br />

bedeutend werden. „Die Perspektiven werden sich<br />

mit neuen Generationen zunehmend verändern.<br />

Diese müssen ernst genommen, werden.“ So zeigt<br />

die Umfrage ebenfalls, dass jüngere Generationen<br />

in Deutschland wie in Israel weniger Interesse am<br />

jeweils anderen Land zeigen und vor allem in Israel<br />

junge Menschen eine generell skeptischere Haltung<br />

als ihre Eltern und Großeltern vertreten.<br />

Dieser Paradigmenwechsel, in dem die Unterschiede<br />

in der politischen Kultur der beiden Staaten zunehmend<br />

das gegenseitige Bild bestimmen, birgt Chancen,<br />

zugleich aber auch die Gefahr einander nicht<br />

mehr zu verstehen. Das Ergebnis der Bertelsmann-<br />

Umfrage ist daher neben der Feststellung eines eher<br />

positiven Israelbild der Deutschen zugleich die Aufforderung,<br />

den Dialog der Bevölkerung beider Länder<br />

voranzutreiben und die guten Beziehungen, vor<br />

allem zwischen den jungen Bürgern beider Staaten,<br />

auszubauen und zu festigen. Sebastian KUMP ■<br />

[<strong>JOGU</strong>] 200/2007 <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

8


Studium & Lehre<br />

Auf allen Kanälen daheim<br />

Spagat zwischen Vielfalt und Tiefgang „Aus dem Stoff für einen Zeitschriftenartikel<br />

kann noch ein Radiobericht werden und zum Radiobericht können<br />

sie vielleicht ein Internetangebot bauen. Lernen sie crossmediales Denken,<br />

verkaufen sie Ihre Themen über mehrere Kanäle!“ So ermunterte Radio-Professor<br />

Axel Buchholz in der ersten Woche des Wintersemesters seine Journalismus-<br />

Studenten, ein Leben als Eierlegende Wollmilchsau zu testen. Sieben Studenten<br />

des Journalistischen Seminars der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong> setzten<br />

nun ein einziges Thema für vier verschiedene Medien um: In einem Video,<br />

einem Zeitungsartikel, einem Onlineauftritt und einer Radiosendung erzählen<br />

sie von der Herkunft und Bedeutung deutscher Familiennamen.<br />

Natürlich lassen sich viele Recherchen so mehrfach<br />

verwerten. Doch „crossmedial denken“ heißt keineswegs,<br />

viermal das Gleiche in unterschiedlicher<br />

Verpackung anzubieten, wie Journalismus-Studentin<br />

Ulrike Bastian erklärt: „Jedes Medium braucht<br />

eine spezielle Aufbereitung. In der Zeitung oder online<br />

kann man gut die Fakten rüberbringen – was<br />

der Leser nicht versteht, kann er ja nochmal lesen.<br />

Im Radio sind Emotionen leichter zu vermitteln, und<br />

das Online-Video liefert die Bilder.“ Bastian nahm<br />

im vergangenen Semester an einem ähnlichen Projekt<br />

bei Professor Buchholz teil. Trotz der kreativen<br />

und fi nanziellen Chancen sieht sie crossmediales<br />

Arbeiten kritisch: „Der Nachteil ist, dass wir uns<br />

künftig nie mehr auf ein Ding konzentrieren können.<br />

Jeder kann alles, aber nichts richtig. Ich will<br />

lieber konzentriert an einen Bereich arbeiten als<br />

oberfl ächlich an vielen.“<br />

Für ihren Kommilitonen Stefan Bock ist Crossmedia<br />

die neue Norm: „Die Menschen informieren sich<br />

heute über mehrere Kanäle – meist auch noch parallel.<br />

Daher muss man auf vielen Feldern präsent<br />

sein.“ Tatsächlich sind fast alle Zeitungsredaktionen<br />

und Rundfunksender auch im Internet präsent.<br />

Ständig entstehen neue Genres wie Podcast, Handy-TV<br />

oder Videoblog. Der Nachwuchs-Journalist<br />

sollte sie zumindest kennen und verstehen, denn<br />

viele Chefredakteure äußern sich ähnlich wie Tagesspiegel-Online-Chefi<br />

n Mercedes Bunz: „Wir wollen<br />

Online- und Printredaktion lieber verzahnen anstatt<br />

einen sinnlosen Doppelbetrieb aufzubauen“, sagte<br />

sie dem „Medium Magazin“.<br />

„Jeder kann alles,<br />

aber nichts richtig.“<br />

Der Wandel von Radiosendern oder Zeitungshäusern<br />

zu Multimedia-Betrieben ist erst seit wenigen<br />

Jahren im Gange. Medienhäuser, Journalistenschulen<br />

und Universitäten bilden zwar schon lange an<br />

unterschiedlichen Medien aus, doch wirklich verzahnt<br />

sind die einzelnen Bereiche meist noch nicht.<br />

Auch der <strong>Mainz</strong>er Journalismus-Master ist bisher<br />

klassisch aufgeteilt: Die Studenten lernen Print, Radio<br />

und Fernsehen in getrennten Lehrredaktionen,<br />

dazu gibt es einige Online-Blöcke. Journalismus-<br />

Student Jochen Steiner, der im Crossmedia-Projekt<br />

die <strong>Mainz</strong>er Forschungen zur geographischen Namensforschung<br />

(siehe <strong>JOGU</strong> Nr. 196/2006) vorstellt,<br />

fi ndet: „Nach ersten Versuchen sollte das Seminar<br />

Crossmedia als Lehrredaktion weiter anbieten.“<br />

Versuchsphase: Wie lässt<br />

sich klassischer Pressejournalismus<br />

mit Online-<br />

Arbeit verknüpfen?<br />

Wie das Journalistische Seminar den Spagat zwischen<br />

Format-Vielfalt und profunder Grundausbildung<br />

bewältigen will, ist noch nicht klar. „Was<br />

die crossmediale Ausbildung anbelangt, geht es<br />

uns nicht anders als den Verlagen: Wir sind in der<br />

Versuchsphase“, sagt Ulrike Trampus, vor ihrer<br />

Lehrtätigkeit Chefredakteurin des „Wiesbadener<br />

Kuriers“. Sie bereitet eine neue Lehrredaktion vor,<br />

die klassischen Pressejournalismus mit Online-<br />

Arbeit verknüpft. Auch richtig dabei zu sein“, doch<br />

auch eine große Chance: „Der Journalist kann sich<br />

eine im Arbeitsalltag oft sträfl ich vernachlässigte<br />

Frage immer wieder neu stellen und sie auch beantworten:<br />

Wie muss ein Thema aufbereitet sein,<br />

um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen, sie<br />

seriös, hintergründig, aktuell zu informieren und gut<br />

zu unterhalten?“ Jan FREDRIKSSON ■<br />

„Was ist Crossmedia?“<br />

Der Ausdruck „crossmedial“ kommt aus der<br />

Werbebranche, wo er den medienübergreifenden<br />

Charakter einer Werbekampagne<br />

bezeichnet. Entsprechend ist crossmedialer<br />

Journalismus die Umsetzung eines Themas<br />

unterschiedlichen Kanälen wie Zeitung, Online-Text,<br />

Video oder Podcast. Dahinter steht<br />

die Absicht, möglichst viele Interessenten zu<br />

erreichen. Für Medienhäuser ist „Crossmedia“<br />

eine Strategie, über eine breitere Präsenz<br />

den Markt besser abzudecken und ihre Kunden<br />

– etwa über Mitmach-Angebote – stärker<br />

zu binden. Vor allem die angeschlagenen<br />

Zeitungsverlage hoffen, damit ihre sinkenden<br />

Aufl agen zumindest teilweise auszugleichen.<br />

Foto: Peter Pulkowski


Studium & Lehre<br />

Fingerfertige Faszination<br />

Devilstick, Diabolo und anderes mehr Der Jonglage mit bunten Bällen,<br />

glitzernden Keulen und anderen Objekten widmet sich eine Gruppe des Allgemeinen<br />

Hochschulsports. Im kommenden Jahr wollen die Kleinkünstler zum<br />

zweiten Mal eine Jonglage-Convention auf dem <strong>Mainz</strong>er Campus ausrichten.<br />

Flirrend wie ein Feuerwerk sausen die vier orangeroten<br />

Ringe aus den Händen von Paul Lind im ewigen<br />

Reigen zur Decke der Sporthalle und wieder zurück.<br />

Was mühelos leicht aussieht, ist Ergebnis langen<br />

Trainings. Die entsprechenden Tricks und Kniffe lernen<br />

die Teilnehmer des Kursangebots „Jonglieren“<br />

im Rahmen des Allgemeinen Hochschulsports an<br />

der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong>.<br />

Einige Mitglieder der Gruppe jonglieren bereits auf<br />

hohem Niveau, lassen die Keulen, Diabolos und Pois<br />

elegant durch die Luft tanzen oder balancieren bei<br />

der Kontaktjonglage Bälle am Körper entlang. Aber<br />

auch für Anfänger ist die Gruppe<br />

genau das Richtige, sagt Bernadette<br />

Hertrampf, Obfrau des AHS<br />

für das Jonglieren. Alles was man<br />

dazu mitbringen muss, sind Neugier,<br />

Spaß an den anspruchsvollen<br />

Koordinationstechniken und Freude<br />

an der Kommunikation. Denn<br />

neben den kleinen Workshops, die<br />

in den Übungsstunden jeweils zu<br />

bestimmten Techniken angeboten<br />

werden, fi ndet Wissensvermittlung<br />

meist durch den persönlichen<br />

Austausch statt: Wer etwas lernen<br />

möchte, sagt einfach „Bring mir<br />

das doch bitte bei.“<br />

Wer etwas lernen<br />

möchte, sagt einfach<br />

„Bring mir das doch<br />

bitte bei.“<br />

Die bisher größte eigene Veranstaltung<br />

der Gruppe war die<br />

Jonglier-Convention, die 2007 mit<br />

150 Teilnehmern auf dem Campus<br />

stattfand. Das dreitägige Programm<br />

in der Leichtathletikhalle<br />

fand seinen Höhepunkt in der<br />

Jonglage-Galashow auf der Bühne des Hörsaals<br />

P1. Motto der Convention war „Ministry of Silly<br />

Juggling“, eine Verneigung vor dem Humor des bri-<br />

Foto: Peter Thomas<br />

tischen Ensembles Monty Python. <strong>2009</strong> wollen die<br />

Jongleure wieder ein ähnliches Treffen auf die Beine<br />

stellen, sagt Trainer Constantin Schneider. Er hat<br />

im Dezember 2008 die Nachfolge der bisherigen<br />

Trainerin Daniela Daub angetreten. Schneider, der<br />

selbst seit fünf Jahren jongliert, will mit der Gruppe<br />

auch häufi ger zu Conventions fahren.<br />

Mittelfristig planen die Jongleure außerdem, einen<br />

eigenen Verein zu gründen, um über das Training<br />

im Rahmen des AHS-Programms hinaus noch weitere<br />

Übungszeiten anbieten zu können. Denn wer<br />

einmal von der Faszination des Jonglierens gepackt<br />

Unterschiedliche Jonglagetechniken:<br />

Nicht nur Bälle und<br />

Keulen, sondern auch Pois und<br />

Diabolos fl iegen durch die Luft<br />

wird, der will diesen Aspekt der Artistik weiter erkunden.<br />

Die meisten Novizen trainieren erst einmal<br />

drei Bälle in einer Kaskade zu jonglieren. An diesem<br />

Abend stehen auch Astrid Hahn, Melanie Deiß und<br />

Eva Wirsing nebeneinander und lassen die bunten<br />

Kugeln in der hell erleuchteten Halle mit sanften<br />

Bewegungen kreisen. Einige Schritte weiter arbeitet<br />

Friederike Bertsch konzentriert mit vier rot-weißen<br />

Bällen.<br />

Das Untergeschoss der Turnhalle mit seinem weich<br />

gepolsterten Boden ist von Herbst bis Frühjahr das<br />

Domizil der Jongleure. Hier trainieren die <strong>Mainz</strong>er<br />

Artisten vor allem klassische Jonglage, aber auch<br />

Figuren am Vertikaltuch und auf dem Balancierseil.<br />

„Sobald es Wetter und Licht zulassen, gehen<br />

wir allerdings ins Freie“, sagt Bernadette Hertrampf.<br />

Dann übt die Gruppe auf der Wiese vor dem<br />

Schwimmbad.<br />

Wer Jonglage nur mit Bällen und Keulen in Zusammenhang<br />

bringt, den belehrt ein Blick in die Materialkoffer<br />

der <strong>Mainz</strong>er Gruppe eines<br />

Besseren: Hier liegen auch die Pois<br />

– das in strumpfähnliche Stoffbeutel<br />

eingenähte Bälle. Außerdem<br />

fi nden sich bunte Ringe, Devilstick,<br />

Diabolo und anderes mehr. Für Abwechslung<br />

sorgen aber nicht nur<br />

die Geräte, sondern auch die verschiedenen<br />

Techniken: Während es<br />

bei der Wurfjonglage darum geht,<br />

mehrere Objekte durch Werfen in<br />

einem gleichmäßigen Bewegungsablauf<br />

zu halten, verlangt die Kontaktjonglage<br />

das Balancieren des<br />

Objekts auf dem Körper.<br />

Feine Unterschiede gibt es auch bei<br />

den typischen Bewegungsabläufen<br />

in der Arbeit mit einer geraden Zahl<br />

von Objekten und dem Jonglieren<br />

mit einer ungeraden Anzahl: Bei<br />

fünf Bällen wechseln die Objekte<br />

während der Kaskade die Hände,<br />

bei vier Bällen dagegen üblicherweise<br />

nicht. Der Betrachter kann<br />

diese Details im rasenden Flug der<br />

bunten Gegenstände kaum unterscheiden.<br />

Was bleibt, ist Staunen<br />

über jene Fingerfertigkeit, welche<br />

die Jonglage-Gruppe auch schon beim Tag des<br />

Hochschulsports mit einem gemeinsamen Auftritt<br />

bewiesen hat.<br />

Peter THOMAS ■<br />

[<strong>JOGU</strong>] 200/2007 <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

10


Bildung durch Gesang<br />

Studium & Lehre<br />

Chorgesang: tolle Chance<br />

für die kognitive, soziale und<br />

kreative Entwicklung<br />

Foto: © EuropaChorAkademie<br />

Klassische Chorkultur an Schulen Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle<br />

Freizeitbeschäftigung anzubieten ist enorm wichtig. Singen in der Gruppe mit<br />

Gleichgesinnten bedeutet andere und anderes kennenzulernen, Bereitschaft zur<br />

Integration und den „Bau von Brücken“. Als Lohn winkt der Applaus, der wiederum<br />

das Selbstbewusstsein stärkt.<br />

Akademie im Wiesbadener Kurhaus zu hören. Hier<br />

durften die neuen Eleven bei „Stille Nacht, heilige<br />

Nacht“ erstmals Bühnenerfahrung sammeln. Für<br />

dieses Jahr ist, neben einem eigenen Schulkonzert,<br />

auch die Teilnahme am Semesterabschlusskonzert<br />

des Collegium musicum im Sommer geplant.<br />

Genau hier setzt Professor Joshard Daus mit seinem<br />

künstlerisch-pädagogischen Programm „Klassische<br />

Chorkultur an Schulen“ an. Der Leiter der Europa-<br />

ChorAkademie und des Collegium musicum der <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Gutenberg</strong>-Universität hat sich zur Aufgabe<br />

gemacht, musikinteressierte Kinder und Jugendliche<br />

genau an dem Ort abzuholen, an dem sie den größten<br />

Teil des Tages verbringen – in der Schule. Mit<br />

der zunehmenden ganztägig schulischen Beanspruchung<br />

der Kinder schwindet auch ihre Bereitschaft<br />

für außerschulische Freizeitaktivitäten. Aber gerade<br />

hier greift das Konzept, klassische Chormusik in die<br />

Schulen zu bringen. Musik in ihrem umfassenden<br />

kulturellen Kontext zu begreifen und Schülern somit<br />

über den kunstästhetischen Selbstwert hinaus vielfältige<br />

Zugänge zu den Musikwerken zu erschließen<br />

ist Ziel des Projektes. Unterstützt wird es vom<br />

rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft,<br />

Weiterbildung, Forschung und Kultur.<br />

„Chormusik ist wie ein<br />

guter Mannschaftssport:<br />

Sie schult den Teamgeist<br />

und setzt Energien frei.“<br />

„Zuallererst soll die Musik den Schülern Freude<br />

bereiten. Darüber hinaus ist es mir ein Anliegen,<br />

ihnen die Musik und die Inhalte auch fachlich zu<br />

vermitteln, sie zu ermutigen, sich mit ihrem Talent<br />

einzubringen und am Musizieren zu wachsen, oftmals<br />

auch unerwartet, über die eigenen Grenzen<br />

hinaus,“ erklärt Daus sein Vorhaben. „Die Zeit ist<br />

reif für Neuerungen im Chorbereich. Gerade Kinder<br />

singen gerne und gut, auch in unserer heutigen<br />

Zeit. Und besonders der Chorgesang bietet eine<br />

tolle Chance für die kognitive, soziale und kreative<br />

Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.“<br />

Gerade auch die Kinder können hierbei ihre Stärken<br />

entdecken, die Schwierigkeiten mit dem Leistungskatalog<br />

der Schule haben. „Nicht nur die Schulung<br />

der Singstimme steht im Vordergrund, sondern auch<br />

die Motivation der Kinder und Jugendlichen zum gemeinsamen<br />

Singen. Darüber hinaus vermitteln gemeinsame<br />

Auftritte mit Sängern und Musikern des<br />

Collegium musicums Freude und Erfolgserlebnisse.<br />

Chormusik ist wie ein guter Mannschaftssport:<br />

sie schult den Teamgeist, setzt Energien frei und<br />

lenkt überschüssige Kraft in eine gute Richtung“,<br />

ergänzt Chorleiter Sebastian Kunz. Gemeinsam mit<br />

Jan Hoffmann, beide aus den Reihen der Europa-<br />

ChorAkademie, unterrichtet er einmal wöchentlich<br />

die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5-12 an<br />

der Bretzenheimer Gesamtschule in <strong>Mainz</strong>. Trotz<br />

des umfangreichen Angebotes an Musik-AGs und<br />

Instrumental-Ensembles existierte an der Schule<br />

bislang kein Chor. Das Angebot der Uni kam somit<br />

genau zum richtigen Zeitpunkt.<br />

Die ersten Erfolge des Pilotprojektes, dem eine<br />

Zusammenarbeit mit weiteren Schulen folgen soll,<br />

waren schon im Weihnachtskonzert der EuropaChor<br />

Als „Zentrale Einrichtung“ der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität<br />

bietet das Collegium musicum Studierenden,<br />

Universitätsangehörigen und allen dem<br />

Musikleben der Universität nahe stehenden Interessierten<br />

die Möglichkeit der aktiven Teilnahme.<br />

Auf dem Programm der beiden Ensembles Chor und<br />

Orchester stehen neben den großen Werken sinfonischer<br />

Literatur, berühmte Oratorien und populäre<br />

Filmmusik. Farbig wie das Profi l der beiden Ensembles<br />

sind auch die Konzerte, die jeweils zu Semesterabschluss<br />

stattfi nden.<br />

Auf dem Programm des Abschlusskonzertes am<br />

8. Februar in der <strong>Mainz</strong>er Phönixhalle steht Mendessohns<br />

„Elias“ – eines der bekanntesten Werke<br />

des Komponisten. Am Ende des Sommersemesters<br />

wird unter Mitwirkung der Schülerinnen und Schüler<br />

der IGS Bretzenheim Filmmusik von Gershwin,<br />

Morricone und John Williams zu hören sein.<br />

Ute SAUERZAPF ■<br />

Information: Die Proben für das Sommersemester<br />

beginnen für das Orchester am Dienstag, den<br />

21. April <strong>2009</strong> und für den Chor am Mittwoch,<br />

den 22. April <strong>2009</strong>, jeweils um 19 Uhr in der Alten<br />

Mensa auf dem Unigelände.<br />

Interessierte sind jederzeit herzlich willkommen.<br />

Kontakt: Collegium musicum, Gresemundweg 4,<br />

55099 <strong>Mainz</strong> oder über<br />

www.collegium-musicum.uni-mainz.de<br />

11<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Studium & Lehre<br />

Üben für den Ernstfall<br />

Know-how für zukünftige<br />

Mediziner Am <strong>Mainz</strong>er Skills-Lab<br />

des Universitätsklinikums wird praktische<br />

Ausbildung großgeschrieben. Das<br />

Selbstlernzentrum bietet Medizinstudenten<br />

eine zusätzliche Möglichkeit,<br />

neben den Pfl ichtkursen im Studium<br />

wichtige praktische Fertigkeiten für die<br />

spätere ärztliche Tätigkeit zu erlernen.<br />

Üben für die Praxis: „Im Skills-Lab ist täglich<br />

Tag der offenen Tür.”<br />

Foto: Peter Pulkowski<br />

Der Patient bewegt sich nicht, reagiert nicht, wenn<br />

man ihn anspricht. Tom schaut ob die Atemwege<br />

frei sind, und bemerkt, dass der Mann nicht atmet.<br />

Sofort beginnt er mit der Herzdruckmassage. Als sich<br />

der Zustand des Patienten nach wiederholten Beatmungen<br />

und Thoraxkompressionen nicht ändert,<br />

heißt es „defi brillieren“. Doch kurz davor hustet der<br />

Patient und macht sich durch ein Stöhnen bemerkbar.<br />

Alle Beteiligten sind erleichtert, der Defi brillator<br />

kann wieder eingepackt werden, jetzt heißt es<br />

schnell ins Krankenhaus mit dem Patienten.<br />

Solche und andere Szenarien spielen sich häufi g<br />

im <strong>Mainz</strong>er Skills-Lab ab. Zum Glück ist im Selbstlernzentrum<br />

des Universitätsklinikums niemals ein<br />

Mensch in Gefahr. Die Studierenden der Medizin<br />

üben unter anderem an Puppensimulatoren, die<br />

fast bis ins kleinste Detail dem menschlichen Organismus<br />

entsprechen.<br />

„Dem Fachbereich Medizin ist<br />

die finanzielle sowie ideelle<br />

Unterstützung des Skills-Lab<br />

ein besonderes Anliegen“<br />

Seit 2003 trägt das <strong>Mainz</strong>er Skills-Lab am Universitätsklinikum<br />

zur Intensivierung der praktischen<br />

Ausbildung im Medizinstudium bei. Das Skills-Lab<br />

geht ideell und organisatorisch auf die Initiative einer<br />

Gruppe von Studierenden zurück. Auch heute<br />

noch liegt die Organisation in der Hand von zwölf<br />

studentischen Mitarbeitern. Die laufenden Kosten<br />

für Geräte und Personal von 30.000 Euro im Jahr<br />

übernimmt der Fachbereich Medizin.<br />

„Dem Fachbereich Medizin ist die fi nanzielle sowie<br />

ideelle Unterstützung des Skills-Lab ein besonderes<br />

Anliegen“, erklärte der Dekan des Fachbereichs<br />

Medizin, Prof. Dr. Dr. Reinhard Urban im Rahmen<br />

der Eröffnungsfeier der neuen Räumlichkeiten, in<br />

denen sich das Selbstlernzentrum seit April 2008<br />

befi ndet.<br />

Im Gebäude 405 ist das Skills-Lab für die Studenten<br />

täglich von 10-18 Uhr geöffnet. Das Angebot reicht<br />

von einer Vielzahl an Kursen bis hin zum individuellen<br />

Üben während der Öffnungszeiten.<br />

So bieten die insgesamt 23 Kurse des Skills-Lab von<br />

„Auskultation am Patienten“ über „Nahttechni-<br />

ken“ bis „Steril Waschen – Das kleine OP-Einmaleins“<br />

eine sinnvolle Ergänzung zu den Pfl ichtveranstaltungen<br />

des Medizinstudiums. Die Dozenten<br />

kommen zum Großteil aus der Ärzteschaft des<br />

Universitätsklinikums und machen es mit ihrem ehrenamtlichen<br />

Engagement möglich, den Studenten<br />

in den Kursen wichtiges Know-How für die spätere<br />

Tätigkeit als Arzt zu vermitteln.<br />

Wie groß der Zuspruch ist, beweisen die oftmals<br />

schnell ausgebuchten Kurse. Im „Auskultations-<br />

Kurs“, einem der beliebtesten bei den Studierenden,<br />

kann es passieren, dass bereits einige Sekunden<br />

nach Anmeldebeginn auf der Internet-Plattform<br />

ILIAS die wenigen heiß begehrten Kursplätze schon<br />

vergeben sind.<br />

Unter dem Motto „Zwei innovative Ausbildungseinrichtungen<br />

unter einem Dach“ hat sich neben dem<br />

Skills-Lab das Simulationszentrum der Klinik für<br />

Anästhesiologie im Gebäude 405 auf dem Klinikgelände<br />

eingerichtet. In Zukunft wird durch diese<br />

auch räumlich enge Zusammenarbeit und die Möglichkeit<br />

zur gemeinsamen Nutzung von Simulatoren<br />

das Kursangebot weiter ausgebaut werden.<br />

„Im Skills-Lab ist täglich Tag der offenen Tür“, lautet<br />

das Anliegen der Einrichtung. Durch die ganztägigen<br />

Öffnungszeiten wird den Studenten die<br />

Möglichkeit gegeben, einfach mal zwischen den<br />

Vorlesungen oder in der Mittagspause das gerade<br />

theoretisch Erlernte selbst praktisch auszuprobieren,<br />

die Inhalte des Kurses am Vortag zu wiederholen,<br />

oder sich mit anderen Studenten zu treffen,<br />

um gemeinsam chirurgisches Nähen zu üben. Dafür<br />

stehen den Studierenden viele verschiedene Tasktrainer,<br />

Patientensimulatoren, medizinische Geräte<br />

und Lernprogramme zur Verfügung.<br />

Sehr beliebt bei den Medizinstudenten ist das neue,<br />

eigens für Übungszwecke angeschaffte Ultraschallgerät.<br />

Wie wichtig die praktischen Fertigkeiten sind, bemerkt<br />

man spätestens in der ersten Famulatur. Dann<br />

wird es ernst, und das Blutabnehmen sollte beim<br />

Patienten, der meist genauso aufgeregt ist wie der<br />

Famulus, halbwegs professionell ablaufen. Damit<br />

im Ernstfall alles klappt, kann man am Blutabnahmetrainer<br />

üben. Ohne Skrupel, jemandem weh zu<br />

tun, lassen sich die dem Verlauf der menschlichen<br />

Gefäße nachempfundenen Venen des Plastikarms<br />

punktieren, und das Erfolgsgefühl stellt sich ein,<br />

wenn das Kunstblut in die Kanüle fl ießt.<br />

Anna-Maria VON RODA ■<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

12


Studium & Lehre<br />

Affentheater im Waisenhaus<br />

Langwieriger Prozess der Resozialisierung Morgens, halb acht in Sambia, mitten im Busch: Die Arbeit hat vor einer<br />

Stunde begonnen. Es ist ein sonniger, aber sehr kalter Morgen in Chimfunshi, ein Waisenhaus für Schimpansen. Zwei<br />

<strong>Mainz</strong>er Biologiestudentinnen stehen als Volontäre auf der Ladefl äche eines zwanzig Jahre alten Trucks, die Füße versinken<br />

in zermatschten Tomaten und Orangen. Die Aufgabe lautet: Obst und Gemüse sortieren, denn die Schimpansen, die in der<br />

Auffangstation des Chimfunshi Vereins zum Schutz bedrohter Umwelt e.V. in Sambia leben, warten schon auf ihr Frühstück.<br />

Nur zweimal in der Woche fährt der Truck<br />

in die nächste Stadt namens Chingola, um<br />

Obst und Gemüse, das der örtliche Supermarkt<br />

spendet, abzuholen. Ansonsten ist<br />

die Auffangstation von der Außenwelt abgeschottet.<br />

Die meisten der Schimpansen<br />

in Chimfunshi wurden als Babys durch<br />

Wilderer zu Waisen und auf Märkten verkauft.<br />

Sie kamen dann in Zoos, Zirkussen<br />

oder privaten Haushalten. Viele von ihnen<br />

wurden misshandelt, mussten in Bars die<br />

Bierfl aschen der Gäste öffnen oder Zigaretten<br />

verteilen und wurden schließlich<br />

selbst Alkohol- und Nikotinabhängig.<br />

Wurden die Schimpansen dann zu groß<br />

und somit unberechenbar, fanden die Besitzer<br />

keine Verwendung mehr für sie.<br />

„Der intensive Körperkontakt<br />

mit den Tieren<br />

hat sich als unvergesslich<br />

schöne Erinnerung in unser<br />

Gedächtnis eingebrannt.“<br />

Die über lange Zeit gequälten und unter grauenvollen<br />

Umständen gehaltenen Menschenaffen fi n-<br />

den in Chimfunshi ein neues und friedliches Zuhause.<br />

Eine Auswilderung kommt nicht in Frage, da die<br />

Menschenaffen sonst mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

wieder in die Hände von Wilderern geraten würden.<br />

Die Geschichte Chimfunshis begann mit Sheila und<br />

David Siddle, die im Norden Sambias eine Rinderfarm<br />

betrieben. Eines Tages im Jahre 1968 wurde<br />

ein verwaistes Schimpansenjunges zu ihnen gebracht.<br />

Mittlerweile sind es 126 Schimpansen, das<br />

halbzahme Flusspferd Billy, einige Papageien und<br />

andere Tiere. So entwickelte sich die Farm zu einem<br />

weltweit bekannten Zufl uchtsort. Dort mit anzupacken,<br />

den bedrohten Tieren zu helfen und zugleich<br />

wertvolle Erfahrungen im Umgang mit Menschenaffen<br />

zu sammeln, ermöglichte den beiden Biologiestudentinnen<br />

ein Volontariat. Die Planung des<br />

Aufenthalts, der Reise und Unterkunft stellten dabei<br />

eine besondere Herausforderung dar, denn die<br />

Zu Tisch: Schimpansen in der Auffangstation.<br />

Mitarbeit am Projekt lässt sich zwar als Exkursion<br />

im Hauptstudium anrechnen, wurde aber von den<br />

Biologinnen eigenständig organisiert.<br />

Die erste Station für neu ankommende Menschenaffen<br />

stellt das Waisenhaus dar, eine gesonderte<br />

Station, in der die Tiere behutsam auf ihre neue<br />

Umgebung vorbereitet werden Die Tiere werden<br />

hier erst einmal an ihre Artgenossen gewöhnt bis<br />

sie schließlich in eine Gruppe integriert werden können.<br />

Damit beginnt der langwierige Prozess der Resozialisierung.<br />

Bildet sich eine Gruppe mit circa 15<br />

Tieren heraus, können diese dann in das eigentliche<br />

„Projekt“ umgesiedelt werden. Hier leben die Gruppen<br />

in fünf Hektar großen Freigehegen, in denen ein<br />

artgerechtes Leben ermöglicht wird. Einzig die Fütterung<br />

liegt in den Händen der Menschen. Eine weitere<br />

Aufgabe war die Hilfe bei dem Bau eines neuen<br />

Geheges. Das ist eine ganz besondere Aufgabe mitten<br />

im Busch Afrikas, wo der Strom ausschließlich<br />

aus Solarzellen oder Generatoren kommt.<br />

Foto: Geyer/Nitzsche<br />

Bei sogenannten Bushwalks haben<br />

Touristen und Volontäre die Möglichkeit<br />

mit jungen Schimpansen spazieren zu<br />

gehen. „Der intensive Körperkontakt<br />

mit den Tieren hat sich als unvergesslich<br />

schöne Erinnerung in unser Gedächtnis<br />

eingebrannt“, fassen die beiden zusammen.<br />

Dennoch hat es einen traurigen<br />

Hintergrund, da das Projekt fi nanziell<br />

auf die Touristen angewiesen ist. Auch<br />

hier mitten im Nirgendwo geht eben<br />

nichts ohne das nötige Kleingeld.<br />

Neben freiwilligen Helfern und Volontären<br />

aus der ganzen Welt kommen<br />

jährlich amerikanische Studenten, um<br />

das Verhalten der Affen zu untersuchen<br />

und zu erforschen.<br />

Die ausgeprägte Individualität der Affen<br />

beeindruckt die Wissenschaftler dabei<br />

am meisten. Und angesichts der genetischen Übereinstimmung<br />

von 98,7 Prozent sollte die Ähnlichkeit<br />

zwischen Menschen und Schimpansen keine<br />

Verwunderung auslösen.<br />

Eine weitere Kooperation besteht zwischen Chimfunshi<br />

und der Universität Oxford. In diesem Rahmen<br />

untersucht der Primatologe und Manager des<br />

Projekts Innocent Mulenga die Verwandtschaftsverhältnisse<br />

der vier Schimpansen-Unterarten. Anhand<br />

von Kotproben werden DNA-Sequenz-Analysen<br />

durchgeführt und zur Stammbaumerstellung verwendet.<br />

Der unvergesslichen Zeit in Afrika trauern die beiden<br />

Biologiestudentinnen sehnsuchtsvoll nach: „Selbst<br />

jetzt, einige Monate nach unserer abenteuerlichen<br />

Reise, müssen wir täglich an die lieb gewonnenen<br />

Affen denken. Die Sehnsucht wird wohl nie versiegen.“<br />

Rebecca GEYER / Elisa NITZSCHE ■<br />

Information: www.chimfunshi.com<br />

13<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Interview<br />

Wissenschaft & Forschung<br />

Fördertöpfe sind<br />

heiß umkämpft<br />

Er verfügt über eine breite Berufspraxis in internationalen Unternehmen<br />

und Forschungseinrichtungen: Seit Juli leitet Dr. Harald Knobloch<br />

die neue Stabsstelle „Forschungsförderung und Technologietransfer“,<br />

die direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Wie der 47jährige<br />

Physiker den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen im „Förder-<br />

Dschungel“ zur Seite stehen will, darüber äußert sich Dr. Knobloch<br />

im Gespräch mit der <strong>JOGU</strong>-Redaktion.<br />

<strong>JOGU</strong>: Die <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong><br />

gehört mit 2.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />

zu den forschungsstarken deutschen<br />

Universitäten, das Einwerben von Drittmitteln spielt<br />

eine entscheidende Rolle. Ob national oder international,<br />

ob EU-Gelder oder Fördermittel der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft (DFG) – die Fördertöpfe<br />

sind heiß umkämpft. Wie kann Ihre Stabsstelle<br />

dazu beitragen, dass sich die <strong>Mainz</strong>er Wissenschaftler<br />

ein möglichst großes Stück von diesem „Förder-<br />

Kuchen“ sichern?<br />

Knobloch: Die Stabsstelle „Forschung und Technologietransfer“<br />

versteht sich als Service-Einrichtung,<br />

die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

Blutspenden in der Uni<br />

Spendeort<br />

<strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong>,<br />

Linke Aula, Alte Mensa, Becher-Weg 5<br />

Information Tel. 0 61 31/17-32 16 oder 32 17<br />

Termin<br />

Dienstag, den 10. 2., 26. 5., 28. 7 und 3. 11. <strong>2009</strong><br />

Spendezeiten<br />

8.30 bis 14.00 Uhr<br />

aller Fachrichtungen unserer Universität beim Einwerben<br />

von Drittmitteln und bei Kooperationen mit<br />

der Wirtschaft unterstützt. Wir merken schon jetzt<br />

nach kurzer Zeit, dass diese Hilfestellung von den<br />

Forschern sehr gut angenommen wird, insbesondere<br />

vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit der Fördermöglichkeiten<br />

heutzutage und der zunehmenden<br />

Bedeutung von Drittmitteln, ohne die eine Durchführung<br />

von Forschungsvorhaben unmöglich wäre.<br />

<strong>JOGU</strong>: Stichwort „Vielfältigkeit der Fördermöglichkeiten“<br />

– gerade diese Vielfalt ist es, die zwar einerseits<br />

gute Chancen auf umfangreiche Fördergelder<br />

eröffnet, die sich gleichzeitig aber auch sehr unübersichtlich<br />

darstellt und in letzter Konsequenz oft<br />

einen bürokratischen Hürdenlauf nach sich zieht.<br />

Knobloch: Das ist sicherlich richtig. Wir haben<br />

daher in der Stabsstelle drei Förderschwerpunkte<br />

eingerichtet: die inneruniversitäre Forschungsförderung<br />

und die Begleitung des Profi lbildungsprozesses<br />

der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong><br />

im Rahmen der Forschungsinitiative 2008-2011 des<br />

Landes Rheinland-Pfalz, die nationale Förderung<br />

(u.a. DFG) sowie die europäische Forschungsförderung.<br />

Gerade letzterer kommt eine besondere<br />

Bedeutung zu, denn jedes Jahr fl ießen rund vier<br />

Millionen Euro aus Brüssel nach <strong>Mainz</strong>. Die Europäische<br />

Union ist somit ein zunehmend wichtiger<br />

Geldgeber, und wir verzeichnen einen entsprechend<br />

steigenden Beratungsbedarf. Deshalb ergänzt seit<br />

Oktober 2008 Julia Doré unser Team, die in engem<br />

Kontakt zu den nationalen EU-Kontaktstellen steht<br />

und die Wissenschaftler auf dem weiten Feld der<br />

EU-Antragstellung berät und begleitet.<br />

<strong>JOGU</strong>: Über den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn<br />

hinaus ist der Technologietransfer – die<br />

Überführung dieser Erkenntnisse in wirtschaftlich<br />

verwertbare Produkte und Verfahren – von zunehmender<br />

Bedeutung. Welche Rolle spielen solche<br />

Kooperationen bei Ihren Überlegungen?<br />

Knobloch: Natürlich eine sehr große! Dem Thema<br />

Technologietransfer kommt eine stetig wachsende<br />

Bedeutung zu. So arbeiten Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftler der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität<br />

– regional, national und weltweit – sowohl<br />

mit kleinen und mittelständigen Unternehmen als<br />

auch mit großen Industrieunternehmen aus allen<br />

Branchen zusammen. Wir wollen diesen Bereich gezielt<br />

weiter ausbauen und dabei auch verstärkt auf<br />

rheinland-pfälzische Unternehmen und den Mittelstand<br />

setzen. Dabei gilt es insbesondere, den Unternehmen<br />

das hohe Potenzial der Universität für eine<br />

Zusammenarbeit darzustellen und darüber hinaus<br />

sowohl den Wissenschaftlern als auch den Firmen<br />

den Weg für Kooperationen zu ebnen.<br />

<strong>JOGU</strong>: … zu welchem Zweck?<br />

Dr. Harald Knobloch<br />

Knobloch: Den <strong>Mainz</strong>er Wissenschaftlern eröffnet<br />

diese Zusammenarbeit die Möglichkeit, zusätzliche<br />

Drittmittel für sich einzuwerben. So haben die Wissenschaftler<br />

im Jahr 2007 allein durch Kooperationen<br />

mit Industrieunternehmen Drittmittel in Höhe<br />

von 16,6 Millionen Euro eingeworben. Und die<br />

Unternehmen profi tieren ebenfalls in hohem Maße<br />

von dieser Partnerschaft – durch den Zugang zu<br />

neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zur<br />

Innovationskraft, Wettbewerbsfähigkeit und zum<br />

Wachstum dieser technologieorientierter Unternehmen<br />

mit beitragen.<br />

Das Gespräch führte Petra GIEGERICH ■<br />

Foto: Thomas Hartmann<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

14


Wissenschaft & Forschung<br />

Neue Töne anstimmen<br />

Musikwissenschaft im Nationalsozialismus Ende 2008 wurde im <strong>Mainz</strong>er Rathaus die Ausstellung „Entartete<br />

Musik“ gezeigt. Anlässlich der Schau fand auch eine musikwissenschaftliche Tagung statt, in der sich Fachleute aus ganz<br />

Deutschland mit der Thematik befassten. Organisiert hatte die Tagung Thorsten Hindrichs. Der <strong>Mainz</strong>er Musikwissenschaftler<br />

sagt: „Das Konzept ist aufgegangen. Aber Diskussion und Aufarbeitung müssen weitergehen.“<br />

Im Jahr 1938 fanden in Düsseldorf die sogenannten<br />

„Reichsmusiktage“ statt. Teil der Veranstaltung war<br />

die Ausstellung „Entartete Musik“. Im Mittelpunkt<br />

stand Musik, die der Rassenwahn-Ideologie der<br />

Nationalsozialisten widersprach. Viele Künstler und<br />

Komponisten waren betroffen. Einer, der das alles<br />

weiß, ist Eckhard John. Der Musikwissenschaftler,<br />

der am Institut für internationale Popularliedforschung<br />

im Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg<br />

arbeitet, setzt sich schon seit vielen Jahren kritisch<br />

mit diesem Thema auseinander.<br />

John studierte Musikwissenschaft, Volkskunde und<br />

Geschichte, promovierte 1993, war als Ausstellungsmacher<br />

tätig, dazu als Dozent und Publizist,<br />

und ist Gründer und Herausgeber des „Historischkritischen<br />

Liederlexikons“.<br />

„Das Konzept ist aufgegangen.<br />

Aber Diskussion und Aufarbeitung<br />

müssen weitergehen.“<br />

Als einer von acht Referenten war auch er zur musikwissenschaftlichen<br />

Tagung „Entartete Musik“<br />

nach <strong>Mainz</strong> gekommen. Im Rathaus sprach der<br />

Fachmann zum Thema „Mythos Entartete Musik<br />

– Strukturen der Musikpolitik im NS-Staat“. Die<br />

Fachtagung sollte der interessierten Öffentlichkeit<br />

die verschiedenen fatalen Konsequenzen der nationalsozialistischen<br />

Kulturpolitik für die Musikkultur<br />

ins Bewusstsein rufen.<br />

Angereist waren Experten aus ganz Deutschland,<br />

die meisten darunter Musikwissenschaftler. Ihre<br />

Vorträge deckten ein breites Spektrum ab. Es ging<br />

um die nationalsozialistische Machtübernahme<br />

und Machtergreifung in <strong>Mainz</strong> 1933, aber genauso<br />

auch um die Rolle der Musik in der französischen<br />

Kulturpolitik in Deutschland zwischen 1945 und<br />

1949.So lautete das Thema eines der Vorträge:<br />

„Rééducation mit musikalischen Mitteln – französische<br />

Konzepte einer geistigen Neuorientierung der<br />

Deutschen nach 1945.“<br />

Die Tagung war integriert in eine mehrere Wochen<br />

laufende Ausstellung im <strong>Mainz</strong>er Rathaus, die ebenfalls<br />

den Titel „Entartete Musik“ trug. 1988 war die<br />

Ausstellung von Albrecht Düling und Peter Girth<br />

rekonstruiert worden, und heute, 20 Jahre später,<br />

wurde sie neu konzipiert. Ein weiteres Ziel der<br />

eintägigen Tagung mit den acht Experten bestand<br />

darin, der Ausstellung „Entartete Musik“ eine musikwissenschaftliche<br />

Perspektive zu verleihen.<br />

Entartete Musik? Die meisten könnten wahrscheinlich<br />

eher mit dem Begriff „Entartete Kunst“ etwas<br />

anfangen als mit „Entartete Musik“. Thorsten Hindrichs<br />

möchte das nicht eindeutig bejahen, aber<br />

„tendenziell stimmt das wohl“. Hindrichs arbeitet<br />

als Musikwissenschaftler an der<br />

<strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität. Mit<br />

dem Thema der Tagung beschäftigt er<br />

sich seit den 90er Jahren. Er sagt: „Die<br />

Ausstellung ,Entartete Musik’ hat auch<br />

nie so ein großes Medienecho gehabt<br />

wie die Ausstellung ,Entartete Kunst’,<br />

die ein Jahr vorher stattgefunden hatte.“<br />

Hindrichs hat die Tagung im Rathaus<br />

konzipiert und organisiert. Er investierte<br />

viel Zeit und Engagement in die Planungen.<br />

Zwei Jahre beanspruchten die Planungen<br />

und Vorbereitungen. Und es hat<br />

sich gelohnt, wie er findet. Ein paar Tage<br />

nach der umfangreichen Veranstaltung im<br />

Rathaus sitzt er in seinem Büro im Philosophicum<br />

der Universität und zieht Bilanz:<br />

„Inhaltlich war es eine schöne Tagung, ich<br />

fand die Vorträge sehr spannend, die Qualität<br />

war sehr gut, es war viel Neues dabei.“<br />

In der Ankündigung zur Tagen war zu lesen: en:<br />

„Gerade angesichts des Umstands, dass die<br />

,Reichsmusiktage’ 1938 – einschließlich der<br />

dort gezeigten Ausstellung – in wesentlichen Teilen<br />

von Musikwissenschaftlern konzipiert und durchgeführt<br />

wurden, sieht sich das akademische Fach<br />

Musikwissenschaft in der Verantwortung, deutlich<br />

Position zu beziehen.“ Ist das gelungen? Hindrichs<br />

findet: Ja.<br />

Das Konzept, das er sich überlegt habe, sei aufgegangen.<br />

Nichtsdestotrotz müsse vor allem fachintern<br />

die Diskussion weitergehen. Aber auch die<br />

Aufarbeitung. „Es ist die erste Tagung dieser Art<br />

gewesen. Die Absicht war, sich wissenschaftlich mit<br />

diesem Thema auseinanderzusetzen. Das kann man<br />

aber nicht oft genug machen“, sagt er. Deswegen<br />

werde das mit Sicherheit nicht die letzte Veranstaltung<br />

dieser Art gewesen sein. Dimitri TAUBE ■<br />

derAusstellungsplakat<br />

15<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Wissenschaft & Forschung<br />

„Verborgene Krankheit”<br />

Die Welt – so unwirklich wie ein Gemälde von Magritte Zu den weit<br />

verbreiteten, aber dennoch wenig erforschten psychischen Störungen zählt das<br />

Phänomen der so genannten Depersonalisierung. Betroffene erleben sich selbst<br />

und ihre Umwelt als fremd und unwirklich – in dem Bewusstsein, dass diese<br />

Veränderung der Wahrnehmungs-Perspektive keinem äußeren Impuls folgt.<br />

Unter der Leitung des Psychotherapeuten und Arztes Dr. Matthias Michal<br />

befasst sich derzeit eine Arbeitsgruppe am <strong>Mainz</strong>er Uniklinikum mit dieser<br />

„verborgenen” Krankheit.<br />

Die Welt ist eine Kulisse nur, ein Pappmaché-Land<br />

der Unwirklichkeiten, unberührbar, unerreichbar.<br />

Darin das eigene Ich, das keines mehr ist. Die Hände<br />

sind größer geworden. Die Stimme klingt fremd,<br />

fremd ist das Bild im Spiegel. Was wie die Beschreibung<br />

eines Alptraumes klingt, ist für knapp zwei<br />

Prozent aller Bundesbürger nahezu tagtäglicher<br />

Wachzustand: das Phänomen extremer Selbstentfremdung,<br />

der so genannten Depersonalisation,<br />

kurz DP. In ihrer schweren klinischen Form ist diese<br />

Krankheit bisher kaum erforscht.<br />

„Die Gründe dafür sind vielfältig”, erläutert PD Dr.<br />

Matthias Michal von der Klinik für Psychosomatische<br />

Medizin und Psychotherapie des <strong>Mainz</strong>er<br />

Universitätsklinikums. „Eigentlich gehört die Depersonalisation<br />

dem allgemeinen Repertoire menschlicher<br />

Reaktionen an. Drei Viertel von uns lernen im<br />

Laufe ihres Lebens die entsprechenden Symptome<br />

kennen, die ja auch oft im Zusammenhang mit<br />

Übermüdung auftreten. Der Zustand der Selbstdistanz<br />

dauert aber normalerweise nicht allzu lange<br />

an, und so nehmen die meisten Menschen jene<br />

kurze Phase des Neben-Sich-Stehens eben nicht als<br />

Belastung wahr – zu welcher die Depersonalisierungserfahrung<br />

jedoch dann wird, wenn die Betroffenen<br />

sich bedroht fühlen, wenn sie glauben, dass<br />

sie verrückt werden, oder wenn diese Störung des<br />

Selbstbezuges Tage, Wochen und Monate anhält.<br />

Meist tritt die klinisch bedeutsame Form der DP<br />

im Zusammenhang mit anderen psychischen Störungen<br />

wie Ängsten oder Depressionen auf – was<br />

dazu führt, dass Ärzte die DP als vernachlässigbar<br />

abtun. Damit aber wird man den Betroffenen nicht<br />

gerecht.”<br />

Das wollen Michal und seine Kollegen ändern. In<br />

einer vor zwei Jahren durchgeführten Repräsentativerhebung<br />

unternahmen die Forscher den Versuch,<br />

die Koordinaten der Krankheit abzustecken.<br />

„Das ist in Form einer Umfrage geschehen – was<br />

in diesem Fall auch sehr gut möglich ist, weil die<br />

Störung – anders, als etwa die Schizophrenie – den<br />

Betroffenen sehr wohl bewusst ist. Die Patienten<br />

begreifen, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, und,<br />

was sehr wichtig ist: Sie können weiterhin die Realität<br />

als solche erkennen. Ihnen ist völlig klar, dass<br />

ihre Wahrnehmung sich verändert hat, nicht aber<br />

die Welt.”<br />

„Ihnen (den Patienten) ist<br />

völlig klar, dass ihre Wahrnehmung<br />

sich verändert hat,<br />

nicht aber die Welt.”<br />

Die <strong>Mainz</strong>er Forscher wollten es genau wissen:<br />

Wieviel Prozent aller Deutschen sind betroffen,<br />

und was sind die Ursachen für diese bisher kaum<br />

als eigenständige Krankheit anerkannte psychische<br />

Störung?<br />

1.287 Personen zwischen 14 und 90 Jahren füllten<br />

in Gegenwart jeweils eines von insgesamt 119<br />

geschulten Interviewern einen entsprechenden<br />

Fragebogen aus. Die verwendete deutsche Version<br />

der so genannten „Cambridge Depersonalization<br />

Scale” fragt nach der Häufi gkeit und Dauer<br />

der entsprechenden Symptome: Erleben sich die<br />

Teilnehmer „wie abgetrennt von ihrer Umgebung<br />

oder erscheint ihnen diese unwirklich, so, als ob<br />

ein Schleier zwischen ihnen und der äußeren Welt<br />

läge”? Oder fühlen sie sich „aus heiterem Himmel<br />

fremd, als ob sie nicht wirklich wären oder von der<br />

Welt abgeschnitten?”<br />

Das Befragungsergebnis belegt, dass DP kein gesellschaftliches<br />

Marginal-Problem darstellt. Immerhin<br />

9,7 Prozent aller im November und Dezember<br />

2006 Befragten gaben an, dass sie sich während<br />

der vergangenen sechs Monate von DP beeinträchtigt<br />

fühlten.<br />

Bei 1,9 Prozent aller Befragten lag das Ausmaß<br />

der DP-Symptome im klinisch relevanten Bereich,<br />

die Häufi gkeit dieser schwereren Ausprägung der<br />

Depersonalisation entspricht dem bundesdeutschen<br />

Auftreten von Schizophrenie, Epilepsie und<br />

Magersucht. „Und für letztgenannte Krankheiten<br />

sind inzwischen Ambulanzen eingerichtet worden”,<br />

so Michal, „DP hingegen zählt weiterhin zu<br />

den so genannten verborgenen Störungen. Unsere<br />

Überprüfung von 1,5 Millionen Versicherungsakten<br />

ergab, dass nur bei einem von 10.000 Versicherten<br />

die Diagnose DP gestellt wurde.”<br />

„Unsere Überprüfung von 1,5<br />

Millionen Versicherungsakten<br />

ergab, dass nur bei einem von<br />

10.000 Versicherten die Diagnose<br />

DP gestellt wurde.”<br />

Informationen zur Biographie und aktuellen Lebenssituation<br />

der Befragten konnten erste Hinweise auf<br />

mögliche Krankheitsursachen geben. Demnach verursachen<br />

elterliche Vernachlässigung oder Über-Betreuung<br />

(= Kontrolle) eine erhöhte DP-Gefährdung.<br />

Problematische berufl iche oder partnerschaftliche<br />

Situationen beeinfl ussen ebenfalls die DP-Anfälligkeit.<br />

Auffällig im Vergleich mit anderen Umfragen<br />

war die für die Gruppe der Rentner nachgewiesene<br />

erhöhte DP-Gefährdung. Ob der Faktor „(mangelnde)<br />

gesellschaftliche Anerkennung” in diesem Kontext<br />

eine Rolle spielt, kann nur gemutmaßt werden.<br />

Konform zu den Ergebnissen zweier internationaler<br />

Untersuchungen, aber dennoch erstaunlich<br />

aus hiesiger Sich, bleiben die für die Bevölkerung<br />

West- und Ostdeutschlands deutlich unterschiedenen<br />

Resultate. Weltweit scheint zu gelten, dass DP<br />

in kollektivistisch orientierten Gemeinschaften eine<br />

deutlich geringere Rolle als in individualistisch ausgerichteten<br />

Gesellschaften spielt. Dass die Wahlfreiheit<br />

erhöhte psychische Anforderungen an den<br />

Einzelnen stellt, kann im gegebenen Kontext nur<br />

andeutende These bleiben.<br />

Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang allerdings,<br />

dass DP zu den angeborenen Strategien<br />

physischen Überlebens zählt.<br />

„Ich griene in mich hinein, komme mir vor wie eine<br />

auf der Bühne agierende Person. Was gehen mich<br />

die alle an! Bin noch nie so weit von mir selber<br />

weg gewesen und mir so entfremdet. Alles Gefühl<br />

scheint tot. Einzig der Lebenstrieb lebt. Die sollen<br />

mich nicht zerstören”, schreibt eine junge Frau im<br />

Berlin des Jahres 1945, und formuliert an anderer<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

16


Wissenschaft & Forschung<br />

Sich selbst fremd: Veränderte<br />

Hirnaktivierungen lassen sich im<br />

Kernspintomograf nachweisen.<br />

Fotos: Matthias Michal<br />

Stelle: „Wobei mir die seltsame Vorstellung einfällt,<br />

eine Art Wachtraum, der mir heute früh kam, als<br />

ich nach Petkas Weggang vergeblich einzuschlafen<br />

versuchte. Es war mir, als läge ich fl ach auf meinem<br />

Bett und sähe mich gleichzeitig selber daliegen,<br />

während sich aus meinem Leib ein leuchtendweißes<br />

Wesen erhob; eine Art Engel, doch ohne Flügel, der<br />

steil aufwärts schwebte. Ich spüre noch, während<br />

ich dies schreibe, das hochziehende, schwebende<br />

Gefühl. Natürlich ein Wunschtraum und Fluchttraum.<br />

Mein Ich läßt den Leib, den armen, verdreckten,<br />

mißbrauchten, einfach liegen. Es entfernt sich<br />

von ihm und entschwebt rein in weiße Fernen. Es<br />

soll nicht mein ‘Ich’ sein, dem dies geschieht. Ich<br />

schiebe all das aus mir hinaus. Ob ich wohl spinne?<br />

Aber mein Kopf faßt sich in diesem Augenblick kühl<br />

an, die Hände sind bleiern und ruhig.”<br />

Wesentlich ist, dass dieser<br />

Zustand der Selbstdistanz nur<br />

temporär sein darf.<br />

Wie 110.000 Leidensgenossinnen (vgl. Stern Nr.<br />

44/2008) ist die Verfasserin, deren Erinnerungen<br />

unter dem Titel „Anonyma” aktuell als Taschenbuch<br />

und Film herausgekommen sind, von sowjetischen<br />

Besatzungssoldaten mehrfach mißbraucht worden.<br />

Der Autorin dieses Tagebuch-Textes ist eines klar:<br />

Wesentlich ist, dass dieser Zustand der Selbstdistanz<br />

nur temporär sein darf, dass mit der Rückkehr<br />

der Normalität, in diesem Falle einer zivilen Friedensgesellschaft,<br />

die Rückführung des Systemes<br />

Mensch in den emotionsoffenen Normalzustand<br />

gelingen muss. Der Ausnahmezustand darf nicht<br />

chronisch werden, der Schutzmechanismus muss<br />

dann enden, wenn seine Funktion erfüllt ist – die<br />

Ablösung vom eigenen Körper und den eigenen<br />

Emotionen, die Erzeugung eines durchdringenden<br />

Gefühles der Irrealität dienen schließlich einzig der<br />

Bewahrung des eigentlichen Selbst.<br />

Dass die Depersonalisation auch der Bewältung<br />

physischer Beeinträchtigungen dient, zeigt die<br />

Neurobiologie. In einer Studie konnten Michal und<br />

seine Kollegen nachweisen, dass DP bei gesunden<br />

Probanden vermittels hypnotischer Suggestion vorübergehend<br />

indiziert werden kann. Dieser künstlich<br />

herbeigeführte Zustand der Selbstentfremdung<br />

führte zu bedeutsamen Veränderungen der<br />

Schmerzverarbeitung im Gehirn: in Regionen, die für<br />

die Konstruktion des Körperschemas verantwortlich<br />

sind, und auch in den Bereichen, welche Emotionen<br />

generieren und regulieren. Die Technologie der<br />

Positronen-Emissions-Tomografi e kann diese Modifi<br />

zierung des Glukosestoffwechsels abbilden, veränderte<br />

Hirnaktivierungen lassen sich auch mit Hilfe<br />

der funktionellen Kernspintomografi e nachweisen.<br />

Die vom <strong>Mainz</strong>er Interdisziplinären Forschungszentrum<br />

für Neurowissenschaften, kurz IFZN, geförderten<br />

aktuellen Untersuchungen sind dem veränderten<br />

Emotionserleben auf der Spur. Fortlaufend<br />

werden zwei Probandengruppen – Gesunde und<br />

Betroffene – auf die Emotionsverarbeitung im Zustand<br />

der Depersonalisation getestet.<br />

„Die Welt wie ein Magritte-Gemälde erleben zu<br />

müssen, stellt eine schwere Belastung dar. Ein Gespräch<br />

ist in diesem Zusammenhang oft hilfreich”,<br />

erläutert der Psychotherapeut Michal seine Erfahrungen.<br />

Ulrike BRANDENBURG ■<br />

Information: Gesunde, die sich auf ihre Hypnosefähigkeit<br />

testen lassen und an der entsprechenden<br />

Studie teilnehmen wollen, erhalten unter E-Mail<br />

dp-studie@uni-mainz.de weitere Informationen.<br />

Betroffene, die eine Beratung über die Möglichkeiten<br />

der Behandlung wünschen oder an der Studie<br />

teilnehmen möchten, können sich jederzeit unter<br />

(06131) 177381 (= Spezialsprechstunde der Klinik<br />

für psychosomatische Medizin und Psychotherapie)<br />

an Dr. Michal und seine Kollegen wenden.<br />

Verantwortliche der Studie zur „Emotionsverarbeitung<br />

bei hypnotisch induzierter und klinischer<br />

Depersonalisation” sind unter anderen Dr. Matthias<br />

Michal und Prof. Dr. Manfred E. Beutel von der<br />

<strong>Mainz</strong>er Klinik und Poliklinik für Psychosomatische<br />

Medizin und Psychotherapie und Prof. Dr. Peter<br />

Stoeter vom Institut für Neuroradiologie, Prof. Dr.<br />

Mathias Schreckenberger, Klinik und Poliklinik für<br />

Nuklearmedizin und Prof. Dr. Thomas Metzinger<br />

(Philosophisches Seminar). Die Studie wird vom<br />

IFZN (Interdisziplinäres Forschungszentrum für Neurowissenschaften)<br />

gefördert.<br />

Vom 18. bis 21. März <strong>2009</strong> fi ndet in <strong>Mainz</strong> die 60.<br />

Arbeitstagung des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische<br />

Medizin (DKPM) und zugleich die<br />

17. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für<br />

Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie<br />

(DGPM) statt.<br />

Internet: http:/www.ifzn.uni-mainz.de/321.php<br />

17<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Wissenschaft & Forschung<br />

Einblick in die Steinzeitfamilie<br />

Foto: LDA Sachsen-Anhalt und Landesmuseum Halle<br />

Vielbachtete Ausgrabung durch<br />

<strong>Mainz</strong>er Anthropologen Es war<br />

einmal in Sachsen-Anhalt vor 4.500<br />

Jahren: Nach der Entdeckung von vier<br />

Gräbern aus der Jungsteinzeit im Jahr<br />

2005 haben <strong>Mainz</strong>er Anthropologen,<br />

zusammen mit Kollegen aus Halle,<br />

Adelaide und Bristol, erstmals den<br />

Beweis erbracht, dass die Menschen<br />

schon damals in kleinen Familien zusammen<br />

lebten und sich am Wohnort<br />

des Mannes niederließen.<br />

Es ist einem grausamen Glücksfall zu verdanken,<br />

dass die Forscher um Prof. Dr. Kurt W. Alt diesen<br />

Beweis führen konnten: In vier Gräbern nahe dem<br />

Dorf Eulau wurden Erwachsene und Kinder gemeinsam<br />

bestattet, weil sie einer Gewalttat zum Opfer<br />

gefallen waren. Man fand unter anderem Wirbel, in<br />

denen Pfeilspitzen steckten (Abb.) und Hiebverletzungen<br />

an Schädeln und Unterarmen. Die potentiellen<br />

Familiengräber sind eine seltene Ausnahme,<br />

denn normalerweise überlebten die Kinder ihre Eltern<br />

um viele Jahre und auch die Frauen<br />

starben meist später als ihre Männer.<br />

Die steinzeitliche Tragödie<br />

bescherte den Wissenschaftlern<br />

zwei Generationen gleichzeitig,<br />

deren sterbliche Überreste zumindest<br />

in zwei Gräbern (Nr. 98<br />

und 99) hervorragend konserviert waren. „Ein weiterer<br />

Glücksfall, der in der Geologie der Fundstätte<br />

begründet ist“, erklärt Guido Brandt und ergänzt,<br />

„nur selten erhalten wir solch ausgezeichnetes Probenmaterial<br />

für unsere Analysen.“ Der diplomierte<br />

Anthropologe fertigt gerade seine Doktorarbeit<br />

an und war beim Eulau-Fund für die genetischen<br />

Analysen zuständig. Die Untersuchung des Erbguts,<br />

das aus den Zahnwurzeln der Skelette gewonnen<br />

wurde, erbrachte dann das spektakuläre Ergebnis:<br />

Die Personen in Grab 99 sind Eltern mit leiblichen<br />

Kindern; damit wurde der weltweit älteste molekulargenetische<br />

Beweis für eine Kernfamilie erbracht.<br />

„Nur selten erhalten wir solch<br />

ausgezeichnetes Probenmaterial<br />

für unsere Analysen.“<br />

Kernfamilie, das bedeutet, dass Vater, Mutter und<br />

Kinder zusammen in einem Haushalt leben. Dies<br />

ist heute weit verbreitet, möchte man meinen,<br />

aber Prof. Alt widerspricht: „Meine jüngsten Erhebungen<br />

ergaben, dass es in unserer modernen<br />

Gesellschaft 10 bis 15 verschiedene Familientypen<br />

gibt. Die Kernfamilie mit verheiratetem Ehepaar und<br />

eigenen Kindern macht dabei nur etwa ein Viertel<br />

der Fälle aus.“ Auch für die Jungsteinzeit, die<br />

Menschlicher Wirbel mit<br />

eingedrungener Pfeilspitze<br />

aus Feuerstein (wahrscheinliche<br />

Todesursache).<br />

Eine Auswahl von Gefäßformen<br />

der schnurkeramischen Kultur.<br />

in Mitteleuropa etwa von 5.500 bis 2.200 v. Chr.<br />

datiert wird, können daher solch unterschiedliche<br />

Lebensmodelle angenommen werden. „Was wir<br />

gefunden haben, ist ein Mosaikstück aus der Zeit<br />

der Schnurkeramik“, sagt Alt. Die schnurkeramische<br />

Kultur selbst ist eine von vielen Kulturen, die man<br />

während der Jungsteinzeit im Mittelelbe-Saale-<br />

Gebiet unterscheidet. Es waren sesshafte Bauern<br />

und Viehzüchter, die ihre Tongefäße mit charakteristischen<br />

Kordelmustern versehen haben (Abb.<br />

Tongefäße). Warum sich die einzelnen Kulturen nur<br />

etwa 300 bis 400 Jahre lang hielten und ob ein Kulturwechsel<br />

auch mit einem Bevölkerungswechsel<br />

einher ging, das ist die zentrale Fragestellung des<br />

von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)<br />

geförderten Projektes, im Rahmen dessen auch die<br />

Gräber in Eulau untersucht werden. Außerdem werden<br />

dabei 22 weitere Fundplätze in Sachsen-Anhalt<br />

unter die Lupe genommen, wobei die Zusammenarbeit<br />

mit den Archäologen aus Halle eine zentrale<br />

Rolle spielt.<br />

„Was wir gefunden haben, ist<br />

ein Mosaikstück aus der Zeit<br />

der Schnurkeramik.“<br />

Warum aber sind die Funde von Eulau, einem Ortsteil<br />

von Naumburg an der Saale, so gut erhalten? Es<br />

handelt sich um ein großes Kiesabbaugebiet, das vor<br />

einigen Jahren erschlossen wurde. Vor Beginn der<br />

Baggerarbeiten wurde wie immer eine Prospektion<br />

Foto: Christian Meyer<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

18


Wissenschaft & Forschung<br />

aus der Luft durchgeführt (Abb. Luftbild). „Dabei<br />

wurden die Gräber entdeckt, einfach weil sie sich<br />

durch einen anderen Bewuchs von der Umgebung<br />

abhoben“, erklärt Christian Meyer. Er ist ebenfalls<br />

Promovend bei Prof. Alt und untersucht die Knochen<br />

nach morphologischen Kriterien. „Pfl anzen spiegeln<br />

die Bodenverhältnisse wieder und hier war es wohl<br />

der im Vergleich zu den Kiesböden höhere Anteil<br />

organischen Materials im Bereich der Grabstätten“,<br />

so Meyer. Nach der Entdeckung wurde unter Federführung<br />

des Landesamtes für Denkmalpfl ege und<br />

Archäologie in Halle zügig ausgegraben und die<br />

exzellente Qualität der Funde festgestellt. Verschiedene<br />

Faktoren sind für den DNA-Erhalt ausschlaggebend:<br />

Temperatur, Feuchtigkeit, Strahlung, pH-<br />

Wert und mikrobieller Befall. Am Saaleufer waren<br />

diese Faktoren für die Lagerungsbedingungen ideal.<br />

Zu Beginn der Grabung wurden dann sofort einige<br />

Zähne gezogen, doppelt eingetütet und gekühlt ins<br />

<strong>Mainz</strong>er Labor transportiert. „Für valide genetische<br />

Untersuchungen muss nicht nur die Erhaltung<br />

stimmen, sondern auch eine Kontamination des<br />

Probenmaterials vermieden werden“, sagt Brandt<br />

und ergänzt: „Jede Hautschuppe, jedes Haar von<br />

uns Mitarbeitern enthält unser Erbgut. Die schnelle<br />

und saubere Probenentnahme ist daher ebenso<br />

ausschlaggebend wie die exakte Arbeitsweise im<br />

Labor.“ (Abb. Probenbearbeitung)<br />

Luftbild des Fundortes Eulau mit den vier Mehrfachbestattungen, die sich dunkel aus dem Bewuchs abzeichnen.<br />

Das genetische Labor ist hermetisch abgeriegelt<br />

und kann nicht besichtigt werden. Jeden Morgen<br />

passiert Brandt eine Hygieneschleuse, in der er sich<br />

„dekontaminiert“ und mit Schutzanzug, Handschuhen<br />

sowie Mundschutz ausrüstet; dann erst betritt<br />

er das Labor. „Meine Arbeit besteht zu 90 Prozent<br />

aus putzen“, stellt er lakonisch fest. Für seine Analysen<br />

verwendete er sowohl die mitochondriale<br />

DNA als auch die DNA aus Zellkernen. Letztere ist<br />

dabei besonders wichtig, denn nur sie lässt das so<br />

genannte genetische Fingerprinting zu, mit dem<br />

Verwandtschaftsverhältnisse zweifelsfrei geklärt<br />

werden können. Dagegen unterliegt das Erbgut der<br />

Mitochondrien – sie sind in jeder Zelle tausendfach<br />

vertreten und für die Energieproduktion verantwortlich<br />

– nicht der Rekombination der Gene, wie sie<br />

nach der Befruchtung der Eizelle durch das Spermium<br />

im Zellkern von statten geht. Die mitochondriale<br />

DNA stammt ausschließlich von der Mutter<br />

und enthält keine Erbgut-Anteile des Vaters. Oft<br />

sind die Mitochondrien aber die einzige Quelle,<br />

aus denen Archäologen genetische Informationen<br />

schöpfen können; denn intakte Zellkerne fi nden<br />

sich nur selten in solch alten Proben. Dass ein Zahn,<br />

Foto: LDA Sachsen-Anhalt und Landesmuseum Halle<br />

Grab 99. Familiengrab mit Mann, Frau und zwei<br />

Kindern die molekulargenetisch als Familie<br />

identifiziert wurden und „face to face and hand<br />

in hand“ niedergelegt wurden.<br />

Foto: LDA Sachsen-Anhalt und Landesmuseum Halle<br />

19<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Wissenschaft & Forschung<br />

Foto: Guido Brandt<br />

der 4.500 Jahre im Sand gelegen hat, überhaupt<br />

noch analysefähiges Erbgut aufweist, mag manchen<br />

verwundern, für die Experten ist das jedoch<br />

keine Sensation. „Menschliche DNA kann unter<br />

guten Lagerungsbedingungen bis zu 100.000 Jahre<br />

überdauern, im Gletschereis sogar bis zu 500.000<br />

Jahre“, berichtet Alt.<br />

„Menschliche DNA kann unter<br />

guten Lagerungsbedingungen<br />

bis zu 100.000 Jahre überdauern,<br />

im Gletschereis sogar<br />

bis zu 500.000 Jahre.“<br />

So wie die Gene des Zellkerns über die Abstammung<br />

eines Menschen Auskunft geben, so refl ektiert der<br />

Zahnschmelz die Umweltbedingungen der Kinderjahre.<br />

Wie die Experten erklären, lässt die Verteilung<br />

der Strontium-Isotope im Zahnschmelz aus Grab<br />

99 darauf schließen, dass Vater und Kinder an ein<br />

und demselben Ort aufgewachsen sind, die Mutter<br />

hingegen muss zugewandert sein. Damit liefern<br />

die <strong>Mainz</strong>er erstmals einen Beleg dafür, dass in<br />

den schnurkeramischen Gemeinschaften außerhalb<br />

der Sippe geheiratet wurde und sich die Familien<br />

dann am Wohnort des Mannes niederließen. Mit<br />

einer derartigen Analyse des Strontiums im Zahnschmelz<br />

– sie wurde von Kollegen der Universität<br />

Bristol durchgeführt – können darüber hinaus auch<br />

Wanderungsbewegungen ganzer Bevölkerungsgruppen<br />

nachvollzogen werden, eine sehr wichtige<br />

Methode für das angesprochene DFG-Projekt. Andere<br />

Isotope aus Knochen und Zähnen, wie Kohlenstoff<br />

und Stickstoff, analysiert Alts Team selbst und<br />

erhält dadurch Auskunft über die Ernährung der<br />

Steinzeitmenschen. Neben diesen laborchemischen<br />

Analysen lieferten die Beobachtungen am Fundort<br />

(in situ) sowie die späteren morphologischen Untersuchungen<br />

sehr wichtige Erkenntnisse. Wie Christian<br />

Meyer erläutert, fi nden sich an manchen der<br />

Unterarmknochen Frakturen, die bereits Jahre vor<br />

dem Tod entstanden sein müssen. Sie lassen den<br />

Schluss zu, dass die Menschen mehrfach das Ziel<br />

von Gewaltangriffen waren und sich mit den Armen<br />

zu schützen versuchten. „Hinweise auf perimortale<br />

Gewalteinwirkung, das heißt also Gewalt um den<br />

Todeszeitpunkt herum, fi nden sich schließlich in allen<br />

vier Gräbern aus Eulau“, so Meyer: „Die Opfer<br />

wurden wahrscheinlich mit den damals üblichen<br />

Steinäxten erschlagen beziehungsweise mit Pfeil<br />

und Bogen getötet. Warum, darüber können wir nur<br />

spekulieren.“<br />

Probenaufarbeitung und Dekontaminationsmaßnahmen<br />

im Spurenlabor.<br />

Die Grabanalysen vor Ort gewährten allerdings<br />

einen guten Einblick in die Gedankenwelt unserer<br />

Vorfahren. Alle dreizehn Menschen kamen offensichtlich<br />

gewaltsam zu Tode und wurden von den<br />

Überlebenden Familienmitgliedern sorgsam bestattet.<br />

Dabei scheint die Lage der Körper im Grab die<br />

früheren zwischenmenschlichen Beziehungen zu refl<br />

ektieren. So kehrt die Frau aus Grab 98 den beiden<br />

Geschwisterkindern den Rücken zu. „Das spricht<br />

nicht dafür, dass sie die Mutter der Kinder ist“, und<br />

genau das konnte Brandt mit seinen genetischen<br />

Untersuchungen belegen. „Sie könnte jedoch die<br />

Stiefmutter oder Tante gewesen sein“, erläutert Alt.<br />

Von bisherigen Fundstätten wusste man außerdem,<br />

dass die Männer stets mit dem Kopf im Westen und<br />

die Frauen mit dem Kopf im Osten eines Grabes<br />

beerdigt wurden; weiterhin schrieb das Bestattungsritual<br />

den Blick der Toten gen Süden vor. „In<br />

den Gräbern von Eulau wird dieser Ritus teilweise<br />

zu Gunsten der biologischen Verwandtschaft vernachlässigt.<br />

Die beiden Knaben aus Grab 99 (Abb.)<br />

schauen ihre Eltern an und einer liegt sogar mit<br />

dem Kopf im Osten“; so Meyer. In seinem Labor<br />

betrachtet der junge Anthropologe jeden Knochen<br />

ganz genau und fi ndet dabei zum Beispiel Hinweise<br />

auf Krankheiten wie Karies und Arthrose (Abb.<br />

Arthrose). Auch die individuelle Alters- und Geschlechtsbestimmung<br />

liegt in seinen Händen; letztere<br />

führt er vor allem mit Hilfe von Merkmalen an<br />

den Beckenknochen und Schädeln durch. Das spart<br />

immense Kosten, denn die sonst notwendige genetische<br />

Untersuchung kostet nicht nur viele Euro,<br />

sondern ist auch stark von der Erhaltung abhängig.<br />

Für die Altersbestimmung stehen morphologische<br />

und histologische Verfahren zur Verfügung.<br />

Christian Meyer zeigt einen etwa 4.500 Jahre alten<br />

Oberschenkelknochen mit deutlichen Anzeichen für<br />

eine Arthrose.<br />

Eine wahrlich interdisziplinäre Arbeitsgruppe also,<br />

die Alt, der 1999 von Freiburg nach <strong>Mainz</strong> kam,<br />

etabliert hat. Heute gehört <strong>Mainz</strong> neben Göttingen<br />

und München zu den letzten größeren anthropologischen<br />

Standorten in Deutschland. Seit der Veröffentlichung<br />

der Eulau-Ergebnisse am 17.11.08 im<br />

hoch angesehenen US-amerikanischen Fachmagazin<br />

PNAS (Proceedings of the National Academy of<br />

Science 2008; Vol. 105, No. 47; S. 18226-18231)<br />

klingelt nun unentwegt das Telefon mit Interview-<br />

Anfragen für Zeitung, Radio und Fernsehen. Aber<br />

das Team bleibt ruhig, auch weil die Wissenschaftler<br />

Erfolg gewöhnt sind. „Wir integrieren die Studierenden<br />

schon im Grundstudium in unsere Forschung<br />

und viele haben schon vor Beendigung der Promotion<br />

in hochkarätigen Journals publiziert“, sagt der<br />

Anthropologe. „Alle unsere Promovenden forschen<br />

auf höchstem Niveau und machen nebenbei noch<br />

Co-Betreuung bei Diplomanden.“<br />

Frank ERDNÜSS ■<br />

Foto: Frank Erdnüß<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

20


Wissenschaft & Forschung<br />

Next Stop:<br />

<strong>Mainz</strong><br />

Humboldt-Stipendiatin zu Gast<br />

am Institut für Slavistik Seit September<br />

forscht Maria Rubins, Literatur-<br />

und Kulturwissenschaftlerin der<br />

University of London, als Humboldt-<br />

Stipendiatin am Institut für Slavistik<br />

der Universität <strong>Mainz</strong>. Hier arbeitet<br />

sie an ihrem aktuellen Buchprojekt<br />

über russische Schriftsteller im französischen<br />

Exil der 1930er Jahre.<br />

<strong>JOGU</strong>: Warum haben Sie sich gerade für einen Forschungsaufenthalt<br />

am Institut für Slavistik der Universität<br />

<strong>Mainz</strong> entschieden?<br />

RUBINS: Eigentlich verdanke ich das einem schönen<br />

Zufall. Ich wollte mich speziell um ein Humboldt-<br />

Stipendium im „Europa-Forschungsprogramm“ bewerben<br />

und so die Möglichkeit haben, ein ganzes<br />

Jahr nur zu forschen. Die Bewerbung bei der Alexander<br />

von Humboldt-Stiftung muss auch durch eine<br />

deutschen Universität unterstützt werden. Sie müssen<br />

wissen, wir wenigen hauptberuflichen Slavisten<br />

treffen uns auf internationalen Konferenzen immer<br />

wieder, man knüpft Kontakte. So habe ich auch Birgit<br />

Menzel vom Institut für Slavistik in Germersheim<br />

kennengelernt. Als ich ihr von meinem Vorhaben erzählte,<br />

stellte sie mich Prof. Frank Göbler vom <strong>Mainz</strong>er<br />

Institut für Slavistik vor. So ergab es sich dann,<br />

dass ich einen Teil meines Forschungsaufenthalts<br />

hier in <strong>Mainz</strong> verbringe.<br />

<strong>JOGU</strong>: Vor wenigen Tagen hat das Institut für Slavistik<br />

seine „Kasack-Bibliothek“ eingeweiht. War<br />

das auch ein Grund für Sie, nach <strong>Mainz</strong> zu kommen?<br />

dass dafür aber einzigartig ist. Gefreut habe ich<br />

mich vor allem auf den Austausch mit den Kollegen<br />

hier am Institut. Prof. Frank Göbler und Dr. habil.<br />

Rainer Goldt haben beide schon zu Teilaspekten<br />

meines Forschungsgebiets publiziert – da ergeben<br />

sich spannende Fachgespräche.<br />

<strong>JOGU</strong>: Worin besteht Ihr aktuelles Forschungsprojekt?<br />

RUBINS: Ich arbeite an einer Monographie über<br />

die Generation russischer Schriftsteller, die hauptsächlich<br />

in den 1930er Jahren im französischen Exil<br />

schriftstellerisch tätig waren. Dabei steht vor allem<br />

die „junge Generation“ im Vordergrund: Gajto Gazdanov,<br />

Boris Poplavskij, Nina Berberova, Ekaterina<br />

Bakunina. Sie alle lebten im Paris der Zwischenkriegsjahre,<br />

waren zweisprachig und identifizierten<br />

sich mit der französischen Kultur. Trotzdem griffen<br />

sie in ihrem literarischen Arbeiten auf das Russische<br />

als kreative Sprache zurück – und so entstand ein<br />

ganz eigener Mix aus französischer und russischer<br />

Kultur, Tradition und Sprache.<br />

<strong>JOGU</strong>: Welchen neuen Beitrag leistet Ihre Forschungsarbeit<br />

für die Slavistik?<br />

RUBINS: In der Geschichte der Emigrantenliteratur<br />

der 1930er Jahre gibt es viele Lücken, die ich<br />

schließen möchte. Ein Beispiel: Irene Nemirovskij. In<br />

den 1930er Jahren war sie in Frankreich eine sehr<br />

bekannte Autorin, kam 1942 in den Konzentrationslagern<br />

von Auschwitz um, geriet in den Nachkriegsjahren<br />

fast vollständig in Vergessenheit. Nur<br />

ihrer Tochter ist zu verdanken, dass wir uns heute<br />

überhaupt an sie erinnern.<br />

<strong>JOGU</strong>: Wie gelangen Sie an Material für Ihr Buch?<br />

RUBINS: Mein Stipendium ermöglicht es mir, mehrere<br />

europäische Forschungseinrichtungen zu besuchen.<br />

Natürlich liegt es in meinem Fall nahe, in<br />

Frankreich auf Spurensuche zu gehen. Deshalb reise<br />

ich schon morgen nach Caen. In diesem kleinen<br />

französischen Städtchen sind alle verfügbaren Materialien<br />

über Irene Nemirovskij gesammelt. Weiter<br />

geht es dann unter anderem in die Pariser Turgenev-<br />

Bibliothek. Außerdem werde in an der Université<br />

Paris in Nanterre zu Gast sein und dann nach Russland<br />

weiterreisen. Die letzten beiden Monate meiner<br />

Forschungsreise bin ich dann wieder in <strong>Mainz</strong>,<br />

um in Ruhe die Ergebnisse zusammenzutragen und<br />

einen ersten Druckentwurf anzufertigen.<br />

<strong>JOGU</strong>: Sie sind in Leningrad, dem heutigen Sankt-<br />

Petersburg geboren, haben in den USA studiert und<br />

später unterrichtet, leben jetzt seit fünf Jahren in<br />

Europa, lieben Paris und arbeiten in London. Wo ist<br />

Ihre Heimat?<br />

RUBINS: Ich fühle mich an vielen Orten in der Welt<br />

wohl – weil ich auch an vielen Orten der Welt Freunde<br />

habe. Einen Großteil meines Lebens habe ich in<br />

den USA verbracht, besitze sowohl die russische als<br />

auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Meine<br />

Eltern, meine gesamte Familie lebt in Russland. Ich<br />

fliege jedes Jahr ein paar mal zu ihnen – und fühle<br />

noch immer eine ganz tiefe Verbindung mit „meiner<br />

Stadt“ Sankt-Petersburg.<br />

<strong>JOGU</strong>: Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.<br />

Das Interview führte Kathrin VOIGT ■<br />

Interview<br />

Foto: privat<br />

RUBINS: Kasack war einer der bedeutendsten<br />

Slavisten der Gegenwart und seine Sammlung von<br />

Briefwechseln und anderen Aufzeichnungen birgt in<br />

der Tat wahre Schätze. Kasacks Hauptinteresse galt<br />

jedoch einer älteren Generation sowjetrussischer<br />

Schriftsteller als ich momentan untersuche. Insofern<br />

bietet das sehr gut organisierte Kasack-Archiv für<br />

mein Forschungsprojekt zwar nur wenig Material,<br />

Humblodt-Stipendiatin Rubins: „In der Geschichte der Emigrantenliteratur<br />

der 1930er Jahre gibt es viele Lücken, die ich schließen möchte.”<br />

21<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Wissenschaft & Forschung<br />

Fotos: privat<br />

Nur eine Illusion?<br />

Dilthey-Fellowship für innovatives geisteswissenschaftliches Forschungsprojekt<br />

Maximal zehn hoch qualifi zierte Nachwuchswissenschaftler<br />

erhalten pro Jahr die besondere Unterstützung der Initiative „Pro Geisteswissenschaften“,<br />

die im Jahr 2005 von vier großen privaten Förderorganisationen ins<br />

Leben gerufen wurde. Dr. Tobias Müller, seit Oktober 2008 Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter des Arbeitsbereiches Praktische Philosophie der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-<br />

Universität <strong>Mainz</strong>, wurde für sein neues Forschungsprojekt auf dem Gebiet der<br />

Gehirn-Geist-Debatte mit einem Dilthey-Fellowship ausgestattet – eine besondere<br />

Auszeichnung der VolkswagenStiftung/Fritz-Thyssen-Stiftung, die für innovative<br />

geisteswissenschaftliche Forschung vergeben wird. „Das Rätsel des Bewusstseins.<br />

Auf der Suche nach einer integralen Theorie“ lautet sein Forschungsprojekt<br />

und ist am Philosophischen Seminar bei Prof. Stephan Grätzel angesiedelt.<br />

Jeder kennt es: das untrügliche Gefühl, Herr der eigenen<br />

Handlungen zu sein. Wir sind meist davon<br />

überzeugt, zwischen mehreren Handlungsalternativen<br />

frei wählen zu können und letztlich unser Leben<br />

selbst in der Hand zu haben. Doch seit die moderne<br />

Hirnforschung versucht, Handlungen, Denkabläufe<br />

und Gefühle durch Prozesse im Gehirn zu erklären,<br />

steht der freie Wille zur Diskussion. Ist der freie Wille<br />

lediglich eine Illusion, die das menschliche Gehirn<br />

Tobias Müller studierte in <strong>Mainz</strong> und Frankfurt Philosophie,<br />

Physik und Theologie und war fünf Jahre<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Religionsphilosophie<br />

Fachbereich Kath. Theologie der Goethe-Universität<br />

Frankfurt am Main. Seine Doktorarbeit<br />

„Gott-Welt-Kreativität. Eine Analyse der Philosophie<br />

A.N. Whiteheads“ erschien im Schöningh Verlag.<br />

hervorbringt? Ist es möglich, Antworten auf diese<br />

Frage zu fi nden? Dr. Tobias Müller beschäftigt sich<br />

in seiner Arbeit mit den Vorstellungen und Konzepten<br />

vom menschlichen Bewusstsein und in der Folge<br />

dem Selbstverständnis des Menschen. Im Rahmen<br />

seines aktuellen Forschungsgebietes interessieren<br />

ihn auch die lebenspraktischen Konsequenzen. Er<br />

bezieht dabei die jüngsten Erkenntnisse der Neurowissenschaften<br />

ein, ohne jedoch den Schlussfolgerungen<br />

mancher Hirnforscher zu folgen, wonach<br />

der Mensch unfrei und determiniert ist, dass alle<br />

Ereignisse, die geschehen, eine zwangsläufi ge und<br />

eindeutige Folge aus vorangegangenen Ereignissen<br />

sind und keine Alternativen existieren.<br />

Es ist politisch, juristisch und<br />

sozial folgenreich, ob man sein<br />

Gegenüber als determinierte<br />

Biomaschine oder als frei<br />

handelndes Subjekt ansieht.<br />

Der Erkenntnisgewinn in der Neurobiologie schreitet<br />

mit einem atemberaubenden Tempo voran.<br />

Im Bereich der kognitiven Leistungen hat sich die<br />

funktionalistische Analyse der Kognitionswissenschaften<br />

als ein hervorragendes Instrumentarium<br />

der Erkenntnisgewinnung herausgestellt und die<br />

hier gewonnenen Erkenntnisse können mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit auch zu therapeutischen Zwecken<br />

nutzbar gemacht werden. Allerdings ist die<br />

entscheidende und sehr unterschiedlich beantwortete<br />

Frage, wieweit die Konsequenzen der neurobiologischen<br />

Ergebnisse auch für die Konzeption einer<br />

Bewusstseinstheorie und damit gleichzeitig für das<br />

Selbstverständnis des Menschen reichen. Wenn es<br />

sich herausstellen sollte, dass freie Handlungen<br />

gar nicht möglich sind, ist jegliche Ethik überfällig.<br />

Wenn es nur sehr begrenzt freie Handlungen gibt,<br />

müsste dies gesellschaftlich berücksichtigt werden.<br />

Der Umgang der Menschen untereinander ist eben<br />

auch von dem theoretischen Konzept von Geist und<br />

Seele abhängig. Es ist politisch, juristisch und sozial<br />

folgenreich, ob man sein Gegenüber als determinierte<br />

Biomaschine oder als frei handelndes Subjekt<br />

ansieht.<br />

Die neuen Ergebnisse der Neurowissenschaften<br />

führen also<br />

unvermeidlich zu den Fragen,<br />

wie sich Neurowissenschaften<br />

und Philosophie des Geistes<br />

verbinden können.<br />

Die neuen Ergebnisse der Neurowissenschaften<br />

führen also unvermeidlich zu den Fragen, wie sich<br />

Neurowissenschaften und Philosophie des Geistes<br />

verbinden können, ob Gehirnzustände mit Bewusstseinszuständen<br />

identisch sind und ob unser freier<br />

Wille als Illusion entlarvt ist. Da die Tragweite der<br />

neurobiologischen Ergebnisse aus methodischen<br />

Gründen sich nicht aus der Neurobiologie selbst<br />

ergibt, stellt sich hier eine philosophische Aufgabe.<br />

Diese Fragen machen das Projekt einer philosophischen<br />

Bewusstseinstheorie unumgänglich.<br />

Dr. Müller hält es einerseits für notwendig, die empirisch<br />

gesicherten neurobiologischen Erkenntnisse<br />

in eine angemessene Deutung des Menschseins<br />

einzubegreifen, andererseits zu bedenken, dass sich<br />

die anthropologische Tragweite naturwissenschaftlicher,<br />

zum Beispiel neurobiologischer Befunde, nicht<br />

schon aus der Neurobiologie selbst ergibt. Denn als<br />

Naturwissenschaft sind für sie bestimmte methodische<br />

Einstellungen konstitutiv, die historisch und<br />

lebensweltlich weder selbstverständlich noch ausschließlich<br />

sind. Damit ergibt sich die Frage, inwieweit<br />

Theorien des Geistes die Ebene der von ihnen<br />

in Anspruch genommenen Bewusstseinsphänomene<br />

Phänomen-adäquat einholen können. Schon von<br />

daher ist das Bestreben gerechtfertigt, eine integrative<br />

Theorie des Bewusstseins zu entwickeln.<br />

Interessant ist hier die Tatsache, dass sich innerhalb<br />

der philosophischen Debatte aufgrund der Probleme<br />

reduktionistischer Theorien zwei Ansätze herausgebildet<br />

haben, die dem Anspruch auf eine integrale<br />

Sicht auf das Bewusstsein gerecht werden wollen:<br />

Die sogenannte Emergenztheorie und der Pan-<br />

Proto-Psychismus. Beide Ansätze gehen davon aus,<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

22


Wissenschaft & Forschung<br />

dass sich Geistiges nicht einfach auf Physikalisches<br />

reduzieren lässt. Dabei bleiben wichtige Fragen in<br />

beiden Ansätzen ungeklärt, was eben deshalb gravierend<br />

ist, weil sich gerade Kerngedanken beider<br />

Ansätze für eine integrale Bewusstseinstheorie als<br />

wertvoll erweisen könnten.<br />

Ziel des Forschungsprojekts ist es, so Dr. Tobias<br />

Müller, den „ontologischen“ und systematischanthropologischen<br />

Erklärungswert der vorgestellten<br />

naturwissenschaftlich vorgehenden Theorien<br />

herauszuarbeiten und für das Bewusstseinsproblem<br />

fruchtbar zu machen. Der thematische Fokus liegt<br />

hier auf den Konzepten der Emergenz, des Panpsychismus,<br />

wissenschaftstheoretischer Implikationen<br />

des Reduktionismus, des Problems der Willensfreiheit<br />

und des phänomenalen Bewusstseins. Vor allem<br />

soll im Rahmen der Forschung herausgearbeitet<br />

werden, wie die naturwissenschaftlichen Modelle<br />

und die philosophische Refl exion zusammenarbeiten<br />

können, um auf dem neusten Stand sowohl der<br />

gegenwärtigen Naturforschung als auch philosophischer<br />

Refl exion einen weiterführenden Beitrag zur<br />

Lösung des Rätsels des Bewusstseins zu leisten. Dabei<br />

werden vor allem naturphilosophische Konzepte<br />

wie „Materiebegriff“, kausale Geschlossenheit der<br />

physischen Welt, „Kausalitätsbegriff“ beleuchtet<br />

und hierbei könnte auch die Quantenphysik entscheidende<br />

Impulse für eine philosophische Refl exion<br />

liefern, da sie Annahmen der „klassischen“ Physik<br />

grundlegend relativiert hat, die auch für diese<br />

Diskussion relevant sind.<br />

Das Projekt „Das Rätsel des Bewusstseins. Auf der<br />

Suche nach einer integralen Theorie“ bietet somit<br />

die Möglichkeit, einen internationalen und interdisziplinären<br />

Gedankenaustausch zu initiieren, zu dem<br />

Fachleute verschiedener Disziplinen und Richtungen<br />

zu Diskussionen regelmäßig zusammenkommen.<br />

Die Gründung eines Netzwerks von Nachwuchswissenschaftlern<br />

aus verschiedenen Disziplinen und<br />

Richtungen sieht Dr. Müller als wichtigen Teil des<br />

Projekts an, denn in der interdisziplinären Debatte<br />

um das Bewusstsein ist es sinnvoll, ein Forum für<br />

Nachwuchswissenschaftler zu schaffen, in dem verschiedene<br />

Richtungen und Ansätze, vor allem aber<br />

in der Diskussion bislang einfach vorausgesetzte<br />

Konzepte diskutiert werden können.<br />

Auch die Quantenphysik könnte<br />

entscheidende Impulse für<br />

eine philosophische Reflexion<br />

liefern, da sie Annahmen der<br />

„klassischen“ Physik grundlegend<br />

relativiert hat.<br />

Dieses Nachwuchs-Netzwerk wurde im letzten Oktober<br />

auf einer Konferenz in Stuttgart gegründet<br />

und besteht bereits kurz nach seiner Gründung aus<br />

über 20 Mitgliedern aus den Gebieten der Philosophie,<br />

Medizin, Kognitionswissenschaften, Physik,<br />

Mathematik, Biologie und Theologie. Geplant sind<br />

nun eine Reihe von Tagungen und Workshops, zu<br />

denen Experten für spezielle thematische Aspekte<br />

eingeladen werden und Raum geschaffen wird, die<br />

verschiedenen Stärken und Schwächen der Ansätze<br />

zu diskutieren. Auch hier soll der thematische<br />

Schwerpunkt auf wichtige Konzepte gelegt werden,<br />

die bislang nur am Rande der Diskussion um die<br />

Geist-Gehirn-Problematik vorkamen, aber trotzdem<br />

von großer Bedeutung sind. Ein solcher „Rahmen“<br />

könnte die Diskussion um das Bewusstsein und<br />

die damit verbundene anthropologische Dimension<br />

nachhaltig beeinfl ussen, insofern hier Grundprinzipien<br />

und -begriffe interdisziplinär beleuchtet<br />

und Verkürzungen aufgedeckt werden könnten,<br />

was sich dann auch in der öffentlichen Diskussion<br />

in Form einer differenzierteren Perspektive niederschlagen<br />

könnte.<br />

Für Müllers Projekt ist der Standort <strong>Mainz</strong> besonders<br />

günstig, da er vor Ort eine ganze Reihe von<br />

Experten als Gesprächspartner hat. Auch eine eventuelle<br />

Kooperation mit dem „Interdisziplinären Forschungszentrum<br />

für Neurowissenschaften (IFZN)“,<br />

das eine eigene Abteilung für Neurophilosophie besitzt,<br />

könnte zu den idealen Rahmenbedingungen<br />

für sein Vorhaben beitragen.<br />

Das Projekt ist nicht nur von großer gesellschaftlicher<br />

Relevanz und Aktualität. Tobias Müller sieht<br />

hier gleichzeitig auch die Möglichkeit der Kooperation<br />

zwischen der Philosophie und den empirisch arbeitenden<br />

Wissenschaften wie Neurowissenschaften<br />

und Physik, kritisch-konstruktive Perspektiven<br />

in aktuellen Debatten fruchtbar zu machen. Und<br />

vielleicht in absehbarer Zeit eine Antwort zu fi nden<br />

auf die Frage: „Ist der freie Wille lediglich eine Illusion?“<br />

Maria COLOMBO ■<br />

Das Rätsel des Bewusstseins: Dr. Tobias Müller bei Vortrag in Stuttgart.<br />

23<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Campus international<br />

Das moderne Indien entdecken<br />

Von alten Schriften hin zu aktuellen<br />

Wirtschaftsthemen Ähnlich<br />

wie die USA in der Zeit nach dem<br />

2. Weltkrieg birgt nun Indien, ebenso<br />

wie China natürlich, große Zukunftshoffnungen,<br />

vor allem was die<br />

wirtschaftliche Entwicklung betrifft.<br />

Entsprechend formiert sich auch die<br />

<strong>Mainz</strong>er Indologie neu, mit jetzt stärkerem<br />

Fokus auf das moderne Indien.<br />

Foto: Elke Mohr<br />

„Memorandum of Understanding“: Nach der Unterzeichnung im Büro des Präsidenten.<br />

„Vor kurzem haben wir eine neue Disziplin innerhalb<br />

unseres Instituts gegründet“, sagt Dr. Ajit-Singh<br />

Sikand, einer der Dozenten in <strong>Mainz</strong>. „Wir nennen<br />

sie ‚Indian Area Studies‘ und meinen damit vor allem<br />

das neue Indien, das nun verstärkt bearbeitet werden<br />

soll. Dazu gehören zum Beispiel die boomende<br />

Filmindustrie und die IT-Branche.“ Bollywood macht<br />

mittlerweile mehr Umsatz als ihr US-amerikanisches<br />

Pendant und von den hochqualifi zierten Computer-<br />

Spezialisten des indischen Subkontinents haben wir<br />

alle schon gehört. Natürlich bleiben auch die verschiedenen<br />

indischen Religionen und Sprachen ein<br />

Schwerpunkt der studentischen Ausbildung. Aber es<br />

sind eben nicht mehr nur religiöse Schriften, zum<br />

Beispiel in Sanskrit, sondern auch Filmvorführungen,<br />

mit denen Lehrinhalte vermittelt werden; so<br />

sehen die Studierenden Bollywood-Filme im Original<br />

ohne Untertitel und lernen dadurch Hindi. Institutsleiter<br />

Prof. Dr. Konrad Meisig pfl ichtet seinem<br />

Kollegen bei. Er möchte die Indologie ebenfalls modernisieren<br />

und den Bogen schlagen von den alten<br />

Schriften hin zu aktuellen Wirtschaftsthemen. „Wir<br />

müssen mit unserem Lehrangebot der Stellung und<br />

Wichtigkeit Indiens in der Weltgemeinschaft Rechnung<br />

tragen“, sagt er und ergänzt: „Die Anfragen<br />

aus der Industrie nehmen zu und wir versuchen,<br />

verstärkt mit Unternehmen zu kooperieren. Darüber<br />

hinaus setzen wir auf eine stärkere Zusammenarbeit<br />

mit indischen Universitäten.“<br />

„Wir müssen mit unserem<br />

Lehrangebot der Stellung und<br />

Wichtigkeit Indiens in der<br />

Weltgemeinschaft Rechnung<br />

tragen.“<br />

Bislang bestehen vier Kooperationen, und zwar mit<br />

den Universitäten in Amritsar, Haridwar, Patiala und<br />

Madurai. Letztere ist auch einer der Orte, an denen<br />

kürzlich ein Indisch-Deutsches Symposium stattfand.<br />

Anlass war der 300. Geburtstag des Sri Guru<br />

Granth Sahib, des heiligen Buches der Sikhs. Der<br />

Sikhismus ist eine monotheistische Hochreligion,<br />

die im 15. Jahrhundert im indischen Bundesstaat<br />

Foto: Frank Erdnüß<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

24


Campus international<br />

Punjab entstanden ist. Heute zählt sie rund 18<br />

Millionen Gläubige, die zum größten Teil noch im<br />

Punjab leben. Das Symposium begann am 12. November<br />

im Institut für Wissenschaftliche Irenik der<br />

Goethe-Universität Frankfurt am Main. Dieses von<br />

Prof. Dr. Edmund Weber geleitete Institut ist dem<br />

Theologischen Fachbereich der Goethe-Universität<br />

angeschlossen und widmet sich unter anderem<br />

den Beziehungen der Weltreligionen zueinander<br />

sowie ihren Möglichkeiten, den Frieden in der Welt<br />

zu sichern. An den beiden Folgetagen trafen sich<br />

die Experten dann in <strong>Mainz</strong> und vom 17. bis 19.<br />

Dezember 2008 fand der dritte Teil an der Kamraj<br />

University im südindischen Madurai statt. Neben<br />

zahlreichen Fachvorträgen zur Sikhismus-Forschung<br />

gab es bei dem Treffen in <strong>Mainz</strong> einen weiteren Höhepunkt:<br />

Die Zusammenarbeit zwischen der <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Gutenberg</strong>-Universität und der Gurukul Kangri<br />

University im indischen Haridwar wurde schriftlich<br />

fi xiert. Dazu unterzeichnete der Vice-Chancellor<br />

der Universität Haridwar, Prof. Swatanter Kumar,<br />

mit Prof. Dr. Georg Krausch, Präsident der <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Gutenberg</strong>-Universität, ein ‚Memorandum of<br />

Understanding‘. „Wir wollen damit unter anderem<br />

den Austausch von Studierenden fördern, die an der<br />

jeweiligen Partner-Uni zum Beispiel ihre Doktorarbeit<br />

machen“, erklärt Sikand. Derzeit bestehen hier<br />

noch gravierende logistische Probleme, was etwa<br />

die Einreiseformalitäten in Deutschland betrifft. So<br />

lief die Erteilung von Visa für die indischen Konferenzteilnehmer<br />

keineswegs reibungslos, obwohl<br />

Meisig eigens mit dem deutschen Botschafter in<br />

Neu Dehli telefoniert hatte. „Da erhoffen wir uns<br />

eine deutliche Verbesserung in der Zukunft“, sagt<br />

der Indologe. Von politischer Seite ist ebenfalls<br />

Unterstützung zugesichert worden. Im März <strong>2009</strong><br />

wird Ministerpräsident Kurt Beck nach Indien reisen,<br />

sicher mit zahlreichen Kooperationsangeboten<br />

im Gepäck.<br />

„Wir setzen auf eine stärkere<br />

Zusammenarbeit mit<br />

indischen Universitäten.“<br />

Die Attraktion des Rahmenprogramms war dann<br />

das Konzert „Long Night of Indian Classical Music“<br />

am 13. November 2008. Zu ihrem ersten Deutschland-Besuch<br />

waren sieben Musiker aus dem Punjab<br />

angereist, allen voran der in Indien hoch verehrte<br />

Dhrupad-Sänger Surinder Pal Singh Der Mittsiebziger<br />

gestaltete mit seiner Gruppe einen musikalischen<br />

Abend an der Uni <strong>Mainz</strong>, bei dem er den<br />

mehr als 60 begeisterten Zuhörern eine Mischung<br />

aus meditativen und spirituellen Liedern in Dhrupad-Tradition<br />

bot. Dhrupad ist die Älteste Form<br />

klassischer Musik in Indien, die heute noch existiert.<br />

Sie ging aus dem Singen gebetsähnlicher Hymnen<br />

und Mantras hervor und stellt heute sowohl eine<br />

bestimmte Form von Poesie als auch einen Musikstil<br />

dar, in dem die Verse melodisch vertont werden.<br />

Dhrupad gilt als hochentwickelte, klassische<br />

Kunst mit komplexer Grammatik und Ästhetik, die<br />

Surinder Pal Singh meisterhaft beherrscht. Normalerweise<br />

musizieren er und seine Freunde vor einem<br />

wesentlich größeren Publikum in den Tempeln ihrer<br />

Heimat, doch auch in der so andersartigen Atmosphäre<br />

in <strong>Mainz</strong> fühlten sich die Musiker sichtlich<br />

wohl. Anschließend reisten sie dann noch zu weiteren<br />

Konzerten nach Hamburg, Berlin und Frankfurt.<br />

Das Institut für Indologie in <strong>Mainz</strong> besteht seit 1958<br />

und gehört dem Fachbereich 5, „Philosophie und<br />

Philologie“ an. Es bietet eine der wenigen Möglichkeiten<br />

in Deutschland Indologie zu studieren, denn<br />

in den letzten fünf Jahren schrumpfte die Zahl der<br />

Indologie-Institute von 18 auf acht; <strong>Mainz</strong> ist dabei<br />

der einzige Vertreter unseres Bundeslandes, genau<br />

wie Marburg in Hessen, dessen Fachgebiet Indologie<br />

gerade so an der Schließung vorbei schrammte.<br />

In <strong>Mainz</strong> nehmen zurzeit 123 Studierende am<br />

Lehrangebot teil, das mit einem von der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft geförderten Schwerpunkt<br />

‚Buddhistisches Chinesisch‘ auf sich aufmerksam<br />

macht. „Hier werden ursprünglich auf indisch verfasste<br />

Texte aus dem Chinesischen rückübersetzt<br />

(ins Deutsche und ins Englische), da die indischen<br />

Originale aus dem 3. und 4. Jahrhundert nach Christus<br />

verschollen sind“, erklärt Meisig. Ein spannendes<br />

Studienfach also, dessen Veranstaltungen teilweise<br />

in Englisch gehalten werden; denn indische<br />

Gastdozenten sind eine feste Größe im Dozentenpool<br />

des Instituts. So unterrichtet im Wintersemester<br />

2008/09 Prof. Sukhwant S. Bindra von der Guru<br />

Nanak Dev University in Amritsar im Rahmen des<br />

von der indischen Regierung fi nanzierten „Chair<br />

of India Studies“ hier in <strong>Mainz</strong> indische Politik. Amritsar<br />

liegt im Punjab, der Kornkammer Indiens, und<br />

bildet auch die Hochburg der Sikhs. Im Goldenen<br />

Tempel von Amritsar wird das heilige Buch aufbewahrt,<br />

dessen 300. Geburtstag jetzt gefeiert<br />

wurde.<br />

Frank ERDNÜSS ■<br />

Der Sänger Surinder Pal Singh (Mitte) mit<br />

seiner Gruppe. Neben der Trommel (Tabla)<br />

und dem Harmonium (links) wird auch eine<br />

Dilruba gespielt, das traditionelle indische<br />

Saiteninstrument mit Bogen.<br />

25<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Campus international<br />

Die Schönheit der<br />

menschlichen Sprache<br />

Von den indigenen Völkern<br />

Kanadas Zum Auftakt des Symposiums<br />

„First Nations“ waren die kanadisch-indianischen<br />

Künstler Tomson<br />

Highway und Drew Hayden Taylor zu<br />

Gast des Zentrums für Interkulturelle<br />

Studien (ZIS). Der literarisch-musikalische<br />

Abend vertiefte das Thema der<br />

Fachvorträge am darauffolgenden Tag.<br />

Was hat Johann Sebastian Bach mit dem kulturellen<br />

Selbstverständnis eines Musikers des kanadischen<br />

Cree-Volkes zu tun? Für den Schriftsteller und Musiker<br />

Tomson Highway gibt es eine ganze Menge<br />

von Querverbindungen. Denn den Thomaskantor<br />

Bach nennt Highway augenzwinkernd – ebenso wie<br />

Schubert – als wichtiges Vorbild für seine eigene<br />

Musik. Einen bunten Querschnitt aus seinen Chansons<br />

und Liedern stellte der Künstler im Wintersemester<br />

zusammen mit der Sängerin Patricia Cano<br />

und dem Saxophonisten Peter Ehwald auf Einladung<br />

des Zentrums für Interkulturelle Studien (ZIS)<br />

an der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität vor.<br />

An demselben Abend, mit dem das Symposium „First<br />

Nations“ eröffnet wurde, trat auch der Schriftsteller<br />

Drew Hayden Taylor auf. Damit waren die beiden<br />

Der Musiker<br />

Tomson Highway<br />

und die Sängerin<br />

Patricia Cano<br />

bekanntesten zeitgenössischen kanadisch-indianischen<br />

Autoren zu Gast an der <strong>Mainz</strong>er Hochschule.<br />

Sie gaben einen Einblick in die kanadisch-indianische<br />

Kultur – „eine der faszinierendsten kulturellen<br />

Ausdrucksformen Nordamerikas“, wie ZIS-Sprecher<br />

Professor Dr. Anton Escher betonte. Dass die Auseinandersetzung<br />

mit Begriff und Kontext der „First<br />

Nations“ nicht leicht ist, machte Hayden Taylor auf<br />

spielerisch-satirische Weise deutlich: Der 1962 geborene<br />

Autor, von dem in den letzten Jahren der<br />

Vampirroman „The Night Wanderer: A Native Gothic<br />

Novel“ und die Satire „Berlin Blues“ erschienen<br />

sind, spiegelte die sentimentale Außen- wie<br />

Binnensicht auf das Leben der indianischen Völker<br />

Kanadas mit ironisch gebrochenen Szenen wider.<br />

Anekdoten, Gags und Bonmots<br />

kreisten immer wieder um die<br />

Schönheit der menschlichen<br />

Sprache in ihrer ganzen<br />

Vielfalt.<br />

Das Spiel mit den Perspektiven, das kunstvolle Verweben<br />

von Realität und Fiktion prägte anschließend<br />

den Auftritt von Tomson Highway: Patricia Cano<br />

trug mit einer soulsatten, kraftvollen Stimme eine<br />

Auswahl von Stücken aus Highways Musicals vor,<br />

vor allem aus seinem jüngsten Werk „Rose“. Das<br />

waren Songs mit großer Intensität von Musik und<br />

Text, die bei allen farbenfrohen Szenen das Leben<br />

der kanadisch-indianischen „First Nations“ spiegeln:<br />

Hier die Casinoeröffnung mit Elvis-Imitator<br />

als Grundlage eines modernen Wirtschaftsbetriebs.<br />

Dort der Kampf der alten Rose, Vorsitzende der<br />

Reservation, um den Erhalt der Traditionen ihres<br />

Volkes.<br />

Der philosophisch tiefen Betrachtung solcher Phänomene<br />

ließ Tomson Highway bei dem Auftritt im<br />

Hermann-Staudinger-Saal des Max-Planck-Institutes<br />

für Polymerforschung jedoch keinen Raum:<br />

Zwischen Klavier und Mikrophon wechselnd, gab er<br />

den Takt des gemeinsamen Programms mit der kanadischen<br />

Sängerin und dem deutschen Saxophonisten<br />

vor. Anekdoten, Gags und Bonmots kreisten<br />

dabei immer wieder um die Schönheit der menschlichen<br />

Sprache in ihrer ganzen Vielfalt. Musikalisch<br />

griff Patricia Cano dieses Motiv unter anderem mit<br />

einem Chanson auf, der zwischen Französisch und<br />

anderen Sprachen wechselte. Was jedoch die allerschönste<br />

Sprache der Welt ist, daran ließ Tomson<br />

Highway keinen Zweifel: „Cree is the most beautiful<br />

language of the world“, betonte der Künstler –<br />

gleich danach komme jedoch auch schon Deutsch.<br />

Auf den gut besuchten musikalisch-literarischen<br />

Abend im großen Saal des MPI folgte am zweiten<br />

Tag des Symposiums eine Reihe von Vorträgen. Deren<br />

Schwerpunkte und Blickrichtungen erwiesen<br />

sich als ähnlich vielfältig wie das Programm der beiden<br />

kanadisch-indianischen Künstler: Professor Dr.<br />

Stephen Muecke, Direktor des „Transforming Cultures<br />

Reserach Centre“ aus Sydney, weitete die Perspektive<br />

des Blicks auf den Naturbegriff indigener<br />

Kulturen. Die Journalistin Dr. Margit Klingler-Clavijo<br />

betrachtete unter dem Titel „Der Blumenkrieg“ indigene<br />

Lyrik aus Mexiko. Dr. Kerstin Vogel (Universität<br />

<strong>Mainz</strong>) lotete in ihrem Vortrag „Challenging the<br />

Constitution: On Native American Representation<br />

in the Early 19th Century“ die politikhistorische<br />

Dimension indigener Kultur aus. Mit Kosmologien<br />

nordamerikanischer indigener Völker setzte sich<br />

Dr. Birgit Däwes (Universität Würzburg) in ihrem<br />

Beitrag „The Globe of the World as it Floats in<br />

Space“ auseinander. Und Professor Dr. Helmbrecht<br />

Breinig (Universität Erlangen-Nürnberg) betrachtete<br />

schließlich das Thema „Evil in Native North American<br />

Literature“.<br />

Das Symposium „First Nations“ stand in einer Tradition<br />

ähnlicher ZIS-Veranstaltungen der vergangenen<br />

Jahre. Das vor 11 Jahren gegründete Zentrum,<br />

an dem rund 100 Wissenschaftler aus Geistes- und<br />

Sozialwissenschaften mitarbeiten, ist in der Vielfalt<br />

seiner Themen einmalig in der deutschen Interkulturalitätsforschung.<br />

Peter THOMAS ■<br />

Foto: Peter Thomas<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Kultur auf dem Campus<br />

Vom Leben, der Liebe<br />

und Einkaufszentren<br />

Autor liest aus seinen Werken Der Schriftsteller und Journalist Kolja Mensing<br />

kam eigentlich nur deshalb nach <strong>Mainz</strong>, um aus seinen Büchern „Minibar“ und<br />

„13. Shop“ zu lesen. So, wie er es in vielen anderen Städten auch macht. Doch<br />

im Philosophicum der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität war auf einmal alles<br />

anders. Aus einer normalen Lesung wurde eine besondere Begegnung.<br />

Seine Texte sind kurz aber<br />

effektvoll: Kolja Mensing<br />

Foto: Juliane Henrich<br />

besteht auf den ersten Blick kaum ein Unterschied<br />

zwischen ihnen und dem Schriftsteller aus Berlin.<br />

Mensing trägt einen grauen Pulli, dazu dunkelblaue<br />

Jeans, wirkt lässig, unprätentiös. Das macht ihn<br />

sympathisch. Er präsentiert sich so, wie er ist.<br />

Kolja Mensing sagt über sich, er sei vor der Arbeit<br />

in Bremen ein Mensch gewesen, der nur ungern in<br />

solche Einkaufszentren gegangen sei. Er habe sich<br />

dort immer unwohl gefühlt – weil es dort laut sei,<br />

wuselig, überall blinke irgendetwas, man könne sich<br />

nicht konzentrieren, außerdem rieche es nach 1.000<br />

Dingen, die nicht richtig zusammenpassten. „Doch<br />

auf einmal war das toll“, sagt er, „wir hatten während<br />

der vier Wochen auch viel Zeit, um über uns<br />

selbst nachzudenken, uns zu besinnen.“<br />

Die Pointen seien „sehr ruhig<br />

gesetzt“ gewesen – doch genau<br />

mit diesem Stil habe der<br />

Schriftsteller „die schlimmsten<br />

Kommunikationsstörungen<br />

dargestellt, die es unter<br />

Menschen gibt.“<br />

Kolja Mensing hat sich geirrt und freut sich nun darüber.<br />

„Als ich nach <strong>Mainz</strong> gekommen bin, dachte<br />

ich eigentlich“, sagt er, „dass ich hier niemanden<br />

kenne.“ Doch das stimmt nicht. „Heute Abend ist<br />

der Neffe meines Großvaters hier, zusammen mit<br />

seiner Frau.“ Mensing fi ndet das großartig. Denn<br />

vorher sind sie sich noch nie begegnet. Bloß ein<br />

Foto hat er mal gesehen.<br />

Jetzt sitzen sie also zum ersten Mal beisammen:<br />

Kolja Mensing, der Schriftsteller aus Berlin, und<br />

der Neffe des Großvaters mit seiner Frau, beide aus<br />

<strong>Mainz</strong>. Doch es ist kein privates Treffen, sondern<br />

eine Lesung. In „P 110“, einem Seminarraum im<br />

Philosophicum der Universität. Kolja Mensing liest,<br />

der Neffe seines Großvaters sitzt im Auditorium und<br />

hört zu.<br />

Mensing – Jahrgang 1971, geboren in Oldenburg –<br />

arbeitet nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als<br />

Literaturkritiker und freier Journalist. Seit 2003 lebt<br />

er in Berlin. Im Jahr 2002 hat er ein Buch über das<br />

Aufwachsen in der Provinz geschrieben, Titel: „Wie<br />

komme ich hier raus?“ Danach hat er ein paar interaktive<br />

Projekte gemacht, mit seinem Kollegen<br />

Florian Thalhofer. Unter anderem haben sie zusammen<br />

vier Wochen lang in einem Einkaufszentrum in<br />

Bremen gelebt. Daraus entstanden später ein Dokumentarfi<br />

lm und ein Buch.<br />

2007 erschien „Minibar“, ein Band mit kurzen Erzählungen.<br />

Überhaupt mag es Mensing eher kurz.<br />

Kurz, aber effektvoll. In „Minibar“ schreibt er über<br />

das Leben und die Liebe. Bei Mensing hört sich das<br />

so an: „Wieder verging ein Jahr, und als ich schon<br />

fast nicht mehr an sie dachte, stand sie plötzlich vor<br />

meiner Tür. Ich bin zurück, sagte sie. Noch einmal<br />

versuchten wir, ein Liebespaar zu werden. Diesmal<br />

endete es richtig schlimm. “Mensing liest nicht nur<br />

aus „Minibar“ sondern trägt auch einige kurze<br />

Geschichten aus „13. Shop“ vor. Darin geht es um<br />

Menschen, die er und Florian Thalhofer während ihres<br />

Projekts im Bremer Einkaufszentrum interviewt<br />

haben. Um einfache Menschen. Um Menschen mit<br />

kleinen Sorgen und großen Problemen.<br />

In „P 110“ sitzt Mensing vorne, dort, wo normalerweise<br />

die Dozenten sitzen oder Studierende, die<br />

ein Referat halten. Auch sind an diesem Abend die<br />

meisten Zuhörer im Raum Studierende. Äußerlich<br />

Generell fi ndet Mensing es interessant, sich Welten<br />

anzugucken, die er nicht kennt. „Für mich ist es sehr<br />

aufregend, auf welche Menschen man dann immer<br />

stößt. Denn über diese Menschen erfährt man<br />

spannende Geschichten, die man sonst nie erfahren<br />

hätte.“ Um solche Menschen und Geschichten<br />

dreht sich auch alles in „Minibar“. Darin beschreibt<br />

Mensing „verschiedene Reisende“, wie er es nennt.<br />

Reisende in vielerlei Hinsicht.<br />

Die Zuhörer lauschen gebannt. Organisiert hat die<br />

Lesung die Studentengruppe „Vor-Lesung“. Seit<br />

1994 veranstaltet sie zwei bis drei Lesungen pro<br />

Semester. „Wir vertrauen dabei auf unseren individuellen<br />

Geschmack“, heißt es von der Gruppe. Mit<br />

Kolja Mensing hat sie nichts falsch gemacht.<br />

Am Ende meldet sich noch einmal der Neffe von<br />

Mensings Großvater. Er attestiert Kolja Mensing einen<br />

„unaufgeregten Erzählstil“. Die Pointen seien<br />

„sehr ruhig gesetzt“ gewesen – doch genau mit<br />

diesem Stil habe der Schriftsteller „die schlimmsten<br />

Kommunikationsstörungen dargestellt, die es unter<br />

Menschen gibt“. Präziser und kürzer hätte es wohl<br />

keiner im Raum auf den Punkt bringen können. Außer<br />

vielleicht Kolja Mensing selbst, der Schriftsteller<br />

aus Berlin, der jetzt um eine schöne persönliche Geschichte<br />

reicher ist – eine Geschichte aus <strong>Mainz</strong>.<br />

Dimitri TAUBE ■<br />

27<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Kultur auf dem Campus<br />

Funktionalität<br />

und Ästhetik<br />

Neues Schmuckkästchen:<br />

„Die Verbesserung<br />

lässt sich nicht in Prozent<br />

ausdrücken.”<br />

Konzert im „Roten Saal”: Auftakt der<br />

Konzertreihe „Uni Sono”.<br />

Neubau Musik eingeweiht<br />

Die Hochschule für Musik hat zum<br />

Wintersemester den lang ersehnten<br />

Neubau auf dem Campus der <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Gutenberg</strong>-Universität bezogen.<br />

„Unser Wunsch ist damit endlich in<br />

Erfüllung gegangen“, sagte Rektor<br />

Jürgen Blume. Im November wurde<br />

das Gebäude mit einem Festakt<br />

offi ziell eingeweiht. Gefeiert wird das<br />

Ereignis aber noch bis Juli <strong>2009</strong> – mit<br />

der Veranstaltungsreihe „Uni Sono“.<br />

Der Monat November ist in der Regel grau und trüb,<br />

kalt und unfreundlich, nicht selten auch regnerisch<br />

und stürmisch. Der November 2008 war in dieser<br />

Hinsicht keine Ausnahme. Trotzdem wird vor allem<br />

einer diesen Monat wohl für immer in positiver Erinnerung<br />

behalten: Jürgen Blume, der Rektor der<br />

Hochschule für Musik in <strong>Mainz</strong>.<br />

Im November sah jeder einen überaus glücklichen,<br />

zufriedenen und bei öffentlichen Anlässen stets<br />

strahlenden Jürgen Blume. Und mit ihm waren in<br />

seinem Umfeld noch viele andere glücklich und<br />

zufrieden. Das hatte seinen Grund: Zum laufenden<br />

Wintersemester konnte Blumes Einrichtung<br />

den lang ersehnten Neubau auf dem Campus der<br />

<strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität beziehen. Und im<br />

November wurde das neue Gebäude mit einem<br />

Festakt offi ziell eingeweiht.<br />

Das Dasein im „unzulänglichen Gebäude an der<br />

Binger Straße“ (Blume) hat ein Ende genommen.<br />

Die neue schicke Adresse für rund 380 Studierende<br />

und 40 Lehrkräfte lautet: Jakob-Welder-Weg 28.<br />

Der Rektor ist sich sicher: „Im neuen Hochschulgebäude<br />

vereinen sich Funktionalität und Ästhetik.<br />

In den hellen und akustisch optimal konzipierten<br />

Räumen macht das Unterrichten und Studieren, das<br />

Forschen und Konzertieren ebenso große Freude<br />

wie die Verwaltungsarbeit.“<br />

Bis zu diesem Wintersemester sah das anders aus.<br />

Von verschiebbaren Akustikvorhängen, wie sie im<br />

Neubau zu fi nden sind, oder gar von moderner Klima-<br />

und Lüftungstechnik konnten die Studierenden<br />

und ihre Lehrkräfte nur träumen. Modernen Ansprüchen<br />

wurde das alte Haus in der Binger Straße<br />

schon lange nicht mehr gerecht. Zuletzt war es stark<br />

sanierungsbedürftig. In diesem Punkte sind sich<br />

nicht nur Fachleute einig gewesen. Der Bauzustand<br />

sowie die dort herrschende Raumnot – „beides war<br />

nicht mehr länger tragbar“, urteilte Doris Ahnen,<br />

die rheinland-pfälzische Ministerin für Bildung, Wissenschaft,<br />

Jugend und Kultur.<br />

Im Grunde ist seit zwei Jahrzehnten klar gewesen,<br />

dass das frühere Gebäude keine Zukunft haben<br />

kann – auch daran ist in jenen Novembertagen<br />

2008 oft noch einmal erinnert worden. Übrigens<br />

gab es vor mehreren Jahren neben der Errichtung<br />

eines Neubaus zunächst noch zwei weitere Optionen:<br />

die Grundsanierung in der Binger Straße und<br />

der Umzug an einen anderen Ort mit einem schon<br />

stehenden Gebäude. Ein Kostenvergleich brachte<br />

schließlich die Entscheidung: Wir bauen neu.<br />

„In den Räumen macht das<br />

Unterrichten und Studieren,<br />

das Forschen und Konzertieren<br />

ebenso große Freude wie die<br />

Verwaltungsarbeit.“<br />

Die Baukosten für das neue „Schmuckkästchen“<br />

auf dem Campus betrugen 12 Millionen Euro. Baubeginn<br />

war im September 2006. Das Richtfest wurde<br />

im August 2007 gefeiert. Als Bauherr fungierte<br />

Fotos: Peter Thomas<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong> 28


Kultur auf dem Campus<br />

der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung.<br />

Der U-förmige, dreigeschossige Beton-, Glasund<br />

Stahl-Bau des Architekten Thomas Seyler und<br />

der Projektleiterin Gudrun Biesenbach besteht aus<br />

2.600 Quadratmetern Nutzfl äche. Klug ausgedacht<br />

und dann auch umgesetzt wurden gleich mehrere<br />

Dinge.<br />

Zum Beispiel kann der Innenhof für Konzerte genutzt<br />

werden. Oder: Durch die Aufteilung in zwei<br />

Flügel wurde es möglich, das Gebäude klar zu trennen.<br />

Einerseits in einen sogenannten „Leise-Trakt“<br />

mit Tonstudio, Bibliothek und Verwaltung, andererseits<br />

in einen „Laut-Trakt“ für Übungs- und Ausbildungszwecke.<br />

Rektor Blume ist begeistert. Im Sonderheft der Hochschule<br />

für Musik zum Neubau schreibt er: „Mit der<br />

U-Form passt sich das Haus nicht nur an die Vorgabe<br />

der Gestaltung des Philosophicums an, sondern<br />

ist Abbild einer ausgewogenen und schlüssigen<br />

Symmetrieform, die ebenso wie der gleichmäßige<br />

Hell-Dunkel-Rhythmus der Fassade musikalische<br />

Assoziationen weckt.“ Der neue Standort werde<br />

dazu beitragen, den Dialog zwischen Wissenschaft<br />

und Kunst zu intensivieren.<br />

Im Gebäude selbst befi nden sich 36 Räume für<br />

Gesangs- und Instrumentalunterricht. Den Studierenden<br />

stehen 24 Räume zum Üben zur Verfügung.<br />

Darüber hinaus gibt es drei Ensembleräume, den<br />

„roten“ Konzertsaal, einen Orgelsaal, eine Studiobühne<br />

(„Black Box“) und ein elektronisches Studio,<br />

außerdem fünf Theorieräume, zwei Seminarräume,<br />

das Hörlabor, die Bibliothek mit Lesesaal und Magazin,<br />

einen Aufenthaltsraum, Wirtschaftsräume sowie<br />

Büros für Verwaltung und Abteilungsleiter.<br />

Neben dem „Roten Saal“ für 220 Zuhörer und der<br />

„Black Box“ – so genannt aufgrund der schwarzen<br />

Wände des Raumes – wird den Hochschulmusikern<br />

ab 2010 mit dem Orgelsaal eine dritte eigene Spielstätte<br />

zur Verfügung stehen. Angesprochen auf all<br />

die Neuerungen und die Verbesserung im Vergleich<br />

zum früheren Standort, sagt Blume: „Die Verbesserung<br />

lässt sich gar nicht in Prozenten ausdrücken,<br />

es ist ja fast ein Wunder.“ Die Attraktivität des<br />

Musikstudiums und des Musiklebens in <strong>Mainz</strong> sei<br />

jedenfalls ganz deutlich gestiegen.<br />

Abgeschlossen sind die Feierlichkeiten zum Neubau-Ereignis<br />

allerdings noch nicht. Es geht weiter.<br />

Anlässlich der Eröffnung organisiert die Hochschule<br />

bis Mitte <strong>2009</strong> die umfangreiche Veranstaltungsreihe<br />

„Uni Sono“. Den Auftakt bildete, ebenfalls im<br />

November, ein Festkonzert im schmucken „Roten<br />

Saal“ des Hauses. Unter der Leitung von Wolfram<br />

Koloseus wurde eine Auftragskomposition der<br />

Hochschule uraufgeführt – Thomas Wells’ „Sechs<br />

Trakl-Gesänge für Tenor, Chor und Orchester“ nach<br />

Gedichten von Georg Trakl. Außerdem erklang die<br />

„Jupiter-Sinfonie“ von Wolfgang Amadeus Mozart.<br />

„Die Verbesserung lässt sich<br />

gar nicht in Prozenten ausdrücken,<br />

es ist ja fast ein Wunder.“<br />

Über 200 Gäste zeigten sich an diesem Abend gleichermaßen<br />

von Raum und vom Können der Musiker<br />

angetan. Nicht weniger beeindruckte der sehr<br />

gründlich vorgehende Dirigent Wolfram Koloseus,<br />

insbesondere das Publikum in der ersten Reihe<br />

konnte ihn ziemlich genau bei der Arbeit beobachten<br />

und seine Bewegungen und Anweisungen<br />

studieren. Zwischen Koloseus und das Auditorium<br />

passte kaum ein Blatt Papier. Die Konzertbesucher<br />

waren tatsächlich mittendrin statt nur dabei.<br />

Für Wolfram Koloseus war das Eröffnungskonzert<br />

zugleich auch das Antrittskonzert. Der Dirigent<br />

und Konzertorganist wurde zum Wintersemester<br />

2007/08 als Professor für Orchestererziehung und<br />

Studienleitung an die Hochschule für Musik berufen.<br />

Mit Antritt seiner Professur hat der gebürtige<br />

Wiener und ehemalige Wiener Sängerknabe die Leitung<br />

des Hochschulorchesters übernommen.<br />

Eine weitere Besonderheit des Konzerts bestand im<br />

Beitrag von Thomas Wells. Wells ist Professor für<br />

Komposition und Direktor der Sound Synthesis Studios<br />

an der Ohio State University in Columbus, Ohio.<br />

Seine Werke werden weltweit aufgeführt, unter anderem<br />

in China, Japan, Australien, Kuba, Brasilien<br />

und Europa.<br />

Der Komponist aus den USA wurde von der Hochschule<br />

für Musik beauftragt, anlässlich der Einweihung<br />

des neuen Gebäudes ein Werk für Tenor, Chor<br />

Begeisterter Rektor Blume: „Fast wie ein Wunder.”<br />

und Orchester zu komponieren. Nach längerer Zeit<br />

des Überlegens entschied sich Wells für die Vertonung<br />

der Gedichte des österreichischen Künstlers<br />

Georg Trakl. Wells’ Intention war es schließlich, ein<br />

Werk zu komponieren, das als Metapher für Hoffnung<br />

und den Glauben an einen Neubeginn gelten<br />

kann.<br />

Das Premierenkonzert sorgte bereits für viel Begeisterung<br />

unter den Besuchern. Der „Rote Saal“ eroberte<br />

prompt viele Herzen. Zu den größten Anhängern<br />

zählt dabei Jürgen Blume. Der Rektor kam aus<br />

dem Schwärmen für den Raum kaum heraus. Blume<br />

strahlte an diesem Abend mit seinen Kollegen und<br />

den Studierenden beinahe um die Wette. Man muss<br />

wohl kein Prophet sein um zu behaupten, dass sich<br />

auch zukünftige Studierende der Hochschule für<br />

Musik vom Enthusiasmus rund um den Neubau anstecken<br />

lassen werden.<br />

Wie gut trifft es sich da, dass die „Uni Sono“-Reihe<br />

nicht nur im Wintersemester läuft, sondern auch im<br />

kommenden Sommersemester sieben Veranstaltungen<br />

durchgeführt werden. Das „Finale Uni Sono“<br />

fi ndet am 17. Juli statt – mit einem Musikalischen<br />

Sommerfest. Die Chancen stehen übrigens gut, dass<br />

dann auch das Wetter mitspielt. Und nicht nur Rektor<br />

Blume und seine Studierenden strahlen werden,<br />

sondern auch die Sonne. Dimitri TAUBE ■<br />

Eigenkomposition: Aufführung<br />

des für die Eröffnung geschriebenen<br />

Stückes von Thomas Wells.<br />

29


www.uni-mainz.de<br />

Herausforderung und Chance<br />

Zukunftsweisende Organisation<br />

des Studiums CampusNet, das<br />

integrierte Studien- und Prüfungsverwaltungssystem<br />

der <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong>, geht<br />

in Betrieb. Die tief greifenden Auswirkungen<br />

der damit verbundenen<br />

Verwaltungsprozesse spüren vor allem<br />

auch die Fachbereiche.<br />

Foto: Peter Thomas<br />

Im Februar <strong>2009</strong> haben die Studierenden der <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong> zum ersten<br />

Mal vollen Zugriff auf CampusNet, das integrierte<br />

Studien- und Prüfungsverwaltungssystem der <strong>Mainz</strong>er<br />

Hochschule. In den Herbst- und Wintermonaten<br />

des Jahres 2008 sind zuvor sukzessive die Module<br />

für den Studierendenservice, das Prüfungsmanagement<br />

und das Lehrveranstaltungsmanagement sowie<br />

das Online-Portal für Lehrende in Betrieb genommen<br />

worden.<br />

„Die Einführung von CampusNet greift tief in die<br />

Struktur von Studium und Lehre dieser Universität<br />

ein, gerade in der Frage der Organisation. Der Start<br />

des Online-Portals für Studierende ist somit ein<br />

Meilenstein in der revolutionären Neuordnung der<br />

Studien- und Prüfungsverwaltung“, erläutert Prof.<br />

Dr. Bernhard Einig, Leiter der Abteilung Studium<br />

und Lehre, „und dazu ein besonders großer unter<br />

den vielen kleinen und größeren Bausteinen eines<br />

langen und vielfältigen Prozesses, der damit noch<br />

lange nicht abgeschlossen ist. „<br />

„Für den Fachbereich 05 ist der Februar ein Starttermin,<br />

nicht das Ende einer Entwicklung“, bestätigt<br />

Dr. Doris Lindner. Sie ist im Fachbereich-Servicebüro<br />

des FB 05 – Philosophie und Philologie verantwortlich<br />

für die Organisation der Rahmenbedingungen<br />

zur Einführung von CampusNet. „Dabei stellt nicht<br />

die Nutzung der neuen Verwaltungssoftware als<br />

Handwerkszeug die größte Herausforderung für einen<br />

Fachbereich dar“, erklärt Lindner. Dahinter stehe<br />

vielmehr eine umfassende Neuordnung zentraler<br />

Verwaltungsprozesse binnen kurzer Zeit – „und das<br />

ist eine neue Dimension, die alle administrativen<br />

Veränderungen der letzten Jahre übertrifft“.<br />

„Es macht Spaß, so etwas aufzubauen“: Dr. Doris Lindner, Prof. Mechthild Dreyer und Annette Elbert (v.l.)<br />

Dr. Doris Lindner nennt einige Zahlen, die hinter<br />

dieser Komplexität stecken: Alleine im FB 05 müssen<br />

künftig bis zu 40.000 Modulprüfungen und<br />

-Teilprüfungen im Jahr als rechtsverbindliche Prüfungsleistungen<br />

dokumentiert und verwaltet werden.<br />

Zu den verschiedenen administrativen Aufgaben,<br />

die im Zuge der Einführung von CampusNet<br />

neu organisiert werden müssen, kommt für den<br />

FB 05 die Raumverwaltung mit über 1.200 Lehrveranstaltungen<br />

pro Woche für rund 14.900 Erstfachstudierende<br />

im eigenen Fachbereich sowie in<br />

den Fachbereichen 02 und 07 hinzu. Insgesamt, so<br />

haben die Expertinnen des Fachbereichs errechnet,<br />

bedeutet die Verwaltungsreform eine Steigerung<br />

verschiedener administrativer Aufgaben und Vorgänge<br />

um bis zu 530 Prozent. „Die Entscheidung<br />

für die modularisierten Studiengänge hatte deshalb<br />

den Aufbau einer neuen Verwaltungsstruktur samt<br />

der Software CampusNet zur unvermeidbaren Konsequenz“,<br />

betont Prof. Mechthild Dreyer, seit dem<br />

Sommersemester 2008 Dekanin des Fachbereichs<br />

05.<br />

Die Verwaltungsreform<br />

bedeutet eine Steigerung<br />

verschiedener administrativer<br />

Aufgaben und Vorgänge um<br />

bis zu 530 Prozent<br />

Die beiden ersten Semester, in denen CampusNet<br />

eingesetzt wird, bringen sicher Probleme mit sich,<br />

die zurzeit noch niemand einschätzen kann. „Das<br />

hat aber nichts mit dieser Software zu tun, sondern<br />

mit der schieren Komplexität des Prozesses – mit<br />

SAP wäre es nicht anders“, sagt Dreyer. Äußerlicher<br />

Ausdruck der neuen Struktur im Fachbereich Philosophie<br />

und Philologie sind fünf „Studienbüros“<br />

mit insgesamt 62 Mitarbeitern aus Wissenschaft<br />

und Verwaltung, die als Studienmanager, Lehrveranstaltungs-<br />

und Prüfungsverwaltungsmitarbeiter,<br />

sowie als Studiengangsbeauftragte oder Studienfachberater<br />

zusammenarbeiten. Um diese Stellen<br />

zu besetzen, hat der Fachbereich zwischen Juli und<br />

September 2008 acht neue Ausschreibungsverfahren<br />

mit 178 Bewerbern bestritten und insgesamt 19<br />

verschiedene Stellenbeschreibungen erstellt. Zwei<br />

der Büros sind dabei auch räumlich komplett neu<br />

eingerichtet worden.<br />

An der gesamten Universität wird es künftig 32<br />

Studienbüros geben – „fl ächendeckend in allen<br />

Fachbereichen und für alle Studiengänge, erläutert<br />

Einig. Die Studienbüros organisieren und dokumentieren<br />

jeden Schritt des Studiums und garantieren<br />

das vollständige Studienangebot. Dazu kommen 13<br />

Prüfungsämter in allen Fachbereichen. Denn mit der<br />

Einführung modularisierter Bachelor- und Master-<br />

Studiengänge ist künftig jede einzelne Lehrveranstaltung<br />

mit einer Prüfungsleistung verbunden.<br />

Das hat nicht nur quantitative, sondern auch erhebliche<br />

qualitative Auswirkungen, betont Annette Elbert.<br />

Die Juristin ist Leiterin der Prüfungsverwaltung<br />

des Fachbereichs 05. „Jede Modulabschlussprüfung<br />

ist künftig eine rechtlich angreifbare Teilprüfung“,<br />

sagt die Juristin. Besonders wichtig war für Elbert<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

30


www.uni-mainz.de<br />

deshalb, bei der aufwändigen Neustrukturierung<br />

der Studienverwaltung dafür zu sorgen, dass Formfehlern<br />

künftig durch klare und einheitliche Abläufe<br />

vorgebeugt wird. „Insgesamt bietet diese Reform<br />

tatsächlich die Chance, einheitlichere Verwaltungsabläufe<br />

einzuführen und die Verwaltung innerhalb<br />

des Fachbereichs weiter zu professionalisieren“,<br />

stimmt Lindner zu.<br />

„Jede Modulabschlussprüfung<br />

ist künftig eine rechtlich angreifbare<br />

Teilprüfung“<br />

Dazu hat ein Team von so genannten Modellierern<br />

mehr als 500 Prüfungsordnungen aller Fächer für<br />

CampusNet adaptiert, damit das System bei Bedarf<br />

auch auf eine alte Magisterprüfungsordnung<br />

zurückgreifen kann. Parallel sind 1,5 Millionen Datensätze<br />

erfasst worden, die neben den aktuellen<br />

Studierenden auch jene der vergangenen Jahre erfasst<br />

– insgesamt knapp 90.000 Personen.<br />

Zurzeit nämlich zieht die Dekanin ein vorsichtig positives<br />

Resümee des Prozesses: Auch wenn es immer<br />

wieder chaotische Momente gegeben habe, seien<br />

die zahlreichen Gespräche doch insgesamt positiv<br />

verlaufen. In der fächerübergreifenden, intensiven<br />

Kommunikation sieht die Philosophieprofessorin einen<br />

wichtigen Baustein für den Erfolg der Umstrukturierung:<br />

Insbesondere die Zusammenarbeit des<br />

Fachbereichs mit der Abteilung Studium und Lehre<br />

funktioniere exzellent.<br />

„Es macht bei aller Belastung einfach Spaß, so etwas<br />

aufzubauen“, sagt die Leiterin der Prüfungsverwaltung<br />

Annette Elbert über den laufenden Prozess.<br />

Dem stimmt Dr. Doris Lindner zu – obwohl sie sich<br />

für den FB 05 mehr Zeit für diesen enormen Veränderungsprozess<br />

gewünscht hätte. Positiv sieht die<br />

Verwaltung des Fachbereichs auch die Chancen zur<br />

Personalentwicklung im wissenschaftsstützenden<br />

Bereich, die sich aus der Neustrukturierung ergeben:<br />

Insofern die bisher übliche Sekretariatsarbeit<br />

durch komplexere Aufgaben ergänzt würde, gebe es<br />

nun die Möglichkeit zum Aufstieg in besser dotierte<br />

Stellen.<br />

Peter THOMAS ■<br />

Shakespeare digital<br />

Einmaliges Bildarchiv zu Shakespeare-Dramen<br />

ist jetzt online verfügbar<br />

Mitte November 2008 wurde in der Universitätsbibliothek die Web-Version<br />

des Shakespeare-Bildarchivs Oppel-Hammerschmidt vorgestellt. Das Besondere:<br />

Die Sammlung umfasst rund 3.500 bisher unveröffentlichte Illustrationen<br />

zu sämtlichen Werken William Shakespeares aus fünf Jahrhunderten,<br />

die sogar bis in die Lebenszeit des Dichters zurückreichen. Unter den<br />

rund 800 Künstlern, die Szenen und Charaktere aus Shakespeares Stücken<br />

bildkünstlerisch aufarbeiteten, fi nden sich so bekannte Namen wie William<br />

Turner, Salvador Dalí und Marc Chagall. Den Nutzern des Online-Archivs<br />

bietet sich die Möglichkeit, per Suchmaske nach verfügbaren Darstellungen<br />

zu einzelnen Werken, sogar szenenspezifi sch, nach Einzelthemen oder auch<br />

nach den Darstellungen eines bestimmten Künstlers zu suchen.<br />

Den Grundstein für das weltweit einzige Bildarchiv dieser Art legte im Jahr<br />

1946 der Shakespeare- und Goethe-Forscher Prof. Dr. Horst Oppel. Nach<br />

seinem Tod übernahm Prof. Dr. Hildegard Hammerschmidt-Hummel seine<br />

Sammlung und erweiterte sie auf circa 7.000 bildkünstlerische Darstellungen.<br />

Schließlich ging das Archiv im Jahr 2005 als Schenkung in den Besitz<br />

der <strong>Mainz</strong>er Universitätsbibliothek über – mit der Verpfl ichtung, die bisher<br />

unveröffentlichten Bestände elektronisch zu erfassen und öffentlich zugänglich<br />

zu machen. Dieses interdisziplinäre Großprojekt wurde jetzt durch<br />

das gemeinsame Engagement der Universitätsbibliothek und der Zentralen<br />

Datenverarbeitung (ZDV) realisiert.<br />

Derzeit ist das Projekt auf allen im Uninetz registrierten Rechnern frei zugänglich<br />

über die Internetseiten der Universitätsbibliothek: http://www.<br />

ub.uni-mainz.de/6295.php.<br />

Kathrin VOIGT ■<br />

31<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Personen & Positionen<br />

Neu an der Uni<br />

Fotos: Peter Pulkowski<br />

Dr. Magarete Imhof<br />

ist neue W3 Professorin<br />

am Psychologischen<br />

Institut<br />

Ihre universitäre Laufbahn<br />

begann Imhof mit<br />

dem Studium der Fächer<br />

Psychologie (Diplom) und<br />

Anglistik (Staatsexamen)<br />

an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Bereits<br />

während des Studiums unterrichtete sie für ein<br />

Semester im Rahmen eines Austauschprogramms<br />

des Pädagogischen Austauschdienstes Bonn als<br />

German Language Teaching Assistant im britischen<br />

Stevenage. Im Jahr 1983 machte sie ihren Abschluss<br />

sowohl mit dem Diplom in Psychologie als auch mit<br />

der ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien.<br />

Von der Universität wechselte Imhof daraufhin<br />

als Studienreferendarin für die Fächer Englisch<br />

und Schulpsychologie an das Siebold-Gymnasium in<br />

Würzburg und schloss zwei Jahre nach dem ersten<br />

auch das zweite Staatsexamen ab. Nach einer kurzen<br />

Lehrtätigkeit trat Imhof eine Lektorenstelle für<br />

Deutsch am Luther College in Decorah (Iowa) in den<br />

Vereinigten Staaten an. Innerhalb der USA wechselte<br />

sie 1989 als Teaching Assistant und Graduate<br />

Student an die University of Illinois at Chicago und<br />

kehrte ein Jahr später nach Deutschland zurück.<br />

An der Otto-Friedrich Universität Bamberg forschte<br />

Imhof in den darauffolgenden Jahren u.a. zu den<br />

Themengebieten Konzentration und motorische<br />

Nebentätigkeiten und „Hyperaktive“ Kinder in der<br />

Schule und promovierte 1994 mit der Gesamtnote<br />

„Magna cum laude“. Bis 2001 war Imhof an der<br />

Goethe-Universität Frankfurt Studienrätin im Hochschuldienst<br />

am Institut für Pädagogische Psychologie<br />

der Universität Frankfurt und wurde, nach einem<br />

einjährigen Aufenthalt am College of New Jersey in<br />

den USA, zur Oberstudienrätin im Hochschuldienst<br />

ernannt. Ihre Habilitation schloss Imhof im Jahr<br />

2003 zum Thema Psychologische Aspekte von Zuhören<br />

ab.<br />

■<br />

Die W3-Professur<br />

für Medienrecht,<br />

Kulturrecht und<br />

Öffentliches Recht<br />

übernimmt Dr.<br />

Matthias Cornils<br />

Nach dem Studium der<br />

Geschichte, Politik, Volkswirtschaft<br />

und Rechtswissenschaften<br />

an der Universität Bonn und der<br />

ersten juristischen Staatsprüfung 1993 promovierte<br />

Matthias Cornils 1995 mit der Dissertation „Der<br />

gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch“<br />

an der Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät<br />

der Universität Bonn („summa cum laude“).<br />

Für seine Dissertation erhielt er den Preis der Gesellschaft<br />

von Freunden und Förderern der Rheinischen<br />

Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn e.V. Im<br />

Anschluss daran übte er Lehrtätigkeiten an der Mittelrheinischen<br />

Verwaltungsakademie Bonn aus und<br />

hielt Vorlesungen im Staats- und Verwaltungsrecht.<br />

Während dieser Zeit legte Cornils die zweite juristische<br />

Staatsprüfung (1997) ab und arbeitete als<br />

Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Öffentliches<br />

Recht der Universität Bonn. Im Jahr 2004 habilitierte<br />

er sich mit der Schrift „Die Ausgestaltung der<br />

Grundrechte – Untersuchungen zur Grundrechtsbindung<br />

des Ausgestaltungsgesetzgebers“. In den<br />

darauffolgenden Jahren vertrat er mehrere rechtswissenschaftliche<br />

Lehrstühle, u.a. den Lehrstuhl für<br />

Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Universität<br />

München (Präsident des Bundesverfassungsgerichts<br />

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier), den Lehrstuhl<br />

des deutschen Richters am EuGH Prof. Dr. Thomas<br />

von Danwitz an der Universität zu Köln und zuletzt<br />

den Lehrstuhl des stellvertretenden Präsidenten des<br />

BVerfG Prof. Dr. Andreas Voßkuhle an der Universität<br />

Freiburg. Zu den Forschungsschwerpunkten von<br />

Cornils gehören neben dem Medienverfassungsund<br />

-verwaltungsrecht insbesondere das öffentliche<br />

Wirtschaftsrecht, das Staatsrecht und das Staatshaftungsrecht.<br />

Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit<br />

ist Matthias Cornils zudem Mitherausgeber<br />

der online-Zeitschrift „Zeitschrift für das juristische<br />

Studium“.<br />

■<br />

Dr. Holger Preuß ist<br />

neuer Professor für<br />

Sportsoziologie und<br />

Sportökonomie an<br />

der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität<br />

Nach Abitur und Zivildienst,<br />

begann Preuß<br />

im April 1990 ein Wirtschaftspädagogik-<br />

und Sportstudium an der Georg-August-Universität<br />

Göttingen. Der Abschluss<br />

als „Diplom-Handelslehrer“ erfolgte 1995. Im<br />

Anschluss daran studierte Preuß ein Semester an<br />

der Internationalen Olympischen Akademie in Griechenland.<br />

Zurück in Göttingen promovierte er in den<br />

Jahren 1997 bis 1999 mit der Arbeit „Ökonomische<br />

Implikationen der Ausrichtung Olympischer Spiele<br />

von München 1972 bis Atlanta 1996“ („summa<br />

cum laude“) und gewann den „Karl Hofmann<br />

Preis“ für die beste sportwissenschaftliche Dissertation<br />

1999. Während dieser Zeit war Preuß bereits<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Sport<br />

der Universität <strong>Mainz</strong>. 2002 wechselte er nach Köln<br />

und arbeitete als wissenschaftlicher Assistent am<br />

„Institut für Sportökonomie und -management“.<br />

Darauf folgte der Ruf auf eine Juniorprofessur für<br />

Sportökonomie in <strong>Mainz</strong>. Verschiedene Auslandsaufenthalte<br />

führten ihn u.a. als Visiting Professor<br />

an die „School of Management“ der Beijing Sport<br />

University in Peking und als Visiting Scholar an die<br />

State University of New York in Cortland. Ab 2006<br />

vertrat Preuß die Professur für Sportentwicklung am<br />

FB Psychologie und Sportwissenschaften der Universität<br />

Frankfurt und kehrte 2007 nach <strong>Mainz</strong> zurück.<br />

Holger Preuß ist international renommiert und<br />

u.a. als Associate Editor des „European Sport Management<br />

Quarterly“, einer führenden Zeitschrift<br />

im Sportmanagement tätig. Seine Forschungsfelder<br />

sind die Ermittlung ökonomischer Wirkungen<br />

von Mega-Sport-Events und liegen außerdem im<br />

Bereich des Sport-Eventtourismus, sowie im Sportmarketing<br />

bei der Messung von Imagetransfers und<br />

beim Ambush-Marketing. Eines seiner aktuellen<br />

Forschungsprojekte ist eine Studie zu „Image und<br />

Konsummustern der Besucher der EURO 2008 in<br />

Österreich” in Kooperation mit Prof. Dr. H. Siller<br />

(MCI Innsbruck).<br />

■<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

32


Personen & Positionen<br />

Die W 2-Professur für<br />

Allgemeine Sprachwissenschaften<br />

übernimmt<br />

Dr. Matthias<br />

Schlesewsky<br />

Dr. Matthias Schlesewsky<br />

absolvierte zunächst ein<br />

Biologie- und Chemiestudium<br />

an der Hochschule<br />

für Lehrerbildung in Potsdam, bevor er 1990 an der<br />

Universität Potsdam das Studium der Chemie mit<br />

dem Schwerpunkt Physikalische/Analytische Chemie<br />

aufnahm. Nach dem Abschluss als Diplomchemiker<br />

1992 war Schlesewsky – unterstützt durch<br />

ein Graduiertenförderstipendium des Landes Brandenburg<br />

– im Rahmen eines Postgradualstudiums<br />

der Toxologie an der Universität Leipzig tätig. Im<br />

darauffolgenden Jahr begann er an der Universität<br />

Potsdam Allgemeine und theoretische Linguistik zu<br />

studieren und promovierte 1997 in dieser Fachrichtung<br />

mit der Dissertation „Kasusphänomene in der<br />

Sprachverarbeitung: eine Studie zur Verarbeitung<br />

von kasusmarkierten und Relativsatzkonstruktionen<br />

im Deutschen“. In dieser Zeit arbeite er als Projektmitarbeiter<br />

im Teilprojekt „Kognitive Einfachheit von<br />

Grammatiken“ am Innovationskolleg „Formale Modelle<br />

kognitiver Komplexität“. Nach der Promotion<br />

arbeite und forschte Schlesewsky als wissenschaftlicher<br />

Assistent am Lehrstuhl für Grammatiktheorie:<br />

Syntax und Morphologie der Universität Potsdam.<br />

Im Jahr 2002 wurde Schlesewsky Leiter der selbstständigen<br />

Nachwuchsgruppe Neurolinguistik am<br />

Institut für Germanische Sprachwissenschaft der<br />

Philipps-Universität Marburg und trat zugleich<br />

eine Stelle als Juniorprofessor für Neurolinguistik<br />

an. Von 2004 bis 2006 war Schlesewsky zudem<br />

Geschäftsführender Direktor des Institutes. Neben<br />

seiner Tätigkeit in der Lehre und als Organisator<br />

von internationalen Fachkonferenzen und Tagungen<br />

beschäftigt sich Matthias Schlesewsky in seiner<br />

Forschungsarbeit vor allem mit den Themen „Theoretische<br />

Modellierung empirischer Daten aus den<br />

Sprachen der Welt“, „Die Rolle von Morphologie<br />

und struktureller Position bei der Verarbeitung von<br />

Core-Relationen“ und „Der Einfluss von Diskursinformationen<br />

in der Argumentinterpretation“. In seinen<br />

Forschungsarbeiten untersucht und beschäftigt<br />

sich Schlesewsky unter anderem neben Deutsch mit<br />

Sprachen wie Isländisch, Türkisch und Hindi. ■<br />

Thomas Schmidt<br />

übernimmt W 2<br />

Professur an der Akademie<br />

für Bildende<br />

Künste<br />

Thomas Schmidt, Jahrgang<br />

1960, begann seine<br />

künstlerische Laufbahn<br />

mit dem Studium der<br />

Malerei an der Hochschule der Künste in Berlin bei<br />

Prof. H. Bachmann. Im Jahr 1986 schloss Schmidt<br />

sein Studium in Berlin ab und erhielt im darauffolgenden<br />

Jahr den Förderpreis des Förderkreises<br />

Bildende Kunst in Nürnberg. Ein Reisestipendium<br />

des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes<br />

führte ihn 1988 nach Spanien. In den folgenden<br />

Jahren arbeitete er als freier Künstler und hatte<br />

Ausstellungen unter anderem in Berlin, Nürnberg<br />

und Bern. 1993 gründete er zusammen mit Hans<br />

Hemmert, Axel Lieber und Georg Zey die Künstlergruppe<br />

„Inges Idee“ in Berlin, die 1995 die ersten<br />

Projekte im öffentlichen Raum realisierte und vier<br />

Jahre später ihre erste Ausstellung in Berlin eröffnete.<br />

Am Fachbereich für Bildende Künste der <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Gutenberg</strong>-Universität erhielt Schmidt im Jahr<br />

2000 einen Lehrauftrag für die Orientierungsklasse<br />

und war während des Wintersemesters 2004/5 mit<br />

der Gruppe „Inges Idee“ als Gastprofessor an der<br />

Bauhaus-Universität Weimar tätig. Dort leitete er<br />

den MFA-Studiengang „Kunst im öffentlichen Raum<br />

und neue künstlerische Strategien“. Während der<br />

Lehrtätigkeiten hatte Schmidt sowohl eigene Ausstellungen<br />

als auch Projekte mit der Gruppe „Inges<br />

Idee“, unter anderem in Düsseldorf, Tokyo und Singapur.<br />

Als Gastprofessor für die Orientierungsklasse<br />

kam er 2005 zurück an die Universität <strong>Mainz</strong> und<br />

die Akademie für Bildende Künste. Neben seiner<br />

Lehrtätigkeit ist Thomas Schmidt auch weiterhin<br />

als Künstler tätig. So war er 2006 mit „Inges Idee“<br />

auf der Biennale für Kunst im öffentlichen Raum in<br />

Neuseeland vertreten. Derzeit werden zahlreiche<br />

Arbeiten der Gruppe realisiert, darunter Skulpturen<br />

für das Convention Center in Vancouver, Kanada,<br />

das World Games Stadion 09 in Kaoshing, Taiwan,<br />

das Towada Art Center, Japan und dem Neubau des<br />

Danish Radio DR in Kopenhagen.<br />

■<br />

Die W2-Professur<br />

in der Abteilung<br />

Quanten-, Atom- und<br />

Neutronenphysik am<br />

Institut für Physik<br />

übernimmt Dr. Arno<br />

Rauschenbeutel<br />

Arno<br />

Rauschenbeutel<br />

begann seine wissenschaftliche<br />

Laufbahn 1991 als Stipendiat der<br />

Studienstiftung des deutschen Volkes mit dem<br />

Physik- und Mathematikstudium an der Heinrich<br />

Heine-Universität Düsseldorf. Bereits während seiner<br />

Studienzeit führte in ein Auslandssemester an<br />

das Imperial College of Science, Technology, and<br />

Medicine nach London. Nach den Vordiplomen in<br />

Mathematik und Physik wechselte Rauschenbeutel<br />

1994 an die Universität Bonn und schloss sein<br />

Studium 1997 mit der Diplomarbeit „Ein neuartiges<br />

Konzept zur Kontrolle der relativen Lichtphasen<br />

in lichtgebundenen Atomgittern“ ab. Vom Rhein<br />

wechselte er danach an die Seine. Am Laboratoire<br />

Kastler Brossel der Ecole Normale Supérieure in Paris<br />

begann er im gleichen Jahr mit dem Promotionsstudium<br />

in Experimentalphysik, welches er 2001 mit<br />

der Arbeit „Atome und Resonator: Präparation und<br />

Manipulation komplexer verschränkter Zustände“<br />

abschloss. Nach der Promotion mit Auszeichnung<br />

wechselte Rauschenbeutel wieder nach Bonn, wo<br />

er in den Jahren 2001 bis 2005 als wissenschaftlicher<br />

Assistent am Institut für angewandte Physik<br />

arbeitete und im Anschluss daran die Vertretung<br />

einer W3-Professur für Experimentalphysik in Bonn<br />

übernahm. 2006 erhielt Rauschenbeutel den Ruf<br />

auf eine W2-Professur für Experimentelle Quantenoptik<br />

an die <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität. Die<br />

wissenschaftliche Arbeit und Lehre von Arno Rauschenbeutel<br />

ist mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem<br />

erhielt er 2005 einen „Marie Curie Exellence<br />

Award“ der Europäischen Kommission und 2006<br />

eine Lichtenberg Professur der Volkswagen-Stiftung<br />

und einen „European Young Investigators Award“<br />

der Europäischen Science Foundation. ■<br />

33<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>


Kurz & Bündig<br />

Besuch von Verteidigungsminister<br />

Jung<br />

Am 6. November sprach Bundesverteidigungsminister Dr. Franz-Josef Jung anlässlich einer Vortragsveranstaltung<br />

der „Freunde der Universität <strong>Mainz</strong>“ zum Thema „Deutsche Sicherheitspolitik: Im Einsatz<br />

für den Frieden“. Jung skizzierte in seinem Vortrag die Geschichte und Entwicklung der Bundeswehr<br />

von einer Verteidigungsarmee im Kalten Krieg bis zu den Aufgaben der Krisenintervention und humanitären<br />

Einsätzen heute. Mit Blick auf den derzeitigen Einsatz in Afghanistan hob er die gemeinsame<br />

Bedeutung von militärischer Sicherheit und zivilem Wiederaufbau hervor: „Ohne Sicherheit keine Entwicklung<br />

und ohne Entwicklung keine Sicherheit“.<br />

■<br />

Veranstaltungstipp<br />

Fit bleiben<br />

Der Allgemeine Hochschulsport bietet gesundheitlich<br />

orientiertes Training an Fitness-<br />

Geräten mit persönlicher Betreuung an.<br />

Das Training kann individuell je nach persönlichen<br />

Bedürfnissen als Reha-Training (Ausgleich von muskulären<br />

Disbalancen und Haltungsproblemen), als<br />

Präventionstraining (zum Beispiel bei hauptsächlich<br />

sitzender Tätigkeit) oder auch als allgemeines Fitness-Training<br />

ausgerichtet werden. Die persönliche<br />

Betreuung erfolgt durch Physiotherapeuten/Krankengymnasten.<br />

Das Training fi ndet im Fitnessraum<br />

statt und ist kostenpfl ichtig.<br />

Termin 1: Mo. 12:00 - 13:00, Silke Wolf<br />

Termin 2: Mo. 18.00 - 19.00, Anika Brosch<br />

Termin 3: Mi. 12:30 - 13:30, Silke Wolf<br />

Kostenbeitrag: 10er-Karte (gültig für 10 Einheiten<br />

à 60 Min. bei beliebiger Terminwahl) für Sportausweisinhaber<br />

€ 20,- , Externe € 30,-<br />

■<br />

(v. l.) Dr. h.c. Klaus G. Adam, Bundesminister für Verteidigung Dr. Franz-Josef Jung,<br />

Universitätspräsident Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Der Präsident der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong>-Universität <strong>Mainz</strong>,<br />

Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch<br />

Leitung Bereich Öffentlichkeitsarbeit:<br />

Petra Giegerich<br />

Leitung Redaktion:<br />

Annette Spohn-Hofmann (V.i.S.d.P.)<br />

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dr. Ulrike Brandenburg,<br />

Maria Colombo, Dr. Frank Erdnüß, Dimitri Taube,<br />

Peter Thomas, Kathrin Voigt, Frank Wittmer,<br />

Peter Pulkowski (Fotos)<br />

Redaktionsassistenz: Birgitt Maurus, Sebastian Kump<br />

Kontakt:<br />

Telefon: +49 6131 3922369, 3920593<br />

Telefax: +49 6131 3924139<br />

E-Mail: Annette.Spohn@verwaltung.uni-mainz.de<br />

Auflage: 10.000 Exemplare, die Zeitschrift<br />

erscheint viermal im Jahr<br />

Redaktionsschluss der <strong>JOGU</strong> 208,<br />

Ausgabe Mai <strong>2009</strong>, ist der 2. März <strong>2009</strong><br />

Titelbild: Geographisches Institut<br />

Gestaltung: Thomas Design, Freiburg<br />

Vertrieb: Öffentlichkeitsarbeit<br />

Anzeigen:<br />

Marc Thal<br />

Campus-Service GmbH<br />

crossmediales Hochschulmarketing<br />

Neuenhöfer Allee 49-51<br />

50935 Köln<br />

Tel.: +49 221 42060911<br />

Fax: +49 221 282736-20<br />

marc.thal@campus-service.com<br />

www.campus-service.com<br />

Druck:<br />

Werbedruck GmbH Horst Schreckhase<br />

Postfach 1233<br />

34283 Spangenberg<br />

Telefon +49 56 639494<br />

Telefax +49 56 63939880<br />

www.schreckhase.de<br />

kontakt@schreckhase.de<br />

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht<br />

unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Bildmaterial<br />

wird keine Gewähr geleistet. Nachdruck<br />

nur mit Quellenangabe gestattet.<br />

[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong><br />

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Hochhaus Augustusplatz<br />

Information<br />

Telefon 0 61 31/17-32 16 / 32 17<br />

Termine<br />

Mo, Mi 8.00 bis 16.00<br />

Di, Do 8.00 bis 18.00<br />

Fr 8.00 bis 15.00<br />

Sa 8.00 bis 11.00

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