Interview mit Roger Schawinski - UnternehmerZeitung
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10<br />
WIRTSCHAFT<br />
«Das Gros der besten SRG-<br />
Journalisten hat bei mir gelernt»<br />
Medienpionier <strong>Roger</strong> <strong>Schawinski</strong> ist auch <strong>mit</strong> 64 kein Freund leiser Töne: Mit Radio1 will er –<br />
Wirtschaftskrise hin oder her – ganz nach oben. Im <strong>Interview</strong> spricht er über die Ineffizienz der SRG,<br />
habgierige Verleger und warum man heute im Pensionsalter noch lange kein alter Sack ist.<br />
<strong>Interview</strong>: Oliver Wietlisbach<br />
Herr <strong>Schawinski</strong>, Sie haben das «Radio nur<br />
für Erwachsene» erfunden. Das könnte man<br />
auch falsch verstehen...<br />
Nein, das ist ein sehr guter Name. Der Begriff<br />
Erwachsene wurde von den andern Radios<br />
nicht genutzt, weil alle auf jung machen wollten.<br />
Die meisten Menschen wollen aber weder<br />
als Jugendliche noch als Alte angesprochen<br />
werden, sondern eben als Erwachsene.<br />
Warum machen Sie wieder Radio?<br />
Radio war immer eine Leidenschaft von mir.<br />
Die Idee, nochmals Radio zu machen, hatte ich<br />
an dem Tag, als ich sah, dass neue Konzessionen<br />
verteilt werden. Das war eine historisch<br />
einmalige Chance und es hat mich sofort wieder<br />
gepackt. Ich wollte nochmals Radio machen,<br />
aber auf eine andere Art und Weise.<br />
Wenn Sie sagen aus Leidenschaft, machen<br />
Sie dann Radio fürs Publikum oder doch<br />
eher, weil es Sie einfach reizt wieder am<br />
Mikrofon zu sein?<br />
Sie haben es erfasst. Der echte Grund ist, dass<br />
ich selbst sehr gerne Radio mache. Darum leiste<br />
ich mir nun dieses relativ teure Spielzeug.<br />
Laut Hörerstatistik wird Radio1 seinem Namen<br />
nicht gerecht. In der Hörergunst liegt<br />
es abgeschlagen auf Platz 15, gerade noch<br />
vor Radio Berner Oberland.<br />
Erstens sind wir in einem anderen Markt. Wir<br />
haben im Gegensatz zu den meisten Privatradios<br />
in Zürich mehrere Konkurrenten. Zweitens<br />
haben wir ein viermal kleineres Sendegebiet<br />
als unsere Konkurrenten in Zürich. Und<br />
drittens sind wir erst seit anderthalb Jahren auf<br />
Sendung. Da sich gerade beim Radio die Hörgewohnheiten<br />
nur sehr langsam ändern, sind<br />
wir sehr gut unterwegs.<br />
Sie haben bereits einen hohen einstelligen<br />
Millionenbetrag aus der Privatkasse in Radio1<br />
gesteckt. Wo liegt die Schmerzgrenze?<br />
Eine Grenze ist überhaupt nicht festgelegt. Ich<br />
glaube ganz stark an den Erfolg. Sobald die Wirtschaft<br />
wieder anzieht und wir, wie vom Bundesrat<br />
beschlossen, das fünfmal grössere Sendegebiet<br />
erhalten, werden wir ganz oben <strong>mit</strong>spielen.<br />
Den Streit <strong>mit</strong> Radio Energy um die UKW-<br />
Frequenz haben Sie gewonnen. Hat klassisches<br />
Radio im Internet Zeitalter aber überhaupt<br />
noch Zukunft?<br />
UKW wird noch über eine sehr lange Zeit der<br />
wichtigste Verbreitungskanal bleiben. Alle anderen<br />
Technologien haben sich nicht durchgesetzt.<br />
Sämtliche Sender, die nur über Kabel<br />
verbreitet werden, sind ein Misserfolg. Das Jugendradio<br />
Virus der SRG beispielsweise hat<br />
nach zehn Jahren 0.2 Prozent Marktanteil. Ohne<br />
UKW-Frequenz geht es einfach nicht. Auch die<br />
seit 15 Jahren gepriesene Idee des digitalen Radios<br />
(DAB) hat sich zerschlagen.<br />
Die Frage war, ob sich klassisches Radio gegenüber<br />
dem Internet behaupten kann. Junge<br />
Leute kaufen sich doch kein UKW-Radio<br />
mehr, wenn sie über Internet viel mehr Sender<br />
hören können.<br />
Für ein ganz junges Publikum mag das zutreffen,<br />
aber wir sprechen diese Zielgruppe ja gar<br />
nicht an. Internet ist eine neue Verbreitungsform,<br />
die wir natürlich auch einsetzen. Wer uns<br />
heute im Büro hört, hat die Wahl zwischen<br />
UKW, Kabel und Internet.<br />
Sie waren Journalist, Unternehmer und Manager.<br />
Was ist besser?<br />
Das wäge ich nicht gegeneinander ab. Ich war<br />
sehr gerne Manager bei Sat1, als erster Schweizer<br />
in dieser Position und auch richtig erfolgreich.<br />
Nach einer gewissen Zeit habe ich aber<br />
gemerkt, dass ich lieber Unternehmer bin. Mich<br />
einzuordnen in einem Grosskonzern, in dem<br />
dermassen viele Leute <strong>mit</strong>reden, ist mir auf die<br />
Länge verleidet.<br />
Kann man die Doppelrolle als Journalist<br />
und Unternehmer unter einen Hut bringen?<br />
Ich glaube schon. Im Gegensatz zu gewissen Verlegern,<br />
die nur dem Geld nachjagen, stehen bei<br />
mir die journalistischen Kriterien immer an erster<br />
Stelle. Da ich über die Mittel bestimmen<br />
kann, habe ich auch viel mehr Möglichkeiten,<br />
um die journalistische Qualität sicherzustellen.<br />
Sie sind heute Inhaber, Programmleiter und<br />
sitzen im Verwaltungsrat von Radio1.<br />
Klar, ich bin auch VR-Präsident, wer soll denn<br />
das sonst sein?<br />
Die Personalunion von CEO und VR-Präsident<br />
gilt als Auslaufmodell.<br />
Wir sind aber ein Kleinunternehmen, mein Vermögen<br />
steckt da drin und ich trage die ganze<br />
Verantwortung. Da ich auch nach langer Suche<br />
niemanden in der Schweiz gefunden habe,<br />
der im Bereich Radio und Fernsehen mehr<br />
Erfahrung hat, ist es wahrscheinlich keine<br />
schlechte Idee, wenn ich das mache.<br />
Das klingt ganz nach einem Patron alter<br />
Schule.<br />
Ich weiss nicht, was ein typischer KMU-Patron<br />
ist.<br />
Jemand, der lieber die Fäden alleine in der<br />
«Dass die SRG <strong>mit</strong> politischen<br />
Sendungen ein Informationsmonopol<br />
hat, ist ein Skandal.»<br />
Hand hält und keine Nebenbuhler duldet.<br />
Aja, also ich pflege einen sehr kooperativen<br />
Führungsstil. Ich bin nicht jemand, der anderen<br />
laufend sagt, was richtig und falsch ist. Ich<br />
entziehe mich nicht der Kritik, wenn ich selbst<br />
Sendungen mache. Ich versuche auch Vorbild<br />
zu sein. Viele Journalisten sind zu mir gekommen,<br />
weil sie von mir lernen wollten. Ein grosser<br />
Teil der fähigsten Leute bei der SRG hat die<br />
Ausbildung bei mir absolviert.<br />
Stimmt es, dass Sie jeden einzelnen Titel, der<br />
über den Sender läuft, persönlich absegnen?<br />
Das habe ich am Anfang tatsächlich so gemacht,<br />
allerdings zusammen <strong>mit</strong> der Musikredaktion.<br />
Ich hatte ein Bild vom Radio, wie es klingen<br />
sollte, habe allerdings gemerkt, dass dies so<br />
nicht ganz optimal funktioniert.<br />
Weil Sie Radio für sich selber machten?<br />
Genau, und eigentlich sollte man ja Radio für<br />
die Hörer machen. Wenn wir Songs spielen, die<br />
mir gefallen, den Hörern aber nicht, ist dies viel-
Nr. 10 – 2009<br />
11<br />
Bild: m. jorquera<br />
<strong>Roger</strong> <strong>Schawinski</strong>s grosse Leidenschaft heisst Radio: «Solange ich nicht stammle am Mikrofon und all die Knöpfe drücken kann, mache ich weiter Sendungen.»
12<br />
WIRTSCHAFT<br />
leicht nicht wirklich sinnvoll. Darum haben wir<br />
eine Hörerbefragung gemacht. Die meisten von<br />
uns ausgewählten Songs kommen gut an, aber<br />
wenn ein Lied, das mir gefällt, nur bei 20 Prozent<br />
der Hörer auf Zustimmung stösst, macht<br />
es keinen Sinn, es weiter zu spielen.<br />
Sie müssen nun also über Ihren Schatten<br />
springen, wenn die Musikredaktion Songs<br />
auswählt, die Ihnen nicht gefallen?<br />
Es gibt Titel, die ich nicht so optimal finde, natürlich.<br />
Ich glaube aber, das ist auch richtig so.<br />
Marktforschung spielt heute eine sehr grosse<br />
Rolle bei allen Medien. Beim Fernsehen steht<br />
Marktforschung noch weit mehr im Vordergrund.<br />
Hätte ich bei Sat1 nur Sendungen gespielt,<br />
die ich schauen will, wäre dies kaum erfolgreich<br />
gewesen.<br />
Weil es beim Fernsehen immer um die Quote<br />
geht, die über Erfolg und Misserfolg bei<br />
den Werbekunden entscheidet.<br />
Das gilt für alle Medien. Wenn der Zeitungsartikel<br />
nicht interessant ist, wird er nicht gelesen.<br />
Entscheidend ist es, ein Konzept zu haben,<br />
hinter dem ich stehen kann. Das ist bei Radio1<br />
der Fall. Sat1 hingegen ist ein Sender für die<br />
ganz breite Masse, da gab es auch Sendungen,<br />
die ich mir nie so richtig angeschaut habe, die<br />
aber beim Publikum sehr gut ankamen. Mit Radio1<br />
mache ich ein Produkt, das ich selber hören<br />
möchte.<br />
Was macht Radio1 besser als Radio DRS?<br />
Ich würde nicht behaupten es besser zu machen.<br />
DRS ist seit Jahren etabliert und hat viel<br />
mehr Mittel und Möglichkeiten. Sie haben eine<br />
180-köpfige Nachrichtenredaktion, da können<br />
wir nicht voll dagegen halten. Ich glaube aber,<br />
wir sind viel schneller und direkter. Ich habe<br />
Radio1 als Live-Medium neu konzipiert, das<br />
nicht alles ab Konserve sendet, das Breaking<br />
News liefert und persönlich ist.<br />
Brauchen wir öffentlich-rechtliches Radio<br />
und Fernsehen?<br />
Ich möchte öffentlich-rechtliche Sender nicht<br />
grundsätzlich in Frage stellen, denke aber, die<br />
Möglichkeiten der SRG sind so gross, dass dort<br />
Ineffizienzen einfach toleriert werden, weil sie<br />
finanzierbar sind. An der Spitze der SRG stehen<br />
Leute, die gar keine Ahnung vom Medium<br />
haben.<br />
Weil sie aus politischem Kalkül bestimmt<br />
werden?<br />
Ja klar. Armin Walpen ist Jurist. Ich habe Sendungen<br />
konzipiert, entwickelt und moderiert.<br />
Ich habe ganze Sender aufgebaut und geleitet<br />
und verfüge über einen journalistischen Background.<br />
So kann man völlig anders <strong>mit</strong> dem Medium<br />
umgehen, als dies die heutige Führung<br />
der SRG kann.<br />
«Radio ist dermassen schnell, das entspricht<br />
meinem Temperament.»<br />
Sie sind ein Verfechter privater Medien. Was<br />
ist schlecht an einer starken SRG, die sich<br />
gegen die weit potenteren, ausländischen<br />
Medienkonzerne behaupten muss. Braucht<br />
es nicht einen starken Schweizer Sender?<br />
Erstens: Mit dieser These können Sie sich sofort<br />
als Pressesprecher bei der SRG bewerben.<br />
Zweitens: Ich habe mich nicht gegen eine starke<br />
SRG gestellt, wir brauchen aber auch beim<br />
Fernsehen Konkurrenz. Mittlerweile ist die<br />
Schweiz das einzige Land weltweit, das nur<br />
ein einziges landesweites Fernsehen <strong>mit</strong> nationalen<br />
Informationen hat. Ausgerechnet beim<br />
Leitmedium Fernsehen haben wir ein Informationsmonopol,<br />
was absolut undemokratisch<br />
ist. Hätten wir nur noch eine Zeitung, gäbe es<br />
einen Aufschrei der Empörung. Dass ein Sender<br />
<strong>mit</strong> politischen Sendungen ein Monopol<br />
hat, ist für mich ein Skandal. Es wäre auf gesetzlicher<br />
Basis möglich gewesen, nebst der<br />
SRG eine qualitativ hochstehende, private Fernsehlandschaft<br />
zu ermöglichen. Das gleiche gilt<br />
im Übrigen auch für das Radio, wo DRS auf<br />
sprachnationaler Ebene ebenfalls konkurrenzlos<br />
ist.<br />
Was braucht es, da<strong>mit</strong> private Sender landesweit<br />
erfolgreich operieren können?<br />
Ein neues Gesetz. Heute hat die SRG ein Gebührenmonopol<br />
und kann gleichzeitig Werbung<br />
schalten wie die Privaten. In Deutschland<br />
dürfen die Öffentlich-Rechtlichen nach 20 Uhr<br />
keine Werbung mehr machen. Da dort die Öffentlich-Rechtlichen<br />
Gebührengelder erhalten,<br />
werden die Privaten bei der Werbung bevorzugt.<br />
Bei uns wollte man diese Konkurrenz bewusst<br />
verhindern.<br />
Die Möglichkeiten lauten folglich: weniger<br />
Werbung bei der SRG oder mehr Gebührengelder<br />
für die Privaten.<br />
Da wir ausländische Werbefenster haben, geht<br />
es nicht, der SRG ein Werbeverbot nach 20 Uhr<br />
auferlegen zu wollen – davon würden nur die<br />
ausländischen Sender profitieren. Mein Vor-<br />
Bilder: m. jorquera
12<br />
WIRTSCHAFT<br />
leicht nicht wirklich sinnvoll. Darum haben wir<br />
eine Hörerbefragung gemacht. Die meisten von<br />
uns ausgewählten Songs kommen gut an, aber<br />
wenn ein Lied, das mir gefällt, nur bei 20 Prozent<br />
der Hörer auf Zustimmung stösst, macht<br />
es keinen Sinn, es weiter zu spielen.<br />
Sie müssen nun also über Ihren Schatten<br />
springen, wenn die Musikredaktion Songs<br />
auswählt, die Ihnen nicht gefallen?<br />
Es gibt Titel, die ich nicht so optimal finde, natürlich.<br />
Ich glaube aber, das ist auch richtig so.<br />
Marktforschung spielt heute eine sehr grosse<br />
Rolle bei allen Medien. Beim Fernsehen steht<br />
Marktforschung noch weit mehr im Vordergrund.<br />
Hätte ich bei Sat1 nur Sendungen gespielt,<br />
die ich schauen will, wäre dies kaum erfolgreich<br />
gewesen.<br />
Weil es beim Fernsehen immer um die Quote<br />
geht, die über Erfolg und Misserfolg bei<br />
den Werbekunden entscheidet.<br />
Das gilt für alle Medien. Wenn der Zeitungsartikel<br />
nicht interessant ist, wird er nicht gelesen.<br />
Entscheidend ist es, ein Konzept zu haben,<br />
hinter dem ich stehen kann. Das ist bei Radio1<br />
der Fall. Sat1 hingegen ist ein Sender für die<br />
ganz breite Masse, da gab es auch Sendungen,<br />
die ich mir nie so richtig angeschaut habe, die<br />
aber beim Publikum sehr gut ankamen. Mit Radio1<br />
mache ich ein Produkt, das ich selber hören<br />
möchte.<br />
Was macht Radio1 besser als Radio DRS?<br />
Ich würde nicht behaupten es besser zu machen.<br />
DRS ist seit Jahren etabliert und hat viel<br />
mehr Mittel und Möglichkeiten. Sie haben eine<br />
180-köpfige Nachrichtenredaktion, da können<br />
wir nicht voll dagegen halten. Ich glaube aber,<br />
wir sind viel schneller und direkter. Ich habe<br />
Radio1 als Live-Medium neu konzipiert, das<br />
nicht alles ab Konserve sendet, das Breaking<br />
News liefert und persönlich ist.<br />
Brauchen wir öffentlich-rechtliches Radio<br />
und Fernsehen?<br />
Ich möchte öffentlich-rechtliche Sender nicht<br />
grundsätzlich in Frage stellen, denke aber, die<br />
Möglichkeiten der SRG sind so gross, dass dort<br />
Ineffizienzen einfach toleriert werden, weil sie<br />
finanzierbar sind. An der Spitze der SRG stehen<br />
Leute, die gar keine Ahnung vom Medium<br />
haben.<br />
Weil sie aus politischem Kalkül bestimmt<br />
werden?<br />
Ja klar. Armin Walpen ist Jurist. Ich habe Sendungen<br />
konzipiert, entwickelt und moderiert.<br />
Ich habe ganze Sender aufgebaut und geleitet<br />
und verfüge über einen journalistischen Background.<br />
So kann man völlig anders <strong>mit</strong> dem Medium<br />
umgehen, als dies die heutige Führung<br />
der SRG kann.<br />
«Radio ist dermassen schnell, das entspricht<br />
meinem Temperament.»<br />
Sie sind ein Verfechter privater Medien. Was<br />
ist schlecht an einer starken SRG, die sich<br />
gegen die weit potenteren, ausländischen<br />
Medienkonzerne behaupten muss. Braucht<br />
es nicht einen starken Schweizer Sender?<br />
Erstens: Mit dieser These können Sie sich sofort<br />
als Pressesprecher bei der SRG bewerben.<br />
Zweitens: Ich habe mich nicht gegen eine starke<br />
SRG gestellt, wir brauchen aber auch beim<br />
Fernsehen Konkurrenz. Mittlerweile ist die<br />
Schweiz das einzige Land weltweit, das nur<br />
ein einziges landesweites Fernsehen <strong>mit</strong> nationalen<br />
Informationen hat. Ausgerechnet beim<br />
Leitmedium Fernsehen haben wir ein Informationsmonopol,<br />
was absolut undemokratisch<br />
ist. Hätten wir nur noch eine Zeitung, gäbe es<br />
einen Aufschrei der Empörung. Dass ein Sender<br />
<strong>mit</strong> politischen Sendungen ein Monopol<br />
hat, ist für mich ein Skandal. Es wäre auf gesetzlicher<br />
Basis möglich gewesen, nebst der<br />
SRG eine qualitativ hochstehende, private Fernsehlandschaft<br />
zu ermöglichen. Das gleiche gilt<br />
im Übrigen auch für das Radio, wo DRS auf<br />
sprachnationaler Ebene ebenfalls konkurrenzlos<br />
ist.<br />
Was braucht es, da<strong>mit</strong> private Sender landesweit<br />
erfolgreich operieren können?<br />
Ein neues Gesetz. Heute hat die SRG ein Gebührenmonopol<br />
und kann gleichzeitig Werbung<br />
schalten wie die Privaten. In Deutschland<br />
dürfen die Öffentlich-Rechtlichen nach 20 Uhr<br />
keine Werbung mehr machen. Da dort die Öffentlich-Rechtlichen<br />
Gebührengelder erhalten,<br />
werden die Privaten bei der Werbung bevorzugt.<br />
Bei uns wollte man diese Konkurrenz bewusst<br />
verhindern.<br />
Die Möglichkeiten lauten folglich: weniger<br />
Werbung bei der SRG oder mehr Gebührengelder<br />
für die Privaten.<br />
Da wir ausländische Werbefenster haben, geht<br />
es nicht, der SRG ein Werbeverbot nach 20 Uhr<br />
auferlegen zu wollen – davon würden nur die<br />
ausländischen Sender profitieren. Mein Vor-<br />
Bilder: m. jorquera
14<br />
WIRTSCHAFT<br />
schlag war deshalb, die Privaten an den Gebühren<br />
zu beteiligen. Im Gesetz wurde der Vorschlag<br />
berücksichtigt, aber auf Druck der SRG<br />
erhalten nur regionale Sender Gebühren,<br />
sprachregionale gehen weiterhin leer aus. Die<br />
SRG hat die kleinen Radio- und TV-Sender <strong>mit</strong><br />
dem Versprechen, Gebührengelder zu erhalten<br />
gekauft und sich so ihr Monopol auf sprachregionaler<br />
Ebene gesichert.<br />
Erhält Radio1 Geld aus dem Gebührentopf?<br />
Nein. Gebührengelder erhalten nur Sender in<br />
Randregionen. Die Verleger in den Randregionen<br />
haben sich daher für diese Lösung stark<br />
gemacht – ob es auf sprachregionaler Ebene<br />
Konkurrenz zur SRG gibt, ist diesen Leuten eigentlich<br />
egal. Die denken nur an ihr Portemonnaie.<br />
Sie haben mehrere Radios, TV-Sender und<br />
Printprodukte lanciert und später wieder<br />
sehr erfolgreich verkauft. Warum fangen<br />
Sie immer wieder etwas Neues an?<br />
Radio24 besass ich 22 Jahre und eigentlich wollte<br />
ich es auch gar nie verkaufen. Ich bin aber<br />
alleine angetreten, um <strong>mit</strong> Tele24 das Monopol<br />
der SRG zu brechen, stand ohne jede Unterstützung<br />
da und habe zu der Zeit über eine<br />
Million Franken pro Monat verloren. Auch von<br />
Seiten der Verleger und Parteien erhielt ich keine<br />
Unterstützung. Als Einzelperson konnte ich<br />
nicht ein privates, nationales Fernsehen einführen,<br />
wenn die breite Unterstützung fehlt.<br />
Dies hat mich schliesslich zum Verkauf gezwungen.<br />
«Die Zeitungen haben lange<br />
nur geschrieben, was ihnen<br />
selbst gefällt.»<br />
Medienunternehmer <strong>Schawinski</strong> fordert Gebührengelder auch für private,<br />
sprachregionale Sender.<br />
Ich wollte Sie nicht als Medienspekulant<br />
hinstellen. Die Frage ist, warum Sie immer<br />
wieder Neues gründen. Viele Unternehmer<br />
gründen eine Firma und behalten Sie bis<br />
zur Pensionierung.<br />
Ja gut, es verwundert mich auch, warum ich<br />
als Einzelperson das Privatradio und später das<br />
private Fernsehen in der Schweiz einführen<br />
musste und dies die grossen Verlagshäuser<br />
nicht zustande gebracht haben.<br />
Als Unternehmer mussten Sie auch lernen,<br />
<strong>mit</strong> Misserfolgen umzugehen. Tele24 beispielsweise<br />
hat nicht funktioniert.<br />
Das würde ich bestreiten. Es hat wirtschaftlich<br />
nicht funktioniert, weil ich es nicht alleine<br />
durchziehen konnte.<br />
Wie ging es Ihnen in dieser Situation?<br />
Das war sehr schmerzhaft. Loslassen lernen ist<br />
etwas vom Schwierigsten. Wir hatten eine Million<br />
Zuschauer pro Tag, aber als ich sah, dass<br />
uns das neue Radio- und TV-Gesetz nicht mehr<br />
Spielraum bieten wird, musste ich die Waffen<br />
strecken. Hätte ich diesen Schritt nicht gemacht,<br />
wäre die Firma wahrscheinlich in Konkurs<br />
gegangen und ich hätte alle Mitarbeiter<br />
entlassen müssen.<br />
Ist das Kapitel Fernsehen nach dem Abgang<br />
bei Sat1 abgeschlossen?<br />
Wenn Sie mal Sat1 Chef waren <strong>mit</strong> einem Budget<br />
von 700 Mio. Euro, ist es schwierig auf allerkleinster<br />
Flamme nochmals Fernsehen zu<br />
machen. Beim Radio kann man bereits <strong>mit</strong> wenigen<br />
tollen Menschen ein gutes<br />
Programm bestreiten,<br />
beim Fernsehen geht das<br />
nicht. Unter den gegebenen<br />
Bedingungen in der Schweiz<br />
nochmals Fernsehen zu machen,<br />
kann ich mir überhaupt<br />
nicht vorstellen.<br />
Wie schätzen Sie die Zukunft<br />
der Printmedien ein?<br />
Ich bin ein Zeitungs-Freak<br />
und bedauere ausserordentlich,<br />
was <strong>mit</strong> der Presse geschieht.<br />
Die Verleger haben<br />
aber die Marktforschung lange<br />
völlig vernachlässigt und<br />
geschrieben, was ihrer Zunft<br />
gefällt; so wie ich am Anfang<br />
die Musik nach meinem Gusto<br />
ausgewählt habe.<br />
Sind Qualitätszeitungen auf<br />
dem Weg in die Nische vergleichbar<br />
<strong>mit</strong> ARTE und<br />
3Sat beim Fernsehen?<br />
Nein, das denke ich nicht. Es<br />
werden aber weniger Leute<br />
sein, die Zeitungen abonnieren.<br />
Meine Tochter ist zwölf<br />
und liest jeden Morgen<br />
«News» oder «20Minuten».<br />
Ich glaube kaum, dass sie jemals<br />
auf die Idee kommen<br />
wird, für Informationen zu<br />
zahlen. Die Verleger haben sich <strong>mit</strong> Gratisnews<br />
rasch auf das Neue gestürzt und die langfristigen<br />
Konsequenzen nicht bedacht.<br />
Wie sieht die Medienlandschaft in fünf Jahren<br />
aus?<br />
Das Radio hat eine grosse Chance, weil es dank<br />
der technischen Entwicklung überall verfügbar<br />
ist. Dagegen ist das Internet als Geschäftsmodell<br />
massiv überbewertet. Ich denke, auch<br />
dieser zweite Boom wird rasch wieder abflachen.<br />
Wenn Informationen nichts mehr kosten<br />
dürfen, werden auch die Möglichkeiten der<br />
Informationsver<strong>mit</strong>tlung eingeschränkt. Ich bedauere<br />
dies, denn qualitativ hochstehender<br />
Journalismus kann nicht gratis sein. Die Verlage<br />
schneiden sich ins eigene Fleisch, wenn<br />
der Konsument den Zeitungsinhalt gratis im<br />
Internet abrufen kann.<br />
Wir leben in einer Medien- und Kommunikationsgesellschaft,<br />
werden <strong>mit</strong> News bombardiert<br />
und müssen ständig per Handy erreichbar<br />
sein. Wie sehen Sie diese<br />
Entwicklung?<br />
Diese Entwicklung ist unaufhaltsam, hat indes<br />
auch ihr Gutes: Meine Tochter liest jetzt Zeitung.<br />
Ohne Gratiszeitungen würde sie wahrscheinlich<br />
keine lesen. Kritisch finde ich, dass<br />
die Halbwertszeit der Informationen im Online-Journalismus<br />
immer kürzer wird. Was am<br />
Morgen noch die Topmeldung war, ist am Nach<strong>mit</strong>tag<br />
schon kein Thema mehr. Die Information<br />
verliert so an Wert und der Zwang immer<br />
etwas Neues zu haben, führt zu einer unglaublichen<br />
Hektik.<br />
Wenn Sie <strong>mit</strong> Radio1 auf Breaking News<br />
setzen, schrauben Sie doch selbst an dieser<br />
Geschwindigkeitsspirale.<br />
Es ist eine der Kernaufgaben des Medium Radio,<br />
Informationen schnell weiterzugeben. Was<br />
wichtig ist, müssen wir aufnehmen und vertiefter<br />
darüber berichten. Ich verfolge den unglaublichen<br />
Einfluss des Internets auf die Inhalte<br />
der Zeitungen. Die weitere Entwicklung<br />
ist unvorhersehbar.<br />
Sie sind 64 und KMU-Inhaber. Haben Sie<br />
schon Überlegungen bezüglich Nachfolge<br />
angestellt?<br />
Ich habe momentan überhaupt keine Absichten,<br />
mich zurückzuziehen. Mein Vater hat mir<br />
auf den Weg geben, dass es ein grosser Fehler<br />
ist, sich zu früh aus der Berufswelt zu verabschieden.<br />
Meine Generation hat die Gesellschaft<br />
in den letzten 40 Jahren stark verändert,<br />
und wir werden auch die Zeit zwischen 60 und<br />
75 anders verbringen als die Generationen vor<br />
uns. Ich werde weiter Sendungen machen, solange<br />
ich am Mikrofon nicht stammle und all<br />
die Knöpfe drücken kann.<br />
Journalist und Unternehmer sind beides<br />
Stressberufe. Was tun Sie, um sich zu entspannen?<br />
Ich treibe viel Sport, esse gesund, trinke wenig,<br />
rauche nicht – ich versuche mich sinnvoll<br />
zu verhalten und habe auch das Buch «Lebenslust<br />
bis 100» zu diesem Thema geschrieben. Ich
Nr. 10 – 2009<br />
15<br />
Bild: m. jorquera<br />
ZUR PERSON<br />
<strong>Roger</strong> <strong>Schawinski</strong>, Jahrgang 1945, ist Journalist<br />
und Medienunternehmer. Er studierte Wirtschaftswissenschaften<br />
an der der HSG und<br />
schloss <strong>mit</strong> einem Doktortitel in Nationalöko -<br />
nomie ab. 1974 gründete er das Konsumenten -<br />
magazin «Kassensturz», das er heute als sein<br />
Geschenk an das Schweizer Fernsehen bezeichnet.<br />
Von 1977 bis 1978 war er Chef redaktor der<br />
Migros-Zeitung «Tat». 1979 rief er <strong>mit</strong> Radio24<br />
das erste Schweizer Privatradio ins Leben, das als<br />
Piratenstation vom italienischen Pizzo Groppera<br />
in die Schweiz sendete. In den 1990er Jahren<br />
lancierte er <strong>mit</strong> TeleZüri und Tele24 das private<br />
Fernsehen in der Schweiz. Sein kleines Medien-<br />
Imperium verkaufte er im Jahr 2001. Von 2003<br />
bis 2006 war er Geschäftsführer des deutschen<br />
Privatfernsehsenders Sat1. Seit März 2008 ist der<br />
streitbare Medienpionier <strong>mit</strong> dem Zürcher Regionalradio<br />
Radio1 wieder auf Sendung. <strong>Roger</strong><br />
<strong>Schawinski</strong> ist verheiratet und hat drei Kinder.<br />
glaube, wenn ich am Morgen aufwachen würde<br />
und mein einziges Problem darin bestände,<br />
wie ich den Tag rumbringe, das wäre Stress.<br />
Aber Sie machen Radio1 schon nicht nur,<br />
weil Ihnen sonst langweilig wäre?<br />
Nein, mir würde auch sonst noch was einfallen,<br />
aber Radio ist dermassen elegant und<br />
schnell, das gefällt mir und entspricht meinem<br />
Temperament.<br />
Was ist Ihre wichtigste Message an die Teilnehmer<br />
des KMU-Tags in St. Gallen?<br />
Ich möchte zeigen, dass heute viel mehr mög-<br />
lich ist, als viele glauben und ihnen Mut machen,<br />
aus gewissen Mustern auszubrechen:<br />
Denkschablonen, wie «ich bin ein alter Sack»,<br />
«ich kann nicht mehr» und «ich sollte mich zurücknehmen».<br />
Daher werde ich über meine Erfahrungen<br />
sprechen und ein paar meiner Prinzipien<br />
präsentieren.<br />
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