22.10.2014 Aufrufe

eine Checkliste für Gewerkschaften - UNI Global Union

eine Checkliste für Gewerkschaften - UNI Global Union

eine Checkliste für Gewerkschaften - UNI Global Union

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

18. <strong>UNI</strong> Europa-Regionalvorstand<br />

Brüssel, 29. und 30. Mai 2013<br />

Punkt 3:<br />

Für <strong>eine</strong> wirtschaftspolitische Steuerung, die<br />

demokratisch und sozial verantwortlich ist: <strong>eine</strong><br />

<strong>Checkliste</strong> <strong>für</strong> <strong>Gewerkschaften</strong><br />

Verabschiedet durch den <strong>UNI</strong> Europa Regionalvorstand im Rahmen s<strong>eine</strong>r Sitzung<br />

am 29. und 30. Mai 2013 in Brüssel<br />

<strong>UNI</strong> Europas aktive Unterstützung des Prozesses der europäischen Integration hängt<br />

davon ab, dass die Europäische <strong>Union</strong> nicht lediglich auf ein Binnenmarktprojekt und auf<br />

<strong>eine</strong> Freihandelszone reduziert wird. <strong>UNI</strong> Europa kämpft <strong>für</strong> ein Europa, das wieder zu<br />

<strong>eine</strong>m Europa des demokratischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts wird. Bei der<br />

EU geht es darum, Mitgliedstaaten zusammenwachsen zu lassen, und nicht darum <strong>eine</strong>n<br />

Konkurrenzkampf zwischen ihnen zu entfachen.<br />

Als GewerkschafterInnen fordern wir <strong>eine</strong> sozial verantwortliche und demokratische<br />

wirtschaftspolitische Steuerung in der EU, <strong>eine</strong> Wirtschaftspolitik, die darauf abzielt, die<br />

Lebens- und Arbeitsbedingungen <strong>für</strong> alle, aber insbesondere <strong>für</strong> schlecht bezahlte<br />

ArbeitnehmerInnen zu verbessern, sei es in Luxemburg oder Bulgarien, Deutschland oder<br />

Griechenland. Das vorrangige Ziel wirtschaftspolitischer Steuerung in der EU muss es<br />

daher sein, <strong>eine</strong> Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie der Einkommens- und<br />

Beschäftigungssituation anzustreben, ohne sich in die nationalen Systeme der sozialen<br />

Absicherung, Lohnfestsetzung und Tarifverhandlungen einzumischen.<br />

Im Gegensatz dazu geht es bei dem gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Ansatz der EU<br />

lediglich um die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und um die<br />

Beseitigung wirtschaftlicher Ungleichgewichte durch die Absenkung sozialer und<br />

arbeitsrechtlicher Standards - insbesondere in den Ländern, die als „leistungsschwach“<br />

abgestempelt werden. <strong>Gewerkschaften</strong> und Tarifautonomie sehen sich schweren<br />

Angriffen ausgesetzt, als seien diese <strong>für</strong> die Krise und die Funktionsmängel der<br />

Wirtschafts- und Währungsunion verantwortlich.<br />

Eine solche Vorgehensweise ist weder hinnehmbar noch nachhaltig. Sie ist ein Angriff auf<br />

die <strong>Gewerkschaften</strong> und die Rechte der ArbeitnehmerInnen. Hierdurch wird <strong>eine</strong><br />

Abwärtsspirale des Sozialdumpings in Gang gesetzt die zur Verarmung der<br />

ArbeitnehmerInnen und ihrer Familien führt. Sie führt sogar zur Entmündigung der<br />

Parlamente, indem sie ohne wirksame Kontrollmechanismen die Macht auf die<br />

Europäische Kommission, die nationalen Regierungen und die Europäische Zentralbank<br />

konzentriert. Darüber hinaus stellt diese Vorgehensweise eindeutig <strong>eine</strong>n Verstoß gegen<br />

die Bestimmungen des Vertrags über die Europäische <strong>Union</strong> dar (Titel I – Gemeinsame<br />

Bestimmungen). Dieser Vertrag stellt unmissverständlich fest, dass das vorrangige Ziel<br />

18. Sitzung des <strong>UNI</strong> Europa-Regionalvorstandes – Brüssel, 29. und 30. Mai 2013<br />

Punkt 3 – Wirtschaftspolitische Steuerung – Seite 1


der EU, und folglich auch der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU, die Verbesserung<br />

der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen durch Förderung von Vollbeschäftigung und<br />

sozialem Fortschritt ist.<br />

<strong>UNI</strong> Europa fordert die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten auf, dringend den<br />

aktuellen Rahmen <strong>für</strong> die wirtschaftspolitische Steuerung neu zu frassen. Damit zwischen<br />

der wirtschaftlichen und der sozialen Dimension der EU wieder ein Gleichgewicht<br />

hergestellt werden kann, muss ein Prioritätenwechsel erfolgen. Der Kostenwettlauf muss<br />

ersetzt werden durch <strong>eine</strong>n Wettstreit um die Qualität der produzierten Dienstleistungen<br />

und Güter. Die Beachtung dieses Grundsatzes muss als Voraussetzung <strong>für</strong> nachhaltiges<br />

Wachstum angesehen werden und garantiert die Schaffung verlässlicher Beschäftigung<br />

sowie Investitionen in qualifizierte Arbeitskräfte. Insbesondere bekräftigt <strong>UNI</strong> Europa<br />

s<strong>eine</strong>n Widerstand gegen die gegenwärtig debattierten Vorschläge <strong>für</strong> bindende<br />

vertragliche Vereinbarungen zwischen der Europäischen Kommission und den<br />

Mitgliedstaaten. Derartige Vereinbarungen sind nicht nur undemokratisch, sondern auch<br />

ein Mittel, um <strong>eine</strong> wirkungslose Sparpolitik festzuschreiben.<br />

Die Institutionen und Regierungen der EU müssen das Abgleiten in <strong>eine</strong> sozial<br />

unverantwortliche und undemokratische wirtschaftspolitische Steuerung stoppen!<br />

Die Entscheidungsträger müssen innovative Lösungen entwickeln, um die Hilflosigkeit zu<br />

überwinden, die aktuell das Festhalten an <strong>eine</strong>m fehlgeschlagenen neoliberalen<br />

Paradigma begründet.<br />

Für <strong>eine</strong> sozial verantwortungsvolle, demokratische wirtschaftspolitische<br />

Steuerung:<br />

Wir stellen uns vehement gegen ein Konzept der wirtschaftspolitischen Steuerung in der<br />

EU, das neoliberale Politik mit unehrlichen „Plazebomaßnahmen“ in Fragen der Sozialund<br />

Arbeitsmarktpolitik garniert. Das eigentliche Ziel wirtschaftspolitischer Steuerung<br />

muss die Sicherung von nachhaltigem Wachstum und Vollbeschäftigung mit<br />

menschenwürdigen Arbeitsplätzen, Arbeitsbedingungen, Löhnen und Lebensstandards<br />

<strong>für</strong> alle sein. Exzessive Sparmaßnahmen sind unvereinbar mit diesem Engagement <strong>für</strong><br />

sozialen Fortschritt; sie müssen beendet werden.<br />

Für die Mitgliedsorganisationen von <strong>UNI</strong> Europa, die mehr als 7 Millionen<br />

ArbeitnehmerInnen vertreten, stecken die folgenden 12 Punkte <strong>eine</strong>n Rahmen <strong>für</strong> <strong>eine</strong><br />

sozial verantwortungsvolle und demokratische wirtschaftspolitische Steuerung ab, mit der<br />

die grundlegenden Ziele der EU, nämlich sozialer und wirtschaftlicher Fortschritt, erreicht<br />

werden können.<br />

Wirtschaftspolitik im Dienste der Gesellschaft<br />

1. Bekämpfung von Ungleichgewichten in sozialverträglicher Weise<br />

Wirtschaftspolitische Steuerung muss sich mit wirtschaftspolitischen<br />

Ungleichgewichten zwischen den Mitgliedstaaten und im Vergleich zum Rest der Welt<br />

auseinandersetzen, diese vermindern und <strong>für</strong> die Zukunft verhindern. Sowohl Länder<br />

mit Handelsbilanzdefiziten, als auch jene mit Überschüssen müssen <strong>eine</strong>n fairen<br />

Beitrag leisten, letztere nicht zuletzt durch die Förderung von privatem und<br />

öffentlichem Konsum und von Importen.<br />

2. Förderung der Binnennachfrage nach qualitativ hochwertigen Dienstleistungen<br />

Die Aufmersamkeit der Entscheidungsträger muss <strong>eine</strong>r hohen Binnennachfrage und<br />

<strong>eine</strong>m lokal verankerten Dienstleistungssektor gelten. Diese bieten die Grundlage <strong>für</strong><br />

nachhaltige internationale Wettbewerbsfähigkeit, in dem sie die künftigen Bedürfnisse<br />

der Bürger befriedigen und das europäische Sozialmodell bewahren.<br />

18. Sitzung des <strong>UNI</strong> Europa-Regionalvorstandes – Brüssel, 29. und 30. Mai 2013<br />

Punkt 3 – Wirtschaftspolitische Steuerung – Seite 2


3. Förderung von sozialen Investitionen<br />

Es bedarf <strong>eine</strong>s umfassenden, in die Zukunft gerichteten EU-Wiederaufbau- und<br />

Investitionsprogramms <strong>für</strong> Wachstum, Beschäftigung und menschenwürdige Arbeit mit<br />

<strong>eine</strong>m Volumen von etwa 1 bis 2 Prozent des BIP der EU. Ein solches Programm<br />

sollte insbesondere jenen Bevölkerungsgruppen zugutekommen, die am stärksten von<br />

der Krise, von Arbeitslosigkeit und schlechten Arbeitsbedingungen betroffen sind:<br />

junge Menschen, Frauen, Menschen mit Behinderung und Migranten. Der vom DGB<br />

vorgelegte „Marshall-Plan <strong>für</strong> Europa“ stellt ein wirkungsvolles Modell <strong>für</strong> ein solches<br />

Projekt dar.<br />

4. Schaffung <strong>eine</strong>r fairen und nachhaltigen Grundlage <strong>für</strong> öffentliche Finanzen<br />

Die steuer- und finanzpolitische Situation der Mitgliedsstaaten der EU muss nachhaltig<br />

sein. Ein wichtiges Element hierbei ist die Gewährleistung ausreichender öffentlicher<br />

Einnahmen, insbesondere durch die Verbreiterung der steuerlichen<br />

Einkommensbasis, um alle Arten von Einkommen und Vermögen in gerechter Weise<br />

zu erfassen.<br />

5. Beendigung des Steuer-Wettstreits<br />

Es bedarf <strong>eine</strong>s rechtlichen Rahmens, der den exzessiven steuerlichen Wettbewerb<br />

beendet und Steuerbetrug und Steuerflucht bekämpft. Die Bemessungsgrundlage der<br />

Körperschaftssteuer und die Mindeststeuersätze <strong>für</strong> Unternehmen sollten harmonisiert<br />

werden, möglicherweise durch die Einführung <strong>eine</strong>s Mindeststeuersatzes von 25%,<br />

dem gegenwärtigen Durchschnittssteuersatz in Europa.<br />

Soziale Verantwortung<br />

6. Schutz der sozialen Rechte<br />

Die sozialen Grundrechte der ArbeitnehmerInnen und <strong>Gewerkschaften</strong> dürfen rechtlich<br />

nicht den Freiheiten des Binnenmarktes, dem Wettbewerbsrecht und den<br />

Sparmaßnahmen untergeordnet werden – weder durch das Gesetz, noch durch<br />

Bedingungen, die an EU-Finanzhilfen geknüpft werden. Die Vielfalt der nationalen<br />

Systeme der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern muss respektiert werden.<br />

7. Beendigung der Angriffe auf ArbeitnehmerInnen und <strong>Gewerkschaften</strong><br />

Das EU-Recht muss juristisch durchsetzbare Garantien enthalten, die <strong>eine</strong> EU-Politik<br />

und Maßnahmen gegen Mitgliedstaaten – einschließlich länderspezifischer<br />

Empfehlungen – verhindern, welche:<br />

• <strong>eine</strong>n Abwärtstrend bei Löhnen, Arbeitsbedingungen, Sozialausgaben, Standards<br />

der sozialen Sicherung, Steuern und Umwelt schaffen;<br />

• die Rechte der ArbeitnehmerInnen und <strong>Gewerkschaften</strong> unterminieren;<br />

• in die Autonomie der Sozialpartner und die Tarifautonomie eingreifen.<br />

Dies erstreckt sich auch auf außerrechtliche Regelungen wie die „Troika“ von EU, EZB<br />

und IWF, politische Eingriffe der EU-Institutionen oder die vorgeschlagenen<br />

„vertraglichen Regelungen“.<br />

8. Schaffung <strong>eine</strong>s durchsetzbaren Rechtsrahmens <strong>für</strong> die Rechte der Sozialpartner<br />

Die EU, und die Kommission im Besonderen, müssen rechtlich verpflichtet werden,<br />

aktive menschenwürdige Arbeit und Beschäftigungsbedingungen, ArbeitnehmerInnenund<br />

Gewerkschaftsrechte sowie die Tarifautonomie und den Sozialen Dialog auf allen<br />

Ebenen zu fördern und zu schützen. Das Prinzip der Gleichbehandlung muss <strong>für</strong> alle<br />

ArbeitnehmerInnen gelten.<br />

18. Sitzung des <strong>UNI</strong> Europa-Regionalvorstandes – Brüssel, 29. und 30. Mai 2013<br />

Punkt 3 – Wirtschaftspolitische Steuerung – Seite 3


9. Bekämpfung von Sozialdumping<br />

Länderübergreifendes Sozialdumping muss gestoppt werden. Es bedarf dringendst<br />

<strong>eine</strong>s europäischen Rechtsrahmens, der es Unternehmen effektiv unmöglich macht<br />

die Freiheiten des Binnenmarktes zu missbrauchen um ArbeitnehmerInnen<br />

auszubeuten und rechtmäßig handelnde ArbeitgeberInnen aus dem Markt zu drängen.<br />

10. Definition sozialer Benchmarks<br />

Der Rahmen der wirtschaftspolitischen Steuerung muss die Festlegung und<br />

Einhaltung struktureller sozialer Indikatoren sowie Benchmarks <strong>für</strong> <strong>eine</strong> aktive<br />

Arbeitsmarktpolitik beinhalten. Eine sozial verantwortungsvolle Entscheidungsfindung<br />

erfordert, dass die gegenwärtige Praxis der Bewertung politischer Maßnahmen auf der<br />

Grundlage <strong>eine</strong>s rein ökonomischen Scoreboards ergänzt wird um ein soziales<br />

Scoreboard gleicher Gewichtung.<br />

Demokratische Rechenschaftspflicht<br />

11. Integration des Sozialen Dialogs in die wirtschaftspolitische Steuerung<br />

Die <strong>Gewerkschaften</strong> müssen auf allen Ebenen in verpflichtender und umfassender<br />

Weise in die wirtschaftspolitische Steuerung einbezogen werden. Dies betrifft<br />

insbesondere Entscheidungen hinsichtlich neuer Instrumente und Befugnisse der<br />

wirtschaftspolitischen Steuerung der EU und den Inhalt länderspezifischer<br />

Empfehlungen. Hierbei muss es die Verpflichtung geben, dass:<br />

• die nationalen Regierungen und Sozialpartner über soziale Entwicklungen, den<br />

Sozialen Dialog und die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern sowie über<br />

Verstöße gegen Arbeitsschutznormen berichten;<br />

• länderspezifische Empfehlungen mit den Sozialpartnern auf nationaler Ebene<br />

verhandelt werden.<br />

12. Bekräftigung der Rechte der Parlamente<br />

Die wirtschaftspolitische Steuerung der EU hat tiefgreifende Auswirkungen auf die<br />

Politik der EU-Mitgliedstaaten und zweifellos auf das Leben der BürgerInnen und<br />

ArbeitnehmerInnen. Entscheidungen müssen demokratisch getroffen werden. Dies<br />

erfordert die umfassende Beteiligung des Europäischen Parlaments und der<br />

nationalen Parlamente, insbesondere dann, wenn bestimmte EU-Empfehlungen und<br />

Aktionen gegenüber Mitgliedstaaten mit der Androhung von Sanktionen durchgesetzt<br />

werden. Entscheidungsprozesse, die lediglich die Kommission und nationale<br />

Regierungen einbeziehen, mangelt es an ausreichender demokratischer Legitimität;<br />

dies gilt besonders <strong>für</strong> die aktuell diskutierten „vertraglichen Vereinbarungen“<br />

zwischen der Kommission und <strong>eine</strong>m Mitgliedstaat.<br />

Die Änderung des Rahmens der wirtschaftspolitischen Steuerung muss einhergehen mit<br />

<strong>eine</strong>r proaktiven EU-Politik, um die derzeitige Krise anzupacken und zu überwinden und<br />

den EU-Vertrag so zu ändern, dass s<strong>eine</strong> soziale Dimension ebenso viel Gewicht erhält<br />

wie die wirtschaftliche. Der „Sozialpakt <strong>für</strong> Europa“ des EGB bietet hierbei <strong>eine</strong> breite<br />

Grundlage, um ein wahrhaft soziales Europa zu gestalten.<br />

18. Sitzung des <strong>UNI</strong> Europa-Regionalvorstandes – Brüssel, 29. und 30. Mai 2013<br />

Punkt 3 – Wirtschaftspolitische Steuerung – Seite 4

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!