A1 - Ethnologisches Seminar
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<strong>Ethnologisches</strong> <strong>Seminar</strong> der Universität Basel WS 2003/04<br />
Proseminar Wirtschaft 14. Januar 2004<br />
Dr. des. Gregor Dobler<br />
Monica Asgeirsson und Mirella Mahlstein<br />
Nicht-Marktwirtschaft („non-market economy“) = eher reguliert als selbstregulierend (sozial<br />
eingebettet); Profitmotiv fehlt, keine Lohnarbeit, keine wirtschaftlichen Einrichtungen Formen des<br />
Tausches nach Prinzipien der Reziprozität; Polanyi identifiziert drei Prinzipien ökonomischen<br />
Handelns:<br />
Prinzip ökonomischen<br />
Handelns<br />
Form der sozialen<br />
Organisation<br />
Institutionelles Muster<br />
1. Reziprozität Verwandtschaft symmetrisch<br />
2. Redistribution Politik zentralistisch<br />
3. Haushaltung<br />
(„householding“)<br />
Haushalt<br />
autark (selbstversorgend)<br />
Polanyis wichtigster Beitrag ist wohl die Gleichsetzung von Reziprozität mit Gabentausch. Nach<br />
Sahlins Überarbeitung sind jedoch verschiedene Reziprozitäten zu unterscheiden; lediglich ‚positive’<br />
Reziprozität sei Synonym von Gabentausch.<br />
Sahlins (1972: On the sociology of primitive exchange) / Ingold (1986)<br />
Sahlins meint, dass Reziprozität mit Verwandtschaftsdistanz in Wechselbeziehung steht. Er teilt die<br />
Reziprozität in drei Kategorien ein.<br />
‚Generalisierte’ (= positive)<br />
Reziprozität<br />
=> solidarisch:<br />
uneingeschränkte, selbstlose<br />
Bereitschaft zum Geben ohne<br />
Erwartung einer gleichwertigen<br />
Gegenleistung in absehbarer<br />
Zeit (z.B. Nahrungsteilung,<br />
Säugen der Babys, Hilfe,<br />
Gastfreundschaft)<br />
geben – erhalten<br />
v. a. gegenüber Personen<br />
der unmittelbaren verwandtschaftlichen<br />
und räumlichen<br />
Nähe des einzelnen<br />
Haushaltes.<br />
‚Balancierte’ oder ‚Ausgeglichene’<br />
Reziprozität<br />
=> ‚weniger persönlich‘ und ‚mehr<br />
wirtschaftlich’:<br />
klare Erwartung einer entsprechenden<br />
Gegenleistung in absehbarer<br />
Zeit; Verlangen, Feindseligkeit<br />
zu überwinden<br />
(z.B.: Allianzbestätigungen in Form<br />
von Festen, Friedenszeremonien,<br />
Hochzeiten)<br />
gegenüber der weiteren<br />
verwandtschaftlichen und räumlichen<br />
Umgebung innerhalb der<br />
eigenen und gegenüber Mitgliedern<br />
anderer sozialen Gruppen<br />
‚negative’ Reziprozität<br />
=> unsozial:<br />
Nehmen ohne zu geben<br />
(z.B. Gewalt, Raub,<br />
Glücksspiel, aber auch<br />
Feilschen, Handel)<br />
verlieren – nehmen<br />
Beziehungen zu sozial wie<br />
räumlich entfernten Gruppen,<br />
Beziehung zw. Fremden<br />
Lévi-Strauss (1969: The Elementary Structures of Kinship)<br />
Er leistet einen besonderen Beitrag zur Frage des Gabentausches mit seiner Theorie der Ehe als<br />
Gabentausch von Frauen (durch Männer). Die verschiedenen Formen dieses Frauentausches sind<br />
Ausdruck für das Inzesttabu. Es ist jedoch weniger ein Verbot der Ehe mit Mutter, Tochter oder<br />
Schwester als eine Verpflichtung, Mutter, Tochter oder Schwester anderen zu geben.<br />
4. Tauschhandel und andere Formen von geldlosem Warentausch<br />
Beim Tauschhandel werden die Waren/Gaben meist gleichzeitig ausgetauscht. Daneben gibt es<br />
andere nicht-gleichzeitige Formen von Warentausch; z.B. verzögerter Tausch.<br />
Sowohl für klassische als auch neoklassische Ökonomen ist der Tauschhandel Ursprung von jeder<br />
weiteren Form von Tausch. Anthropologen beweisen jedoch die gleichzeitige Existenz von<br />
verschiedenen Tauschformen statt deren zeitliche Abfolge.<br />
Mauss stellt eine 3-Stufen-These auf:<br />
- Zuerst eingeschränkter Tausch von Gaben (innerhalb eines Stammes)<br />
- darauf folgend allgemeiner Gabentausch<br />
- schliesslich Entstehung der Geldwirtschaft