Kapitel 1 Einleitung - Unics.uni-hannover.de
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<strong>Kapitel</strong> 1<br />
<strong>Einleitung</strong><br />
Was ist Algebraische Graphentheorie? Sie umfaßt je<strong>de</strong>nfalls die Behandlung von<br />
Problemen <strong>de</strong>r strukturellen Graphentheorie mit Mitteln und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r linearen<br />
Algebra o<strong>de</strong>r Algebra (und umgekehrt), das Studium von Symmetrien<br />
in Graphen mit Anwendungen auf Co<strong>de</strong>s und Designs, aber auch Enumerationsprobleme<br />
auf Graphen und verwandten Klassen. Eine beson<strong>de</strong>re Rolle in<br />
<strong>de</strong>r Theorie symmetrischer Graphen spielen CAYLEY-Graphen, die über einer<br />
(mathematischen) Gruppe konstruiert wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ren Eigenschaften wie<strong>de</strong>rspiegeln<br />
können. Auch in <strong>de</strong>r Matroidtheorie, wie sie von WHITNEY in <strong>de</strong>n<br />
1930ern entwickelt wur<strong>de</strong>, wer<strong>de</strong>n Graphen von einer algebraischen Warte aus<br />
behan<strong>de</strong>lt. Diese Theorie kann nicht alle Aspekte eines Graphen einfangen —<br />
nichtisomorphe Bäume können darin nicht unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, das Konzept<br />
einer Ecke fehlt u.v.m. — erlaubt aber an<strong>de</strong>rerseits eine vereinheitlichen<strong>de</strong><br />
Betrachtung kombinatorischer Eigenschaften von Objekten ganz an<strong>de</strong>rer<br />
Art (etwa von Vektorräumen) und hat sich seither zu einer völlig eigenständigen<br />
Disziplin <strong>de</strong>r diskreten Mathematik entwickelt. Infolge dieser völligen Verselbständigung<br />
ist sie hier ausgeklammert.<br />
In diesem einführen<strong>de</strong>n <strong>Kapitel</strong> wollen wir in losem Zusammenhang einige<br />
Facetten und die Grundbegriffe <strong>de</strong>r Theorie vorstellen. Wir beginnen mit einem<br />
durch eine Arbeit von GESSEL und VIENNOT berühmt gewor<strong>de</strong>nen Lemma<br />
von LINDSTRÖM, mit <strong>de</strong>m sich, unter an<strong>de</strong>rem, zahlreiche Eigenschaften<br />
<strong>de</strong>r Determinante auf die Bestimmung von Wegesystemen in geeigneten Digrapen<br />
zurückführen lassen. Als Beispiel liefern wir <strong>de</strong>n Produktsatz von BI-<br />
NET und CAUCHY, <strong>de</strong>n wir danach zum Beweis <strong>de</strong>s Matrix-Baum-Satzes von<br />
KIRCHHOFF verwen<strong>de</strong>n. Aus diesem Satz folgt ein an<strong>de</strong>rer Klassiker — <strong>de</strong>r<br />
Satz von CAYLEY über die Zahl <strong>de</strong>r Bäume auf einer vorgegebenen Eckenmenge<br />
— doch seine ganze Schlagkraft entfaltet er erst in <strong>de</strong>r Theorie elektrischer<br />
Netzwerke. Wir beleuchten hier eine ganz aparte Anwendung dieser “algebraischen<br />
Potentialtheorie” auf rechteckige Quadratpackungen. Daß neben<br />
1
<strong>de</strong>r Determinante auch an<strong>de</strong>re Matrixformen wie Permanente o<strong>de</strong>r PFAFFsche<br />
Determinante zur Behandlung graphentheoretischer Probleme herangezogen<br />
wer<strong>de</strong>n können, illustrieren wir durch TUTTEs Beweis seines Faktorsatzes und<br />
einem Ergebnis über die Zahl <strong>de</strong>r 1-Faktoren eines bipartiten Graphen, das erst<br />
durch Lösung <strong>de</strong>r Permanentenvermutung von VAN DER WAERDEN durch FA-<br />
LIKMAN und EGORYČEV möglich wur<strong>de</strong>. Abschließend wen<strong>de</strong>n wir uns einem<br />
einfachen Symmetriekonzept in Graphen zu, <strong>de</strong>r sogenannten starken Regularität,<br />
und geben eine Anwendung in <strong>de</strong>r extremalen Graphentheorie.<br />
Hier eine kurze Zusammenfassung <strong>de</strong>r Grundbegriffe.<br />
Graphen. Ein Ultragraph auf V ist ein Quadrupel G = (V, E, init, ter), wobei<br />
V, E disjunkte Mengen seiner Ecken bzw. Kanten sind und die Abbildungen<br />
init, ter : E → P(V ) je<strong>de</strong>r Kante e die Mengen init(e), ter(e) ihrer Start- bzw.<br />
Zielecken zuordnen. G ist endlich, falls V, E endlich sind.<br />
Ist x ∈ init(e) und y ∈ ter(e) und gilt init(e) = ter(e) = {x} falls x = y, so<br />
nennen wir e auch eine Kante von x nach y. Die Elemente aus V G (e) := init(e) ∪<br />
ter(e) sind die mit e inzidieren<strong>de</strong>n Ecken. G heißt ungerichtet, falls init = ter ist.<br />
Der Ultragraph G := (V, E, init ′ , ter ′ ) mit init ′ (e) = ter ′ (e) = init(e) ∪ ter(e) =:<br />
V G (e) für alle e ∈ E wird <strong>de</strong>r G unterliegen<strong>de</strong> ungerichtete Ultragraph genannt. G<br />
heißt einfach, falls für alle e, f ∈ E aus init(e) = init(f) und ter(e) = ter(f) stets<br />
e = f folgt. Eine Kante heißt Schlinge von G bei x, falls init(e) = ter(e) = {x}<br />
für ein x ∈ V gilt. Bestehen init(e) = {x} o<strong>de</strong>r ter(e) nur aus einem Element,<br />
so wird auch dieses mit init(e) bzw. ter(e) bezeichnet.<br />
Alle hier vorkommen<strong>de</strong>n Graphenmo<strong>de</strong>lle sind Spezialisierungen: Ist |init(e)|<br />
= |ter(e)| = 1 und, so nennen wir G einen Multidigraphen. Ist G ungerichtet<br />
und |init(e)| ∈ {1, 2} für alle e ∈ E, so ist ist G ein Multigraph. Einfache, schlingenlose<br />
Multidigraphen o<strong>de</strong>r Multigraphen wer<strong>de</strong>n Digraphen bzw. Graphen<br />
genannt. Eine Orientierung eines Multigraphen G ist ein Multidigraph G ′ mit<br />
G ′ = G. In Graphen o<strong>de</strong>r Digraphen gibt es zu zwei Ecken x, y höchstens<br />
eine Kante von x nach y, die wir mit xy bezeichnen. In einem Graphen ist<br />
folglich xy = yx. Für gegebenes V bestimmt E ⊆ V × V einen einfachen<br />
Digraphen G = (V, E, init, ter) per init((x, y) = {x} und ter((x, y)) = {y}.<br />
Ebenso bestimmt E ⊆ {{x, y} : |{x, y}| ∈ {1, 2}} einen einfachen Graphen<br />
G = (V, E, init, ter) per init({x, y}) = ter({x, y}) = {x, y}. Diese Objekte wer<strong>de</strong>n<br />
jeweils mit G = (V, E) bezeichnet.<br />
Ein Kantenzug von x nach y <strong>de</strong>r Länge l in G o<strong>de</strong>r schlicht ein x, y-Kantenzug ist<br />
eine Folge<br />
W = x 0 , e 1 , x 1 , e 2 , x 2 , . . . , e l , x l<br />
von abwechselnd Ecken und Kanten von G mit x 0 = x ∈ V (G) und x l = y<br />
so, daß e i eine Kante von x i−1 nach x i ist. Ist W durch die Teilfolge seiner<br />
Ecken bestimmt (zum Beispiel falls G ein einfacher Graph o<strong>de</strong>r Digraph ist), so<br />
schreiben wir W = x 0 x 1 . . . x l ; mit x i W x j wird dann <strong>de</strong>r Teilweg x i x i+1 . . . x j<br />
2
ezeichnet. Wir nennen W geschlossen, falls l > 0 und x 0 = x l ist, sonst offen.<br />
W ist doppelpunktfrei, falls x 0 , . . . , x l−1 und x 1 , . . . , x l jeweils paarweise verschie<strong>de</strong>n<br />
sind. Ein doppelpunktfreier offener Kantenzug ist ein Weg, ein doppelpunktfreier<br />
geschlossener Kantenzug ein Kreis. Ein Ultragraph ohne Kreise<br />
heißt kreisfrei o<strong>de</strong>r azyklisch.<br />
Durch<br />
x ∼ G y :↔ es gibt einen x, y-Kantenzug in G<br />
wird eine binäre, reflexive, transitive Relation ∼ G auf V (G) erklärt. Ist G ungerichtet,<br />
so ist ∼ G auch symmetrisch, also eine Äquivalenzrelation. Die Äquivalenzklassen<br />
von ∼ G sind die schwachen Zusammenhangskomponenten von G und<br />
wer<strong>de</strong>n mit C(G) bezeichnet. G heißt zusammenhängend, falls |C(G)| ≤ 1 gilt.<br />
Der Ultragraph G ′ = (V ′ , E ′ , init ′ , ter ′ ) ist ein Teilultragraph von G o<strong>de</strong>r auch<br />
Ultragraph in G, falls V ′ ⊆ V , E ′ ⊆ E, init ′ = init|E ′ und ter ′ = ter|E ′ gilt.<br />
Für X, Y ⊆ V sei E G (X, Y ) die Menge aller Kanten von einer Ecke aus X<br />
nach einer aus Y , und E G ′ (X, Y ) sei die Menge aller Kanten e aus E G(X, Y )<br />
mit V G (e) ⊆ X ∪ Y . Für F ⊆ E sei G(F ) := (V, F, init|F, ter|F ) und G − F :=<br />
G(E − F ), und für X ⊆ V sei G(X) := (X, F := E G ′ (X, X), init|F, ter|F ) und<br />
G − X := G(V − X). Für x ∈ V ∪ E sei G − x := G − {x}.<br />
Die Zahlen d + G (x) := |E G(x, V )|, d − G (x) := |E G(V, x)|, d G (x) := |E G (x, V ) ∪<br />
E G (V, x)| heißen Innengrad, Außengrad bzw. Grad <strong>de</strong>r Ecke x in G und stimmen<br />
für ungerichtetes G überein. G heißt k-regulär, falls d G (x) = k für je<strong>de</strong>s x ∈<br />
V (G) gilt.<br />
Ein zusammenhängen<strong>de</strong>r kreisfreier Graph G heißt Baum, eine Ecke <strong>de</strong>s Gra<strong>de</strong>s<br />
1 ist ein Blatt. Ein Graph G ist bekanntlich genau dann ein Baum, wenn<br />
es zu je zwei x, y ∈ V (G) genau einen x, y-Weg in G gibt (<strong>de</strong>r dann mit xGy<br />
bezeichnet wird). Die endlichen nichtleeren Bäume sind genau die zusammenhängen<strong>de</strong>n<br />
Graphen G mit |E(G)| = |V (G)| − 1.<br />
Der vollständige Graph auf X ist <strong>de</strong>finiert durch K X := (X, {xy : x ≠ y aus<br />
X}), <strong>de</strong>r vollständig bipartite Graph mit Klassen A, B durch K A,B := (A∪B, {xy :<br />
x ∈ A, y ∈ B}), wobei A, B disjunkt sind. Ein Graph G heißt bipartit, falls es<br />
zwei disjunkte Mengen A, B — die Klassen — mit V (G) = A ∪ B und E(G) =<br />
E G (A, B) gibt.<br />
Permutationen und Matrizen. Seien X, Y Mengen. Mit S X,Y wird die Menge<br />
<strong>de</strong>r Bijektionen aus Y X bezeichnet; S X := S X,X ist somit die Menge <strong>de</strong>r<br />
Permutationen von X. (S X , ◦) ist eine Gruppe, und wie üblich wer<strong>de</strong>n Elemente<br />
von S X durch griechische Buchstaben bezeichnet. Daneben wird Zykelschreibweise<br />
verwen<strong>de</strong>t: So bezeichnet (a b) für a ≠ b aus X die Abbildung aus S X ,<br />
die a auf b, b auf a und alle je<strong>de</strong>s c ∈ X − {a, b} auf sich selbst abbil<strong>de</strong>t, eine<br />
sogenannte Transposition. Statt S {1,...,k} schreiben wir S k . S 0 = S ∅ besteht<br />
aus <strong>de</strong>r leeren Abbildung. Wir setzen Grundwissen über Permutationen voraus:<br />
Beispielsweise ist für endliches X je<strong>de</strong> Permutation σ das Produkt von l<br />
3
Transpositionen aus S X ; die Parität von l hängt nicht von <strong>de</strong>r konkreten Produktdarstellung<br />
ab, und wir <strong>de</strong>finieren sgn(σ) := +1 falls l gera<strong>de</strong> ist und<br />
sgn(σ) := −1 sonst, wobei +1, −1 immer einem aus <strong>de</strong>m Kontext ersichtlichen<br />
Ring entstammen wer<strong>de</strong>n. Infolge<strong>de</strong>ssen ist sgn(σ ◦ τ) = sgn(σ) · sgn(τ).<br />
A × B-Matrizen über R sind Abbildungen aus R A×B , wobei R ein kommutativer<br />
Ring mit 1 ist und A, B endliche In<strong>de</strong>xmengen. Die Determinante einer A×<br />
A-Matrix P ist bekanntlich erklärt durch <strong>de</strong>tP = ∑ σ∈S A<br />
sgn(σ) ∏ a∈A<br />
P (a, σ(a)),<br />
insbeson<strong>de</strong>re ist <strong>de</strong>t∅ = 1.<br />
Es ist gelegentlich nützlich, auch über die Determinante einer A × B-Matrix<br />
P mit |A| = |B| re<strong>de</strong>n zu können. Dazu halten wir zunächst eine Bijektion<br />
f : B → A fest; dieses f <strong>de</strong>finiert die Hauptdiagonale {(f(b), b) : b ∈ B} ⊆ A×B<br />
von P . Für je<strong>de</strong>s σ aus <strong>de</strong>r Menge S A,B <strong>de</strong>r Bijektionen von A nach B ist dann<br />
f ◦ σ aus S A , und wir <strong>de</strong>finieren sgn f<br />
(σ) := sgn(f ◦ σ) sowie<br />
<strong>de</strong>t f P :=<br />
∑<br />
σ∈S A,B<br />
sgn f<br />
(σ) ∏ a∈A<br />
P (a, σ(a)).<br />
Wegen sgn f<br />
(σ) · sgn g<br />
(σ) = sgn(f ◦ σ) · sgn((g ◦ σ) −1 ) = sgn(f ◦ g −1 ) ist <strong>de</strong>t g P =<br />
sgn(f ◦g −1 )·<strong>de</strong>t f P , so daß sich <strong>de</strong>t f und <strong>de</strong>t g “höchstens durch ihr Vorzeichen”<br />
unterschei<strong>de</strong>n. f ist meist implizit durch Verwendung dieser Schreibweisen<br />
gegeben.<br />
Etwas anschaulicher kann man sich die Koordinatenmengen mit einer linearen<br />
Ordnung < A bzw. < B versehen <strong>de</strong>nken. Die Folge <strong>de</strong>r Elemente einer solchen<br />
Menge, etwa A, ist dann die Folge a = (a 1 , . . . , a l ) mit l = |A| und<br />
a 1 < A . . . < A a l . X ⊆ A wird mit <strong>de</strong>r durch < A induzierten Ordnung versehen,<br />
so daß die Folgen <strong>de</strong>r Elemente solcher Teilmengen <strong>de</strong>n Teilfolgen von<br />
a entsprechen. Ist nun b die Folge <strong>de</strong>r Elemente von B, so ist durch b i ↦→<br />
a i eine natürliche Bijektion f von B nach A <strong>de</strong>finiert, und es ist <strong>de</strong>t f P =<br />
∑σ∈S l<br />
sgn(σ) ∏ k<br />
i=1 P (a i, b σ(i) ). Sind A, B Teilmengen von Z, so seien < A , < B<br />
immer die Einschränkungen <strong>de</strong>r natürlichen Ordnung von Z auf A bzw. B.<br />
Für P ∈ R A×B mit |A| = |B| sei Cof(P )(a, b) := <strong>de</strong>t f Q ab , wobei Q ab ∈ R A×B<br />
durch Q ab (a, b) := +1, Q ab (i, j) := A(i, j) für i ≠ a und j ≠ b, und 0 an <strong>de</strong>n<br />
|A|+|B|−1 übrigen Stellen erklärt ist. Dadurch wird die Cofaktormatrix Cof(P )<br />
von P erklärt.<br />
1.1 Das Lemma von Gessel & Viennot / Lindström<br />
Sei G ein endlicher azyklischer Multidigraph und w : E(G) → R. Für einen<br />
Weg P in G sei w(P ) := ∏ e∈E(P )<br />
w(e). Seien A, B zwei Mengen von jeweils k<br />
4
Ecken von G. Die Wegematrix M ∈ R A×B zu G, w, A, B ist <strong>de</strong>finiert durch<br />
∑<br />
M(a, b) :=<br />
w(P ).<br />
P ein a, b-Weg<br />
Eine A, B-Verbindung ist ein Paar p = (σ, (P a ) a∈A ), wobei σ ∈ S A,B und P a ein<br />
a, σ(a)-Weg ist. Sie heißt kreuzungsfrei, wenn die P a paarweise disjunkt sind,<br />
sonst kreuzend. Wir <strong>de</strong>finieren w(p) := ∏ a∈A w(P a) und sgn f<br />
(p) := sgn f<br />
(σ).<br />
Ist speziell G <strong>de</strong>r Digraph mit <strong>de</strong>n Ecken A ∪ ·<br />
B und allen Kanten von A nach<br />
B, so ist die Wegematrix erklärt durch M(a, b) = w(ab), und zu σ ∈ S A,B gibt<br />
es genau eine (kreuzungsfreie) A, B-Verbindung p = (σ, (P a ) a∈A ), nämlich diejenige<br />
mit P a = aσ(a); für diese ist w(p) = ∏ a∈A w(aσ(a)) = ∏ a∈A<br />
M(a, σ(a))<br />
und infolge<strong>de</strong>ssen gilt für diese beson<strong>de</strong>re Konfiguration<br />
∑<br />
<strong>de</strong>t f M =<br />
sgn f<br />
(p) · w(p).<br />
p kreuzungsfreie A, B-Verbindung<br />
Das folgen<strong>de</strong> Lemma verallgemeinert dies für beliebiges G. Es ist zuerst 1972<br />
von LINDSTRÖM bewiesen wor<strong>de</strong>n, seine Be<strong>de</strong>utung für die abzählen<strong>de</strong> Kombinatorik<br />
wur<strong>de</strong> allerdings erst 1985 eindrucksvoll von GESSEL und VIENNOT<br />
belegt.<br />
Lemma 1 (Lemma von Gessel & Viennot / Lindström) Seien G ein endlicher azyklischer<br />
Multidigraph, w : E(G) → R, A, B zwei Mengen von jeweils k Ecken aus<br />
G, und M die Wegematrix zu G, w, A, B. Dann ist<br />
∑<br />
<strong>de</strong>t f M =<br />
sgn f<br />
(p) · w(p).<br />
p kreuzungsfreie A, B-Verbindung<br />
Beweis. Ausmultiplizieren und Umordnen liefert<br />
∑<br />
<strong>de</strong>t f M = sgn f<br />
(σ) · ∏<br />
M(a, σ(a))<br />
σ∈S A,B a∈A<br />
∑<br />
= sgn f<br />
(σ) · ∏ ∑<br />
w(P )<br />
σ∈S A,B a∈A P ein a, σ(a)-Weg<br />
∑<br />
∑<br />
= sgn f<br />
(σ) ·<br />
w(p)<br />
σ∈S A,B p = (σ, (P a) a∈A) A, B-Verbindung<br />
∑<br />
=<br />
sgn f<br />
(p) · w(p).<br />
p A, B-Verbindung<br />
Es genügt daher zu zeigen, daß S := ∑ p ∈ X sgn f<br />
(p)w(p) = 0 ist, wobei X die<br />
Menge <strong>de</strong>r kreuzen<strong>de</strong>n A, B-Verbindungen ist. Sei dazu (σ, (P a ) a∈A ) aus X. Wir<br />
5
<strong>de</strong>nken uns A linear geordnet. Dann gibt es ein kleinstes c ∈ A so, daß P c einen<br />
an<strong>de</strong>ren Weg P d , d ∈ A−{c}, schnei<strong>de</strong>t. Sei x die erste Ecke von P c , die in einem<br />
an<strong>de</strong>ren Weg enthalten ist, und sei d <strong>de</strong>r kleinste In<strong>de</strong>x > c mit x ∈ V (P d ). Weil<br />
G azyklisch ist, sind auch P c ′ := cP c xP d σ(d) und P<br />
d ′ := dP dxP c σ(c) Wege,<br />
und ((c d) ◦ σ, P 1, ′ . . . , P<br />
k ′)) =: g(p) mit P a<br />
′ := P a für a ∈ A − {c, d} ist aus<br />
X. Offensichtlich gilt g(g(p)) = p, und so ist g : X → X eine fixpunktfreie<br />
Involution mit sgn f<br />
(g(p)) = −sgn f<br />
(p) und w(g(p)) = w(p). Daher können wir<br />
eine Partition von X in zweielementige Mengen {p, g(p)} konstruieren, <strong>de</strong>ren<br />
Mitglie<strong>de</strong>r sich jeweils in <strong>de</strong>r Summe S auslöschen.<br />
□<br />
Mit Hilfe dieses Lemmas können zahlreiche Eigenschaften <strong>de</strong>r Determinante<br />
abgeleitet wer<strong>de</strong>n, zum Beispiel <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong> Produktsatz von BINET und<br />
CAUCHY, <strong>de</strong>r uns im weiteren Verlauf immer wie<strong>de</strong>r begegnen wird.<br />
Theorem 1 (Produktsatz von Binet / Cauchy) Seien P ∈ R A×X und Q ∈ R X×B<br />
Matrizen mit |A| = |B| ≤ |X|. Dann gilt<br />
∑<br />
<strong>de</strong>t f P Q =<br />
(<strong>de</strong>t g P |A × Y ) · (<strong>de</strong>t g −1 ◦f Q|Y × B). 1<br />
Y ⊆X, |Y |=|A|<br />
Beweis. Wir dürfen annehmen, daß A, X, B disjunkt sind. Sei k := |A|. Sei G<br />
<strong>de</strong>r Digraph auf A∪X ∪B mit Kanten (A×X)∪(X ×B), und sei w : E(G) → R<br />
<strong>de</strong>finiert durch w|A × X := P und w|X × B := Q. Für die Wege-Matrix gilt offensichtlich<br />
M(a, b) = ∑ x∈X<br />
P (a, x)Q(x, b). Ist dagegen Y eine k-elementige<br />
Teilmenge von X und g eine Bijektion von Y nach A, h := g −1 ◦ f, so ist<br />
für je<strong>de</strong>s Paar (p, q) einer kreuzungsfreien A, Y -Verbindung p = (σ, (P a ) a∈A )<br />
und einer kreuzungsfreien Y, B-Verbindung q = (τ, (Q y ) y∈Y ) das Paar r :=<br />
(τ ◦σ, (aσ(a)τ(σ(a))) a∈A ) eine kreuzungsfreie A, B-Verbindung, und je<strong>de</strong> kreuzungsfreie<br />
A, B-Verbindung kann auf diese Weise ein<strong>de</strong>utig dargestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Wegen sgn f<br />
(r) = sgn g<br />
(p) · sgn h<br />
(q) erhält man durch dreimalige Anwendung<br />
von Lemma 1:<br />
<strong>de</strong>tP Q = <strong>de</strong>tM<br />
= ∑ r<br />
= ∑ Y<br />
= ∑ Y<br />
= ∑ Y<br />
sgn f<br />
(r) · w(r)<br />
∑ ∑<br />
sgn g<br />
(p) · sgn h<br />
(q) · w(p) · w(q)<br />
p<br />
q<br />
∑<br />
sgn g<br />
(p) · w(p) ∑<br />
p<br />
q<br />
sgn h<br />
(q) · w(q)<br />
(<strong>de</strong>t g P |A × Y ) · (<strong>de</strong>t h Q|Y × B),<br />
wobei r die kreuzungsfreien A, B-Verbindungen durchläuft, Y die k-elementigen<br />
Teilmengen von X, und p bzw. q die kreuzungsfreien A, Y - bzw. Y, B-Verbindungen.<br />
□<br />
1 Dabei wird g beliebig aus S Y,A gewählt, liefert aber stets <strong>de</strong>n gleichen Summan<strong>de</strong>n. Warum?<br />
6
Eine <strong>de</strong>r Anwendungen von GESSEL und VIENNOT stellt die Determinanten<br />
von quadratischen Matrizen im durch P (a, b) = ( a<br />
b)<br />
gegebenen PASCALschen<br />
Dreieck P ∈ Z Z ≥0×Z ≥0 in einen engen Zusammenhang mit gewissen A, B-<br />
Verbindungen im Gittergraphen: Sei G = (Z × Z, {(x, y)(x + 1, y), (x, y)(x, y +<br />
1) : x, y ∈ Z}) <strong>de</strong>r nach Nor<strong>de</strong>n und Osten gerichteten Gittergraph. Für a, b ≥ 0<br />
ist <strong>de</strong>r Binomialkoeffizient ( a<br />
b)<br />
gleich <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r (0, −a), (b, −b)-Wege in G,<br />
<strong>de</strong>nn diese Wege entsprechen <strong>de</strong>n Folgen mit genau b − 0 = b Ostschritten und<br />
−b − (−a) = a − b Nordschritten, und davon gibt es ( )<br />
b+(a−b)<br />
b viele. Sind nun<br />
a 1 < . . . < a k und b 1 < . . . < b k und setzen wir A := {(0, −a i ) : i ∈ {1, . . . , k}}<br />
und B := {(b, −b i ) : i ∈ {1, . . . , k}}, so erhalten wir als Wegematrix mit w<br />
konstant 1 gera<strong>de</strong> M((0, −a i ), (b i , −b i )) = ( a i<br />
)<br />
b i<br />
. Wählen wir f(bi ) = a i , so ist<br />
nach Lemma 1 <strong>de</strong>tM = ∑ p kreuzungsfreie A, B-Verbindung sgn f<br />
(p) · w(p). Da<br />
eine kreuzungsfreie A, B-Verbindung p = (σ, (P a ) a∈A ) nur mit σ = f −1 bestehen<br />
kann und sgn f<br />
(f −1 ) = sgn(id A ) = +1 gilt, ist <strong>de</strong>tM tatsächlich die<br />
Anzahl kreuzungsfreier A, B-Verbindungen. Folglich sind die Determinanten<br />
von quadratischen Matrizen im PASCALschen Dreieck nichtnegtaiv.<br />
1.2 Kirchhoffs Matrix-Baum-Satz<br />
Die Inzi<strong>de</strong>nzmatrix N über R eines Multigraphen o<strong>de</strong>r Dimultigraphen G ist<br />
die Matrix aus R V (G)×E(G) mit N(x, e) = 1 falls x Anfangsecke von e ist,<br />
N(x, e) = −1 falls x End- aber nicht Anfangsecke von e ist, und 0 sonst. Die<br />
Inzi<strong>de</strong>nzmatrix von G über Z wird mit I(G) bezeichnet.<br />
Theorem 2 (Matrix-Baum-Satz von Kirchhoff) Sei G = (V, E) ein endlicher zusammenhängen<strong>de</strong>r<br />
Graph, D eine beliebige Orientierung von G und x ∈ V . Dann<br />
besitzt G genau <strong>de</strong>t(I(D)I(D) ⊤ )|(V − {x} × V − {x}) verschie<strong>de</strong>ne Spannbäume.<br />
Beweis. Sei V 0 := V − {x}, k := |V 0 |, und P := I(D)|V 0 × E.<br />
Wir zeigen die Behauptung zunächst für einen Baum G, in<strong>de</strong>m wir induktiv<br />
<strong>de</strong>tP = ±1 beweisen: Für |G| = 1 ist P die leere Matrix und <strong>de</strong>tP = 1, für<br />
|G| > 1 besitzt G ein Blatt v ≠ x, und v inzidiert mit genau einer Kante e von<br />
G. Da P − := P |(V 0 − {v}) × (E − {e}) die Einschränkung <strong>de</strong>r Inzi<strong>de</strong>nzmatrix<br />
<strong>de</strong>r Orientierung D − v <strong>de</strong>s Baumes G − v auf V (G − v) − {x} × E(G − v)<br />
ist, erhalten wir per Induktion <strong>de</strong>tP − = ±1, und Entwicklung von P nach <strong>de</strong>r<br />
v-ten Zeile liefert <strong>de</strong>tP = P (v, e) · <strong>de</strong>tP − = (±1) · (±1) = ±1 wie behauptet.<br />
Kehren wir zurück zum allgemeinen Fall. Mit <strong>de</strong>m Produktsatz von BINET<br />
und CAUCHY ist <strong>de</strong>t(I(D)I(D) ⊤ )|V 0 × V 0 ) = <strong>de</strong>tP P ⊤ = ∑ ⊤<br />
N<br />
<strong>de</strong>tN · <strong>de</strong>tN<br />
= ∑ N (<strong>de</strong>tN)2 , wobei N alle Matrizen P |V 0 × E 0 mit E 0 ⊆ E und |E 0 | = k<br />
durchläuft. Falls <strong>de</strong>r unterliegen<strong>de</strong> Graph G 0 von (V, E 0 ) kein Baum ist, so ist<br />
er nicht zusammenhängend und besitzt daher eine Komponente C, die x nicht<br />
7
enthält. Die Zeilen von N|V (C) × E 0 ergeben in summa 0 und sind daher linear<br />
abhängig, und somit ist <strong>de</strong>tN = 0. Ist dagegen G 0 ein Baum, so ist nach <strong>de</strong>r<br />
Eingangsüberlegung <strong>de</strong>tN = ±1. Da die Spannbäume von G bijektiv <strong>de</strong>n unterliegen<strong>de</strong>n<br />
Graphen G 0 solcher (V, E 0 ) mit E 0 ⊆ E und |E 0 | = k, die selbst<br />
Bäume sind, entsprechen, folgt die Behauptung.<br />
□<br />
Ist N := I(D) die Inzi<strong>de</strong>nzmatrix über Z <strong>de</strong>s Digraphen D = (V, E), so ist<br />
NN ⊤ (x, y) ∈ R V ×V gleich <strong>de</strong>m Grad von x falls y = x, −1 falls V G (e) = {x, y}<br />
für eine Kante e gilt, und 0 sonst. Somit ist bereits die Matrix NN ⊤ , und nicht<br />
nur ihre Determinante, durch G allein bestimmt. Durch Spezialisierung von<br />
Theorem 2 auf G = K n erhält man <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Klassiker von CAYLEY.<br />
Theorem 3 (Satz von Cayley) Es gibt n n−2 Bäume auf {1, . . . , n} (n ≥ 1).<br />
Beweis. Die Behauptung ist offensichtlich richtig für n = 1. Sei jetzt D eine Orientierung<br />
<strong>de</strong>s vollständigen Graphen K n , n ≥ 2. X := I(D)I(D) ⊤ |(V − {n} ×<br />
V − {n}) ist auf <strong>de</strong>r Hauptdiagonalen n − 1 und sonst −1. Zur Berechnung von<br />
<strong>de</strong>tX ersetzen wir die erste Zeile durch die Summe aller an<strong>de</strong>ren und addieren<br />
sie dann zu je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren. Das Resultat trägt 1 in <strong>de</strong>r ersten Zeile und sonst n<br />
in <strong>de</strong>r Hauptdiagonalen und 0 außerhalb davon, und hat daher, wie auch X,<br />
Determinante n n−2 . Theorem 2 liefert die Behauptung.<br />
□<br />
Die Anzahl <strong>de</strong>r maximalen Wäl<strong>de</strong>r eines Graphen G wird auch Komplexität von<br />
G genannt und hier mit τ(G) bezeichnet.<br />
1.3 Elektrische Netzwerke<br />
Sei D ein Digraph und I(D) seine Inzi<strong>de</strong>nzmatrix. Der von <strong>de</strong>n Spalten von<br />
I(D) ⊤ erzeugte Teilvektorraum von R E(D) ist <strong>de</strong>r Schnittraum von D, sein Orthogonalraum<br />
ist <strong>de</strong>r Zyklenraum von D. Die Konzepte von Zyklen- und Schnittraum<br />
wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r algebraischen Topologie verallgemeinert und sind dort<br />
von fundamentaler Be<strong>de</strong>utung.<br />
Die Dimension <strong>de</strong>s Schnittraums ist gleich <strong>de</strong>m Rang von I(D) und damit<br />
|V (D)| − |C(D)| (für g ∈ R V (D) ist nämlich g ∈ KernI(D) ⊤ genau dann, wenn<br />
g(x) − g(y) = 0 für je<strong>de</strong> Kante xy ∈ E(D) gilt, wenn also g auf je<strong>de</strong>r Komponente<br />
von D konstant ist — daher ist dim KernI(D) ⊤ = |C(D)|). Die Dimension<br />
<strong>de</strong>s Zyklenraums ist folglich |E(D)| − |V (D)| + |C(D)|.<br />
Dimension von Schnitt- und Zyklenraum hängen folglich nur von D ab, und<br />
ähnlich verhält es sich mit vielen weiteren in diesem Kontext entwickelten Begriffen.<br />
Dennoch hat sich die Betrachtung von gerichteten Graphen hier durchgesetzt<br />
— man betrachte nur <strong>de</strong>n eleganten Beweis <strong>de</strong>s KIRCHHOFFschen Satzes<br />
im vorangegangenen <strong>Kapitel</strong>.<br />
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