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BlickPunkt BlickPunkt - DJV Baden-Württemberg

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süDDEutschEr JournalistEntag VErBanD VErBanD<br />

süDDEutschEr JournalistEntag<br />

Das „Forum Lokales“<br />

beim Süddeutschen<br />

Journalistentag in Mainz<br />

“Die Nachricht ist tot, es lebe der Hintergrundbericht" lautete<br />

das Motto im Forum Lokales beim Süddeutschen Journalistentag,<br />

moderiert von Thomas Godawa, dem baden-württembergischen<br />

<strong>DJV</strong>-Landesvorsitzenden.<br />

Von Robert Bergmann<br />

D<br />

ie vorherrschende Meinung auf dem<br />

Podium: Dem bundesdeutschen<br />

Lokaljournalismus stehen tief greifende<br />

Veränderungen ins Haus, will er nicht<br />

weiter an Bedeutung im Wettbewerb um<br />

die Aufmerksamkeit verlieren.<br />

Bei den Inhalten wie auch der redaktionellen<br />

Gestaltung und den Abläufen der<br />

Zeitung vor Ort forderten Claus Morhart,<br />

Chefredakteur des Main-Echo,<br />

Joachim Braun, Chefredakteur beim<br />

Nordbayerischen Kurier und Michael<br />

Konken, <strong>DJV</strong>-Bundesvorsitzender, im<br />

digitalen Zeitalter eine Abkehr von lieb<br />

gewonnen Traditionen, denn, so Claus<br />

Morhart: „Da landet noch immer zu viel<br />

Claus Morhart, Chefredakteur des<br />

Main-Echo: „Da landet noch immer zu<br />

viel Schrott im Blatt“.<br />

Schrott im Blatt“. Es gelte, der Zeitung<br />

vor Ort wieder die Relevanz zurückzugeben,<br />

die sie noch vor wenigen Jahrzehnten<br />

besaß. Dafür müsse der Lokaljournalismus<br />

im Zeitalter von Facebook<br />

und Co nichts weniger, als sich in Teilen<br />

neu erfinden.<br />

Die Lage ist ernst<br />

Die Diskutanten beurteilten angesichts<br />

nach wie vor bröckelnder Abonnentenzahlen<br />

bei allen deutschen Tageszeitungen<br />

die Lage einhellig: Sowohl bei der<br />

Ausbildung, als auch in der täglichen Arbeit,<br />

bei der Themenaufbereitung, wie<br />

auch beim Umgang mit den neuen<br />

Medien gebe es – gerade bei den kleinen<br />

Lokalzeitungen ohne große Mantelredaktion<br />

– einen Reformstau und erheblichen<br />

Nachholbedarf.<br />

Wenn nicht bald etwas geschehe, komme<br />

diesen Zeitungen demnächst die Leserschaft<br />

abhanden – mit tiefgreifenden Folgen<br />

für die demokratischen Prozesse auf<br />

der Graswurzelebene. Die Lokalzeitung<br />

habe „den gesellschaftlichen Wandel verschlafen“,<br />

erklärte Joachim Braun (47),<br />

seit zwei Jahren Chefredakteur des Nordbayerischen<br />

Kurier (Auflage: 35.000) in<br />

aller Deutlichkeit. Um nicht minder<br />

deutlich nachzuschieben: „Wir stehen im<br />

Lokaljournalismus an einer harten<br />

Schwelle, wo wir aufpassen müssen, nicht<br />

irrelevant zu werden“. Sein Kollege Claus<br />

Morhart sprach von „heftigen Zeiten“,<br />

Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen<br />

Kurier: "Die Lokalzeitung<br />

hat den gesellschaftlichen Wandel<br />

verschlafen“.<br />

die die klassische Lokalzeitung aktuell<br />

durchlebe. Das Main Echo (Auflage rund<br />

76.000) verliere jährlich rund 2,3 Prozent<br />

seiner Printleser und liegt damit ziemlich<br />

im allgemeinen Trend.<br />

Engagierte Diskussion um die Zukunft des Lokaljournalismus (von links): Mainpost-Chefredakteur Claus Morhart, Moderator<br />

Thomas Godawa, <strong>DJV</strong>-Bundesvorsitzender Michael Konken und Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen Kurier.<br />

Fotos: Gabriele Zahn/Robert Bergmann.<br />

<strong>DJV</strong>-Chef Michael Konken: „Die Lokalzeitung<br />

steht auf Messers Schneide“. Der<br />

häufig schleichende, nicht selten aber<br />

auch rasante Auflagenrückgang zehre an<br />

der wirtschaftlichen Grundlage der Verlage.<br />

Besorgniserregend sei, so Konken,<br />

dass den Blättern vor allem „die Jungen<br />

von der Fahne gehen“. Verstärkt werde<br />

der Effekt durch Fehlentscheidungen in<br />

der Chefetage von Verlagsmanagern,<br />

denen es nicht länger um Qualitätsjournalismus,<br />

sondern rein um Gewinnmaximierung<br />

gehe und die dafür die Manpower<br />

in den Redaktionen mehr und<br />

mehr ausdünnen. Mit der Folge, dass die<br />

wenigen verbliebenen Kollegen kaum<br />

noch Luft zum Atmen, geschweige denn<br />

Lust und Zeit für aufwändige Recherchen<br />

hätten. Konken ist sich sicher: „Wenn wir<br />

die Lokalzeitungen nicht mehr haben,<br />

geht uns ein großes Stück Demokratie<br />

verloren“.<br />

Die Strategien:<br />

I. Auf den Inhalt kommt es an<br />

Mit einer radikalen Vorwärts-Strategie<br />

versucht Chefredakteur Braun in seinem<br />

kleinen Haus derzeit den Beweis anzutreten,<br />

dass der Untergang noch abzuwenden<br />

ist. Die lang gepflegte Strategie<br />

im Lokalteil, jeden Leser nach Möglichkeit<br />

einmal pro Jahr ins Blatt zu bringen<br />

und ansonsten niemanden wehzutun,<br />

hält Braun für überholt. Es könne nicht<br />

sein, dass sich Redakteure als Teil der lokalen<br />

Elite verstünden. Braun: „Wenn es<br />

keine Konflikte gibt, muss man zur Not<br />

auch selbst einmal welche machen“. Sein<br />

Verlag hat auch schon mal die Verwaltung<br />

einer Gemeinde auf Herausgabe<br />

von Informationen verklagt. Den frischen<br />

Wind bekam beim Nordbayerischen<br />

Kurier auch die Vereinswelt zu<br />

spüren: Um Platz zu schaffen für die relevanteren<br />

Themen, wurden etwa die<br />

nach Meinung von Chefredakteur Braun<br />

„sterbenslangweiligen“ Berichte über die<br />

Hauptversammlungen der geschätzt<br />

1500 Vereine im Verbreitungsgebiet mitsamt<br />

Ehrungen und Ausflügen in ein ,<br />

einmal wöchentlich erscheinendes Vereinsmagazin<br />

namens „Mein Verein“ ausgelagert.<br />

Der neu zur Verfügung stehende<br />

Platz werde seither mit frisch recherchierten<br />

Hintergrundgeschichten und<br />

meinungsstarken Kommentaren gefüllt,<br />

erklärte Braun.<br />

Die Blattreform habe zwar anfangs vor<br />

allem bei der Vereinsprominenz und bei<br />

den Bürgermeistern zu Proteststürmen<br />

geführt. Inzwischen aber habe sich<br />

manch früherer Kritiker gar zum Befürworter<br />

gewandelt. „Es hat keine einzige<br />

Abbestellung wegen des neuen Kurses gegeben“.<br />

Auch beim Main Kurier soll es<br />

die Auslagerung der Standard-Vereinsberichterstattung<br />

in ein nur noch sehr<br />

oberflächlich redigiertes, vor allem von<br />

den Vereinen selbst und den semiprofessionellen<br />

Vorort-Mitarbeitern beliefertes<br />

Extra-Magazin geben. Beide Chefredakteure<br />

betonen, keinen kompletten Abschied<br />

von der Vereinsberichterstattung<br />

im Fokus zu haben. Diese soll aber auf<br />

eine neue, interessantere Grundlage gestellt<br />

werden.<br />

II. Die Organisation muss<br />

Grenzen sprengen<br />

Joachim Braun erläuterte, was sich beim<br />

Nordbayerischen Kurier unter seiner<br />

Ägide organisatorisch getan hat, um dem<br />

neuen lokaljournalistischen Ansatz Geltung<br />

zu verhelfen, etwa über ein die alten<br />

Ressortgrenzen sprengendes Newsdesk-<br />

System. Eine weitere Maßnahme ist der<br />

frische Umgang mit den digitalen Medien:<br />

Braun hat seine Mitarbeiter darauf<br />

eingeschworen, bei allem Handeln<br />

immer auch das Internet mitzudenken.<br />

Beim Main Echo hat sich die Chefredaktion<br />

mit der Überfrachtung des Redakteurberufs<br />

im Zuge des Desktop-<br />

Publishing befasst. Die dort unter dem<br />

Titel „Besser Arbeiten“ verfolgte Reform<br />

läuft auf den Abschied vom Redakteur in<br />

seiner klassischen Ausformung als ganzheitlicher<br />

Schreiber/Producer hinaus.<br />

20 <strong>DJV</strong> Blickpunkt 2 · 2013 2 · 2013 <strong>DJV</strong> Blickpunkt 21

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