Heft 3/2007 - UniversitätsVerlagWebler
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Leitung von Hochschulen und deren Untergliederungen<br />
HM<br />
Das „Dilemma des Dilemmata-Managements“ zeigt sehr<br />
eindrucksvoll die Grenzen einer reflexiven Führung auf: Organisationstheoretisch<br />
inspirierte und informierte Reflexivität<br />
kann Hochschulmanagern helfen, ein zu enges Verständnis<br />
von Management zu erkennen. Dies erleichtert die<br />
Überwindung eines Denkens in einfachen deterministischen<br />
Modellen. Doch bleibt die Kontingenz von Managementhandeln<br />
nicht hintergehbar. Reflexivität liefert<br />
keinen Ausweg aus konkreten Entscheidungsproblemen.<br />
Das bedeutet, dass solche Führungskräfte in Hochschulen,<br />
die nicht über einen organisationstheoretischen Hintergrund<br />
verfügen, aber dafür reichhaltige Erfahrungen mit<br />
vielfältigen Mustern des Umgangs mit dilemmatischen Situationen<br />
erworben haben, mindestens genauso gute Entscheidungen<br />
treffen können wie organisationstheoretisch<br />
geschulte Hochschulmanagerinnen oder -manager. Dies<br />
wird gerade mit Blick auf die verschiedenen Möglichkeiten<br />
des Umgangs mit Dilemmata deutlich. Ignoranz von Dilemmata<br />
kann für Organisationen Komplexität reduzieren und<br />
Erwartungssicherheit schaffen. Ein reflexiver Umgang mit<br />
Dilemmata kann dagegen im Extremfall zu hochgradigen<br />
Verunsicherungen der Akteure führen und etablierte Handlungsmuster<br />
und Rollenmodelle destabilisieren.<br />
6. Perspektiven eines Dilemmata-Managements<br />
an Hochschulen in Forschung und<br />
Praxis<br />
Das gerade skizzierte Ergebnis ist für die Frage nach der Relevanz<br />
von Managementforschung auf den ersten Blick<br />
ernüchternd. 5<br />
Dies ändert sich aber, wenn sich der Blick nicht allein auf<br />
die einzelne Führungskraft, sondern auf die Organisation<br />
als Ganzes richtet. Werden in die Analyse und Reflexion<br />
von scheinbar und tatsächlich widersprüchlichen Anforderungen<br />
viele Organisationsmitglieder einbezogen, ermöglicht<br />
dies ein organisationales Lernen und kann dazu<br />
führen, dass etablierte Handlungsmuster und Rollenmodelle<br />
hinterfragt und als wandelbar identifiziert werden, ohne<br />
dass dies eine desorientierende und damit destabilisierende<br />
Wirkung auf die Organisation hat.<br />
Darüber hinaus hilft reflexives Management auch bei der<br />
Entwicklung von Wertschätzung für Komplexität, Konflikte<br />
und Widersprüche. Stefan Kühl bringt dies auf den Punkt:<br />
„Eine Organisation ohne Paradoxe, Dilemmata und Widersprüche<br />
stände still, hätte keine Gründe sich auseinanderzusetzen<br />
und verkäme zu einer Maschine“ (Kühl 1998, S.<br />
319). In diesem Sinne wird zwar die reflexive Führungskraft<br />
nicht unbedingt besser in ihrem Handeln, doch die Reflexion<br />
stabilisiert ein besseres Verständnis der Organisation<br />
und verhindert Frustrationen, wenn sich Situationen entgegen<br />
der Erwartung und Überzeugung von ihrer Lösbarkeit<br />
schlichtweg keiner Lösung zuführen lassen.<br />
Der Gefahren zu großer Reflexivität sollten sich Hochschulmanagerinnen<br />
und -manager allerdings immer bewusst<br />
bleiben. Denn es ist die Organisation und nicht die<br />
Reflexionsfähigkeit der Hochschulleitung, die das Tempo<br />
von Veränderungsprozessen vorgibt.<br />
Daraus ergeben sich auch interessante Perspektiven für die<br />
Hochschulmanagementforschung – insbesondere im Hinblick<br />
auf den empirischen Stand der Dilemmata-Verarbeitung<br />
in Hochschulen. Relevante Forschungsfragen in diesem<br />
Zusammenhang sind:<br />
• Wie werden Dilemmata des Hochschulmanagements<br />
durch Führungskräfte wahrgenommen? Wie gehen sie mit<br />
Dilemmata um? Welche der Umgangsformen nach Kühl<br />
(1998) dominieren?<br />
• Wie werden innerhalb der Hochschule Dilemmata wahrgenommen<br />
und verarbeitet? Gibt es Unterschiede bei<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im wissenschaftlichen<br />
und nicht-wissenschafltichen Bereich? Welche Erwartungshaltung<br />
wird Führungskräften im Hinblick auf den<br />
Umgang mit Dilemmata entgegengebracht?<br />
• Wie sehen Entwicklungsstufen eines organisationalen<br />
Lernens durch Dilemmata in Hochschulen aus? Gibt es<br />
hierbei signifikante Unterschiede zwischen Hochschulen?<br />
5 Diese Debatte wird derzeit in der deutschen Betriebswirtschaftslehre sehr<br />
intensiv in der Sorge geführt, dass die Managementforschung zwar immer<br />
strengeren methodologischen Anforderungen (methodische „rigor“) gehorcht,<br />
zunehmend aber immer weniger Relevanz für die Managementpraxis<br />
besitzt – so hatte die Jahrestagung des Verbandes der Hochschullehrer<br />
für Betriebswirtschaftslehre <strong>2007</strong> das Leitthema „rigor versus relevance“.<br />
Dilemmata bleiben mithin trotz ihrer strukturellen Nicht-<br />
Auflösbarkeit ein Thema nicht nur für Hochschulmanagementpraktiker,<br />
sondern auch fürHochschulmanagementforscher.<br />
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66 HM 3/<strong>2007</strong>