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Algebraische Geometrie - Universität Paderborn

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<strong>Algebraische</strong> <strong>Geometrie</strong><br />

Joachim Hilgert<br />

Dieser Text ist ein vorläufiges Vorlesungsskript zu den Vorlesungen ”<br />

Elementare<br />

algebraische <strong>Geometrie</strong>“ und ”<br />

<strong>Algebraische</strong> Varietäten“, die ich im Sommersemester<br />

2012 und im Wintersemester 2012/2013 an der Universität <strong>Paderborn</strong> gehalten<br />

habe. Er ist nicht korrekturgelesen und nur zum internen Gebrauch gedacht!<br />

<strong>Paderborn</strong>, den 8.2.2013<br />

J. Hilgert


Inhaltsverzeichnis<br />

Teil I Elementare <strong>Algebraische</strong> <strong>Geometrie</strong><br />

1 Affine Varietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

1.1 Endliche Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

1.2 Der Hilbertsche Nullstellensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1.3 Reguläre Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

2 Projektive Varietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

2.1 Projektive Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

2.2 Graduierte Ringe und homogene Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

2.3 Reguläre Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

3 Singularitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

3.1 Vielfachheiten in Punkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

3.2 Schnittvielfachheiten mit Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

3.3 Regularität und Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

Teil II <strong>Algebraische</strong> Varietäten<br />

4 Varietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

4.1 Das Maximalspektrum eines Rings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

4.2 Morphismen von affinen algebraischen Varietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

4.3 Verklebung von affinen Varietäten zu Varietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

4.4 Projektive Varietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

4.5 Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

4.6 Übungen zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

5.1 Affine algebraische Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

5.2 Darstellungen von affinen algebraischen Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />

5.3 Tangentialräume affiner algebraischer Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />

5.4 Hilberts Endlichkeitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

5.5 Übungen zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

Teil III Anhang


ii<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

A Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />

A.1 Ringe und Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />

A.2 Integritätsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />

A.3 Euklidische Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

A.4 Faktorielle Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156<br />

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163<br />

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165


Teil I<br />

Elementare <strong>Algebraische</strong> <strong>Geometrie</strong>


1<br />

Affine Varietäten<br />

Am 11.4.2012 gab es eine Einführung in die Fragestellungen der Vorlesung.<br />

1.1 Endliche Algebren<br />

Definition 1.1.1 (Endliche Algebren). Seien A ⊆ B kommutative Ringe mit<br />

Eins.<br />

(i) B heißt endliche erzeugte R-Algebra, wenn es b 1 , . . . , b n ∈ B mit B =<br />

A[b 1 , . . . , b n ] gibt, d.h., wenn B als Ring von A und {b 1 , . . . , b n } erzeugt ist.<br />

(ii) B heißt eine endliche A-Algebra, wenn es b 1 , . . . , b n ∈ B mit<br />

B = A b 1 + . . . + A b n<br />

gibt, d.h., wenn B als A-Modul von {b 1 , . . . , b n } erzeugt ist.<br />

Proposition 1.1.2. (i) Seien A ⊆ B ⊆ C kommutative Ringe mit Eins. Wenn B<br />

eine endliche A-Algebra und C eine endliche B-Algebra ist, dann ist C eine<br />

endliche A-Algebra.<br />

(ii) Sei A ⊆ B und B eine endliche A-Algebra und x ∈ B. Dann gibt es ein normiertes<br />

Polynom mit Koeffizienten in A, das x annulliert:<br />

x n + a n−1 x n−1 + . . . + a 0 = 0,<br />

a i ∈ A<br />

(iii) Sei umgekehrt x die Nullstelle eines normierten Polynoms mit Koeffizienten in<br />

A, dann ist B = A[x] ist eine endliche A-Algebra.<br />

Beweis. (i) und (iii) seien dem Leser als Übung überlassen. Für (ii) sei B = A b 1 +<br />

∑<br />

. . . + A b n und x ∈ B. Dann gilt x b i ∈ B, d.h. es gibt a ij ∈ A mit x b i = n a ij b j ,<br />

oder anders geschrieben<br />

n ∑<br />

j=1<br />

j=1<br />

(x δ ij − a ij )b j = 0. Setze M ij = x δ ij − a ij und<br />

∆ = det(M ij ) i,j=1,...,n . Wenn M adj die adjunkte Matrix zu M ist, dann gilt (Übung)<br />

M adj M b = ∆b, wobei b = (b 1 , . . . , b n ) ⊤ . Mit M b = 0 folgt also ∆b = 0, d.h.<br />

∆b i = 0 für alle i = 1, . . . , n.<br />

Beachte, dass 1 B ∈ B eine Linearkombination der b i ist. Daher ist ∆1 B = 0 und<br />

daraus folgt ∆ = 0, d.h.<br />

det(xδ ij − a ij ) = 0.<br />

Dies ist die gesuchte Relation.<br />

⊓⊔


4 1 Affine Varietäten<br />

Lemma 1.1.3. Sei K ein Körper mit unendlich vielen Elementen und 0 ≠ f ∈<br />

K[X 1 , . . . , X n ]. Dann gibt es ein a ∈ K n mit f(a) ≠ 0.<br />

Beweis. O.B.d.A. komme X n in f vor.<br />

f =<br />

m∑<br />

j=0<br />

g j X j n, g j ∈ K[X 1 , . . . , X n−1 ], g m ≠ 0.<br />

Wir führen den Beweis mit Induktion über n: Für n = 1 hat f ∈ K[X 1 ] nur<br />

endlich viele Nullstellen. Für n > 1 gibt es ein b ∈ K n−1 mit g m (b) ≠ 0, also gilt<br />

f(b, X n ) = ∑ j<br />

g j (b)Xn j ≠ 0. Damit gibt es ein a n ∈ K mit f(b, a n ) ≠ 0, d.h.<br />

a = (b, a n ) tut das Gewünschte.<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.1.4. Sei K ein Körper mit unendlich vielen Elementen und A eine<br />

K-Algebra. Die Elemente a 1 , . . . , a n ∈ A heißen algebraisch unabhängig, wenn<br />

für kein von Null verschiedenes Polynom f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] gilt f(a 1 , . . . , a n ) = 0,<br />

d.h. K[X 1 , . . . , X n ] → K[a 1 , . . . , a n ] ist injektiv.<br />

Satz 1.1.5 (Noether Normalisierung). Sei K ein Körper mit unendlich vielen<br />

Elementen und A = K[a 1 , . . . , a n ] eine endlich erzeugte K-Algebra. Dann existiert<br />

ein m ≤ n und y 1 , . . . , y m ∈ A mit<br />

(a) y 1 , . . . , y m sind algebraisch unabhängig über K.<br />

(b) A ist eine endliche K[y 1 , . . . , y m ]-Algebra.<br />

Beweis. Sei I der Kern der Auswertungsabbildung<br />

ev a : K[X 1 , . . . , X n ] → K[a 1 , . . . , a n ]<br />

für a = (a 1 , . . . , a n ) und 0 ≠ f ∈ I (für I = {0} ist nichts zu zeigen). Setze<br />

⎫<br />

a ′ 1 := a 1 − α 1 a n ⎪⎬ .<br />

mit α j ∈ K, die später passend gewählt werden.<br />

⎪ ⎭<br />

a ′ n−1 := a n−1 − α n−1 a n<br />

Dann gilt 0 = f(a ′ 1 + α 1 a n , . . . , a ′ n−1 + α n−1 a n , a n ).<br />

Behauptung: Es gibt α 0 , α 1 , . . . , α n−1 ∈ K so, dass<br />

α 0 f(X ′ 1+α 1 X n , . . . , X ′ n−1+α n−1 X n , X n ) = X k n+Terme niedrigerer Ordnung in X n ,<br />

wenn f als Polynom in der Variablen X n mit Koeffizienten im Ring K[X ′ 1, . . . , X ′ n−1]<br />

mit X ′ j := X j − α j X n für j = 1, . . . , n − 1 betrachtet wird.<br />

Dazu setze d := deg X1 ,...,X n<br />

deg G < d. Wir rechnen<br />

f und f = F d + G mit F d homogen vom Grad d und<br />

f(X 1 , . . . , X n−1 , X n ) = f(X ′ 1 + α 1 X n , . . . , X ′ n−1 + α n−1 X n , X n )<br />

= F d (α 1 , . . . , α n−1 , 1)X d n + Terme niedrigerer Ordnung in X n .


1.1 Endliche Algebren 5<br />

Wenn F d (α 1 , . . . , α n−1 , α n ) = 0 für alle α = (α 1 , . . . , α n ) ∈ K n mit α n ≠ 0 gilt, dann<br />

ist auch F d (α 1 , . . . , α n−1 , 0) = 0, weil F d (α 1 , . . . , α n−1 , X) ein Polynom ist. Also gilt<br />

dann F d (α 1 , . . . , α n−1 , α n ) = 0 für alle α = (α 1 , . . . , α n ) ∈ K n . Das ist aber wegen<br />

F d ≠ 0 nach Lemma 1.1.3 nicht der Fall. Es gibt also ein α = (α 1 , . . . , α n ) ∈ K n<br />

mit α n ≠ 0 und F d (α 1 , . . . , α n−1 , α n ) ≠ 0. Teilt man jetzt durch α n , erhält man ein<br />

(α 1 , . . . , α n−1 , 1) ∈ K n mit F d (α 1 , . . . , α n−1 , 1) ≠ 0. Damit folgt die Behauptung.<br />

Seien jetzt die α 0 , . . . , α n−1 so gewählt wie in der Behauptung. Dann ist<br />

0 = a k n + Terme niedrigerer Ordnung in a n ,<br />

wobei die Koeffizienten in A ′ := K[a ′ 1, . . . , a ′ n−1] liegen, eine normierte Gleichung<br />

für a n über A ′ . Nach Proposition 1.1.2(iii) ist A endlich über A ′ , weil A = A ′ [a n ] =<br />

K[a ′ 1, . . . , a ′ n−1, a n ]. Der Beweis des Satzes geht jetzt mit Induktion über n: Für<br />

n = 1 gilt A ′ = K, also ist A endlich über K und die Behauptung folgt mit m = 0.<br />

Für n > 1 folgt mit Induktion, dass A ′ eine endliche K[y 1 , . . . , y m ]-Algebra ist,<br />

wobei die y j algebraisch unabhängig sind. Nach Proposition 1.1.2(i) ist dann aber<br />

A eine endliche K[y 1 , . . . , y m ]-Algebra und der Satz ist bewiesen.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 1.1.6. Sei A ein Körper und B ⊂ A ein Unterring. Wenn A eine endliche<br />

B-Algebra ist, dann ist B ein Körper.<br />

Beweis. Für b ∈ B \ {0} gilt b −1 ∈ A und es existiert nach Proposition 1.1.2 ein<br />

∑<br />

normiertes Polynom f = n b j X j über B mit b n = 1 und f(b −1 ) = 0. Aber dann<br />

gilt<br />

j=0<br />

b −1 = −(b n−1 + b n−2 b + . . . + b 0 b n−1 ) ∈ B.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 1.1.7. Sei K ein Körper mit unendlich vielen Elementen und A eine endlich<br />

erzeugte K-Algebra: A = K[a 1 , . . . , a n ]. Wenn A ein Körper ist, dann ist A<br />

algebraisch über K, d.h. jedes Element von A ist Nullstelle eines Polynoms mit<br />

Koeffizienten in K.<br />

Beweis. Zu A = K[a 1 , . . . , a n ] existieren nach dem Noether-Normalisierungssatz 1.1.5<br />

algebraisch unabhängige Elemente y 1 , . . . , y m für die A eine endliche K[y 1 , . . . , y m ]-<br />

Algebra ist. Wenn A ein Körper ist, so liefert Lemma 1.1.6, dass B ∼ = K[X 1 , . . . , X m ]<br />

ein Körper ist. Aber dann muss m = 0 gelten, d.h. A ist eine endliche K-Algebra.<br />

Damit folgt die Behauptung aus Proposition 1.1.2(ii).<br />

⊓⊔<br />

Korollar 1.1.8. Sei das K in Lemma 1.1.7 algebraisch abgeschlossen, d.h., jedes<br />

nichtkonstante Polynom mit Koeffizienten in K hat eine Nullstelle in K. Dann ist<br />

jedes Polynom in K[X] von der Form<br />

f = c(X − λ 1 ) · · · (X − λ n ),<br />

wobei die λ j ∈ K nicht notwendigerweise verschieden sind, und es folgt A = K.<br />

↑ 12.4.2012 ↑


6 1 Affine Varietäten<br />

Übung 1.1.1. Skizziere die folgenden Teilmengen von R 2 :<br />

M 1 := {(cos t, sin t) | t ∈ [0, 2π]}<br />

M 2 := {(t, sin t) | t ∈ R}<br />

M 3 := {(t, t 2 ) | t ∈ R}<br />

M 4 := {(t 2 , t 2 ) | t ∈ R}<br />

Welche dieser Mengen lässt sich als Nullstellenmenge eines Polynoms p ∈ R[X, Y ] beschreiben?<br />

Übung 1.1.2. Seien a, b, c ∈ R und p(x, y) := ax 2 + by 2 + c. Skizziere die Nullstellenmenge<br />

von p in R 2 in Abhängigkeit von a, b, c.<br />

Übung 1.1.3. Sei p ∈ C[X, Y ] ein nicht-konstantes Polynom und V (p) = {(z, w) ∈ C 2 |<br />

p(z, w) = 0} die Nullstellenmenge von p. Zeige:<br />

Gilt auch |V (p) ∩ R 2 | = ∞?<br />

|V (p)| = ∞ .<br />

Übung 1.1.4. Sei K ein Körper, und für p ∈ K[X 1 , . . . , X n ] sei V (p) = {x ∈ K n | p(x) =<br />

0} die Nullstellenmenge von p in K n . Zeige: Ist G ⊆ K n eine (affine) Gerade, so ist<br />

G ⊆ V (p) oder G ∩ V (p) ist endlich.<br />

Übung 1.1.5. Seien A ⊆ B ⊆ C kommutative Ringe mit Eins. Zeige:<br />

1. Ist B eine endliche A-Algebra und C eine endliche B-Algebra, so ist C eine endliche<br />

A-Algebra.<br />

2. Ist x ∈ B Nullstelle eines normierten Polynoms mit Koeffizienten in A, so ist A[x] eine<br />

endliche A-Algebra.<br />

Übung 1.1.6. Sei A ein Körper und B ⊆ A ein Unterring. Zeige: Ist A eine endliche<br />

B-Algebra, so ist B ein Körper.<br />

Übung 1.1.7 (Nakayama-Lemma). Es sei A ≠ 0 eine endliche B-Algebra. Dann gilt für<br />

jedes maximale Ideal m von B, dass mA ≠ A.<br />

1.2 Der Hilbertsche Nullstellensatz<br />

Definition 1.2.1. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins und I ✂R ein Ideal. Dann<br />

heißt I endlich erzeugt, wenn es endlich viele Elemente x 1 , . . . , x n ∈ I gibt, für<br />

die I das kleinste Ideal ist, das x 1 , . . . , x n enthält.<br />

Proposition 1.2.2. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Dann sind folgende<br />

Eigenschaften äquivalent:<br />

(1) Jedes Ideal I ✂ R ist endlich erzeugt.<br />

(2) Jede aufsteigende Folge I 1 ⊂ I 2 ⊂ . . . von Idealen wird stationär.<br />

(3) Jede nichtleere Teilmenge von Idealen in R hat ein maximales Element.<br />

Beweis. ”<br />

(1) ⇒ (2)“: I :=<br />

∞ ∪<br />

j=1<br />

I j<br />

ist ein Ideal in R. Sei I von den Elementen<br />

f 1 , . . . , f m erzeugt. Dann gibt es ein I k mit f 1 , . . . , f m ∈ I k , also gilt I k = I und<br />

I k+n = I k für alle n.<br />

(2) ⇒ (3)“: Dies folgt direkt aus dem Lemma von Zorn.<br />


1.2 Der Hilbertsche Nullstellensatz 7<br />

(3) ⇒ (1)“: Sei I ✂ R ein Ideal und Σ := {J ⊆ I | J endlich erzeugtes Ideal} die<br />

”<br />

Menge der endlich erzeugten Unterideale in I. Wegen (3) gibt es ein maximales<br />

Element J o von Σ. Wenn J o ≠ I, dann gibt es ein f ∈ I \ J o . Aber J o + Rf ist<br />

endlich erzeugt mit J o + Rf ⊆ I und dieser Widerspruch zur Maximalität von<br />

J o beweist die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.2.3. Wenn ein kommutativer Ring R mit Eins die Eigenschaften aus<br />

Proposition 1.2.2 erfüllt, dann heißt R ein noetherscher Ring.<br />

Proposition 1.2.4. Sei R ein noetherscher Ring.<br />

(i) Wenn I ✂ R ein Ideal ist, dann ist der Quotientenring R/I noethersch.<br />

(ii) Sei R ein noetherscher Integritätsbereich, K der Quotientenkörper von R. Sei<br />

0 /∈ S ⊂ R eine Teilmenge und<br />

{ a<br />

∣ }<br />

B := R[S −1 ∣∣<br />

] :=<br />

b ∈ K a ∈ R, b = 1 oder ein Produkt von Elementen aus S .<br />

Dann ist B ist ein noetherscher Ring.<br />

Beweis. Übung. Hinweis zu (ii): ein Ideal in B ist vollständig durch seinen Schnitt<br />

mit R bestimmt.<br />

⊓⊔<br />

Satz 1.2.5 (Hilbertscher Basissatz). Sei R ein kommutativer Ring mit Eins.<br />

Wenn R noethersch ist, dann ist auch der Polynomring R[X] noethersch.<br />

Beweis. Sei J ✂ R[X] ein Ideal und setze<br />

I n := {a ∈ R | ∃ f = aX n + b n−1 X n−1 + . . . + b 0 ∈ J}.<br />

Dann ist I n ist ein Ideal für jedes n ∈ N 0 und es gilt I n ⊆ I n+1 (multipliziere mit<br />

X). Nach Proposition 1.2.2 gibt es ein N mit I N = I N+k für alle k ∈ N. Jetzt<br />

konstruiere eine Erzeugermenge für J wie folgt: Seien a i1 , . . . , a im(i) Erzeuger von<br />

I i und f ik = a ik X i + . . . ∈ J entsprechende Polynome.<br />

Behauptung: E := {f ik | i = 0, . . . , N, k = 1, . . . , m(i)} erzeugt J.<br />

Wir zeigen dazu mit Induktion über deg(g), dass jedes g ∈ J in dem von E erzeugten<br />

Ideal von R[X] liegt. Wenn g = 0 ist, gibt es nichts zu zeigen. Sei also 0 ≠ g ∈ J und<br />

deg(g) = m. Dann gilt g = bX m + . . . und b ∈ I m . Also kann man b = ∑ k c m ′ ka m ′ k<br />

mit m ′ = m für m ≤ N und m ′ = N sonst schreiben. Setze<br />

∑<br />

g 1 := g − X m−m′ c m′ kf m′ k. (1.1)<br />

Dann gilt deg(g 1 ) ≤ deg(g) − 1 für m ≥ 1 und g 1 = 0 für m = 0. Im Fall m = 0<br />

liefert (1.1), dass g = X ∑ m−m′ k c m ′ kf m′ k in dem von E erzeugten Ideal liegt, d.h.<br />

den Induktionsanfang. Für m > 0 bekommt man mit Induktion, dass g 1 in dem von<br />

E erzeugten Ideal liegt. Also liegt auch g in diesem Ideal.<br />

⊓⊔<br />

k<br />

Korollar 1.2.6. Sei K ein Körper, dann ist jede endlich erzeugte K-Algebra ein<br />

noetherscher Ring.


8 1 Affine Varietäten<br />

Beweis. Sei A eine endlich erzeugte K-Algebra, d.h. es gibt a 1 , . . . , a n ∈ A mit<br />

A = K[a 1 , . . . , a n ]. Dann gilt A ∼ = K[X 1 , . . . , X n ]/I, wobei I der Kern der Auswertungsabbildung<br />

in a = (a 1 , . . . , a n ) ∈ K n ist. Mit Proposition 1.2.4(i) und dem<br />

Hilbertschen Basissatz 1.2.5 folgt dann die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.2.7. Sei jetzt K ein Körper und A = K[X 1 , . . . , X n ] sowie A n K der<br />

n-dimensionale affine Raum über K (d.h. A n K = Kn als Menge). Wenn f ∈ A und<br />

P = (a 1 , . . . , a n ) ∈ A n K , setze f(P ) = f(a 1, . . . , a n ) ∈ K (Auswertung in P ). Wir<br />

haben eine Abbildung<br />

V : {J ✂ A | Ideale} −→ {X ⊆ A n K | Teilmengen}<br />

J ↦−→ V (J) := {P ∈ A n K | (∀f ∈ J) f(P ) = 0}<br />

Die Menge V (J) heißt die Verschwindungs- oder Nullstellenmenge von J. Eine<br />

Teilmenge X ⊆ A n K<br />

heißt algebraisch, wenn X = V (I) für ein Ideal I in A, d.h.<br />

Nullstellenmenge eines Ideals, ist.<br />

Beachte: wenn I von f 1 , . . . , f k erzeugt wird, dann gilt<br />

V (I) = {P ∈ A n K | f i (P ) = 0 ∀i = 1, . . . , r}.<br />

Weil A = K[X 1 , . . . , X n ] noethersch ist, ist eine algebraische Menge in A n K die<br />

Lösungsmenge von endlich vielen polynomialen Gleichungen. Wenn I = (f), d.h.<br />

das von f erzeugte Hauptideal, dann schreibt man V (f) statt V (I).<br />

Proposition 1.2.8. Die Abbildung V erfüllt folgende formale Eigenschaften.<br />

(i) V (0) = A n K , V (A) = ∅.<br />

(ii) I ⊆ J ⇒ V (I) ⊇ V (J).<br />

(iii) V (I 1 ∩ I 2 = V (I 1 ) ∪ V (I 2 ).<br />

(iv) V ( ∑ ) ∩<br />

I λ = V (I λ ).<br />

λ∈Λ<br />

λ∈Λ<br />

Beweis. (Übung)<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.2.9. Mit Proposition 1.2.8 sieht man, dass die V (I) die abgeschlossenen<br />

Mengen einer Topologie, der Zariski-Topologie auf A n K , sind.<br />

Definition 1.2.10. Wir definieren jetzt eine Art inverse Abbildung zu V :<br />

I : {X ⊆ A n K | Teilmengen} −→ {J ✂ A | Ideale}<br />

X ↦−→ I(X) := {f ∈ A | ∀P ∈ X : f(P ) = 0}<br />

I(X) heißt das Verschwindungsideal von X.<br />

Proposition 1.2.11. Sei A = K[X 1 , . . . , X n ]. Dann gilt<br />

(i) X ⊆ Y ⊆ A n K ⇒ I(X) ⊇ I(Y )<br />

(ii) X ⊆ A n K ⇒ X ⊆ V ( I(X) ) und Gleichheit gilt genau dann, wenn X algebraisch<br />

ist.


1.2 Der Hilbertsche Nullstellensatz 9<br />

↑ 19.4.2012 ↑<br />

(iii) J ⊆ A Ideal ⇒ J ⊆ I ( V (J) ) .<br />

Beweis. (i) ist trivial und für (ii) und (iii) folgen die Inklusionen sofort aus den<br />

Definitionen.<br />

Wir zeigen den zweiten Teil von (ii): X = V ( I(X) ) impliziert, dass X algebraisch<br />

ist. Umgekehrt folgt nach (iii) aus X = V (I 0 ), dass I 0 ⊆ I(X) und daher V ( I(X) ) ⊆<br />

V (I 0 ) nach Proposition 1.2.8. Wegen X ⊆ V ( I(X) ) folgt die Behauptung. ⊓⊔<br />

Beispiel 1.2.12. (i) Wenn K nicht algebraisch abgeschlossen ist und f ∈ K[X]<br />

weder Nullstellen in K hat noch konstant ist, dann ist J := (f) ≠ K[X], aber<br />

wegen V (J) = ∅ hat man I ( V (J) ) = K[X], d.h. J I ( V (J) ) .<br />

(ii) Für A 2 R und f = X2 + Y 2 gilt V (f) = {(0, 0)} =: P , aber I(P ) = (X, Y ), das<br />

von X und Y erzeugte Ideal, d.h. (f) I ( V (f) ) .<br />

Beispiel 1.2.13. Für f ∈ K[X 1 , . . . , X n ], 2 ≤ m ∈ N gilt V (f m ) = V (f) und<br />

f ∈ I ( V (f m ) ) , aber in der Regel nicht f ∈ (f m ). Das Problem ist, dass V nicht die<br />

Vielfachheit“ einer Nullstelle zählt.<br />

”<br />

Definition 1.2.14. Sei I ⊆ A ein Ideal. Das Radikal von I ist rad I := {f ∈ A |<br />

f n ∈ I für ein n ∈ N}. Wenn rad I = I, dann heißt I ein Radikalideal.<br />

Bemerkung 1.2.15. (i) rad I ist ein Ideal: Wenn f, g ∈ rad I, dann gibt es n, m<br />

mit f n , g m ∈ I und<br />

(f + g) r =<br />

r∑<br />

l=0<br />

( r<br />

l)<br />

f l g r−l ∈ I für r ≥ n + m − 1.<br />

(ii) Wenn I prim ist, dann ist I ein Radikalideal: Aus f n ∈ I folgt nämlich f n−1 ∈ I<br />

oder f ∈ I etc.<br />

(iii) Für f = ∏ j f n j<br />

j mit irreduziblen und paarweise verschiedenen f j . Dann gilt<br />

(Übung) für das Ideal I = (f), dass rad I = ( ∏ f j ).<br />

Satz 1.2.16 (Hilberts Nullstellensatz).<br />

Sei K algebraisch abgeschlossen.<br />

(i) Jedes maximale Ideal in A = K[X 1 , . . . , X n ] ist von der Form<br />

m P = (X 1 − a 1 , . . . , X n − a n )<br />

für ein P = (a 1 , . . . , a n ) ∈ A n K und m P ist das Verschwindungsideal von P .<br />

(ii) Sei J A ein Ideal, dann gilt V (J) ≠ ∅.<br />

(iii) Für jedes Ideal J ⊆ A gilt I ( V (J) ) = rad J.<br />

Beweis. (i) Sei m ⊆ K[X 1 , . . . , X n ] ein maximales Ideal und L = K[X 1 , . . . , X n ]/m.<br />

Dann ist L ein Körper und φ = π ◦ ι : K → L mit der Inklusion ι : K →<br />

K[X 1 , . . . , X n ] und der kanonischen Quotientenabbildung π : K[X 1 , . . . , X n ] →<br />

L. Die Abbildung φ ist als Ringhomomorphismus automatisch ein Körperhomomorphismus,<br />

also injektiv. L wird als Ring über φ(K) durch π(X 1 ), . . . , π(X n )<br />

↑ 25.4.2012 ↑


10 1 Affine Varietäten<br />

erzeugt, also ist nach Lemma 1.1.7 φ(K) ⊆ L eine algebraische Körpererweiterung.<br />

Weil mit K auch der isomorphe Körper φ(K) algebraisch abgeschlossen ist, liefert<br />

Korollar 1.1.8 sogar φ(K) = L.<br />

Sei jetzt b j ∈ L das Bild von X j und a j := φ −1 (b j ). Dann gilt<br />

π(X j − a j ) = π(X j ) − π ◦ ι(a j ) = φ(a j ) − φ(a j ) = 0,<br />

d.h. X j − a j ∈ m für j = 1, . . . , n.<br />

Für P := (a 1 , . . . , a n ) ∈ A n K gilt, dass m P := V (P ) = ker(ev P ) von ev P :<br />

K[X 1 , . . . , X n ] → K ist. Weil (ev P ) surjektiv ist, gilt K[X 1 , . . . , X n ]/m P<br />

∼ = K<br />

und m P ist ein maximales Ideal in K[X 1 , . . . , X n ].<br />

Indem man für f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] die Taylorentwicklung in P betrachtet, erkennt<br />

man, dass ker(ev P ) = (X 1 − a 1 , . . . , X n − a n ) gilt. Also haben wir oben<br />

m P ⊆ m gezeigt. Die Maximalität von m P liefert dann die Gleichheit.<br />

(ii) Sei J A = K[X 1 , . . . , X n ] ein Ideal. Nach dem Lemma von Zorn ist J in<br />

einem maximalen Ideal m enthalten und nach (i) ist dieses von der Form m P<br />

mit J ⊆ m P , und dies liefert P ∈ V (J).<br />

(iii) Sei J K[X 1 , . . . , X n ] ein Ideal und f ∈ K[X 1 , . . . , X n ]. Jetzt betrachte das<br />

Ideal<br />

J 1 := (J, fY − 1) ⊆ K[X 1 , . . . , X n , Y ].<br />

Wenn Q = (a 1 , . . . , a n , b) ∈ V (J 1 ) ⊆ A n+1<br />

K<br />

, dann gilt g(a 1, . . . , a n ) = 0 für alle<br />

g ∈ J und P = (a 1 , . . . , a n ) ∈ V (J). Wegen 0 = (fY − 1)(Q) = f(P ) · b − 1<br />

folgt b = f(P ) −1 . Wenn wir aber f ∈ I ( V (J) ) gewählt haben, dann liefert dies<br />

V (J 1 ) = ∅ und (ii) zeigt J 1 = K[X 1 , . . . , X n , Y ]. Es folgt<br />

( l∑ )<br />

1 = g i f i + g 0 (fY − 1) ∈ K[X 1 , . . . , X n , Y ] (∗)<br />

i=1<br />

mit f i ∈ J, g 0 , g i ∈ K[X 1 , . . . , X n , Y ] für i = 1, . . . , l.<br />

Sei Y N die höchste Potenz von Y , die in g 0 oder einem der g i vorkommt. Man<br />

multipliziert (∗) mit f N und erhält<br />

f N =<br />

l∑<br />

i=1<br />

G i (X 1 , . . . , X n , fY )f i + G 0 (X 1 , . . . , X n , fY )(fY − 1).<br />

Modulo (fY − 1) liefert diese Gleichheit Polynome h i ∈ K[X 1 , . . . , X n ] mit<br />

f N =<br />

l∑<br />

i=1<br />

h i (X 1 , . . . , X n )f i ∈ K[X 1 , . . . , X n , Y ]/(fY − 1).<br />

Beachte, dass die Verknüpfung<br />

K[X 1 , . . . , X n ] ↩→ K[X 1 , . . . , X n , Y ] → K[X 1 , . . . , X n , Y ]/(fY − 1)<br />

ein injektiver Ringhomomorphismus ist, weil fY −1 kein von Null verschiedenes<br />

Polynom in K[X 1 , . . . , X n ] teilen kann. Wegen f, h i , f i ∈ K[X 1 , . . . , X n ] können<br />

wir die Gleichung f N = ∑ h i f i also auch in K[X 1 , . . . , X n ] lesen. Es folgt f N =<br />

∑<br />

hi (X 1 , . . . , X n )f i ∈ J und f ∈ rad J, also I ( V (J) ) ⊆ rad J. Die Umkehrung<br />

ist klar.<br />

⊓⊔


1.2 Der Hilbertsche Nullstellensatz 11<br />

↑ 26.4.2012 ↑<br />

{Ideale I ⊂ A}<br />

{Radikalideale} <br />

V<br />

I<br />

V =I −1<br />

Bijektion<br />

{Teilmengen X ⊆ A n K }<br />

<br />

{algebraische Teilmengen}<br />

Definition 1.2.17. Eine algebraische Menge X ⊆ A n K heißt irreduzibel, wenn es<br />

keine Zerlegung von X der Form X = X 1 ∪ X 2 mit X 1 , X 2 X algebraisch gibt.<br />

Abb. 1.1. V (x) ∪ V (y) = V (xy) ⊆ A 2 R reduzibel<br />

Proposition 1.2.18. (i) Sei X ⊆ A n K algebraisch, dann ist X genau dann irreduzibel,<br />

wenn I(X) prim ist.<br />

(ii) Jede algebraische Menge lässt sich in eindeutiger Weise als X = X 1 ∪ . . . ∪ X r<br />

mit X i irreduzibel und X i X j für i ≠ j schreiben. (Die X i heißen dann die<br />

irreduziblen Komponenten von X).<br />

Beweis. (i) Wenn X nicht irreduzibel ist, dann können wir schreiben X = X 1 ∪ X 2<br />

mit X 1 , X 2 X algebraisch. Wegen X i = V ( I(X i ) ) gilt I(X 1 )I(X 2 ) ⊆ I(X) <br />

I(X 1 ), I(X 2 ). Also gibt es f i ∈ I(X i )\I(X) mit f 1 f 2 ∈ I(X), d.h. I(X) ist nicht<br />

prim.<br />

Umgekehrt, wenn I(X) nicht prim ist, gibt es f 1 , f 2 /∈ I(X) mit f 1 f 2 ∈ I(X).<br />

Sei I i = ( )<br />

I(X), f i und V (Ii ) =: X i , dann gilt X i X, weil es für f j ̸ inI(X)<br />

ein Q ∈ X mit f j (Q) ≠ 0, also Q nicht in X j liegen kann. Aber aus P ∈ X<br />

folgt dann f 1 f 2 (P ) = 0, d.h. f 1 (P ) = 0 oder f 2 (P ) = 0 und damit P ∈ X 1 oder<br />

P ∈ X 2 .<br />

(ii) Sei X 1 ⊇ X 2 ⊇ . . . ⊇ X n ⊇ . . . eine Kette von algebraischen Mengen. Dann<br />

gilt: Die entsprechende Kette der Verschwindungsideale I(X 1 ) ⊆ I(X 2 ) ⊆ . . . ⊆<br />

I(X n ) ⊆ . . . wird stationär. Wegen X n = V ( I(X n ) ) (vgl. Proposition 1.2.11)<br />

wird dann auch die erste Kette wird stationär. Also hat jede Menge von algebraischen<br />

Teilmengen in A n K ein minimales Element (Lemma von Zorn).<br />

Sei jetzt Σ die Menge aller algebraischen Teilmengen X ⊆ A n K , für die es eine<br />

Zerlegung wie in (ii) nicht gibt. Wenn Σ ≠ ∅, dann gibt es ein minimales Element<br />

X in Σ. Dann ist X nicht irreduzibel (das wäre dann schon die Zerlegung), also<br />

finden wir X = X 1 ∪ X 2 mit X 1 , X 2 X algebraisch. Wegen der Minimalität<br />

haben X 1 und X 2 Zerlegungen und zusammen findet man eine Zerlegung für<br />

X. Dies liefert einen Widerspruch! Also gilt Σ = ∅ und das beweist die Existenz<br />

der Zerlegung. Die Eindeutigkeit ist dem Leser als Übung überlassen.<br />

⊓⊔


12 1 Affine Varietäten<br />

↑ 2.5.2012 ↑<br />

{Ideale I ⊂ A}<br />

{Radikalideale} <br />

V<br />

I<br />

V =I −1<br />

Bijektion<br />

{Teilmengen X ⊆ A n K }<br />

{algebraische Teilmengen}<br />

{Primideale} <br />

V =I −1<br />

Bijektion<br />

<br />

{irreduzible algebraische Teilmengen}<br />

Beispiel 1.2.19. (i) Hyperflächen: Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] irreduzibel. Dann ist<br />

V (f) eine irreduzible Hyperfläche. Sind f 1 und f 2 zwei solche Polynome und<br />

keine Vielfachen von einander, so folgt V (f 1 ) ≠ V (f 2 ).<br />

(ii) Sei jetzt |K| = ∞ und J = (uw − v 2 , u 3 − vw) ⊆ K[u, v, w] (Kurve in A 3 K ).<br />

Dann ist J ist nicht prim: u /∈ J, w 2 − u 2 v /∈ J aber J ∋ w(uw − v 2 ) −<br />

v(u 3 − vw) = u(w 2 − u 2 v). Es folgt V (J) = V (J, u) ∪ V (J, w 2 − u 2 v). Es gilt<br />

V (J, u) = {(0, 0, a 3 ) | a 3 ∈ K}. Sei<br />

C = V (J, w 2 − u 2 v) = {(u, v, w) | uw = v 2 , u 3 = vw, w 2 = u 2 v}.<br />

Die Abbildung φ : A 1 K → C ⊆ A3 K , t ↦→ (t3 , t 4 , t 5 ) ist surjektiv, wie man sieht,<br />

wenn man t := v u<br />

für u ≠ 0 setzt.<br />

C ist irreduzibel. Um das einzusehen, nimmt man an, dass X 1 ∪ X 2 = C mit<br />

algebraischen Mengen X i C. Dann gibt es f i (u, v, w) ∈ I(X i ) \ I(C) mit<br />

0 = f 1 (t 3 , t 4 , t 5 )f 2 (t 3 , t 4 , t 5 ). Eines der beiden Polynome hat also unendlich viele<br />

Nullstellen, muss also identisch Null sein. Damit verschwindet dieses Polynom<br />

auf C, was einen Widerspruch zu f i (u, v, w) ∈ I(X i ) \ I(C) liefert.<br />

w<br />

u<br />

v<br />

Übung 1.2.1. Sei p ∈ R[X, Y ] ein Polynom vom Grad ≤ 2, p = ∑ i+j≤2 c ijX i Y j , mit<br />

4 c 20 · c 02 − c 112 ≠ 0. Zeige: Es gibt A ∈ GL(2, R) und b ∈ R 2 , so dass<br />

p(Ax + b) = α x 1 2 + β x 2 2 + γ<br />

gilt für alle x = (x 1, x 2) ⊤ ∈ R 2 und geeignete α, β ∈ {−1, 1}, γ ∈ R. Skizziere die möglichen<br />

Nullstellenmengen {x ∈ R 2 | p(Ax + b) = 0} für γ ∈ {−1, 0, 1}.<br />

Übung 1.2.2. Sei K ein Körper mit unendlich vielen Elementen und A eine endlich erzeugte<br />

K-Algebra: A = K[a 1 , . . . , a n ]. Wenn A ein Körper ist, dann ist A algebraisch über<br />

K, d.h. jedes Element von A ist Nullstelle eines Polynoms mit Koeffizienten in K.


1.2 Der Hilbertsche Nullstellensatz 13<br />

Übung 1.2.3. Seien K ein Körper, A eine K-Algebra und y 1 , . . . , y r ∈ A algebraisch unabhängige<br />

Elemente. Zeige: Ist A eine endliche K[y 1 , . . . , y r ]-Algebra, so ist {y 1 , . . . , y r }<br />

maximal algebraisch unabhängig, d.h. y 1 , . . . , y r , y sind algebraisch abhängig für alle y ∈ A.<br />

Übung 1.2.4. Es sei A = R[X, Y ]/(Y 2 −X 3 +X). Bestimme Elemente y 1 , . . . , y m ∈ A, die<br />

über R algebraisch unabhängig sind, und so, dass A eine endliche R[y 1, . . . , y m]-Algebra<br />

ist.<br />

Übung 1.2.5. Sei R ein noetherscher Ring.<br />

1. Wenn I ✂ R ein Ideal ist, dann ist der Quotientenring R/I noethersch.<br />

2. Sei R ein noetherscher Integritätsbereich, K der Quotientenkörper von R. Sei 0 /∈ S ⊆<br />

R eine multiplikativ abgeschlossene Teilmenge und<br />

{ ∣ a<br />

}<br />

B := R[S −1 ∣∣<br />

] :=<br />

b ∈ K a ∈ R, b = 1 oder ein Elementen aus S .<br />

Dann ist B ein noetherscher Ring.<br />

Übung 1.2.6. Skizziere den Newtonschen Knoten<br />

C = {(x, y) ∈ R 2 | y 2 = x 2 (x + 1)} .<br />

Wie lassen sich allgemeiner Nullstellenmengen von Polynomen der Form p(x, y) = y 2 −q(x)<br />

mit q ∈ R[X] skizzieren?<br />

Übung 1.2.7. Sei K ein Körper und A = K[X 1, . . . , X n]. Zeige, dass die Abbildung V , die<br />

jedem Ideal J ⊆ A die Nullstellenmenge V (J) ⊆ A n K zuordnet, die folgenden formalen<br />

Eigenschaften besitzt:<br />

(i) V (0) = A n K, V (A) = ∅.<br />

(ii) I ⊆ J =⇒ V (I) ⊇ V (J).<br />

(iii) V (I 1 ∩ I 2) = V (I 1) ∪ V (I 2).<br />

(iv) V ( ∑ ) ∩<br />

I λ = V (I λ ).<br />

λ∈Λ<br />

λ∈Λ<br />

Übung 1.2.8. Für eine Primzahl p ∈ Z sei S := Z \ pZ.<br />

1. Bestimme Z[S −1 ] ⊆ Q explizit.<br />

2. Bestimme die Einheitengruppe in Z[S −1 ].<br />

3. Bestimme die Menge der Ideale von Z[S −1 ].<br />

Übung 1.2.9. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins und R[[X]] der Ring der formalen<br />

Potenzreihen. Zeige: Ist R noethersch, so ist auch R[[X]] noethersch.<br />

Hinweis: Für ein Ideal J ⊆ R[[X]] betrachte man die Mengen<br />

I n := {a ∈ A | ∃f = aX n + Terme höherer Ordnung ∈ J} .<br />

Übung 1.2.10. Untersuche den Zusammenhang zwischen Idealen und Varietäten am Beispiel<br />

der folgenden Ideale in C[X, Y, Z]:<br />

I 1 := (XY + Y 2 , XZ + Y Z),<br />

I 2 := (XY + Y 2 , XZ + Y Z + XY Z + Y 2 Z),<br />

I 3 := (XY 2 + Y 3 , XZ + Y Z) .<br />

Untersuche für k, l = 1, 2, 3 und k < l:<br />

1. Ist I k = I l ?<br />

2. Ist V (I k ) = V (I l )?<br />

Übung 1.2.11. Sei K ein Körper und A := K[X 1, . . . , X n]. Sei f ∈ A und f = ∏ r<br />

j=1 f m j<br />

j<br />

mit irreduziblen und paarweise verschiedenen f j ∈ A (man beachte, dass A ein faktorieller<br />

Ring ist). Zeige: Für das Ideal I := (f) gilt<br />

( r∏<br />

)<br />

f j<br />

j=1<br />

rad I =<br />

.


14 1 Affine Varietäten<br />

Übung 1.2.12. Zeige, dass die folgenden Mengen algebraisch sind und bestimme ihre Verschwindungsideale:<br />

V 1 := {(t, t 2 ) | t ∈ C} ⊆ A 2 C,<br />

V 2 := {(t, t 2 , t 3 ) | t ∈ C} ⊆ A 3 C.<br />

Übung 1.2.13. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Ein Element r ∈ R heißt nilpotent,<br />

falls es ein n ∈ N gibt mit r n = 0. Zeige:<br />

1. Die Menge N(R) der nilpotenten Elemente von R bildet ein Ideal.<br />

2. Ist I ✂ R ein Ideal und φ : R → R/I die kanonische Projektion, so gilt<br />

rad I = φ −1( N(R/I) ) .<br />

3. Ein Ideal I ✂ R ist genau dann Radikalideal, wenn R/I außer I keine weiteren nilpotenten<br />

Elemente enthält.<br />

Übung 1.2.14. Sei K ein Körper und A n K<br />

P = (a 1 , . . . , a n ) ∈ A n K sei<br />

der n-dimensionale affine Raum über K. Für<br />

ev P : K[X 1 , . . . , X n ] → K, f ↦→ f(P ) = f(a 1 , . . . , a n )<br />

der Auswertungshomomorphismus in P . Zeige, dass<br />

ker(ev P ) = (X 1 − a 1, · · · , X n − a n) .<br />

Hinweis: Betrachte die Taylorentwicklung von f in P .<br />

Übung 1.2.15. Zeige, dass die folgenden Mengen algebraisch sind und bestimme ihre Verschwindungsideale:<br />

V 1 := {(cos t, sin t) | t ∈ C} ⊆ A 2 C,<br />

V 2 := {(t 2 , t 3 , t 4 ) | t ∈ C} ⊆ A 3 C.<br />

Übung 1.2.16. Bestimme das Verschwindungsideal der algebraischen Menge<br />

Ist V irreduzibel?<br />

V := {(t, t 2 , t 3 ) | t ∈ C} ⊆ A 3 C.<br />

Übung 1.2.17. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper. Betrachte die algebraische<br />

Menge V = V (I) ⊆ A 3 K, die durch das Ideal<br />

I = (X 2 − Y Z, XZ − X)<br />

gegeben wird. Zerlege V in irreduzible Komponenten.<br />

Übung 1.2.18. Sei V ⊆ A n K eine algebraische Menge und K[V ] der zugehörige Koordinatenring.<br />

Zeige:<br />

{V (I) | I ✂ K[V ]}<br />

ist die Menge der abgeschlossenen Mengen einer Topologie (der Zariski-Topologie auf V ).<br />

Übung 1.2.19. Sei K ein Körper und X ⊆ A n K eine algebraische Menge. Zeige, dass die<br />

Zerlegung<br />

X = X 1 ∪ . . . ∪ X r<br />

von X in irreduzible algebraische Mengen X i ⊆ A n K mit X i X j (i ≠ j) eindeutig ist.<br />

Übung 1.2.20. Betrachte die algebraische Menge V = V (I) ⊆ A 3 C, die durch das Ideal<br />

I = (X 2 − Y Z, Y 2 − Z 2 )<br />

gegeben wird. Zerlege V in irreduzible Komponenten.


1.3 Reguläre Funktionen 15<br />

1.3 Reguläre Funktionen<br />

Definition 1.3.1. Sei V ⊆ A n K<br />

eine algebraische Menge und I(V ) ihr Verschwindungsideal.<br />

Eine Funktion f : V → K heißt Polynomfunktion, wenn es ein Polynom<br />

F ∈ K[X 1 , . . . , X n ] mit f = F | V gibt, wobei F | V die Einschränkung von F<br />

auf V ist. Der Ring K[V ] := K[X 1 , . . . , X n ]/I(V ) heißt der Koordinatenring von<br />

V .<br />

Für F, G ∈ K[X 1 , . . . , X n ] gilt<br />

F | V ≡ G| V ⇔ F − G ∈ I(V ).<br />

Damit ist K[V ] ein Ring von Funktionen auf V . Genauer, K[V ] ist der kleinste Ring,<br />

der die konstanten Funktionen und die Koordinatenfunktionen P = (a 1 , . . . , a n ) x j<br />

↦−→<br />

a j enthält. Beachte dass dies auch für endliche Körper funktioniert.<br />

Bemerkung 1.3.2. Die Abbildungen<br />

mit<br />

{I ⊆ K[V ] | Ideale} V ⇄<br />

I<br />

{X ⊆ V | Teilmengen }<br />

V (I) := {P ∈ V | ∀ f ∈ I : f(P ) = 0}<br />

I(X) := {f ∈ K[V ] | ∀ P ∈ X : f(P ) = 0}<br />

haben die entsprechenden Eigenschaften für V = A n K . Insbesondere sind die V (I)<br />

die abgeschlossenen Mengen einer Topologie (der Zariski-Topologie) auf V .<br />

Proposition 1.3.3. Sei V ⊆ A n K algebraisch. Folgende Eigenschaften sind äquivalent<br />

(1) V ist irreduzibel.<br />

(2) Für ∅ ̸= U 1 , U 2 ⊆ V offen gilt U 1 ∩ U 2 ≠ ∅.<br />

(3) Für ∅ ̸= U ⊆ V offen gilt: U ist dicht in V .<br />

Beweis. (1) ⇔ (2)“: V \ (U ” 1 ∩ U 2 ) = V \ U 1 ∪ V \ U 2<br />

} {{ } } {{ }<br />

A 1<br />

A 2<br />

.<br />

” (2) ⇔ (3)“: U ⊆ V ist genau dann dicht, wenn für alle offenen U ′ ⊆ V gilt:<br />

U ′ ∩ U ≠ ∅.<br />

⊓⊔<br />

↑ 3.5.2012 ↑<br />

Definition 1.3.4. Seien V ⊆ A n K , W ⊆ Am K algebraisch. Eine Abbildung f : V →<br />

W heißt polynomial, wenn es Polynome F 1 , . . . , F m ∈ K[A m K ] = K[X 1, . . . , X n ]<br />

mit f(P ) = ( F 1 (P ), . . . , F m (P ) ) ∈ A m K für alle P ∈ V gibt.<br />

Beachte: f : V → W ist genau dann polynomial, wenn f j = y j ◦ f für<br />

y j (b 1 , . . . , b m ) = b j mit j = 1, . . . , m polynomial ist, d.h., wenn gilt f j ∈ K[V ].<br />

Eine polynomiale Abbildung f : V → W heißt ein Isomorphismus algebraischer<br />

Mengen, wenn es eine polynomiale Abbildung g : W → V mit g ◦ f = id V und<br />

f ◦ g = id W gibt.


16 1 Affine Varietäten<br />

Beispiel 1.3.5. (i) φ : A 1 K → C ⊆ A3 K , t ↦→ (t3 , t 4 , t 5 ) ist polynomial (vgl. 1.2.19).<br />

(ii) φ : A 1 R → A2 R , t ↦→ 1<br />

t 2 +1 (2t, t2 − 1) ist nicht polynomial (Parametrisierung des<br />

Kreises).<br />

N<br />

ϕ(t)<br />

Satz 1.3.6. V ⊆ A n K , W ⊆ Am K<br />

seien algebraisch.<br />

(i) Eine polynomiale Abbildung f : V → W induziert via f ∗ (g) = g ◦ f einen K-<br />

Algebren-Homomorphismus f ∗ : K[W ] → K[V ].<br />

(ii) Jeder K-Algebren-Homomorphismus Φ: K[W ] → K[V ] ist von der Form Φ = f ∗<br />

für eine eindeutig bestimmte polynomiale Abbildung f : V → W , d.h.<br />

{f : V → W | polynomial} → {Φ: K[W ] → K[V ] ∣ ∣ K − Algebren-Hom.}<br />

f ↦→ f ∗<br />

ist eine Bijektion.<br />

↑ 9.5.2012 ↑<br />

Beweis. (i) Sei f gegeben durch (F 1 , . . . , F m ) und g durch G ∈ K[A m K<br />

]. Dann ist<br />

g ◦ f durch G(F 1 , . . . , F m ) gegeben (man kann Polynome ineinander einsetzen),<br />

d.h. g ◦ f ist polynomial, also in K[V ]. Offensichtlich gilt f ∗ (a) = a für a ∈ K<br />

(= konstante Funktion). Der Nachweis, dass f ∗ tatsächlich ein Algebrenhomomorphismus<br />

ist, sei dem Leser als Übung überlassen.<br />

(ii) y j : W → K sei die j-te Koordinatenfunktion für j = 1, . . . , m. Sie sind durch<br />

Auswertung der Polynome Y j ∈ K[Y 1 , . . . , Y m ] gegeben, also polynomial. Setze<br />

f j := Φ(y j ) ∈ K[V ] und f := (f 1 , . . . , f m ) : V → A m K . Zunächst wollen wir zeigen,<br />

dass f(V ) ⊆ W . Dazu reicht es für ein beliebiges G ∈ I(W ) ⊆ K[Y 1 , . . . , Y m ]<br />

zu zeigen, dass für alle Q ∈ V gilt G(f 1 (Q), . . . , f m (Q)) = 0. D.h., man<br />

muss zeigen, dass G(f 1 , . . . , f m ) = 0 ∈ K[V ]. Betrachte dazu die Abbildung<br />

G(y 1 , . . . , y m ) ∈ K[W ], die dadurch entsteht, dass man die Abbildungen<br />

y j ∈ K[W ] in G einsetzt. Weil (y 1 , . . . , y m ): W → A m K gerade die Einbettung von<br />

W in A m K ist und G im Verschwindungsideal von W liegt, gilt G(y 1, . . . , y m ) = 0.<br />

Da Φ eine K-Algebren-Homomorphismus ist, gilt<br />

G(f 1 , . . . , f m ) = G ( Φ(y 1 ), . . . , Φ(y m ) ) = Φ ( G(y 1 , . . . , y m ) ) = Φ(0) = 0 ∈ K[V ].<br />

Damit wissen wir jetzt f(V ) ⊆ W und zusammen ergibt sich, dass f : V → W<br />

polynomial ist.<br />

Beachte: f ∗ (y j ) = f j = Φ(y j ) und die y j erzeugen K[W ], also gilt f ∗ = Φ. Der<br />

Nachweis der Eindeutigkeit sei dem Leser als Übung überlassen.<br />

⊓⊔


1.3 Reguläre Funktionen 17<br />

Korollar 1.3.7. Eine polynomiale Abbildung f : V → W ist genau dann ein Isomorphismus,<br />

wenn f ∗ : K[W ] → K[V ] ein K-Algebren-Isomorphismus ist.<br />

Beweis. Wenn g : W → V mit g◦f = id V , dann gilt f ∗ ◦g ∗ = (g◦f) ∗ = id ∗ V = id K(V )<br />

etc.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 1.3.8. Die Abbildung<br />

φ : A 1 K → C := {(a, b) ∈ A 2 K | b 2 = a 3 } ⊆ A 2 K, t ↦→ (t 2 , t 3 )<br />

φ ist polynomial. Wenn |K| = ∞ ist, dann gilt<br />

φ ∗ : K[C] = K[Y 1 , Y 2 ]/(Y 2<br />

2 − Y 3<br />

1 ) → K[A 1 K] = K[X]<br />

y 1 ↦→ X 2 ,<br />

y 2 ↦→ X 3 .<br />

In diesem Fall haben wir im (φ ∗ ) = K[X 2 , X 3 ] K[X], also ist φ ∗ kein Isomorphismus.<br />

Die Voraussetzung |K| = ∞ wurde dabei für die Identifikation K[A 1 K ] = K[X]<br />

und die Beschreibung von K[C] gebraucht. Im Falle von K = {0, 1} ist das Verschwindungsideal<br />

von A 1 K gleich ( X(X − 1) ) K[X]. Wenn x das Bild von X in<br />

K[A 1 K ] ist, dann gilt in diesem Fall x2 = x, also auch x 3 = x und ϕ ∗ ist surjektiv.<br />

Beachte, dass K[A 1 K ] = K + Kx nur zweidimensional ist. Das Verschwindungsideal<br />

I(C) von C wird in diesem Fall von Y 1 − Y 2 und Y1 2 − Y 1 erzeugt (Übung). Man<br />

sieht außerdem, dass C = {(a, a) ∈ A 2 K | a ∈ K}. Der Koordinatenring wird von<br />

y 1 := Y 1 + I(C) erzeugt und ist ebenfalls zweidimensional: K[C] = K + Ky 1 . Wegen<br />

ϕ ∗ (y 1 ) = x ist ϕ ∗ in diesem Fall also ein Isomorphismus.<br />

Definition 1.3.9. Sei K ein Körper. Eine affine Varietät über K ist eine Menge<br />

V , zusammen mit einem Ring K[V ] von Funktionen f : V → K, mit folgenden<br />

Eigenschaften<br />

(a) K[V ] ist eine endlich erzeugte K-Algebra.<br />

(b) Es gibt Erzeuger x 1 , . . . , x n von K[V ] so, dass die Abbildung<br />

φ : V → A n K, P ↦→ ( x 1 (P ), . . . , x n (P ) )<br />

injektiv mit algebraischem Bild φ(V ) ist.<br />

Auf V betrachtet man die von φ induzierte Topologie, wobei die Topologie auf A n N<br />

die Zariski-Topologie ist. Sie ist unabhängig von der Wahl der Erzeuger (Übung). Eine<br />

affine Varietät V heißt irreduzibel, wenn sie nicht als Vereinigung zweier echter<br />

abgeschlossener Teilmengen geschrieben werden kann, d.h. wenn ϕ(V ) irreduzibel<br />

ist.<br />

Bemerkung 1.3.10. Wenn V eine irreduzible affine Varietät ist, dann ist K[V ]<br />

ein Integritätsbereich: Nach Proposition 1.2.18 ist die Irreduzibilität von ϕ(V )<br />

äquivalent dazu, dass das Verschwindungsideal I ( ϕ(V ) ) prim ist. Betrachte die Auswertung<br />

von F ∈ K[X 1 , . . . , X n ] in ϕ(V ). Sie ordnet F die Funktion<br />

ϕ(P ) = (x 1 (P ), . . . , x n (P )) ↦→ F (x 1 (P ), . . . , x n (P )) = F (x 1 , . . . , x n )(P )


18 1 Affine Varietäten<br />

zu. Aber F (x 1 , . . . , x n ) ∈ K[V ] und weil die x j Erzeuger von K[V ] sind, ist jedes<br />

Element von K[V ] von dieser Form. Weil ϕ injektiv ist, haben wir auf diese Weise<br />

eine surjektive Abbildung<br />

ϕ ∗ : K[X 1 , . . . , X n ] → K[V ], F ↦→ ( P ↦→ F (x 1 , . . . , x n )(P ) ) ,<br />

↑ 10.5.2012 ↑<br />

von der man leicht nachrechnet (Übung), dass sie ein Homomorphismus von K-<br />

Algebren ist. Der Kern von ϕ ∗ ist gerade das Verschwindungsideal von ϕ(V ). Mit<br />

dem Homomorphiesatz folgt also K[V ] ∼ = K[X 1 , . . . , X n ]/I ( ϕ(V ) ) . Da I ( ϕ(V ) ) prim<br />

ist, ist der Quotientenring ein Integritätsbereich.<br />

Definition 1.3.11. Der Funktionenkörper K(V ) einer irreduziblen affinen Varietät<br />

V ist der Quotientenkörper von K[V ]. Die Elemente von K(V ) heißen rationale<br />

Funktionen auf V .<br />

Beachte: Eine rationale Funktion f ∈ K(V ) ist im Allgemeinen keine auf (ganz) V<br />

definierte Funktion V → K.<br />

Definition 1.3.12. Sei V eine irreduzible affine Varietät. Eine rationale Funktion<br />

f ∈ K(V ) heißt regulär im Punkt P ∈ V (man sagt auch, P liegt im Definitionsbereich<br />

von f), wenn f = g h<br />

mit g, h ∈ K[V ] und h(P ) ≠ 0. Wir schreiben<br />

dom (f) := {P ∈ V | f regulär in P }.<br />

Beachte, dass dom (f) nicht leer sein kann, weil h eine Funktion auf V ist und als<br />

solche genau dann Null, wenn alle ihre Werte Null sind.<br />

Bemerkung 1.3.13. Sei V eine irreduzible affine Varietät und O V,P<br />

K(V ) | f regulär in P }. Dann gilt<br />

O V,P = K[V ][{h −1 | h ∈ K[V ], h(P ) ≠ 0}]<br />

:= {f ∈<br />

und O V,P ⊆ K(V ) ist ein Ring, den man den lokalen Ring von V in P nennt (vgl.<br />

Proposition 1.2.4).<br />

Satz 1.3.14. Sei V eine irreduzible affine Varietät und f ∈ K(V ).<br />

(i) dom f ist offen und dicht in V bzgl. der Zariski-Topologie.<br />

(ii) Wenn K algebraisch abgeschlossen ist, gilt dom f = V genau dann, wenn f ∈<br />

K[V ].<br />

(iii) Sei K algebraisch abgeschlossen und V h = V \ V (h) := {P ∈ V | h(P ) ≠ 0} für<br />

h ∈ K[V ]. Für h ≠ 0 gilt V h ⊆ dom f genau dann, wenn<br />

{ g<br />

∣ }<br />

f ∈ K[V ][h −1 ∣∣<br />

] = g ∈ K[V ], k ∈ N0<br />

h k .<br />

Beweis. (i) Setze<br />

D f := {h ∈ K[V ] | hf ∈ K[V ]} =<br />

{<br />

h ∈ K[V ] ∣ f = g }<br />

h für ein g ∈ K[V ] ∪ {0}<br />

Dann ist D f ⊆ K[V ] ein Ideal, genannt das Nennerideal von f. Es gilt<br />

V \ dom f = {P ∈ V | ∀ h ∈ D f : h(P ) = 0} = V (D f )<br />

und daher ist dom f offen (und dann wegen der Irreduzibilität von V auch<br />

dicht).


1.3 Reguläre Funktionen 19<br />

(ii) Mit (i) folgt:<br />

dom f = V ⇐⇒ V (D f ) = ∅<br />

1.2.16(ii)<br />

⇐⇒ 1 ∈ D f ⇐⇒ f ∈ K[V ].<br />

(iii) Unter der Voraussetzung, dass h ≠ 0 hat man die folgenden Äquivalenzen:<br />

V h ⊆ dom f ⇐⇒ V (D f ) = V \ dom f ⊆ V (h) = V \ V h<br />

⇐⇒ h verschwindet auf V (D f )<br />

⇐⇒ h ∈ I ( V (D f ) ) 1.2.16(iii)<br />

= rad(D f )<br />

⇐⇒ ∃n ∈ N :<br />

h n ∈ D f<br />

⇐⇒ ∃n ∈ N, g ∈ K[V ] :<br />

f = g<br />

h n ∈ K[V ][h−1 ].<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.3.15. Sei V eine irreduzible affine Varietät. Eine rationale Abbildung<br />

f : V A n K<br />

ist eine partielle Abbildung, die durch<br />

f(P ) := ( f 1 (P ), . . . , f n (P ) )<br />

definiert ist, wobei P ∈ ∩ ∩<br />

i domf i und f i ∈ K(V ) gelten. Dann ist dom (f) :=<br />

i dom (f i) der Definitionsbereich von f. Die Abbildung f heißt regulär in P ∈<br />

V , wenn P ∈ dom (f). Eine rationale Abbildung f : V W für eine affine<br />

Varietät W ⊆ A m K ist eine rationale Abbildung f : V A m K mit f(dom f) ⊆ W . ↑ 16.5.2012 ↑<br />

Beispiel 1.3.16. φ : A 1 K<br />

φ : A 1 K<br />

A 2 K , t ↦→ 1<br />

t 2 +1 (2t, t2 − 1) ist rational. Genauer gilt<br />

C K = {(x, y) ∈ A 2 K | x 2 + y 2 = 1}<br />

und diese rationale Abbildung hat ein rationale Umkehrabbildung (Übung dazu:<br />

C K ist irreduzibel), die definiert ist durch<br />

ψ : C K<br />

A 1 K, (x, y) ↦−→ x<br />

1 − y .<br />

Seien V und W irreduzible affine Varietäten und f : V W und g :<br />

W U rationale Abbildungen. Dann ist g ◦ f als Abbildung auf (dom f) ∩<br />

f −1 (dom g) definiert, aber diese Menge kann leer sein, wie das folgende Beispiel<br />

zeigt.<br />

V = A 1 K, W = A 2 K, U = A 1 K f(x) = (x, 0), g(x, y) = x y .<br />

Wir untersuchen dieses Problem in seiner algebraischen Formulierung: Sei f :<br />

V W gegeben durch f 1 , . . . , f m ∈ K(V ) und g ∈ K[W ] von der Form<br />

G ∣ ∣<br />

W<br />

, G ∈ K[Y 1 , . . . , Y m ]. Dann ist<br />

g ◦ f = G(f 1 , . . . , f m ) : V<br />

ist eine wohldefinierte rationale Funktion und die Zuordnung g ↦→ g ◦ f definiert<br />

einen K-Algebren-Homomorphismus f ∗ : K[W ] → K(V ) (als Übung weise man die<br />

Homomorphieeigenschaft nach).<br />

Wenn man f ∗ zu einem Homomorphismus K(W ) → K(V ) fortsetzen wollte, so<br />

müsste gelten f ∗ ( g h ) = f ∗ (g)<br />

f ∗ (h), was aber in dieser Allgemeinheit nur möglich ist, wenn<br />

f ∗ injektiv ist.<br />

K


20 1 Affine Varietäten<br />

Definition 1.3.17. Sei V eine irreduzible affine Varietät. Eine rationale Abbildung<br />

f : V W heißt dominant, wenn f(dom f) bzgl. der Zariski-Topologie dicht<br />

in W ist.<br />

Bemerkung 1.3.18. Sei f : V<br />

W dominant.<br />

(i) Wenn ∅ ̸= U ⊆ W offen ist, dann ist U ∩ f(dom f) ≠ ∅ und daher f −1 (U) ≠ ∅.<br />

Nach Übung 1.3.1 ist f −1 (U) offen in dom f und Proposition 1.3.3 liefert, dass<br />

f −1 (U) dicht in V ist.<br />

(ii) Wenn g : W Z eine rationale Abbildung ist, dann ist f −1 (dom g) offen<br />

und dicht in V , also ist g ◦ f : V Z eine rationale Abbildung.<br />

(iii) Die nach (ii) definierte Abbildung K(W ) → K(V ), g ↦→ g ◦ f ist ein Homomorphismus<br />

von K-Algebren, also insbesondere ein Homomorphismus von Körpern.<br />

↑ 23.5.2012 ↑<br />

Proposition 1.3.19. Seien V und W irreduzible affine Varietäten. Für eine rationale<br />

Abbildung f : V W sind dann folgende Aussagen äquivalent:<br />

(1) f ist dominant.<br />

(2) f ∗ : K[W ] → K(V ) ist injektiv.<br />

Beweis. (1) ⇒ (2)“: Nach Bemerkung 1.3.18 liefert g ↦→ g ◦ f mit g ∈ K(W ) einen<br />

”<br />

K-Algebren-Homomorphismus f ∗ : K(W ) → K(V ) und für den ist f ∗∣ ∣<br />

K[W ]<br />

injektiv.<br />

(2) ⇒ (1)“: Für g ∈ K[W ] gilt<br />

”<br />

g ∈ ker f ∗ ⇐⇒ f(domf) ⊆ V (g).<br />

Wenn f nicht dominant ist, dann gibt es ein von Null verschiedenes g ∈ K[W ],<br />

das auf f(dom f) verschwindet, weil der Abschluss von f(dom f) in der Verschwindungsmenge<br />

eines nichttrivialen Ideals liegen muss.<br />

⊓⊔<br />

Satz 1.3.20. Seien V und W irreduzible affine Varietäten.<br />

(i) Eine dominante rationale Abbildung f : V W induziert einen K-Algebren-<br />

Homomorphismus f ∗ : K(W ) → K(V ).<br />

(ii) Jeder K-Algebren-Homomorphismus Φ : K(W ) → K(V ) ist von der Form Φ =<br />

f ∗ für eine eindeutig bestimmte dominante rationale Abbildung f : V W .<br />

(iii) Wenn f : V W und g : W Z dominant sind, dann gilt (g ◦ f) ∗ =<br />

f ∗ ◦ g ∗ .<br />

Beweis. Übung. (Hinweis: Kopiere den Beweis von Satz 1.3.6 und benutze Proposition<br />

1.3.19 für die nötigen Modifikationen).<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.3.21. Seien V und W affine Varietäten, V irreduzibel und U ⊆ V<br />

offen. Ein Morphismus f : U → W ist eine rationale Abbildung f : V W<br />

mit U ⊆ dom f. Sei U ′ ⊆ W, U ⊆ V offen. Ein Morphismus f : U → U ′ ist ein<br />

Morphismus f : U → W mit f(U) ⊆ U ′ . Ein Isomorphismus ist ein Morphismus,<br />

der eine Umkehrabbildung hat, die ebenfalls ein Morphismus ist (insbesondere muss<br />

W dazu irreduzibel sein).


1.3 Reguläre Funktionen 21<br />

Bemerkung 1.3.22. Für irreduzible affine Varietäten V und W über einem algebraisch<br />

abgeschlossenen Körper K sagt Satz 1.3.14 (ii)<br />

{f : V → W | Morphismus } = {f : V → W | polynomiale Abbildung}.<br />

Beispiel 1.3.23. Die Abbildung<br />

f : A 1 K −→ C = {(a, b) ∈ A 2 K | b 2 = a 3 }, t ↦−→ (t 2 , t 3 )<br />

liefert einen Isomorphismus<br />

f ∣ A 1<br />

K \{0} : A1 K \ {0} −→ C \ {(0, 0)}.<br />

Dazu: f : A 1 K → C ist polynomial und g : C <br />

mit dom g = C \ {(0, 0)}. Die Abbildungen<br />

A K 1 , (x, y) ↦−→ y x<br />

ist rational<br />

A 1 K \ {0}<br />

f ⇄<br />

g<br />

C \ {(0, 0)}<br />

sind zueinander invers.<br />

Definition 1.3.24. Sei V eine irreduzible affine Varietät und f ∈ K[V ]. Dann heißt<br />

V f := {P ∈ V | f(P ) ≠ 0} = V/V (f) eine standard offene Menge.<br />

Proposition 1.3.25. Sei V irreduzible affine Varietät über einem algebraisch abgeschlossenen<br />

Körper K und 0 ≠ f ∈ K[V ]. Dann ist V f isomorph zu einer irreduziblen<br />

affinen Varietät und es gilt<br />

K[V f ] = K[V ][f −1 ] ⊆ K(V ).<br />

Beweis. Sei J = I(V ) ⊆ K[X 1 , . . . , X n ] ein Primideal und f = F ∣ V<br />

, F ∈<br />

K[X 1 , . . . , X n ]. Für I = (J, Y F − 1) ∈ K[X 1 , . . . , X n , Y ] (vgl. Beweis des Hilbertschen<br />

Nullstellensatzes 1.2.16) und W := V (I) ⊆ A n+1<br />

K<br />

betrachte die Abbildungen<br />

und<br />

q : A n K<br />

Dann gilt V f ⊆ dom q und<br />

p : A n+1<br />

K<br />

−→ A n K, (P, p n ) ↦−→ P<br />

A n+1<br />

K , P ↦−→ (P, f(P )−1 ).<br />

q| V : V W ist rational mit dom (q| V ) = V f ,<br />

p| W : W −→ V f ist polynomial und surjektiv.<br />

Es gilt p ◦ q| Vf = id Vf und q ◦ p| W = id W . Insbesondere ist p| W : W → V f ist eine<br />

Bijektion. Wir versehen V f mit der Struktur einer affinen irreduziblen Varietät,<br />

bezüglich der p| W zu einem Isomorphismus wird. Dazu setzen wir<br />

K[V f ] := {h ∈ K(V ) | dom h ⊇ V f }.


22 1 Affine Varietäten<br />

p<br />

q<br />

W<br />

V(f)<br />

V<br />

Abb. 1.2. W = {(P, p n ) | P ∈ V f , p n f(P ) = 1}<br />

Wenn K algebraisch abgeschlossen ist, gilt nach Satz 1.3.14(iii), dass<br />

K[V f ] = K[V ][f −1 ].<br />

Da V irreduzibel ist, ist K[V ] und damit auch K[V ][f −1 ] nullteilerfrei. Wir behaupten,<br />

dass für h ∈ K(V ) gilt<br />

(∗) h ∈ K[V f ] ⇐⇒ h ◦ p| W ∈ K[W ].<br />

Um ⇒“ einzusehen, stellt man zunächst fest, dass p| ” W : W → V wegen p| W (W ) =<br />

V f ≠ ∅ dominant ist. Nach Bemerkung 1.3.18 gilt dann wegen h ∈ K(V ), dass<br />

(p| W ) ∗ (h) = h ◦ p| W ∈ K(W ). Aus V f ⊆ domh folgt W ⊆ dom(h ◦ p| W ), also liefert<br />

Satz 1.3.14(ii) für algebraisch abgeschlossenes K, dass h ◦ p| W ∈ K[W ]. Umgekehrt<br />

impliziert h ◦ p| W ∈ K[W ], dass h = h ◦ p| W ◦ q ∈ K(V ) mit dom h ⊇ V f , weil für<br />

h ◦ p| W = H ∈ K[W ] und P ∈ V f gilt h(P ) = H ( P, f(P ) −1) .<br />

Mit (∗) ergibt sich, dass<br />

(p| W ) ∗ : K[V f ] → K[W ],<br />

h ↦→ h ◦ p| W<br />

↑ 25.5.2012 ↑<br />

ein Isomorphismus von K-Algebren ist. Damit ist K[V f ] eine endlich erzeugte nullteilerfreie<br />

K-Algebra. Insbesondere sieht man an dieser Stelle, dass W irreduzibel ist.<br />

Die Bijektion (p| W ) −1 : V f → W ⊆ A n+1<br />

K<br />

zeigt dann, dass V f eine affine Varietät ist.<br />

Wenn π j : A n+1<br />

K<br />

→ K die j-te Koordinatenprojektion ist, dann sind die zugehörigen<br />

Erzeuger von K[V f ] gerade die π j ◦ (p| W ) −1 : V f → K. Die Irreduzibilität von V f<br />

folgt aus der Nullteilerfreiheit von K[V f ].<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 1.3.26. Für algebraisch abgeschlossenes K ist GL(n, K) ist eine irreduzible<br />

affine Varietät und die Gruppenoperationen sind Morphismen (Übung).<br />

Bemerkung 1.3.27. Die standard offenen Mengen einer irreduziblen affinen Varietät<br />

V formen eine Basis der Zariski-Topologie: Wenn U ⊆ V offen ist, dann<br />

ist V \ U abgeschlossen, d.h. V \ U = V (I) für ein Ideal I ⊆ K[V ]. Man erhält<br />

V \ U = ∩ V (f) und schließlich U = ∪ V f .<br />

f∈I<br />

Wir halten fest:<br />

f∈I<br />

• Die wichtigen Objekte der affinen algebraischen <strong>Geometrie</strong> sind die Zariskioffenen<br />

Teilmengen irreduzibler affiner Varietäten.


1.3 Reguläre Funktionen 23<br />

• Die zugehörigen Abbildungen sind die Morphismen.<br />

• Die Einschränkung auch auf offene Teilmengen wird nötig durch das natürliche<br />

Auftauchen rationaler Abbildungen, die nicht überall regulär sind.<br />

• Geometrische Eigenschaften der Varietäten lassen sich in algebraische Eigenschaften<br />

der zugehörigen Koordinatenringe übersetzen. Dies funktioniert besonders<br />

gut auf dem Niveau der irreduzibler affinen Varietäten.<br />

• Später wird man allgemeine Varietäten aus offenen Teilmengen irreduzibler affiner<br />

Varietäten zusammensetzen.<br />

Übung 1.3.1. Zeige, dass jede rationale Abbildung f : V W eine bzgl. der von<br />

der Zariski-Topologie induzierten Topologie auf dom f stetige Abbildung f : dom f → W<br />

induziert.<br />

Hinweis: Urbilder abgeschlossener Mengen sind abgeschlossen.<br />

Übung 1.3.2. Seien W ⊆ A n K, V ⊆ A m K algebraische Mengen, und f : W → V eine<br />

polynomiale Abbildung. Zeige, dass<br />

ein Algebren-Homomorphismus ist.<br />

f ∗ : K[V ] → K[W ], g ↦→ f ∗ (g) := g ◦ f<br />

Übung 1.3.3. Seien U ⊆ A n K, V ⊆ A m K , W ⊆ A l K algebraische Mengen. Zeige:<br />

1. Ist f : V → W polynomial, so ist f stetig (bzgl. der Zariski-Topologie).<br />

2. Ist f : V → W polynomial und surjektiv, so ist f ∗ : K[W ] → K[V ] injektiv.<br />

3. Sind f : U → V , g : V → W polynomiale Abbildungen, so gilt<br />

Außerdem gilt (id W ) ∗ = id K[W ] .<br />

(g ◦ f) ∗ = f ∗ ◦ g ∗ : K[W ] → K[U] .<br />

Übung 1.3.4. Zeige, dass der Koordinatenring der Neilschen Parabel<br />

C := {(x, y) ∈ A 2 C | x 3 − y 2 = 0}<br />

isomorph zu C[t 2 , t 3 ] ⊆ C[t] ist und folgere, dass C nicht isomorph zu A 1 C ist.<br />

Übung 1.3.5. Seien V ⊆ A n K, W ⊆ A m K algebraisch, und seien f, g : V → W polynomiale<br />

Abbildungen. Zeige: Ist f ∗ = g ∗ , so folgt f = g.<br />

Übung 1.3.6. Zeige, dass jeder affin-lineare Unterraum U ⊆ A n K eine irreduzible algebraische<br />

Menge ist.<br />

Übung 1.3.7. Zeige, dass Bilder algebraischer Mengen unter polynomialen Abbildungen<br />

nicht notwendig algebraisch sind. Betrachte hierzu die Abbildung<br />

f : A 2 C → A 1 C, (x, y) ↦→ x .<br />

Übung 1.3.8. Zeige, dass die Hyperbel C := {(x, y) ∈ A 2 C | xy = 1} nicht isomorph zu A 1 C<br />

ist.<br />

Übung 1.3.9. Seien F := X 2 + 3Y − 4 und G := XY + 3X − 4 zwei Polynome aus<br />

K[X, Y ]. Bestimme eine algebraische Menge V ⊆ A 2 K, so dass F und G als Elemente von<br />

K[V ] aufgefasst gleich sind.<br />

Übung 1.3.10. Es sei V eine affine Varietät mit Koordinatenring K[V ]. Seien {x 1 , . . . , x n }<br />

und {y 1 , . . . , y m } zwei Systeme von Erzeugern von K[V ], so dass<br />

φ : V → A n K, P ↦→ (x 1(P ), . . . , x n(P )) und ψ : V → A m K , P ↦→ (y 1(P ), . . . , y m(P ))<br />

injektive Abbildungen mit algebraischen Bildern φ(V ), ψ(V ) sind. Zeige: φ(V ) und ψ(V )<br />

sind isomorph als algebraische Mengen.<br />

Bemerkung: Dies zeigt, dass die von φ bzw. ψ induzierte Zariski-Topologie auf V wohldefiniert<br />

ist.


24 1 Affine Varietäten<br />

Übung 1.3.11. Beschreibe den lokalen Ring O A 1<br />

C<br />

,x der Geraden A 1 C in einem Punkt x ∈<br />

A 1 C.<br />

Übung 1.3.12. Sei I := (X 2 +Y 2 −Z 2 ) ⊆ K[X, Y, Z] und J := (X 2 Y 2 +2X−1) ⊆ K[X, Y ],<br />

und sei φ : K[X, Y, Z] → K[X, Y ] der K-Algebrenhomomorphismus definiert durch<br />

φ(X) := X, φ(Y ) := XY, φ(Z) := 1 − X .<br />

1. Zeige, dass φ einen K-Algebrenhomomorphismus ˜φ zwischen den Koordinatenringen<br />

der algebraischen Mengen V (I) und V (J) induziert, d.h. zeige dass ˜φ : K[V (I)] →<br />

K[V (J)] gegeben durch ˜φ(f + I) := φ(f) + J wohldefiniert ist.<br />

2. Bestimme die polynomiale Abbildung f : V (J) → V (I), die ˜φ induziert, d.h. f ∗ = ˜φ<br />

erfüllt.<br />

3. f lässt sich zu einer polynomialen Abbildung A 2 C → A 3 C fortsetzen, allerdings nicht auf<br />

eindeutige Art. Gebe zwei verschiedene Fortsetzungen von f an.<br />

Übung 1.3.13. Zeige, dass der Koordinatenring K[V ] einer irreduziblen affinen Varietät V<br />

ein Integritätsbereich ist.<br />

Übung 1.3.14. Betrachte die Abbildung f : A 1 C → A 2 C, t ↦→ (t 2 − 1, t 3 − t).<br />

1. Zeige: f ist eine polynomiale Abbildung von A 1 C nach V := V (Y 2 − X 2 (X + 1)).<br />

Skizziere die reellen Punkte von V , d.h. V ∩ R 2 .<br />

2. Bestimme den zugehörigen C-Algebrenhomomorphismus f ∗ der Koordinatenringe.<br />

3. Zeige: Der von f ∗ induzierte Körperhomomorphismus K(V ) → K(A 1 C) ist ein Isomorphismus.<br />

Hinweis: Gebe den inversen Körperhomomorphismus an.<br />

Übung 1.3.15. Diskutiere die Begriffe polynomiale/rationale/dominante Funktion/Abbildung,<br />

Definitionsbereich, reguläre Punkte, (Iso-)Morphismus, standard offene Menge anhand der<br />

Abbildung<br />

f : A 1 C → A 2 C, t ↦→ (t 2 − 1, t 3 − t)<br />

und ihren Variationen (Einschränkungen, Inverse, etc.).<br />

Übung 1.3.16. Es sei C = V (Y 2 − X 3 ) ⊆ A 2 C.<br />

1. Zeige, dass die polynomiale Abbildung f : A 1 C → C, t ↦→ (t 2 , t 3 ) eine rationale Inverse,<br />

g, besitzt und bestimme dom g.<br />

2. Zeige, dass f und g einen Isomorphismus der offenen Mengen A 1 C \{0} und C \{(0, 0)}<br />

liefern.<br />

Übung 1.3.17. Es sei V = V (Y − XZ) ⊆ A 3 K. Zeige, dass es Geraden L ⊆ V und M ⊆ A 2 K<br />

gibt, so dass V \ L isomorph ist zu A 2 K \ M.<br />

Hinweis: Betrachte die Projektion (x, y, z) ↦→ (x, y).<br />

Übung 1.3.18. Seien f : V W , g : W X rationale Abbildungen. Zeige, dass der<br />

Definitionsbereich von g ◦ f echt größer sein kann als dom f ∩ f −1 (dom g).<br />

Hinweis: Dies kann passieren, wenn f und g inverse rationale Abbildungen sind, betrachte<br />

z.B. f, g wie in Übung 1.3.16.<br />

Übung 1.3.19. Sei V = V (XT −Y Z) ⊆ A 4 C. Erkläre, warum C[V ] nicht faktoriell ist (Idee<br />

genügt). Es sei f := X/Y ∈ C(V ). Bestimme dom f und zeige, dass dom f echt größer ist<br />

als V \ V (Y ).


2<br />

Projektive Varietäten<br />

2.1 Projektive Räume<br />

Definition 2.1.1. Sei K ein Körper. Der projektive Raum PK<br />

n<br />

Mengen aller eindimensionalen linearen Unterräume von K n+1 .<br />

Der projektive Raum lässt sich wie folgt beschreiben:<br />

P n K := {Geraden in K n+1 } = {K(x 0 , . . . , x n ) | (x 0 , . . . , x n ) ≠ 0}<br />

=: {(x 0 : . . . : x n ) | (x 0 , . . . , x n ) ≠ 0},<br />

über K ist die<br />

d.h. (x 0 : . . . : x n ) = (λx 0 : . . . : λx n ) für alle λ ∈ K \ {0}. Anders ausgedrückt,<br />

man betrachtet auf K n+1 \ {0} die Äquivalenzrelation, deren Äquivalenzklassen<br />

die Geraden durch Null (ohne den Nullpunkt) sind. Dann bezeichnet man die<br />

Äquivalenzklasse von (x 0 , . . . , x n ) mit (x 0 : . . . : x n ).<br />

Man kann die affinen Räume über K als Teilmengen der projektiven Räume<br />

auffassen. Genauer gesagt, hat man die folgenden Einbettungen:<br />

für i = 0, . . . , n.<br />

Beispiel 2.1.2.<br />

j i : A n K ↩→ P n K, (x 1 , . . . , x n ) ↦→ (x 1 : . . . : x i−1 : 1 : x i+1 : . . . : x n )<br />

A 1 K<br />

\ {0}<br />

j−1<br />

0 ◦j 1<br />

−→ A 1 K \ {0}<br />

x ↦−→ (x : 1) = (1 : 1 x ) ↦−→ 1 x<br />

}<br />

Isomorphie<br />

A K<br />

1<br />

A K<br />

1<br />

1<br />

A K<br />

(x:1)<br />

(1:1/x)<br />

1<br />

(x,1)<br />

x<br />

A K<br />

1<br />

A K<br />

1<br />

1/x<br />

(1,1/x)<br />

horizontal<br />

1<br />

1<br />

P<br />

K<br />

vertikal


26 2 Projektive Varietäten<br />

↑ 30.5.2012 ↑<br />

Es bieten sich hier zwei Alternativen an, die Theorie affiner Varietäten zu verallgemeinern:<br />

• Durch einen Verklebungsprozess gleich allgemeine Varietäten einführen.<br />

Beispiel: Verklebung zweier Kopien von C zu PC 1 wie in Beispiel 2.1.2, illustriert<br />

durch die Stereographische Projektion.<br />

1<br />

1<br />

x<br />

y<br />

x : 1 = 1 : y<br />

• Eine allgemeinere Klasse von Varietäten durch Einbetten in projektive Räume<br />

definieren.<br />

Als Beispiel betrachte C = {(x : y : z) | y 2 z = x 3 + axz 2 + bz 3 } ⊆ P 2 K . Seien<br />

C 0 := {(x, y) | y 2 = x 3 + ax + b} ⊆ A 2 K<br />

j 3<br />

↩→ P 2 K<br />

und<br />

Dann gilt<br />

C 1 := {(x, z) | z = x 3 + axz 2 + bz 3 } ⊆ A 2 K<br />

j 2<br />

↩→ P 2 K.<br />

C = j 3 (C 0 ) ∪ j 2 (C 1 ) und j 3 (C 0 ) ∩ j 2 (C 1 ) = {(x : y : z) ∈ C | y ≠ 0 ≠ z}.<br />

Die Abbildung<br />

C 0 \ {(x, 0) ∈ C 0 } j−1 2 ◦j 3<br />

−→ C 1 \ {(x, 0) ∈ C 1 }<br />

( x<br />

(x, y) ↦−→ (x : y : 1) =<br />

y : 1 : 1 ) ( x<br />

↦−→<br />

y y , 1 )<br />

y<br />

ist dann ein Isomorphismus. Die Interpretation ist, dass C 0 und C 1 fast“ isomorph<br />

sind, weil beide dichte offene Stücke in ein und demselben großen Objekt<br />

”<br />

(der projektiven Kurve“ C) sind. Dies ist analog zur projektiven Vereinheitlichung<br />

der ”<br />

Kegelschnitte.<br />

Wir gehen hier den zweiten Weg.<br />

2.2 Graduierte Ringe und homogene Ideale<br />

Definition 2.2.1. Sei K ein Körper. Ein Polynom f ∈ K[X 0 , . . . , X n ] heißt homogen<br />

vom Grad d, wenn es von der Form<br />

f = ∑ a i0,...,i n<br />

X i 0<br />

0 . . . Xin n<br />

mit a i0 ,...,i n<br />

≠ 0 nur für i 0 + . . . + i n = d ist.


2.2 Graduierte Ringe und homogene Ideale 27<br />

Beachte, dass sich jedes Polynom f in K[X 0 , . . . , X n ] in eindeutiger Weise in der<br />

Form f = f 0 + f 1 + . . . + f N mit f d homogen von Grad d schreiben lässt. Die von<br />

Null verschiedenen f j nennt man die homogenen Komponenten von f.<br />

Proposition 2.2.2. (i) Sei f ∈ K[X 0 , . . . , X n ] homogen vom Grad d. Dann gilt<br />

f(λX 0 , . . . , λX n ) = λ d f(X 0 , . . . , X n ) für alle λ ∈ K.<br />

(ii) Wenn |K| = ∞, dann gilt auch die Umkehrung.<br />

Beweis. (i) Dies sieht man durch Ausklammern.<br />

(ii) Setze<br />

F (X 0 , . . . , X n , Y ) = f(Y X 0 , . . . , Y X n ) − Y d f(X 0 , . . . , X n )<br />

Dann folgt aus Lemma 1.1.3, dass F = 0, weil F (a 0 , . . . , a n , b) = 0 für alle<br />

a j , b ∈ K. Sei jetzt f = ∑ a i0,...,i n<br />

X i0<br />

0 . . . Xin n . Dann gilt<br />

( ∑<br />

F = ai0...i n<br />

Y ∑ ) (<br />

i j<br />

X i0<br />

0 . . . ∑ )<br />

Xi n<br />

n − ai0...i n<br />

Y d X i0<br />

0 . . . Xi n<br />

n<br />

und i 0 + . . . + i n = d für alle (i 0 , . . . , i n ) mit a i0,...,i n<br />

≠ 0.<br />

⊓⊔<br />

Mit K = {0, 1} und f(X) = X + X 2 sieht man, dass man auf die Bedingung<br />

|K| = ∞ in Proposition 2.2.2 nicht verzichten kann.<br />

Definition 2.2.3. Ein Ideal I ✂ K[X 0 , . . . , X n ] heißt homogen, wenn für jedes<br />

f = f 0 + . . . + f n ∈ I mit f d homogen vom Grad d gilt f j ∈ I für jedes j = 0, . . . , n.<br />

I ist genau dann homogen, wenn I von homogenen Polynomen erzeugt wird.<br />

Wenn nämlich I homogen ist, dann bilden die homogenen Komponenten jedes Erzeugendensystems<br />

für I selbst ein Erzeugendensystem. Umgekehrt, wenn {g α ∈ I |<br />

α ∈ A} das Ideal I erzeugt, dann ist jedes f ∈ I eine endliche Summe von Elementen<br />

der Form h α g α mit h α ∈ K[X 0 , . . . , X n ]. Indem man das h α in homogene<br />

Komponenten zerlegt, kann man dabei h α sogar als homogen voraussetzen. Dann ist<br />

auch h α g α homogen. Fasst man die Terme gleichen Grades zusammen, erhält man<br />

die Zerlegung von f in homogene Komponenten, die deshalb in I liegen müssen.<br />

Beachte, dass für ein homogenes Polynom f ∈ K[X 0 , . . . , X n ] und 0 ≠ λ ∈ K<br />

gilt<br />

∀(x 0 , . . . , x n ) ∈ A n+1<br />

K<br />

: f(x 0 , . . . , x n ) = 0 ⇔ f(λx 0 , . . . , λx n ) = 0. (2.1)<br />

Für inhomogene Polynome ist diese Äquivalenz normalerweise nicht gegeben, wie<br />

man an dem Beispiel des Polynoms X − 1 über R sieht. Da auch für homogene<br />

Polynome im Allgemeinen f(x 0 , . . . , x n ) ≠ f(λx 0 , . . . , λx n ) für λ ≠ 1 gilt, kann man<br />

keine Funktion auf PK n durch (x 0 : . . . : x n ) ↦→ f(x 0 , . . . , x n ) definieren. Mithilfe von<br />

(2.1) lässt sich aber zumindest eine Verschwindungsmenge in PK n definieren. ↑ 31.5.2012 ↑<br />

Definition 2.2.4. Sei f ∈ K[X 0 , . . . , X n ] homogen, dann ist<br />

V (f) := {(x 0 : . . . : x n ) ∈ P n K | f(x 0 , . . . , x n ) = 0}<br />

eine wohldefinierte Teilmenge von PK n , die wir die Verschwindungsmenge von f<br />

nennen. Sei I ⊆ K[X 0 , . . . , X n ] ein homogenes Ideal, dann ist auch die Verschwindungsmenge<br />

V (I) := {(x 0 : . . . : x n ) | ∀f ∈ I homogen : f(x 0 , . . . , x n ) = 0}


28 2 Projektive Varietäten<br />

von I wohldefiniert. Für X ⊆ P n K<br />

betrachtet man das von<br />

{f ∈ K[X 0 , . . . , X n ] | f homogen, ∀(x 0 : . . . : x n ) ∈ X : f(x 0 , . . . , x n ) = 0}<br />

erzeugte Verschwindungsideal I(X), das nach Konstruktion homogen ist.<br />

Proposition 2.2.5. Wenn |K| = ∞ und X ⊆ PK n , dann gilt<br />

I(X) = {f ∈ K[X 0 , . . . , X n ] | ∀(x 0 : . . . : x n ) ∈ X : f(x 0 , . . . , x n ) = 0}. (2.2)<br />

Beweis. Wir bezeichnen die rechte Seite von (2.2) mit I und stellen fest, dass I ein<br />

Ideal in K[X 0 , . . . , X n ] ist, also I(X) enthält.<br />

Sei jetzt (x 0 , . . . , x n ) mit (x 0 : . . . : x n ) ∈ X fest gewählt. Für f ∈ I setzen wir<br />

F (Y ) = f(Y x 0 , . . . , Y x n ).<br />

Dann folgt F (y) = 0 für alle y ∈ K \ {0}, also F ≡ 0, weil |K| = ∞.<br />

Wenn f = f 0 + . . . + f N mit f j homogen von Grad j die Zerlegung von f in<br />

homogene Komponenten ist, dann gilt F = Σ a j Y j mit a j = f j (x 0 , . . . , x n ), also<br />

f j ∈ I. Also ist I homogen und die f j sind alle in I(X). Es folgt f ∈ I(X) und<br />

damit die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 2.2.6. Für K = {0, 1} und X = {(0 : 1)} ⊆ P 1 K erfüllt f = X 1 + X 2 1 die<br />

Gleichung f(0, 1) = 1 + 1 = 0, aber X 1 und X 2 1 verschwinden nicht auf (0 : 1). Es<br />

gilt:<br />

I(X) = ⟨{X a 0 X b 1 | a > 0}⟩ = (X 0 ).<br />

Lemma 2.2.7. Für die Korrespondenz<br />

{J ⊆ K[X 0 , . . . , X n ] | homogenes Ideale } I ⇆<br />

V<br />

{X ⊆ P n K | Teilmengen}<br />

↑ 6.6.2012 ↑<br />

gelten folgende Regeln<br />

(i) V ({0}) = PK n, V (K[X 0, . . . , X n ]) = ∅.<br />

(ii) I ⊂ J ⇒ V (J) ⊂ V (I).<br />

(iii) V (I ∩ J) = V (I) ∪ V (J).<br />

(iv) V ( ∑ I λ ) = ∩ V (I λ ).<br />

λ<br />

λ<br />

Beweis. (i), (ii) sind klar.<br />

(iii) Seien I, J homogene Ideale, dann ist auch I ∩ J ein homogenes Ideal, weil die<br />

Zerlegung in homogene Komponenten eindeutig ist.<br />

⊇“: V (I), V (J) ⊆ V (J ∩ I) gilt nach (ii).<br />

”<br />

⊆“: Sei P /∈ V (I) ∪ V (J). Dann gibt es f ∈ I und g ∈ J, beide homogen, mit<br />

”<br />

f(P ) ≠ 0 ≠ g(P ). Also ist fg homogen mit fg(P ) ≠ 0, aber fg ∈ I ∩ J.


2.2 Graduierte Ringe und homogene Ideale 29<br />

(iv) Zeige zunächst, dass ∑ λ<br />

I λ wieder homogen ist:<br />

f = f λ1 + . . . + f λk ∈ ∑ λ<br />

I λ<br />

mit f λj ∈ I λj und f λj = f 0,j + . . . + f dj,j sei die Zerlegung in homogene Komponenten.<br />

Dann gilt f m,j ∈ I λj und die Zerlegung von f in homogene Komponenten<br />

hat die Form f = f 0 + . . . + f d , wobei f m = ∑ f m,j . Es folgt f m ∈ ∑ I λ .<br />

Für P ∈ V ( ∑ )<br />

I λ und fλ ∈ I λ homogen gilt f λ (P ) = 0. Also ist P ∈ ∩ V (I λ ).<br />

λ<br />

λ<br />

Für die umgekehrte Inklusion, betrachte P ∈ ∩ V (I λ ) und f = f λ1 +. . .+f λk ∈<br />

∑<br />

λ<br />

λ I λ homogen (und alle f λj homogen). Dann gilt f λj (P ) = 0, also f(P ) = 0<br />

und daher P ∈ V ( ∑ λ I λ<br />

)<br />

.<br />

⊓⊔<br />

Definition 2.2.8. Die Mengen der Form V (I) in PK n heißen algebraisch und die algebraischen<br />

Mengen sind die abgeschlossenen Mengen einer Topologie, der Zariski-<br />

Topologie auf PK n.<br />

Das folgende Lemma sollte mit Proposition 1.2.11 verglichen werden. Zur Vorbereitung<br />

stellen wir fest, dass das Radikal rad(I) eines homogenen Ideals I selbst<br />

homogen ist. Wenn nämlich f = f l + . . . + f d die Zerlegung von f ∈ rad(I) in<br />

homogene Komponenten ist, dann gilt f k = fl k + g, wobei alle homogenen Komponenten<br />

von g höheren Grad haben als Grad(fl k) = kl. Wenn also f k ∈ I, dann ist<br />

fl<br />

k ∈ I weil I homogen ist. Damit ist f l ∈ rad(I) und wir können mit Induktion<br />

über die Anzahl der von Null verschiedenen homogenen Komponenten schließen,<br />

dass f − f l ∈ rad(I) gilt.<br />

Lemma 2.2.9. (i) Sei I homogen, dann ist rad(I) ⊆ I ( V (I) ) .<br />

(ii) Für alle algebraischen Mengen X ⊆ P n K gilt V ( I(X) ) = X.<br />

Beweis. (i) Sei (x 0 : . . . : x n ) ∈ V (I). Dann gilt g(x 0 , . . . , x n ) = 0 für alle homogenen<br />

Elemente g ∈ I. Wenn f ∈ rad I homogen ist, gibt es ein m ∈ N<br />

mit f m ∈ I und f m ist homogen. Also folgt f m (x 0 , . . . , x n ) = 0 und damit<br />

f(x 0 , . . . , x n ) = 0. Das zeigt f ∈ I ( V (I) ) .<br />

(ii) X ⊆ V ( I(X) ) gilt nach Definition. Wenn X algebraisch ist, dann lässt es sich<br />

in der Form X = V (I) schreiben und man erhält I(X) = I ( V (I) ) . Aber dann<br />

gilt I ⊆ I ( V (I) ) = I(X) und daher V ( I(X) ) ⊆ V (I) = X.<br />

⊓⊔<br />

↑ 13.6.2012 ↑<br />

Um den affinen und den projektiven Fall vergleichen zu können, schreiben wir<br />

vorübergehend V a , I a (affin) und V p , I p (projektiv).<br />

Proposition 2.2.10. Sei J ✂ K[X 0 , . . . , X n ] homogen. Dann gilt nach Definition<br />

und<br />

V a (J) = {(x 0 , . . . , x n ) ∈ A n+1<br />

K<br />

| ∀f ∈ J : f(x 0 , . . . , x n ) = 0}<br />

V p (J) = {P ∈ P n K | ∀f ∈ J homogen : f(P ) = 0}.<br />

Wir können aber auch schreiben V p (J) = π ( V a (J) \ {0} ) , wobei<br />

π : A n+1<br />

K<br />

\ {0} −→ P n K, (x 0 , . . . , x n ) ↦−→ (x 0 : . . . : x n )<br />

die kanonische Projektion ist.


30 2 Projektive Varietäten<br />

Beweis. Wenn (x 0 : . . . : x n ) ∈ π ( V a (J) \ {0} ) , dann existiert ein 0 ≠ λ ∈ K mit<br />

(λx 0 , . . . , λx n ) ∈ V a (J). Also gilt für f ∈ J, homogen vom Grad d,<br />

λ d f(x 0 , . . . , x n ) = f(λx 0 , . . . , λx n ) = 0,<br />

also (x 0 : . . . : x n ) ∈ V p (J).<br />

Umgekehrt, wenn (x 0 : . . . : x n ) ∈ V p (J) und f ∈ J homogen ist, dann gilt<br />

f(λx 0 , . . . , λx n ) = 0 für alle 0 ≠ λ ∈ K. Für ein allgemeines f ∈ J mit der Zerlegung<br />

f = f 0 + . . . + f d in homogene Komponenten gilt dann<br />

f(λx 0 , . . . , λx n ) = λ 0 f 0 (x 0 , . . . , x n ) + . . . + λ d f d (x 0 , . . . , x n ) = 0,<br />

weil die f j in J liegen. Daraus folgt (x 0 , . . . , x n ) ∈ V a (J).<br />

⊓⊔<br />

Diese Proposition zeigt, dass die projektiven algebraischen Mengen V p (J) ⊆ PK<br />

n<br />

den affinen algebraischen Mengen V a (J) ⊆ A n+1<br />

K<br />

mit V a (J)\{0} ≠ ∅ für homogene<br />

J entsprechen.<br />

Betrachte das homogene Ideal J 0 := (X 0 , . . . , X n ) ⊆ K[X 0 , . . . , X n ]. Es gilt<br />

Mit Proposition 2.2.10 folgt<br />

V a (J 0 ) \ {0} = ∅ = V a( K[X 0 , . . . , X n ] ) .<br />

V p (J 0 ) = V p( K[X 0 , . . . , X n ] ) = ∅.<br />

Man nennt J 0 deshalb das irrelevante Ideal.<br />

Satz 2.2.11 (Projektiver Nullstellensatz).<br />

und J ✂ K[X 0 , . . . , X n ] ein homogenes Ideal.<br />

(i) V p (J) = ∅ ⇐⇒ rad(J) ⊇ (X 0 , . . . , X n ).<br />

(ii) V p (J) ≠ ∅ =⇒ I p( V p (J) ) = rad(J).<br />

Sei K algebraisch abgeschlossen<br />

Beweis. (i) Es gilt<br />

V p (J) = ∅ ⇐⇒ V a (J) ⊂ {0} ⇐⇒ 1.2.16<br />

rad(J) ⊇ I a ({0}) = (X 0 , . . . , X n ).<br />

(ii) Wenn V p (J) ≠ ∅, dann haben wir für homogenes f<br />

f ∈ I p( V p (J) ) ⇐⇒ f ∈ I a( V a (J) ) ⇐⇒ f ∈ rad(J).<br />

⊓⊔<br />

Die Menge V a (J) ⊆ A n+1<br />

K<br />

heißt der affine Kegel über V p (J).<br />

Korollar 2.2.12. K[X 0 , . . . , X n ] und (X 0 , . . . , X n ) sind die einzigen Ideale, die<br />

(X 0 , . . . , X n ) enthalten. Die Abbildungen<br />

{<br />

} homogene I⇆<br />

J K[X 0 , . . . , X n ] ∣<br />

{X ⊆ P<br />

Radikalideale K n | algebraische Teilmengen }<br />

V<br />

sind zueinander invers.<br />

Sei X ⊆ P n algebraisch und irreduzibel (analog zum affinen Fall definiert, vgl.<br />

Definition 1.2.17). Dann ist a priori nicht klar, ob V a( I(X) ) auch irreduzibel ist.


2.3 Reguläre Abbildungen 31<br />

Lemma 2.2.13. Sei |K| = ∞ und X ⊆ P n K<br />

algebraisch, dann gilt<br />

X irreduzibel ⇐⇒ I(X) prim.<br />

Beweis. ”<br />

⇐=“: (vgl. Proposition 1.2.18) Für ∅ ̸= A 1 , A 2 X algebraisch mit A 1 ∪<br />

A 2 = X gibt es f i ∈ I(A i )\I(X), weil andernfalls X = V ( I(X) ) = V ( I(A i ) ) =<br />

A i<br />

)<br />

gelten würde. Sei P ∈ X. Dann haben wir P ∈ A1 oder P ∈ A 2 , also<br />

f 1 f 2 (P ) = 0. Dies zeigt f 1 f 2 ∈ I(X) und es folgt, dass I(X) nicht prim ist.<br />

” =⇒“: Wenn I(X) nicht prim ist, dann gibt es f 1, f 2 ∈ K[X 0 , . . . , X n ] \ I(X) mit<br />

f 1 f 2 ∈ I(X). Seien f i = f 0,i +. . .+f di,i für i = 1, 2 die Zerlegungen in homogene<br />

Komponenten. Wir setzen<br />

I i := ( I(X), f 0,i , . . . , f di ,i)<br />

, Ai := V (I i ).<br />

und finden A i = V (I i ) ⊆ V ( I(X) ) = X. Wegen I(A i ) I(X) gibt es einen<br />

Punkt Q i ∈ X und ein h i ∈ I(A i ) mit h i (Q i ) ≠ 0. Damit gilt Q i ∈ X \ A i , d.h.<br />

wir haben sogar A i X. Weiter gilt X ⊆ A 1 ∪ A 2 , denn aus (x 0 : . . . : x n ) ∈ X<br />

folgt nach Proposition 2.2.2<br />

∀ λ ∈ K ∗ : f 1 f 2 (x 0 , . . . , x n ) = 0 = f 1 f 2 (λx 0 , . . . , λx n ).<br />

Es gibt o.B.d.A. unendlich viele λ ∈ K ∗ mit<br />

0 = f 1 (λx 0 , . . . , λx n ) = λ 0 f 0,1 (x 0 , . . . , x n ) + . . . + λ d1 f d1,1(x 0 , . . . , x n ).<br />

Aber dann haben wir f i,1 (x 0 , . . . , x n ) = 0 für i = 0, . . . , d 1 und daher<br />

(x 0 : . . . : x n ) ∈ V ( I(X), f 0,1 , . . . , f d1 ,1)<br />

= A1 .<br />

Dies zeigt, dass X nicht irreduzibel ist.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 2.2.14.<br />

{<br />

J K[X 0 , . . . , X n ] ∣ homogene } I⇆<br />

Primideale V<br />

{<br />

X ⊆ P n K<br />

∣<br />

irreduzible<br />

algebraische Teilmengen<br />

}<br />

↑ 14.6.2012 ↑<br />

2.3 Reguläre Abbildungen<br />

Polynome definieren keine Funktionen auf einer projektiven algebraischen Menge<br />

(außer für Grad 0).<br />

Bemerkung 2.3.1. Sei V ⊆ PK n algebraisch irreduzibel.<br />

(i) Auf<br />

definiert<br />

M :=<br />

{<br />

(g, h)<br />

∣ g, h ∈ K[X 0 , . . . , X n ]<br />

eine Äquivalenzrelation (Übung).<br />

(g, h) ∼ (g ′ , h ′ ) :⇔ gh ′ − g ′ h ∈ I(V )<br />

}<br />

homogen vom gleichen Grad<br />

und h /∈ I(V )


32 2 Projektive Varietäten<br />

(ii) Für (g, h) ∈ M und (x 0 : . . . : x n ) ∈ V mit h(x 0 , . . . , x n ) ≠ 0 gilt<br />

g(λx 0 , . . . , λx n )<br />

h(λx 0 , . . . , λx n ) = λd g(x 0 , . . . , x n )<br />

λ d h(x 0 , . . . , x n ) ,<br />

wobei deg g = deg h = d und λ ≠ 0.<br />

(iii) Für (g, h) ∼ (g ′ , h ′ ) mit h(x 0 , . . . , x n ), h ′ (x 0 , . . . , x n ) ≠ 0 gilt g(P )<br />

h(P ) = g′ (P )<br />

h ′ (P ) für<br />

P = (x 0 : . . . : x n ).<br />

Definition 2.3.2. Sei g h<br />

:= [(g, h)] ∈ M/∼ die durch<br />

V h −→ K, P ↦−→ g(P )<br />

h(P )<br />

auf V h := {(x 0 : . . . : x n ) ∈ V | h(x 0 , . . . , x n ) ≠ 0} definierte Funktion. Eine solche<br />

Funktion heißt rationale Funktion auf V .<br />

Definition 2.3.3. Sei V ⊆ PK<br />

n algebraisch und irreduzibel sowie P ∈ V . Wenn<br />

f ∈ K(V ) := M/∼, dann heißt f regulär in P (man sagt auch, P liegt im Definitionsbereich<br />

von f), falls f = g h<br />

= [(g, h)] mit h(P ) ≠ 0. Wir schreiben<br />

dom (f) := {P ∈ V | f regulär in P }.<br />

Bemerkung 2.3.4. (i) K(V ) ist ein Körper bzgl.<br />

und<br />

f 1 + f 2 = g 1<br />

h 1<br />

+ g 2<br />

h 2<br />

:= g 1h 2 + g 2 h 1<br />

h 1 h 2<br />

f 1 · f 2 = g 1<br />

h 1<br />

· g2<br />

h 2<br />

= g 1g 2<br />

h 1 h 2<br />

.<br />

(ii) Die Verknüpfungen in (i) sind verträglich mit den punktweisen Verknüpfungen<br />

der partiell definierten rationalen Funktionen.<br />

Lemma 2.3.5. (i) O V,P = {f ∈ K(V ) | f regulär in P } ist ein Unterring von<br />

K(V ).<br />

(ii) dom f ist bzgl. der Zariski-Topologie dicht in V .<br />

Beweis. (i) Für f 1 , f 2 ∈ O V,P haben wir f 1 = g1<br />

h 1<br />

, f 2 = g2<br />

h 2<br />

mit h 1 (P ) ≠ 0 ≠ h 2 (P ).<br />

Dann gilt f 1 − f 2 = g 1h 2 −h 1 g 2<br />

h 1 h 2<br />

mit h 1 h 2 (P ) = h 1 (P ) h 2 (P ) ≠ 0 und f 1 · f 2 =<br />

g 1g 2<br />

h 1h 2<br />

h 1 h 2 (P ) ≠ 0. Damit gilt also f 1 − f 2 , f 1 f 2 ∈ O V,P .


✤<br />

<br />

2.3 Reguläre Abbildungen 33<br />

(ii) Es genügt zu zeigen: ∅ ̸= dom f offen in V (vgl. Proposition 1.3.3 und Satz<br />

1.3.14).<br />

Wir führen das projektive Nennerideal J ein: dazu sei<br />

{<br />

D f := h ∈ K[X 0 , . . . , X n ] homogen ∣ ∃ g ∈ K[X }<br />

0, . . . , X n ] homogen<br />

mit deg g = deg h, f = g h<br />

und J das von D f erzeugte homogene Ideal. Es ist dann<br />

V \ dom f = {P ∈ V | h(P ) = 0 ∀ h ∈ D f } = V (J) ∩ V<br />

algebraisch.<br />

⊓⊔<br />

Der Ring O V,P heißt der lokale Ring von V in P .<br />

↑ 20.6.2012 ↑<br />

Lemma 2.3.6. Sei V ⊆ P n K<br />

algebraisch und irreduzibel sowie (vgl. Seite 25)<br />

V (i) := j −1<br />

i<br />

(<br />

V ∩ ji (A n K) ) ⊆ A n K.<br />

Dann ist V (i) ⊆ A n K<br />

affin algebraisch.<br />

Beweis. O.B.d.A. sei i = 0 und V (0) ≠ ∅. Wenn J = I p (V ) ⊆ K[X 0 , . . . , X n ], dann<br />

gibt es homogene g 1 , . . . , g k ∈ K[X 0 , . . . , X n ] mit J = (g 1 , . . . , g k ). Es gilt<br />

P ∈ V (0) ⇔ P = (x 1 , . . . , x n ) und (1 : x 1 : . . . : x n ) ∈ V<br />

⇔ P = (x 1 , . . . , x n ) und g j (1, x 1 , . . . , x n ) = 0 für j = 1, . . . , k<br />

⇔ P ∈ V ( (˜g 1 , . . . , ˜g k ) ) mit ˜g j (X 1 , . . . , X n ) = g j (1, X 1 , . . . , X n ).<br />

⊓⊔<br />

Satz 2.3.7. Die Abbildungen<br />

{V ⊆ PK n | V = ∅ oder V V (X 0 )} {W ⊆ A n K | irred.}<br />

irred.<br />

V ✤ V (0)<br />

(Zariski-Abschluss) j 0 (W )<br />

sind zueinander inverse Bijektionen.<br />

Beweis. Setze φ(V ) := V (0) für V V (X 0 ) irreduzibel und ψ(W ) = j 0 (W ) für<br />

W ⊆ A n K irreduzibel. Nach Lemma 2.3.6 ist φ(V ) ist algebraisch; außerdem ist ψ(W )<br />

algebraisch nach Definition. Für (x 1 , . . . , x n ) ∈ W gilt (1 : x 1 : . . . : x n ) ∈ ψ(W )<br />

und (x 1 , . . . , x n ) ∈ φ ◦ ψ(W ). Zusammen sieht man, dass W ⊆ φ ◦ ψ(W ) und es<br />

folgt<br />

ψ ◦ φ(V ) = j 0 (V (0) ) ⊆ V = V.<br />

Behauptung 1: φ ◦ ψ = id auf den algebraischen Mengen in A n K .<br />

Um das einzusehen, betrachtet man eine algebraische Menge W ⊆ A n K mit W =<br />

V a (Ĩ) und Ĩ = (˜g 1, . . . , ˜g k ), wobei ˜g j ∈ K[X 1 , . . . , X n ]. Sei d ≥ max j {deg ˜g j }. Wir<br />

setzen<br />

W


34 2 Projektive Varietäten<br />

g (d)<br />

j := X d 0 ˜g j<br />

(X 1<br />

X 0<br />

, . . . , X n<br />

X 0<br />

)<br />

I := ( g (d)<br />

1 , . . . , g(d) k<br />

)<br />

⊆ K[X0 , . . . , X n ]<br />

und beachten, dass g (d)<br />

j homogen vom Grad d und I ein homogenes Ideal ist. Wenn<br />

jetzt (1 : x 1 : . . . : x n ) ∈ j 0 (W ), dann gilt g (d)<br />

j (1, x 1 , . . . , x n ) = ˜g j (x 1 , . . . , x n ) = 0,<br />

d.h. wir haben j 0 (W ) ⊆ V p (I). Es folgt ψ(W ) ⊆ V p (I) und damit φ ◦ ψ(W ) ⊆<br />

φ ( V p (I) ) . Wir erhalten die folgenden Äquivalenzen<br />

(x 1 , . . . , x n ) ∈ φ ( V p (I) ) ⇔ (1 : x 1 : . . . : x n ) ∈ V p (I)<br />

⇔ ˜g j (x 1 , . . . , x n ) = g (d)<br />

j (1 : x 1 : . . . : x n ) = 0 j = 1, . . . , k<br />

a<br />

⇔ (x 1 , . . . , x n ) ∈ V (Ĩ) = W,<br />

die die Gleichheit φ ◦ ψ(W ) = W beweisen.<br />

Behauptung 2: ψ ◦ φ = id auf den irreduziblen algebraischen Mengen in V ⊆ P n<br />

mit V V (X 0 ).<br />

Um das einzusehen, betrachten wir eine irreduzible algebraische Menge V ⊆ P n<br />

mit V V (X 0 ). Dann gilt V ⊆ ( V ∩j 0 (A n K )) ∪ ( V ∩V (X 0 ) ) und, weil V irreduzibel<br />

ist und V V (X 0 ) gilt, finden wir V ⊆ V ∩ (A n K<br />

) ⊆ V . Damit rechnen wir<br />

ψ ◦ φ(V ) = j 0<br />

(<br />

φ(V )<br />

)<br />

= j 0<br />

(<br />

j0<br />

−1<br />

= V ∩ j 0 (A n K )<br />

= V.<br />

(<br />

V ∩ j0 (A n K )))<br />

Behauptung 3: Ist W ⊆ A n K irreduzibel, so ist auch ψ(W ) ⊆ Pn K irreduzibel.<br />

Sei dazu ψ(W ) = A 1 ∪ . . . ∪ A k die Zerlegung in irreduzible Komponenten<br />

A j ⊆ PK n. Dann gilt W = φ ◦ ψ(W ) = φ(A 1) ∪ . . . ∪ φ(A k ) und wir können wegen<br />

der Irreduzibilität von W o.B.d.A. annehmen W ⊆ φ(A 1 ). Mit Behauptung 2 folgt<br />

dann ψ(W ) ⊆ A 1 .<br />

Behauptung 4: Für irreduzibles V ⊆ PK n ist auch φ(V ) irreduzibel.<br />

Dies ist klar für V ⊆ V (X 0 ). Für andere V erhalten wir nach Bemerkung 2 die<br />

Identität V = ψ ( φ(V ) ) = V (0) und zerlegen die algebraische Teilmenge φ(V ) in<br />

irreduzible Komponenten B j ⊆ A n K , d.h. φ(V ) = B 1 ∪ . . . ∪ B k . Dann gilt<br />

j 0 (V (0) ) = j 0 (B 1 ∪ . . . ∪ B k ) = j 0 (B 1 ) ∪ . . . ∪ j 0 (B k ) ⊆ ψ(B 1 ) ∪ . . . ∪ ψ(B k )<br />

⊆ ψ ( φ(V ) ) = V,<br />

und durch Abschlussbildung ergibt sich<br />

j 0 (V (0) ) = ψ(B 1 ) ∪ . . . ∪ ψ(B k ) = V.<br />

↑ 21.6.2012 ↑<br />

Die Irreduzibilität von V liefert dann o.B.d.A. V ⊆ ψ(B 1 ), also φ(V ) ⊆ φ◦ψ(B 1 ) =<br />

B 1 .<br />

⊓⊔


Proposition 2.3.8. V ⊆ P n K sei irreduzibel mit V V (X 0).<br />

(i) I a (V (0) ) = { ˜f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] | f ∈ I p (V )}, wobei<br />

˜f(X 1 , . . . , X n ) = f(1, X 1 , . . . , X n ).<br />

2.3 Reguläre Abbildungen 35<br />

(ii) Die Menge I p (V ) d der homogenen Elemente vom Grad d in I p (V ) ist<br />

I p (V ) d = {f (d) ∈ K[X 0 , . . . , X n ] | ˜f ∈ I a (V (0) ) mit deg ˜f ≤ d}.<br />

Dabei sind die f (d) die durch<br />

f (d) (X 0 , . . . , X n ) = X d 0 ˜f ( X 1<br />

X 0<br />

, . . . , X n<br />

X 0<br />

)<br />

definierten homogenen Elemente vom Grad d.<br />

Beweis. (i) Für (x 1 , . . . , x n ) ∈ V (0) gilt (1 : x 1 : . . . : x n ) ∈ V und für f ∈ I p (V )<br />

folgt, dass ˜f(x 1 , . . . , x n ) = f(1, x 1 , . . . , x n ) = 0. Also gilt ˜f ∈ I a (V (0) ).<br />

Umgekehrt sei ˜f ∈ I a (V (0) ). Dann gilt für d ≥ deg ˜f<br />

f (d) (x 0 , . . . , x n ) = x d ˜f<br />

( x1<br />

0 , . . . , x )<br />

n<br />

= 0<br />

x 0 x 0<br />

für alle (x 0 : . . . : x n ) ∈ j 0 (V (0) ), weil für diese ( x 1<br />

x 0<br />

, . . . , x n<br />

x0<br />

)<br />

∈ V(0) gilt. Wegen<br />

j 0 (V (0) ) = V folgt f (d) (x 0 : . . . : x n ) = 0 für alle (x 0 : . . . : x n ) ∈ V und daher<br />

f (d) ∈ I p (V ).<br />

Wenn f := f (d) , dann gilt ˜f(X 1 , . . . , X n ) = f(1, X 1 , . . . , X n ) und das beweist<br />

(i).<br />

(ii) Wir haben schon gezeigt, dass f (d) ∈ I p (V ) d für ˜f ∈ I a (V (0) ) mit deg f ≤ d.<br />

Umgekehrt, wenn f ∈ I p (V ) d , dann gilt<br />

(<br />

f(X 0 , . . . , X n ) = X0 d f 1, X 1<br />

, . . . , X )<br />

n<br />

X 0 X 0<br />

= X0 d ˜f<br />

( X1<br />

, . . . , X )<br />

n<br />

X 0 X n<br />

= f (d) (X 0 , . . . , X n )<br />

und wir haben schon gezeigt, dass ˜f ∈ I a (V (0) ).<br />

⊓⊔<br />

Proposition 2.3.9. Sei V ⊆ P n K irreduzibel mit V V (X 0).<br />

(i) K(V ) ∼ = K(V (0) ).<br />

(ii) Sei f ∈ K(V ), dann hat f als Element von K(V (0) ) den Definitionsbereich<br />

( )<br />

dom(f) .<br />

j −1<br />

0<br />

Beweis. (i) f = g h ∈ K(V ) mit g, h ∈ K[X 0, . . . , X n ] homogen von Grad d.<br />

Setze φ(f) := ˜g˜h mit ˜g, ˜h wie zuvor. Wir haben die folgende Implikationen<br />

g<br />

h = g′<br />

h ′ ∈ K(V ) =⇒ gh′ − g ′ h ∈ I p (V )<br />

=⇒ ˜g ˜h ′ − ˜g ′˜h ∈ I a (V (0) )<br />

=⇒ ˜g˜h<br />

= ˜g′ ∈ K(V (0)).<br />

˜h′


36 2 Projektive Varietäten<br />

Also ist φ eine wohldefinierte Abbildung K(V ) −→ K(V (0) ). Es ist Routine<br />

zu verifizieren, dass φ ein Körperhomomorphismus ist. Die Abbildung φ<br />

surjektiv: Wenn ˜g, ˜h ∈ K[X 1 , . . . , X n ], ˜h ≠ 0, d ≥ deg ˜g, deg ˜h, setze<br />

g := g (d) und h := h (d) mit den Notationen aus Proposition 2.3.8(ii). Dann<br />

gilt g, h ∈ K[X 0 , . . . , X n ] d . Also haben wir<br />

( g<br />

φ =<br />

h)<br />

g(1, X 1, . . . , X n )<br />

h(1, X 1 , . . . , X n ) = ˜g(X 1, . . . , X n )<br />

˜h(X1 , . . . , X n ) = ˜g˜h<br />

und φ ist ein Körperisomorphismus.<br />

(ii) Dies folgt aus den logischen Äquivalenzen<br />

(x 1 , . . . , x n ) ∈ j0<br />

−1 ( )<br />

dom(f) ⇐⇒ (1 : x1 : . . . : x n ) ∈ dom f ∩ j 0 (V (0) )<br />

⇐⇒ ∃ f = g h mit h(1 : x 1 : . . . : x n ) ≠ 0<br />

⇐⇒ ∃ ˜g˜h<br />

= φ(f) mit ˜h(x 1 , . . . , x n ) ≠ 0<br />

⇐⇒ (x 1 , . . . , x n ) ∈ dom φ(f).<br />

↑ 27.6.2012 ↑<br />

⊓⊔<br />

Definition 2.3.10. Sei V ⊆ PK n irreduzibel. Eine rationale Abbildung f :<br />

V A m K ist ein m-Tupel f = (f 1, . . . , f m ) mit f j ∈ K(V ). Eine rationale Abbildung<br />

f : V PK m ist eine Äquivalenzklasse von (m+1)-Tupeln (f 0 , . . . , f m )<br />

mit f j ∈ K(V ), wobei<br />

(f 0 , . . . , f m ) ∼ (f ′ 0, . . . , f ′ m) :⇐⇒ ∃ 0 ≠ h ∈ K(V ) mit (f 0 , . . . , f m ) = (hf ′ 0, . . . , hf ′ m).<br />

Wir schreiben (f 0 : . . . : f m ) für die Klasse von (f 0 , . . . , f m ).<br />

Definition 2.3.11. Eine rationale Abbildung f : V PK m heißt regulär in<br />

P ∈ V , wenn f = (f 0 : . . . : f m ) ist für ein (m+1)-Tupel (f 0 , . . . , f m ) mit f j ∈ K(V ),<br />

die folgende Eigenschaften erfüllen<br />

(a) f j ist regulär in P für alle j, d.h. P ∈ ∩ dom f j (offen und dicht),<br />

j<br />

(b) Es gibt ein j mit f j (P ) ≠ 0.<br />

Die Menge der Punkte P in denen f regulär ist, heißt der Definitionsbereich von<br />

f und wird mit dom f bezeichnet. Wenn dom f = V , dann heißt f regulär.<br />

Sei f : V PK m eine rationale Abbildung und P ∈ dom f. Dann hat f einen<br />

Repräsentanten (f 0 , . . . , f m ) ∈ K(V ) m+1 , für den nicht alle f j (P ) verschwinden.<br />

Also definiert f(P ) := ( f 0 (P ) : . . . : f m (P ) ) einen Punkt in PK m . Dieser Punkt ist<br />

nicht von der Wahl des Repräsentanten abhängig, solange nicht alle Komponenten<br />

auf P verschwinden. Also kann man auf diese Weise eine Abbildung<br />

dom f −→ PK m , P ↦−→ f(P ) := ( f 0 (P ) : . . . : f m (P ) )<br />

definieren.<br />

Definition 2.3.12. Sei V ⊆ PK n irreduzibel und W ⊆ Pm K algebraisch. Wenn U ⊆ V<br />

offen ist, dann heißt eine Abbildung f : U → W ein Morphismus, wenn es eine<br />

rationale Abbildung F : V PK m mit dom F ⊃ U und F | U = f gibt.


2.3 Reguläre Abbildungen 37<br />

Bemerkung 2.3.13. Sei f : U → W ein Morphismus. Dann ist F durch f eindeutig<br />

bestimmt: O.B.d.A. f(U) V (X 0 ), andernfalls ersetzt man W durch den Abschluss<br />

von f(U) in V (X 0 ). Wir können also annehmen, dass für F = (F 0 : . . . : F m ) gilt<br />

F 0 ≠ 0. Dann gibt es ein P ∈ U mit F 0 (P ) ≠ 0. Indem man U gegebenenfalls<br />

verkleinert, kann man also annehmen, dass F = (1 : F 1 : . . . : F m ) und für alle<br />

P ∈ U gilt f(P ) = ( 1 : F 1 (P ) : . . . : F m (P ) ) . Zu zeigen ist dann, dass die F j durch<br />

ihre Werte auf U festgelegt sind.<br />

Es genügt also zu zeigen, dass ein F j ∈ K(V ) durch die Werte der Funktion<br />

P ↦→ F j (P ) auf einer nichtleeren offenen Teilmenge U von dom F j schon eindeutig<br />

festgelegt ist. Nach Proposition 2.3.9 reicht es zu zeigen, dass ein F ∈ K(V (0) ) durch<br />

seine Werte auf einer nichtleeren offenen Teilmenge von V (0) vollständig bestimmt<br />

ist. Dazu betrachten wir g, g ′ , h, h ′ ∈ K[X 1 , . . . , X n ] mit h| V(0) ≠ 0 ≠ h ′ | V(0) . Sei<br />

U ⊆ V (0) offen und im Definitionsbereich von g h , g′<br />

h<br />

∈ K(V ′<br />

(0) ) enthalten. Wenn<br />

∣<br />

g ∣<br />

h U<br />

= g′ ∣U<br />

h<br />

, dann gilt gh ′ − g ′ h ∈ I a (U) = I a (U) und g ′ h = g′<br />

h<br />

∈ K(V ′ (0) ), wobei<br />

U = V (0) der Zariski-Abschluss von U in der irreduziblen algebraischen Menge V (0)<br />

ist.<br />

Beispiel 2.3.14. Sei f : P 1 K<br />

f(x 0 : x 1 ) = ( 1 : x 1<br />

x 0<br />

: . . . : ( x 1<br />

x 0<br />

) m )<br />

=<br />

(<br />

x<br />

m<br />

0<br />

P m K durch f j :=<br />

(<br />

x1<br />

x 0<br />

) j<br />

gegeben. Dann gilt<br />

: x m−1<br />

)<br />

0 x 1 : . . . : x m 1<br />

und dom f = PK 1. Also ist f regulär, d.h. f : P1 K → Pm K<br />

haben<br />

ist ein Morphismus. Wir<br />

P = (x 0 : . . . : x n ) ∈ C := f ( P 1 K<br />

) Übung<br />

⇐⇒ xi x j+1 = x j x i+1 ∀i, j = 0, . . . , m − 1,<br />

also ist C = V ( (X i X j+1 − X j X i−1 | i, j = 0, . . . , m − 1) ) ist eine projektive<br />

algebraische Menge.<br />

Wir behaupten, dass C irreduzibel ist: Es gilt C ∩ V (0) = {(t, t 2 , . . . , t m ) | t ∈ K}<br />

und<br />

φ : K −→ C ∩ V (0)<br />

t ↦−→ (t, t 2 , . . . , t m )<br />

ist bijektiv sowie Zariski-stetig (Übung). Wenn C ∩ V (0) = A 1 ∪ A 2 , dann gilt K =<br />

φ −1 (A 1 ) ∪ φ −1 (A 2 ) und wir können o.B.d.A. annehmen, dass φ −1 (A 1 ) = K. Dies<br />

zeigt dann A 1 = C ∩ V (0) und das beweist nach Proposition 2.3.7 die Behauptung.<br />

Sei g : C PK 1 gegeben durch g 0 = 1, g 1 = x1<br />

x 0<br />

. Dann gilt g(x 0 : x 1 :<br />

. . . : x m ) = ( 1 : x )<br />

1<br />

x 0<br />

= (x0 : x 1 ) und die Abbildung ist auf G \ {(0 : . . . : 0 : 1)}<br />

definiert. Wählt man dagegen g 0 = x m−1<br />

x m<br />

, g 1 = 1, erhält man g(x 0 : x 1 : . . . :<br />

x m ) = ( x m−1<br />

x m<br />

: 1 ) = (x m−1 : x m ) und die Abbildung ist auf G \ {(1 : 0 : . . . : 0)}<br />

definiert. Auf dem Schnitt der beiden Definitionsbereiche stimmen die Abbildungen<br />

wegen x 0 x m = x m−1 x 1 überein. Also lässt sich g durch g(0 : . . . : 0 : 1) = (0 : 1)<br />

zu einem Morphismus g : C → PK 1 fortsetzen. Weiter haben wir g ◦ f = id PK<br />

1 und<br />

f ◦ g = id C . Damit ist g ein Isomorphismus, d.h. ein invertierbarer Morphismus,<br />

dessen Umkehrung auch ein Morphismus ist.


38 2 Projektive Varietäten<br />

Birationale Abbildungen<br />

Definition 2.3.15. Seien V und W irreduzible algebraische Mengen (projektiv oder<br />

affin). Eine rationale Abbildung f : V W (d.h. eine rationale Abbildung<br />

f : V PK m mit f(domf) ⊂ W ) heißt birational, wenn es eine rationale<br />

Abbildung g : W V mit ∅ ̸= g −1 (dom f) ⊆ dom g und ∅ ̸= f −1 (dom g) ⊆<br />

dom f gibt, für die gilt<br />

• f ◦ g = id auf g −1 (dom f),<br />

• g ◦ f = id auf f −1 (dom g).<br />

Wie im affinen Fall heißt f : V W dominant, wenn f(domf) dicht in<br />

W ist. Es ist dann für jede rationale Abbildung g : W U die Verknüpfung<br />

g ◦ f : V U als rationale Abbildung definiert:<br />

f −1 (domg) <br />

f<br />

domg <br />

g<br />

U<br />

domf <br />

f<br />

W<br />

V<br />

W eine rationale Abbildung. Dann sind folgende Aus-<br />

Satz 2.3.16. Sei f : V<br />

sagen äquivalent:<br />

(i) f ist birational.<br />

(ii) f ist dominant und die Abbildung<br />

f ∗ : K(W ) −→ K(V )<br />

g ↦−→ g ◦ f<br />

ist ein Isomorphismus.<br />

(iii) Es gibt offene Mengen V 0,f ⊆ V und W 0,f ⊆ W so, dass f ∣ ∣<br />

V0,f<br />

: V 0,f −→ W 0,f<br />

ein Isomorphismus ist.<br />

Beweis. (i) ⇒ (ii)“: Wenn g : W V mit g ◦ f = id ” W gegeben ist, dann gilt<br />

g −1 (dom f)∩dom g ≠ ∅, also ist diese Menge dicht in W . Es gilt auch f ◦g = id W<br />

und<br />

g −1 (domf) ∩ domg = f ◦ g ( g −1 (domf) ∩ domg ) ⊆ f(domf),<br />

also ist f(domf) dicht, d.h. f ist dominant. Analog sieht man, dass g dominant<br />

ist. Mit<br />

g ∗ ◦ f ∗ : K(W ) −→ K(V ) −→ K(W )<br />

h ↦−→ h ◦ f ↦−→ h ◦ f ◦ g<br />

ergibt sich g ∗ ◦f ∗ = (f ◦g) ∗ = id K(V ) ist und analog f ∗ ◦g ∗ = (g ◦f) ∗ = id K(W ) .<br />

” (ii) ⇒ (i)“: Ist f ∗ : K(W ) → K(V ) ein Isomorphismus, so gibt es nach Proposition<br />

2.3.9 affine Varietäten W 0 ⊆ W und V 0 ⊆ V mit f ∗ : K(W 0 ) → K(V 0 ), also<br />

findet man mit Satz 1.3.20 eine dominante rationale Abbildung g : W 0<br />

V 0<br />

mit (f ∗ ) −1 = g ∗ : K(V 0 ) → K(W 0 ). Analog zu 2.3.9 zeigt man (Übung),<br />

dass g auch als rationale Abbildung g : W V aufgefasst werden kann.<br />

Es ist g dominant und f : V 0<br />

W 0 , daher sind g ◦ f : V 0<br />

V 0 und<br />

f ◦g : W 0<br />

W 0 als rationale Abbildungen definiert. Jetzt zeigt Satz 1.3.20,<br />

dass g ◦ f = id V0 und f ◦ g = id W0 gilt, d.h. f ist birational.


2.3 Reguläre Abbildungen 39<br />

” (iii) ⇒ (i)“: Wir fassen f : V 0,f → W 0,f und g = f −1 : W 0,f → V 0,f als rationale<br />

Abbildungen f : V W und g : W V auf. Dann sind f und g<br />

dominant, also ist f birational.<br />

” (i) ⇒ (iii)“: Gegeben sei g : W V mit g ◦ f = id V und f ◦ g = id W . Setze<br />

V ′ := dom f ⊂ V, W ′ := dom g ⊂ W<br />

φ := f| V ′ : V ′ → W ψ := g| W ′ : W ′ → V.<br />

Die Mengen V 0,f := φ −1( ψ −1 (V ′ ) ) und W 0,f := ψ −1( φ −1 (W ′ ) ) sind offen und<br />

das Diagramm<br />

W 0,f<br />

V 0,f<br />

φ<br />

φ<br />

ψ<br />

V ′<br />

ψ<br />

ψ −1 (V ′ ) <br />

ist kommutativ. Wegen V 0,f ⊆ dom φ ist φ : V 0,f → W 0,f ein Morphismus.<br />

Analog sieht man, dass auch ψ : W 0,f → V 0,f ein Morphismus ist. Daraus folgt<br />

die Behauptung, weil φ ◦ ψ = id W0,f und ψ ◦ φ = id V0,f gilt.<br />

⊓⊔<br />

φ<br />

W<br />

<br />

W ′<br />

Korollar 2.3.17. Sei V eine irreduzible algebraische Menge (affin oder projektiv).<br />

Dann sind folgende Aussagen äquivalent:<br />

(1) K(V ) ∼ = K(X 1 , . . . , X n ) (Quotientenkörper von K[X 1 , . . . , X n ]).<br />

(2) Es gibt offene und dichte Mengen V 0,f ⊆ V und U 0,f ⊆ A n K mit V 0,f ∼ = U 0,f<br />

(d.h. es gibt einen Isomorphismus zwischen beiden Mengen).<br />

φ<br />

Beweis. K(V ) −→ K(X 1 , . . . , X n ) = K(A n K ) ist nach Satz 2.3.16 genau dann ein<br />

Isomorphismus, wenn es eine birationale Abbildung f : A n <br />

K<br />

V gibt. Aber dies<br />

ist äquivalent dazu, dass man einen Isomorphismus f ∣ U0,f<br />

: U 0,f → V 0,f finden<br />

kann. ⊓⊔ ↑ 28.6.2012 ↑<br />

Definition 2.3.18. Eine irreduzible algebraische Menge, die den Bedingungen von<br />

Korollar 2.3.17 genügt, heißt eine rationale Varietät.<br />

Übung 2.3.1. Sei V ein (n + 1)-dimensionaler K-Vektorraum. Dann definiert P(V ) :=<br />

{Geraden in V } den projektiven Raum (von V ) der Dimension n. Für jeden linearen Unterraum<br />

W ⊆ V kann der projektive Raum P(W ) in natürlicher Weise als Teilmenge von<br />

P(V ) aufgefasst werden. Wir nennen P(W ) ⊆ P(V ) einen projektiven Unterraum.<br />

1. Zeige: Sind P(W 1 ), P(W 2 ) ⊆ P(V ) projektive Unterräume mit<br />

dim P(W 1 ) + dim P(W 2 ) ≥ n ,<br />

so schneiden sich P(W 1 ) und P(W 2 ).<br />

2. Betrachte die Einbettung j : A 2 R ↩→ P 2 R, (x, y) ↦→ (x : y : 1) und die Geraden<br />

G 1 := V (X − Y ), G 2 := V (X − Y + 1) ⊆ A 2 R .<br />

Bestimme projektive Geraden P(W i ) (dim P(W i ) = 1), so dass j −1 (P(W i )) = G i , und<br />

berechne den Schnittpunkt der projektiven Geraden in P 2 R.<br />

Übung 2.3.2. Sei φ : K n+1 → K n+1 ein linearer Isomorphismus.


40 2 Projektive Varietäten<br />

1. Zeige, dass φ eine bijektive Abbildung ˜φ : PK n → PK n induziert, eine projektive Transformation.<br />

2. Beschreibe für n = 1 die Wirkung von ˜φ auf dem affinen Raum A 1 K ↩→ PK 2 (mit<br />

Einbettung x ↦→ (x : 1)).<br />

Übung 2.3.3. Eine Teilmenge Q ⊆ PK<br />

n heißt Quadrik, falls es ein homogenes Polynom<br />

zweiten Grades p ∈ K[X 0 , . . . , X n ] gibt mit<br />

Sei K = R, n = 2 und p = X 2 0 − X 2 1 − X 2 2 .<br />

Q = {(x 0 : . . . : x n) ∈ P n K | p(x 0, . . . , x n) = 0} .<br />

1. Skizziere V (p) ⊆ A 3 R und bestimme j −1<br />

i (Q) für j i : A 2 R ↩→ PR 2 mit<br />

j 1(x, y) = (1 : x : y), j 2(x, y) = (x : 1 : y), j 3(x, y) = (x : y : 1).<br />

2. Sei φ : PR 2 → PR 2 eine projektive Transformation (siehe Übung 2.3.2). Wie kann<br />

j −1<br />

1 (φ(Q)) beschrieben werden? Bestimme eine projektive Transformation, so dass<br />

j −1<br />

1 (φ(Q)) = V (X2 − Y ) die Standardparabel ist.<br />

Übung 2.3.4. Für A ∈ GL(n + 1, K) sei φ : K n+1 → K n+1 gegeben durch φ(x) = Ax,<br />

und ˜φ : P n K → P n K sei die zugehörige projektiven Transformation (siehe Übung 2.3.2). Ein<br />

Punkt x ∈ P n K heißt Fixpunkt von ˜φ, falls ˜φ(x) = x gilt. Zeige:<br />

1. Der Punkt x = Kv ∈ P n K ist genau dann ein Fixpunkt von ˜φ, wenn v ein Eigenvektor<br />

von A ist.<br />

2. Eine projektive Transformation ˜φ : P 1 C → P 1 C mit ˜φ ≠ id hat entweder einen oder<br />

zwei Fixpunkte, eine projektive Transformation ˜φ : P 1 R → P 1 R mit ˜φ ≠ id hat entweder<br />

einen oder zwei oder gar keinen Fixpunkt.<br />

Übung 2.3.5. Bestimme eine projektive Transformation auf P 2 R, die das ”<br />

Viereck“ mit den<br />

Ecken<br />

(1 : 0 : 2), (1 : −1 : 1), (4 : 2 : 0) und (3 : 2 : 3)<br />

auf das ”<br />

Koordinatenviereck“ mit den Ecken<br />

(1 : 0 : 0), (0 : 1 : 0), (0 : 0 : 1) und (1 : 1 : 1)<br />

abbildet. Besitzt diese Transformation Fixpunkte?<br />

Übung 2.3.6. Betrachte die Veronese-Abbildung<br />

φ : P 1 C → P 2 C, (t 0 : t 1 ) ↦→ (t 2 0 : t 0 t 1 : t 2 1) .<br />

1. Zeige, dass φ wohldefiniert und injektiv ist.<br />

2. Sei C := {(x : y : z) ∈ P 2 C | xz = y 2 }. Zeige: φ(P 1 C) = C.<br />

Übung 2.3.7 (Unendlich ferne Punkte). Sei C := V (X 2 0 + X 2 1 − X 2 2 ) ⊆ P 2 C und H 2 :=<br />

V (X 2) ⊆ P 2 C. Betrachte die Einbettung<br />

j : A 2 C ↩→ P 2 C, (x 0, x 1) ↦→ (x 0 : x 1 : 1) .<br />

1. Zeige, dass j −1 (C) eine algebraische Menge ist.<br />

2. Bestimme C ∩ H 2 – die ”<br />

unendlich fernen“ Punkte von C.<br />

3. Führe a) und b) auch für die Kurven<br />

mit a, b, r ∈ C, r ≠ 0 durch.<br />

C a,b,r := V ((X 0 − aX 2 ) 2 + (X 1 − bX 2 ) 2 − r 2 X 2 2 ).<br />

Übung 2.3.8. Eine Teilmenge Q ⊆ PK<br />

n heißt Quadrik, falls es ein homogenes Polynom<br />

zweiten Grades p ∈ K[X 0 , . . . , X n ] gibt mit<br />

Sei K = R, n = 2 und p = X 2 0 − X 2 1 − X 2 2 .<br />

Q = {(x 0 : . . . : x n ) ∈ P n K | p(x 0 , . . . , x n ) = 0} .


1. Skizziere V (p) ⊆ A 3 R und bestimme j −1<br />

i (Q) für j i : A 2 R ↩→ PR 2 mit<br />

2.3 Reguläre Abbildungen 41<br />

j 1 (x, y) = (1 : x : y), j 2 (x, y) = (x : 1 : y), j 3 (x, y) = (x : y : 1).<br />

2. Sei φ : PR 2 → PR 2 eine projektive Transformation (siehe Übung 2.3.2). Wie kann<br />

j −1<br />

1 (φ(Q)) beschrieben werden? Bestimme eine projektive Transformation, so dass<br />

j −1<br />

1 (φ(Q)) = V (X2 − Y ) die Standardparabel ist.<br />

Übung 2.3.9 (Projektive Fortsetzung). Sei V ⊆ A n K eine algebraische Menge und I(V ) =<br />

(f 1, . . . , f r) ⊆ K[X 1, . . . , X n] das zugehörige Verschwindungsideal. Betrachte die Einbettung<br />

j : A n K ↩→ P n K , (x 1 , . . . , x n ) ↦→ (1 : x 1 : . . . : x n ) .<br />

Bestimme ein homogenes Ideal J ⊆ K[X 0, . . . , X n], so dass V (J) ∩ j(A n K) = j(V ).<br />

Übung 2.3.10. 1. Seien {p 1 , . . . , p n+2 } und {q 1 , . . . , q n+2 } zwei Mengen von Punkten in<br />

PK n , die die Eigenschaft besitzen, dass jeweils n+1 Punkte nicht auf einer (projektiven)<br />

Hyperebene liegen. Zeige, dass es eine eindeutige projektive Transformation φ : PK n →<br />

PK n gibt mit φ(p i ) = q i für i = 1, . . . , n + 2.<br />

Hinweis: Es kann helfen, mit den Punkten p 1 = (1 : 0 : . . . : 0), p 2 = (0 : 1 : 0 : . . . :<br />

0),. . . , p n+1 = (0 : . . . : 0 : 1) und p n+2 = (1 : . . . : 1) zu beginnen.<br />

2. Folgere, dass es zu drei paarweise verschiedenen Geraden in der projektiven Ebene<br />

(d.h. in PK) 2 eine projektive Transformation gibt, so dass die Vereinigung der Geraden<br />

auf eine der Varietäten V 1 = V (X 0X 1(X 0 − X 1)) oder V 2 = V (X 0X 1X 2) abgebildet<br />

wird.<br />

Übung 2.3.11. Sei I ✂ C[X 0 , . . . , X n ] ein homogenes Ideal. Zeige: I ist genau dann ein<br />

Primideal, falls für je zwei homogene Element f, g ∈ C[X 0 , . . . , X n ] gilt: Ist fg ∈ I, so ist<br />

f ∈ I oder g ∈ I.<br />

Übung 2.3.12. Sei PK 1 der 1-dimensionale projektive Raum. Für paarweise verschiedene<br />

Punkte p 1 , . . . , p 4 ∈ PK 1 mit homogenen Koordinaten p i = (x i : y i ) ist das Doppelverhältnis<br />

definiert durch<br />

∣ ∣ x4 x2 ∣∣∣<br />

x3 x2 ∣∣∣<br />

∣ y 4 y 2<br />

∣ y 3 y 2<br />

DV (p 1 , p 2 , p 3 , p 4 ) :=<br />

∣ :<br />

∣ ,<br />

x4 x1 ∣∣∣ x3 x1 ∣∣∣ ∣ y 4 y 1<br />

∣ y 3 y 1 wobei<br />

∣ a b<br />

( )<br />

a b<br />

c d ∣ die Determinante der Matrix bezeichnet.<br />

c d<br />

1. Zeige, dass DV (p 1 , p 2 , p 3 , p 4 ) wohldefiniert ist, d.h. unabhängig von der Wahl der<br />

homogenen Koordinaten, und dass nicht durch 0 geteilt wird.<br />

2. Beschreibe das Doppelverhältnis für Punkte x i ∈ A 1 R, betrachtet in der Einbettung<br />

j : A 1 R ↩→ P 1 R, j(x) = (x : 1).<br />

3. Das Doppelverhältnis ist invariant unter projektiven Transformationen φ : P 1 K → P 1 K,<br />

d.h.<br />

DV (p 1 , p 2 , p 3 , p 4 ) = DV (φ(p 1 ), φ(p 2 ), φ(p 3 ), φ(p 4 )) .<br />

Übung 2.3.13. Sei V ⊆ A n K eine algebraische Menge und I(V ) = (f 1 , . . . , f r ) ⊆ K[X 1 , . . . , X n ]<br />

das zugehörige Verschwindungsideal. Betrachte die Einbettung<br />

j : A n K ↩→ P n K , (x 1, . . . , x n) ↦→ (1 : x 1 : . . . : x n) .<br />

Bestimme ein homogenes Ideal J ⊆ K[X 0 , . . . , X n ], so dass V (J) ∩ j(A n K) = j(V ).<br />

Übung 2.3.14 (Dualität). Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und P(V ) der<br />

zugehörige projektive Raum. Dann heißt P(V ∗ ) der duale projektive Raum, wobei V ∗ der<br />

Dualraum von V ist.<br />

1. Konstruiere Bijektionen zwischen Punkten in P(V ) und Hyperebenen in P(V ∗ ) bzw.<br />

zwischen Hyperebenen in P(V ) und Punkten in P(V ∗ ).


42 2 Projektive Varietäten<br />

2. Wie lässt sich für V = R 3 der Dualraum V ∗ ebenfalls mit R 3 identifizieren? Was<br />

bedeutet die Korrespondenz zwischen Punkten und Hyperebenen in diesem Fall?<br />

3. Für p ∈ P(V ), q ∈ P(V ∗ ) seien H p ⊆ P(V ∗ ), H q ⊆ P(V ) die dualen Hyperebenen.<br />

Zeige:<br />

p ∈ H q ∩ H q ′ ⇐⇒ q ∨ q ′ ⊆ H p,<br />

wobei q ∨ q ′ die projektive Gerade bezeichnet, die durch q und q ′ verläuft.<br />

Übung 2.3.15 (Doppelverhältnis). Seien p 1, p 2, p 3 ∈ P 1 K paarweise verschieden. Zeige:<br />

DV (p 1 , p 2 , p 3 , p) = 1 ⇐⇒ p = p 3 .<br />

Übung 2.3.16. Sei K ein Körper mit 1 + 1 ≠ 0, und x, y, u, v ∈ P 1 K seien vier verschiedene<br />

Punkte. Wir sagen, das Punktepaare (x, y) trennt das Paar (u, v) harmonisch, wenn es eine<br />

projektive Transformation φ : P 1 K → P 1 K gibt, die u und v fest läßt und x und y vertauscht.<br />

1. Zeige die Äquivalenz der folgenden Aussagen:<br />

(i) Das Paar (x, y) trennt das Paar (u, v) harmonisch.<br />

(ii) DV (x, y, u, v) = DV (y, x, u, v).<br />

(iii) DV (x, y, u, v) = −1.<br />

2. Zeige, dass es zu je drei verschiedenen Punkten x, y, u ∈ P 1 K genau einen vierten<br />

harmonischen Punkt gibt, d.h. einen Punkt v ∈ P 1 K, der zusammen mit u von dem<br />

Paar (x, y) harmonisch getrennt wird.<br />

Übung 2.3.17. Zeige, dass die Abbildung<br />

φ : P 1 K → P 3 K, (x 0 : x 1 ) ↦→ (x 3 0 : x 2 0x 1 : x 0 x 2 1 : x 3 1)<br />

wohldefiniert ist und bestimme ein homogenes Ideal I ✂ K[X 0 , . . . , X 3 ], so dass<br />

φ(P 1 K) = V (I) .<br />

Hinweis: I wird von drei homogenen quadratischen Polynomen erzeugt.<br />

Übung 2.3.18. Sei V ⊆ P n K algebraisch irreduzibel und<br />

M := {(g, h) | g, h ∈ K[X 0, . . . , X n] homogen vom gleichen Grad und h /∈ I(V )} .<br />

Zeige, dass<br />

eine Äquivalenzrelation auf M definiert.<br />

(g, h) ∼ (g ′ , h ′ ) : ⇐⇒ gh ′ − g ′ h ∈ I(V )<br />

Übung 2.3.19. Sei j : A n K ↩→ P n K die Standardeinbettung gegeben durch<br />

j(x 1, . . . , x n) = (1 : x 1 : . . . : x n).<br />

Sei U := V \ V (X 0) versehen mit der von der Zariski-Topologie auf P n K versehenen Topologie.<br />

1. Bestimme eine rationale Abbildung f : P n K → A n K mit dom f = U und f ◦ j = id A n<br />

K<br />

.<br />

2. Zeige, dass j ein Homöomorphismus ist.<br />

Übung 2.3.20. Welche der folgenden Ausdrücke definieren rationale Abbildungen f :<br />

P n K → P m K zwischen projektiven Räumen der entsprechenden Dimension? Bestimme jeweils<br />

dom f. In welchen Fällen gibt es eine rationale Inverse?<br />

1. (x, y, z) ↦→ (x, y),<br />

2. (x, y) ↦→ (x, y, 1),<br />

3. (x, y) ↦→ (x, y, 0),<br />

4. (x, y, z) ↦→ (1/x, 1/y, 1/z),<br />

5. (x, y, z) ↦→ ((x 3 + y 3 )/z 3 , y 2 /z 2 , 1),<br />

6. (x, y, z) ↦→ (x 2 + y 2 , y 2 , y 2 ).


2.3 Reguläre Abbildungen 43<br />

Übung 2.3.21. Sei f ∈ K(PK). 1 Zeige: Ist f in jedem Punkte p ∈ PK<br />

1 regulär, so ist f<br />

konstant.<br />

Hinweis: Betrachte f ◦j i für i = 0, 1, wobei j i : A 1 K ↩→ P 1 K gegeben ist durch j 0 (x) = (1 : x)<br />

und j 1 (x) = (x : 1) und verwende Satz 1.3.14 der Vorlesung.<br />

Übung 2.3.22. Sei f : P 1 C → P 1 C ein Isomorphismus (d.h. eine rationale Abbildung mit<br />

dom f = P 1 C und es gibt eine rationale Abbildung g : P 1 C → P 1 C mit dom g = P 1 C und<br />

f ◦ g = id, g ◦ f = id). Zeige: f ist eine projektive Transformation.<br />

Übung 2.3.23. Sei V ⊆ PK n algebraisch irreduzibel und f : V PK m eine rationale<br />

Abbildung. Zeige: f : dom f → PK<br />

m ist stetig bezüglich der (induzierten) Zariski-Topologie.<br />

Übung 2.3.24. Zeige: Die Abbildung<br />

f : P n−1<br />

K → P n K , (x 1 : . . . : x n ) ↦→ (0 : x 1 : . . . : x n )<br />

ist ein Morphismus und induziert einen Isomorphismus P n−1<br />

K<br />

Übung 2.3.25. Betrachte den Morphismus<br />

∼= V (X 0) ⊆ P n K .<br />

f : P 1 K → P n K , (x 0 : x 1 ) ↦→ (x n 0 : x n−1<br />

0 x 1 : . . . : x 0 x n−1<br />

1 : x n 1 ) .<br />

Zeige, dass f einen Isomorphismus auf C ⊆ P n K ,<br />

liefert.<br />

C := V ((X iX j+1 − X jX i+1 | i, j = 0, . . . , n − 1, i ≠ j)),<br />

Übung 2.3.26. Es seien f k , f k−1 ⊆ C[X 1 , . . . , X n ] teilerfremde, homogene Polynome vom<br />

Grad k bzw. k − 1. Zeige, dass<br />

eine rationale Varietät ist.<br />

V := V (f k + X 0f k−1 ) ⊆ P n C


3<br />

Singularitäten<br />

In diesem Kapitel nehmen wir grundsätzlich an, dass K ein Körper der Charakteristik<br />

Null ist.<br />

3.1 Vielfachheiten in Punkten<br />

Definition 3.1.1. Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] und ν := (ν 1 , . . . , ν n ) ∈ N n . Wir verwenden<br />

die Multi-Index-Schreibweise. Insbesondere setzen wir |ν| = ν 1 + . . . + ν n und<br />

ν! := ν 1 ! . . . ν n !. Für P ∈ A n K mit P = (c 1, . . . , c n ) schreiben wir<br />

(X − P ) ν := (X 1 − c 1 ) ν1 · . . . · (X n − c n ) ν n<br />

und<br />

( ∂<br />

|ν| ) (<br />

∂X ν f ∂ |ν|<br />

(P ) :=<br />

∂X ν1<br />

1 . . . ∂Xνn n<br />

für die formale Ableitung. Schließlich setzen wir<br />

f (P )<br />

(i)<br />

:= ∑<br />

|ν|=i<br />

1<br />

ν!<br />

)<br />

f (P )<br />

( ∂<br />

|ν|<br />

∂X ν f )<br />

(P ) (X − P ) ν .<br />

Satz 3.1.2 (Taylorentwicklung).<br />

gilt für P ∈ A n K<br />

Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] mit deg f = d, dann<br />

d∑<br />

f =<br />

i=0<br />

f (P )<br />

(i)<br />

=<br />

d∑<br />

i=0<br />

∑<br />

|ν|=i<br />

1<br />

ν!<br />

( ∂<br />

|ν|<br />

∂X ν f )<br />

(P )(X − P ) ν .<br />

Beweis. Die Abbildung<br />

D P : K[X 1 , . . . , X n ] −→ K[X 1 , . . . , X n ],<br />

ist ein Homomorphismus von K-Vektorräumen.<br />

f ↦−→<br />

deg<br />

∑f<br />

i=0<br />

f (P )<br />

(i)<br />

Behauptung: {(X − P ) ν | ν ∈ N n 0 } ist eine Basis für K[X 1 , . . . , X n ].<br />

Um das einzusehen, betrachten wir den K-Vektorraum-Isomorphismus<br />

T P : K[X 1 , . . . , X n ] −→ K[X 1 , . . . , X n ]<br />

∑<br />

aν X ν = f ↦−→ f(X − P ) = ∑ a ν (X − P ) ν


46 3 Singularitäten<br />

mit Inversem T (−P ) (Übung). Es gilt T P (X ν ) = (X − P ) ν und daraus folgt die<br />

Behauptung, weil {X ν | ν ∈ N n 0 } eine Basis ist.<br />

Mit der Identität (Übung)<br />

rechnet man<br />

∂ |σ|<br />

∂X σ (X − P )ν (P ) =<br />

D P f Beh.<br />

= D P<br />

( ∑<br />

= ∑ ν<br />

ν<br />

a ν (X − P ) ν)<br />

a ν D P (X − P ) ν<br />

{<br />

0 für ν ≠ σ<br />

σ! für ν = σ.<br />

= ∑ ν<br />

= ∑ ν<br />

= ∑ ν<br />

a ν<br />

a ν<br />

∑<br />

σ<br />

∑<br />

σ<br />

1<br />

σ!<br />

a ν (X − P ) ν<br />

( ∂<br />

|σ|<br />

∂X σ (X − P )ν) (P ) (X − P ) σ<br />

1<br />

σ! δ ν,σ(X − P ) σ σ!<br />

= f.<br />

⊓⊔<br />

Definition 3.1.3. Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ], P ∈ A n K . Dann heißt<br />

{<br />

}<br />

µ P (f) := min i ∈ N ∣ ∃ σ ∈ N n mit |σ| = i und ∂|σ|<br />

∂X σ f(P ) ≠ 0<br />

die Vielfachheit von f in P und<br />

f (P ) :=<br />

der Leitterm von f an der Stelle P .<br />

{<br />

f (P )<br />

(µ P (f))<br />

für f ≠ 0<br />

0 für f = 0<br />

Bemerkung 3.1.4. (i) µ P (f) = min{i ∈ N | f (P )<br />

(i)<br />

≠ 0}.<br />

(ii) f = 3X 3 − X 5 ∈ R[X], dann gilt<br />

Mit<br />

f(P ) = 0 ⇔ P 3 (P 2 − 3) = 0 ⇔ P ∈ {0, ± √ 3}.<br />

↑ 4.7.2012 ↑<br />

∂<br />

∂X f = 9X2 − 5X 4 ,<br />

ergibt sich<br />

∂ 2<br />

∂X 2 f = 18X − 20X3 ,<br />

⎧<br />

⎪⎨ 0 für P /∈ {0, ± √ 3}<br />

µ P (f) = 1 für P ∈ {± √ 3}<br />

⎪⎩<br />

3 für P = 0.<br />

∂ 3<br />

f = 18 − 60X2<br />

∂X3


3.1 Vielfachheiten in Punkten 47<br />

Lemma 3.1.5. Seien P ∈ A n K sowie f, g ∈ K[X 1, . . . , X n ]. Dann gilt<br />

(i) µ P (f) > 0 ⇐⇒ f(P ) = 0.<br />

(ii) µ P (f) = ∞ ⇐⇒ f = 0.<br />

(iii) f ≠ 0 =⇒ µ P (f) ≤ deg f.<br />

(iv) µ P (fg) = µ P (f) + µ P (g).<br />

(v) µ P (f + g) ≥ min{µ P (f), µ P (g)} mit Gleichheit, falls µ P (f) ≠ µ P (g).<br />

Beweis. (i) klar<br />

(ii) Wegen ∂|σ|<br />

∂X<br />

f(P ) = 0 für alle σ folgt f = 0 nach Satz 3.1.2 (die Umkehrung ist<br />

σ<br />

klar).<br />

(iii) ∂|σ|<br />

∂X<br />

f(P ) = 0 für |σ| > deg f.<br />

σ<br />

(iv)<br />

fg =<br />

=<br />

=<br />

( deg ∑<br />

f<br />

i=µ P (f)<br />

deg f+deg<br />

∑<br />

g<br />

k=µ P (f)+µ P (g)<br />

( deg f+deg<br />

∑<br />

g<br />

k>µ P (f)+µ P (g)<br />

) ( deg ∑<br />

g<br />

f (P )<br />

(i)<br />

i=µ P (g)<br />

∑<br />

l+m=k<br />

∑<br />

l+m=k<br />

)<br />

g (P )<br />

(j)<br />

f (P )<br />

(l)<br />

g (P )<br />

(m)<br />

)<br />

f (P )<br />

(l)<br />

g (P )<br />

(m)<br />

+ f (P )<br />

(µ P (f)) g(P )<br />

(µ P (g))<br />

} {{ }<br />

≠0<br />

Also gilt µ P (gf) = µ P (f) + µ P (g).<br />

max{µ P ∑(f),µ P (g)} (<br />

(P )<br />

(v) f +g =<br />

f<br />

(i) +g(P ) )<br />

(i) liefert µP (f +g) ≥ min{µ P (f), µ P (g)}.<br />

i=min{µ P (f),µ P (g)}<br />

Gleichheit gilt genau dann, wenn f (P )<br />

(µ P (f)) + g(P )<br />

(µ P (g)) ≠ 0. Das ist der Fall, wenn<br />

µ P (f) ≠ µ P (g).<br />

⊓⊔<br />

.<br />

Definition 3.1.6. Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ], f ≠ 0 und V = V (f) sowie P ∈ A n K .<br />

Dann heißt<br />

µ P (V ) := min{µ P (g) | g ∈ I(V )}<br />

die Vielfachheit von V in P . Die Menge<br />

Reg(V ) := {P ∈ V | µ P (V ) = 1}<br />

heißt die Menge der regulären Punkte in V und die Menge<br />

Sing(V ) := {P ∈ V | µ P (V ) > 1}<br />

die Menge der singulären Punkte in V .<br />

Bemerkung 3.1.7. Es gilt µ P (V ) > 0 ⇔ P ∈ V , denn<br />

µ P (V ) = 0 ⇔ ∃ g ∈ I(V ) mit µ P (g) = 0<br />

⇔ ∃ g ∈ I(V ) mit g(P ) ≠ 0<br />

⇔ P /∈ V.


48 3 Singularitäten<br />

f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] \ {0} heißt quadratfrei, falls f = g 2 h mit g, h ∈ K[X 1 , . . . , X n ]<br />

nur für deg g = 0 möglich ist.<br />

Bemerkung 3.1.8. f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] \ K. Betrachte die folgenden Aussagen:<br />

(1) (f) ist Primideal.<br />

(2) f ist irreduzibel.<br />

(3) f ist quadratfrei.<br />

(4) (f) ist ein Radikalideal.<br />

Dann gilt (1) ⇔ (2) ⇒ (3) ⇔ (4). Nur die letzte Äquivalenz erfordert mehr<br />

als einen Routinenachweis.<br />

” (3) ⇒ (4)“: f quadratfrei liefert f = ε m ∏<br />

i=1<br />

p i mit ε ∈ K und p i paarweise verschiedenen<br />

Primelementen. Zu zeigen ist dann: g k ∈ (f) ⇒ g ∈ (f)“. Wir<br />

”<br />

haben<br />

g k ∈ (f) ⇒ f | g k ⇒ p i | g k ⇒ p i | g ⇒ f | g.<br />

” (4)⇒ (3)“: f = g2 h mit deg g > 0 liefert (gh) 2 = fh ∈ (f) und gh ∈ Rad(f) = (f),<br />

also einen Widerspruch!<br />

Proposition 3.1.9. Seien K algebraisch abgeschlossen und f ∈ K[X 1 , . . . , X n ]\{0}<br />

quadratfrei. Dann gilt µ P<br />

(<br />

V (f)<br />

)<br />

= µP (f).<br />

Beweis. Bemerkung 3.1.8 und Hilberts Nullstellensatz 1.2.16 zeigen<br />

und Lemma 3.1.5(iv) liefert<br />

I ( V (f) ) = rad (f) = (f)<br />

µ P<br />

(<br />

V (f)<br />

)<br />

= min{µP (g) | g ∈ I ( V (f) ) = (f)} = µ P (f).<br />

⊓⊔<br />

Lemma 3.1.10. Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ]. Wenn V (h) Sing(f) := {P ∈ V (f) |<br />

µ P (f) > 1} für alle h ∈ K[X 1 , . . . , X n ]\K (d.h. Sing(f) enthält keine Hyperfläche),<br />

dann ist f quadratfrei.<br />

Beweis. Annahme: f = h 2 g mit deg h > 0. Dann gilt<br />

∂<br />

∂X i<br />

f(P ) = h(P )<br />

∂<br />

∂X i<br />

∂<br />

(hg)(P ) + hg(P ) ∂ h(P ).<br />

∂X i ∂X i<br />

Wenn P ∈ V (h), so haben wir f(P ) = 0 und µ P (f) > 1. Aber es gilt V (h) ⊆<br />

V (h 2 g) = V (f), also V (h) ⊆ Sing(f). Dieser Widerspruch beweist die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Satz 3.1.11. Sei K algebraisch abgeschlossen, n > 1, f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] \ {0}.<br />

Wenn es nur endlich viele Punkte P ∈ A n K mit µ P (f) > 1 gibt, dann gilt<br />

µ P<br />

(<br />

V (f)<br />

)<br />

= µP (f) für alle P ∈ V (f).


3.1 Vielfachheiten in Punkten 49<br />

Beweis. n > 1, K algebraisch abgeschlossen liefert |V (h)| = ∞ für alle h ∈<br />

K[X 1 , . . . , X n ] \ K und es folgt V (h) Sing(f). Mit Lemma 3.1.10 sehen wir, dass<br />

f quadratfrei ist und Proposition 3.1.9 liefert dann die Behauptung für ( nichtkonstantes<br />

f. Für konstantes f rechnet man direkt nach, dass µ P (f) = µ P V (f) = 0<br />

)<br />

gilt.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 3.1.12. (i) Betrachte f = Z1 3 + Z1 2 − Z2 2 ∈ C[Z 1 , Z 2 ]. Dann gilt ∇f(P ) =<br />

(3z1 2 + 2z 1 , −2z 2 ) = 0 für P = (z 1 , z 2 ) genau dann, wenn P = (0, 0) oder<br />

P = (− 2 3<br />

, 0) /∈ V (f). Beachte, dass<br />

∂2 f = −2. Also haben wir<br />

∂Z 2 2<br />

⎧<br />

⎪⎨ 0 für P /∈ V (f)<br />

µ p (f) = 1 für P ∈ V (f) \ {(0, 0)}<br />

⎪⎩<br />

2 für P ∈ {(0, 0)}<br />

und {(0, 0)} ist der einzige singuläre Punkt von V (f).<br />

(ii) Sei V (h) ⊆ C n Hyperebene mit deg h = 1 (d.h. linear). Dann ist h quadratfrei<br />

und es gilt µ P<br />

(<br />

V (h)<br />

)<br />

= µP (h) für alle P ∈ V (h). Dies zeigt Reg ( V (h) ) = V (h),<br />

d.h. V (h) hat keine singulären Punkte.<br />

(iii) Sei f ∈ C[Z 1 , Z 2 ] mit deg f = 2. Wenn V = V (f) keine Gerade enthält, dann<br />

ist V (f) nicht-singulär. Um das einzusehen, nehmen wir an, dass µ P (V ) > 1<br />

für P = (c 1 , c 2 ). Dann gilt 2 ≤ µ P (V ) ≤ µ P (f) ≤ deg f = 2 und<br />

f = a(Z 1 − c 1 ) 2 + b(Z 1 − c 1 )(Z 2 − c 2 ) + c(Z 2 − c 2 ) 2 .<br />

1. Fall: a = 0.<br />

In diesem Fall gilt V (h) ⊆ V (f) mit h = b(Z 1 − c) + c(Z 2 − c) (Gerade).<br />

2. Fall: a ≠ 0.<br />

In diesem Fall gilt V (h) ⊆ V (f) mit h = (Z 1 − c 1 ) + b±√ b−4ac<br />

2a<br />

(Z 2 − c 2 )<br />

(Gerade).<br />

↑ 5.7.2012 ↑<br />

Die Begriffe Vielfachheit, Regularität und Singularität wurden bisher nur für<br />

Hyperflächen definiert. Für beliebige algebraische Mengen (auch irreduzibel) führen<br />

die im Hyperflächenfall verwendeten Definitionen zu Widersprüchen.<br />

Beispiel 3.1.13. Betrachte I = (Z 3 , f = Z 2 1 + Z 3 1 − Z 2 2) ⊆ C[Z 1 , Z 2 , Z 3 ] und V =<br />

V (I). Setzt man µ P (V ) := min{µ P (g) | g ∈ I(V )} und g = Z 3 , so ergibt sich<br />

µ P (V ) ≤ µ P (Z 3 ) ≤ 1, also µ P (V ) = 1 für alle P ∈ V . Das bedeutet, mit der alten<br />

Definition sind alle Punkte in V regulär. Wenn man aber V als Teilmenge von A 2 K<br />

betrachtet, wie in Beispiel 3.1.12, dann ist P = (0, 0) singulär.


50 3 Singularitäten<br />

In diesem Abschnitt<br />

wurden die Beweise<br />

nicht vorgeführt<br />

3.2 Schnittvielfachheiten mit Geraden<br />

Definition 3.2.1. Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ], P ∈ A n K und L eine Gerade durch P , die<br />

durch λ ↦→ λa + P, a ∈ K n parametrisiert ist. Setze f L (λ) = f(P + λa) ∈ K[λ].<br />

Dann heißt<br />

µ P (f, L) := µ 0 (f L )<br />

die Schnittvielfachheit von f mit L in P .<br />

Lemma 3.2.2. µ P (f, L) = min{i ∈ N 0 | L V ( f (P ) )<br />

(i) }.<br />

Beweis.<br />

liefert<br />

Beachte:<br />

f L (λ) = f(P + λa) =<br />

deg<br />

∑f<br />

i=0<br />

µ P (f, L) = min { i ∈ N 0 | ∑<br />

L ⊆ V ( f (P )<br />

(i)<br />

|ν|=i<br />

∑<br />

|ν|=i<br />

( 1<br />

ν!<br />

∂ |ν| )<br />

∂X ν f(P ) a ν λ i<br />

( 1 ∂ |ν|<br />

ν! ∂X ν f(P ) a ν ≠ 0 } .<br />

} {{ }<br />

d ν<br />

)<br />

)<br />

(P ) ⇔ f<br />

(i)<br />

(P + λa) ≡ 0 (als Polynom in λ)<br />

⇔ ∑<br />

d ν a ν λ i ≡ 0<br />

|ν|=i<br />

⇔ ∑<br />

|ν|=i<br />

d ν a ν = 0.<br />

Damit erhält man µ P (f, L) = min { ∣<br />

i ∈ N 0 L V ( f (P ) )}<br />

(i) . ⊓⊔<br />

Lemma 3.2.3. Seien L ⊆ A n K eine Gerade, P ∈ L, f, g ∈ K[X 1, . . . , X n ].<br />

(i) µ P (f, L) > 0 ⇔ P ∈ V (f) ∩ L.<br />

(ii) µ P (f, L) = ∞ ⇔ L ⊆ V (f).<br />

(iii) L V (f) ⇒<br />

∑ µ P (f, L) ≤ deg f.<br />

P ∈L<br />

(iv) µ P (fg, L) = µ P (f, L) + µ P (g, L).


3.2 Schnittvielfachheiten mit Geraden 51<br />

Beweis. (i) Für P ∈ L gilt<br />

µ P (f, L) > 0 ⇔ µ 0 (f L ) > 0 ⇔ f L (0) = 0 ⇔ f(P ) = 0.<br />

(ii)<br />

µ P (f, L) = ∞ ⇔ ∀i ∈ N 0 : L ⊆ V ( f (P ) )<br />

(i)<br />

⇔ L ⊆<br />

deg<br />

∩f<br />

i=0<br />

V ( f (P )<br />

(i)<br />

) ( deg ∑<br />

f<br />

= V<br />

i=0<br />

(<br />

(P )) )<br />

f<br />

(i)<br />

⊆ V.<br />

(iii) Aus L V (f) folgt f L ≡/ 0 . Außerdem gilt deg f L ≤ deg f und durch abspalten<br />

der Faktoren (λ − c) µc(f L) für Nullstellen c von f L erhalten wir<br />

∑<br />

P ∈L<br />

µ P (f, L) = ∑ c∈K<br />

f L (c)=0<br />

µ c (f L ) ≤ deg f L ≤ deg f.<br />

(iv) µ P (fg, L) = µ 0<br />

(<br />

(fg)L<br />

)<br />

= µ0 (f L g L ) = µ 0 (f L ) + µ 0 (g L ) = µ P (f, L) + µ P (g, L).<br />

⊓⊔<br />

Definition 3.2.4. Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] \ {0}, V = V (f), L ⊆ A n K<br />

und P ∈ L. Dann heißt<br />

eine Gerade<br />

µ P (V, L) := min{µ P (g, L) | g ∈ I(V )}<br />

die Schnittvielfachheit von L mit V in P .<br />

Proposition 3.2.5. Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ]\{0} quadratfrei, V = V (f), L ⊆ A n K eine<br />

Gerade und P ∈ L. Wenn K algebraisch abgeschlossen ist, so gilt µ P (V (f), L) =<br />

µ P (f, L).<br />

Beweis. Übung (wie für Proposition 3.1.9 mit Lemma 3.2.3 statt Bemerkung 3.1.8).<br />

⊓⊔<br />

Korollar 3.2.6. Seien n > 1, K algebraisch abgeschlossen, f ∈ K[X 1 , . . . , X n ]\{0}.<br />

Wenn es nur endlich viele Punkte P ∈ A n K mit µ P (f) > 1 gibt, dann gilt für jede<br />

Gerade L ⊆ A n K und jeden Punkt P ∈ L die Gleichheit µ P<br />

(<br />

V (f), L<br />

)<br />

= µP (f, L).<br />

Beweis. Übung (vgl. Satz 3.1.11).<br />

⊓⊔<br />

Satz 3.2.7. Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] \ {0}, P ∈ A n K<br />

und K algebraisch abgeschlossen.<br />

Dann gilt<br />

( ) ( )<br />

µ P V (f) = min{µP V (f), L | L ⊆ A<br />

n<br />

K Gerade mit P ∈ L}.


= µ P<br />

(<br />

V (f)<br />

)<br />

.<br />

⊓⊔<br />

52 3 Singularitäten<br />

Beweis. ≤“: Mit ”<br />

µ P (g) = min{i ∈ N 0 | g (P )<br />

(i)<br />

≠ 0} = min{i ∈ N 0 | V ( g (P ) )<br />

(i) ≠ A<br />

n<br />

K }<br />

und<br />

µ P (g, L) = min { ∣<br />

i ∈ N 0 L V ( g (P ) )}<br />

(i)<br />

finden wir µ P (g) ≤ µ P (g, L) für alle g ∈ I ( V (f) ) und daher<br />

µ P<br />

(<br />

V (f)<br />

)<br />

≤ µP<br />

(<br />

V (f), L<br />

)<br />

.<br />

” ≥“: Wähle h ∈ I( V (f) ) mit µ P (h) = µ P<br />

(<br />

V (f)<br />

)<br />

=: M. Dann gilt h<br />

(P )<br />

(M) ≠ 0<br />

und V ( h (P )<br />

(M))<br />

≠ A<br />

n<br />

K (homogen bzgl. P ). Also gibt es eine Gerade L durch P mit<br />

L V ( h (P )<br />

(M))<br />

und wir können rechnen<br />

µ P<br />

(<br />

V (f), L<br />

)<br />

= min{µP (g, L) | g ∈ I ( V (f) ) }<br />

≤ µ P (h, L)<br />

= min{i ∈ N 0 | L V ( h (P ) )<br />

(i) }<br />

≤ M<br />

Beispiel 3.2.8. Betrachte f = X1 2 + X2 2 − 1 ∈ R[X 1 , X 2 ] und P = (0, 1). Zu<br />

a ∈ R ∪ {∞} betrachte die Gerade L a : X 2 = 1 a<br />

X 1 + 1 in R 2 mit der Parametrisierung<br />

(x 1 , x 2 ) = (0, 1) + λ ( (<br />

1, a) 1 = λ,<br />

λ<br />

a + 1) und finden so die Darstellung<br />

f La (λ) = a2 +1<br />

a<br />

λ 2 − 2 2 a λ = 1 a λ ( a 2 +1<br />

a<br />

λ − 2) für die Einschränkung von f auf L a . Das<br />

Polynom f ist irreduzibel und daher quadratfrei (f La ist nicht irreduzibel, aber auch<br />

quadratfrei, was die Quadratfreiheit von f ebenfalls impliziert). Die Schnittpunkte<br />

von L a und V (f) sind P und Q a = 1<br />

1+a<br />

(−2a, a 2 − 1) ∈ R 2 (vgl. Beispiel 1.3.5).<br />

2<br />

P<br />

L<br />

8<br />

Qa<br />

La<br />

V(f)<br />

↑ 11.7.2012 ↑<br />

Es ergibt sich<br />

µ P<br />

(<br />

V (f), La<br />

)<br />

= µP (f, L a ) =<br />

{<br />

1 für a ∈ R<br />

2 für a = ∞<br />

Weiter gilt ∇f(x 1 , x 2 ) = (2x 1 , 2x 2 ) ≠ 0 für alle (x 1 , x 2 ) mit f(x 1 , x 2 ) = 0 und das<br />

zeigt<br />

µ Q<br />

(<br />

V (f)<br />

)<br />

= 1 ∀Q ∈ V (f).<br />

Schließlich finden wir<br />

und<br />

1 = µ P<br />

(<br />

V (f)<br />

)<br />

= µP<br />

(<br />

V (f), La<br />

)<br />

∀a ∈ R<br />

1 = µ P<br />

(<br />

V (f)<br />

)<br />

< µP<br />

(<br />

V (f), L∞<br />

)<br />

= 2.


3.3 Regularität und Dimension 53<br />

3.3 Regularität und Dimension<br />

Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] irreduzibel und deg f ≥ 1, P = (a 1 , . . . , a n ) ∈ V (f) ⊆ A n K<br />

sowie L eine Gerade durch P . Dann gilt nach Lemma 3.2.2<br />

µ P (f, L) > 1 ⇔ L ⊆ V ( f (P ) )<br />

(1) ,<br />

weil L ⊆ V ( f (P ) )<br />

(0) = V (0) = A<br />

n<br />

K . Beachte, dass<br />

V ( f (P )<br />

(1) ) = V ( n ∑<br />

i=1<br />

( ∂<br />

)<br />

)<br />

f (P )(X i − a i ) = {Q ∈ A n | ⟨∇f(P ), Q − P ⟩ = 0},<br />

∂X i<br />

wobei ∇f(P ) = ( ∂f<br />

∂f<br />

∂X 1<br />

(P ), . . . ,<br />

∂X n<br />

(P ) ) der Gradient“ von f ist und<br />

”<br />

⟨ , ⟩ : K n × K n −→ K<br />

(<br />

(x1 , . . . , x n ), (y 1 , . . . , y n ) ) n∑<br />

↦−→ x i y i .<br />

Sei jetzt L ⊆ V ( f (P ) )<br />

(1) die Gerade L = {P + tB | t ∈ K} mit B = (b1 , . . . , b n ) ∈ K n .<br />

Dann gilt ⟨∇f(P ), tB⟩ = 0 für alle t ∈ K, also insbesondere ⟨∇f(P ), B⟩ = 0, d.h.<br />

der Richtungsvektor von L steht senkrecht“ auf dem Gradienten von f in P .<br />

”<br />

i=1<br />

_<br />

Vf(P)<br />

P<br />

L<br />

V(f)<br />

Als Ergebnis finden wir, dass V ( f (P ) )<br />

(1) der Kandidat für den Tangentialraum“ von<br />

”<br />

V (f) in P ist.<br />

Proposition 3.3.1. Sei f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] \ K (mit char K = 0 und K algebraisch<br />

abgeschlossen) irreduzibel und V = V (f). Dann gilt<br />

(i) Sing(V ) ist abgeschlossen in V .<br />

(ii) Reg(V ) ≠ ∅ (also dicht).<br />

Beweis. (i) Schreibe ∂ i f für das Polynom<br />

∂X i<br />

(formale Ableitung). Dann gilt<br />

Sing(V ) = V (f, ∂ 1 f, . . . , ∂ n f) und das beweist (i).<br />

(ii) Wir nehmen an, dass Sing(V ) = V . Dann gilt V (f) ∩ V (∂ 1 f, . . . , ∂ n f) = V (f),<br />

d.h., V (f) ⊆ V (∂ 1 f, . . . , ∂ n f). Da f irreduzibel ist, folgt<br />

(∂ 1 f, . . . , ∂ n f) ⊆ I ( V (∂ 1 f, . . . , ∂ n f) ) ⊆ I ( V (f) ) = (f).<br />

Also teilt f das Polynom ∂ i f für jedes i = 1, . . . , n. Damit sieht man ∂ i f =<br />

0 (aus Gradgründen), d.h. f ist konstant (char K = 0). Dieser Widerspruch<br />

beweist die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

∂f


54 3 Singularitäten<br />

Definition 3.3.2. Sei V ⊆ A n K eine affine Varietät und P = (a 1, . . . , a n ) ∈ V . Der<br />

affine Unterraum<br />

T P (V ) :=<br />

∩<br />

V ( f (P ) )<br />

(1) ⊆ A<br />

n<br />

K<br />

heißt Tangentialraum von V an P .<br />

f∈I(V )<br />

Bemerkung 3.3.3. (i) T P (V ) ist ein affiner Unterraum von A n K , weil jedes V ( f (P ) )<br />

(1)<br />

)<br />

ein affiner Unterraum ist.<br />

(ii) Vergleich mit der Analysis: Sei V = V (f 1 , . . . , f k ) und Rang<br />

(<br />

∂(f1 ,...,f k )<br />

∂(x 1 ,...,x n )<br />

(voller Rang) auf einer offenen Menge. Dann ist V eine Untermannigfaltigkeit<br />

mit<br />

T P (V ) = {v ∈ K n | ⟨∇f j (P ), v⟩ = 0, j = 1, . . . , k}.<br />

= k<br />

Lemma 3.3.4. Sei V ⊆ A n K eine affine Varietät und I(V ) = (f 1, . . . , f k ). Für<br />

p ∈ V gilt dann<br />

k∩<br />

T P (V ) = V ( f (P ) )<br />

i (1)<br />

.<br />

Beweis. Zu zeigen ist die Gleichheit<br />

i=1<br />

∩<br />

f∈I(V )<br />

V ( f (P ) ) k∩<br />

(1) =<br />

i=1<br />

V ( f (P )<br />

i (1)<br />

)<br />

. Die Inklusion<br />

” ⊆“ ist trivial. Um ” ⊇“ zu zeigen, betrachte f ∈ I(V ). Es gilt f = ∑ k g i f i für<br />

i=1<br />

passend gewählte g i ∈ K[X 1 , . . . , X n ]. Mit P = (a 1 , . . . , a n ) rechnet man dann<br />

f (P )<br />

(1)<br />

=<br />

=<br />

=<br />

n∑<br />

j=1<br />

n∑<br />

j=1<br />

n∑<br />

i=1<br />

(<br />

∂j f ) (P )(X j − a j )<br />

k∑ (<br />

∂j g i (P ) f i (P ) +g i (P )∂ i f i (P ) ) (X i − a i )<br />

} {{ }<br />

i=1<br />

=0<br />

n∑<br />

g i (P ) ∂ j f i (P )(X i − a i )<br />

j=1<br />

} {{ }<br />

f (P )<br />

i (1)<br />

.<br />

Es folgt erst<br />

∑<br />

f∈I(V )<br />

(<br />

(P )) k∑ f<br />

(1) ⊆<br />

i=1<br />

(<br />

f<br />

(P )<br />

i (1)<br />

)<br />

und dann mit<br />

T P (V ) =<br />

∩<br />

f∈I(V )<br />

die Behauptung.<br />

V ( f (P ) ) ( ∑ (<br />

(P )<br />

(1) = V f<br />

(1)<br />

f∈I(V )<br />

) ) ⊇ V<br />

( ∑<br />

i=1<br />

(<br />

f<br />

(P )<br />

I (1)<br />

) ) =<br />

k∩<br />

i=1<br />

V ( f (P )<br />

i (1)<br />

)<br />

⊓⊔


3.3 Regularität und Dimension 55<br />

Definition 3.3.5. Sei V ⊆ A n K<br />

eine affine Varietät. Die Zahl<br />

dim(V ) = min{dim T P (V ) | P ∈ V }<br />

heißt die Dimension von V . Die Elemente der Menge<br />

Reg(V ) := {P ∈ V | dim T P (V ) = dim(V )}<br />

heißen reguläre Punkte in V , die Elemente der Menge<br />

Sing(V ) := {P ∈ V | dim T P (V ) > dim(V )}<br />

heißen singuläre Punkte in V .<br />

Bemerkung 3.3.6. Sei V = V (f) mit f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] irreduzibel. Dann gilt<br />

µ P (f) = 1 ⇔ ∇f(P ) ≠ 0 ⇔ Rang ∇f(P ) = 1 ⇔ dim T P (V ) = n − 1,<br />

µ P (f) > 1 ⇔ ∇f(P ) = 0 ⇔ dim T P (V ) = n.<br />

Also sind die bisherigen Definitionen singulären und regulären Punkten für Hyperflächen<br />

mit denen für allgemeine affine Varietäten verträglich.<br />

Proposition 3.3.7. Sei V ⊆ A n K eine affine Varietät und I(V ) = (f 1, . . . , f k ). Die<br />

Funktion<br />

V −→ N 0<br />

P ↦−→ dim T P (V )<br />

ist von oben halbstetig (von der Zariski-Topologie in die diskrete Topologie). Anders<br />

ausgedrückt: S(m) := {P ∈ V | dim T P (V ) ≥ m} ist für jedes m abgeschlossen bzgl.<br />

der Zariski-Topologie.<br />

Beweis. Es gilt<br />

T P (V ) = {Q ∈ A n K | f (P )<br />

i (1)<br />

(Q) = 0 i = 1, . . . , k}<br />

= {P + a | a ∈ K n ; f (P )<br />

i (1)<br />

(a + P ) = 0; i = 1, . . . , k}<br />

= {P + a | ∑ j<br />

∂ j f i (P )(a) = 0; i = 1, . . . , k},<br />

woraus man dim T P (V ) = n − Rang ( ∂ j f i (P ) ) ableitet. Also ist P ∈ S(m) genau<br />

dann, wenn jede (n − m + 1) × (n − m + 1)-Unterdeterminante von ( ∂ j f i (P ) ) verschwindet.<br />

Sei J m das von all diesen Unterdeterminanten erzeugte Ideal. Dann gilt<br />

P ∈ S(m) ⇔ P ∈ V (J m ),<br />

d.h. S(m) ist abgeschlossen.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 3.3.8. Sei d = dim(V ), dann gilt:<br />

V \ S(d + 1) = S(d) \ S(d + 1) = {P ∈ V | dim T P (V ) = d} = Reg(V )<br />

ist offen und nicht leer, also dicht in V .


56 3 Singularitäten<br />

Man identifiziert T P (V ) mit einem Untervektorraum von K n , indem man P als<br />

Ursprung für A n K<br />

wählt und<br />

A<br />

n K −→ K n<br />

Q ↦−→ Q − P<br />

als identifizierende Abbildung nimmt. Es ist dann sinnvoll, von T P (V ) ∗ := Hom K (T P (V ), K)<br />

zu sprechen. Sei P = (a 1 , . . . , a n ) ∈ A n K und ˜m P := (X 1 − a 1 , . . . , X n − a n )<br />

das zugehörige maximale Ideal in K[X 1 , . . . , X n ]. Setze m p := π( ˜m P ), wobei<br />

π<br />

K[X 1 , . . . , X n ] −→ K[V ] der Quotientenhomomorphismus ist. Dann gilt m P = I(P )<br />

und wir schreiben<br />

{ ∑ ∣ }<br />

m 2 ∣∣<br />

P := a j b j aj , b j ∈ m P ⊆ m P .<br />

j<br />

Satz 3.3.9. Sei V ⊆ A n K<br />

eine affine Varietät und P ∈ V . Dann faktorisiert die<br />

Abbildung<br />

˜φ : ˜m P −→ (K n ) ∗<br />

zu einem linearen Isomorphismus<br />

Beweis. Es gilt<br />

wobei df(P )(b) = n ∑<br />

i=1<br />

f ↦−→ ( b ↦→ f (P )<br />

(1) (b + P ) = ∑ j<br />

m P /m 2 P −→ T P (V ).<br />

˜φ : ˜m P −→ (K n ) ∗<br />

f ↦−→ df(P ),<br />

∂ j f(P )b j<br />

)<br />

∂ i f(P )b i , ˜m P = (X 1 − a 1 , . . . , X n − a n ) mit P = (a 1 , . . . , a n )<br />

und d(X j − a j )(P )(b) = b j gilt. Damit folgt die Surjektivität der Abbildung ˜φ.<br />

Als nächstes betrachten wir die folgende Kette von Äquivalenzen:<br />

f ∈ ker ˜φ ⇐⇒ df(P ) = 0<br />

⇐⇒<br />

f(P )=0<br />

µ P (f) ≥ 2<br />

⇐⇒ f ∈<br />

Taylorentwicklung in P ˜m2 P .<br />

Damit folgt, dass ˜m P / ˜m 2 P ∼ = (K n ) ∗ via ˜φ und wir haben die Behauptung für den<br />

Spezialfall V = A n K bewiesen.<br />

Beachte:<br />

(a) T P (V ) ↩→ K n = T P (A n K ) induziert eine surjektive lineare Abbildung r V :<br />

T P (A n K )∗ → T P (V ) ∗ (durch Einschränkung).<br />

(b) m 2 P = π( ˜m2 P ) = ˜m2 P + I(V ) (Menge von Nebenklassen), also gilt m P /m 2 ∼ p =<br />

˜m P /( ˜m 2 P + I(V )) und finden das kommutative Diagramm<br />

˜m P<br />

˜φ<br />

T 0 (A n K )∗<br />

m P /m 2 P ∼ =<br />

˜m P / ˜m 2 P + I(V ) T 0 (V ) ∗<br />

r V


3.3 Regularität und Dimension 57<br />

Es bleibt noch zu zeigen, dass ker (r V ◦ ˜φ) = ˜m 2 P + I(V ). Dazu betrachten wir die<br />

folgende Kette von Äquivalenzen für I(V ) = (g 1 , . . . , g k ):<br />

f ∈ ker (r V ◦ ˜φ) ⇐⇒ df(P )| TP (V ) = 0<br />

3.3.4<br />

⇐⇒ ∀b ∈ K n : df(P )(b) =<br />

(<br />

⇐⇒ d f −<br />

⇐⇒ f −<br />

k∑<br />

a j g j<br />

)(P ) = 0<br />

j=1<br />

k∑<br />

a j g j ∈ ˜m 2 P<br />

j=1<br />

⇐⇒ f ∈ ˜m 2 P + I(V ).<br />

k∑<br />

j=1<br />

a j g (P )<br />

j(1) (b + P )<br />

Dabei haben wir benützt, dass T P (V ) = {b ∈ K n | g (P )<br />

j(1)<br />

(b + P ) = 0; j = 1, . . . , k}.<br />

⊓⊔<br />

↑ 12.7.2012 ↑<br />

Übung 3.3.1. Gegeben seien ein K-Vektorraum W und linear Funktionale l 1, . . . , l k ∈ W ∗<br />

auf W . Der lineare Unterraum U ≤ W sei durch U := ∩ ker l j definiert und l ∈ W ∗ mit<br />

j<br />

l| U = 0. Zeige: es gibt a 1 , . . . , a k ∈ K mit<br />

l =<br />

k∑<br />

j=1<br />

a j l j .<br />

<br />

Beispiel 3.3.10. Die Abbildung Dieses Beispiel wurde<br />

in der Vorlesung nicht<br />

mehr vorgeführt<br />

σ : A 2 K A 2 K<br />

(u, v) ↦−→ (u, uv)<br />

ist birational, denn sie wird durch<br />

σ −1 : A 2 K<br />

A 2 K<br />

(x, y) ↦−→ (x, y x )<br />

auf A 2 K \ V (X) invertiert. Sei L := V (U) ⊆ A2 K die vertikale Gerade, dann gilt<br />

σ(L) = {(0, 0)} und σ : A 1 K \ L → A2 K \ {(0, 0)} ist bijektiv.<br />

Betrachte eine Kurve C = V (f) ⊆ A 2 K , die den Punkt (0,0) enthält. Wir untersuchen<br />

das Urbild von C unter σ:<br />

σ −1( C \ {(0, 0)} ) = V (f ◦ σ) \ L = V ( f(U, UV ) ) \ L


58 3 Singularitäten<br />

Schreibt man f = deg ∑ f<br />

i=µ 0(f)<br />

f (0)<br />

(i)<br />

, so ergibt sich<br />

f(U, UV ) =<br />

deg<br />

∑f<br />

i=µ 0(f)<br />

deg f<br />

f (0)<br />

(i) (U, UV ) = ∑<br />

i=µ o(f)<br />

U i f (0)<br />

(i)<br />

(1, V ).<br />

Also ist U µ0(f) ein Teiler von f(U, UV ). Wenn (0, 0) ∈ C, dann gilt m := µ 0 (f) ≥ 1<br />

und f(U, UV ) = U m f 1 mit f 1 ∈ K[U, V ], wobei U m und f 1 teilerfremd sind. Dies<br />

zeigt ( f(U, UV ) ) = (f 1 ) ∩ (U m ) und zusammen sehen wir<br />

σ −1 (C) = V ( f(U, UV ) ) = V (f 1 ) ∪ V (U m ) = V (f 1 ) ∪ L.<br />

(i) Wenn f = αX − Y + höhere Terme mit α ≠ 0, dann gilt µ 0 (f) = 1, d.h. C ist<br />

regulär in 0 = (0, 0). Es ergibt sich<br />

f(U, UV ) = αU − UV + höhere Terme<br />

= U(α − V + höhere Terme)<br />

und damit f 1 (U, V ) = α − V + höhere Terme. Dies liefert V (f 1 ) ∩ L = {(0, α)}<br />

und T (0,α)<br />

(<br />

V (f1 ) ) = . . ..<br />

α<br />

0<br />

0<br />

(ii) Wenn f = Y 2 − X 2 − höhere Terme µ 0 (f) = 2, d.h. C ist singulär in 0. Also<br />

gilt


3.3 Regularität und Dimension 59<br />

f(U, UV ) = U 2 V 2 − U 2 + höhere Terme = U 2 (V 2 − 1 + höhere Terme),<br />

und daher f 1 (U, V ) = V 2 −1+höhere Terme, was auf V (f 1 )∩L = {(0, 1), (0, −1)}<br />

führt.<br />

1<br />

−1<br />

σ<br />

0<br />

(iii) Wenn f = Y 3 − X 3 , dann gilt µ 0 (f) = 2 und es ergibt sich f(U, UV ) = U 2 V 2 −<br />

U 3 = U 2 (V 2 − U). Damit folgt f 1 (U, V ) = V 2 − U und V (f 1 ) ∩ L = {(0, 0)}.<br />

σ<br />

Die Beispiele (ii) und (iii) sind Beispiele für die Auflösung von Singularitäten.


Teil II<br />

<strong>Algebraische</strong> Varietäten


4<br />

Varietäten<br />

In diesem Kapitel orientieren wir uns an dem thematisch sehr interessant konzipierten<br />

Buch [Mu03], um eine kurze Einführung in die Theorie der algebraischen<br />

Varietäten zu geben, die es erlaubt, innerhalb eines Semesters auch einige Resultate<br />

zu besprechen, die man nicht nur den grundlegenden Definitionen und Eigenschaften<br />

zuzurechnen hat. Es stellt sich allerdings heraus, dass die Darstellung in [Mu03]<br />

gelegentlich modifiziert und sehr häufig ergänzt werden muss. Teilweise greifen wir<br />

dann auf das Buch [Bu98] zurück.<br />

4.1 Das Maximalspektrum eines Rings<br />

Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper. Die folgenden Aussagen sind alle Teil<br />

des Hilbertschen Nullstellensatzes 1.2.16.<br />

Satz 4.1.1. (i) Für a = (a 1 , . . . , a n ) ∈ K n definiere<br />

φ: K[X 1 , , . . . , X n ] → K, f ↦→ f(a 1 , . . . , a n ).<br />

Dann ist ker(φ) ein maximales Ideal in K[X 1 , . . . , X n ]. Weiter gilt ker(φ) =<br />

(X 1 − a 1 , . . . , X n − a n ).<br />

(ii) Jedes maximale Ideal ist von dieser Gestalt.<br />

Satz 4.1.2. Sei a ✂ K[X 1 , . . . , X n ]. Wenn f ∈ K[X 1 , . . . , X n ] auf<br />

V (a) = {a ∈ K n | ∀h ∈ a : h(a) = 0}<br />

verschwindet, dann gibt es ein m ∈ N mit f m ∈ a, d.h. f ∈ √ a, wobei √ a das<br />

Radikal von a ist.<br />

Als Konsequenz dieses Satzes ergibt sich für a, b ✂ K[X 1 , . . . , X n ]:<br />

V (a) ⊆ V (b) ⇔ √ b ⊆ √ a = I(V (a))<br />

Definition 4.1.3. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins.<br />

(i) Spm(R) := {a ✂ R | a maximal } heißt das Maximalspektrum von R.<br />

(ii) Spec (R) := {p ✂ R | p prim} heißt das Spektrum von R.<br />

Definition 4.1.4. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins, a ✂ R und f ∈ R. Dann<br />

setzt man<br />

(i) V (a) := {m ∈ Spm(R) | a ⊆ m}<br />

(ii) D(f) := {m ∈ Spm(R) | f /∈ m}


64 4 Varietäten<br />

Beachte, dass für einen Polynomring R = k[X 1 , . . . , X n ] die Menge V (a) aus<br />

Definition 4.1.4 mit der aus Satz 4.1.2 übereinstimmt (vergleiche auch Satz 4.1.2).<br />

Übung 4.1.1. Die V (a) mit a ✂ R bilden die abgeschlossenen Mengen einer Topologie<br />

(vergleiche Übung 4.6.7).<br />

Definition 4.1.5. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Die Topologie<br />

{Spm(R) \ V (a) | a ✂ R}<br />

heißt die Zariski-Topologie auf Spm(R).<br />

Beispiel 4.1.6. Die abgeschlossenen Teilmengen von Spm(K[X]) sind ∅, Spm(K[X])<br />

und alle endlichen Teilmengen (da ein Polynom nur endlich viele Nullstellen hat und<br />

K[X] ein Hauptidealring ist, ist das Ideal von einem Polynom erzeugt).<br />

Proposition 4.1.7. Sei R noethersch (d.h., jede aufsteigende Folge von Idealen<br />

wird stationär). Dann wird jede absteigende Folge von abgeschlossenen Teilmengen<br />

von Spm(R) auch stationär (man nennt so einen topologischen Raum auch<br />

noethersch).<br />

Beweis. Sei Z j eine absteigende Folge von abgeschlossenen Teilmengen. Dann gilt<br />

Z j = V (a j ) = V ( √ a j ), weil √ √<br />

aj = √ a j . Also können wir o.B.d.A. annehmen,<br />

dass Z j = V (a j ) mit a j = √ a j . Aber dann gilt nach der Konsequenz aus dem<br />

Satz 4.1.2<br />

V (a j ) = Z j ⊇ Z j+1 = V (a j+1 ) ⇔ √ a j = a j ⊆ a j+1 = √ a j+1 .<br />

Also wird die Folge der a j und damit die Folge der Z j stationär.<br />

⊓⊔<br />

Definition 4.1.8. Ein topologischer Raum X heißt irreduzibel, wenn<br />

(1) X nicht von der Form X 1 ∪ X 2 mit X 1 , X 2 X abgeschlossen ist.<br />

(2) Für zwei nichtleere offene Teilmengen U 1 und U 2 von X gilt U 1 ∩ U 2 ≠ ∅.<br />

Beachte dabei, dass sich durch Komplementbildung die Äquivalenz von (1) und (2)<br />

ergibt. Wenn diese Bedingungen nicht gelten, heißt X reduzibel.<br />

Sei jetzt R ein Integritätsbereich, K der Quotientenkörper von R und f ∈ R\{0}.<br />

Wir setzen<br />

[ 1<br />

] ⟨<br />

R := R, 1 ⟩ { g<br />

∣ }<br />

∣∣<br />

= g ∈ R, m ∈ N0<br />

f f Ring f m ⊆ K.<br />

Man nennt R[ 1 f<br />

] die Lokalisierung von R im Punkt f.<br />

Definition 4.1.9. Sei X topologischer Raum und U X := {U ⊆ X|U ≠ ∅, offen}.<br />

Weiter sei M beliebige Menge und P M = {M ′ ⊆ M} die Potenzmenge von M. Eine<br />

Zuordnung<br />

F : U X → P M , U ↦→ F (U) ⊆ M<br />

heißt eine Elementargarbe, wenn gilt:<br />

( ∪ )<br />

∀ U i ∈ U x , i ∈ I : F U i = ∩ F (U i ).<br />

i∈I<br />

Bemerkung 4.1.10. Für eine Elementargarbe F : U X → P M gilt<br />

i∈I<br />

U 1 ⊆ U 2 ⇒ F (U 2 ) ⊆ F (U 1 ),<br />

denn F (U 2 ) = F (U 1 ∪ U 2 ) = F (U 1 ) ∩ F (U 2 ) impliziert F (U 2 ) ⊆ F (U 1 ).


4.1 Das Maximalspektrum eines Rings 65<br />

Die Menge M in Definition 4.1.9 kann eine Extrastruktur haben, zum Beispiel<br />

ein Modul sein. Die F (U) können dann Untermoduln sein. Dann spricht man von<br />

einer Elementargarbe von Moduln.<br />

Proposition 4.1.11. Sei R ein Integritätsbereich mit Quotientenkörper K, X =<br />

Spm(R) und<br />

O(X \ V (a)) :=<br />

∩ [ 1<br />

]<br />

R ⊆ K.<br />

f<br />

0≠f∈a<br />

Dann definiert O eine Elementargarbe von Ringen auf X mit O(D(f)) = R[ 1 f ].<br />

Vorbereitung des Beweises von Proposition 4.1.11:<br />

Lemma 4.1.12. Sei R ein Integritätsbereich und a = (f i ∈ R | i ∈ I) ✂ R das von<br />

den f i ∈ R erzeugte Ideal. Dann gilt<br />

∩<br />

0≠f∈a<br />

[ 1<br />

]<br />

R = ∩ [ 1<br />

]<br />

R .<br />

f f i<br />

i∈I<br />

Beweis. Die Inklusion ”<br />

⊆“ ist klar.<br />

Für die Umkehrung ”<br />

⊇“ betrachten wir 0 ≠ f ∈ a und x ∈ ∩ i∈I R[ 1 f i<br />

]. Es reicht<br />

dann zu zeigen, dass x ∈ R[ 1 f ]. Da f beliebig ist, gilt dann x ∈ ∩ 0≠f∈a R[ 1 f ].<br />

Sei f = ∑ j∈J a jf j mit a j ∈ R und einer endlichen Teilmenge J ⊆ I. Wegen<br />

x ∈ R[ 1 f j<br />

] findet man m j ∈ N mit<br />

∀ j ∈ J :<br />

f m j<br />

j x ∈ R.<br />

Da J endlich ist, gibt es ein m ∈ N 0 mit<br />

∀ j ∈ J : f m j x ∈ R.<br />

Also gibt es auch ein N ∈ N 0 mit f N x ∈ R, und das zeigt x ∈ R[ 1 f ].<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 4.1.13. Sei R ein Integritätsbereich und a ✂ R. Dann gilt<br />

∩<br />

0≠f∈a<br />

[ 1<br />

]<br />

R = ∩<br />

f<br />

0≠f∈ √ a<br />

[ 1<br />

]<br />

R<br />

f<br />

Dabei ist die Inklusion ⊇“ klar und für die Inklusion ⊆“ betrachten wir h ∈<br />

” ” ∩0≠f∈a R[ ]<br />

1<br />

√<br />

f mit 0 ≠ f ∈ a. Dann gibt es ein m ∈ N mit f m ∈ a. Es folgt<br />

h ∈ R [ ]<br />

1<br />

f , d.h., man findet r ∈ R und k ∈ N mit h =<br />

m<br />

gilt auch h ∈ R [ ]<br />

1<br />

f .<br />

r<br />

(f m ) k = r<br />

f mk . Aber dann<br />

Beweis. (von Proposition 4.1.11) Aus V (a) = V (b) folgt mit Satz 4.1.2, dass √ a =<br />

√<br />

b, und dann liefert Bemerkung 4.1.13<br />

O(X \ V (a)) = O(X \ V (b)).<br />

Damit ist gezeigt, dass O wohldefiniert ist.<br />

Es bleibt zu zeigen, dass für U = ∪ i∈I U i mit offenen U i gilt<br />

O(U) = ∩ i∈I<br />

O(U i ).<br />

Sei dazu U = X \ V (a) und U i = X \ V (a i ). Dann ist


66 4 Varietäten<br />

V (a) = ∩ i∈I<br />

X \ U i = ∩ ( ∑<br />

V (a i ) = V a i<br />

),<br />

i∈I<br />

wobei ∑ a i das von den a i erzeugte Ideal ist, und es folgt<br />

O(U) =<br />

∩<br />

0≠f∈a<br />

[ 1<br />

] 4.1.12<br />

R =<br />

f<br />

∩<br />

R<br />

i∈I<br />

0≠f i∈a i<br />

[ 1<br />

]<br />

= ∩ ( ∩<br />

f i<br />

i∈I<br />

0≠f i ∈a i<br />

R<br />

i∈I<br />

[ 1<br />

f i<br />

])<br />

= ∩ O(X \ V (a i )).<br />

} {{ }<br />

i∈I<br />

U i<br />

Definition 4.1.14. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, R eine endlich<br />

erzeugte nullteilerfreie K-Algebra. Dann heißt Spm(R), versehen mit der Zariski-<br />

Topologie und der Elementargarbe O eine affine algebraische Varietät 1 .<br />

Wir verwenden die folgenden Schreibweisen: M = Spm(R), K[M] = R und<br />

K(M) = K, wobei K der Quotientenkörper von R ist. Weiter schreibt man<br />

O M (U) =<br />

∩<br />

0≠f∈a<br />

[ 1<br />

]<br />

R ,<br />

f<br />

⊓⊔<br />

↑ 12.10.2012 ↑<br />

für U = M \ V (a). Insbesondere gilt für U = M = M \ ∅ = M \ V (1), dass<br />

O M (M) = R.<br />

Proposition 4.1.15. Sei K ein algebraisch abgeschossener Körper und R eine nullteilerfreie<br />

endlich erzeugte K-Algebra. Dann ist Spm(R) irreduzibel.<br />

Beweis. Zunächst machen wir folgende Feststellungen:<br />

(i) Die D(f) mit f ∈ R bilden eine Basis der Zariski-Topologie auf Spm(R), das<br />

heißt, jede Zariski-offene Teilmenge ist Vereinigung solcher Mengen (vergleiche<br />

Übung 4.6.7).<br />

(ii) Für f 1 , f 2 ∈ R gilt D(f 1 f 2 ) = D(f 1 ) ∩ D(f 2 ).<br />

Wenn jetzt ∅ ̸= U 1 , U 2 ⊆ X = Spm(R) offen sind, dann gibt es 0 ≠ f i , f 2 ∈ R<br />

mit D(f j ) ⊆ U j . Weil R nullteilerfrei ist, haben wir f 1 f 2 ≠ 0. Damit genügt es zu<br />

zeigen, dass<br />

∀ 0 ≠ f ∈ R : ∅ ̸= D(f).<br />

Sei dazu R = K[X 1 , . . . , X n ]/p, wobei p✂K[X 1 , . . . , X n ] ein Primideal ist. Dann<br />

gibt es zu 0 ≠ f ∈ R ein F ∈ K[X 1 , . . . , X n ] \ p mit F + p = f und<br />

F /∈ p = √ p 1.2.16<br />

= I(V (p)) = {h ∈ K[X 1 , . . . , X n ] | ∀a ∈ V (p) : h(a) = 0}.<br />

1 Man findet in der Literatur im Wesentlichen zwei unterschiedliche Definitionen einer<br />

affinen algebraischen Varietät. In manchen Texten wird die Irreduzibilität des zugrunde<br />

gelegten topologischen Raumes verlangt, in anderen nicht. In Definition 1.3.9 haben wir<br />

uns für die zweite Variante entschieden, obwohl [Re88], das eine wesentlich Quelle des<br />

entsprechenden Kapitels war, ebenso wie die Standardreferenz [Har77], das Buch [Bu98]<br />

und das neuere Buch [GW10] die erste Variante favorisieren. Der wesentliche Grund,<br />

warum man sich auf irreduzible Räume beschränken möchte, ist die resultierende Nullteilerfreiheit<br />

des Koordinatenrings. Dies erlaubt nicht nur vom Funktionenkörper zu<br />

sprechen, sondern auch, wie in [Mu03], die Beschränkung der Garbentheorie auf Elementargarben.<br />

Dazu kommen technische Vereinfachungen in der Diskussion von Lokalisierungen.<br />

In dem an [Re88] angelehnten Buch [Hu00] und in [Har92] sind affine<br />

Varietäten einfach nur als affine algebraische Mengen, das heißt zusammen mit ihren<br />

Einbettungen in affine Räume, definiert. Das Buch [Pe95] gibt eine allgemeine Definition,<br />

verzichtet aber auf die Irreduzibilität. Insbesondere Bücher über affine algebraische<br />

Gruppen verzichten gerne auf die Irreduzibilität, weil die natürlich auftretenden algebraischen<br />

Gruppen sehr oft nicht irreduzibel sind (siehe zum Beispiel [Sp81]).


4.2 Morphismen von affinen algebraischen Varietäten 67<br />

Aber dann gibt es ein a ∈ V (p) mit F (a) ≠ 0. Sei m a das maximale Ideal zu a.<br />

Dann ist m a von der Form<br />

und es gilt<br />

m a = (X 1 − a 1 , . . . , X n − a n ) ✂ K[X 1 , . . . , X n ]<br />

a ∈ V (p) ⇔ p ⊆ m a .<br />

Also ist m a /p ✂ R ein maximales Ideal. Weil F (a) ≠ 0 ergibt sich F + p ∉ m a und<br />

m a /p ∈ D(f).<br />

⊓⊔<br />

4.2 Morphismen von affinen algebraischen Varietäten<br />

Bemerkung 4.2.1. Seien S und R endlich erzeugte nullteilerfreie K-Algebra, wobei<br />

K ein algebraisch abgeschlossener Körper ist. Weiter sei φ: S → R ein K-<br />

Algebrenhomomorphismus. Dann ist<br />

X = Spm(R) ∋ m t φ<br />

↦→ φ −1 (m) ∈ Spm(S) = Y<br />

wohldefiniert und stetig bezüglich der Zariski-Topologien (vergleiche Übung 4.6.8).<br />

Wir betrachten einen K-Algebrenhomomorphismus φ : S → R wie in Bemerkung<br />

4.2.1. Das nächste Ziel ist dann, zu einer offenen Teilmenge U ⊆ Y einer<br />

affinen K-Varietät Y einen K-Algebra-Homomorphismus<br />

O Y (U) → O X (( t φ) −1 (U))<br />

zu konstruieren. Dazu setze U = Y \ V (a) für a ✂ S und betrachte<br />

Es gilt<br />

O Y (U) =<br />

∩<br />

0≠f∈a<br />

[ 1<br />

]<br />

S ⊆ K(Y ).<br />

f<br />

( t φ) −1 (U) = X \ ( t φ) −1 (V (a)),<br />

} {{ }<br />

=:V (b)<br />

wobei das passende b ✂ R noch zu bestimmen ist. Wegen<br />

( t φ) −1 (V (a)) = {m ✂ R | m maximal, t φ(m) ∈ V (a)}<br />

= {m ∈ Spm(R) | a ⊆ φ −1 (m)}<br />

= {m ∈ Spm(R) | ( φ(a) ) ⊆ m}<br />

= V ((φ(a)))<br />

kann man als b das von φ(a) erzeugte Ideal ( φ(a) ) wählen kann. Damit gilt jetzt<br />

O X<br />

(<br />

( t φ) −1 (U) ) =<br />

∩<br />

0≠h∈(φ(a))<br />

[ 1<br />

] 4.1.12<br />

R =<br />

h<br />

∩<br />

0≠h∈φ(a)<br />

[ 1<br />

R .<br />

h]<br />

Wenn g ∈ O Y (U), dann gibt es zu 0 ≠ f ∈ a ein s f ∈ S und ein n f ∈ N 0 mit<br />

g = s f<br />

f n f . Zu 0 ≠ h ∈ φ(a) findet man 0 ≠ f ∈ a mit φ(f) = h und setzt<br />

( ) φ(s f )<br />

ϕ(U) (g) :=<br />

φ(f) n = φ(s f )<br />

[ 1<br />

t h n ∈ R ⊆ K(X).<br />

f<br />

h]


68 4 Varietäten<br />

Behauptung 1: ϕ(U) hängt nicht von h ab und ist in ∩ 0≠h∈φ(a) R[ 1<br />

h]<br />

enthalten.<br />

Um das einzusehen, betrachten wir zusätzlich 0 ≠ ˜h ∈ φ(a) und 0 ≠ ˜f ∈ a mit<br />

φ( ˜f) = ˜h. Dann gilt<br />

g = s f<br />

f n f<br />

= s ˜f<br />

˜f n ˜f<br />

⇒ s f ˜f<br />

n ˜f = s ˜f<br />

f n f<br />

∈ S<br />

⇒ φ(s f )φ( ˜f) n ˜f = φ(s ˜f<br />

)φ(f) n f<br />

∈ R<br />

⇒ φ(s f )<br />

φ(f) n f = φ(s ˜f<br />

)<br />

φ( ˜f) n ˜f<br />

⇒<br />

∈ K(X)<br />

ϕ(U): O Y (U) → O X (( t φ) −1 (U)) ist wohldefiniert.<br />

Behauptung 2: ϕ(U) ist ein K-Algebrenhomomorphismus (dies ist eine Routineverifikation).<br />

Satz 4.2.2. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und S, R nullteilerfreie<br />

endlich erzeugte K-Algebren. Weiter sei und φ: S → R ein K-Algebrenhomomorphismus.<br />

Dann lässt sich φ für jedes offene U ⊆ Y zu einem K-Algebrenhomomorphismus<br />

ϕ(U): O Y (U) → O X (( t φ) −1 (U)) fortsetzen.<br />

Beweis. Nach der vorangegangenen Konstruktion bleibt nur noch die Aussage zur<br />

Fortsetzung zu verifizieren. Dazu betrachten wir das folgende Diagramm, das mit<br />

(<br />

ϕ(U)<br />

)<br />

(s) :=<br />

(<br />

ϕ(U)<br />

) ( s<br />

f 0 )<br />

:= φ(s)<br />

φ(f) 0 = φ(s)<br />

kommutativ wird:<br />

S <br />

∩<br />

0≠f∈a<br />

S [ ]<br />

1<br />

f<br />

φ<br />

R <br />

∩<br />

0=h∈φ(a)<br />

ϕ(U)<br />

R [ ]<br />

1<br />

h<br />

⊓⊔<br />

Definition 4.2.3. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und (X, O X ), (Y, O Y )<br />

zwei affine algebraische K-Varietäten. Ein Morphismus Φ : (X, O X ) → (Y, O Y ) ist<br />

ein Tupel (f, ϕ), wobei f : X → Y eine stetige Abbildung ist und ϕ = (ϕ(U)) U⊆Y offen<br />

eine Familie von K-Algebrenhomomorphismen<br />

ϕ(U): O Y (U) → O X (f −1 (U)),<br />

die verträglich mit den natürlichen Restriktionsabbildungen für<br />

ist:<br />

U 2 = Y \ V (a 2 ) ⊆ U 1 = Y \ V (a 1 ) ⊆ Y<br />

∩<br />

S [ ]<br />

1<br />

0≠f∈ √ f<br />

a 1<br />

O Y (U 1 ) <br />

Φ(U 1)<br />

O X (f −1 (U 1 )) <br />

∩<br />

S [ ]<br />

1<br />

0≠f∈ √ f<br />

a 2<br />

O Y (U 2 )<br />

Φ(U 2)<br />

O X (f −1 (U 2 ))


4.2 Morphismen von affinen algebraischen Varietäten 69<br />

Übung 4.2.1. Satz 4.2.2 sagt, dass es zu einem K-Algebrenhomomorphismus φ: S → R<br />

einen Morphismus Φ = ( t φ, ϕ): (Spm(R), O X ) → (Spm(S), O Y ) gibt, wobei ϕ(Y ) = φ.<br />

Dabei ist O Y (Y ) = ∩ 0≠f∈S S[ 1 f ] = S[ 1 1 ] = S und ϕ(Y ): S = O Y (Y ) → O X (X) = R. Man<br />

zeige, dass jeder Morphismus von dieser Gestalt ist.<br />

Bemerkung 4.2.4. Wenn φ: S → R in Satz 4.2.2 surjektiv ist, dann ist die Ko-<br />

Einschränkung<br />

t φ: Spm(R) → V (ker φ) = t φ ( Spm(R) )<br />

von t φ: Spm(R) → Spm(S) ein Homöomorphismus, und für jede offene Teilmenge<br />

U ⊆ Y ist der Ringhomomorphismus ϕ(U): O Y (U) → O X<br />

(<br />

f −1 (U) ) surjektiv. In<br />

dieser Situation heißt der Morphismus Φ eine abgeschlossene Immersion (vergleiche<br />

Übung 4.6.13).<br />

Proposition 4.2.5. Wenn φ: S ↩→ R eine ganze Ringerweiterung ist, d.h.,<br />

jedes r ∈ R ist Nullsstelle eines normierten Polynoms mit Koeffizienten in φ(S),<br />

dann ist t φ surjektiv.<br />

↑ 15.10.2012 ↑<br />

Zum Beweis verwenden wir:<br />

Lemma 4.2.6. Sei S ↩→ R ganz und a ✂ S. Wenn das von a in R erzeugte Ideal<br />

(a) R ganz R ist, dann gilt a = S.<br />

Beweis. Wenn 1 ∈ (a) R , dann gibt es a j ∈ a, r j ∈ R mit 1 = ∑ m<br />

j=1 a jr j . O.B.d.A.<br />

können wir R = S[r 1 , . . . , r m ] annehmen, weil S[r 1 , . . . , r m ] die Voraussetzung des<br />

Lemmas erfüllt. Damit ist also R eine endlich erzeugte S-Algebra und ganz über S.<br />

Nach Proposition 1.1.2 ist dann R ist ein endlich erzeugter S-Modul.<br />

Seien b 1 , . . . , b N ∈ R S-Modul-Erzeuger. Wegen (a) R = R gibt es a ij ∈ a mit<br />

b 1 = a 11 b 1 + . . . + a 1N b N ,<br />

.<br />

b N = a N1 b 1 + . . . + a NN b N ,<br />

das heißt, wir haben eine lineare Gleichung der Form Ab = b. Für à := 1 N − A<br />

betrachte ã := det(Ã) ∈ 1 + a. Die Cramersche Regel liefert<br />

à adj à = 㠷 1 n ,<br />

und Multiplikation von rechts mit dem Vektor b liefert<br />

0 = Ãadj Ãb = ãb ∈ b + a,<br />

und damit ã = 0, falls b ≠ 0 ist (im Fall b = 0 ist R = 0 und das Lemma trivial).<br />

Aber dann gilt 1 ∈ a, d.h. a = S.<br />

⊓⊔<br />

Beweis. (von Proposition 4.2.5). Für m ∈ Spm(S) ist zu zeigen, dass es ein n ∈<br />

Spm(R) mit φ −1 (n) = m gibt.<br />

Wir identifizieren S mit φ(S). Dann gilt φ −1 (n) = n∩S und Lemma 4.2.6 liefert<br />

(m) R R. Aber dann gibt es ein maximales Ideal n ∈ Spm(R), das (m) R enthält.<br />

Insbesondere ist n ∩ S ein Ideal in S, das m enthält, aber nicht die 1. Wegen der<br />

Maximalität von m gilt m = n ∩ S, d.h. m = t φ(n).<br />

⊓⊔<br />

Definition 4.2.7. Ein Morphismus Φ: (X, O X ) → (Y, O Y ) von affinen algebraischen<br />

Varietäten heißt dominant, wenn der zugehörige Ringhomomorphismus<br />

S = O Y (Y ) → O X (X) = R injektiv ist.


70 4 Varietäten<br />

Bemerkung 4.2.8. Ein K-Algebrenhomomorphismus φ: S → R lässt sich in einen<br />

surjektiven und eine injektiven K-Algebrenhomomorphismus faktorisieren:<br />

S<br />

❍❍ ❍❍❍❍❍❍❍<br />

<br />

φ<br />

<br />

✈ ✈✈✈✈✈✈✈✈<br />

φ(S)<br />

∼ =<br />

<br />

S/ ker(φ)<br />

Man beachte, dass mit S auch S/ker(φ) eine endlich erzeugte K-Algebra ist. Für<br />

den zu φ gehörigen Morphismus Φ: (Y, O Y ) → (XO X ) erhält man eine Zerlegung<br />

in eine abgeschlossene Immersion und einen dominanten Morphismus:<br />

Φ<br />

(Y, O Y ) (XO X )<br />

❖❖❖❖❖❖❖❖❖❖❖<br />

abgeschlossene<br />

Immersion<br />

(Z, O Z )<br />

R<br />

dominant<br />

♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦<br />

Spm(S/ker(φ))<br />

Satz 4.2.9. Sei Φ: (X, O X ) → (Y, O Y ) ein Morphismus affiner algebraischer Varietäten<br />

und Z = t φ(X) der Zariski-Abschluss von t φ(X). Dann enthält t φ(X) eine<br />

nichtleere (d.h. dichte) Zariski-offene Teilmenge von Z.<br />

Beweis. Wegen Bemerkung 4.2.8 können wir o.B.d.A. annehmen, dass Φ dominant<br />

ist, weil eine anschließende abgeschlossene Immersion topologisch nichts mehr am<br />

Abschluss des Bildes ändert. Damit ist φ dann injektiv und wir können S mit φ(S)<br />

identifizieren.<br />

Betrachte die endlich erzeugte K(Y )-Algebra ˜R := ⟨K(Y ), R⟩ Ring ⊆ K(X). Mit<br />

Lemma 1.1.7 ergibt sich für ˜m ∈ Spm( ˜R), dass die Körpererweiterung K(Y ) ↩→ ˜R/˜m<br />

aus dem Diagramm<br />

K(Y ) <br />

˜R<br />

❋ ❋❋❋❋❋❋❋<br />

algebraisch ist. Also erfüllt I := ˜m ∩ R ✂ R<br />

und wir finden<br />

<br />

˜R/˜m<br />

I ∩ S ⊆ K(Y ) ∩ ˜m = {0}<br />

S <br />

❈ R<br />

❈❈❈❈❈❈<br />

<br />

R/I<br />

Ziel ist jetzt zu zeigen, dass S ↩→ R/I algebraisch ist. Mit<br />

R <br />

■ ■■■■■■■■■<br />

˜R<br />

R/R ∩ ˜m <br />

˜R/˜m


4.2 Morphismen von affinen algebraischen Varietäten 71<br />

erkennt man, dass man eine Einbettung R/I ↩→ ˜R/˜m hat. Mithilfe von<br />

S <br />

<br />

R/I <br />

K(Y ) <br />

˜R/˜m<br />

folgt jetzt, dass S ↩→ R/I algebraisch ist, weil K(Y ) ↩→ ˜R/˜m algebraisch ist (man<br />

multipliziert mit den Nennern durch.<br />

Behauptung 1: Wenn S ↩→ R algebraisch ist und R endlich erzeugt über S<br />

ist, dann gibt es ein 0 ≠ aa ∈ S, für das S [ [<br />

1<br />

a]<br />

↩→ R<br />

1<br />

a]<br />

ganz ist (vergleiche<br />

Übung 4.6.15).<br />

Damit (und mit Proposition 4.2.5) folgt<br />

Spm ( R[ 1 <br />

a ])<br />

<br />

Spm ( S[ 1 a ]) <br />

D(a)<br />

Spm(R)<br />

t φ<br />

Spm(S)<br />

Behauptung 2: Man zeige Spm(S[ 1 a<br />

]) ↩→ Spm(S) ist injektiv mit Bild D(a) (vergleiche<br />

Übung 4.6.16).<br />

Es folgt, dass die offene und nichtleere (hier brauchen wir, dass wir endlich<br />

erzeugte K-Algebren haben) Menge D(a) in t φ(Spm(R)) enthalten ist, und damit<br />

die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 4.2.10. Der Beweis von Satz 4.2.9 zeigt, dass für dominantes Φ das<br />

Bild t φ(X) Zariski-dicht in Y ist, das heißt, der Zariski-Abschluss von t φ(X) ist<br />

Y . Umgekehrt, wenn für einen Morphismus Φ = ( t φ, ϕ): (X, O X ) → (Y, O Y ) affiner<br />

Varietäten das Bild von t φ: X → Y dicht ist, dann kann wegen<br />

∀ m ∈ X = Spm(R) :<br />

ker φ ⊆ φ −1 (m) = t φ(m) ∈ Y = Spm(S).<br />

und der resultierenden Inklusion t φ(X) ⊆ V (ker φ) Y der Homomorphismus φ<br />

nicht injektiv sein. Die Dominanz von Φ ist also äquivalent zur Injektivität von φ.<br />

Definition 4.2.11. Sei S ein Integritätsbereich und K der Quotientenkörper von<br />

S. Weiter sei S ⊆ R ⊆ K eine Ringerweiterung und φ : S ↩→ R die Inklusion. Wenn<br />

es eine offene Teilmenge U ⊆ Spm(S) gibt, für die t φ : Spm(R) Homöo.<br />

−→ U ↩→ Spm(S)<br />

gilt, dann heißt t φ eine offene Immersion. Wenn Φ: (X, O X ) → (Y, O Y ) ein<br />

Morphismus ist, für den t φ (übliche Notation) eine offene Immersion ist, dann sagt<br />

man auch, dass Φ eine offene Immersion ist.<br />

Beispiel 4.2.12. Sei S eine nullteilerfreie endlich erzeugte K-Algebra und s 1 , . . . , s m ∈<br />

S \ {0}. Für R := S [ ]<br />

1 1<br />

s 1<br />

, . . . ,<br />

s m<br />

und die Inklusion φ: S ↩→ R gilt dann, dass<br />

Spm(R) −→ D(s 1 ) ∩ . . . ∩ D(s m ) ⊆ Spm(S)<br />

ein Homöomorphismus ist. Für m = 1 folgt das aus Übung 4.6.16 (siehe den Beweis<br />

von Satz 4.2.9). Der allgemeine Fall folgt mit Induktion.<br />

↑ 19.10.2012 ↑


72 4 Varietäten<br />

4.3 Verklebung von affinen Varietäten zu Varietäten<br />

Definition 4.3.1. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, K ⊆ K eine endlich<br />

erzeugte Körpererweiterung und (X, O X ) topologischer Raum mit Elementargarbe<br />

O X von K-Unteralgebra von K. Das Tupel (X, O X ) heißt eine algebraische<br />

Varietät mit Funktionenkörper K =: K(X), wenn es eine endliche offene<br />

Überdeckung {U i } i∈I von X gibt, die folgende Bedingung erfüllt: Jedes (U i , O X | Ui )<br />

ist eine affine algebraische Varietät mit Funktionenkörper K(U i ) = K = K(X).<br />

Beachte dabei, dass die Eingeschränkung O X | Ui der Elementargarbe O X durch<br />

O X | Ui (U ∩ U i ) := O X (U ∩ U i ) ⊆ K gegeben ist.<br />

Die Idee hinter der Setzung in Definition 4.3.1 ist, dass rationale Funktionen<br />

durch eine Einschränkung auf eine nichtleere offene Teilmenge vollständig bestimmt<br />

sind.<br />

Definition 4.3.2. (A, O A ) und (B, O B ) seien affine K-Varietäten mit demselben<br />

Funktionenkörper K(A) = K = K(B).<br />

(i) Wenn es eine affine Varietät (C, O C ) und offene Immersionen ι A : C → A,<br />

ι B : C → B gibt (man sagt, dass C gemeinsame offene ”<br />

Menge“ ist), definiert<br />

man A ∪ C B als topologischen Quotienten A ⨿ B q → ( A ⨿ B ) / ∼ bezüglich<br />

der durch<br />

x ∼ y in A ⨿ B :⇔ x = y oder ∃c ∈ C : ι A (c) = x, ι B (c) = y<br />

oder ∃c ∈ C : ι A (c) = y, ι B (c) = x<br />

definierten Äquivalenzrelation ∼. Die Topologie auf ( A ⨿ B ) / ∼ ist die feinste<br />

Topologie bezüglich der q stetig ist (Bilder offener Mengen). Beachte, dass A<br />

und B jeweils als offene Teilmengen von A ∪ C B betrachtet werden können.<br />

(ii) In der Situation von (i) setzt man<br />

O A∪C B(U) := O A (U ∩ A) ∩ O B (U ∩ B) ⊆ K,<br />

wobei zu beachten ist, das für offenes U ∈ A ∪ C B die Schnitte U ∩ A und U ∩ B<br />

offen sind. Da Schnitte von K-Algebren selbst K-Algebren sind, erhält man so<br />

eine Elementargarbe von K-Unteralgebren O A∪C B von K mit A ∪ C B ⊆ A ∪ B.<br />

Das heißt, {A, B} ist eine offene Überdeckung von A ∪ C B und es gilt<br />

O A∪C B| A = O A , O A∪C B| B = O B .<br />

Damit ist (A, O A∪C B| A ) = (A, O A ) eine affine algebraische Varietät (analog für<br />

B) und (A ∪ C B, O A∪C B) ist eine algebraische Varietät mit Funktionenkörper<br />

K. Sie heißt die Verklebung von A und B entlang C.<br />

Definition 4.3.3. Seien R und S nullteilerfreie, endlich erzeugte K-Algebren mit<br />

gemeinsamen Quotientenkörper K. Wenn für a 1 , . . . , a n ∈ R \ {0}, b 1 , . . . , b m ∈<br />

S \ {0} gilt<br />

dann sind<br />

R[ 1<br />

a 1<br />

, . . . ,<br />

1<br />

] 1<br />

= S[<br />

, . . . ,<br />

a n b 1<br />

1<br />

]<br />

= T ⊆ K,<br />

b m<br />

Spm(R)<br />

<br />

❦❦❦❦❦❦❦❦❦❦❦❦❦❦❦<br />

Spm(T ) <br />

❙❙❙❙❙❙❙❙❙❙❙❙❙❙❙<br />

D(a 1)∩...∩D(a n)<br />

D(b 1)∩...∩D(b m)<br />

Spm(R)


4.3 Verklebung von affinen Varietäten zu Varietäten 73<br />

offene Immersionen. In dieser Situation heißt Spm(R) ∪ Spm(T ) Spm(S) zusammen<br />

mit O Spm(R)∪Spm(T ) Spm(S) eine einfache Verklebung. Man schreibt auch<br />

Spm(R) ∪ T Spm(S) dafür.<br />

Bemerkung 4.3.4 (Produkte). (Vergleiche die Übungen 4.6.17 und 4.6.18) Seien<br />

(X, O X ), (Y, O Y ) zwei affine algebraische K-Varietäten. Dann gibt es eine bis auf<br />

Isomorphie eindeutig bestimmte affine Varietät (Z, O Z ), die folgende universelle<br />

Eigenschaft besitzt:<br />

(Z, O Z ) (X, O X )<br />

∃!Φ Z<br />

∀Φ X<br />

(Y, O Y ) (W, O W )<br />

∀Φ Y<br />

Später werden wir (X × Y, O X×Y ) für (Z, O Z ) schreiben. Zum Vergleich sollte man<br />

sich die universelle Eigenschaft von Produkten in anderen Kontexten, zum Beispiel<br />

Mengen, Vektorräume oder Gruppen, in Erinnerung rufen.<br />

X × Y<br />

pr Y<br />

Y<br />

pr X<br />

∃!Φ X×Y<br />

∀Φ Y<br />

X<br />

W<br />

∀Φ X<br />

wobei Φ X×Y (W ) = ( Φ X (W ), Φ Y (W ) ) gilt.<br />

Man beachte hier, dass die Produkttopologie für algebraische Varietäten nicht<br />

geeignet ist, denn sie liefert zum Beispiel auf dem mengentheoretischen Produkt<br />

zweier affiner Räume nicht die Zariski-Topologie auf dem resultierenden affinen<br />

Raum.<br />

Bevor wir zeigen, dass es eine passende Produktvarietät wirklich gibt, stellen<br />

wir fest, dass sie aufgrund der universellen Eigenschaft im Wesentlichen eindeutig<br />

bestimmt ist (das heißt, bis auf Isomorphismen)<br />

Z ❆❆ X ❆❆❆❆❆❆<br />

<br />

Y Z ′<br />

Die Verknüpfung der beiden Diagonalmorphismen muss wegen der Eindeutigkeit<br />

die jeweilige Identität sein. Also sind die Diagonalmorphismen Isomorphismen.<br />

Die Konstruktion des Produkts beginnen wir mit dem Fall affiner Varietäten:<br />

Für X = Spm(K[X 1 , . . . , X n ]/p) und Y = Spm(K[Y 1 , . . . , Y m ]/q) setzen wir<br />

Z := Spm(K[X 1 , . . . , X n , Y 1 , . . . , Y m ]/(p + q).<br />

Dann gilt K[X 1 , . . . , X n ] ⊗ K[Y 1 , . . . , Y m ] ∼ = K[X 1 , . . . , X n , Y 1 , . . . , Y m ]<br />

Bemerkung 4.3.5 (Einschub zu Tensorprodukten). Sei R ein kommutativer<br />

Ring mit Eins und M, N seien R-Moduln. Ein Tensorprodukt von M und N ist ein<br />

R-Modul T (später (M ⊗ R N)) mit folgender universeller Eigenschaft:<br />

M × N<br />

B<br />

<br />

T<br />

∀β bilin<br />

∃!˜β lin<br />

♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥<br />

L


74 4 Varietäten<br />

Dabei ist L ein R-Modul und das Diagramm soll kommutieren. Das heißt, zu jeder<br />

bilinearen Abbildung β : M × N → L existiert genau eine lineare Abbildung ˜β mit<br />

β = ˜β ◦ B.<br />

Es gilt: Es existiert ein bis auf Isometrie eindeutig bestimmtes Tensorprodukt.<br />

Damit muss gelten<br />

(f, g) ∈ K[X<br />

❴<br />

1 , . . . , X n ] × K[Y 1 , . . . , Y m ]<br />

L<br />

B<br />

B ˜β<br />

❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥<br />

fg ∈ K[X 1 , . . . , X n , Y 1 , . . . , Y m ]<br />

˜β( ∑ a ij x i y j ) = ∑ a ij ˜β(x i y j ) = ∑ as ij ˜β(B(X i , Y j )) = ∑ a ij β(X i , Y j ).<br />

Für R := K[X 1 , . . . , X n ]/p und S := K[Y 1 , . . . , Y m ]/q gilt auch:<br />

R ⊗ S = K[X 1 , . . . , X n , Y 1 , . . . Y m ]/(p + q).<br />

Mit X = Spm(R) und Y = Spm(Y ) findet man so für die globalen Ringe<br />

und das zum Morphismendiagramm<br />

O X×Y (X × Y ) = O X (X) ⊗ k O Y (Y ),<br />

β<br />

X × Y<br />

pr Y<br />

Y<br />

pr X<br />

∃!Φ X×Y<br />

∀Φ Y<br />

X<br />

W<br />

∀Φ X<br />

gehörige Diagramm von Ringhomomorphismen ist<br />

O X (X) ⊗ O Y (Y )<br />

O X (X)<br />

↑ 22.10.2012 ↑<br />

O Y (Y )<br />

❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚<br />

O W (W )<br />

Definition 4.3.6. (i) A, B seien affine algebraische Varietäten, die entlang C zusammengeklebt<br />

sind. Das Bild von t φ A×B heißt der Graph der Verklebung,<br />

wobei t φ A×B durch das kommutative Diagramm<br />

A × B<br />

B<br />

t φ A×B<br />

ι B<br />

A<br />

ι A<br />

<br />

C<br />

gegeben ist. Wenn der Graph der Verklebung abgeschlossen ist, dann heißt die<br />

Verklebung separiert.<br />

(ii) Eine algebraische Varietät heißt separiert, wenn sie von offenen affinen Teilmengen<br />

{U i } i∈I überdeckt wird und dabei gilt, dass jedes U i ∪ Ui ∩U j<br />

U j als<br />

Verklebung separiert ist.<br />

Bemerkung 4.3.7. (Vergleiche Übung 4.6.19)


4.3 Verklebung von affinen Varietäten zu Varietäten 75<br />

(i) X, Y seien zwei hausdorffsche topologische Räume und X ∩ Y offen<br />

⊆ X, Y . Man<br />

zeige, dass folgende Aussagen äquivalent sind:<br />

(1) X ∪ Y := X ∪ X∩Y Y ist hausdorffsch.<br />

(2) Das Bild von (ι X , ι Y ): X ∩ Y ↩→ X × Y, z ↦→ (z, z) ist abgeschlossen.<br />

(ii) Man zeige: Ein topologischer Raum X ist hausdorffsch genau dann, wenn die<br />

Diagonaleinbettung X ↩→ X × X, x ↦→ (x, x) abgeschlossenes Bild hat.<br />

Proposition 4.3.8. Sei Spm(R) ∪ Spm(T ) Spm(S) eine einfache Verklebung. Dann<br />

sind folgende Bedingungen äquivalent:<br />

(1) Die Verklebung ist separiert.<br />

(2) T wird als K-Algebra von R und S erzeugt.<br />

Beweis. Es gilt<br />

1 1<br />

]<br />

T = R[<br />

, . . . , , a 1 , . . . , a n ∈ R \ {0}<br />

a 1 a n<br />

1 1<br />

]<br />

= S[<br />

, . . . , , b 1 , . . . , b m ∈ S \ {0}.<br />

b 1 b m<br />

Setze X := Spm(R) und Y := Spm(S). Dann gilt für Z := Spm(T )<br />

Z = D(a 1 ) ∩ . . . ∩ D(a n ) ⊆ X<br />

= D(b 1 ) ∩ . . . ∩ D(b m ) ⊆ Y,<br />

und wir haben die kommutativen Diagramme<br />

X × Y<br />

X<br />

Y<br />

● ●●●●●●●●<br />

<br />

R ⊗ S❋<br />

R ❋❋❋❋❋❋❋<br />

Z<br />

S<br />

<br />

T<br />

Wir betrachten die Immersionen<br />

ι X : X ↩→ X ∪ Z Y, ι Y : Y ↩→ X ∪ Z Y, Z = X ∩ Y ↩→ X ∪ Z Y.<br />

Dann entspricht Spm(T ) = Z ↩→ X × Y = Spm(R ⊗ S) dem Ringhomomorphismus<br />

µ: R ⊗ S → T, r ⊗ s ↦→ rs, den man aus dem Diagramm<br />

R × S<br />

T<br />

R ⊗ S<br />

gewinnt. Die Abbildung Z ↩→ X ×Y ist genau dann eine abgeschlossene Immersion,<br />

wenn µ: R⊗S → T surjektiv ist. Das wiederum ist äquivalent dazu, dass jedes t ∈ T<br />

von der Form µ ( ∑ n<br />

j=1 r ) ∑ n<br />

j ⊗ s j =<br />

1 r js j ist. In anderen Worten, T muss von R<br />

und S erzeugt sein.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 4.3.9. Die beiden Algebren R = K[X, XY ] und S = K[Y, XY ] erzeugen<br />

T = k[X, Y ], aber weder A 2 k = Spm(T ) ↩→ Spm(R) ∼ = A 2 k k noch A2 k<br />

= Spm(T ) ↩→<br />

Spm(S) sind offen (vergleiche Übung 4.6.14). Also ist keine Verklebung möglich.<br />

Beispiel 4.3.10. Betrachte K = K(t) = K(A 1 )<br />

(i) Wenn R = S = K[t] und T = K [ t, 1 t<br />

]<br />

, dann wird T nicht von R und S erzeugt:<br />

Das Bild nicht abgeschlossen!<br />

A 1 k \ {0} = Spm(T ) ↩→ A 1 k = Spm(R) = Spm(S)


76 4 Varietäten<br />

(ii) Wenn R = K[t] und S = K[ 1 t ], dann ist für T = K[t, 1 t ] mit<br />

Spm(T ) ↩→ Spm(R),<br />

a ↦→ a<br />

Spm(T ) ↩→ Spm(S),<br />

a ↦→ 1 a<br />

Spm(T ) ↩→ Spm(R) × Spm(S),<br />

a ↦→<br />

(<br />

a, 1 )<br />

a<br />

der Graph der letzten Abbildungen gleich V (XY − 1) ⊆ A 2 k<br />

, also abgeschlossen.<br />

In diesem Fall erzeugen R und S den Ring T .<br />

Definition 4.3.11. Sei I eine Indexmenge, dann bezeichnet man die folgenden Daten<br />

als Klebedaten<br />

(a) Affine Varietäten,(U i , O Ui ) für i ∈ I, alle mit dem gleichen Funktionenkörper<br />

K.<br />

(b) U ij ↩→ U i offene Immersionen von affinen Varietäten für i, j ∈ I.<br />

(c) Isomorphismen Φ ji = ( t φ ij , ϕ ij ) : (U ij , O Ui | Uij ) → (U ji , O Uj | Uji ) von affinen<br />

Varietäten für i, j ∈ I, die<br />

(c.1) U ii = U i , ϕ ii = id<br />

(c.2) ϕ kj ◦ ϕ ji = ϕ ki : U ik ∩ U ij → U ki ∩ U kj<br />

erfüllen.<br />

Konstruktion 4.3.12. Sei ein Satz von Klebedaten wie in Definition 4.3.11 gegeben.<br />

Auf ⨿ i∈I U i definiert man eine Relation ∼ durch<br />

U i ∋ x i ∼ x j ∈ U j :⇔ x i ∈ U ij , x j ∈ U ji , t φ ji (x i ) = x j .<br />

Dann ist ∼ eine Äquivalenzrelation (die Reflexivität gilt, weil ϕ ii = id) und wir<br />

betrachten die Menge X := ( ⨿ i∈I U i)/ ∼ der Äquivalenzklassen und die zugehörige<br />

Quotientenabbildung<br />

q : ⨿ i∈I<br />

U i → X, x ↦→ [x] ∼ .<br />

Auf X betrachtet man die Quotiententopologie, die die feinste Topologie auf X<br />

ist, bezüglich der q stetig ist. Dabei ist die Topologie auf ⨿ U i die Vereinigung der<br />

Topologien auf den U i . Damit ist dann M ⊆ ⨿ U i genau dann offen, wenn M ∩ U i<br />

für alle i offen ist. Im Ergebnis erhält man X einen topologischer Raum und offene<br />

Abbildungen<br />

f i : U i → X, x i ↦→ [x i ] ∼ .<br />

Die f i sind injektiv, da die ϕ ij bijektiv sind. Weiter gilt f i (U ij ) = f i (U i ) ∩ f j (U j ).<br />

Jetzt definieren wir für ∅ ≠ U ≤ X offen<br />

O x (U) := ∩ i∈I<br />

O Ui<br />

(<br />

f<br />

−1<br />

i (U) ) ⊆ K,<br />

und es stellt sich die Frage, ob dies eine Elementargarbe ist.<br />

Behauptung: (X, O X ) ist eine algebraische Varietät ist und die Abbildungen<br />

f i : U i → X,<br />

x i ↦→ [x i ] ∼<br />

↑ 26.10.2012 ↑<br />

sind offene Immersionen (vergleiche Übung 4.6.25 und Bemerkung 4.3.14).<br />

Definition 4.3.13. Seien (X, O X ) und (Y, O Y ) algebraische Varietäten. Ein Morphismus<br />

Φ : (X, O X ) → (Y, O Y ) besteht aus einer stetigen Abbildung f : X → Y<br />

und einem Ringhomomorphismus ϕ(U): O Y (U) → O X (f −1 (U)) für jede offene<br />

Teilmenge U ⊆ Y , so dass die folgenden Eigenschaften erfüllt sind:


4.3 Verklebung von affinen Varietäten zu Varietäten 77<br />

(i) Es gibt offene Überdeckung {V i } i∈I und {U j } j∈J von X bzw. Y durch affine<br />

Teilmengen (das heißt (U j , O Y | Uj ) ist affine Varietät; analog für die V i ’s), für<br />

die gilt:<br />

∀ i ∃ j : f(V i ) ⊆ U j .<br />

(ii) Wenn f(V i ) ⊆ U j , dann erhält man einen Morphismus<br />

Φ| (Vi ,O X | Vi ) := (f| Vi , ϕ| Vi ): (V i , O X | Vi ) → (U j , O Y | Uj )<br />

von affinen algebraischen Varietäten, wobei<br />

ϕ| Vi (U ∩ U j ) : O Y (U ∩ U j ) → O X (f −1 (U ∩ U j )) ⊆ O X (f −1 (U) ∩ V i )<br />

} {{ } } {{ }<br />

⊇f −1 (U)∩V i =O X | Vi (f −1 (U)∩V i )<br />

Bemerkung 4.3.14. In Anlehnung an die entsprechenden Definitionen für Morphismen<br />

affiner Varietäten führt man folgende Namen ein.<br />

(a) Ein Morphismus Φ = (f, ϕ): (X, O X ) → (Y, O Y ) von algebraischen Varietäten<br />

heißt eine abgeschlossene Immersion, wenn (vergleiche Bemerkung 4.2.4)<br />

(i) f : X → f(X) ⊆ Y ein Homöomorphismus auf eine Zariski-abgeschlossene<br />

Teilmenge ist,<br />

(ii) für jede offene Teilmenge U ⊆ Y der Ringhomomorphismus ϕ(U): O Y (U) →<br />

O X<br />

(<br />

f −1 (U) ) surjektiv ist.<br />

(b) Φ heißt offene Immersion, wenn f : X → f(X) ⊆ Y ein Homöomorphismus<br />

auf einen offene Teilmenge ist (vergleiche Definition 4.2.11).<br />

(c) Φ = (f, ϕ) heißt dominant, wenn f(X) dicht in Y ist (vergleiche Bemerkung<br />

4.2.10).<br />

Bemerkung 4.3.15. Seien (X, O X ) und (Y, O Y ) algebraische Varietäten. Ein Produkt<br />

von (X, O X ) und (Y, O Y ) ist eine algebraische Varietät (Z, O Z ), für die folgende<br />

universelle Eigenschaft gilt:<br />

(Z, O Z )<br />

Dann gilt (vergleiche Übung 4.6.21):<br />

∃!Φ Z<br />

(X, O X )<br />

∀Φ X<br />

(Y, O Y ) (W, O W )<br />

∀Φ Y<br />

(i) Produkte sind eindeutig bis auf Isomorphismen. Daher ist es sinnvoll, die Notation<br />

(X × Y, O X×Y ) für das Produkt zu verwenden.<br />

(ii) Produkte existieren, was man durch Verkleben der Produkte der offenen affinen<br />

Teilmengen einsieht.<br />

(iii) Als Menge ist X × Y die Produktmenge, aber sie trägt nicht die Produkttopologie.<br />

Damit kann man für jede algebraische Varietät einen Diagonalmorphismus<br />

∆ : X → X × X über das Diagramm<br />

definieren.<br />

X × X● X ●●●●●●●●<br />

X<br />

Proposition 4.3.16. Sei (X, O X ) eine algebraische Varietät. Dann gilt:<br />

id<br />

∆<br />

X<br />

id


78 4 Varietäten<br />

(1) (X, O X ) ist separiert.<br />

(2) ∆ ist eine abgeschlossene Einbettung.<br />

Beweis. Man erhält dies durch Reduktion auf affine Stücke (vergleiche Übung 4.6.23).<br />

⊓⊔<br />

4.4 Projektive Varietäten<br />

Beispiel 4.4.1 (Projektiver Raum). Wir betrachten den Körper K(X 0 , . . . , X n )<br />

der rationalen Funktionen in n + 1 Variablen und bestimmen einen Satz von Klebedaten<br />

für den Funktionenkörper K := K(x 1 , . . . , x n ) ⊆ K(X 0 , . . . , X n ), wobei<br />

Für i = 0, . . . , n setzen wir<br />

R Xi<br />

x j = X j<br />

X 0<br />

∈ K(X 0 , . . . , X n ).<br />

[ X0<br />

:= K , . . . , X i−1<br />

, X i+1<br />

, . . . , X ]<br />

n<br />

⊆ K<br />

X i X i X i X i<br />

∼= K[Y 1 , . . . , Y n ] Polynomring in n Variablen<br />

und stellen fest, dass Spm(R Xi ) ∼ = A n K<br />

. Weiter betrachten wir zu i, j ∈ {0, 1, . . . , n}<br />

die endlich erzeugte K-Algebra R Xi X j<br />

= R Xi R Xj ⊆ K. Es gilt<br />

R Xi<br />

[ X0<br />

X j<br />

, . . . , X j−1<br />

X j<br />

, X j+1<br />

und wir erhalten eine offene Immersion<br />

X j<br />

, . . . , X n<br />

X j<br />

]<br />

= R XiX j<br />

,<br />

Spm(R XiX j<br />

) ↩→ Spm(R Xi ).<br />

Um das nachzuweisen, stellen wir fest, dass R Xi X j<br />

erst X u<br />

X j<br />

∈ R Xi [ X i<br />

X j<br />

] und damit R Xi X j<br />

= R Xi [ Xi<br />

X j<br />

], weil X U<br />

X j<br />

· Xj<br />

X i<br />

= X U<br />

X i<br />

⊆ R Xi [ X i<br />

X j<br />

] impliziert. Damit befindet man<br />

sich in der Situation von Beispiel 4.2.12 und kann schließen, dass Spm(R Xi X j<br />

) ↩→<br />

Spm(R Xi ) in der Tat eine offene Immersion ist.<br />

Man überprüft, dass U i := Spm(R Xi ), U ij = Spm(R Xi X j<br />

) =: U ji und id = ϕ ij :<br />

U ij → U ji Klebedaten liefert, die dann mit Konstruktion 4.3.12 eine algebraische<br />

Varietät liefern, die man mit P n k<br />

bezeichnet und den n-dimensionale projektiven<br />

Raum nennt.<br />

Konstruktion 4.4.2. Sei R = ⊕ ⊕<br />

e∈Z R (e) ein Z-graduierter Ring, das heißt<br />

e∈Z R (e) ist eine direkte Summe abelscher Gruppen (additiv), und R ist ein Ring<br />

mit R (e) · R (e′ ) ⊆ R (e+e′ ). Wir definieren eine Gradfunktion deg auf den R (e) durch<br />

deg(f) := e für f ∈ R (e) \ {0}. Die Elemente der R (e) \ {0} heißen homogen vom<br />

Grad e. Wir machen weitere Annahmen:<br />

(a) Sei R ab jetzt auch ein Integritätsbereich und K der Quotientenkörper von R.<br />

(b) R (e) = 0 für alle e < 0 (keine Laurentpolynome zugelassen).<br />

Ein Element h ∈ K heißt homogen, wenn es homogene Elemente f und g in<br />

R mit h = f g<br />

gibt. Wir setzen dann deg(h) := deg(f) − deg(g). Diese Setzung ist<br />

wohldefiniert:<br />

F<br />

g = f ′′<br />

g ′<br />

⇒ fg ′ = f ′ g ⇒ deg(f)+deg(g ′ ) = deg(fg ′ ) = deg(f ′ g) = deg(f ′ )+deg(g).


4.4 Projektive Varietäten 79<br />

Die Menge K 0 := {h ∈ K | h homogen, deg(h) = 0}∪{0} ist ein Unterkörper von K,<br />

weil f g + f ′<br />

g<br />

= fg′ +f ′ g<br />

′ gg<br />

∈ K ′ 0 . Man sollte ihn mit K = K(x 1 , . . . , x n ) in Beispiel 4.4.1<br />

vergleichen. Wir betrachten<br />

R g,0 :=<br />

{ f<br />

g n ∣ ∣∣ f ∈ R, deg(f) = n · deg(g)<br />

}<br />

∪ {0} ⊆ K 0 .<br />

Wenn R eine K-Algebra ist, dann ist R g,0 eine K-Unteralgebra von K 0 . Unter<br />

günstigen Umständen erhält man, dass K 0 ist der Quotientenkörper von R g,0 ist:<br />

Für h ∈ K 0 gilt h = f f<br />

= fa<br />

′ g<br />

· gn<br />

n fa<br />

mit einem a ∈ R, das deg a = deg f − n · deg g<br />

erfüllt. Das geht zum Beispiel, wenn es zu jedem Grad ein homogenes Element gibt.<br />

Lemma 4.4.3. In der Situation von Konstruktion 4.4.2 nehmen wir zusätzlich an,<br />

dass R (e) ein K-Vektorraum und R eine K-Algebra ist. Dann gilt:<br />

(i) Wenn R eine endlich erzeugte K-Algebra ist und deg g > 0, dann ist der Quotientenkörper<br />

von R g,0 gleich K 0 (siehe Übung 4.6.27): Quot(R g,0 ) = K 0 falls<br />

deg g > 0, andernfalls ist der Quotientenkörper nur K.<br />

(ii) Seien g, g ′ ∈ R homogen, g ≠ 0 ≠ g ′ und T = R g,0 R g′ ,0 ⊆ K 0 . Dann ist<br />

Spm(R g,0 ) ∪ Spm(T ) Spm(R g′ ,0) eine einfache separierte Verklebung.<br />

Beweis. Für (ii) ist nur zu zeigen, dass die Verklebung einfach ist (vergleiche Proposition<br />

4.3.8, die Separiertheit folgt aus der Einfachheit und T = R g,0 R g′ ,0).<br />

Behauptung: Es gibt ein 0 ≠ p ∈ R g,0 mit T = R g,0 [ 1 p ] (analog für R g ′ ,0).<br />

Sei e ∈ N das kleinste gemeinsame Vielfache von deg(g) und deg(g ′ ). Dann gibt<br />

es a, a ′ ∈ N mit e = a deg(g) = a ′ (deg(g ′ ). Jedes Element von T lässt sich in der<br />

Form mit f ∈ R und r, r′ ∈ N 0 , also in der Form<br />

f<br />

g r (g ′ ) r′<br />

F<br />

(g a (g ′ ) a′ ) m = F<br />

g 2ma (<br />

g a<br />

[ g<br />

(g ′ ) m a<br />

∈ R g,0<br />

) a′<br />

(g ′ ) a′ ]<br />

mit m ∈ N (groß genug)und deg(F ) = m · 2e schreiben. Dazu bringt man in einer<br />

alles auf einen Nenner. Mit p := (g′ ) m<br />

g<br />

findet man, dass jedes Element von T in<br />

a<br />

R g,0 [ 1 p ] liegt. Das heißt T = R g,0[ 1 p<br />

], und damit folgt die Behauptung. Mit der<br />

Behauptung folgt nach Definition 4.3.3 aber sofort, dass die Verklebung einfach<br />

ist. ⊓⊔ ↑ 29.10.2012 ↑<br />

Definition 4.4.4. In der Situation von Lemma 4.4.3 nehmen wir zusätzlich an, dass<br />

R eine endlich erzeugte K-Algebra ist. Betrachte I := {g ∈ R | 0 ≠ g homogen}<br />

und die dadurch parametrisierten Klebedaten<br />

(a) U i := Spm(R g,0 )<br />

(b) U ij := Spm(R g,0 R g′ ,0) ↩→ Spm(R g,0 ) für g ′ , g ∈ I.<br />

(c) ϕ ij := id : Spm(R g,0 R g′ ,0) → Spm(R g,0 R g′ ,0).<br />

Man erhält so eine algebraische Varietät, die mit Proj(R) bezeichnet wird. Wenn<br />

R 0 = K gilt, dann nennt man Proj(R) eine projektive Varietät.<br />

Proposition 4.4.5. Sei R ein Z-graduierter Ring, der K-Algebra von homogenen<br />

Elementen g 1 , . . . , g m ∈ R erzeugt wird (o.B.d.A. kann man annehmen, dass<br />

deg g j > 0). Weiter sei R (0) = K. Dann ist Proj(R) ⊆ ∪ m<br />

j=1 Spm(R g j ,0) eine offene<br />

Überdeckung.


80 4 Varietäten<br />

Beweis. Zu zeigen ist für 0 ≠ g ∈ R homogen, dass Spm(R g,0 ) ⊆ ∪ m<br />

j=1 Spm(R g j,0).<br />

o.B.d.A. können wir deg g > 0 annehmen, weil<br />

Setze<br />

deg g = 0 ⇒ Quot() = k ⇒ Spm(. . .) = (0).<br />

e := kgV(deg g, deg g 1 , . . . , deg g m ) = a 0 deg(g) = a 1 deg g 1 = . . . = a m deg g m .<br />

Es gilt g a 0<br />

∈ √ (g a 1<br />

1 , . . . , ga m m ), da g ∈ (g 1 , . . . , g m ) = R + = ⊕ e>0 R (e) und für<br />

g = ∑ m<br />

j=1 r jg j ein N ∈ N mit g a0N = ∑ m<br />

j=1 f jg aj<br />

j existiert, wobei f j ∈ R ist.<br />

Daraus ergibt sich<br />

1 =<br />

m∑<br />

j=1<br />

f j<br />

g a j m<br />

j<br />

g a 0N = ∑<br />

j=1<br />

weil deg f j = a 0 (N − 1) und deg g = e(N − 1).<br />

f j<br />

g a 0(N−1)<br />

(<br />

} {{ }<br />

∈R g,0<br />

g a j<br />

j<br />

g a 0 ,<br />

Teilung der Eins: Sei S ein kommutativer Ring mit Eins und s 1 , . . . , s m Erzeuger<br />

von S als S-Modul, was gleichbedeutend ist mit der Existenz von σ j ∈ S, für<br />

die 1 = ∑ m<br />

j=1 σ js j gilt. Dann ist Spm(S) = ∪ m<br />

j=1 D(s j), wobei D(s j ) := {m ∈<br />

Spm(S)|s j /∈ m}.<br />

Aus der Teilung der Eins ergibt sich für S = R g,0 mit Übung 4.6.16<br />

Behauptung: R g,0<br />

[ g<br />

a 0<br />

Spm(R g,0 ) ⊆<br />

g a j<br />

j<br />

m∪<br />

j=1<br />

a<br />

] [ g j ]<br />

=<br />

j Rg,0<br />

g a 0 .<br />

( a g<br />

j<br />

j<br />

D<br />

g a 0<br />

Um die Inklusion ”<br />

⊆“ zu zeigen, betrachten wir ga 0<br />

f<br />

g n = fga 0l−n<br />

g a 0l<br />

= fga 0l−n<br />

g a ·<br />

jl<br />

j<br />

∈Rg j,0<br />

} {{ }<br />

)<br />

= Spm R g,0<br />

[ g<br />

a 0<br />

( g<br />

a j<br />

j<br />

g a 0<br />

g a j<br />

j<br />

g a j<br />

j<br />

]<br />

.<br />

∈ R gj ,0 und rechnen<br />

) a l g<br />

j ]<br />

j ∈ Rgj ,0[<br />

g a .<br />

0<br />

Damit ist ”<br />

⊆“ bewiesen und ”<br />

⊇“ geht analog.<br />

Mit der Behauptung ist der Beweis der Proposition abgeschlossen, weil<br />

( [ a g<br />

j ])<br />

j<br />

Spm R gj ,0<br />

g a ⊆ Spm ( )<br />

R gj ,0<br />

0<br />

.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 4.4.6. Für a 0 , . . . , a n ∈ N definieren wir auf R := K[X 0 , . . . , X n ] eine<br />

Gradfunktion durch deg X j := a j und setzen R = ⊕ ∞<br />

e=0 R (e), wobei<br />

R (e) =<br />

⟨<br />

X m 0<br />

0 X m 1<br />

1 · . . . · X m n<br />

n<br />

∣<br />

n∑<br />

j=0<br />

⟩<br />

a j m j = e .<br />

K−V R<br />

↑ 2.11.2012 ↑<br />

Dann ist Proj(R) =: P(a 0 : . . . : a n ) ist eine projektive Varietät, die man einen<br />

gewichteten projektiven Raum nennt. Wenn e = ggT(a 0 , . . . , a n ), dann gilt<br />

P(a 0 : . . . : a n ) ∼ = P( a0<br />

e : . . . : an e ).


4.5 Vollständigkeit 81<br />

4.5 Vollständigkeit<br />

Definition 4.5.1. (i) Für zwei topologische Räume X und Y heißt eine Abbildung<br />

f : X → Y abgeschlossen, wenn für alle abgeschlossenen Teilmengen Z ⊆ X<br />

gilt: f(Z) ⊆ Y ist abgeschlossen.<br />

(ii) Eine algebraische Varietät heißt vollständig, wenn sie separiert ist und für<br />

alle algebraischen Varietäten Y die Projektion X × Y pr 2<br />

→ Y abgeschlossen ist<br />

(genauer, die unterliegende Abbildung).<br />

Beispiel 4.5.2. Der affine Raum A 1 K ist nicht vollständig: Zu der Projektion<br />

A 1 K × A 1 K<br />

pr 2<br />

−→ A<br />

1<br />

K ,<br />

(x, y) ↦→ y<br />

betrachtet man die abgeschlossenen Teilmenge Z = V (XY − 1) ⊆ A 2 K = A1 K × A1 K ,<br />

für die die Projektion pr 2 (Z) = A 1 K<br />

\ {0} offen, nicht aber abgeschlossen ist.<br />

Proposition 4.5.3. Die einzige vollständige affine Varietät ist die mit nur einem<br />

Punkt.<br />

Beweis. Sei X eine vollständige affine Varietät, die als abgeschlossene Teilmenge<br />

X ⊆ A n K realisiert ist. Betrachte<br />

A n+1<br />

K<br />

∼= A n K × A 1 K ⊇ X × A 1 K<br />

pr 2<br />

→ A<br />

1<br />

K ,<br />

(x, t) ↦→ t<br />

und das Bild B von V (x 1 t − 1) ∩ (X × A 1 K ) unter pr 2. Nach Voraussetzung ist B<br />

abgeschlossen, und es gilt 0 /∈ B. Also ist B ist leer oder endlich. In letzterem Fall<br />

schreiben wir B = {t (i1)<br />

1 , . . . , t (im)<br />

1 }.<br />

1. Fall: B = ϕ. In diesem Fall gilt V (x 1 t − 1) ∩ (X × A 1 K ) = ϕ, also X ⊆ V (x 1), das<br />

heißt x 1 = 0 für alle (x 1 , . . . , x n ) ∈ X.<br />

2. Fall: B = {t (i1)<br />

1 , . . . , t (im)<br />

1 }. In diesem Fall haben wir X ⊆ ∪ m<br />

j=1 V (x 1t (ij)<br />

1 − 1).<br />

Es ergibt sich x 1 = 1<br />

t (i j )<br />

1<br />

, also x 1 ∈ { 1<br />

t (i 1 )<br />

1<br />

, . . . ,<br />

1<br />

t (im)<br />

n<br />

Die Komponenten 2 bis n behandelt man analog (betrachte x j statt x 1 ). Also<br />

ist X ist endlich, und weil X irreduzibel ist, besteht X aus nur einem Punkt. ⊓⊔<br />

Das verbleibende Ziel dieses Abschnitts ist es, ein verifizierbares Kriterium für<br />

die Vollständigkeit von Varietäten zu beweisen. Hilfsmittel werden dabei Bewertungsringe<br />

R (vergleiche Übung 4.6.1) und das Konzept der R-wertigen Punkte<br />

einer Varietät sein. Zur Vorbereitung betrachten wir eine eine K-Algebra R und<br />

eine abgeschlossene Teilmenge X ⊆ A n k<br />

, wobei wir nach wie vor annehmen, dass K-<br />

algebraisch abgeschlossen ist. Dann gibt es Polynome F 1 , . . . , F m ∈ k[X 1 , . . . , X n ]<br />

mit<br />

X = {x ∈ A n k | F 1 (x) = . . . = F m (x) = 0} = V (F 1 , . . . , F m )<br />

und wir nennen die Menge<br />

X(R) := {r ∈ R n |F 1 (r) = . . . = F m (r) = 0}<br />

die R-wertigen Punkte von X. Wenn f : R → S ein Homomorphismus von K-<br />

Algebren ist, dann findet man eine natürliche Abbildung<br />

X(f): X(R) → X(S), (r 1 , . . . , r n ) ↦→ (f(r 1 ), . . . , f(r n )).<br />

Wenn R f → S g → T zwei solcher K-Algebren-Homomorphismen sind, dann gilt:<br />

X(g ◦ f) = X(g) ◦ X(f). In der Sprache der Kategorien bedeutet das, dass durch<br />

(R, f) ↦→ ( X(R), X(f) ) ein Funktor von der Kategorie der Polynom-K-Algebren in<br />

die Kategorie der Mengen definiert wird.<br />

}<br />

.


82 4 Varietäten<br />

Exkurs zu Kategorien<br />

Eine Kategorie C besteht aus einer Klasse Ob(C) von Objekten und zu zwei<br />

Objekten A, B = Ob(C) einer Menge von Morphismen: Hom C (A, B). Es muss<br />

gelten:<br />

(a) ∃ id A ∈ Hom C (A, A)<br />

(b) Morphismen sind komponierbar, das heißt, zu A, B, C ∈ Ob(C) gibt es eine<br />

Abbildung<br />

◦<br />

Hom C (A, B) × Hom C (B, C) −→ Hom C (A, C),<br />

und diese Abbildungen erfüllen ein Assoziativgesetz der Form<br />

φ ◦ (ψ ◦ µ) = (φ ◦ ψ) ◦ µ<br />

für A, B, C, D ∈ Ob(C) und µ ∈ Hom C (A, B), ψ ∈ Hom C (B, C), φ ∈ Hom C (C, D).<br />

Beispiele für Kategorien sind:<br />

1. Set : Objekte: Mengen; Morphismen: Abbildungen<br />

2. Gr : Objekte: Gruppen; Morphismen: Gruppenhomomorphismen<br />

3. T op : Objekte: topologische Räume; Morphismen: stetige Abbildungen<br />

4. Vect K : Objekte: K-Vektorräume; Morphismen: k-lineare Abbildungen<br />

5. AffVar K : Objekte: affine algebraische Varietäten über K; Morphismen: Morphismen<br />

von affinen K-Varietäten<br />

6. K-Alg : Objekte: K-Algebren; Morphismen: Homomorphismen von K-Algebren<br />

↑ 5.11.2012 ↑<br />

Ein Funktor C → F D ist eine Vorschrift, die jedem Objekt in C ein Objekt in<br />

D zuordnet und jedem Morphismus φ ∈ Hom C (A, B) einen Morphismus f(φ) ∈<br />

Hom D (F (A), F (B)), wobei F (φ ◦ ψ) = F (φ) ◦ F (ψ).<br />

Ein Beispiel für einen Funktor K-ALG→ SET ist der Funktor X der X-wertigen<br />

Punkte, den wir allerdings bis jetzt nur für Polynomalgebren definiert haben.<br />

Sei jetzt A = K[X 1 , . . . , X n ]/(F 1 , . . . , F m ) eine endlich erzeugte K-Algebra und<br />

S = Spm(A). Dann lässt sich Spm(A) als V (F 1 , . . . , F m ) ⊆ A n K<br />

realisieren. Für<br />

r = (r 1 , . . . , r n ) ∈ R n in X(R) faktorisiert die Auswertung<br />

ev r : K[X 1 , . . . , X n ] → R,<br />

X j ↦→ r j<br />

zu einem K-Algebrenhomomorphismus ev r : A → R. Man erhält so eine Abbildung<br />

X(R) → Hom K (A, R). Nach Übung 4.6.32 ist diese Abbildung ist eine Bijektion.<br />

Zu f ∈ Hom K (R, S) definieren wir<br />

f ∗ : Hom K (A, R) → Hom K (A, S),<br />

λ ↦→ f ◦ λ<br />

und bezeichnen den f via Satz 4.2.2 zu geordneten Morphismus Mor K (Spm S, Spm R)<br />

mit f. Wenn R und S endlich erzeugte, nullteilerfreie K-Algebren sind, erhalten wir<br />

mit f ∗ (Φ) = Φ ◦ f das kommutative Diagramm<br />

X(R) <br />

Hom K (A, R) 4.2.2 Mor K (Spm R, X)<br />

X(f)<br />

X(S) <br />

f ∗<br />

Hom K (A, S) <br />

4.2.2<br />

f ∗<br />

Mor K (Spm S, X)<br />

Das linke Quadrat in diesem Quadrat liefert ganz allgemein zwei Funktoren<br />

Hom K (A, ·):<br />

X(·):<br />

K-ALG → SET<br />

K-ALG → SET


4.5 Vollständigkeit 83<br />

Durch Einschränkung auf endlich erzeugte nullteilerfreie K-Algebren erhält man<br />

einen Funktor mit Werten in den affinen K-Varietäten, der ”<br />

umkehrbar“ ist:<br />

R ↦→ Spm(R),<br />

(X, O X ) ↦→ O X (X).<br />

Außerdem hat man einen Funktor von den affinen K-Varietäten in die Mengen<br />

Y ↦→ Mor K (Y, X).<br />

Wir möchten gerne für jede K-Varietät X einen Funktor X : K-ALG → SET<br />

konstruieren, der für affines X auf den endlich erzeugten nullteilerfreien K-Algebren<br />

mit dem schon konstruierten Funktor X zusammenfällt. Außerdem möchte man für<br />

diesen Funktor die folgenden kommutativen Diagramme haben:<br />

X(R)<br />

Mor K (Spm R, X)<br />

X(R)<br />

Mor K (Spec R, X)<br />

X(S) Mor K (Spm S, X)<br />

X(S) Mor K (Spec S, X)<br />

Beachte dabei, dass Spm R keine affine Varietät ist, wenn R ein K-Algebra, aber<br />

nicht endlich erzeugt und nullteilerfrei ist.<br />

Beachte außerdem, dass für zwei Ringe S und R mit S↩→R und m ✂ R maximal<br />

der Schnitt S ∩ m zwar prim in S ist, im Allgemeinen aber nicht maximal. Dagegen<br />

ist für m ✂ R prim auch S ∩ m ✂ S prim. Das erklärt, warum man in diesem Kontext<br />

eher mit dem Spektrum als mit dem Maximalspektrum arbeiten sollte.<br />

Hilfsmittel aus der Theorie der Bewertungsringe<br />

Definition 4.5.4. Seien A, B kommutative Ringe mit Eins und m ✂ A, n ✂ B maximale<br />

Ideale. Man definiert eine Dominanz-Relation ≥ durch<br />

(A, m) ≥ (B, n) :⇔ B ⊆ und B ∩ m = n.<br />

Beispiel 4.5.5. Sei A ein Integritätsbereich, m Spm(A) und K = Quot(A) der Quotientenkörper<br />

von A. Dann gilt für die Lokalisierung A m von A in m, dass (vergleiche<br />

Übung 4.6.26): A ∩ ˜m = m und<br />

wobei ˜m das maximale Ideal in A m ist.<br />

(A m , ˜m) ≥ (A, m),<br />

Satz 4.5.6. Sei K ein Körper, R ⊆ K ein Unterring, der die Eins enthält, und<br />

m ∈ Spm(R). Wenn (R, m) maximal bezüglich Dominanz in den Paaren (S, n) mit<br />

einem Ring 1 ∈ S ⊆ K und n ∈ Spm(S) ist, dann ist R ist ein Bewertungsring und<br />

Quot(R) = K.<br />

Beweis. Es genügt zu zeigen, dass für x ∈ K gilt x ∈ R oder 1 x ∈ R.<br />

1. Fall: x ist ganz über R (das heißt, es existiert ein normiertes Polynom in R[X]<br />

mit Nullstelle x). In diesem Fall setzen wir R[x] =: ˜R und betrachten ein maximales<br />

Ideal ˜m in ˜R. Dann ist p := R ∩ ˜m prim in R, weil R/p ↩→ ˜R/˜m ein Unterring ist<br />

und daher nullteilerfrei. Wegen der Voraussetung an x ist ˜R/˜m eine endliche R/p-<br />

Algebra. Nach Lemma 1.1.6 ist R/p ist ein Körper, also ist p maximal. Wegen der<br />

Maximalität von (R, m) bezüglich Dominanz ist nach Beispiel 4.5.5 R ein lokaler<br />

Ring. Also ist p = m das maximale Ideal des lokalen Rings R. Jetzt zeigt die Maximalität<br />

von (R, m), dass ( ˜R, ˜m) ≥ (R, m), also insbesondere ˜R = R. Damit gilt aber


84 4 Varietäten<br />

x ∈ R.<br />

2. Fall: x nicht ganz über R. In diesem Fall setzen wir ˜R = R [ 1<br />

x]<br />

⊆ K.<br />

Behauptung: 1 x ist nicht invertierbar in ˜R, d.h. x /∈ ˜R.<br />

1<br />

Andernfalls hätten wir x = a 1 + a 2 x + . . . + a 1<br />

d+1 · mit a<br />

x d j ∈ R. Aber<br />

dann ergäbe sich im Widerspruch zur Annahme, dass x nicht ganz über R ist,<br />

x d+1 − a 1 x d − . . . − a d+1 = 0.<br />

Jetzt möchte man zeigen, dass 1 x ∈ R, das heißt ˜R = R. Nach der Behauptung<br />

ist 1 x keine Einheit, also gibt es ein maximales Ideal ˜m ∈ Spm( ˜R) mit 1 x<br />

∈ ˜m. Aber<br />

dann ist p := R ∩ ˜m prim und R/p ↩→ ˜R/˜m ist surjektiv (und damit bijektiv), weil<br />

˜R = R [ ]<br />

1<br />

x und<br />

1<br />

x<br />

∈ ˜m impliziert, dass alle Elemente von {r + ˜m | r ∈ R} und<br />

1<br />

+ ˜m = 0 + ˜m ∈ ˜R/˜m<br />

x<br />

im Bild sind. Also ist p ist maximal, das heißt p = m. Damit folgt R = ˜R, also<br />

1<br />

x ∈ R.<br />

⊓⊔<br />

Satz 4.5.7. Sei K ein Körper, 1 ∈ B ⊆ K Unterring und n ∈ Spm(B). Dann gibt<br />

es einen Unterring 1 ∈ R ⊆ K und ein maximales Ideal m ∈ Spm(R) mit folgenden<br />

Eigenschaften:<br />

(a) R ist ein Bewertungsring mit Quot(R) = K.<br />

(b) (R, m) ≥ (B, n).<br />

(c) B/n ↩→ R/m ist eine algebraische Körpererweiterung.<br />

Beweis. Sei K der algebraische Abschluss 2 von B/n und betrachte B/n als eingebettet<br />

in K, das heißt B/n ↩→ K:<br />

B<br />

❈<br />

❈❈❈❈❈❈<br />

Wir definieren eine partielle Ordnung ≥ auf<br />

durch<br />

h<br />

5 5555555<br />

B/n<br />

{(A, g) | a ⊆ K Unterring, g : A → K Ringhomomorphismus mit g(1) = 1}<br />

(A 1 , g 1 ) ≥ (A 2 , g 2 ) :⇔ A 2 ⊆ A 1 und g 1 | A2 = g 2 .<br />

Nach dem Lemma von Zorn gibt es ein maximales Paar (R, g) bezüglich ≥, denn<br />

für eine Kette (A j , g j ) gibt es mit ( ∪ A j , g) eine obere Schranke, wobei g(a) = g j (a)<br />

für a ∈ A j gilt. Dann ist ker g ein maximales Ideal.<br />

Behauptung 1: R ist lokal.<br />

Behauptung 2 R ist ein Bewertungsring mit Quot(R) = K.<br />

K<br />

2 Einen Beweis für die Existenz des algebraischen Abschlusses findet man in [Ke95]. Siehe<br />

auch Übung 4.6.35)


4.5 Vollständigkeit 85<br />

Behauptung 3: B/n ↩→ R/m ist algebraisch.<br />

Zu Behauptung 1: p := ker g ✂ R ist prim. Die Abbildung<br />

˜g : R p → K,<br />

r g(r)<br />

↦→<br />

s g(s)<br />

setzt g fort, das heißt ˜g| R = g. Also gilt (R p , ˜g) ≥ (R, g). Weil (R, g) nach Annahme<br />

maximal ist, gilt R p = R, und R ist lokal, weil R p lokal ist.<br />

Zu Behauptung 2:<br />

1. Fall: x ∈ K ganz über R. In diesem Fall setzen wir ˜R := R[x] und wie im Beweis<br />

von Satz 4.5.6 sehen wir, dass R/m ↩→ ˜R/˜m algebraische Körpererweiterung mit<br />

m = ker g ⊆ ˜m ist. Damit erhalten wir das folgende kommutative Diagramm<br />

R<br />

g<br />

K<br />

1 1111111<br />

∃f<br />

1<br />

R/m <br />

˜R/˜m<br />

Der Homomorphismus f : ˜R/˜m → K, der das Diagramm kommutativ macht,<br />

existiert, weil<br />

˜R/˜m = (R/m)(x + ˜m ).<br />

} {{ }<br />

˜g<br />

∈ ˜R/˜m<br />

Es existiert also ein irreduzibles normiertes Polynom F ∈ R[X] mit F (x) = 0.<br />

Wähle ein Element a ∈ K mit g(F (a)) = 0. Setze f(x + ˜m) := a und f(r + m) =<br />

g(r) für r ∈ R. Dann ist zu zeigen, dass das so definierte f : ˜r/˜m → K ein<br />

Ringhomomorphismus ist. Betrachte F ∈ (R/m)[X]. Für F (X) = ∑ r j X j gilt<br />

F = ∑ (r j + m)X j . Wir setzen x + ˜m ein:<br />

F (x + ˜m) = ∑ (r j + ˜m)(x + ˜m) j = ∑ r j X j + ˜m = 0 ∈ ˜R/˜m.<br />

Außerdem gilt F (a) = ∑ (r j + ˜m)a j = ∑ g(r j )a j = 0. Weil es ein irreduzibles<br />

Polynom F ∈ (R/m)[X] ⊆ K[X] mit F (x + ˜m) = 0 und ein<br />

a ∈ K mit F (a) = 0 gibt, folgt (vergleiche die allgemeine Theorie algebraischer<br />

Körpererweiterungen), dass sich g : R/m → K eindeutig zu einem<br />

Körperhomomorphismus (R/m)(X + ˜m) → K mit f(x + ˜m) = a fortsetzen lässt.<br />

Jetzt setzen wir ˜g = f ◦ q wobei q : ˜R → ˜R/˜m die Quotientenabbildung ist.<br />

Dann ist ˜g = ˜R → K ein Körperhomomorphismus mit ˜g| R = g und wir finden,<br />

dass ( ˜R, ˜g) ≥ (R, g). Wegen der Maximalität folgt ˜R = R, also x ∈ R.<br />

2. Fall: x ∈ K nicht ganz über R. In diesem Fall setzen ˜R := R[ 1 x ] ∼ = R[X]. Da<br />

[ 1 x<br />

] nicht algebraisch ist, folgt, dass sich g : R → K zu einem Ringhomomorphismus<br />

˜g : ˜R → K fortsetzen lässt (wähle einfach einen Wert für X). Wenn man<br />

˜g(X) = ˜g( 1 X ) ∈ g(R) wählt, dann folgt ˜g( ˜R) = ˜g( ˜R) ist ein Unterkörper von K.<br />

Also ist ker ˜g ein maximales Ideal, und es gilt ( ˜R, ˜g) ≥ (R, g). Wieder mit der<br />

Maximalität folgt ˜R = R und 1 X ∈ R.<br />

zu Behauptung 3:<br />

B/n <br />

B/ker h <br />

˜R<br />

h<br />

K<br />

R/m<br />

R/ker g <br />

g<br />

K


86 4 Varietäten<br />

↑ 9.11.2012 ↑<br />

Abschließend stellen wir fest, dass B/n ↩→ K algebraisch ist, wie man an dem<br />

folgenden Diagramm sieht:<br />

B ❈ B/n<br />

❈❈❈❈❈❈❈<br />

Damit folgt auch Behauptung 3.<br />

h<br />

Satz 4.5.8. X sei eine separierte Varietät über K mit Funktionenkörper K =<br />

K(X). Wenn für jede irreduzibel abgeschlossene Teilmenge X ′ ⊆ X und jeden Bewertungsring<br />

K ⊆ R ⊆ K(X ′ ) ein Punkt x 0 ∈ X ′ mit O X′ ,X 0<br />

⊆ R existiert, dann<br />

ist X vollständig. Dabei ist O X ′ ,X 0<br />

der durch den direkten Limes<br />

O X ′ ,X 0<br />

:= lim −→<br />

O X ′(U) =<br />

∪<br />

O X ′(U)<br />

x 0 ∈U<br />

h<br />

<br />

K<br />

X 0∈U<br />

⊓⊔<br />

(die U durchlaufen alle offenen Umgebungen von x 0 ) definierte lokaler Ring, vergleiche<br />

[Bu98] und Übung 4.6.38.<br />

Beweis. Zu zeigen ist, dass für Z abg.<br />

⊆ X × Y pr 2<br />

−→ Y die Teilmenge pr 2 (Z) ⊆ Y<br />

abgeschlossen ist.<br />

1. Reduktion: Nach Übung 4.6.29 können wir o.B.d.A. voraussetzen, dass Y affin<br />

ist. Nach Übung 4.6.30 ist dann X ×Y noethersch. Also können wir annhemen, dass<br />

Z irreduzibel ist (allgemein gilt: Z besteht aus endlich vielen irreduziblen Komponenten,<br />

also ist Z dann als endliche Vereinigung abgeschlossener Mengen wieder<br />

abgeschlossen). Die Varietät X ′ := pr 1 (Z) ⊆ X ist nach Übung 4.6.37 irreduzibel.<br />

2. Reduktion: Ersetze Y durch pr 2 (Z). Zu zeigen ist dann,<br />

Z ↩→ X ′ × Y pr 2<br />

→ Y<br />

abg.<br />

surjektiv ist (das würde (pr 2 (Z) = pr 2 (Z)) liefern). Wir wissen schon, dass das Bild<br />

dicht ist, weil die Abbildung dominant ist.<br />

Seien K(X ′ ) und K(Z) die Funktionenkörper von X ′ und Z. Dann ist<br />

dominant.<br />

Z ↩→ X ′ × Y pr 1<br />

→ X ′<br />

Behauptung 1:: Z → X ′ induziert eine Einbettung K(X ′ ) ↩→<br />

j1<br />

K(Z).<br />

Aus Bemerkung 4.2.10 wissen wir: Seien X = Spm(R), Y = Spm(S) affine K-<br />

Varietäten und φ : S → R ein K-Algebrenhomomorphismus, dann heißt Φ : X →<br />

Y ∈ Mor k (X, Y ) dominant, wenn φ injektiv ist. In diesem Fall hat t φ : X → Y<br />

dichtes Bild. Man sagt auch, Φ hat dichtes Bild oder Φ(X) ⊆ Y ist dicht. Umgekehrt,<br />

wenn φ nicht injektiv ist, das heißt 0 ≠ ker φ, dann gilt<br />

∀ m ∈ Spm(R) : ker φ ⊆ φ −1 (m) = t φ(m) ∈ Spm(S)<br />

und t φ(Spm R) ⊆ V (ker φ) Spm(S), also ist t φ(Spm R) nicht dicht.


4.5 Vollständigkeit 87<br />

Aus dem Diagram<br />

Z<br />

dominant<br />

X ′<br />

gewinnt man das Diagramm<br />

affin, offen<br />

<br />

U Z<br />

O X ′(U X ′)<br />

<br />

K(X ′ ) <br />

dominant<br />

injektiv<br />

j 1<br />

affin, offen<br />

<br />

<br />

<br />

U X ′<br />

O Z (U Z ) <br />

K(Z)<br />

Die Einbettung j 1 hängt dabei nicht von der Wahl der affinen offenen Stücke ab<br />

(Übung).<br />

Sei jetzt y 0 ∈ Y = Spm S, wobei S eine nullteilerfreie k-Algebra ist. Gesucht<br />

wird jetzt ein x 0 ∈ X ′ mit z 0 := (x 0 , y 0 ) ∈ Z. Das zeigt dann die Surjektivität der<br />

Abbildung.<br />

Sei S → ϕ S/m = K der zu m := y 0 gehörige Auswertungshomomorphismus. Da<br />

Z → X ′ × Y → Y dominant ist, gibt es eine Einbettung S ↩→ K(Y ) ↩→ K(Z). Nach<br />

j2<br />

den Sätzen 4.5.7 und 4.5.6 gibt es einen Bewertungsring R ⊆ K(Z) mit S ⊆ R und<br />

ein maximales ideal m R mit S ∩ m R = m. Weil K algebraisch abgeschlossen ist, gilt<br />

S <br />

ϕ<br />

S/m <br />

K<br />

alg. Erw.<br />

R<br />

ϕR<br />

R/m R K<br />

Wegen<br />

k(X ′ ) j 1<br />

K(Z)<br />

↑ 12.11.2012 ↑<br />

j −1<br />

1 (R) <br />

j 1<br />

R <br />

ist j1 −1 (R) ein Bewertungsring mit K ⊆ j−1 1 (R) ⊆ K(X′ ). Wegen der Voraussetzungen<br />

des Satzes gibt es jetzt ein x 0 ∈ X ′ mit O X′ ,X 0<br />

⊆ j1 −1 (R). Sei U ⊆ X′ eine<br />

affine Teilmenge mit x 0 ∈ U und Z ′ := Z ∩(X ×Y ) ⊆ Z. Dann sind U ×Y ⊆ X ′ ×Y<br />

und Z ′ ⊆ Z jeweils offene affine Teilmengen und Z ′ ≠ ∅, weil pr 1 (Z) ⊆ X ′ dicht ist<br />

und somit pr 1 (Z) ∩ U ≠ ∅ gilt. Sei U = Spm(A) mit A ⊆ K(X ′ ) und Z ′ = Spm(B)<br />

mit B ⊆ K(Z).<br />

Behauptung 2: B ⊆ R.<br />

Um diese Behauptung zu beweisen, betrachten wir die abgeschlossene Immersion<br />

Z ′ ι<br />

↩→ U × Y und den zugehörigen surjektiven K-Algebrenhomomorphismus A ⊗ K<br />

S ι∗ ↠ B (vergleiche Übung 4.6.39). Mit Mit p ∗ 2 := (pr 2 | U×Y ) ∗ : S → A ⊗ K S und<br />

p ∗ 1 := (pr 1 | U×Y ) ∗ : A → A ⊗ K S gilt dann


88 4 Varietäten<br />

K(X ′ ) j 1<br />

K(Z)<br />

<br />

S j<br />

2<br />

<br />

A <br />

p ∗ 1<br />

p ∗ 2<br />

A ⊗ K S<br />

ι<br />

∗<br />

<br />

B <br />

mit p ∗ 2(s) = 1 ⊗ s und p ∗ 1(a) = a ⊗ 1. Wegen j1 −1 (R) ⊇ O X ′ ,X 0<br />

= ∪ X 0 ∈Ũ O(Ũ) ⊇ A<br />

folgt j 1 (A) ⊆ j 1 (j1 −1 (R)) ⊆ R und somit ι∗ (A⊗1) ⊆ R. Außerdem liefert ι ∗ (1⊗S) ⊆<br />

R (da S ⊆ R), dass B = ι ∗ (A ⊗ S) ⊆ R, weil A ⊗ S von A ⊗ 1 und 1 ⊗ S erzeugt<br />

wird.<br />

Wegen B ⊆ R ist ϕ R | B : B → k wohldefiniert. Setze jetzt z 0 := n := ker ϕ R | B ✂B<br />

und beachte, dass n ein maximales Ideal in B ist. Also gilt z 0 ∈ Spm(B) = Z ′ .<br />

Behauptung 3: z 0 = (x 0 , y 0 ).<br />

Dazu betrachten wir die Morphismen<br />

{Z 0 } (ϕ R | B ) ∗ Z ′ ι<br />

U × Y<br />

p 2<br />

Y {y 0 }<br />

und die zugehörigen K-Algebrenhomomorphismen<br />

p 1<br />

U {x 0 }<br />

K<br />

ϕ R | B<br />

<br />

B<br />

ι ∗<br />

A ⊗ S<br />

p ∗ 2<br />

S<br />

ϕ<br />

K<br />

p ∗ 1<br />

U<br />

K<br />

Es gilt ϕ| R ◦ ι ∗ ◦ p ∗ 1 = ϕ R ◦ (j 1 | A ) ∗ und der Kern dieser Abbildung ist ein maximales<br />

Ideal von A, das in m R enthalten ist. Weil x 0 in diesem maximalen Ideal enthalten<br />

ist, ist es gleich diesem Ideal und wir erhalten p 1 (z 0 ) = x 0 . Beachte weiter, dass<br />

ϕ R ◦ ι ∗ ◦ p ∗ 2 = ϕ, denn beides sind K-Algebrenhomomorphismen S → k mit Kern<br />

m = m R ∩S, weil m = ker ϕ sowie ker ϕ R ◦i ∗ ◦p ∗ 2 = S ∩ker ϕ R . Da beide Abbildungen<br />

auf k und auf dem Kern übereinstimmen, gilt die Gleichheit wegen S = k+m. Damit<br />

folgt auch p 2 (z 0 ) = y 0 = m.<br />

⊓⊔<br />

Ziel ist es jetzt, mit diesem Vollständigkeitskriterium nachzuweisen, dass projektive<br />

Varietäten vollständig sind. Dazu zeigen wir zunächst die folgenden Vererbungseigenschaften<br />

für die Vollständigkeit<br />

1. abgeschlossene Teilmengen vollständiger Varietäten sind vollständig,<br />

2. Bilder vollständiger Varietäten unter Morphismen sind vollständig.<br />

Diese Vererbungseigenschaften sollten mit den analogen Eigenschaften kompakter<br />

Mengen verglichen werden. Dann betten wir projektive Varietäten in projektive<br />

Räume ein und zeigen, dass projektive Räume vollständig sind.<br />

Übung 4.5.1. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und (X, O X) eine algebraische<br />

K-Varietät mit Funktionenkörper K(X). Man zeige: Zu jeder irreduziblen abgeschlossenen<br />

Teilmenge ∅ ̸= C ⊆ X gibt es eine Elementargarbe O C, so dass (C, O C) eine algebraische<br />

Varietät ist.


4.5 Vollständigkeit 89<br />

Proposition 4.5.9. (i) Wenn X und Y vollständige Varietäten sind, dann ist auch<br />

X × Y vollständig.<br />

(ii) Wenn X eine vollständige Varietät ist und Y ⊆ X abgeschlossen, dann ist jede<br />

irreduzible Komponente Y i von Y vollständig.<br />

(iii) Sei Φ = (f, ϕ): X −→ Y ein Morphismus von K-Varietäten, X vollständig und<br />

Y separabel. Dann ist f abgeschlossen und f(X) ⊆ Y ist vollständig, wenn man<br />

es als algebraische Varietät betrachtet (vergleiche Übung 4.5.1).<br />

Beweis. (i)<br />

(X × Y ) × Z abgeschlossen Z<br />

abgeschlossen<br />

X × (Y × Z)<br />

abgeschlossen<br />

Z<br />

(ii) O.B.d.A. können wir annehmen, dass Y irreduzibel ist.<br />

abgeschlossene<br />

Immersion<br />

abgeschlossen<br />

Y × Z<br />

Z<br />

abgeschlossen<br />

♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥<br />

X × Z<br />

(iii) Die Menge Γ f = {(x, f(x))|x ∈ X} ⊆ X × Y ist abgeschlossen, da Γ f das Urbild<br />

der abgeschlossenen Teilmenge ∆ Y ⊆ Y × Y unter dem (Zariski-stetigen)<br />

Morphismus X × Y (Φ,id)<br />

−→ Y × Y ist. Wegen f(X) = pr 2 (Γ f ) ⊆ Y und der<br />

Vollständigkeit von X ist f(X) ⊆ Y abgeschlossen, da pr 2 abgeschlossen ist.<br />

f(X) ist irreduzibel weil X irreduzibel ist und daher ist f(X) eine K-Varietät.<br />

Behauptung 1: f(X) ist vollständig.<br />

Um das einzusehen betrachten wir die abgeschlossenen Teilmengen W ⊆ f(X)×<br />

Z ⊆ Y × Z und Ψ = (Φ, id): X × Z → Y × Z. Dann ist (f, id Z ) −1 (W ) ⊆ X × Z<br />

abgeschlossen, sodass auch pr 2<br />

(<br />

(f, idZ ) −1 (W ) ) ⊆ Z abgeschlossen ist.<br />

Behauptung 2: f : X → Y abgeschlossen.<br />

Weil Z ⊆ X abgeschlossen ist, liefert (ii), dass die irreduziblen Komponenten<br />

Z i ⊆ X von Z vollständig sind. Aber dann sind auch die f(Z i ) und somit<br />

f(Z) = ∪ f(Z i ) abgeschlossen.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 4.5.10. Sei K ein algebraischer abgeschlossener Körper, K ⊆ K eine<br />

Körpererweiterung und K ⊆ R ⊆ K ein Bewertungsring mit maximalem Ideal m✂R.<br />

Dann gibt es einen Bewertungsring K ⊆ R ′ ⊆ K mit maximalem Ideal m ′ ✂ R ′ mit<br />

folgenden Eigenschaften:<br />

(i) R ′ ⊆ R<br />

(ii) m ′ ⊇ m<br />

(iii) Die Verknüpfung K ↩→ R ′ → R ′ /m ′ ist ein Isomorphismus.<br />

Beweis. Sei L := R/m und die Verknüpfung K → R → R/m = L injektiv. Dann<br />

ist K ⊆ L eine Körpererweiterung. Wir wenden Satz 4.5.7 auf K ⊆ L an und<br />

erhalten einen Bewertungsring K ⊆ R 1 ⊆ L mit maximalem Ideal m 1 ✂ R 1 , so<br />

dass K ⊆ R 1 /m 1 algebraisch ist. Weil K algebraisch abgeschlossen ist, impliziert<br />

dies K = R 1 /m 1 (genauer gesagt, ist die Verknüpfung k → R 1 → R 1 /m 1 ein<br />

Isomorphismus).<br />

↑ 16.11.2012 ↑


90 4 Varietäten<br />

K R pr m<br />

R/m L<br />

<br />

K R ′<br />

R 1<br />

∼<br />

K R 1<br />

=<br />

<br />

R 1 /m 1<br />

K <br />

Das heißt, R ′ ist das Urbild von R 1 unter pr m und m ′ ist das Urbild vom m 1 unter<br />

pr m . Es bleibt zu zeigen, dass R ′ ein Bewertungsring ist, denn aus R ′ /m ′ ∼ = R 1 /m 1<br />

∼ =<br />

k und R ′ ⊆ R folgt, dass m ′ ⊇ pr −1<br />

m (0) = m.<br />

Für x ∈ K \ R ′ möchte man zeigen, dass 1 x ∈ R′ ):<br />

1. Fall: x /∈ R. In diesem Fall liefert 1 x ∈ R, dass 1 x<br />

wiederum äquivalent zu 1 x ∈ m ⊆ m′ ⊆ R ′ ist.<br />

keine Einheit in R ist, was<br />

2. Fall: x ∈ R. In diesem Fall gilt x /∈ m ⊆ R ′ , also ist x invertierbar in R und<br />

1<br />

∈ R. Wir betrachten x := x + m ∈ R/m = L. Dann gilt nach Voraussetzung,<br />

x /∈ R 1 . Weil R 1 ein Bewertungsring ist, folgt 1 x ∈ R 1, so dass die Definition von R ′<br />

liefert: 1 x ∈ R′ . Zusammen erhalten wir 1 x ∈ R′ , das heißt wir haben gezeigt, dass<br />

R ′ ein Bewertungsring ist.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 4.5.11. Sei R ⊆ K ein Bewertungsring mit maximalem Ideal m. Für<br />

y 1 , . . . , y n ⊆ K \ {0} gibt es dann ein x ∈ K mit xy 1 , . . . , xy n ∈ R, aber nicht alle<br />

xy j in m.<br />

Beweis. Der Beweis erfolgt mit Induktion über n.<br />

Induktionsanfang: Wir wählen x = 1 y 1<br />

, dann gilt xy 1 = 1 ∈ R \ m.<br />

Induktionsschritt: Angenommen, wir haben x 1 , . . . , x j ∈ K mit (1 ≤ l ≤ j):<br />

(a l ) x l y 1 , . . . , x l y l ∈ R,<br />

(b l ) nicht alle x l y k , k = 1, . . . , l, sind in m.<br />

1. Fall: x j y j+1 ∈ R. In diesem Fall setzen wir x j+1 := x j . Dann gilt wegen (a j ),<br />

dass x j+1 y 1 , . . . , x j+1 y j , x j+1 y j+1 ∈ R, das heißt a j+1 ), und nicht alle x j+1 y k mit<br />

k = 1, . . . , j + 1 sind in m. Damit folgt auch (b j+1 ).<br />

2. Fall: x j y j+1 /∈ R. Weil R ein Bewertungsring ist, gilt in diesem Fall<br />

1<br />

x j<br />

1<br />

y j+1<br />

∈ R.<br />

Wir setzen x j+1 := 1<br />

y j+1<br />

, dann gilt für 1 ≤ l ≤ j, dass<br />

x j+1 y e =<br />

y e<br />

1<br />

= (x j y e ) ∈ R.<br />

y j+1 } {{ } x j y j+1<br />

∈Ra j)<br />

} {{ }<br />

∈R<br />

Wegen x j+1 y j+1 = 1 ∈ R \ m folgen (a j+1 ) und (b j+1 ).<br />

Aus (a n ), (b n ) folgt die Behauptung der Proposition mit x = x n .<br />

⊓⊔<br />

Satz 4.5.12. Projektive Varietäten sind vollständig.<br />

Beweis. Nach Proposition 4.5.9 (ii) reicht es zu zeigen, dass P n k<br />

vollständig ist (weil<br />

jede projektive Varietät als abgeschlossene Teilmenge eines projektiven Raums realisiert<br />

werden kann). Wir wollen Satz 4.5.8 anwenden: Sei dazu Z ⊆ P n k abgeschlossen,


4.6 Übungen zu Kapitel 4 91<br />

irreduzibel sowie R ⊆ k(Z) Bewertungsring (mit maximalem Ideal m ✂ R).<br />

Behauptung 1: Es gibt ein z ∈ Z mit O Z,z ⊆ R.<br />

Um das einzusehen, können wir o.B.d.A. annehmen, dass Z ist in keinem projektiven<br />

Unterraum von P n K enthalten (das beweist man mit Induktion über n).<br />

Wir wenden Proposition 4.5.10 auf K ⊆ R ⊆ k(Z) und erhalten einen Bewertungsring<br />

R ′ ⊆ R mit maximalem Ideal m ′ ⊇ m und R ′ /m ′ ∼ = K. Ohne Beschränkung<br />

der Allgemeinheit können wir annehmen, dass R ′ = R (wir zeigen<br />

einfach O Z,z ⊆ R ′ ⊆ R), das heißt R/m ∼ = K, also gewinnt man aus K → R → R/m<br />

einen K-Algebrenhomomorphismus ϕ: R → k mit ker ϕ = m. Seien x 0 , x 1 , . . . , x 1<br />

die Koordinationsfunktionen auf K n+1 und ξ j := xj<br />

x 0<br />

∈ K(P n K ). Dann gilt (vergleiche<br />

Übung 4.6.40)<br />

ξ j ∈ O P n<br />

k ,Z = ∪<br />

O P n<br />

k ,z ⊆ k(P n k) = k(ξ 1 , . . . , ξ n ),<br />

u∈Z<br />

weil Z {X 0 = 0} (denn Z ist in keinem projektiven Unterraum von P n K enthalten).<br />

Also gibt es ein z ∈ Z mit z 0 ≠ 0. Sei η j das Bild von ξ j in O P n<br />

k<br />

,Z/m Z = k(Z). Nach<br />

Proposition 4.5.11 gibt es ein λ ∈ k(Z) mit λη 0 , . . . , λ, η n ∈ R, aber nicht alle λη j<br />

sind in m. Sei λη i /∈ m, das heißt λη i ist invertierbar in R. Dann gilt λη<br />

λη i<br />

, . . . , η nλ<br />

η iλ<br />

∈<br />

R und η j<br />

η i<br />

liegt im Bild von ξ j<br />

ξ−i<br />

= ξ j<br />

ξ i<br />

= x j<br />

x i<br />

∈ O P n<br />

k ,Z. Nach Umbenennung der<br />

Koordinaten kann man annehmen, dass i = 0 gilt. Dann ist η i = η 0 = 1, weil ξ 0 = 1<br />

ist, und daher gilt η j = η j<br />

η 0<br />

∈ R für j = 0, . . . , n.<br />

Sei A n ∼ k = U 0 ⊆ P n K die affine Teilmenge {x 0 ≠ 0}. Dann gilt k[U 0 ] = k(ξ 1 , . . . , ξ n ],<br />

und weil ∅ ̸= Z ∩ U 0 ⊆ U 0 abgeschlossen und irreduzibel ist, haben wir Z ∩ U 0<br />

∼ =<br />

Spm(B) mit B = k[η 1 , . . . , η n ] ⊆ R. Sei z ∈ U 0 das Element mit den Koordinaten<br />

( ϕ(η 1 ), . . . , ϕ(η n ) ) ∈ K n . Dann gilt z ∈ Z ∩ U 0 , denn es entspricht dem<br />

K-Algebrenhomomorphismus ϕ : B → K. Zu zeigen bleibt O Z,z ⊆ R, aber für<br />

f ∈ O Z,z folgt f = a b<br />

mit a, b ∈ B und b(z) ≠ 0. Mit b = b(η 1, . . . , η n ) ergibt sich<br />

ϕ(b) = b(ϕ(η 1 ), . . . , ϕ(η n )) = b(z) ≠ 0, also b /∈ m = ker ϕ. Damit ist gezeigt, dass b<br />

in R invertierbar ist, das heißt 1 b ∈ R. Aber dann gilt auch f = a b ∈ R. ⊓⊔<br />

4.6 Übungen zu Kapitel 4<br />

Übung 4.6.1. Sei R ein Integritätsring und K der Quotientenkörper von R. Zeige<br />

(i) Die Einheiten von R bilden bezüglich der Multiplikation eine Untergruppe R ×<br />

Einheitengruppe K × von K.<br />

(ii) Sei Λ := K × /R × und x die Nebenklasse von x ∈ K × in Λ. Dann wird durch<br />

der<br />

x ≥ y :⇔ x y ∈ R<br />

eine partielle Ordnung ≥ auf Λ definiert.<br />

(iii) Wenn für jedes Element x ∈ K gilt x ∈ R oder 1 ∈ R, dann ist ≥ eine totale Ordnung.<br />

x<br />

In der Situation von (iii) nennt man R einen Bewertungsring und Λ die zugehörige Bewertungsgruppe.<br />

Übung 4.6.2. Sei K ein Körper und K[[t]] die Menge der Folgen a 0 , a 1 , . . . in K. Mit t k<br />

bezeichnet man die Folge 0, . . . , 0, 1, 0, . . ., bei der die 1 an der k-ten Stelle steht. Zeige:<br />

(i) K[[t]] ist bezüglich der komponentenweisen Addition ein K-Vektorraum mit Basis<br />

{t 0 , t 1 , t 2 , . . .}.


92 4 Varietäten<br />

(ii) Durch (a 0 , a 1 , . . .) · (b 0 , b 1 , . . .) := (c 0 , c 1 , . . .) mit c k := ∑ k<br />

j=0 a jb k−j wird auf K[[t]]<br />

eine assoziative Multiplikation definiert, die K[[t]] zu einem kommutativen Ring mit<br />

Eins macht.<br />

(iii) Es gilt t k · t l = t k+l für alle k, l ∈ N 0.<br />

(iv) Man bettet K in K[[t]] ein, indem man a 0 mit der Folge a 0 , 0, 0, . . . identifiziert. Dann<br />

ist die skalare Multiplikation K×K[[t]] → K[[t]] verträglich mit der Ringmultiplikation<br />

K[[t]] × K[[t]] → K[[t]].<br />

(v) Beschreibe die Ringstruktur von K[[t]] in der Notation ∑ ∞<br />

j=0 ajtj für t 0, t 1, t − 2, . . ..<br />

(vi) Zeige, dass der Polynomring K[t] ein Unterring von K[[t]] ist.<br />

Man nennt K[[t]] den Ring der formalen Potenzreihen (in einer Variablen) über K.<br />

Übung 4.6.3. Sei R ein Bewertungsring mit Quotientenkörper K. Zeige, dass R genau ein<br />

maximales Ideal hat und dieses durch<br />

{<br />

m := x ∈ R ∣ 1 }<br />

x ∉ R ∪ {0} ⊆ K<br />

gegeben ist.<br />

Übung 4.6.4. Sei R ein Bewertungsring mit Quotientenkörper K und Λ die zugehörige<br />

Bewertungsgruppe. Man schreibt Λ additiv und ergänzt ein Element ∞, für das man setzt<br />

∀x ∈ Λ : x + ∞ = ∞.<br />

Weiter setzt man<br />

v : K → Λ ∪ {∞}, v(x) =<br />

{<br />

x falls x ≠ 0,<br />

∞ falls x = 0.<br />

Zeige:<br />

(i) ∀x, y ∈ K : v(xy) = v(x) + v(y).<br />

(ii) ∀x, y ∈ K : v(x + y) ≥ min{v(x), v(y)}.<br />

Man nennt die Abbildung v die zu R gehörige Bewertung von R.<br />

Übung 4.6.5. Sei K ein Körper und K[[t]] der Ring der formale Potenzreihen über K.<br />

(i) Zeige, dass K[[t]] ein Bewertungsring ist.<br />

(ii) Beschreibe die Bewertungsgruppe Λ sowie die Bewertung v.<br />

(iii) Bestimme das maximale Ideal von K[[t]].<br />

Übung 4.6.6. Sei K ein Körper, K[t] der Polynomring in einer Variablen über K und K(t)<br />

der Quotientenkörper von K[t]. Man zeige, dass<br />

R :=<br />

{ g(t)<br />

f(t) ∈ K(t) ∣ ∣∣ f(0) ≠ 0<br />

}<br />

ein Bewertungsring mit Bewertungsgruppe Z ist.<br />

Übung 4.6.7. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins und Spm(R) das Maximalspektrum<br />

aller maximalen Ideale von R. Zu einem Ideal a in R betrachtet man die Verschwindungsmenge<br />

V (a) := {m ∈ Spm(R) | a ⊆ m}. Weiter betrachtet man zu f ∈ R die Menge<br />

D(f) := {m ∈ Spm(R) | f ∉ m}. Man zeige<br />

(i) Für eine Familie (a i) i∈I von Idealen in R gilt ∩ i∈I V (ai) = V ( ∑ i∈I ai )<br />

.<br />

(ii) Die Menge aller Spm(R) \ V (a) zu den Idealen a in R bildet eine Topologie (die man<br />

die Zariski-Topologie auf Spm(R) nennt.<br />

(iii) Für f 1, f 2 ∈ R gilt D(f 1f 2) = D(f 1) ∩ D(f 2).


(iv) Die D(f) mit f ∈ R bilden eine Basis für die Zariski-Topologie.<br />

4.6 Übungen zu Kapitel 4 93<br />

Übung 4.6.8. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und S, R zwei endlich erzeugte<br />

K-Algebren, beide auch Integritätsbereiche sind. Weiter sei φ: S → R ein Homomorphismus<br />

von K-Algebren. Man zeige, dass durch m ↦→ φ −1 (m) eine stetige Abbildung<br />

t φ: Spm(R) → Spm(S) definiert wird.<br />

Übung 4.6.9. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und p ein Primideal in K[X 1, . . . , X n].<br />

Zeige, dass die Verschwindungsmenge V (p) mit der Zariski-Topologie homöomorph zum<br />

Maximalspektrum Spm(R) für R = K[X 1 , . . . , X n ]/p ist.<br />

Übung 4.6.10. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und R eine endlich erzeugte<br />

K-Algebra. Zeige, dass es ein Primideal p in einem Polynomring K[X 1, . . . , X n] gibt, für<br />

dass die Verschwindungsmenge V (p) mit der Zariski-Topologie homöomorph zum Maximalspektrum<br />

Spm(R) ist.<br />

Übung 4.6.11. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins und Spec(R) = {p✂R | p ist prim}.<br />

(i) Für jedes Ideal a ✂ R heißt Ṽ (a) := {p ∈ Spec(R) | a ⊆ p} die Verschwindungsmenge<br />

von a in Spec(R). Zeige, dass die Ṽ (a) die abgeschlossenen Mengen einer Topologie<br />

(die auch Zariski-Topologie genannt wird) auf Spec(R) bilden.<br />

(ii) Für f ∈ R setze ˜D(f) := {p ∈ Spec(R) | f ∉ p}. Zeige, dass die D(f) eine Basis der<br />

Zariski-Topologie auf Spec(R) bilden.<br />

(iii) Sei R ein Integritätsbereich. Zeige, dass für f ≠ 0 gilt D(f) ≠ ∅, und schließe daraus,<br />

dass Spec(R) ein irreduzibler Raum ist. Hinweis: Zu zeigen ist, dass der Schnitt über<br />

alle Primideale in R gleich Null ist.<br />

Übung 4.6.12. Betrachte die maximalen Ideale 2Z und 3Z in Z und setze S := Z\(2Z∪3Z).<br />

Zeige:<br />

(i) S ist multiplikativ, d.h. ab ∈ S für a, b ∈ S.<br />

(ii) Die Menge Z S := { a<br />

∈ Q ∣ a ∈ Z, s ∈ S } ist ein Unterring von Q (die man die<br />

s<br />

Lokalisierung von Z in S nennt).<br />

(iii) Z S hat genau zwei maximale Ideale (insbesondere ist Spm(Z S ) nicht irreduzibel, obwohl<br />

Z S ein Integritätsbereich ist).<br />

Übung 4.6.13. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und S, R zwei endlich erzeugte<br />

K-Algebren, beide auch Integritätsbereiche sind. Weiter sei φ: S → R ein surjektiver<br />

Homomorphismus von K-Algebren. Zeige:<br />

(i) Das Bild der Abbildung t φ: Spm(R) → Spm(S), m ↦→ φ −1 (m) ist die Verschwindungsmenge<br />

V (ker φ).<br />

(ii) Die durch (i) gewonnene Abbildung t φ: Spm(R) → V (ker φ) ist ein Homöomorphismus<br />

bezüglich der jeweiligen Zariski-Topologien.<br />

Übung 4.6.14. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper. Zeige, dass das Bild M der<br />

Abbildung t φ: A 2 K → A 2 K, das zu dem durch X ↦→ X und Y ↦→ XY definierten K-Algebren-<br />

Homomorphismus φ: K[X, Y ] → K[X, Y ] gehört, weder offen noch abgeschlossen ist. Kann<br />

man M als Schnitt einer offenen mit einer abgeschlossenen Menge schreiben?<br />

Übung 4.6.15. Sei R ein Integritätsbereich und S ⊆ R ein Unterring, von dem R als Ring<br />

endlich erzeugt ist. Weiter sei R algebraisch über S, das heißt, zu jedem r ∈ R gibt es ein<br />

0 ≠ f ∈ S[X] mit f(r) = 0. Zeige, dass es dann ein s ∈ S gibt, für dass R [ ]<br />

1<br />

s ganz über<br />

S [ ]<br />

1<br />

s ist.


94 4 Varietäten<br />

Übung 4.6.16. Sei R ein Integritätsbereich und 0 ≠ a ∈ R. Betrachte die Inklusion<br />

φ: R → R[ 1 ] und zeige:<br />

a<br />

(i) Die zu φ gehörige Abbildung t φ: Spm ( R[ 1 a ]) → Spm(R), m ↦→ φ −1 (m) ist injektiv.<br />

(ii) Das Bild von t φ ist die elementaroffene Menge D(a) ⊆ Spm(R).<br />

Übung 4.6.17. Sei R ein kommutativer Ring und M, N seien R-Moduln. Ein R-Modul T<br />

heißt ein Tensorprodukt von M und N, wenn es eine R-bilineare Abbildung τ : M ×N → T<br />

gibt, die folgende universelle Eigenschaft hat: Zu jeder R-bilinearen Abbildung β : M×N →<br />

L gibt es genau eine R-lineare Abbildung ˜β : T → L mit τ ◦ ˜β = β.<br />

(i) Es gibt, bis auf R-Modul-Isomorphie, höchstens ein Tensorprodukt von M und N.<br />

(ii) Sei K ein Körper. Dann ist der K-Vektorraum K[X 1, . . . , X m, Y 1, . . . , Y n] ein Tensorprodukt<br />

der K-Vektorräume K[X 1, . . . , X m], und K[Y 1, . . . , Y n].<br />

(iii) In der Situation von (ii) sei p ein Primideal von K[X 1, . . . , X m] und q ein Primideal<br />

von K[Y 1, . . . , Y n]. Zeige, dass p + q ⊆ K[X 1, . . . , X m, Y 1, . . . , Y n] ein Primideal ist<br />

und K[X 1 , . . . , X m , Y 1 , . . . , Y n ]/(p + q) ein Tensorprodukt von K[X 1 , . . . , X m ]/p, und<br />

K[Y 1 , . . . , Y n ]/q.<br />

Übung 4.6.18. In der Situation von Übung 4.6.17(iii) sei K ein algebraisch abgeschlossener<br />

Körper und (X, O X ) bzw. (Y, O Y ) die affinen algebraischen Varietäten V (p) bzw. V (q).<br />

Zeige:<br />

(i) Es gibt eine Bijektion V (p + q) → V (p) × V (q).<br />

(ii) Die affine algebraische K-Varietät (Z, O Z), die zu V (p + q) gehört, erfüllt folgende<br />

universelle Eigenschaft: Zu jedem Paar (Φ, Ψ) von Morphismen affiner algebraischer<br />

K-Varietäten Φ: (W, O W ) → (X, O X ) und Ψ : (W, O W ) → (Y, O Y ) gibt es genau einen<br />

Morphismus Λ: (W, O W ) → (Z, O Z ).<br />

Übung 4.6.19. Seien X und Y zwei hausdorffsche topologische Räume und X ∩ Y offen<br />

in X und Y . Zeige, dass die folgenden Bedingungen äquivalent sind:<br />

(1) X ∪ Y := X ∪ X∩Y Y ist als topologischer Raum hausdorffsch.<br />

(2) Das Bild von (ι X , ι Y ): X ∩ Y → X × Y ist abgeschlossen, wobei ι X : X ∩ Y → X und<br />

ι Y : X∩Y → Y die jeweiligen Einbettungen sind und X×Y die Produkttopologie trägt.<br />

Übung 4.6.20. Sei Φ = (f, ϕ): (X, O X ) → (Y, O Y ) ein Morphismus algebraischer Varietäten.<br />

Seien D ⊆ X und U ⊆ Y offen sowie (D, O X | D ) und (U, O Y | U ) affin. Weiter<br />

sei<br />

Φ| D := ( f| D , ϕ| D<br />

)<br />

: (D, OX | D ) → (U, O Y | U )<br />

mit<br />

ϕ| D (U ′ ) = ϕ(U ′ ): O Y (U ′ ) → O X<br />

(<br />

f −1 (U ′ ) ∩ D )<br />

für eine offene Teilmenge U ′ ⊆ U ein Morphismus affiner algebraischer Varietäten. Man<br />

beachte dabei, dass O X<br />

(<br />

f −1 (U ′ ) ) ⊆ O X<br />

(<br />

f −1 (U ′ ) ∩ D ) .<br />

Man zeige: Wenn f : X → f(X) ⊆ Y ein Homöomorphismus auf eine abgeschlossene Teilmenge<br />

ist, und die Ringhomomorphismen ϕ(U): O Y (U) → O X<br />

(<br />

f −1 (U) ) für jede offene<br />

Teilmenge U ⊆ Y surjektiv, dann ist Φ| D eine abgeschlossene Immersion.<br />

Übung 4.6.21. Seien (X, O X ) und (Y, O Y ) algebraische Varietäten. Ein Produkt von<br />

(X, O X ) und (Y, O Y ) ist eine algebraische Varietät (Z, O Z ), für die folgende universelle<br />

Eigenschaft gilt: Zu jedem Paar (Φ, Ψ) von Morphismen algebraischer Varietäten<br />

Φ: (W, O W ) → (X, O X ) und Ψ : (W, O W ) → (Y, O Y ) gibt es genau einen Morphismus<br />

Λ: (W, O W ) → (Z, O Z ).<br />

Man zeige:


4.6 Übungen zu Kapitel 4 95<br />

(i) Produkte sind eindeutig bis auf Isomorphismen (man schreibt dann (X × Y, O X×Y )).<br />

(ii) Produkte existieren (Hinweis: Verklebe Produkte von affinen offenen Stücken).<br />

(iii) Als Menge ist das Produkt von X × Y die Produktmenge X × Y (die Topologie ist<br />

aber nicht die Produkttopologie).<br />

Übung 4.6.22. Man zeige, dass ein topologischer Raum genau dann hausdorffsch ist, wenn<br />

die Diagonaleinbettung X → X × X, x ↦→ (x, x) abgeschlossenes Bild hat.<br />

Übung 4.6.23. Sei (X, O X) eine algebraische Varietät. Zeige, dass die folgenden Bedingungen<br />

äquivalent sind:<br />

(1) (X, O X ) ist separiert.<br />

(2) Der Diagonalmorphismus ∆: (X, O X ) → (X × X, O X×X ), der durch die universelle<br />

Eigenschaft des Produkts aus der Identität (X, O X ) → (X, O X ) gewonnen wird (vergleiche<br />

Übung 4.6.21), ist eine abgeschlossene Immersion.<br />

Übung 4.6.24. Zeige: Wenn in der Situation von Übung 4.6.20 die Abbildung f : X →<br />

f(X) ⊆ Y ein Homöomorphismus auf eine offene Teilmenge ist, dann ist Φ| D eine offene<br />

Immersion.<br />

Übung 4.6.25. Sei I eine Indexmenge und K eine endlich erzeugte Erweiterung des algebraisch<br />

abgeschlossenen Körpers K.<br />

1. ∀i ∈ I sei (U i , O Ui ) eine affine Varietät mit Funktionenkörper K.<br />

2. ∀i, j ∈ I U ij ⊆ U i offen (und damit U ij zusammen mit der Einschränkung O Uij von<br />

O Ui auf U ij eine affine Varietät). Wir nehmen an, dass U ii = U i gilt.<br />

3. Φ ji = (f ji, ϕ ji): (U ij, O Uij ) → (U ji, O Uji ) ein Isomorphismus affiner algebraischer<br />

Varietäten mit<br />

∀i, j, k ∈ I :<br />

Φ kj ◦ Φ ji = Φ ki : U ik ∩ U ij → U ki ∩ U kj<br />

als Morphismen affiner algebraischer Varietäten.<br />

(i) Auf der mengentheoretischen Summe ⨿ i∈I U i definiert man eine Relation ∼ durch:<br />

U i ∋ x i ∼ x j ∈ U j :⇐⇒ x i ∈ U ij, x j ∈ U ji, f ji(x i) = x j.<br />

Zeige, dass ∼ eine Äquivalenzrelation ist.<br />

(ii) Setze X := ( ⨿ i∈I U i)<br />

/∼ und fi : U i → X, x i ↦→ [x i ] ∼ für i ∈ I.<br />

Zeige: Wenn X mit der Quotiententopologie versehen ist, sind die f i Homöomorphismen<br />

auf ein offenes Bild in X.<br />

(iii) Zeige: f i (U ij ) = f i (U i ) ∩ f j (U j ).<br />

(iv) Für ∅ ̸= U ⊆ X offen setze<br />

O X (U) := ∩ i∈I<br />

(<br />

O Ui f<br />

−1<br />

i (U) ) ⊆ K<br />

und zeige, dass dies eine Elementargarbe von K-Unteralgebren von K ist.<br />

(v) Zeige, dass (X, O X ) eine algebraische Varietät ist.<br />

Übung 4.6.26. A und B seien Ringe und m ✂ A, n ✂ B jeweils maximale Ideale. Man sagt<br />

(A, m) dominiert (B, n) und schreibt (A, m) ≥ (B, n), wenn B ⊆ A und m ∩ B = n. Zeige,<br />

dass (A m , ˜m) ≥ (A, m), wobei A m = { x ∣ x, y ∈ A, y ∉ m } die Lokalisierung von A in m ist<br />

y<br />

und ˜m das (einzige) maximale Ideal in A m .


96 4 Varietäten<br />

Übung 4.6.27. Sei R = ⊕ e∈Z R (e) eine endlich erzeugte graduierte nullteilerfreie K-<br />

Algebra mit R (e) = 0 für e < 0 und K der Quotientenkörper von R. Weiter sei K 0<br />

der Unterkörper von K, der aus den homogenen Elementen in K und der Null besteht.<br />

Für 0 ≠ g ∈ R (d) betrachte den Ring<br />

R g,0 =<br />

{ f<br />

g k ∣ ∣∣ f ∈ R homogen, deg(f) = k deg(g)<br />

}<br />

.<br />

Man zeige die folgenden Punkte und schließe daraus, dass K 0 der Quotientenkörper von<br />

R g,0 ist, falls deg g > 0 ist.<br />

(i) Die Menge S := {deg(f) | 0 ≠ f ∈ R homogen} ist eine endlich erzeugte additive<br />

Unterhalbgruppe von N 0 .<br />

(ii) K 0 genau dann der Quotientenkörper von R g,0 ist, wenn gilt<br />

(iii) Die Bedingung (∗) is äquivalent zu<br />

∀d ∈ S ∃f ∈ R, k ∈ N : d + deg(f) = k deg(g). (∗)<br />

S ⊆ N deg(g) − S.<br />

(∗∗)<br />

(iv) Sei e 1, . . . , e m eine Erzeugermenge für S und a der größte gemeinsame Teiler der e j.<br />

Dann ist jedes e ∈ N 0 mit R (e) ≠ 0 ein Vielfaches von a.<br />

(v) Es gibt ein n 0 ∈ N mit (n 0 + N)a ⊆ S.<br />

Hinweis: O.B.d.A. kann man mit a = 1 arbeiten, findet dann ein n ∈ N mit n, n+1 ∈ S<br />

und schließt, dass alle Zahlen von n 2 bis n 2 + n in S liegen.<br />

Übung 4.6.28. Zeige: Jeder Bewertungsring R ist, zusammen mit seinem maximalen Ideal<br />

m, maximal bezüglich Dominanz (siehe Übung 4.6.26) unter den Unterringen des Quotientenkörpers<br />

K von R und ihren maximalen Idealen.<br />

Übung 4.6.29. Sei f : X → Y eine stetige Abbildung zwischen topologischen Räumen und<br />

Y = ∪ i∈I<br />

Ui eine offene Überdeckung von Y . Zeige, dass f genau dann abgeschlossen ist,<br />

wenn jede der Abbildungen<br />

f| f −1 (U i ) : f −1 (U i ) → U i<br />

abgeschlossen ist, wobei f −1 (U i ) ⊆ X und U i ⊆ Y jeweils die Relativtopologie tragen.<br />

Übung 4.6.30. Sei (X, O X ) eine algebraische K-Varietät im Sinne der folgenden Definition:<br />

(a) K ist ein algebraisch abgeschlossener Körper und K ist eine endliche Körpererweiterung<br />

von K.<br />

(b) (X, O X ) ist ein topologischer Raum mit Elementargarbe von K-Unteralgebren von K.<br />

(c) Es gibt eine endliche offene Überdeckung X = ∪ i∈I U i, für die jedes (U i , O X | Ui ) eine<br />

affine Varietät mit Funktionenkörper K ist.<br />

Zeige:<br />

(i) X ist ein irreduzibler noetherscher Raum.<br />

(ii) Wenn man in (c) auf die Endlichkeit der offenen Überdeckung verzichtet, ist X immer<br />

noch irreduzibel, aber nicht mehr notwendigerweise noethersch.<br />

Hinweis zu (ii): verklebe unendlich viele Kopien von P 1 K entlang A 1 K.<br />

Übung 4.6.31. Sei R ein kommutativer Ring mit Eins und r 1, . . . , r m seien Erzeuger von<br />

R als R-Modul. Zeige, dass Spm(R) von den offenen Mengen D(r j) = {m ∈ Spm(R) | r j ∉<br />

m}, j = 1, . . . , m überdeckt wird.<br />

Übung 4.6.32. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, R eine nullteilerfreie K-<br />

Algebra und X ⊆ K n eine irreduzible Zariski-abgeschossene Teilmenge mit Verschwindungsideal<br />

p ✂ K[X 1, . . . , X n]. Setze A := K[X 1, . . . , X n]/p und zeige:


4.6 Übungen zu Kapitel 4 97<br />

(i) Für jedes x ∈ X(R) := {r ∈ R n | ∀f ∈ p : f(r) = 0} faktorisiert die Auswertungsabbildung<br />

ev x : K[X 1 , . . . , X n ] → R zu einem K-Algebrenhomomorphismus ev x : A → R<br />

und definiert so eine Bijektion<br />

α R : X(R) → Hom K (A, R), x ↦→ ev x.<br />

(ii) Satz 4.2.2 liefert eine Bijektion β R : Hom K (A, R) → Mor(Spm(R), X), wobei Mor(Y, X)<br />

für zwei affine algebraische Varietäten X und Y über K die Menge der Morphismen<br />

Φ: Y → X bezeichnet.<br />

(iii) Wenn S ein weiterer Ring mit den für R angenommenen Eigenschaften ist und ϕ ∈<br />

Hom K (R, S), dann definiert man<br />

X(ϕ): X(R) → X(S), (r 1, . . . , r n) ↦→ ( ϕ(r 1), . . . , ϕ(r n) )<br />

und<br />

ϕ ∗ : Hom K (R/p, R) → Hom K (R/p, S), λ ↦→ f ◦ λ.<br />

Es gilt ϕ ∗ ◦ α R = α S ◦ X(ϕ).<br />

(iv) Wenn R und S in der Situation von (iii) endlich erzeugte K-Algebren sind, dann liefert<br />

(ii) ein Element ϕ ∈ Mor ( Spm(S), Spm(R) ) und man kann definieren<br />

Es gilt ϕ ∗ ◦ β R = β S ◦ ϕ ∗ .<br />

ϕ ∗ : Mor(Spm(R), X) → Mor(Spm(S), X), Ψ ↦→ Ψ ◦ ϕ.<br />

Übung 4.6.33. Seien C und D zwei Kategorien. Ein kontravarianter Funktor F : C →<br />

D besteht aus einer Zuordnung C ↦→ F (C), die jedem Objekt C ∈ Ob(C) eine Objekt<br />

F (C) ∈ Ob(D) zuordnet, und eine einer Zuordnung φ ↦→ F (φ), die jedem Morphismus<br />

Hom C (C 1 , C 2 ) einen Morphismus F (ϕ) ∈ Hom D<br />

(<br />

F (C2 ), F (C 1 ) ) zuordnet. Dabei muss<br />

gelten<br />

(a) ∀ C ∈ Ob(C) : F (id C ) = id F (C)<br />

(b) ∀ φ ∈ Hom C(C 2, C 3), ψ ∈ Hom C(C 1, C 2) :<br />

Man zeige:<br />

F (φ ◦ ψ) = F (ψ) ◦ F (φ)<br />

(i) Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und C die Kategorie der endlich erzeugten<br />

nullteilerfreien K-Algebren (kommutativ mit Eins) und D die Kategorie der affinen K-<br />

Varietäten. Dann definiert<br />

A ↦→ (SpmA, O SpmA), φ ↦→ (t φ, ϕ(·) )<br />

(vgl. Satz 4.2.2) einen kontravarianten Funktor F : C → D.<br />

(ii) In der Situation von (i) definiert<br />

(X, O X ) ↦→ O X (X),<br />

(<br />

f, ϕ(·)<br />

)<br />

↦→ ϕ(X)<br />

einen kontravarianten Funktor G: D → C.<br />

(iii) G ◦ F : C → C und F ◦ G : D → D sind jeweils die identischen Funktoren.<br />

Übung 4.6.34. Sei C die Kategorie der endlich erzeugten nullteilerfreien K-Algebren, Set<br />

die Kategorie der Mengen und R die Kategorie aller k-Algebren. Zeige:<br />

(i) Sei R eine K-Algebra. Dann definieren A ↦→ Hom K (A, R) und φ ↦→ φ ∗ mit<br />

∀φ ∈ Hom C (A, B) :<br />

φ ∗ : Hom K (A, R) → Hom K (B, R), f ↦→ f ◦ φ<br />

einen kontravarianten Funktor C → Set, den man mit Hom K (·, R) bezeichnet. Die<br />

Verknüpfung mit dem kovarianten Funktor G: D → C aus Übung 4.6.33(i) liefert<br />

einen Funktor D → Set, den wir mit (R): D → Set bezeichnen.


98 4 Varietäten<br />

(ii) Sei A eine endlich erzeugte nullteilerfreien K-Algebra. Dann definieren R ↦→ Hom K (A, R)<br />

und ψ ↦→ ψ ∗ mit<br />

∀ψ ∈ Hom C (R, S) :<br />

ψ ∗ : Hom K (A, R) → Hom K (A, S), f ↦→ ψ ◦ f<br />

einen Funktor R → Set, den man mit Hom K (A, ·) bezeichnet. Die Verknüpfung mit<br />

dem Funktor G: D → C aus Übung 4.6.33 liefert für eine affine K-Varietät X ∈ Ob(D)<br />

den Funktor R → Set, den wir mit X(·): R → Set bezeichnen.<br />

Übung 4.6.35. Sei k ein Körper. Zeige:<br />

(i) Zu jeder Menge S gibt es eine bis auf Isomorphie eindeutig bestimmte kommutative<br />

k-Algebra mit Eins A, die S enthält und die folgende universelle Eigenschaft hat: Zu<br />

jeder Abbildung f : S → B mit Werten in einer kommutativen k-Algebra mit Eins B<br />

gibt es genau einen k-Algebren-Homomorphismus ϕ: A → B mit ϕ| S = f.<br />

Hinweis: Für endliches S ist das genau der Polynomring in |S| Variablen über k.<br />

Bezeichne A mit k[X s , s ∈ S].<br />

(ii) Sei S die Menge aller nicht-konstanten Polynome in k[X], m ein maximales Ideal in<br />

k[X s, s ∈ S] und k (1) := k[X s, s ∈ S]/m. Dann hat jedes nicht-konstante Polynom in<br />

k[X] eine Nullstelle in k (1) .<br />

(iii) Durch Wiederholung der Konstruktion in (ii) findet man einen Körperturm k ⊆ k (1) ⊆<br />

k (2) ⊆ . . . mit der Eigenschaft, dass es jedes nicht-konstante Polynom in k (i) eine<br />

Nullstelle in k (i+1) hat. Sei K := ∪ i∈N k(i) . Jedes f ∈ K[X] ist in einem k (i) [X]<br />

enthalten.<br />

(iv) Sei f ∈ k (i) [X] und x 1 ∈ k (i+1) [X] eine Nullstelle von f. Dann ist f 1 := f<br />

X−x 1<br />

∈<br />

k (i+1) [X]. Falls f 1 nicht-konstant ist, hat es nach (iii) eine Nullstelle in k (i+2) [X].<br />

Nach endlich vielen Schritten hat man die Formel<br />

deg f<br />

∏<br />

f = c (X − x j)<br />

j=1<br />

mit c, x 1 , . . . , x deg f ∈ K.<br />

(v) K ist eine algebraisch abgeschlossene Körpererweiterung von k.<br />

(vi) Sei k die Vereinigung aller algebraischen Erweiterungen von k, die in K enthalten sind.<br />

Dann ist k eine algebraische Körpererweiterung von k. Außerdem ist k algebraisch abgeschlossen.<br />

Übung 4.6.36. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und R eine K-Algebra.<br />

(i) Wenn X eine durch die Klebedaten ( )<br />

(U i ) i∈I , ι ij , Φ ij gegebene algebraische K-Varietät<br />

ist, dann betrachte ( (U i(R)) i∈I, ι ij(R), Φ ) ij(R) . Man führe für die Kategorie Set ein<br />

passendes Konzept der Verklebung so ein, dass ( (U i(R)) i∈I, ι ij(R), Φ ) ij(R) zu Klebedaten<br />

werden. Die aus diesen Klebedaten gewonnene Menge sei mit X(R) bezeichnet.<br />

(ii) Zeige, dass man die Zuordnung X ↦→ X(R) aus (i) zu einem Funktor (R): Var K →<br />

Set ergänzen kann, wobei Var K die Kategorie der K-Varietäten ist.<br />

(iii) Die Kategorie D der affinen K-Varietäten ist eine Unterkategorie von Var K . Zeige, dass<br />

(R): Var K → Set den Funktor (R): D → Set aus Übung 4.6.34 fortsetzt.<br />

Übung 4.6.37. Sei f : X → Y eine stetige Abbildung topologischer Räume un X irreduzibel.<br />

Zeige: wenn f dichtes Bild hat, dann ist auch Y irreduzibel.<br />

Übung 4.6.38 (Direkter Limes). Sei (I, ≤) eine gerichtete Menge und (X n ) n∈I eine durch<br />

I parametrisierte Familie von Mengen. Für n ≥ m in I seien Abbildungen ι n m : X m → X n<br />

gegeben, die folgende Eigenschaften Erfüllen:<br />

(a) ∀ n ∈ I : ι n n = id Xn .<br />

(b) Wenn n ≥ m ≥ l in I, dann gilt ι n m ◦ ι m l = ι n l .


4.6 Übungen zu Kapitel 4 99<br />

Dann heißt (X n , ι n m) ein direktes oder induktives System. Auf der mengentheoretischen<br />

Summe ⨿ n∈N X n (d.h. der disjunkten Vereinigung der X n ) definiert man Relation R durch<br />

∀ x ∈ X n , y ∈ X m : xRy :⇔ ∃ l ≥ n, m in I : ι l n(x n ) = ι l m(x m ).<br />

(i) Zeige, dass R eine Äquivalenzrelation ist. Die Menge limX −→ n der Äquivalenzklassen von<br />

R heißt der direkte oder induktive Limes des Systems.<br />

(ii) Wenn die X n alle Gruppen (Ringe, k-Vektorräume, k-Algebren) und die ι n m alle Homomorphismen<br />

sind, dann gibt es auf limX −→ n genau eine Struktur als Gruppe (Ring,<br />

k-Vektorraum, k-Algebra), für die die Abbildungen<br />

ι m : X m → lim −→<br />

X n ,<br />

x ↦→ [x] R<br />

alle Homomorphismen sind.<br />

(iii) Sei z ∈ C und I die Menge aller offenen Umgebungen von z in C und ≤ auf I definiert<br />

durch<br />

U 1 ≤ U 2 :⇔ U 2 ⊆ U 1 .<br />

Zeige, dass (I, ≤) eine gerichtete Menge ist.<br />

(iv) In der Situation von (iii) sei O(U) für U ∈ I die Menge der auf U definierten holomorphen<br />

Funktionen. Zeige, dass limO(U) gerade die Menge O −→ z der in z definierten<br />

Keime holomorpher Funktionen ist.<br />

Übung 4.6.39. Seien R und S endlich erzeugte nullteilerfreie k-Algebren und φ: R → S ein<br />

k-Algebren-Homomorphismus. Zeige: wenn der zu φ gehörige Morphismus Φ: Spm(S) →<br />

Spm(R) eine abgeschlossene Immersion ist, dann ist φ surjektiv.<br />

Übung 4.6.40. Sei (X, O X ) eine algebraische k-Varietät mit Funktionenkörper k(X) und<br />

Y ⊆ X eine abgeschlossene irreduzible Teilmenge. Für x ∈ X sei<br />

O X,x := lim −→<br />

O X (U) = ∪<br />

O X (U) ⊆ k(X),<br />

x∈U<br />

x∈U<br />

wobei die U die offenen Umgebungen von x in X durchlaufen. Zeige:<br />

(i) Für eine offene Teilmenge U ⊆ X setze O Y (U ∩Y ) := ∩ y∈U∩Y O X,y. Dann ist (Y, O Y )<br />

eine algebraische Varietät.<br />

(ii) Wenn X = Spm(R) eine affine k-Varietät ist und Y = V (a) für ein Ideal a ✂ R, dann<br />

ist (Y, O Y ) isomorph zu Spm(R/a).<br />

(iii) Setze O X,Y := {f ∈ k(X) | ∃ y ∈ Y : f ∈ O X,y} ⊆ k(X). Dann ist O X,Y ein lokaler<br />

Ring.<br />

(iv) Sei m Y das maximale Ideal in O X,Y . Dann ist der Körper O X,Y /m Y isomorph zum<br />

Funktionenkörper k(Y ) bezüglich der Struktur von Y als Varietät aus (i).<br />

Übung 4.6.41. X und Y seien hausdorffsche topologische Räume. Zeige:<br />

(i) Sei f : Y → X eigentlich, d.h. stetig und Urbilder kompakter Mengen sind kompakt.<br />

Wenn X lokal kompakt ist, dann ist f abgeschlossen.<br />

(ii) Sei X ′ ein weiterer hausdorffscher topologischer Raum und f : Y → X sowie g : X ′ →<br />

X stetig. Weiter seien Y ′ := {(y, x ′ ) ∈ Y × X | f(y) = g(x ′ )} und g ′ : Y ′ → Y sowie<br />

f ′ : Y ′ → X die natürlichen Abbildungen mit f ◦g ′ = g◦f ′ . Dann erfüllt (Y ′ , f ′ , g ′ ) die<br />

folgende universelle Eigenschaft: Zu jedem Tripel (Z, p, q), für das Z ein topologischer<br />

Raum ist und p: Z → Y sowie q : Z → X ′ stetige Abbildungen mit f ◦ p = g ◦ q,<br />

existiert genau eine stetige Abbildung r : Z → Y ′ mit p = g ′ ◦ r und q = f ′ ◦ r.<br />

(iii) Wenn in der Situation von (ii) die Abbildung f eigentlich ist, dann ist auch die Abbildung<br />

f ′ eigentlich.<br />

(iv) Wenn in der Situation von (ii) die Abbildung f eigentlich und X ′ lokal kompakt ist,<br />

dann ist die Abbildung f ′ abgeschlossen.


100 4 Varietäten<br />

(v) Wenn X kompakt und Y lokal kompakt ist sowie f : Y → X eine stetige Abbildung,<br />

dann gibt es einen kompakten topologischen Raum Ŷ , der Y als offene Teilmenge<br />

enthält und eine stetige Fortsetzung von f auf Ŷ .<br />

Hinweis: Betrachte den Abschluss des Graphen von f in Y ∞ × X, wobei Y ∞ die<br />

Einpunkt-Kompaktifizierung von Y ist.<br />

(vi) Sei Y lokal kompakt und f : Y → K stetig. Wenn für jede stetige Abbildung g : X ′ →<br />

X mit lokal kompaktem Hausdorff-Raum X ′ die induzierte Abbildung f ′ : X ′ → Y ′<br />

abgeschlossen ist, dann ist f eigentlich.<br />

Hinweis: Wenn W ⊆ Y kompakt ist, wähle X ′ als die via (v) konstruierte Kompaktifizierung<br />

von f −1 (W ) und zeige, dass f −1 (W ) in dem kompakten Raum X ′<br />

abgeschlossen ist.<br />

(vii) Ein lokal kompakter Hausdorff-Raum A ist genau dann kompakt, wenn für jeden lokal<br />

kompakten Raum B die Projektionsabbildung A × B → B abgeschlossen ist.<br />

Übung 4.6.42. Sei (X, O X) eine algebraische k-Varietät und Y ⊆ X abgeschlossen. Zeige<br />

Y hat als topologischer Raum (mit der von X induzierten Topologie) nur endlich viele<br />

irreduzible Komponenten.<br />

Übung 4.6.43. Zeige, dass jede über einem abgeschlossenen Körper k im Sinne von Definition<br />

4.4.4 projektive Varietät Proj(R) als abgeschlossene Teilmenge eines projektiven<br />

Raumes P n k realisiert werden kann.


5<br />

<strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper der Charakteristik 0 und G ⊆ K n2 =<br />

Mat(n × n, K) die für i, j = 1, . . . , n durch K[X ij ] ∋ det(X ij ) = 1 gegebene affine<br />

Varietät. Weiter sei R eine K-Algebra und<br />

G(R) = {(a ij ) ∈ r n2<br />

| det(a ij ) = 1} = SL n (R).<br />

Wenn f : R → S ein K-Algebrenhomomorphismus ist, dann findet man zusätzlich<br />

einen Gruppenhomomorphismus G(f): SL n (R) → SL n (S).<br />

Man möchte gerne eine algebraische Varietät G eine algebraische Gruppe<br />

nennen, wenn man analog zu obiger Konstruktion zu G einen Funktor G: K-Alg ′ →<br />

Set von einer geeigneten Unterkategorie der Kategorie K-Alg der K-Algebren in<br />

die Kategorie Gr der Gruppen konstruieren kann. In diesem Kapitel wird uns das<br />

allerdings nur für affine Varietäten gelingen, für die wir als K-Alg ′ die Kategorie der<br />

endlich erzeugten nullteilerfreien K-Algebren verwenden. Wir folgen dabei in diesem<br />

Kapitel im Wesentlichen dem Aufbau in [Mu03], fügen aber zusätzliche Details ein,<br />

wo uns die Quelle unpräzise erscheint.<br />

5.1 Affine algebraische Gruppen<br />

Definition 5.1.1. Sei A eine endlich erzeugte K-Algebra und G = Spm(A). Gegeben<br />

seien drei K-Algebrenhomomorphismen:<br />

µ : A → A ⊗ A Koprodukt, entspricht G ← G × G, Multiplikation<br />

ϵ : A → K<br />

ι : A → A<br />

Koeins, entspricht G ← {neutrales Element},<br />

Koinverse, entspricht G ← G, Inversion,<br />

für die die folgenden Diagramme kommutativ sind:<br />

↑ 23.11.2012 ↑<br />

Assoziativität:<br />

A<br />

µ<br />

A ⊗ K A<br />

µ<br />

A ⊗ K A<br />

µ⊗id A<br />

id A ⊗µ<br />

A ⊗ K A ⊗ K A


✤<br />

<br />

<br />

✤<br />

✤<br />

<br />

102 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Neutrales Element: (Hier ist das kleine Viereck nicht kommutativ, sondern nur die<br />

Wege, die µ beinhalten)<br />

Inverses Element:<br />

A ⊗ K A<br />

µ<br />

id A ⊗ϵ ϵ⊗id<br />

▲▲▲▲▲▲▲▲▲▲ A<br />

A<br />

❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥<br />

❚ A ⊗ K K<br />

K ⊗ K A<br />

id A<br />

❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚<br />

▲▲▲▲▲▲▲▲▲▲▲ <br />

A<br />

µ<br />

A<br />

A ⊗ K A<br />

ϵ<br />

K <br />

id A ⊗ι<br />

A<br />

m A<br />

A ⊗ K A<br />

wobei m A die Multiplikation auf der Algebra A ist, die auf Gruppenniveau zur<br />

Diagonalabbildung ˜m A = ∆: G → G × G gehört.<br />

Bemerkung 5.1.2. Affine algebraische Gruppen sind im Allgemeinen keine affinen<br />

Varietäten. Weil wir nicht vorausgesetzt haben, dass A nullteilerfrei ist, sind<br />

sie nicht notwendigerweise irreduzibel. Die irreduziblen Komponenten einer affinen<br />

algebraischen Gruppe sind affine Varietäten.<br />

Proposition 5.1.3. Sei (G, µ, ϵ, ι) eine (irreduzible) affine algebraische Gruppe und<br />

˜µ : G × G → G, ˜ϵ : pkt → G, ˜ι : G → G die zu µ, ϵ, ι zugehörigen Morphismen.<br />

Dann ist (G, ˜µ) eine Gruppe mit e := ˜ϵ(pkt) als neutralem Element und ˜ι(g) =: g −1<br />

als Inversem von g.<br />

Beweis. Wir wenden den Funktor von der Kategorie der endlich erzeugten nullteilerfreien<br />

K-Algebren in die affinen K-Varietät an und erhalten dabei folgende<br />

kommutative Diagramme<br />

G<br />

˜ϵ<br />

pkt<br />

G<br />

e<br />

˜ϵ<br />

pkt<br />

g<br />

❴<br />

˜µ<br />

G × G<br />

id G טι<br />

∆<br />

G × G<br />

˜µ<br />

( ❴ )<br />

g,˜ι(g)<br />

id G טι<br />

∆<br />

(g, g)<br />

G × G<br />

˜µ<br />

˜ϵ×id G id<br />

❑❑❑❑❑❑❑❑❑❑<br />

G טϵ<br />

G<br />

❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥<br />

❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚❚<br />

G × pkt<br />

❑<br />

pkt ×G<br />

❑❑❑❑❑❑❑❑❑<br />

id G<br />

<br />

G<br />

<br />

(g, ✯e) bzw. (e, g)<br />

<br />

˜µ<br />

✵ ˜ϵ×id<br />

♣♣♣♣♣♣♣♣♣♣♣<br />

G<br />

◆◆◆◆◆◆◆◆◆◆◆<br />

id G טϵ<br />

g<br />

❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥❥<br />

❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯❯<br />

✍<br />

(g, e)<br />

(e, g)<br />

id G<br />

❖❖❖❖❖❖❖❖❖❖❖❖❖<br />

✎<br />

✴<br />

✕ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦<br />

g


✤<br />

✤<br />

<br />

˜µ<br />

G<br />

G × G<br />

˜µ<br />

˜µ×id G<br />

5.1 Affine algebraische Gruppen 103<br />

G × G ˜µ(g 1 , ˜µ(g 2 , g 3 )) (g 1 , ˜µ(g 2 , g 3 ))<br />

id G טµ<br />

G × G × G<br />

˜µ(˜µ(g 1 , g 2 ), g 3 )<br />

˜µ<br />

❴<br />

(˜µ(g 1 , g 2 ), g 3 )<br />

˜µ<br />

˜µ×id G<br />

id G טµ<br />

(g 1 , g 2 , g 3 )<br />

⊓⊔<br />

Proposition 5.1.4. Sei (G, µ, ϵ, ι) eine affine algebraische Gruppe und R eine nicht<br />

notwendigerweise endlich erzeugte K-Algebra. Dann ist G(R) eine Gruppe bezüglich<br />

der Multiplikation<br />

˜µ : Hom K−Alg (A, R) → Hom K−Alg (A, R), (g, h) ↦→ m R ◦ (g ⊗ h) ◦ µ.<br />

Dabei ist G = Spm(A), G(R) = Hom K−Alg (A, R) sind die R-wertigen Punkte von<br />

G,<br />

g ⊗ h : A ⊗ K A → R ⊗ h R, a ⊗ a ′ ↦→ g(a) ⊗ h(a ′ ),<br />

und m R : R ⊗ K R → R, r ⊗ s ↦→ rs.<br />

Beweis. (Details in Übung 5.5.1)<br />

1. Schritt: Nachrechnen, dass m R ◦ (g ⊗ h) ◦ µ ∈ Hom K−Alg (A, R).<br />

2. Schritt: (G(R), ˜µ) ist eine Gruppe: Die Koassoziativität von µ übersetzt sich in<br />

die Assoziativität von ˜µ.<br />

3. Schritt: Die Abbildung e : A ϵ → k ↩→ R ist das neutrale Element.<br />

4. Schritt: Die Abbildung g ↦→ g ◦ ι ist die Inversion in Hom K−Alg (A, R) bezüglich<br />

˜µ.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 5.1.5. Sei A = K[X] und Spm(A) = A 1 K . Zusammen mit µ(X) = X ⊗ 1 +<br />

1 ⊗ X, ϵ(X) = 0 und ι(X) = −X gilt Spm(A)(R) = (R, +). Insbesondere erhalten<br />

wir (K, +) für R = K. Man bezeichnet die so gewonnene affine algebraische Gruppe<br />

über K mit G a und nennt sie die additive Gruppe. (Details in Übung 5.5.5).<br />

Beispiel 5.1.6. Sei A = K[X, 1 X ] und Spm(A) = A1 k<br />

\ {0}. Zusammen mit µ(X) =<br />

X ⊗ X, ϵ(X) = 1 und ι(X) = 1 X<br />

gilt Spm(A)(R) = (Unit(R), ·). Insbesondere<br />

erhalten wir (K × , ·) für R = K. Man bezeichnet die so gewonnene affine algebraische<br />

Gruppe über K mit G m und nennt sie die multiplikative Gruppe. (Details in<br />

Übung 5.5.8).<br />

1<br />

Beispiel 5.1.7. Sei A = K[X ij ,<br />

det X ] und X = (X ij) i,j=1,...,n . Wir betrachten<br />

die elementar offene Teilmenge Spm(A) = D(det X) ⊆ K n2 = Mat(n × n, K).<br />

Zusammen mit µ(X ij ) = ∑ n<br />

e=1 X ie ⊗ X ej , ϵ(X ij ) = δ ij (Kronecker-Delta) und<br />

ι(X ij ) = 1<br />

det X (Xadj ) ij gilt Spm(A)(R) = GL n (R). Insbesondere erhalten wir<br />

(GL n (K), ·) für R = K. Man nennt die so gewonnene affine algebraische Gruppe<br />

über K die allgemeine lineare Gruppe. (Details in Übung 5.5.6).<br />

1<br />

Beispiel 5.1.8. Sei A = K[X ij ,<br />

det X ] und X = (X ij) i,j=1,...,n wie in Beispiel 5.1.7.<br />

Wir betrachten B := A/(det X − 1) = K[X ij ]/(det X − 1). Die Abbildungen ϵ, µ, ι<br />

faktorisieren zu Abbildungen auf B“ (genauer B µ 0<br />

→ B ⊗ ” K B, B ι 0<br />

→ K, B ι 0<br />

→ B). Mit<br />

diesen Abbildungen ergibt sich für Spm(B) =: SL n (K), dass Spm(B)(R) = SL n (R).<br />

Man nennt die so gewonnene affine algebraische Gruppe über K die spezielle lineare<br />

Gruppe. (Details in Übung 5.5.9).


104 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Definition 5.1.9. Eine algebraische Gruppe G über K ist eine algebraische Varietät<br />

zusammen mit drei Morphismen ˜µ: G × G → G, ˜ϵ: pkt → G, ˜ι: G → G, die<br />

folgende Eigenschaften haben:<br />

(i) ˜µ ist ein assoziatives Produkt auf G.<br />

(ii) ˜ϵ(pkt) ist neutrales Element von G bezüglich ˜µ.<br />

(iii) ˜ι(g) ist das Inverse von g in G bezüglich ˜µ.<br />

↑ 26.11.2012 ↑<br />

Streng genommen ist eine affine algebraische Gruppe (Spm(A), µ, ϵ, ι) keine algebraische<br />

Gruppe, wenn A nicht nullteilerfrei ist. In diesem Fall ist nur die irreduzible<br />

Komponente von Spm(A), die die Eins enthält, eine algebraische Gruppe.<br />

Wir werden in diesem Kapitel nur affine algebraische Gruppen betrachten. Es<br />

gibt aber auch wichtige Beispiele von algebraischen Gruppen, die nicht affin sind.<br />

Dazu gehören die elliptischen Kurven und, allgemeiner, die abelschen Varietäten.<br />

5.2 Darstellungen von affinen algebraischen Gruppen<br />

Bemerkung 5.2.1 (Vorbemerkung zu Gruppenwirkungen und Darstellungen).<br />

Sei G eine Gruppe mit Einselement e ∈ G und M eine Menge. Eine<br />

Abbildung<br />

G × M ↦→ α<br />

M, (g, m) ↦→ g · m<br />

heißt eine Linkswirkung, wenn<br />

(i) ∀m ∈ M : e · m = m.<br />

(ii) ∀m ∈ M, g, h ∈ G : g · (h · m) = (gh) · m.<br />

Analog heißt eine Abbildung<br />

eine Rechtswirkung, wenn<br />

M × G α<br />

↦→ M,<br />

(i) ∀m ∈ M : m · e = m.<br />

(ii) ∀m ∈ M, g, h ∈ G : (m · h) · g = m · (hg).<br />

(m, g) ↦→ m · g<br />

Eine lineare Darstellung von G auf einem K-Vektorraum V ist eine G × V → V<br />

Linkswirkung mit der Zusatzeigenschaft:<br />

∀g ∈ G :<br />

v ↦→ g · v ist K-linear.<br />

Alternativ kann man Wirkungen und Darstellungen auch als Gruppenhomomorphismen<br />

betrachten:<br />

(i) G × M → M entspricht einem Gruppenhomomorphismus G φ → Bij(M) in die<br />

Gruppe Bij(M) der bijektiven Selbstabbildungen von M. Die Wirkung ist dann<br />

durch g · m = φ(g)(m) gegeben.<br />

(ii) Eine lineare Darstellung G×V → V entspricht einem Gruppenhomomorphismus<br />

G φ → GL(V ) in die Gruppe der bijektiven und K-linearen Selbstabbildungen von<br />

V .<br />

Beispiel 5.2.2. (i) Sei G × M → M eine Linkswirkung und<br />

F(M, K) := {F : M → K | Funktion}<br />

der K-Vektorraum aller K-wertigen Funktionen auf M, dann definiert<br />

G × F(M, K) → F(M, K), (g, F ) ↦→ (m ↦→ F (g −1 · m) )<br />

} {{ }<br />

=g·F (m)


5.2 Darstellungen von affinen algebraischen Gruppen 105<br />

eine lineare Darstellung. Wir rechnen nach, dass es sich um eine Linkswirkung<br />

handelt:<br />

(g · (h · F ))(m) = (h · F )(g −1 m) = F (h −1 · (g −1 ◦ m)) = F (h −1 g −1 · m)<br />

= F (gh) −1 · m) = (gh · F )(m)<br />

(ii) Sei M × G → M, (m, g) ↦→ m ◦ g eine Rechtswirkung, dann definiert<br />

G × F(M, K) → F(M, K), (g, F ) ↦→ (g · F )(m) = F (m · g)<br />

ebenfalls eine lineare Darstellung. Wieder rechnen wir nach, dass es sich um<br />

eine Linkswirkung handelt:<br />

(g · (h · F ))(m) = (h · F )(m · g) = F (m · g) · h) = F (m · gh) = (gh · F )(m).<br />

Definition 5.2.3. Eine algebraische Darstellung einer affinen algebraischen<br />

Gruppe (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) auf einem K-Vektorraum V ist gegeben durch eine<br />

K-lineare Abbildung µ v : V → V ⊗ K A, für die die folgenden Diagramme kommutieren:<br />

(i)<br />

V<br />

µ V<br />

V ⊗ K A<br />

V<br />

∼ =<br />

id V ⊗ϵ<br />

V ⊗ K K<br />

(ii)<br />

V<br />

µ V<br />

<br />

V ⊗ K A<br />

µ V<br />

<br />

V ⊗ K A<br />

<br />

id V ⊗µ<br />

µ V ⊗id A<br />

V ⊗ K A ⊗ K A<br />

Beispiel 5.2.4. Wenn µ V : V → V ⊗ K A eine algebraische Darstellung ist und<br />

V = W ∗ für einen endlichdimensionalen K-Vektorraum W , dann betrachten wir V<br />

als linearen Unterraum von K[W ]. Die linearen Abbildungen aus Definition 5.2.3 lassen<br />

sich zu K-Algebrenhomomorphismen fortsetzen und liefern die folgenden kommutativen<br />

Diagramme:<br />

K[W ]<br />

µ V<br />

K[W ] ⊗ K A<br />

K[W ]<br />

µ V<br />

<br />

K[W ] ⊗ K A<br />

K[W ]<br />

∼ =<br />

id K[W ] ⊗ϵ<br />

K[W ] ⊗ K K<br />

µ V<br />

<br />

K[W ] ⊗ K A<br />

id K[W ] ⊗µ<br />

µ V ⊗id A<br />

K[W ] ⊗ K A ⊗ K A<br />

Dazu gehören die folgenden kommutativen Diagramme von Morphismen zwischen<br />

affinen algebraischen Mengen<br />

W<br />

˜µ V<br />

W ∼=<br />

W × pkt<br />

W × G W W × G<br />

id W טϵ<br />

˜µ V<br />

<br />

W × G<br />

˜µ V<br />

id W טµ<br />

˜µ V ×id G<br />

W × G × G<br />

die insbesondere sagen, dass ˜µ V : W × G → W, (w, g) ↦→ w · g := ˜µ V (w, g) eine<br />

Rechtswirkung ist. Wir betrachten auf der Menge F(W, K) = {f : W → K} der<br />

K-wertigen Funktionen die Abbildung


106 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

G × F(W, K) → F(W, K), (g, F ) ↦→ ( w ↦→ F (w · g) ) .<br />

Sie ist eine lineare Darstellung von G auf F(W, K), d.h. eine Linkswirkung durch<br />

lineare Abbildungen. Mithilfe von V → F(W, K), v ↦→ ( w ↦→ w(v) ) können wir<br />

V als linearen Unterraum von F(W, K) betrachten. Dann ist V invariant unter<br />

der G-Wirkung. Insbesondere liefert eine algebraische Darstellung von G auf einem<br />

endlichdimensionalen K-Vektorraum also eine lineare Darstellung von G auf diesem<br />

Vektorraum. Man kann zeigen, dass die so gewonnene Abbildung<br />

˜ρ V : G × V → V<br />

ein Morphismus affiner algebraischer Mengen ist (vergleiche Übung 5.5.7).<br />

Umgekehrt, wenn ˜ρ V : G × V → V eine Linkswirkung durch lineare Abbildungen<br />

und ein Morphismus affiner algebraischer Mengen ist, dann ist die zugehörige<br />

Abbildung µ V : K[V ] → K[V ] ⊗ K A eine algebraische Darstellung, für die gilt<br />

µ V (V ) ⊆ V ⊗ K A, sodass µ V : V → V ⊗ K A auch eine algebraische Darstellung ist.<br />

Man kann zeigen, dass die beiden Konstruktionsprozesse µ V ↦→ ˜ρ V und ˜ρ V ↦→ µ V<br />

zueinander invers sind (vergleiche Übung 5.5.7).<br />

Beispiel 5.2.5. Sei (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) eine affine algebraische Gruppe über K.<br />

Dann liefert µ: A → A ⊗ A eine algebraische Darstellung von G auf A. Diese<br />

Darstellung heißt die reguläre Darstellung von G auf A = K[G].<br />

Bemerkung 5.2.6. Wir ergänzen die in Beispiel 5.2.4 gemachten Bemerkungen<br />

zum Wechselspiel zwischen algebraischen und linearen Darstellungen im Falle endlichdimensionaler<br />

Räume. Für dim K V < ∞ kann man mithilfe einer Basis die folgenden<br />

Identifikationen vornehmen:<br />

GL(V ) ∼ ( [<br />

= GL n (K) 5.1.7<br />

1<br />

])<br />

= Spm K X ij , .<br />

det(X)<br />

Angenommen, wir haben einen Morphismus φ: G → GL(V ). Dann setzen wir<br />

φ ∗ X ij =: f ij ∈ A = K[G] und bezeichnen f ij als den ij-ten Matrixkoeffizienten<br />

von φ. Es gilt f ij (g) = (φ(g)) ij für g ∈ G. Wenn e 1 , . . . , e n eine Basis für V<br />

ist, dann definiert µ V : e i ↦→ ∑ n<br />

j=1 e j ⊗ f ji eine algebraische Darstellung (im Sinne<br />

von Definition 5.2.3) µ V : K n → K n ⊗ K A, und mithilfe der Basis erhält man so eine<br />

algebraische Darstellung µ V : V → V ⊗ K A. Für Details und die Untersuchung der<br />

Auswirkung von Basiswechseln siehe Übung 5.5.7.<br />

Definition 5.2.7. Sei µ V : V → V ⊗ A eine algebraische Darstellung einer affinen<br />

algebraischen Gruppe (G = Spm(A), µ, ϵ, ι).<br />

(i) Ein Vektor v ∈ V heißt G-invariant, wenn µ V (v) = v ⊗ 1.<br />

(ii) Ein linearer Unterraum W ≤ V heißt eine Unterdarstellung, wenn µ V (W ) ⊆<br />

W ⊗ A.<br />

↑ 30.11.2012 ↑<br />

Bemerkung 5.2.8. Wenn A ein Integritätsbereich ist, dann stimmen die Definitionen<br />

aus 5.2.7 mit den klassischen Definitionen überein (vergleiche Übung 5.5.10).<br />

Dabei nennt man klassischerweise für eine lineare Darstellung G × V → V einen<br />

Vektor v ∈ V G-invariant, wenn für alle g ∈ G gilt, dass g · v = v. Ein linearer Unterraum<br />

W ≤ V heißt klassischerweise eine Unterdarstellung, wenn für alle w ∈ W<br />

und alle g ∈ G gilt g · w ∈ W .<br />

Proposition 5.2.9. Jede algebraische Darstellung V von G ist lokal endlich dimensional,<br />

das heißt, zu jedem v ∈ V gibt es eine endlichdimensionale Unterdarstellung<br />

W ≤ V mit v ∈ W .


5.2 Darstellungen von affinen algebraischen Gruppen 107<br />

Beweis. Sei µ V (v) = ∑ l<br />

j=1 v j ⊗ f j mit v j ∈ V und f j ∈ A. Ohne Beschränkung<br />

der Allgemeinheit können wir annehmen, dass die f 1 , . . . , f l linear unabhängig sind.<br />

Für den linearen Spann W := ⟨v j | j = 1, . . . , l⟩ K-VR reicht es zu zeigen, dass W<br />

eine Unterdarstellung mit v ∈ W ist. Letzteres folgt aus der Rechnung<br />

( l∑ )<br />

v = (id V ⊗ϵ) ◦ µ V (v) = (id V ⊗ϵ) v j ⊗ f j =<br />

Außerdem haben wir<br />

j=1<br />

l∑<br />

ϵ(f j )v j ∈ W.<br />

j=1<br />

l∑<br />

µ V (v j ) ⊗ f j = (µ V ⊗ id A ) ◦ µ V (v) = (id V ⊗µ) ◦ µ V (v)<br />

j=1<br />

=<br />

l∑<br />

v j ⊗ µ(f j ) ∈ W ⊗ K A ⊗ K A.<br />

j=1<br />

Behauptung: Weil die f j linear unabhängig sind, gilt µ V (v j ) ∈ W ⊗ K A.<br />

Um das einzusehen, ergänzen wir f 1 , . . . , f l zu einer Basis f 1 , . . . , f l , f l+1 , . . . für<br />

A und betrachten eine Basis w 1 , . . . für V ⊗ K A. Dann bilden die w i ⊗ f j eine Basis<br />

für (V ⊗ K A) ⊗ K A. Entwickelt man jetzt ∑ l<br />

j=1 v j ⊗ µ(f j ) nach den w i ⊗ f k , dann<br />

kommen nur die f k mit k = 1, . . . , l vor, d.h.<br />

l∑<br />

l∑<br />

v j ⊗ µ(f j ) =<br />

} {{ }<br />

= ∑ l<br />

k=1 a j=1<br />

K⊗f k<br />

j=1<br />

l∑<br />

(v j ⊗ a k ) ⊗ f k .<br />

Wir vergleichen dies mit ∑ l<br />

j=1 µ V (v j )⊗f j und finden so µ V (v k ) = ∑ l<br />

j=1 (v j ⊗a k ) ∈<br />

W ⊗ K A für k = 1, . . . , l.<br />

Damit ist gezeigt, dass für alle w ∈ W gilt µ V (w) ∈ W ⊗ k A. Also ist W eine<br />

Unterdarstellung von V .<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 5.2.10. Sei G m die multiplikative Gruppe über K und {0} ̸= V ein K-<br />

Vektorraum. Für n ∈ Z ist dann<br />

[<br />

µ V,n : V −→ V ⊗ K X, 1 ]<br />

= V ⊗ K[G m ], v ↦→ v ⊗ X n<br />

X<br />

eine algebraische Darstellung, die man eine Darstellung vom Gewicht n nennt. Um<br />

das einzusehen, rechnet man mit ϵ: k[X, 1 X<br />

] → k, X ↦→ 1<br />

k=1<br />

(id V ⊗ ϵ) ◦ µ v,n (v) = (id V ⊗ ϵ)(v ⊗ X n ) = v ⊗ 1,<br />

und für µ: K[X, 1 X ] → K[X, 1 X ] ⊗ K[X, 1 X<br />

], X ↦→ X ⊗ X betrachtet man<br />

v❴<br />

✤<br />

v ⊗ X n<br />

❴<br />

v ⊗ X n ✤<br />

v ⊗ X n ⊗ X n<br />

Übung 5.2.1. Sei dim K V < ∞ und V → V ⊗ K[X, 1 ] eine Darstellung vom Gewicht n.<br />

X<br />

Dann hat die in Beispiel 5.2.4 konstruierte zugehörige lineare Darstellung ˜ρ V : G m ×V → V<br />

die Gestalt ˜ρ V (λ, v) = λ · v = λ n v.<br />

Proposition 5.2.11. Jede algebraische Darstellung V µ → V ⊗ K K [ X, 1 X<br />

]<br />

der multiplikativen<br />

Gruppe G m ist von der Form V = ⊕ n∈Z V (n), wobei V (n) eine Darstellung<br />

vom Gewicht n ist.


108 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Beweis. Wir setzen V (n) := {v ∈ V | µ(v) = v ⊗ X n }. Dann ist V (n) eine Unterdarstellung<br />

von V , die als algebraische Darstellung das Gewicht n hat, weil sie<br />

µ| V(n) : V (n) → V (n) ⊗ K K [ X, 1 X<br />

]<br />

, v ↦→ v ⊗ X<br />

n<br />

erfüllt. Es bleibt zu zeigen, dass V = ⊕ n∈Z V (n). Für v ∈ V gilt<br />

µ(v) =<br />

endl.<br />

∑<br />

n∈Z<br />

[<br />

v n ⊗ X n ∈ V ⊗ K K X, 1 ]<br />

,<br />

X<br />

also ist v = (id V ⊗ϵ) ◦ µ V (v) = ∑ endl.<br />

n∈Z v n. Weil aber offensichtlich für n ≠ m gilt<br />

V (n) ∩ V (m) = {0}, bleibt nur noch v n ∈ V (n) zu zeigen. Mit der Rechnung<br />

(µ ⊗ id) ◦ µ(v) =<br />

endl.<br />

∑<br />

n∈Z<br />

µ(v n ) ⊗ X n = (id v ⊗µ A ) ◦ µ(v) = ∑ n∈Z<br />

erhält man für µ(v n ) = ∑ k∈Z w k ⊗ X k , dass<br />

∑ ∑<br />

n∈Z<br />

k∈Z<br />

w k ⊗ X k ⊗ X n = ∑ n∈Z<br />

gilt. Damit berechnen sich die Koeffizienten w k zu<br />

{<br />

0 k ≠ n<br />

w k =<br />

v n k = n<br />

v n ⊗ X n ⊗ X n<br />

v n ⊗ X n ⊗ X n<br />

und wir finden µ(v n ) = v n ⊗ X n , also v n ∈ V (n) .<br />

⊓⊔<br />

Proposition 5.2.12. Jede algebraische Darstellung V der additiven Gruppe G a =<br />

Spm(K[X]) über K ist von der Form µ V : V → V ⊗ K K[X] mit<br />

µ V (v) =<br />

wobei f ∈ End K (V ) lokal nilpotent ist.<br />

∞∑<br />

n=0<br />

f n (v) ⊗ Xn<br />

n! ,<br />

Beweis. Sei δ n ∈ End k (V ) definiert durch u(v) := ∑ endl.<br />

n=0 δ n(v) ⊗ X n . Weil die X n<br />

linear unabhängig sind, sind die Koeffizienten eindeutig bestimmt, und v ↦→ δ n (v)<br />

ist eine K-lineare Abbildung. Mit ϵ(X) = 0 und ϵ(1) = 1 rechnet man<br />

v = (id v ⊗ϵ) ◦ µ V (v) =<br />

endl.<br />

∑<br />

n=0<br />

δ n (v) ⊗ ϵ(X n )<br />

} {{ }<br />

=0 für n≠0<br />

= δ 0 (v).<br />

Mit µ(X) = X ⊗ 1 + 1 ⊗ X ∈ K[X] ⊗ K[X] und µ(X n ) = (X ⊗ 1 + 1 ⊗ X) n ergibt<br />

sich<br />

(µ V ⊗ id A ) ◦ µ V (v) = (µ V ⊗ id A )<br />

= ∑ n<br />

( endl.<br />

∑<br />

δ n (v) ⊗ X n) =<br />

n=0<br />

∑<br />

δ m (δ n (v)) ⊗ X m ⊗ X n<br />

m<br />

endl.<br />

∑<br />

n=0<br />

µ(δ n (v)) ⊗ X n<br />

und


5.2 Darstellungen von affinen algebraischen Gruppen 109<br />

(id V ⊗µ) ◦ µ V (v) = (id V ⊗µ A )<br />

( endl.<br />

∑<br />

δ n (v) ⊗ X n) = ∑ δ n (v) ⊗ (X ⊗ 1 + 1 ⊗ X) n .<br />

n=0<br />

Wegen (µ V ⊗ id A ) ◦ µ V = (id V ⊗µ) ◦ µ V liefert ein Koeffizientenvergleich bei den<br />

X m ⊗ X n , dass δ m ◦ δ n = ( )<br />

m+n<br />

m δm+n . Wenn f := δ 1 ergibt sich so<br />

f n<br />

n! (v) = 1 n! (δ 1 ◦ . . . ◦ δ 1 )(v) = . . . = δ n .<br />

Die lokale Nilpotenz ergibt sich, weil für v ∈ V ab einem bestimmten n ∈ N wegen<br />

der Endlichkeit der Summe gilt, dass f n (v) = n!δ n (v) = 0.<br />

⊓⊔<br />

Übung 5.2.2. Man zeige, dass es unendlichdimensionale algebraische Darstellungen von<br />

G a gibt, für die das f nicht nilpotent ist.<br />

Definition 5.2.13. Eine algebraische Wirkung X × G → X einer affinen algebraischen<br />

Gruppe G = Spm(A) auf einer affinen algebraischen Varietät X =<br />

Spm(R) ist ein K-Algebrenhomomorphismus µ R : R → R ⊗ K A, für den die beiden<br />

folgenden Diagramme kommutativ sind.<br />

↑ 3.12.2012 ↑<br />

R µ R<br />

R ⊗ K A<br />

R<br />

µ R<br />

<br />

R ⊗ K A<br />

R<br />

∼ =<br />

id R ⊗ ϵ<br />

R ⊗ K K<br />

µ R<br />

<br />

µ R ⊗id A<br />

<br />

R ⊗ K A idR ⊗µ A<br />

R ⊗ K A ⊗ K A<br />

Bemerkung 5.2.14. Der zu einer algebraischen Wirkung µ R : R → R ⊗ K A<br />

gehörige Morphismus X × G → X für G = Spm(A) ist eine G-Rechtswirkung,<br />

man kann die Definition 5.2.12 einer algebraischen wirkung aber auch so modifizieren,<br />

dass die zugehörigen Abbildung eine G-Linkswirkung wird (vergleiche<br />

Übung 5.5.11).<br />

Bemerkung 5.2.15. Sei µ R : R → R ⊗ K A eine algebraische Wirkung einer affinen<br />

algebraischen Gruppe (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) auf X = Spm(R). Dann ist µ R eine<br />

algebraische Darstellung von G auf R. Die Teilmenge R G := {f ∈ R | µ R (f) = f⊗1}<br />

ist ein Unterring, denn es gilt<br />

µ R (fh) = µ R (f)µ R (h) = (f ⊗ 1)(h ⊗ 1) = fh ⊗ 1.<br />

Man nennt R G den Invariantenring in R.<br />

Beispiel 5.2.16. Eine algebraische Wirkung X × G m → X = Spm(R) der multiplikativen<br />

Gruppe wird eindeutig durch eine Graduierung R = ⊕ m∈Z R (m) mit<br />

R (m) R (n) ⊆ R (m+n) beschrieben. Die Elemente von R (m) \ {0} heißen homogen<br />

vom Grad m. Die Wirkung ist durch<br />

gegeben.<br />

µ R : R → R ⊗ k[X, X −1 ], f m ∈ R (m) ↦→ f m ⊗ X m (5.1)<br />

1. Richtung: Wenn R = ⊕ m∈Z R (m) gegeben und µ R durch (5.1) definiert ist,<br />

rechnet man<br />

( ∑<br />

µ R f m + ∑ ) ( ∑ )<br />

h m = µ R (f m + h m ) = ∑ (f m + h m ) ⊗ X m<br />

n<br />

m<br />

m<br />

m<br />

= ∑ (f m ⊗ X m + h m ⊗ X m ) = ∑<br />

m<br />

m<br />

( ∑ ) ( ∑ )<br />

= µ R fm + µ R hm<br />

f m ⊗ X m + ∑ m<br />

h m ⊗ X m


110 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

und<br />

µ R ( f m h l<br />

} {{ }<br />

∈R (m+l)<br />

) = (f m h l ) ⊗ X m+l = (f m ⊗ X m )(h l ⊗ X l ) = µ R (f m )µ R (h l ).<br />

Zur Verifikation der Kommutativität der beiden Diagramme betrachtet man<br />

∑<br />

f m ↦→ ∑ f m ⊗ X m ↦→ ∑ f m ⊗ 1 m ↦→ ∑ f m<br />

m<br />

m<br />

m<br />

m<br />

und<br />

∑<br />

m f m<br />

µ R<br />

<br />

∑m f m ⊗ X m<br />

µ R<br />

<br />

∑<br />

m f m<br />

id ⊗µ A<br />

µ R ⊗id<br />

∑m f m ⊗ X m ⊗ X m<br />

2. Richtung: Wenn umgekehrt eine algebraische Wirkung µ R : R → R⊗ K K[X, X −1 ]<br />

gegeben ist, setzt man R (m) := {f ∈ R | µ R (f) = f ⊗ X m }. Dann sind R (m) ⊆ R<br />

und R (m) ∩ R (l) = {0} für m ≠ l klar, und R (m) R (l) ⊆ R (m+l) folgt aus der<br />

Rechnung:<br />

µ R (f m h l ) = µ R (f m )µ R (h l ) = (f m ⊗ X m )(h l ⊗ X l ) = f m h l ⊗ X m+l .<br />

Es bleibt noch zu zeigen, dass R ⊆ ⊕ m∈Z R (m). Um das einzusehen, wählen wir<br />

f ∈ R und definieren f m ∈ R durch µ R (f) = ∑ m f m ⊗ X m . Dann gilt<br />

∑<br />

( ∑<br />

f m = (id R ⊗ϵ) f m ⊗ X m) = (id R ⊗ϵ) ◦ µ R (f) = f,<br />

m<br />

m<br />

also genügt es zu zeigen, dass f m ∈ R (m) , d.h. µ R (f m ) = f m ⊗ X m . Dazu rechnen<br />

wir<br />

∑<br />

m f m ✤ µ R<br />

<br />

❴<br />

∑<br />

m µ R(f m )<br />

∑<br />

m<br />

∑l r l,m ⊗ X<br />

❴<br />

l<br />

µ R ⊗id<br />

<br />

∑m,l µ R(r l,m ) ⊗ X l<br />

µ R<br />

<br />

∑<br />

m f m ⊗ X m<br />

∑m f m ⊗ X m ⊗ X m ∑k,m,l r k,l,m ⊗ X k ⊗ X l<br />

Dies zeigt r k,l,m = δ km δ lm f m und Anwenden von (id ⊗ϵ) ◦ µ R auf die linke Seite<br />

liefert r l,m = δ lm f m . Zusammen ergibt sich<br />

µ R (f m ) = ∑ l<br />

r l,m ⊗ X l = ∑ l<br />

δ lm f m ⊗ X l = f m ⊗ X m .<br />

Definition 5.2.17. Sei R eine kommutative K-Algebra und M ein R-Modul. Eine<br />

M-wertige Derivation auf R ist eine K-lineare Abbildung D : R → M mit<br />

∀x, y ∈ R :<br />

D(xy) = xD(y) + yD(x).<br />

Wenn M = R, spricht man einfach von einer Derivation.<br />

Bekannte Beispiele für Derivationen sind partielle Ableitungen und Auswertungen<br />

partieller Ableitungen in einzelnen Punkten sowie Richtungsableitungen.


✤<br />

✤<br />

<br />

5.2 Darstellungen von affinen algebraischen Gruppen 111<br />

Beispiel 5.2.18. In der Situation von Beispiel 5.2.16 ist der Euler-Operator<br />

∑<br />

E : R → R, f m ↦→ ∑ mf m<br />

m<br />

m<br />

eine Derivation (Übung). Der Invariantenring R G m<br />

= R (0) ist dann gerade der Kern<br />

von E.<br />

Beispiel 5.2.19. Eine algebraische Wirkung X ×G a → X = Spm(R) der additiven<br />

Gruppe wird eindeutig durch eine Derivation D : R → R festgelegt. Die Wirkung<br />

ist dann durch die Formel<br />

µ : R → R ⊗ K K[X], f ↦→<br />

∞∑<br />

n=0<br />

D n (f) ⊗ Xn<br />

n!<br />

festgelegt (vergleiche Übung 5.5.14). Der Invariantenring R Ga<br />

von D.<br />

ist gerade der Kern<br />

Definition 5.2.20. Ein Charakter der affinen algebraischen Gruppe (G = Spm(A), µ, ϵ, ι)<br />

ist ein Element χ ∈ A mit<br />

(i) µ(χ) = χ ⊗ χ,<br />

(ii) ι(χ)χ = 1.<br />

Zur Erklärung von Definition 5.2.20 betrachten wir zwei (irreduzible) affine algebraische<br />

Gruppen (G = Spm(A), µ A , ϵ A , ι A ) und (H = Spm(B), µ B , ϵ B , ι B ) sowie<br />

einen Morphismus Φ = (f, ϕ): G → H. Dann stellt sich die Frage, wie man an<br />

φ = ϕ(H): B → A abliest, ob f ein Gruppenhomomorphismus ist? Wir betrachten<br />

dazu die Multiplikationen m G , m H und Inversionen i G , i H auf G und H:<br />

G × G f×f H × H<br />

m G<br />

<br />

G<br />

f<br />

H<br />

m H<br />

(g 1 , g 2 ) ✤ f×f <br />

❴<br />

(<br />

f(g1 ), f(g 2 ) )<br />

❴<br />

m H<br />

<br />

f(g 1 )f(g 2 )<br />

m G<br />

<br />

g 1 g 2<br />

✤<br />

f<br />

f(g 1 g 2 )<br />

Für B = K [ X, X −1] liefert das<br />

A ⊗ A<br />

µ A<br />

<br />

A<br />

B ⊗ B χ ⊗ χ X ⊗ X<br />

B<br />

µ B<br />

µ A<br />

<br />

χ ❴<br />

µ B<br />

❴<br />

X<br />

Für die Inversion betrachtet man die kommutativen Diagramme<br />

G f H<br />

i G<br />

<br />

<br />

G f<br />

H<br />

i H<br />

A<br />

ι A<br />

<br />

A<br />

B<br />

B<br />

ι B<br />

Lemma 5.2.21. Die Charaktere von GL n (K) = Spm K [ X ij ,<br />

1<br />

det X<br />

]<br />

sind genau die<br />

Potenzen von det(X).


112 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

↑ 7.12.2012 ↑<br />

Beweis. Als Erstes weist man nach, dass det(X) ein irreduzibles Polynom in K[X ij ]<br />

1<br />

ist (vergleiche Übung 5.5.15). Sei f ∈ K[X ij ,<br />

det(X)<br />

] invertierbar. Dann gibt es ein<br />

1<br />

h ∈ K[X ij ,<br />

det(X) ] mit fh = 1. Jetzt wählen wir F ∈ K[X ij] und k ∈ N 0 mit<br />

F = f (det X) k sowie H ∈ K[X ij ] und l ∈ N 0 mit H = h (det X) l . Dann gilt<br />

F H = fh (det X) l+k = (det X) l+k und die Irreduzibilität der Determinante zeigt,<br />

dass F = (det X) k′ für ein passendes k ′ . Dass umgekehrt jedes Element von der<br />

Form (det X) m ein Charakter ist, ist klar.<br />

⊓⊔<br />

Definition 5.2.22. Sei χ ∈ A ein Charakter einer affinen algebraischen Gruppe<br />

(G = Spm(A), µ, ϵ, ι) und µ V : V → V ⊗ K A eine algebraische Darstellung von G<br />

auf V . Ein Vektor v ∈ V heißt eine Semiinvariante vom Gewicht χ, wenn µ V (v) =<br />

v ⊗ χ. Der Raum aller Semiinvarianten vom Gewicht χ wird mit V χ bezeichnet.<br />

Definition 5.2.23. Eine affine algebraische Gruppe T = Spm(A), die isomorph zu<br />

einem endlichen direkten Produkt von Kopien der multiplikativen Gruppe G m ist,<br />

heißt ein algebraischer Torus. Die Menge der Charaktere von T wird mit X(T )<br />

bezeichnet.<br />

Proposition 5.2.24. Sei T = Spm(A) ein algebraischer Torus. Dann gilt:<br />

(i) X(T ) ist eine Basis für A als K-Vektorraum.<br />

(ii) Jede algebraische Darstellung V von T ist von der Form V = ⊕ χ∈X(T ) V χ.<br />

Beweis. Siehe Übung 5.5.12.<br />

⊓⊔<br />

5.3 Tangentialräume affiner algebraischer Gruppen<br />

Beispiel 5.3.1. Sei K ein Körper und R := K[t 1 , . . . , t n ].<br />

(i) Die formale Ableitung<br />

∂<br />

∂t i<br />

: R → R nach t i ist eine Derivation.<br />

(ii) Für a = (a 1 , . . . , a n ) ∈ K n ist die Auswertung f ↦→ ∂f<br />

∂t i<br />

(a) der Ableitung in<br />

a eine Derivation R → K bezüglich der durch f · λ = f(a)λ gegebenen R-<br />

Modulstruktur auf K.<br />

Beispiel 5.3.2. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und X = Spm(R)<br />

eine affine K-Varietät und p ∈ X. Wir bezeichnen p, wenn es als maximales Ideal<br />

betrachtet werden soll, mit m p ✂ R. Der Körper K ist ein R-Modul bezüglich f · λ =<br />

f(p)λ, wobei f(p) := f + m p ∈ R/m p<br />

∼ = K. Eine Derivation α: R → K ist eine<br />

lineare Abbildung mit<br />

∀f, h ∈ R : α(fh) = f(p)α(h) + h(p)α(f) (5.2)<br />

Wegen f(x) = 0 für x ∈ m p verschwindet so ein α auf m 2 p = { ∑ i x iy i | x i , y i ∈ m p }.<br />

Man nennt die Derivationen R → K mit dieser Struktur Derivationen in p.<br />

Bemerkung 5.3.3 (Exkurs zu Distributionen). Distributionen auf R n sind lineare<br />

Abbildungen Cc<br />

∞ (R n ) → F C. Typisches Beispiele sind f ↦→ f(0) und f ↦→ ∫ fh,<br />

wobei h eine fest gewählte Funktion ist. Mit letzterem Beispiel sieht man auch, wie<br />

man den Raum Cc<br />

∞ (R n ) der glatten Funktionen in den Raum D ′ (R n ) der Distributionen<br />

einbettet. Darüber hinaus findet an folgende Einbettungen<br />

D(R n ) := C ∞ c (R n ) ↩→ L 2 (R n ) ↩→ D ′ (R n ),<br />

die sich in der Theorie der partiellen Differentialgleichungen als sehr nützlich erweist.


5.3 Tangentialräume affiner algebraischer Gruppen 113<br />

Für Distributionen kann man einen Träger definieren, indem man sagt, das eine<br />

offene Menge nicht zum Träger gehört, wenn die Distribution alle Funktionen annulliert,<br />

deren Träger in dieser offenen Menge liegen. Insbesondere kann man dann<br />

von Distributionen sprechen, ( deren Träger nur aus dem Punkt Null besteht. Alle<br />

αf(0)<br />

∂<br />

Auswertungen f ↦→<br />

∂x)<br />

von Ableitungen in 0 sind von dieser Art.<br />

Definition 5.3.4. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, X = Spm(R) eine<br />

affine algebraische K-Varietät und p ∈ X mit m p ✂ R. Eine lokale Distribution<br />

mit Träger in p ∈ X ist eine K-lineare Abbildung α: R → K mit α(m N p ) = 0 für<br />

hinreichend großes N ∈ N. Das kleinste d ∈ N 0 mit α(m d+1<br />

p ) = 0 heißt der Grad<br />

von α und wird mit deg α bezeichnet.<br />

Bemerkung 5.3.5. Eine lokale Distribution mit Träger in p vom Grad 0 ist ein<br />

skalares Vielfaches der Auswertung<br />

ev p : R → K, f ↦→ f(p) = f + m p .<br />

Wenn nämlich α: R → k den Grad deg α = 0 hat, dann gilt α(m p ) = 0, d.h.<br />

ker ev p = m p ⊆ ker α.<br />

R<br />

α K<br />

ev p<br />

<br />

K<br />

skalare<br />

7 7777777 Multiplikation<br />

Lemma 5.3.6. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und R eine nullteilerfreie<br />

endlich erzeugte K-Algebra. Dann sind für 0 ≠ α ∈ Hom K (R, K) die folgenden<br />

Aussagen äquivalent:<br />

(1) α ist eine Derivation in p, das heißt, es gilt (5.2) für m p .<br />

(2) α ist eine lokale Distribution mit Träger in p vom Grad 1 und α(1) = 0.<br />

Beweis. ”<br />

(1) ⇒ (2)“: Beispiel 5.3.2 zeigt, dass α(m 2 p) = 0 gilt, also ist α eine lokale<br />

Distribution mit deg α ≤ 1. Aber es gilt deg α ≠ 0, denn andernfalls hätte man<br />

α = λ ev p mit λ ≠ 0, d.h. 1 λ α = ev p. Das kann aber nicht sein, denn für eine Derivation<br />

β gilt immer β(1) = β(1 · 1) = 1 · β(1) + 1 · β(1), also β(1) = 0, und ev p (1) ≠ 0.<br />

Damit ist (2) gezeigt: deg α = 1 und α(1) = 0.<br />

” (2) ⇒ (1)“: Für f, h ∈ R gilt f −f(p), h−h(p) ∈ m p, also ( f −f(p) )( h−h(p) ) ∈ m 2 p.<br />

Aber dann liefert (2), dass α ( (f − f(p))(h − h(p)) ) = 0. Andererseits hat man<br />

α ( (f − f(p))(h − h(p)) ) = α ( fh − f(p)h − h(p)f + f(p)h(p) )<br />

= α(fh) − f(p)α(h) − h(p)α(f) + f(p)h(p)α(1)<br />

= α(fh) − f(p)α(h) − h(p)α(f),<br />

und das liefert (1).<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 5.3.7. In der Situation von Lemma 5.3.6 gilt R/m p<br />

∼ = K.<br />

(i)<br />

Der K (R, R/m p ) ∼ = {α ∈ Hom K (R/m 2 p, K | α(1) = 0}<br />

∼= Hom K (m p /m 2 p, K) = (m p /m 2 p) ∗<br />

Wegen α(1) = 0 ist α vollständig bestimmt, wenn man es auf m p kennt. Der<br />

Raum (m p /m 2 p) ∗ heißt der Zariski-Tangentialraum an X in p.


114 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

(ii) Es gilt dim K (m p /m 2 p) ≥ dim X, wobei wir noch keine formale Definition für<br />

dim X angegeben haben. Man hat keine Gleichheit, weil Singularitäten in X<br />

auftauchen können, die die linke Seite vergrößern.<br />

(iii) Es gilt<br />

{ lokale Distribution mit Träger in p vom Grad ≤ d } ∼ = ( R/m d+1<br />

p<br />

Für l ≥ d haben wir eine surjektive Abbildung<br />

R/m l+1<br />

p<br />

pr<br />

↠ R/m d+1 p, r + m l+1<br />

p ↦→ r + m d+1<br />

p ,<br />

denn m l+1<br />

p ≤ m l+1<br />

p wie man an der Klammerung (x 1 · . . . · x d+1 )x d+1 · . . . · x l+1<br />

sieht. Durch Zurückziehen mit pr findet man (R/m d+1<br />

p ↩→ (R/m l+1<br />

p ) ∗ , und es<br />

ergibt sich<br />

{ lokale Distribution mit Träger in p } = ∪ ( )<br />

R/m<br />

d+1 ∗ ( )<br />

p = lim R/m<br />

d+1 ∗.<br />

p<br />

−→d<br />

d≥0<br />

) ∗ pr∗<br />

Definition 5.3.8. Sei (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) eine affine algebraische Gruppe und<br />

e ∈ G das Einselement. Betrachte die Menge (siehe Bemerkung 5.3.7)<br />

(<br />

H(G) := lim A/m<br />

α+1<br />

p<br />

−→α<br />

der lokalen Distributionen mit Träger in e und setze<br />

H(G) d := ( A/m d+1 ) ∗.<br />

p<br />

Der Zariski-Tangentialraum (m e /m 2 e) von G in e wird mit g oder Lie(G) bezeichnet<br />

und heißt die Lie-Algebra von G.<br />

Satz 5.3.9. Seien G, e, H(G) etc. wie in Definition 5.3.8 und µ : A → A ⊗ K A die<br />

Komultiplikation. Für α, β ∈ H(G) definiere α ∗ β ∈ Hom K (A, K) durch<br />

) ∗<br />

) ∗.<br />

α∗β<br />

A<br />

K <br />

µ<br />

∼ =<br />

A ⊗ K A<br />

α⊗β<br />

K ⊗ K K<br />

↑ 14.12.2012 ↑<br />

Dann gilt:<br />

(i) α ∗ β ∈ H(G) mit deg(α ∗ β) ≤ deg α + deg β.<br />

(ii) (H(G), ∗) ist eine assoziative K-Algebra mit Einselement ϵ: A → K.<br />

(iii) g ist abgeschlossen unter [·, ·], wobei [α, β] := α ∗ β − β ∗ α die Lie-Klammer<br />

ist.<br />

Beweis. (i) Sei m = m e und ϵ: A → K Koeins von G, das heißt die Auswertung ev e<br />

in der Eins. Wegen e · e = e kommutiert das folgende Diagramm<br />

A µ A ⊗ K A<br />

ϵ<br />

K <br />

∼ =<br />

ϵ⊗ϵ<br />

K ⊗ K K<br />

Also gilt ker ϵ = µ(m) ⊆ ker(ϵ ⊗ ϵ) = A ⊗ m + m ⊗ A (vergleiche Übung 5.5.17).<br />

Damit finden wir (unter Verwendung der Konvention m 0 = A)


∀a, b ∈ N 0 :<br />

5.3 Tangentialräume affiner algebraischer Gruppen 115<br />

∑<br />

µ(m a+b+1 ) ⊆ µ(m) a+b+1 ⊆ m i ⊗ m j .<br />

i+j=a+b+1<br />

Wenn a = deg α, β = deg β, dann gilt α(m a+1 ) = 0 = β(m b+1 ), also<br />

(α ∗ β)(m a+b+1 ) = (α ⊗ β)(µ(m a+b+1 )) ⊆<br />

∑<br />

i+j=a+b+1<br />

α(m i ) ⊗ β(m j ) = 0.<br />

Damit ist gezeigt, das α ∗ β ∈ H(G) mit deg α ∗ β ≤ deg α + deg β<br />

(ii) Das kommutaive Diagramm in (i) zeigt, dass ϵ∗ϵ = ϵ. Mit e·a = a für beliebiges<br />

a ∈ A erhalten wir allgemeiner die folgenden kommutativen Diagramme<br />

A µ A ⊗ K A<br />

also A µ A ⊗ K A<br />

id A<br />

<br />

A <br />

∼ =<br />

ϵ⊗id A<br />

K ⊗ K A<br />

α<br />

K <br />

∼ =<br />

ϵ⊗α<br />

K ⊗ K K<br />

α<br />

K <br />

∼ =<br />

id K ⊗ϵ<br />

K ⊗ K K<br />

und damit ϵ ∗ α = α. Analog sieht man auch α ∗ ϵ = α. Die restlichen Aussagen<br />

sind Gegenstand der Übungen 5.5.18, 5.5.19 und 5.5.20.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 5.3.10. Betrachte die multiplikative Gruppe G m = Spm(K[X, X −1 ]).<br />

Dann gilt<br />

H(G m ) = lim<br />

−→d<br />

(<br />

K[X, X −1 ]/(X − 1) d+1) ∗<br />

.<br />

Um das einzusehen, weist man zunächst nach, dass H(G m ) ∼ = K[E] als K-Algebra,<br />

wobei E =<br />

d<br />

dX | X=1 : K[X, X −1 ] → K. Dazu betrachtet man eine Reihenentwicklung<br />

in 1 und verifiziert (E ∗ E)(f) = (( d<br />

dX )2 f)(1) (vergleiche Übung 5.5.21).<br />

Beispiel 5.3.11. Betrachte die additive Gruppe G a = Spm(K[X]). Dann gilt:<br />

H(G a ) = lim<br />

−→d<br />

(<br />

K[X]/X<br />

d+1 ) ∗<br />

.<br />

Hier ist zunächst die Isomorphie H(G a ) ∼ = K[D] von K -Algebren zu verifizieren,<br />

wobei D =<br />

d<br />

dX | X=0 : K[X] → K. In diesem Fall entwickelt man in 0 (vergleiche<br />

Übung 5.5.22).<br />

Bemerkung 5.3.12. Seien G und H (irreduzible) affine algebraische Gruppen mit<br />

Einselementen e G und e H . Weiter sei Φ = (f, ϕ): G → H ein Morphismus algebraischer<br />

Gruppen, das heißt f ist ein Gruppenhomomorphismus. Sei φ: K[H] →<br />

K[G] der zugehörige K-Algebrenhomomorphismus. Dann gilt φ(m eH ) ⊆ m eG , also<br />

auch φ(m d+1<br />

e H<br />

) ⊆ m d+1<br />

e G<br />

. Damit induziert φ einen K-Algebrenhomomorphismen<br />

K[H]/m d+1<br />

e H<br />

→ K[G]/m d+1<br />

e G<br />

, und per Dualität auch eine K-lineare Abbildung<br />

( )<br />

K[H]/m<br />

d+1 ∗ ( )<br />

e H ← K[G]/m<br />

d+1 ∗.<br />

e G<br />

Zusammen induziert φ also eine K-lineare Abbildung H(H) ← H(G). Diese Abbildung<br />

ist verträglich mit den Multiplikationen ∗ H und ∗ G aus Satz 5.3.9 (vergleiche<br />

Übung 5.5.19).


116 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Lemma 5.3.13. Sei (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) eine affine algebraische Gruppe und<br />

µ V : V → V ⊗ A eine algebraische Darstellung. Für α ∈ H(G) definiere ˜ρ(α) ∈<br />

End K (V ) durch das kommutative Diagramm<br />

V<br />

µ V<br />

<br />

V ⊗ K A<br />

˜ρ(α)<br />

V <br />

∼ =<br />

id V ⊗ α<br />

V ⊗ K K<br />

Dann ist ˜ρ: H(G) → End K (V ) ein Ringhomomorphismus und damit ein K-<br />

Algebrenhomomorphismus.<br />

Beweis. Für ˜ρ(α) = (id V ⊗ α) ◦ µ V : V → V ⊗ K K rechnen wir einerseits<br />

und andererseits<br />

˜ρ(α) ◦ ˜ρ(β) = (˜ρ(α) ◦ (id V ⊗β) ◦ µ V )<br />

= (˜ρ(α) ⊗ id k ) ◦ (id V ⊗β) ◦ µ V<br />

= (˜ρ(α) ⊗ β) ◦ µ V<br />

= ( (id V ⊗ α) ◦ µ V ⊗ β ) ◦ µ V ,<br />

˜ρ(α ∗ β) = (id V ⊗ α ∗ β) ◦ µ V<br />

= (id V ⊗ (α ⊗ β) ◦ µ A ) ◦ µ V<br />

= ( id V ⊗ (α ⊗ β) ) ◦ (id V ⊗µ A ) ◦ µ V<br />

= ( (id V ⊗ α) ⊗ β ) ◦ (µ V ⊗ id A ) ◦ µ V<br />

= ( (id V ⊗ α) ◦ µ V ⊗ β ) ◦ µ V .<br />

Damit folgt die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 5.3.14. In der Situation von Lemma 5.3.13 sei e ∈ G das Einselement<br />

und v ∈ V eine G-Invariante, das heißt µ V (v) = v ⊗ 1. Dann gilt<br />

∀α ∈ H(G) : ˜ρ(α)(v) = α(1) · v. (5.3)<br />

Umgekehrt, wenn (5.3) gilt, dann schreiben wir µ V (v) = ∑ j v j ⊗ a j mit endlich<br />

vielen a j ∈ A und v j ∈ V . Dabei können wir o.B.d.A. die v j linear unabhängig<br />

wählen<br />

∑<br />

(sonst fasst man Terme zusammen). Aber dann zeigt (5.3), dass ˜ρ(α)(v) =<br />

j α(a j)v j = α(1) · v. Beachte, dass nach Definition 5.2.3 gilt v = ∑ j ϵ(a j)v j . Also<br />

haben wir ∑ j α(a j)vj = α(1) ∑ j ϵ(a j)v j und die lineare Unabhängigkeit der v j<br />

zeigt<br />

∀α∀j : α(a j ) = α(1)ϵ(a j ).<br />

Damit folgt für alle α und j, dass α ( a j − ϵ(a j )1 ) = 0.<br />

Behauptung: Für alle j gilt a j = ϵ(a j )1.<br />

Damit erhält man dann µ V (v) = ∑ j v j ⊗ a j = ∑ j ϵ(a j)v j ⊗ 1 = v ⊗ 1.<br />

Um die Behauptung zu beweisen, betrachten wir f ∈ A mit α(f) = 0 für alle<br />

α ∈ H(G). Beachte, dass α eine beliebige lineare Abbildung A → K sein kann,<br />

für die es ein d ∈ N 0 mit m d+1<br />

e ⊆ ker α gibt. Daher muss f ∈ ∩ d∈N 0<br />

m d+1<br />

e gelten.<br />

Weil A eine endlich erzeugte K-Algebra ist, finden wir x 1 , . . . , x n ∈ A mit A =<br />

K[x 1 , . . . , x n ]. Wenn man die x j als Funktionen auf G auffasst, dann wird A auch von<br />

den Elementen x j − x j (e) erzeugt, das heißt, wir können o.B.d.A. annehmen, dass


5.3 Tangentialräume affiner algebraischer Gruppen 117<br />

x j (e) = 0 gilt. Jetzt schreibt man f = ∑ I∈N<br />

c n I x I mit c I ∈ K und x I = x i1<br />

0<br />

1 · · · xjn n<br />

für I = (i 1 , . . . , i n ). Dabei ist x 0 j = 1 ∈ A. Also liegen alle xI mit I ≠ (0, . . . , 0) in<br />

m e . Weil f ∈ m e , muss also c (0,...,0) = 0 sein. Wenn |I| = i 1 + . . . + i n , dann erhält<br />

man mit Induktion über |I|, dass für jedes k ∈ N 0 die Summe ∑ |I|=k c Ix I = 0 ist.<br />

Also ist f = 0, was die Behauptung beweist.<br />

Beispiel 5.3.15. Sei V eine algebraische Darstellung der multiplikativen Gruppe<br />

G m und v = ∑ m∈Z v M ∈ V die Zerlegung in homogene Komponenten (vergleiche<br />

Proposition 5.2.11). Dann gilt µ V (v) = ∑ m µ V (v m ) = ∑ m v m ⊗X m und der Euler-<br />

Operator E =<br />

d<br />

dX | X=1 ∈ g m ⊆ H(G m ) erfüllt<br />

˜ρ(E) : v ↦→ ∑ n<br />

v m ⊗<br />

d<br />

dX | X=1X m = ∑ m<br />

mv m .<br />

↑ 17.12.2012 ↑<br />

Bemerkung 5.3.16 (Duale Darstellungen). Betrachte für eine affine algebraische<br />

Gruppe (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) die Rechtswirkung<br />

c : G × G → G,<br />

(x, g) ↦→ g −1 xg = c g (x)<br />

durch Konjugation. Dazu gehört eine lineare G-Wirkung auf A = K[G], die für<br />

F ∈ A durch<br />

(g · F )(x) = F (x · g) = F (c g (x))<br />

definiert ist. Wir wollen zeigen, dass diese Wirkung eine algebraische Darstellung<br />

auf H(G) induziert, für die der Unterraum g ⊆ H(G) eine Unterdarstellung ist (die<br />

man dann die adjungierte Darstellung nennt). Um dieses Ziel erreichen zu können,<br />

brauchen wir die dualen Darstellungen.<br />

Sei G × V → V eine lineare Wirkung auf einem K-Vektorraum V und V ∗ =<br />

Hom K (V, K). Für ν ∈ V ∗ und v ∈ V setzen wir (g · ν)(v) := ν(g −1 · v). Dies<br />

definiert eine lineare Wirkung G × V ∗ → V ∗ . Es stellt sich jetzt die Frage, ob es<br />

ein Analogon zu dieser Konstruktion auch für algebraische Darstellungen der Form<br />

V → V ⊗ A gibt. Das sollte dann eine algebraische Darstellung V ∗ → V ∗ ⊗ K A sein.<br />

Das kommutative Diagramm<br />

G × G m G<br />

G<br />

s<br />

<br />

G × G<br />

i×i<br />

G<br />

G × G mG<br />

G<br />

i<br />

(g, h) ✤ m G<br />

<br />

❴<br />

s<br />

(h, g)<br />

❴<br />

i×i<br />

gh ❴<br />

i<br />

(gh) −1<br />

(h −1 , g −1 ) ✤ m G<br />

h −1 g −1<br />

auf Gruppenebene induziert das kommutatives Diagramm<br />

A ⊗ K A<br />

σ<br />

A ⊗ K A<br />

ι⊗ι<br />

A ⊗ K A<br />

µ<br />

µ<br />

A<br />

ι<br />

A<br />

A<br />

Sei jetzt µ V : V → V ⊗ K A eine algebraische Darstellung, das heißt


118 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

V<br />

µ V<br />

<br />

V ⊗ K A<br />

µ V<br />

<br />

V ⊗ K A<br />

id V ⊗µ<br />

µ V ⊗id A<br />

V ⊗ K A ⊗ K A<br />

Wir wollen daraus ein Diagram der Form<br />

V ∗<br />

µ V ∗<br />

V ∗ ⊗ K A<br />

µ V ∗<br />

V ∗ ⊗ K A<br />

id V ∗ ⊗µ<br />

µ V ∗ ⊗id A<br />

V ∗ ⊗ K A ⊗ K A<br />

gewinnen. Ein erster Versuch könnte für µ V (v) = ∑ j v j ⊗ a j die Setzung<br />

V ∗ = Hom K (V, K) → Hom K (V, A) ∼ = V ∗ ⊗ K A,<br />

ν ↦→<br />

(v ↦→ ∑ )<br />

ν(v j )a j<br />

} {{ }<br />

=(ν⊗id A )◦µ V<br />

sein, die aber die Inversenbildung in der linearen dualen Darstellung nicht abbildet.<br />

Stattdessen setzen wir<br />

µ V ∗ : V ∗ → V ∗ ⊗ K A ∼ = Hom K (V, A), ν ↦→ (ν ⊗ ι) ◦ µ V .<br />

Damit erhalten wir das folgende kommutative Diagramm<br />

V ∗<br />

Hom K (V, K)<br />

⊗ι<br />

Hom K (V ⊗ K A, A)<br />

µ V ∗<br />

V ∗ ⊗ K A<br />

Hom K (V, K) ⊗ K A<br />

∼ =<br />

Hom K (V, A)<br />

(µ V ) ∗ :=(ψ↦→ψ◦µ V )<br />

id V ∗ ⊗µ<br />

µ ∗:=(φ↦→µ◦φ)<br />

V ∗ ⊗ K A ⊗ K A<br />

∼ =<br />

Hom K (V, A ⊗ K A)<br />

wobei sich die Kommutativität aus<br />

(µ V ) ∗ (ν ⊗ ι) = (ν ⊗ ι) ◦ µ V = µ V ∗(ν)<br />

µ ∗ (ν ⊗ a) = ( v ↦→ ν(v)a ↦→ ν(v)µ(a) ) = (id V ∗ ⊗µ 1 )(ν ⊗ a)<br />

= ν ⊗ µ(a) = ( v ↦→ ν(v)µ(a) )<br />

ergibt. Auch das Diagramm<br />

V ∗ ⊗ K A<br />

Hom K (V, A)<br />

⊗ι Hom K (V ⊗ K A, A ⊗ K A)<br />

µ V ∗ ⊗id A<br />

<br />

σ ∗ ⊗(µ V ) ∗<br />

<br />

V ∗ ⊗ K A ⊗ K A<br />

∼ =<br />

Hom K (V, A ⊗ K A)<br />

ist kommutativ. Dazu beachten wir<br />

(µ V ) ∗ ((ν ⊗ a) ⊗ ι) = ((ν ⊗ a) ⊗ ι) ◦ µ V<br />

(µ V ∗ ⊗ id A )(ν ⊗ a) = µ V ∗(ν) ⊗ a = ((ν ⊗ ι) ◦ µ V ) ⊗ a


5.3 Tangentialräume affiner algebraischer Gruppen 119<br />

und rechnen für µ V (v) = ∑ j v j ⊗ a j :<br />

( ((ν ) ( ∑ ))<br />

σ ∗ ◦ ((ν ⊗ a) ⊗ ι) ◦ µ V (v) = σ ⊗ a) ⊗ ι v j ⊗ a j<br />

( ∑<br />

)<br />

= σ (ν ⊗ a)(v j ) ⊗ ι(a j )<br />

= ∑ j<br />

j<br />

σ ( ν(v j )a ⊗ ι(a j ) )<br />

= ∑ ν(v j )ι(a j ) ⊗ a<br />

j<br />

(( ) ) ( ( ∑ ))<br />

(ν ⊗ ι) ◦ µV ⊗ a (v) = (ν ⊗ ι) v j ⊗ a j ⊗ a<br />

( ∑ )<br />

= ν(v j )ι(a j ) ⊗ a<br />

= ∑ j<br />

j<br />

j<br />

ν(v j )ι(a j ) ⊗ a.<br />

j<br />

Jetzt genügt es, die Kommutativität des Diagramms<br />

Hom K (V, K)<br />

µ V ∗<br />

Hom K (V, A)<br />

µ ∗◦µ V ∗ ◦( ⊗ι)<br />

σ ∗ ◦(µ V ) ∗ ◦( ⊗ι)<br />

Hom K (V, A)<br />

(µ V ) ∗<br />

Hom K (V, A ⊗ K A)<br />

zu zeigen, das heißt, für ν ∈ V ∗ muss<br />

µ ∗ ◦ (µ V ) ∗ (ν ⊗ ι) = σ ∗ ◦ (µ V ) ∗( (µ V ) ∗ (ν ⊗ ι) ⊗ ι )<br />

nachgewiesen werden. Dazu rechnen wir:<br />

σ ∗ ◦ (µ V ) ∗( (µ V ) ∗ (ν ⊗ ι) ⊗ ι ) = σ ∗ ◦ ((µ V ∗(ν ⊗ ι) ⊗ ι) ◦ µ V )<br />

= σ ∗ ((((ν ⊗ ι) ◦ µ V ) ⊗ ι) ◦ µ V )<br />

= σ ∗ ◦ ((ν ⊗ ι ⊗ ι) ◦ (µ V ⊗ id A ) ◦ µ V )<br />

= σ ∗ ◦ ( )<br />

(ν ⊗ ι ⊗ ι) ◦ (id V ⊗µ) ◦ µ V .<br />

Wegen µ ∗ ◦ (µ V ) ∗ (ν ⊗ ι) = µ ∗ ◦ (ν ⊗ ι) ◦ µ V<br />

genügt es zu zeigen, dass<br />

µ ∗ ◦ (ν ⊗ i) = σ ∗ ◦ (ν ⊗ ι ⊗ ι) ◦ (id V ⊗µ) ∈ Hom k (V ⊗ K A, V ⊗ K A ⊗ K A).<br />

Sei dazu µ(a) = ∑ j a j ⊗ a ′ j . Dann gilt für v ∈ V<br />

µ ∗ ◦ (ν ⊗ ι)(v ⊗ a) = µ ∗ (ν(v)ι(a)) = ν(v)µ(ι(a))<br />

σ ◦ (ν ⊗ ι ⊗ ι) ◦ (id V ⊗µ)(v ⊗ a) = σ((ν ⊗ ι ⊗ ι)(v ⊗ µ(a))<br />

= ν(v)(µ ◦ ι)(a)<br />

= σ(ν(v)(ι ◦ ι)(µ(a)))<br />

= ν(v)σ((ι ◦ ι)(µ(a))<br />

= ν(v)(σ ◦ (ι ⊗ ι) ◦ µ)(a)<br />

= ν(v)(µ ◦ ι)(a).<br />

Damit sind wir bei folgendem Ergebnis angelangt: µ V ∗<br />

algebraische Darstellung von G.<br />

: V ∗ → V ∗ ⊗ K A ist eine


120 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Wir betrachten eine (irreduzible) affine algebraische Gruppe (G = Spm(A), µ, ϵ, ι)<br />

und eine affine algebraische Varietät X = Spm(R) sowie eine Rechtswirkung<br />

c: X × G → X, die ein Morphismismus von affinen algebraischen Varietäten<br />

ist. Seit γ : A → A ⊗ K A der zugehörige K-Algebrenhomomorphismus. Wegen<br />

x · (gh) = (x · g) · h für x ∈ X und g, h ∈ G haben wir die folgenden kommutativen<br />

Diagramme:<br />

↑ 21.12.2012 ↑<br />

X × G × G<br />

c×id G<br />

X × G<br />

R ⊗ K A ⊗ K A<br />

γ⊗id A<br />

R ⊗ K A<br />

id G ×m G<br />

<br />

X × G<br />

c<br />

G<br />

c<br />

id A ⊗µ<br />

R ⊗ K A<br />

γ<br />

A<br />

γ<br />

Analog liefert die Gleichheit x · 1 = x für x ∈ X die kommutativen Diagramme<br />

(id X ,e)<br />

X <br />

X × G<br />

c<br />

id<br />

<br />

X<br />

<br />

X<br />

id R ⊗ϵ<br />

R<br />

R ⊗ K A<br />

γ<br />

id<br />

<br />

R<br />

R<br />

Also ist γ : R → R⊗ K A ist eine algebraische Wirkung im Sinne von Definition 5.2.13<br />

von G auf R.<br />

Proposition 5.3.17. Sei (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) eine (irreduzible) affine algebraische<br />

Gruppe, e ∈ G das Einselement und c: G × G → G die Konjugationswirkung. Dann<br />

ist m := m e = ker ϵ ⊆ A eine Unterdarstellung von γ : A → A ⊗ K A.<br />

Beweis. Wir müssen zeigen, dass γ(m) ⊆ m ⊗ A. Dazu betrachten wir die kommutativen<br />

Diagramme<br />

{e} × G<br />

e×id G<br />

G × G<br />

K ⊗ K A<br />

ϵ⊗id A<br />

A ⊗ K A<br />

{e}<br />

e<br />

G<br />

c<br />

K<br />

ϵ<br />

A<br />

γ<br />

und stellen fest, dass m⊗A = ker(ϵ⊗id A ) gilt. Wenn nämlich ∑ l<br />

j=1 a j ⊗b j ∈ A⊗ K A<br />

mit linear unabhängigen b j ∈ A in ker(ϵ ⊗ id A ) liegt, dann gilt<br />

( l∑ )<br />

0 = (ϵ ⊗ id A ) a j ⊗ b j =<br />

j=1<br />

l∑<br />

ϵ(a j ) ⊗ b j ∈ K ⊗ K A,<br />

das heißt 0 = ∑ l<br />

j=1 ϵ(a j)b j ∈ A, also verschwinden alle ϵ(a j ). Damit folgt ∑ l<br />

j=1 a j ⊗<br />

b j ∈ m ⊗ K A, und die Inklusion m ⊗ K A ⊆ ker(ϵ ⊗ id A ) ist trivial.<br />

⊓⊔<br />

Übung 5.3.1. Man zeige, dass γ : A → A ⊗ K A für jedes d ∈ N 0 eine algebraische Darstellung<br />

induziert.<br />

γ d+1 : (A/m d+1 ) →<br />

(A/m d+1 ) ⊗ K A<br />

} {{ }<br />

=(A⊗ K A)/(m d+1 ⊗ K A)<br />

j=1<br />

, (f + m d+1 ) ↦→ γ(f) + (m d+1 ⊗ K A)<br />

Hinweis: m ist eine algebraische Unterdarstellung, also ist wegen<br />

auch m d+1 eine Unterdarstellung.<br />

γ(m d+1 ) = γ(m) d+1 ⊆ (m ⊗ K A) d+1 = m d+1 ⊗ K A


5.3 Tangentialräume affiner algebraischer Gruppen 121<br />

Bemerkung 5.3.18. Sei (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) eine (irreduzible) affine algebraische<br />

Gruppe und γ : V → V ⊗ K A eine algebraische Darstellung. weiter sei W ≤ V eine<br />

Unterdarstellung, das heißt γ(W ) ⊆ W ⊗ A. Dann ist<br />

γ : (V/W ) →<br />

(V/W ) ⊗ K A , v + W ↦→ γ(v) + (W ⊗ K A)<br />

} {{ }<br />

=(V ⊗ K A)/(W ⊗ K A)<br />

eine algebraische Darstellung. Um das einzusehen, verifizieren wir, dass das Diagramm<br />

(V/W ) ⊗ K A ⊗ K A<br />

γ⊗id A<br />

(V/W ) ⊗ K A<br />

γ⊗id A<br />

(V ⊗ K A ⊗ K A)/(W ⊗ K A ⊗ K A) (V ⊗ K A)/(W ⊗ K A)<br />

id V /W ⊗µ<br />

(V ⊗ K A)/(W ⊗ K A)<br />

γ<br />

γ<br />

V/W<br />

(V/W ) ⊗ K A<br />

γ<br />

V/W<br />

kommutativ ist.<br />

Bemerkung 5.3.16 liefert jetzt algebraische Darstellungen<br />

γ d+1,∗ : ( A/m d+1) ∗<br />

→<br />

(<br />

A/m<br />

d+1 ) ∗<br />

⊗K A<br />

Weil (A/m d+1 ) ∗ endlich dimensional ist, gehören dazu nach Bemerkung 5.2.6 lineare<br />

Darstellungen<br />

G × ( A/m d+1) = G × ( A/m d+1) ∗∗<br />

→<br />

(<br />

A/m<br />

d+1 ) ∗∗<br />

= A/m d+1 .<br />

Dazu wiederum existieren auch duale Darstellungen: G× ( A/m d+1) ∗<br />

→<br />

(<br />

A/m<br />

d+1 ) ∗<br />

.<br />

Lemma 5.3.19. In der Situation von Bemerkung 5.3.18 gilt:<br />

(i) Die Darstellungen γ d+1,∗ sind verträglich, das heißt für d ′ > d ist das Diagramm<br />

(<br />

A/m<br />

d+1 ) ∗ γ d+1,∗<br />

<br />

<br />

(<br />

A/m<br />

d+1 ) ∗<br />

⊗K A <br />

(<br />

A/m<br />

d ′ +1 ) ∗<br />

γ d ′ +1,∗<br />

(<br />

A/m<br />

d ′ +1 ) ∗<br />

⊗K A<br />

kommutativ.<br />

(ii) Die Darstellungen (γ d+1,∗ ) d∈N0<br />

liefern eine algebraische Darstellung<br />

γ ∗ : H(G) → H(G) ⊗ K A.<br />

(iii) Die linearen Darstellungen G × ( A/m d+1) ∗<br />

→<br />

(<br />

A/m<br />

d+1 ) ∗<br />

sind verträglich und<br />

definieren eine lineare Darstellung G × H(G) → H(G).<br />

Beweis. Die Teile (i) und (ii) folgen direkt aus den Definitionen. Um (iii) zu beweisen,<br />

betrachten wir die linearen Darstellungen G × ( A/m d+1) ∗<br />

→<br />

(<br />

A/m<br />

d+1 ) ∗<br />

, die<br />

man aus


122 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

dualisieren<br />

A/m d+1<br />

A/m d+1 ⊗ K A<br />

G × ( A/m d+1) ∗ (<br />

<br />

) A/m<br />

d+1 ∗<br />

dualisieren<br />

( ) A/m<br />

d+1 ∗ (<br />

<br />

) A/m<br />

d+1 ∗<br />

⊗K A G × ( A/m d+1) ∗∗ (<br />

<br />

) A/m<br />

d+1 ∗∗<br />

bekommt.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 5.3.20. Wir greifen die Situation von Proposition 5.3.17 auf. Weil<br />

m ⊆ A eine Unterdarstellung ist, ist die Lie-Algebra g = (m/m 2 ) ∗ ⊆ H(G) invariant<br />

unter den Darstellungen<br />

G × H(G) → H(G) und H(G) → H(G) ⊗ K A.<br />

Die Darstellungen G × g → g und g → g ⊗ K A heißen (beide) die adjungierte<br />

Darstellung. Die duale Darstellung G × g ∗ → g ∗ heißt die koadjungierte Darstellung.<br />

Lemma 5.3.21. Sei ρ : G → GL(V ) ein algebraischer Homomorphismus. Dann ist<br />

der Ringhomomorphismus (vergleiche Lemma 5.3.13)<br />

˜ρ : H(G) → End K (V )<br />

G-äquivariant, wobei G auf End K (V ) durch (g, T ) ↦→ ρ(g) ◦ T ◦ ρ(g) −1 wirkt.<br />

Beweis. Siehe Übung 5.5.23.<br />

⊓⊔<br />

1<br />

Beispiel 5.3.22. Für G = GL n (K) ist A = K[G] = K[X ij ,<br />

det X ] und g = gl n(K)<br />

wird als K-Vektorraum von den Matrizen<br />

E ij =<br />

∂<br />

[<br />

| X=1n : K<br />

∂X ij<br />

X ij ,<br />

1<br />

]<br />

→ K<br />

det X<br />

↑ 7.1.2013 ↑<br />

erzeugt, wobei man die Matrizen E ij ∈ Mat(n × n, K) mit den zugehörigen ”<br />

Richtungsableitungen“<br />

identifiziert. Das heißt gl n (K) = Mat(n×n, K). Die Lie-Klammer<br />

auf gl n (K) ist durch [A, B] = AB − BA gegeben. Die adjungierte Wirkung ist<br />

(g, X) ↦→ gXg −1 .<br />

Bemerkung 5.3.23 (Einschub zur Berechnung von Tangentialräumen). Sei<br />

T x M eine affine K-Varietät mit Koordinatenalgebra K[M] und K[ϵ]) die Algebra der<br />

dualen Zahlen, die durch ϵ := t + (t 2 ) ∈ K[t]/(t 2 )0 :=: K[ϵ] definiert ist. Dann gilt<br />

(m x /m 2 x) ∗ ∼ = {τ ∈ HomK−Alg (K[M], K[ϵ]) | τ(m x ) ⊆ (ϵ)}<br />

{ ∣<br />

∼= v ∈ K n ∣∣ ∀h ∈ I(M) ✂ K[X1 , . . . , X n ] = K[A n k] :<br />

n∑<br />

j=1<br />

v j<br />

∂h<br />

}<br />

(x) = 0 ,<br />

∂X j<br />

wobei die zweite Isomorphie eine Einbettung M ↩→ A n k<br />

voraussetzt (vergleiche Abschnitt<br />

3.3). Wir erläutern die erste Isomorphie im Detail: Wenn α ∈ (m X /m 2 X )∗<br />

betrachten wir die K-lineare Abbildung τ : K[M] → K[t]/(t 2 ) = K[ε], die durch<br />

m X ∋ a ↦→ ˜α(a)t + (t 2 ) ∈ (ϵ) und 1 ↦→ 1 + (t 2 ) festgelegt wird. Sie erfüllt<br />

τ((λ + a)(µ + b)) = τ(λµ + λb + µa + ab<br />

= λµ + (λα(b) + µα(a))t + (t 2 )<br />

= (λ + α(a)t + (t 2 ))(µ + α(b)t + (t 2 ))<br />

= τ(λ + a) τ(µ + b),


5.3 Tangentialräume affiner algebraischer Gruppen 123<br />

also ist τ ein K-Algebrenhomomorphismus. Umgekehrt, lässt sich α aus τ rekonstruieren:<br />

Wegen τ(a) ∈ ϵ gilt<br />

α(a + m 2 x) = τ(a)<br />

t<br />

+ (t) ∈ K[t]/(t) = K.<br />

Der Zusammenhang mit den Begriffsbildungen aus Abschnitt 3.3 ergibt sich für<br />

jedes v ∈ K n , das<br />

∑ ∂h<br />

∀h ∈ I(M) : vj (x) = 0 (5.4)<br />

∂X j<br />

erfüllt, durch die Abbildung<br />

˜τ : K[M] → K[ε], h ↦→ h(x) + ϵ ∑ v j<br />

∂h<br />

∂X j<br />

(x),<br />

die wegen (5.4) zu einem K-Algebrenhomomorphismus τ : K[M] → K[ϵ] mit τ(m x ) ⊆<br />

(ϵ) faktorisiert. Für die Wohldefiniertheit braucht man (5.4), weil aus K[M] =<br />

K[X 1 , . . . , X n ]/I(M) folgt ˜τ(I(M)) = {0}. Für die Homomorphieeigenschaften<br />

rechnen wir<br />

τ(h 1 h 2 ) = (h 1 h 2 )(x) + ϵ ∑ ∂(h 1 h 2 )<br />

v j (x)<br />

∂X j<br />

= h 1 (x)h 2 (x) + ϵ ∑ (<br />

∂h 2<br />

v j h(x) 1<br />

(x) + h 2 (x) ∂h )<br />

1<br />

(x)<br />

∂X j ∂X j<br />

(<br />

n∑ )(<br />

)<br />

= h 1 (x) + ϵ<br />

= τ(h 1 )τ(h 2 ).<br />

j=1<br />

v j<br />

∂h 1<br />

∂X j<br />

(x)<br />

h − 2 + ϵ ∑ v j<br />

∂h 2<br />

∂X j<br />

(x)<br />

Die Inklusion τ(m x ) ⊆ (ϵ) klar, da für h ∈ m x gilt h(x) = 0, also τ(h) = ϵ·. . . ∈ (ϵ)].<br />

Als Ergebnis erhalten wir<br />

T x M = {v ∈ K n | ∀h ∈ I(M) : h(x + ϵv) = h(x)}.<br />

Man beachte dabei: Wenn τ : K[M] → K[ϵ] die Inklusion τ(m X ) ⊆ (ϵ) erfüllt und<br />

von einem v kommt, dann gilt für f = X j , dass τ(f) = X j + ϵv j . Also setzt man<br />

für ein allgemeines τ:<br />

v j := τ(X j + I(M))<br />

− X j .<br />

ϵ<br />

Beispiel 5.3.24. In der Situation von Bemerkung 5.3.23 wählen wir M = G =<br />

SL n (k) = {g ∈ Mat(n × n, K) | det(g) = 1}. Dann ist I(M) = (det(X) − 1), wobei<br />

⎛<br />

und<br />

g = sl n (K) = T 1 (M)<br />

X =<br />

⎜<br />

⎝<br />

⎞<br />

X 11 . . . X 1n<br />

. .<br />

X n1 . . . X nn<br />

⎟<br />

⎠ ,<br />

= {xi ∈ Mat(nxn, K) | ∀h ∈ (det(x) − 1) : h(1 + ϵξ) = h(1) = 0}<br />

= {ξ | det(1 + ϵξ) − 1 = 0}.<br />

Wegen det(1 + ϵξ) = det(1) + ϵ tr(ξ) (alle weiteren Terme fallen wegen ϵ 2 = 0 weg!)<br />

erhalten wir sl n (K) = {ξ ∈ Mat(n × n, k) | tr(ξ) = 0}.


124 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Beispiel 5.3.25. Wir greifen das Beispiel 5.3.22 nochmal auf und behandeln es im<br />

Lichte von Bemerkung 5.3.23 mit<br />

M = GL n (K) = {(x, t) ∈ Mat(n × n, K) × K | t det(x) = 1}<br />

und I(M) = (T det(X) − 1). Dann gilt<br />

weil<br />

g = gl n (K) = T (1,1) M = {(ξ, s) | h(1, 1) + ϵ(ξ, s) = 0}<br />

= {(ξ, −T rξ) | ξ ∈ Mat(n × n, K)},<br />

h(1, 1) + ϵ(ξ, s) = (1 + ϵξ, 1 + ϵs) = (1 + ϵs) det(1 + ϵξ) − 1<br />

= (1 + ϵs)(1 + ϵ tr ξ) − 1 = ϵ(s + tr ξ).<br />

Wir wollen für eine affine algebraische Varietät M und eine algebraische Wirkung<br />

M × G → M die Frage studieren, wie K[M] G aussieht. Konkret werden wir<br />

ein Resultat von David Hilbert beweisen, das garantiert, dass K[M] G eine endlich<br />

erzeugte K-Algebra ist, falls G linear reduktiv ist.<br />

Definition 5.3.26. Sei G sei affine algebraische Gruppe mit Lie-Algebra g =<br />

Lie(G) und κ: g × g → K eine nicht ausgeartete Bilinearform, die invariant unter<br />

der adjungierten Wirkung ist, das heißt<br />

∀X, Y ∈ g, g ∈ G : κ(Ad(g)X, Ad(g)Y ) = κ(X, Y )<br />

erfüllt. Sei X 1 , . . . , X n eine Basis für g und X ′ 1, . . . , X ′ n die bezüglich κ duale Basis<br />

für g. Das bedeutet, es gilt K(X i , X ′ j ) = δ ij. Das Casimir-Element von G bezüglich<br />

κ ist durch<br />

Ω := X 1 ∗ X ′ 1 + . . . + X n ∗ X ′ n ∈ H(G)<br />

definiert.<br />

Proposition 5.3.27. Ω hängt nicht von der Wahl der Basis ab.<br />

Beweis. Sei Y 1 , . . . , Y n eine weitere Basis für g und Y ′<br />

1, . . . , Y ′ n die dazu duale Basis<br />

bezüglich κ. Für die Übergangsmatrizen A und A ′ zwischen diesen Basen gilt<br />

Y i =<br />

n∑<br />

j=1<br />

also A ′ = (A ⊤ ) −1 . Damit rechnet man<br />

∑<br />

i<br />

Y i ∗ Y ′<br />

i = ∑ i,j<br />

a ij X j und Y ′<br />

i = ∑ a ′ ijX ′ j,<br />

a ij X j ∗ Y ′<br />

i = ∑ i,j,k<br />

a ij a ′ ikX j ∗ X ′ k<br />

= ∑ j,k<br />

δ j,k X j ∗ X ′ k<br />

= ∑ j<br />

X j ∗ X ′ j.<br />

↑ 11.1.2013 ↑<br />

⊓⊔<br />

Korollar 5.3.28. Das Casimir-Element Ω ∈ H(G) ist G-invariant bezüglich der<br />

adjungierten Wirkung.


5.4 Hilberts Endlichkeitssatz 125<br />

Beweis. Sei X 1 , . . . , X n eine Basis für g, X ′ 1, . . . , X ′ n duale Basis für g bezüglich κ<br />

und g ∈ G. Dann ist auch Ad(g)X 1 , . . . , Ad(g)X n eine Basis für g. Außerdem ist<br />

Ad(g)X ′ 1, . . . , Ad(g)X ′ n die duale Basis für g bezüglich κ, weil κ : g × g → K nach<br />

Voraussetzung Ad(g)-invariant ist:<br />

κ(Ad(g)X i , Ad(g)X ′ j) = κ(X i , X ′ j) = δ ij .<br />

Aber dann finden wir<br />

Ad(g)(Ω) = Ad(g)(<br />

n∑<br />

X i ∗ X i)<br />

′<br />

i=1<br />

5.3.13<br />

=<br />

Ringhomom.<br />

n∑<br />

(Ad(g)(X i ) ∗ Ad(g)X i) ′ 5.3.27<br />

= Ω.<br />

i=1<br />

⊓⊔<br />

Proposition 5.3.29. Sei (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) eine affine algebraische Gruppe<br />

und µ V : V → V ⊗ A eine algebraische Darstellung. Dann ist der Raum V G der<br />

G-Invarianten enthalten in ker(˜ρ(Ω)), wobei ˜ρ: H(G) → End K (V ) der zu µ V<br />

gehörige Ringhomomorphismus (vergleiche Lemma 5.3.13) ist. Man nennt ˜ρ(Ω) den<br />

Casimir-Operator der Darstellung.<br />

Beweis. Wegen ˜ρ(Ω) = ∑ ˜ρ(X i )˜ρ(X i ) reicht es zu zeigen, dass V G ⊆ ker(˜ρ(g)). Sei<br />

dazu α ∈ g = ( m/m 2) ∗<br />

. Wir können α als Derivation auf A betrachten, die auf 1<br />

verschwindet. Nach Definition gilt v ∈ V G genau dann, wenn µ V (v) = v ⊗ 1, und<br />

in diesem Fall haben wir id V ⊗ α(v ⊗ 1) = v ⊗ α(1) = 0, das heißt ˜ρ(α)(v) = 0. ⊓⊔<br />

5.4 Hilberts Endlichkeitssatz<br />

Definition 5.4.1. Eine (affine) algebraische Gruppe G heißt linear reduktiv,<br />

wenn für jede surjektive G-äquivariante K-lineare Abbildung ϕ: V → W zwischen<br />

zwei algebraischen Darstellungen gilt ϕ G = ϕ| V G : V G → W G ist surjektiv.<br />

Proposition 5.4.2. Folgende Bedingungen sind für eine affine algebraische Gruppe<br />

G äquivalent:<br />

(1) G ist linear reduktiv.<br />

(2) Für alle V ϕ → W wie in Definition 5.4.1 mit dim V, dim W < ∞ ist ϕ G : V G →<br />

W G surjektiv.<br />

(3) Wenn V eine endlich dimensionale algebraische G-Darstellung ist und v ∈ V<br />

U ⊆ V eine Unterdarstellung ist, dann gilt für v + U ∈ (V/U) G , dass (v + U) ∩<br />

V G ≠ ∅.<br />

Beweis. Die Implikation (1) ⇒ (2)“ ist trivial. Für (2) ⇒ (3)“ betrachten wir eine<br />

” ”<br />

endlich dimensionale Unterdarstellung U ⊆ V und betrachten die G-äquivariante<br />

Quotientenabbildung V → ϕ V/U. Wenn v + U ∈ (V/U) G , dann folgt aus (2), dass<br />

es ein v ′ ∈ V G mit ϕ(v ′ ) = v + U existiert. Aber dann ist v ′ ∈ V G ∩ (v + U).<br />

Um (3) ⇒ (1)“ zu zeigen stellen zunächst fest, dass nach Proposition 5.2.9<br />

”<br />

V lokal endlich dimensional ist, das heißt, für jedes w ∈ W G und v ∈ V mit<br />

ϕ(v) = w gibt es einen endlichdimensionalen G-invarianten Unterraum V 0 ≤ V<br />

mit v ∈ V 0 . Dann ist ϕ 0 = ϕ| V0 : V 0 → ϕ(V 0 ) surjektiv und G-äquivariant. Also gilt<br />

w ∈ ϕ(V 0 ) G ∼ = (V 0 / ker ϕ 0 ) G und (3) liefert die Existenz eines v 0 ∈ V0 G ∩(v +ker ϕ 0 ).<br />

Aber dann gilt v 0 ∈ V G und ϕ(v 0 ) = w.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 5.4.3. Jede endliche Gruppe ist linear reduktiv.


126 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Beweis. Sei V eine endlich dimensionale algebraische G-Darstellung und U ≤ V<br />

eine Unterdarstellung. Für v + U ∈ (V/U) G setzen wir v ′ = 1 ∑<br />

g∈G g · v ∈ V G .<br />

∑<br />

g∈G hg · v = v′ , weil mit g auch hg ganz G durchläuft. wegen<br />

Dann gilt hv ′ = 1<br />

|G|<br />

v + U = g · (v + U) = g · v + U haben wir<br />

v ′ − v = 1<br />

|G|<br />

∑<br />

(g · v − v) ∈ U.<br />

Daraus folgt v ′ ∈ V G ∩ (v + U) und mit Proposition 5.4.2 die Behauptung.<br />

g∈G<br />

Proposition 5.4.4. Die multiplikative Gruppe G m ist linear reduktiv.<br />

Beweis. Sei V eine endlich dimensionale algebraische Darstellung und U ≤ V eine<br />

Unterdarstellung. Wir betrachten die Gewichtsraumzerlegung V = ⊕ k∈Z V (k).<br />

Dann gilt V Gm = V (0) und U = ⊕ U∈Z U (k) mit U (U) ⊆ V (U) . Wenn v + U ∈<br />

(V/U) G m<br />

für v = ∑ k∈Z v k mit v k ∈ V (U) gilt, das heißt g · v − v ∈ U für alle<br />

g ∈ G m = K × , dann gilt g · v − v ∈ U, weil v + U = g · (v + U) = g · v + U. Mit<br />

g · v (k) = g k v (k) rechnen wir<br />

g · v − v = ∑ k∈Z<br />

|G|<br />

(g · v (k) − v (k) ) = ∑ k∈Z(g k − 1)v (k) ∈ U.<br />

⊓⊔<br />

Also gilt für alle k ≠ 0, dass v (k) ∈ U (k) , und daher v − v (0) ∈ U. Dies liefert<br />

v (0) ∈ V G ∩ (v + U) und mit Proposition 5.4.2 ergibt sich, dass G m linear reduktiv<br />

ist.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 5.4.5. (i) Direkte Produkte endlich vieler linear reduktiver Gruppen<br />

sind linear reduktiv.<br />

(ii) Wenn G linear reduktiv ist und H ✂ G ein Normalteiler. Dann ist G/H linear<br />

reduktiv.<br />

(iii) Wenn H ✂ G ein Normalteiler ist, und H sowie G/H linear reduktiv sind, dann<br />

ist auch G linear reduktiv.<br />

Beweis. (i) G = ∏ j G j und V eine endlichdimensionale algebraische G-Darstellung.<br />

Für eine Unterdarstellung U ≤ V gelte v + U ∈ (V/U) G ⊆ (V/U) Gj . Dann liefert<br />

Proposition 5.4.2, angewandt auf die linear reduktive Gruppe G j , dass es<br />

ein v j ∈ V Gj ∩ (v + U) gibt. Dies impliziert v ∈ ∩ j (V Gj + U).<br />

Behauptung: V Gj ist G-invariant für jedes j.<br />

Um das einzusehen, stellen wir zunächst fest, dass G j trivial auf V Gj wirkt und<br />

für i ≠ j gilt<br />

∀g i ∈ G i , g j ∈ G j : g i g j = g j g i .<br />

Wenn also w ∈ V G j<br />

, dann haben wir g j (g i w) = g i (g j w) = g i w, also g i w ∈ V G j<br />

.<br />

Damit ist V G j<br />

invariant unter allen G i und das zeigt die Behauptung.<br />

Es gilt<br />

v + U ∈ (V G1 + U/U) ∩ (V/U) G2<br />

⊆ (V G1 + U/U) G2<br />

≤ (V/U) G2 .<br />

} {{ }<br />

∼ =(V G 1 /V G 1 ∩U) G 2<br />

Proposition 5.4.2, angewandt auf die linear reduktive Gruppe G 2 und ihre algebraische<br />

Darstellung auf V G 1<br />

liefert ein v 2 ′ ∈ (V G 1<br />

) G 2<br />

= V G 1G 2<br />

= V G 1<br />

∩ V G 2<br />

mit v 2 ′ − v ∈ U ∩ V G1 , das heißt v + U ∈ (V G1G2 + U)/U. Jetzt iteriert<br />

man das Argument und findet v + U ∈ (V G 1G 2 G 3<br />

+ U)/U. Induktion liefert<br />

v + U ∈ (V G + U)/U und damit zeigt Proposition 5.4.2, das G linear reduktiv<br />

ist.


5.4 Hilberts Endlichkeitssatz 127<br />

(ii) V trage eine algebraische Darstellung der Quotientengruppe G/H und U ≤ V<br />

sei eine Unterdarstellung. Dann trägt V auch eine algebraische Darstellung von<br />

G bezüglich der H trivial wirkt. Insbesondere ist dann U ≤ V auch eine G-<br />

Unterdarstellung. Für v + U ∈ (V/U) G/H = (V/U) G liefert Proposition 5.4.2,<br />

angewandt auf G ein v ′ ∈ V G ∩(v +U) = V G/H ∩(v +U), und das zeigt, wieder<br />

mit Proposition 5.4.2, diesmal aber angewandt auf G/H, die Behauptung.<br />

(iii) Wenn V −→ ϕ<br />

W eine G-äquivariante surjektiv K-lineare Abbildung ist, dann ist<br />

die Einschränkung V H<br />

ϕH<br />

−→ W H surjektiv, weil H linear reduktiv ist.<br />

Behauptung: V H und W H sind G-invariant (und damit G/H-invariant).<br />

Um das einzusehen, rechnen wir für v ∈ V H , g ∈ G und h ∈ H<br />

h(g · v) = g<br />

(g −1 hg ·v) = g · v.<br />

} {{ }<br />

∈H Normalteiler<br />

Mit der Behauptung liefert die lineare Reduktivität von G/H, dass die Abbildung<br />

V G = (V H ) G/H −→ (W H ) G/H = W G surjektiv ist. Also ist G reduktiv.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 5.4.6. Aus Proposition 5.4.5 ergibt sich in natürlicher Weise die Frage:<br />

Wenn G linear reduktiv ist und H ✂G, ist dann H linear reduktiv? Die Antwort<br />

darauf ist ”<br />

ja“, erfordert aber eine zusätzliche Konstruktion, die hier nur angedeutet<br />

werden soll: Sei V sei eine endlich dimensionale H-Darstellung. Dann setzt man<br />

↑ 14.1.2013 ↑<br />

Ṽ := {f : G−→<br />

alg.<br />

V | ∀x ∈ G, h ∈ H : f(xh) = h −1 · f(x)}.<br />

Auf Ṽ definiert (g·f)(x) = f(g−1 x) eine algebraische (das ist zu prüfen!) Darstellung<br />

von G. Für die G-Invarianten gilt dann<br />

˜G = {G f →| ∀g, x ∈ G∀h ∈ H : f(g −1 xh) = h −1 · f(x)}<br />

= {v ∈ V | ∀h ∈ H : h −1 · v = v} = V H ,<br />

wobei die v ∈ V als konstante Funktionen betrachtet werden. Für eine H-<br />

äquivariante Abbildung φ: V → W definiert<br />

˜φ: Ṽ → ˜W ,<br />

f ↦→ φ ◦ f<br />

eine G-äquivariante Abbildung. Sie ist wegen<br />

(φ ◦ f)(xh) = φ(f(xh)) = φ(h −1 · f(x)) H−äquiv.<br />

= h −1 · φ(f(x)) = h −1 · ˜φ(f)(x))<br />

wohldefiniert. Wenn φ surjektiv ist, dann lässt sich zeigen, dass auch ˜φ surjektiv ist.<br />

Weil G linear reduktiv ist, folgt dann die Surjektivität von V H = Ṽ G −→ ˜φ ˜W G =<br />

W H und damit die lineare Reduktivität von H.<br />

Beispiel 5.4.7. Die additive Gruppe G a ist nicht linear reduktiv. Wir betrachten<br />

dazu den Homomorphismus<br />

( ) 1 t<br />

G a → GL 2 (K), t ↦→<br />

0 1<br />

Mit V := K[X 1 , X 2 ] und W := K[X 1 , X 2 ]/(X 2 ) = K[X 1 ], der Wirkungen (t ·<br />

f)(X 1 , X 2 ) = f(X 1 − tX 2 , X 2 ) auf V und der trivialen Wirkung auf W finden<br />

wir V Ga = K[X 2 ] und W Ga = W . Die Abbildung V Ga → W Ga ist aber die Nullabbildung,<br />

also insbesondere nicht surjektiv.


128 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Insbesondere für den folgenden Satz sein in Erinnerung gerufen, dass wir<br />

charK = 0 vorausgesetzt haben.<br />

Satz 5.4.8. Die Gruppe SL n (K) ist linear reduktiv (damit ist wegen Proposition<br />

5.4.5 auch GL n (K) linear reduktiv, weil die endliche Gruppe GL n (K)/SL n (K)<br />

linear reduktive ist).<br />

Zur Vorbereitung des Beweises von Satz 5.4.8 betrachten wir für einen endlichdimensionalen<br />

K-Vektorraum V die Spurform<br />

κ : End K (V ) × End K (V ) → K,<br />

(ϕ, ψ) ↦→ tr(ϕψ).<br />

Sie ist nicht ausgeartet (Übung) und symmetrisch. Mit κ(ϕ) := κ(ϕ, ϕ) gilt<br />

∀g ∈ GL(V ), ∀ϕ ∈ End K (V ) :<br />

κ(gϕg −1 ) = κ(ϕ).<br />

Lemma 5.4.9. Die eingeschränkte Form κ| sl(V )×sl(V ) , wobei sl(V ) := {ϕ ∈ End K (V ) |<br />

tr(ϕ) = 0} ist nicht-ausgeartet.<br />

Beweis. Das κ-orthogonale Komplement von sl(V ) in End K (V ) ist sl(V ) ⊥ κ<br />

= K·id V<br />

(Übung). Aber dann gilt sl(V ) ∩ sl(V ) ⊥ = {0}, was nach einem Standardkriterium<br />

zur Einschränkung nicht-ausgearteter bilinearer Formen die Behauptung beweist.<br />

⊓⊔<br />

Jetzt können wir mit κ ein Casimir-Element Ω auf sl(V ) bilden.<br />

Beispiel 5.4.10 (Casimir für SL(V ) bezüglich κ). Ohne Beschränkung der Allgemeinheit<br />

können wir annehmen, dass V = k n . Wir betrachten die Standardbasis<br />

der E ij mit i, j = 1, . . . , n für Mat(n × n, K), die in der ij-ten Position eine 1 und<br />

sonst nur Nullen hat. Dann setzen wir F ij := E ⊤ ij und H i := E ii − E i+1,i+1 . Dann<br />

sind<br />

{E ij } i


5.4 Hilberts Endlichkeitssatz 129<br />

↑ 18.1.2013 ↑<br />

(3) tr(˜ρ(Ω)) = 0.<br />

Beweis. Die Implikationen (1) ⇒ (2)“ und (2) ⇒ (3)“ sind klar. Es bleib also nur<br />

” ”<br />

” (3) ⇒ (1)“ zu zeigen. Dazu betrachten wir Gruppe T ∼ = G n−1<br />

m der Diagonalmatrizen<br />

in SL n (K) und seine Lie-Algebra t := Lie(T ), die aus den Diagonalmatrizen in<br />

sl n (K) besteht. Wenn B := A/I = K[T ] die Koordinatenalgebra von T ist, dann<br />

ist die Einschränkung von V auf T durch V → V ⊗ K A → V ⊗ K B gegeben. Nach<br />

Proposition 5.2.24 lässt sie sich in Gewichtsräume V = ⊕ κ∈X(T ) V κ zerlegen. Man<br />

beachte, dass K[T ] ⊆ K[X 1 , . . . , X n , X1 −1 , . . . , X−1 n ] und χ ∈ k[T ]. Wir betrachten:<br />

χ = X α mit α = (α 1 , . . . , α n ) und finden so eine eindimensionale Darstellung K −→<br />

χ<br />

K ⊗ K K[T ] = K[T ], die insbesondere ein K-Algebrenhomomorphismus ist, der durch<br />

den Wert an der Stelle 1 festgelegt wird. Sei jetzt h ∈ t ⊆ g = ( m/m 2) ∗<br />

⊆ K[T ]<br />

∗<br />

interpretiert als Abbildung<br />

K[T ] → K, f ↦→ ∑ h j<br />

∂f<br />

∂X j<br />

(1).<br />

Dann gilt<br />

und wir finden die Gleichung<br />

( ∑<br />

n<br />

˜χ(h) V = (id Vχ ⊗ h)(v ⊗ χ) = h(χ)v = α j h j<br />

)v<br />

tr(˜ρ(h) 2 ) = ∑<br />

χ=X α dim(V χ )(<br />

j=1<br />

n∑<br />

α j h j ) 2 ,<br />

die als Gleichung in Q lesbar ist (wegen charK = 0). Wenn jetzt für n − 1 über Q<br />

linear unabhängigen Elementen h ∈ t gilt tr(˜ρ(h) 2 = 0, dann folgt V χ = {0} für alle<br />

˜χ ≠ 0. Also hat V nur einen Gewichtsraum, nämlich V 0 . Damit ist ρ| T trivial, und<br />

somit sind wegen (ρ(g −1 tg) = ρ(g −1 )ρ(t)g(g) = id auch alle ˜ρ| g −1<br />

∪<br />

T g trivial. Da aber<br />

g∈SL n(K) g−1 T g in SL n (K) dicht ist (betrachte die Jordan-Normalform der Elemente<br />

und addiere kleine ϵ’s auf Diagonale um paarweise verschiedene Eigenwerte<br />

zu erzeugen, die die Diagonalisierbarkeit garantieren), ist auch ρ selbst trivial. Als<br />

Ergebnis erhalten wir: Wenn tr(˜ρ(h) 2 ) = 0 für alle h ∈ t, dann ist ρ trivial.<br />

Wir machen eine vorläufige Rechnung für n = 2, in der die zweite Gleichheit<br />

noch zu klären ist:<br />

Ω = ˜ρ<br />

(E ∗ F + F ∗ E + 1 )<br />

2 H ∗ H<br />

?<br />

= ˜ρ<br />

(EF + F E + 1 2 H2)<br />

( ( ) ( )<br />

0 1 0 0 ) ( ( ) ( )<br />

0 0 0 1 )<br />

= ˜ρ<br />

+ ˜ρ<br />

+ 1 ( ( )<br />

2 ˜ρ 1 0 )<br />

0 0 1 0<br />

( ( )<br />

1 0<br />

= ˜ρ ) +<br />

0 0<br />

= 3 ( ( )<br />

2 ˜ρ 1 0 )<br />

0 1<br />

= 3 2 ˜ρ(H2 ).<br />

( 0 0<br />

0 1<br />

)<br />

+ 1 2<br />

j=1<br />

1 0 0 0<br />

( ) 1 0 )<br />

0 1<br />

Sobald man diese Rechnung gerechtfertigt hat, liest man aus ihr ab, dass tr (˜ρ(H) 2) =<br />

tr ( 3<br />

2 ˜ρ(Ω)) = 0. Für die Rechtfertigung der Rechnung beachten wir, dass man die<br />

Darstellung ρ von SL n (K) zu einer Darstellung von GL n (K) (wieder durch ρ bezeichnet)<br />

fortsetzen kann, weil<br />

0 1


130 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

SL n (K) ∩ K · 1 n = {ξ1 n | ξ n = 1} ⊆ T,<br />

das heißt, wir können ρ(ξ1) = ξ id V ∗ für ξ ∈ K × setzen. Wenn i: SL n (K) → GL n (K)<br />

die Inklusion ist, dann interpretieren wir i als Darstellung auf K n und haben ρ = ρ◦i.<br />

Beim Übergang zu den Distributionenalgebren finden wir<br />

˜ρ(a ∗ b) = ˜ρ ◦ ĩ(a ∗ b) = ˜ρ ( ĩ(a)ĩ(b) ) = ˜ρ ( ab )<br />

für a, b ∈ sl n (K) ⊆ H ( SL n (K) ) . Diese Gleichung die Rechnung für n = 2, und für<br />

allgemeines n können wir rechnen<br />

( ∑<br />

(<br />

˜ρ(Ω) = ˜ρ E ij F ij + F ij E ij + 1 − 1 ) )1 n<br />

n<br />

i


✤<br />

5.4 Hilberts Endlichkeitssatz 131<br />

Beweis. (von Satz 5.4.8 Sei V sei eine endlich dimensionale algebraische Darstellung<br />

von SL n (K) und C V := ˜ρ(Ω) ∈ End K (V ) der zugehörige Casimir-Operator. Das<br />

charakteristische Polynom χ V (X) = det(X id V −C V ) von C V ist mit N := dim K V<br />

durch<br />

χ V (X) = det(X id V −C V ) = X N + c 1 X N−1 + . . . + c N −mX M<br />

gegeben, wobei c N −m ≠ 0 gilt. Wir setzen<br />

P (X) :=<br />

1<br />

c N−m X m χ V (X) = XN−m<br />

c N−m<br />

+ . . . + 1<br />

und betrachten P (C V ). Nach dem Satz von Cayley-Hamilton gilt χ V (C V ) = 0, also<br />

haben wir C m V P (C V ) = 0 und somit<br />

im ( P (C V ) ) ⊆ ker C m V<br />

5.4.12<br />

⊆<br />

V SL n(k)<br />

Sei jetzt U eine Unterdarstellung von V und v + U ∈ (V/U) SLn(k) . Dann ist U<br />

invariant unter C V und es gilt C V (v + U) ⊆ U. Also gilt C V v ∈ U und für v ′ :=<br />

P (C V )v erhalten wir v ′ − v ∈ U. Zusammen ergibt sich v ′ ∈ V SLn(K) ∩ (v + U),<br />

sodass nach Proposition 5.4.2 die Gruppe SL n (K) linear reduktiv ist.<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.4.13 (Hilbert). Sei (G = Spm(A), µ, ϵ, ι) eine linear reduktive algebraische<br />

Gruppe über K und K[X 1 , . . . , X n ] → K[X 1 , . . . , X n ] ⊗ A eine algebraische<br />

Darstellung, die sowohl die Graduierung als auch das Produkt erhält. Dann ist<br />

K[X 1 , . . . , X n ] G endlich erzeugt.<br />

↑ 21.1.2013 ↑<br />

Beweis. Wir setzen S := K[X 1 , . . . , X n ] und betrachten es als graduierten Ring<br />

S G = ⊕ l≥0 (SG ∩ S l ). Sei S+<br />

G := ⊕ l>0 (SG ∩ S l ) der K-Spann aller Invarianten<br />

vom Grad größer als 0 und J := (S+) G ✂ S das von S+ G in S erzeugte Ideal. Weil S<br />

noethersch ist, wird J von endlich vielen Elementen f 1 , . . . , f N ∈ S+ G erzeugt. Also<br />

ist der S-Modul-Homomorphismus<br />

ϕ: S ⊕ . . . ⊕ S → J,<br />

} {{ }<br />

N Kopien<br />

N∑<br />

(h 1 , . . . , h N ) ↦→ h j f j<br />

j=1<br />

surjektiv.<br />

Behauptung: S G wird von den f j erzeugt.<br />

Um das zu zeigen, betrachten wir ein homogenes Element h ∈ S G und zeigen mit<br />

Induktion (über deg h), dass h ∈ K[f 1 , . . . , f N ]. Das beweist dann die Behauptung,<br />

weil S G direkte Summe seiner homogenen Bestandteile ist. Der Induktionsanfang<br />

mit deg h = 0 ist klar, weil ein konstantes h in K liegt. Für deg h > 0 gilt h ∈ S G + ⊆<br />

J G . Die Gruppe G wirkt diagonal auf S ⊕ . . . ⊕ S, und bezüglich dieser Wirkung<br />

ist ϕ eine G-äquivariante Abbildung, wie man an folgendem Diagramm sieht:<br />

(h 1 , . . . , h N )<br />

❴<br />

ϕ<br />

∑ n<br />

j=1 h jf j<br />

✤<br />

g<br />

g<br />

(g · h 1 , . . . , g · h N )<br />

❴<br />

ϕ<br />

<br />

∑ N<br />

j=1 (g · h j)f j<br />

∗<br />

<br />

∑ N<br />

j=1 g · (h jf j )


132 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Dabei gilt die Gleichheit ∗, weil die Darstellung Produkt und Graduierung erhält:<br />

g · (h j f j ) = (g · h j )(g · f j ) = (g · h j ) f j . Wegen der linearen Reduktivität von G<br />

ist dann ϕ: S G ⊕ . . . ⊕ S G → J G surjektiv, das heißt es gibt h ′ 1, . . . , h ′ N ∈ SG<br />

mit h = ϕ(h ′ 1, . . . , h ′ N ) = ∑ N<br />

j=1 h′ j f j. Wegen deg f j > 0 haben wir deg h ′ j < deg h.<br />

Also zeigt Induktion, dass h ′ j ∈ K[f 1, . . . , f N ], woraus dann sofort h ∈ K[f 1 , . . . , f N ]<br />

folgt.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 5.4.14. Sei G = Spm A eine affine algebraische Gruppe, R endlich erzeugte<br />

K-Algebra und R → R ⊗ K A algebraische Darstellung. Dann gibt es Erzeuger<br />

r 1 , . . . , r N ∈ R für R, für die der lineare K-Spann ⟨r 1 , . . . , r N ⟩ K-VR ⊆ R eine G-<br />

Unterdarstellung ist.<br />

Beweis. Seien s 1 , . . . , s M Erzeuger für R, dann gibt es nach Lemma 5.3.6 endlichdimensionale<br />

G-invariante K-Vektorräume V 1 , . . . , V M mit s j ∈ V j . Aber dann ist die<br />

Summe V := ∑ M<br />

j=1 V j ebenfalls endlich dimensional und G-invariant. Jetzt ergänzt<br />

man s 1 , . . . , s M zu einem Erzeugendensystem von V .<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.4.15. Sei G eine linear reduktive algebraische Gruppe und R eine endlich<br />

erzeugte K-Algebra, auf der G algebraisch und durch K-Algebrenisomorphismen dargestellt<br />

wird. Dann ist R G endlich erzeugt.<br />

Beweis. Wir wähle Erzeuger r 1 , . . . , r N für R wie in Lemma 5.4.14. Sei V =<br />

⟨r 1 , . . . , r N ⟩ K-VR , dann hat man nach Lemma 5.4.14 auf V eine lineare G-Darstellung,<br />

die durch ein Formel der Bauart<br />

G → GL N (K), g ↦→ (a ij )<br />

gegeben ist, wobei g · r j = ∑ N<br />

i=1 a ijr i darstellende Matrix (a ij ) definiert. Sei jetzt<br />

S = K[X 1 , . . . , X N ]. Wir betrachten auf S folgende G-Wirkung:<br />

(g · f) := ∑<br />

α∈N N 0<br />

( ∑<br />

N ) α1<br />

( ∑<br />

N ) αN<br />

c α a i1 X i · . . . · a iN X i<br />

i=1<br />

i=1<br />

↑ 28.1.2013 ↑<br />

für f = ∑ α∈N<br />

c<br />

0<br />

N α X α1<br />

1 · . . . · X α N<br />

N<br />

. Diese Wirkung erfüllt die Voraussetzungen von<br />

Satz 5.4.13. Also ist der K-Algebrenhomomorphismus ϕ: S → R, der durch X j ↦→ r j<br />

definiert wird und ∑ c α X α auf ∑ c α r α abbildet, G äquivariant und surjektiv. Weil<br />

G linear reduktiv ist, ist dann auch ϕ: S G → R G surjektiv, und weil nach Satz 5.4.13<br />

die K-Algebra S G endlich erzeugt ist, gilt das auch für R G .<br />

⊓⊔<br />

Am 1.2.2013 gab es einen Ausblick auf weiterführende Resultate und<br />

Fragestellungen in der algebraischen <strong>Geometrie</strong>.<br />

5.5 Übungen zu Kapitel 5<br />

Übung 5.5.1. Sei (G = Spm(A), µ, ε, ι) eine affine algebraische Gruppe im Sinne von Definition<br />

5.1.1 und R eine K-Algebra. Zeige, dass G(R) bezüglich der Multiplikation<br />

Hom K (A, R) × Hom K (A, R) → Hom K (A, R), (g, h) ↦→ (g ⊗ h) ◦ µ<br />

eine Gruppe ist. Dabei ist g ⊗ h: A ⊗ K A → R durch (g ⊗ h)(a 1 ⊗ a 2) = g(a 1) h(a 2) und<br />

K-lineare Fortsetzung definiert.<br />

Übung 5.5.2 (Inverser Limes). Sei I eine Indexmenge mit einer Präordnung ≤ (d.h.<br />

reflexiv und transitiv), die gerichtet ist (d.h. zu n, m ∈ I gibt es l ∈ I mit n ≤ l und<br />

m ≤ l). Wir nennen (I, ≤) dann eine gerichtete Menge. Sei jetzt (X n ) n∈I eine durch I<br />

parametrisierte Familie von Mengen und für n ≥ m in I seien Abbildungen π n m : X n → X m<br />

gegeben, die folgende Eigenschaften Erfüllen:


5.5 Übungen zu Kapitel 5 133<br />

(a) ∀ n ∈ I : π n n = id Xn .<br />

(b) Wenn n ≥ m ≥ l in I, dann gilt π m l ◦ π n m = π n l .<br />

Dann heißt (X n, πm) n ein inverses oder projektives System. Die Menge<br />

{<br />

lim<br />

←− Xn := (x n) n∈I ∈ ∏ ∣ }<br />

∣∣<br />

X n ∀ n ≥ m : π<br />

n<br />

m (x n) = x m<br />

n∈I<br />

heißt der inverse oder projektive Limes des Systems. Zeige:<br />

(i) Wenn die X n alle Gruppen (Ringe, K-Vektorräume, K-Algebren) und die πm n alle<br />

Homomorphismen sind, dann ist auch limX ←− n eine Gruppe (Ring, K-Vektorraum, K-<br />

Algebra).<br />

(ii) Wenn A ein kommutativer Ring ist und M n := A[X]/(X n ) für n ∈ N, dann ist<br />

(M n ) n∈N zusammen mit den Abbildungen<br />

π n m : A[X]/(X n ) → A[X]/(X m ), f + (X n ) ↦→ f + (X m )<br />

ein inverses System von Ringen.<br />

(iii) lim ←−<br />

M n ist als Ring isomorph zum Ring der formalen Potenzreihen A[[X]] über A.<br />

Übung 5.5.3. Sei G eine endliche Gruppe, K ein algebraisch abgeschlossener Körper und<br />

K[G] die Gruppenalgebra von G (siehe Beispiel 5.1.4). Setze A := Hom K-VR (K[G], K) und<br />

statte A mit der punktweisen Addition und der punktweisen Multiplikation aus. Zeige:<br />

(i) A ist eine endlich erzeugte K-Algebra.<br />

(ii) A⊗ K A ist als K-Algebra isomorph zu Hom K-VR (K[G]× K K[G], K) mit den punktweisen<br />

Operationen.<br />

(iii) Sei m: K[G] × K[G] → K[G] die Multiplikation von K[G] und i: K[G] → K[G] die<br />

K-lineare Abbildung mit i(δ g) = δ g −1. Dann ist (Spm(A), µ, ε, ι) mit<br />

(a) µ: A → A ⊗ K A, a ↦→ a ◦ m<br />

(b) ε: A → K, a ↦→ a(δ 1 )<br />

(c) ι: A → A, a ↦→ a ◦ i<br />

eine affine algebraische Gruppe.<br />

Übung 5.5.4. Sei G = Z/nZ und R eine K-Algebra. Bestimme die Gruppe SpmA(R),<br />

wobei wie in Übung 5.5.3 die Algebra A durch Hom K-VR (K[G], K) mit der punktweisen<br />

Addition und der punktweisen Multiplikation gegeben ist (vgl. Übung 5.5.1).<br />

Übung 5.5.5. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und A := K[X]. Zeige:<br />

Spm(A) = A 1 K ist bzgl. der Abbildungen<br />

(M) µ: A → A ⊗ K A, X ↦→ X ⊗ 1 + 1 ⊗ X,<br />

(E) ε: A → K, X ↦→ 0,<br />

(I) ι : A → A, X ↦→ −X<br />

eine affine algebraische Gruppe. Wenn R eine K-Algebra ist, dann Spm(A)(R) die additive<br />

Gruppe von R.<br />

Übung 5.5.6. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper un A = K[X ij , det(X) −1 ],<br />

wobei X = (X ij ) eine n × n-Matrix von Variablen ist. Zeige: Spm(A) = GL n (K) ⊆<br />

Mat(n × n, K) ist bzgl. der Abbildungen<br />

(M) µ: A → A ⊗ K A, X ij ↦→ ∑ n<br />

l=1 X il ⊗ X lj ,<br />

(E) ε: A → K, X ij → δ ij (Kronecker-Delta),<br />

(I) ι : A → A, X ij ↦→ det(X) −1 (X adj ) ij (adjunkte Matrix aus der Cramerschen Regel)<br />

eine affine algebraische Gruppe. Wenn R eine K-Algebra ist, dann ist<br />

Spm(A)(R) = GL n(R)<br />

die Gruppe der invertierbaren Matrizen mit Einträgen in R.


134 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Übung 5.5.7. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, V ein endlich dimensionaler<br />

K-Vektorraum und A eine kommutative K-Algebra. Betrachte V ∗ als linearen Unterraum<br />

der Koordinatenalgebra K[V ] und zeige:<br />

(i) Jede K-lineare Abbildung ρ: V ∗ → V ∗ ⊗ K A lässt sich in eindeutiger Weise zu einem<br />

Homomorphismus K[V ] → K[V ] ⊗ K A von K-Algebren fortsetzen.<br />

(ii) Wenn A = K[G] der Ring der regulären Funktionen einer (irreduziblen) affinen algebraischen<br />

Gruppe ist und ρ: V ∗ → V ∗ ⊗ K A eine algebraische Darstellung im Sinne<br />

von Definition 5.2.3, dann definiert der aus der Fortsetzung K[V ] → K[V ] ⊗ K A von ρ<br />

gewonnene Morphismus ˜ρ: V × G → V eine Rechts-G-Wirkung auf V .<br />

(iii) Sei (v 1 , . . . , v n ) eine angeordnete Basis für V und ϕ: G → GL n (K) der aus ˜ρ und<br />

der Basis gewonnene Gruppenhomomorphismus. Dann ist ϕ ein Morphismus affiner<br />

algebraischer Varietäten.<br />

(iv) In der Situation von (iii) definiere eine K-lineare Abbildung K n → K n ⊗ K A durch<br />

e i ↦→ ∑ n<br />

j=1 ej ⊗ ϕ∗ (X ji), wobei X die Matrix der Erzeuger von K[Mat(n × n, K)] ist<br />

und e 1, . . . , e n die Standardbasis für K n . Identifiziert man K n über die zu (v 1, . . . , v n)<br />

duale Basis für V ∗ , dann erhält man auf diese Weise ρ zurück.<br />

Übung 5.5.8. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und A = K [ X, 1 X<br />

]<br />

. Zeige:<br />

Spm(A) = A 1 K \ {0} ist bzgl. der Abbildungen<br />

(M) µ: A → A ⊗ K A, X ↦→ X ⊗ X,<br />

(E) ε: A → K, X ↦→ 1,<br />

(I) ι : A → A, X ↦→ 1 X<br />

eine affine algebraische Gruppe. Wenn R eine K-Algebra ist, dann Spm(A)(R) die multiplikative<br />

Einheitengruppe von R.<br />

Übung 5.5.9. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und A = K[X ij , det(X) −1 ] wie<br />

in Übung 5.5.6 und B = A/(det(X) − 1) = K[X ij ]/(det(X) − 1). Zeige: Die Abbildungen<br />

µ, ε und ι aus Übung 5.5.6 induzieren Abbildungen<br />

(M) µ 0 : B → B ⊗ K B,<br />

(E) ε 0 : B → K,<br />

(I) ι 0 : B → B<br />

bezüglich denen Spm(B) = SL n (K) ⊆ Mat(n × n, k) eine affine algebraische Gruppe ist.<br />

Wenn R eine K-Algebra ist, dann Spm(B)(R) = SL n (R) die Gruppe der n × n-Matrizen<br />

mit Einträgen in R und Determinante 1.<br />

Übung 5.5.10. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und V ein endlich dimensionaler<br />

K-Vektorraum und G = Spm(A) eine affine algebraische Gruppe. Weiter sei<br />

ρ: V ∗ → V ∗ ⊗ K A eine algebraische Darstellung im Sinne von Definition 5.2.3. Betrachte<br />

V ∗ als linearen Unterraum der Koordinatenalgebra K[V ] und ˜ρ: V × G → V die in<br />

Übung 5.5.7 aus ρ gewonnene Rechts-G-Wirkung. Man zeige:<br />

(i) Durch ⟨g · ν, v⟩ = ⟨ν, ˜ρ(v, g)⟩ wird eine lineare Darstellung<br />

G × V ∗ → V ∗ , (g, ν) ↦→ g · ν.<br />

definiert.<br />

(ii) ∀ν ∈ V ∗ : ρ(ν) = ν ⊗ 1 ⇔ (∀g ∈ G : g · ν = ν).<br />

(iii) ∀ W ≤ V ∗ : ρ(W ) ⊆ W ⊗ K A ⇔ (∀g ∈ G, ω ∈ W : g · ω ∈ W ).<br />

Übung 5.5.11. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, G = Spm(A) eine affine<br />

algebraische Gruppe über K und X = Spm(R) eine affine algebraische K-Varietät.<br />

(i) Sei µ R : R → R ⊗ K A eine algebraische Wirkung im Sinne von Definition 5.2.13. Zeige,<br />

dass der zugehörige Morphismus X × G → X eine G-Rechtswirkung ist.<br />

(ii) Gib eine Umformulierung von Definition 5.2.13 an, für die der zugehörige Morphismus<br />

eine G-Linkswirkung wird.


5.5 Übungen zu Kapitel 5 135<br />

Übung 5.5.12. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, T = Spm(A) ein algebraischer<br />

Torus über K und X(T ) die Menge der Charaktere von T . Zeige<br />

von T ist die direkte Summe von Semiinvarian-<br />

V =<br />

⊕<br />

V χ .<br />

(i) X(T ) ist eine K-Basis für A.<br />

(ii) Jede algebraische Darstellung V<br />

tenräumen:<br />

χ∈X(T )<br />

Übung 5.5.13. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper der Charakteristik 0 und<br />

V = K[t]. Betrachte die K-lineare Abbildung f : V → V , die f(t n ) = nt n−1 für n ∈ N<br />

erfüllt, und zeige, dass durch<br />

µ V (v) := ∑ n∈N 0<br />

f n (v) ⊗ Xn<br />

n!<br />

eine algebraische Darstellung µ V : V → V ⊗ K[X] der additiven Gruppe G a über K definiert<br />

wird.<br />

Übung 5.5.14. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper der Charakteristik 0 und<br />

X = Spm(R) eine affine algebraische K-Varietät. Zeige, dass jede algebraische Wirkung<br />

µ R : R → R ⊗ K[X] der additiven Gruppe G a über K auf X durch eine lokal nilpotente<br />

Derivation D : R → R fest gelegt wird, für die gilt:<br />

µ R(f) =<br />

∞∑<br />

n=0<br />

D n (f) ⊗ Xn<br />

n! .<br />

Übung 5.5.15. Zeige, dass die Determinante als Element von K[X 11, . . . , X nn] irreduzibel<br />

ist.<br />

Hinweis: Setze det(X) = fh an und betrachte den Totalgrad von f, h und det(X) in den<br />

Variablen X 11 , . . . , X 1n .<br />

Übung 5.5.16. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, V ein endlichdimensionaler<br />

K-Vektorraum und V → V ⊗ K K [ X, 1 X<br />

]<br />

eine Darstellung vom Gewicht n. Bestimme die in<br />

Übung 5.5.7 konstruierte zugehörige lineare Darstellung der multiplikativen Gruppe G m<br />

über K auf V ∗ .<br />

Übung 5.5.17. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, A eine endlich erzeugte K-<br />

Algebra und ε: A → K eine Homomorphismus von K-Algebren. Zeige, dass der Kern des<br />

Homomorphismus ε⊗ε: A⊗ K A → K⊗ K K ∼ = K gleich (A⊗ K ker ε)+(ker ε⊗ K A) ⊆ A⊗ K A<br />

ist.<br />

Übung 5.5.18. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und G = Spm(A) eine affine<br />

algebraische Gruppe mit Komultiplikation µ. Zeige, dass die Menge H(G) der lokalen<br />

Distributionen mit Träger im Einselement e ∈ G zusammen mit der durch<br />

α ∗ β := (α ⊗ β) ◦ µ<br />

definierten Multiplikation eine assoziative Algebra ist.<br />

Übung 5.5.19. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und ϕ: G → H ein Morphismus<br />

zwischen affinen algebraischen Gruppen (d.h., ein Morphismus von affinen Varietäten,<br />

der auch ein Gruppehomomorphismus ist). Wir bezeichnen den zugehörigen Homomorphismus<br />

von K-Algebren K[H] → K[G] mit φ und die maximalen Ideale an den Einselementen<br />

in G bzw. H mit m und n. Zeige, dass die von φ induzierten k-linearen Abbildungen<br />

(K[H]/n d+1 ) ∗ → (K[G]/m d+1 ) ∗<br />

mit d ∈ N 0 mit den Multiplikationen von H(G) und H(H) verträglich sind.


136 5 <strong>Algebraische</strong> Gruppen<br />

Übung 5.5.20. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und G = Spm(A) eine affine<br />

algebraische Gruppe mit Komultiplikation µ. Zeige, dass die Lie-Algebra g ⊆ H(G) aller<br />

lokalen Distributionen mit Träger im Einselement e ∈ G vom Grad 1 unter der Lie-<br />

Klammer [α, β] := α ∗ β − β ∗ α abgeschlossen ist. Zeige weiter:<br />

(i) [·, ·]: g × g → g ist K-bilinear und schiefsymmetrisch.<br />

(ii) ∀α, β, γ ∈ g : [α, [β, γ]] = [[α, β], γ] + [β, [α, γ]].<br />

Übung 5.5.21. Zeige, dass die K-Algebra H(G m ) für die multiplikative Gruppe über dem<br />

algebraisch abgeschlossenen Körper K von dem Element E =<br />

d<br />

∣ : K[X, X −1 ] → K<br />

X=1<br />

erzeugt wird.<br />

((<br />

Hinweis: Es gilt (E ∗ E)(f) =<br />

d<br />

dX<br />

) 2f )<br />

(1).<br />

dX<br />

Übung 5.5.22. Zeige, dass die K-Algebra H(G a ) für die additive Gruppe über dem algebraisch<br />

abgeschlossenen Körper K von dem Element D =<br />

d<br />

∣ : K[X] → K erzeugt<br />

X=0<br />

wird.<br />

Übung 5.5.23. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, ρ: G → GL(V ) ein algebraischer<br />

Homomorphismus und ˜ρ: H(G) → End(V ) der zugehörige Ringhomomorphismus<br />

aus Lemma 5.3.13. Weiter sei End(V ) mit der G-Wirkung T ↦→ ρ(g)T ρ(g) −1 ausgestattet.<br />

Man zeige, dass ˜ρ bezüglich dieser Wirkung und der in Lemma 5.3.19 konstruierten<br />

G-Wirkung auf H(G) äquivariant ist.<br />

Übung 5.5.24. Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper, V ein endlich dimensionaler<br />

K-Vektorraum und β : V ×V → K eine nicht ausgeartete, schiefsymmetrische Bilinearform.<br />

Betrachte<br />

Sp(V ) := {g ∈ GL(V ) | ∀v, v ′ ∈ V : β(gv, gw) = β(v, w)}<br />

und zeige:<br />

(i) dim K (V ) ist gerade.<br />

(ii) Sp(β) ist eine affine algebraische Gruppe (genannt die symplektische Gruppe).<br />

(iii) Die Lie-Algebra von Sp(β) ist<br />

sp(β) = {X ∈ gl(V ) | ∀v, v ′ ∈ V : β(Xv, w) + β(v, Xw) = 0}.<br />

Übung 5.5.25. Sei k ein algebraisch abgeschlossener Körper, V ein endlich dimensionaler<br />

k-Vektorraum und β : V × V → k eine nicht ausgeartete, symmetrische Bilinearform.<br />

Betrachte<br />

O(V ) := {g ∈ GL(V ) | ∀v, v ′ ∈ V : β(gv, gw) = β(v, w)}<br />

und zeige:<br />

(i) O(β) ist eine affine algebraische Gruppe (genannt die orthogonale Gruppe).<br />

(ii) Die Lie-Algebra von O(V ) ist<br />

o(β) = {X ∈ gl(V ) | ∀v, v ′ ∈ V : β(Xv, w) + β(v, Xw) = 0}.<br />

dX


Teil III<br />

Anhang


A<br />

Ringe<br />

In diesem Kapitel werden elementare Strukturaussagen für Ringe bewiesen. Ringe<br />

verallgemeinern in natürlicher Weise sowohl das Konzept der ganzen Zahlen mit<br />

Addition und Multiplikation als auch das der quadratischen Matrizen mit komponentenweiser<br />

Addition und Matrizenmultiplikation oder das der Polynomfunktionen<br />

mit punktweiser Addition und Multiplikation. Kanonisch ergeben sich aus der Definition<br />

eines Rings die Begriffe Unterring und Quotientenring, wobei die Suche nach<br />

einem geeigneten Quotientenbegriff auf das Konzept des Ideals führt. Ebenso kanonisch<br />

ist der Begriff des Ringhomomorphismus, der den Vergleich verschiedener<br />

Ringe möglich macht. Weitere Begriffsbildungen wie die Nullteilerfreiheit, Gradfunktion,<br />

Primelemente oder der Polynomring werden aus den speziellen Beispielen<br />

durch Abstraktion gewonnen. Ein wesentliches Resultat dieses Kapitels ist, dass sich<br />

die Zerlegbarkeit der Elemente in Primelemente von einem Ring auf den zugehörigen<br />

Polynomring vererbt. Es geht auf Gauß zurück.<br />

A.1 Ringe und Ideale<br />

Definition A.1.1. Sei R ≠ ∅ eine Menge sowie +: R × R → R (Addition) und<br />

·: R × R → R (Multiplikation) zwei Abbildungen. (R, +, ·) heißt Ring, wenn die<br />

folgenden Eigenschaften gelten.<br />

(i) (R, +) ist eine abelsche Gruppe.<br />

(ii) (R, ·) ist ein Monoid.<br />

(iii) (x + y) · z = x · z + y · z ( ”<br />

Punkt vor Strich“) für alle x, y, z ∈ R<br />

(Rechts-Distributivgesetz).<br />

(iii’) z · (x + y) = z · x + z · y ( ”<br />

Punkt vor Strich“) für alle x, y, z ∈ R<br />

(Links-Distributivgesetz).<br />

Ein Ring (R, +, ·) heißt kommutativ, wenn xy = yx für alle x, y ∈ R gilt (multiplikatives<br />

Kommutativgesetz).<br />

Das Distributivgesetz ist eine Verträglichkeitsbedingung für beide Verknüpfungen.<br />

Die Assoziativgesetze erlauben das Weglassen von Klammern bei mehrfachen Verknüpfungen.<br />

In der Regel wird der Punkt in der Multiplikation weggelassen.<br />

Beispiel A.1.2. (i) Jeder Körper ist ein kommutativer Ring.<br />

(ii) (Z, +, ·) ist ein kommutativer Ring.


140 A Ringe<br />

(iii) Die n×n-Matrizen Mat(n×n, R) über einem Ring formen bzgl. der üblichen Matrizenaddition<br />

und Multiplikation einen Ring mit der Einheitsmatrix als Einselement.<br />

(iv) Sei V ein K-Vektorraum. Dann ist die Menge End K (V ) = Hom K (V, V ) der<br />

linearen Selbstabbildungen von V ein Ring bzgl. der punktweisen Addition und<br />

der Hintereinanderschaltung als Multiplikation.<br />

(v) Sei M eine Menge und R ein Ring. Dann ist die Menge {f : M → R} der<br />

R-wertigen Abbildungen mit der punktweisen Addition und der punktweisen<br />

Multiplikation ein Ring mit der konstanten Funktion 1 als Einselement.<br />

(vi) Diverse Funktionenräume sind bzgl. der punktweisen Operationen kommutative<br />

Ringe: Dies ist z.B. der Fall für C k (]a, b[), der Raum der k-mal stetig differenzierbaren<br />

Funktionen auf dem Intervall ]a, b[.<br />

(vii) Z[i] := Z + iZ := {c ∈ C | c = a + ib; a, b ∈ Z} ist ein Ring bzgl. der komplexen<br />

Addition und der komplexen Multiplikation. Er heißt der Ring der Gaußschen<br />

Zahlen.<br />

⊓⊔<br />

Proposition A.1.3. Sei (R, +, ·) ein Ring. Dann gilt<br />

(i) Es gibt nur ein Einselement.<br />

(ii) Es gibt nur ein Nullelement.<br />

(iii) Zu jedem x ∈ R gibt es nur ein additives Inverses. Dieses wird mit −x bezeichnet.<br />

Insbesondere gilt −(−x) = x.<br />

(iv) 0 · x = x · 0 = 0 für alle x ∈ R.<br />

(v) x(−y) = −xy, (−x)y = −xy für alle x, y ∈ R.<br />

Beweis. Idee: Dies sind direkte Folgerungen aus den Definitionen.<br />

(i) Seien 1 und 1 ′ Einselemente. Dann gilt 1 = 1 · 1 ′ = 1 ′ .<br />

(ii) Seien 0 und 0 ′ Nullelemente. Dann gilt 0 = 0 + 0 ′ = 0 ′ .<br />

(iii) Seien x ′ und x ′′ additive Inverse von x. Dann gilt<br />

x ′ = 0 + x ′ = (x ′′ + x) + x ′ = x ′′ + (x + x ′ ) = x ′′ + 0 = x ′′ .<br />

(iv) 0 · x + 0 · x = (0 + 0) · x = 0 · x. Aber wenn y + y = y, dann folgt<br />

y = 0 + y = (−y + y) + y = −y + y = 0.<br />

(v) x(−y) + xy = x(−y + y) = x · 0 = 0.<br />

⊓⊔<br />

Definition A.1.4. Sei (R, +, ·) ein Ring. Eine Teilmenge S von R heißt ein Unterring<br />

von R, wenn (S, +, ·) selbst ein Ring ist und 1 ∈ S gilt. Die Menge<br />

Cent(R) = {r ∈ R | (∀s ∈ R) sr = rs}<br />

heißt das Zentrum. Ein Element r ∈ R heißt eine Einheit, wenn es ein s ∈ R<br />

mit rs = 1 = sr gibt. Die Menge der Einheiten von R wird mit Unit(R) oder auch<br />

R × bezeichnet. Sei 1 ≠ 0, d.h. R ≠ {0}. Dann heißt R ein Divisionsring oder<br />

Schiefkörper, wenn Unit(R) = R \ {0}.


A.1 Ringe und Ideale 141<br />

Beispiel A.1.5. (i) Z hat keine echten Unterringe. Die Einheiten von Z sind 1 und<br />

−1.<br />

(ii) C k+1 (]a, b[) ist ein Unterring von C k (]a, b[). Die Einheiten von C k (]a, b[) sind<br />

gerade die k-fach stetig differenzierbaren Funktionen, die nirgendwo verschwinden.<br />

(iii) Sei R = Mat(n × n, K). Dann gilt Cent(R) = K1. Außerdem bilden z.B. die<br />

Diagonalmatrizen oder die oberen Dreiecksmatrizen Unterringe von R. Die Einheiten<br />

von R sind gerade die invertierbaren Matrizen.<br />

(iv) Ein kommutativer Ring mit 1 ≠ 0 ist ein Divisionsring genau dann, wenn er ein<br />

Körper ist.<br />

Beispiel A.1.6. Sei H = R 4 mit einer vorgegebenen Basis, die mit {1, i, j, k} bezeichnet<br />

wird. Wir setzen<br />

· 1 i j k<br />

1 1 i j k<br />

i i −1 k −j<br />

j j −k −1 i<br />

k k j −i −1<br />

Setzt man jetzt die Multiplikation {1, i, j, k} × {1, i, j, k} → H reell bilinear<br />

fort, so erhält man eine Multiplikation bzgl. der (H, +, ·) zu einem Divisionsring,<br />

den Quaternionen, wird. Dabei ist das multiplikative Inverse eines Elements z =<br />

r + is + ju + kv ≠ 0 durch<br />

z −1 =<br />

r − is − ju − kv<br />

r 2 + s 2 + u 2 + v 2<br />

gegeben. Die Ähnlichkeit mit der Konstruktion der komplexen Zahlen ist evident.<br />

Übung A.1.1. Sei (R, +, ·) ein Ring.<br />

(i) Zeige: Cent(R) ist ein kommutativer Unterring von R.<br />

(ii) Zeige: ( Unit(R), ·) ist eine Gruppe, d.h. · ist assoziativ, es existiert ein Einselement<br />

und zu jedem Element ein Inverses.<br />

(iii) Sei n ∈ Z und r ∈ R. Gib eine Definition für r n an und weise r n r m = r n+m nach.<br />

Zeige weiter, dass (rs) n = r n s n gilt, falls s ∈ R mit r kommutiert, d.h. rs = sr.<br />

(iv) Zeige: Wenn zu jedem r ∈ R \ {0} ein s ∈ R mit rs = 1 existiert, dann ist R ein<br />

Divisionsring.<br />

(v) Sei a ∈ Unit(R) und x ∈ R mit ax = 0. Zeige: x = 0.<br />

Definition A.1.7. Sei R ein Ring und X 1 , . . . , X k Symbole. Elemente von N k 0 nennen<br />

wir Multiindizes. Sie seien durch i = (i 1 , . . . , i k ) bezeichnet. Die Summe von<br />

zwei Multiindizes sei komponentenweise gegeben.<br />

(i) Eine formale Potenzreihe in X 1 , . . . , X k mit Koeffizienten in R ist eine formale<br />

Summe<br />

∑<br />

a i X i := ∑<br />

a i X i1<br />

1 · · · Xi k<br />

k<br />

,<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

wobei die a i ∈ R sind. Dies ist zunächst nichts anderes als eine suggestive<br />

Schreibweise für eine Folge (a i ) i∈N k<br />

0<br />

von Elementen in R. Der Sinn dieser<br />

Schreibweise liegt darin, dass sie die folgende Multiplikation auf der Menge


142 A Ringe<br />

R[[X 1 , . . . , X k ]] aller formalen Potenzreihen in X 1 , . . . , X k natürlich“ erscheinen<br />

lässt, weil sie das Ausmultiplizieren“ von Produkten von endlichen Sum-<br />

”<br />

”<br />

men nachahmt (man nennt dies das Cauchy–Produkt):<br />

⎛ ⎞ ⎛ ⎞<br />

⎝ ∑<br />

a i X i ⎠ ⎝ ∑<br />

b i X i ⎠ := ∑ ( ) ∑<br />

a l b m X i .<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

l+m=i<br />

Neben diesem Produkt hat man noch die übliche koeffizientenweise Addition:<br />

⎛ ⎞ ⎛ ⎞<br />

⎝ ∑<br />

a i X i ⎠ + ⎝ ∑<br />

b i X i ⎠ := ∑<br />

(a i + b i )X i .<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

(ii) Eine formale Potenzreihe ∑ i∈N<br />

a k i X i heißt Polynom, wenn nur endlich viele<br />

0<br />

a i von Null verschieden sind. Der Grad eines Polynoms 0 ≠ f = ∑ i∈N<br />

a k i X i<br />

0<br />

ist gegeben durch<br />

deg(f) := max{|i|: a i ≠ 0},<br />

wobei |i| := i 1 + . . . + i k . Außerdem setzt man deg(0) := −∞. Wenn a i ≠ 0 nur<br />

für |i| = d gilt, dann heißt f homogen vom Grad d. Die Menge der Polynome<br />

in X 1 , . . . , X k über R wird mit R[X 1 , . . . , X k ] bezeichnet. Die Teilmenge der<br />

homogenen Polynome vom Grad d bezeichnen wir mit R[X 1 , . . . , X k ] d .<br />

Wenn k = 1, dann heißt a deg f der Leitkoeffizient von f. Ist der Leitkoeffizient<br />

gleich 1, so heißt f monisch oder normiert.<br />

Proposition A.1.8. Seien R ein Ring und X 1 , . . . , X k Symbole.<br />

(i) Die Menge R[[X 1 , . . . , X k ]] mit den in Definition A.1.7 angegebenen Verknüpfungen<br />

ist ein Ring, der genau dann kommutativ ist, wenn R kommutativ<br />

ist.<br />

(ii) R[X 1 , . . . , X k ] ist ein Unterring von R[[X 1 , . . . , X k ]].<br />

Beweis. Idee: Dies sind reine Routinerechnungen.<br />

⊓⊔<br />

Übung A.1.2. Sei R ein Ring. Zeige, dass 1 − X eine Einheit im Ring R[[X]] der formalen<br />

Potenzreihen in einer Variablen über R ist.<br />

Übung A.1.3. Sei R ein Ring und X 1, . . . , X k Symbole. Zeige:<br />

(i) R[[X 1, . . . , X k−1 ]][[X k ]] ist isomorph zu R[[X 1, . . . , X k ]].<br />

(ii) R[X 1 , . . . , X k−1 ][X k ] ist isomorph zu R[X 1 , . . . , X k ].<br />

Definition A.1.9. Sei R ein Ring. Eine Teilmenge I ⊆ R heißt ein Ideal von R,<br />

wenn<br />

I − I ⊆ I, RI ⊆ I, IR ⊆ I.<br />

Man schreibt I ✂ R, wenn I ein Ideal in R ist.<br />

Definition A.1.10. Seien R und S Ringe mit Einselementen 1 R bzw. 1 S . Eine<br />

Abbildung ϕ: R → S heißt ein Ringhomomorphismus, wenn gilt


(a) ϕ(x + y) = ϕ(x) + ϕ(y) für alle x, y ∈ R.<br />

(b) ϕ(xy) = ϕ(x)ϕ(y) für alle x, y ∈ R.<br />

(a) ϕ(1 R ) = 1 S .<br />

A.1 Ringe und Ideale 143<br />

Wir bezeichnen das Bild von ϕ mit im (ϕ) und den Kern ϕ −1 (0 S ) von ϕ mit ker (ϕ).<br />

Wenn ϕ bijektiv ist, heißt ϕ ein Isomorphismus.<br />

Es folgt unmittelbar aus den Definitionen, dass im (ϕ) ein Unterring von S ist,<br />

während ker (ϕ) niemals ein Unterring von R, aber immer ein Ideal in R ist.<br />

Beispiel A.1.11. (i) Sei n ∈ Z. Dann ist nZ = {nx ∈ Z | x ∈ Z} ein Ideal in<br />

Z. Da jedes Ideal in Z automatisch eine Untergruppe von (Z, +) ist, zeigt die<br />

nachfolgende Proposition A.1.12, dass hat diese Gestalt hat.<br />

(ii) Die Auswertung einer Funktion an einer Stelle x liefert Ringhomomorphismen<br />

ev x : C k (]a, b[) → R, f ↦→ f(x). Allgemeiner kann man Funktionen auch auf<br />

Teilmengen einschränken, z.B.<br />

rest ]c,d[ : C k (]a, b[) → C k (]c, d[),<br />

f ↦→ f| ]c,d[<br />

für ein Teilintervall ]c, d[ ⊆ ]a, b[. Die zugehörigen Kerne bestehen aus den Funktionen,<br />

die auf {x} bzw. ]c, d[ verschwinden.<br />

(iii) Der Ring R = Mat(n × n, K) enthält keine Ideale außer {0} und R. In der Tat,<br />

durch geeignete Multiplikation von links und rechts mit Matrizen, die nur einen<br />

von 0 verschiedenen Eintrag haben, sieht man, dass jedes von {0} verschiedene<br />

Ideal alle solche Matrizen und dann ganz R enthält.<br />

(iv) Sei R ein kommutativer Ring. Dann ist aR für jedes a ∈ R ein Ideal, das man<br />

das von a erzeugte Hauptideal nennt.<br />

(v) Sei R ein kommutativer Ring und A ⊆ R. Dann ist { ∑ n<br />

j=1 a jr j | r j ∈ R, a j ∈<br />

A, n ∈ N} ein Ideal, das man das von A erzeugte Ideal nennt. ( ) r 0<br />

(vi) Sei R = R und R ′ = Mat(2 × 2, R). Dann ist die durch φ(r) = definierte<br />

Abbildung ( ) φ: R → R ′ ein Ringhomomorphismus, nicht dagegen die durch<br />

0 r<br />

r 0<br />

ψ(r) = definierte Abbildung (erhält die Eins nicht).<br />

0 0<br />

Proposition A.1.12. Jede Untergruppe I von (Z, +) ist von der Form dZ mit d ∈<br />

N ∪ {0}.<br />

Beweis. Wenn I = {0} ist, dann wählen wir d = 0. Andernfalls finden wir ein von<br />

Null verschiedenes Element n ∈ I. Wegen I − I ⊆ I ist dann auch −n ∈ I und wir<br />

können annehmen, dass n > 0 ist. Sei d die kleinste positive Zahl in I und k ∈ I.<br />

Teilen mit Rest liefert k = md + r für ein m ∈ Z und 0 ≤ r < d. Weil aber NI ⊆ I<br />

und I = −I gilt, haben wir ZI ⊆ I. Also gilt r = k − md ∈ I, so dass wegen der<br />

Minimalität von d die Gleichheit r = 0 und somit k ∈ dZ folgt. Da umgekehrt mit<br />

d auch dZ in I ist, gilt I = dZ.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung A.1.13. Seien S ⊆ R kommutative Ringe und A = {f : R → R | f<br />

Polynomfunktion in einer Variablen} (d.h. f(λ) = a 0 + a 1 λ + . . . + a n λ n ). Wir<br />

definieren eine Abbildung Φ: S[X] → A durch<br />

Φ ( a 0 + a 1 X + . . . + a n X n) (λ) = ( a 0 + a 1 Φ(X) + . . . + a n Φ(X) n) (λ)<br />

= a 0 + a 1 λ + . . . + a n λ n .


144 A Ringe<br />

Offensichtlich ist Φ : S[X] −→ A ein Ringhomomorphismus. Allerdings ist Φ im<br />

allgemeinen nicht injektiv, selbst wenn S = R gilt: Wähle z.B. R = {0, 1}. Dies ist<br />

ein Körper und für F = X + X 3 gilt<br />

Φ(F )(λ) = λ + λ 3 = 0 ∀λ ∈ R.<br />

Verknüpft man Φ noch mit der Auswertung in einem festen Punkt λ o ∈ R, so<br />

erhält man den Auswertungshomomorphismus<br />

S[X] → R<br />

a 0 + a 1 X + . . . + a n X n ↦→ a 0 + a 1 λ o + . . . + a n λ n o .<br />

Beispiel A.1.14. Sei K ein Körper und A ∈ Mat(n × n, K), A = (a ij ) i,j=1,...,n .<br />

Betrachte<br />

B = (a ij − X δ ij ) i,j=1,...,n ∈ Mat(n × n, K[X])<br />

und setze<br />

χ A := det B = ∑<br />

σ∈S n<br />

sign (σ) [ (a 1σ(1) − X δ 1σ(n) ) · · · (a nσ(n) − X δ nσ(n) ) ] .<br />

Dann ist χ A ∈ K[X] das charakteristische Polynom von A.<br />

Frage: Kollidiert dies mit der Definition des charakteristischen Polynoms in der<br />

linearen Algebra?<br />

Antwort: Sei Φ die Auswertung von Polynomen wie in Bemerkung A.1.13. Dann gilt<br />

Φ(χ A )(λ) = det(A − λ1) = χ A (λ).<br />

d.h. die Definitionen liefern bei Auswertung das Gleiche.<br />

⊓⊔<br />

Proposition A.1.15. Sei R ein Ring und I ⊆ R ein Ideal.<br />

(i) Durch x ∼ y für x − y ∈ I wird eine Äquivalenzrelation auf R definiert, deren<br />

Äquivalenzklassen durch<br />

[x] := x + I := {x + i | i ∈ I}<br />

gegeben sind.<br />

(ii) Die Menge R/I der Äquivalenzklassen unter ∼ ist ein Ring bzgl. der Addition<br />

[x] + [y] := [x + y]<br />

∀x, y ∈ R<br />

und der Multiplikation<br />

[x] · [y] := [x · y] ∀x, y ∈ R.<br />

Dieser Ring heißt der Quotientenring von R nach I.<br />

(iii) Die Abbildung ϕ: R → R/I, r ↦→ r + I ist ein surjektiver Ringhomomorphismus<br />

mit Kern I.<br />

Beweis. Idee: Der Beweis geht in wesentlichen Teilen so wie für Quotientenvektorräume.<br />

Nur für die Wohldefiniertheit der Multiplikation auf R/I muss man RI ⊆ I und IR ⊆ I<br />

benützen.<br />

Die Details seien als Übung dem Leser überlassen.<br />

⊓⊔


A.1 Ringe und Ideale 145<br />

Beispiel A.1.16. Sei n ∈ Z. Dann ist Z/nZ gerade der Ring der Restklassen<br />

modulo n.<br />

⊓⊔<br />

Proposition A.1.17. Sei ϕ: R → S ein Ringhomomorphismus sowie I ⊆ R und<br />

J ⊆ S Ideale mit ϕ(I) ⊆ J. Dann definiert<br />

ϕ(r + I) := ϕ(r) + J<br />

einen Ringhomomorphismus ϕ: R/I → S/J.<br />

Beweis. Idee: Die Wohldefiniertheit folgt sofort aus ϕ(I) ⊆ J, der Rest ist eine Routinerechnung.<br />

Die Details seien als Übung dem Leser überlassen.<br />

⊓⊔<br />

Übung A.1.4. Seien R und S Ringe und R ′ ein Unterring von R. Zeige<br />

(i) Wenn ϕ: R → S ein Ringhomomorphismus ist, dann ist ϕ(R) isomorph zu R/ ker (ϕ).<br />

(ii) Jedes homomorphe Bild von R ist isomorph zu R/I für ein Ideal I in R.<br />

(iii) Für jedes Ideal I von R ist R ′ ∩ I ein Ideal von R ′ und R ′ + I ein Unterring von R.<br />

(iv) Für jedes Ideal I von R gilt R ′ /(R ′ ∩ I) ∼ = (R ′ + I)/I.<br />

(v) Für zwei Ideale I ⊆ J von R ist J/I := {j + I | j ∈ J} ein Ideal in R/I und es gilt<br />

(R/I)/(J/I) ∼ = R/J.<br />

Übung A.1.5. Sei R ein Ring und J ⊂ R ein Linksideal, d.h. es gilt J + J ⊆ J und<br />

Untergruppe mit RJ ⊆ J. Definiere den Idealisator von J in R durch<br />

i R (J) := {a ∈ R | Ja ⊂ J}.<br />

Zeige, dass i R (J) der größte Unterring von R ist, in dem J ein zweiseitiges Ideal ist.<br />

Übung A.1.6. Sei (R, +, ·) ein Ring, Cent(R) sein Zentrum und R × = Unit(R) die Menge<br />

der Einheiten. Zeige:<br />

1. Cent(R) ist ein kommutativer Unterring von R.<br />

2. (R × , ·) ist eine Gruppe.<br />

3. Wenn ax = 0 für a ∈ R × und x ∈ R, so ist x = 0.<br />

4. (c) gilt im Allgemeinen nicht für Elemente a, x ∈ R.<br />

5. Wenn 1 ≠ 0 und zu jedem r ∈ R \ {0} ein s ∈ R existiert mit rs = 1, dann ist R ein<br />

Divisionsring.<br />

Übung A.1.7 (Polynomringe). Sei R ein nullteilerfreier Ring, d.h. für alle r, s ∈ R gilt:<br />

Aus rs = 0 folgt r = 0 oder s = 0.<br />

1. Zeige, dass die Einheiten im Polynomring R[X] gerade die Einheiten von R sind,<br />

betrachtet als Polynome vom Grad 0.<br />

2. Zeige, dass 1 − X eine Einheit im Ring R[[X]] der formalen Potenzreihen in einer<br />

Variablen über R ist.<br />

3. Zeige anhand eines Beispiels für R = Z/4Z, dass die Bedingung ”<br />

nullteilerfrei“ für den<br />

Beweis von a) wesentlich ist.<br />

Übung A.1.8 (Nilpotente Elemente). Sei R ein kommutativer Ring und R × seine Einheitengruppe.<br />

Ein Element x ∈ R heißt nilpotent, wenn ein n ∈ N mit x n = 0 existiert. Es<br />

sei Nil(R) die Menge der nilpotenten Elemente in R. Zeige:<br />

1. (Nil(R), +) ist eine Untergruppe von (R, +),


146 A Ringe<br />

2. Für a ∈ R × und x ∈ Nil(R) ist a + x ∈ R × .<br />

Übung A.1.9 (Einheiten). Sei R ein Ring. Bestimme alle Einheiten im Ring R[[X]] der<br />

formalen Potenzreihen in einer Variablen über R.<br />

Übung A.1.10 (Nullteiler und Nicht-Einheiten). Sei R ein Ring.<br />

1. Ein Element r ∈ R \ {0} heißt Nullteiler, falls es ein Element s ∈ R \ {0} gibt mit<br />

rs = 0 oder sr = 0. Bestimme alle Nullteiler von Z/nZ für n ∈ Z.<br />

2. Zeige anhand eines Beispiels: Im Allgemeinen folgt aus rs = 1 für r, s ∈ R nicht<br />

notwendig, dass r und s Einheiten in R sind.<br />

Hinweis: Betrachte zum Beispiel R = (End(V ), +, ◦), wobei V der Vektorraum aller<br />

reellen Folgen ist.<br />

A.2 Integritätsbereiche<br />

Definition A.2.1. Sei R ein Ring. Ein Element r ∈ R\{0} heißt Nullteiler, wenn<br />

0 ∈ r(R \ {0}) ∪ (R \ {0})r. Ein Integritätsbereich ist ein kommutativer Ring R<br />

mit 1 ≠ 0 ohne Nullteiler.<br />

Beispiel A.2.2. (i) Jeder Unterring eines Körpers ist ein Integritätsbereich: Wenn<br />

r ≠ 0 und sr = 0, dann folgt 0 = 0 · r −1 = srr −1 = s und analog für rs = 0.<br />

Insbesondere ist Z ⊆ Q ein Integritätsbereich.<br />

(ii) Z/4Z ist kein Integritätsbereich, weil [2] · [2] = [0]. Dagegen ist Z/2Z sogar ein<br />

Körper. Wir werden später sehen, dass Z/nZ genau dann ein Integritätsbereich<br />

ist, wenn es ein Körper ist, und dies genau dann auftritt, wenn n (bzw. −n)<br />

eine Primzahl ist.<br />

⊓⊔<br />

Proposition A.2.3. Wenn R ≠ {0}, dann sind äquivalent<br />

(1) R ist Integritätsbereich.<br />

(2) Aus ra = rb mit r ≠ 0 folgt a = b.<br />

Beweis. Für die Implikation ”<br />

(1) ⇒ (2)“ schließt man<br />

r ≠ 0, ra = rb =⇒ r(a − b) = 0<br />

(1)<br />

=⇒ a − b = 0 =⇒ a = b<br />

und die Umkehrung sieht man mit<br />

r ≠ 0, ra = 0 =⇒ ra = r0<br />

(2)<br />

=⇒ a = 0.<br />

⊓⊔<br />

Proposition A.2.4. Wenn R ein Integritätsbereich ist, dann sind auch der Ring<br />

R[[X 1 , . . . , X k ]] der formalen Potenzreihen und der Ring R[X 1 , . . . , X k ] der Polynome<br />

über R Integritätsbereiche.


Beweis. Idee: Führe eine passende Ordnung auf N k 0 ein.<br />

A.2 Integritätsbereiche 147<br />

Wir betrachten folgende Ordnung auf N k 0: i < j, wenn es ein k o ∈ {1, . . . , k} gibt<br />

mit i m = j m für m < k o und i ko < j ko . Diese Ordnung heißt die lexikographische<br />

Ordnung und ist total, d.h. für zwei verschiedene Multiindizes i und j gilt entweder<br />

i < j oder j < i. Außerdem gilt<br />

i < j; l ≤ m =⇒ i + l < j + m,<br />

wobei l ≤ m bedeutet l < m oder l = m (Übung).<br />

Wenn jetzt F = ∑ i∈N<br />

a k i X i und G = ∑<br />

0<br />

i∈N<br />

b k i X i zwei von Null verschiedene<br />

0<br />

Elemente von R[[X 1 , . . . , X k ]] sind, dann gibt es ein bzgl. der lexikographischen<br />

Ordnung minimales l o , für das a lo ≠ 0 gilt. Analog haben wir ein minimales m o<br />

mit b mo ≠ 0. Dann ist aber der Koeffizient von l o + m o in F · G gerade a lo · b mo ,<br />

also von Null verschieden.<br />

⊓⊔<br />

Der folgende Satz verallgemeinert die Konstruktion der rationalen aus den ganzen<br />

Zahlen.<br />

Satz A.2.5 (Quotientenkörper). Sei R ein Integritätsbereich.<br />

(i) Sei S = R × (R \ {0}). Dann definiert<br />

(a, b) ∼ (c, d) :⇔ ad = bc<br />

eine Äquivalenzrelation auf S.<br />

(ii) Bezeichne die Äquivalenzklasse von (a, b) mit a b<br />

und die Menge der Äquivalenzklassen<br />

mit Q(R). Dann definieren<br />

a<br />

b + c ad + bc<br />

:=<br />

d bd<br />

und<br />

a<br />

b · c ac<br />

:=<br />

d bd<br />

zwei Abbildungen Q(R) × Q(R) → Q(R) bzgl. derer (Q(R), +, ·) ein Körper mit<br />

Nullelement 0 1 und Einselement 1 1 ist.<br />

(iii) Das additive Inverse von a b<br />

−a<br />

ist<br />

b<br />

und das multiplikative Inverse von a b mit<br />

a ≠ 0 ist b a .<br />

Beweis. Idee: Wesentlich ist Teil (i). Für die Transitivität der Relation braucht man<br />

die Nullteilerfreiheit. Der Rest ist eine Routineverifikation.<br />

Wegen der Kommutativität von R ist die Relation ∼ symmetrisch. Die Reflexivität<br />

ist offensichtlich. Sei jetzt (a, b) ∼ (c, d) und (c, d) ∼ (e, f). Dann gilt<br />

adf = bcf = bde<br />

und daher d(af −be) = 0. Weil d ≠ 0, zeigt die Nullteilerfreiheit jetzt, dass af = be,<br />

d.h. (a, b) ∼ (e, f). Damit ist die Transitivität von ∼ gezeigt. Das Argument zeigt<br />

auch, dass<br />

ad<br />

bd = a b<br />

für d ≠ 0. Man kann also in Brüchen von Null verschiedene Element kürzen. Der<br />

Rest des Beweises ist Routine, wobei zuerst der Nachweis der Wohldefiniertheit der<br />

Verknüpfungen geführt werden muss (Übung).<br />

⊓⊔


148 A Ringe<br />

Der in Satz A.2.5 konstruierte Körper heißt der Quotientenkörper des Integritätsbereiches<br />

R.<br />

Die Teilbarkeitslehre der ganzen Zahlen lässt sich zum Teil auf allgemeinere<br />

kommutative Ringe übertragen.<br />

Definition A.2.6. Sei R ein kommutativer Ring und a, b ∈ R. Man sagt a teilt b<br />

und schreibt a | b, wenn es ein r ∈ R mit ra = b gibt. In diesem Fall heißt a auch ein<br />

Teiler von b in R. Ein größter gemeinsamer Teiler (ggT) von a 1 , . . . , a k ∈ R<br />

ist dann ein gemeinsamer Teiler der a j , der von jedem anderen gemeinsamen Teiler<br />

geteilt wird. Zwei Elemente heißen teilerfremd, wenn 1 ein ggT von a und b ist.<br />

Ein Element d ≠ 0 in R \ Unit(R) heißt prim, wenn aus d | ab für a, b ∈ R folgt<br />

d | a oder d | b. Zwei Elemente p, q ∈ R heißen assoziiert, wenn es eine Einheit<br />

u ∈ Unit(R) mit p = uq gibt.<br />

Beachte, dass in dieser Definition jede Einheit Teiler eines beliebigen Ringelementes<br />

ist. Insbesondere ist in Z der ggT nicht eindeutig, sondern nur bis auf das<br />

Vorzeichen bestimmt. Allgemeiner ist in einem Integritätsbereich der ggT nur bis<br />

auf Einheiten eindeutig bestimmt (Übung, vgl. Proposition A.2.3).<br />

Definition A.2.7. Ein Ideal I in einem kommutativen Ring R heißt prim, wenn<br />

1 ∉ I und aus xy ∈ I mit x, y ∈ R folgt: x ∈ I oder y ∈ I. Das Ideal I heißt<br />

maximal, wenn 1 ∉ I und für jedes r ∈ R \ I ein s ∈ R mit 1 ∈ sr + I existiert.<br />

Man sieht sofort an der Definition, dass die maximalen Ideale gerade diejenigen<br />

Ideale sind, die in keinem von R und I verschiedenen Ideal enthalten sind (ein Ideal<br />

I ist gleich R genau dann, wenn 1 ∈ I ist).<br />

Beispiel A.2.8. (i) Jedes n ∈ N \ {1} ist Produkt von Primzahlen.<br />

Wenn nämlich n nicht selbst prim ist, ist es von der Form n = ab mit a, b ∈<br />

N \ {1}. Also ist sind insbesondere a und b kleiner als n und die Behauptung<br />

folgt mit Induktion.<br />

(ii) Seien a, b ∈ Z und ⟨a, b⟩ := {na + mb: n, m ∈ Z} die von a und b erzeugte<br />

Untergruppe von (Z, +). Nach Proposition A.1.12 ist ⟨a, b⟩ nach Proposition<br />

A.1.12 von der Form dZ mit d ≥ 0. Also ist d ein gemeinsamer Teiler von a und<br />

b. Außerdem gibt es n, m ∈ Z mit d = na + mb. Daher ist jeder gemeinsame<br />

Teiler von a und b auch Teiler von d. Insbesondere ist d ein ggT von a und b.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel A.2.9. (i) Sei n ∈ N, dann ist nZ ein Primideal in Z genau dann, wenn n<br />

eine Primzahl ist: Sei zunächst n prim und xy = nm, d.h. n teilt xy. Dann teilt n<br />

entweder x oder y und dementsprechend ist entweder x oder y in nZ enthalten.<br />

Umgekehrt, wenn nZ prim ist und n = xy mit x, y ∈ N \ {1} ist, dann folgt<br />

o.B.d.A. x ∈ nZ, d.h. insbesondere n ≤ x im Widerspruch zu n = xy. Also ist<br />

n prim. Man kann hier auch zeigen, dass nZ genau dann maximal ist, wenn n<br />

prim ist, wir verschieben das aber auf später.<br />

(ii) Sei R = C k (]a, b[) wie in Beispiel A.1.11 und I = ker (ev x ). Dann ist I maximal<br />

in R, weil man zu jeder Funktion f, die in x nicht verschwindet, Funktionen<br />

g ∈ R und h ∈ I finden kann, für die<br />

1 = g(y)f(y) + h(y) ∀y ∈ ]a, b[<br />

gilt. Zum Beispiel funktioniert g : y ↦→ f(x) −1 und h : y ↦→ 1 − f(y)f(x) −1 .<br />

⊓⊔


A.2 Integritätsbereiche 149<br />

Proposition A.2.10. Sei R ein kommutativer Ring und I ⊆ R ein Ideal.<br />

(i) R/I ist ein Integritätsbereich genau dann, wenn I prim ist.<br />

(ii) R/I ist ein Körper genau dann, wenn I maximal ist.<br />

(iii) Wenn I maximal ist, dann ist I prim.<br />

Beweis. Idee: Dies sind direkte Konsequenzen der Definitionen.<br />

(i) Sei R/I ein Integritätsbereich. Wenn xy ∈ I für x, y ∈ R, dann gilt<br />

(x + I)(y + I) = xy + I = 0 + I,<br />

also x + I = 0 + I oder y + I = 0 + I, d.h. x ∈ I oder y ∈ I. Also ist I prim.<br />

Sei umgekehrt I prim. Wenn jetzt (x + I)(y + I) = 0 + I, dann heißt das xy ∈ I,<br />

also x ∈ I oder y ∈ I. Damit folgt x + I = 0 + I oder y + I = 0 + I, und R/I<br />

ist nullteilerfrei.<br />

(ii) Sei R/I ein Körper. Wenn r ∈ R \ I, dann gilt r + I ∈ (R/I) \ {0 + I}, also<br />

existiert ein s + I ∈ R/I mit<br />

(s + I)(r + I) = 1 + I.<br />

Dann folgt aber sofort 1 ∈ sr + I, d.h. I ist maximal.<br />

Sei umgekehrt I maximal und r + I ∈ (R/I) \ {0 + I}. Dann ist r ∈ R \ I und<br />

es gibt ein s ∈ R mit sr ∈ 1 + I. Aber das bedeutet (s + I)(r + I) = 1 + I, so<br />

dass r + I ein multiplikatives Inverses in R/I hat. Also ist R/I ein Körper.<br />

(iii) Dies folgt sofort aus (i) und (ii), weil jeder Körper ein Integritätsbereich ist.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel A.2.11. Das Hauptideal (X) in Z[X] ist prim, aber nicht maximal, weil<br />

Z[X]/(X) ∼ = Z ein Integritätsbereich ist, aber kein Körper. Zum Beispiel ist (X) in<br />

dem Ideal<br />

{ ∑<br />

n }<br />

I := a k X k | n ∈ N 0 , a k ∈ Z, a 0 ∈ 2Z<br />

enthalten.<br />

k=0<br />

⊓⊔<br />

Beispiel A.2.12. Eine Teilmenge I ⊆ Z ist ein Ideal genau dann, wenn I − I ⊆ I<br />

gilt, weil dann automatisch alle Vielfachen von Elementen in I selbst wieder in I<br />

sind. Proposition A.1.12 sagt dann gerade, dass jedes Ideal I in Z von der Form dZ<br />

mit d ∈ N 0 ist.<br />

Das Ideal dZ in Z ist prim genau dann, wenn es maximal ist. Die eine Richtung<br />

folgt dabei aus Proposition A.2.10. Um auch die Umkehrung einzusehen, nehmen<br />

wir an, dass dZ ein Primideal ist. Dies ist nach Beispiel A.2.9 gleichbedeutend damit,<br />

dass d eine Primzahl ist. Sei jetzt a ∈ Z \ dZ. Dann teilt d die Zahl a nicht und<br />

weil d prim ist, sind a und d sogar teilerfremd. Nach Beispiel A.2.8(ii) ist also jedes<br />

k ∈ Z von der Form k = na + md mit n, m ∈ Z. Wenn wir k = 1 wählen, folgt<br />

insbesondere 1 ∈ na + dZ, also die Maximalität von dZ.<br />

Insbesondere erkennt man, dass Z/dZ genau dann ein Körper ist, wenn d prim<br />

ist.<br />

⊓⊔


150 A Ringe<br />

Proposition A.2.13. Sei R ein Integritätsbereich.<br />

(i) Wenn ein Primelement p ∈ R von der Form p = ab mit a, b ∈ R und p | a ist,<br />

dann ist b eine Einheit.<br />

(ii) Wenn p, q ∈ R prim sind mit p | q, dann ist q von der Form up mit u ∈ Unit(R).<br />

(iii) d ∈ R ist prim genau dann, wenn dR ein Primideal ist.<br />

Beweis. Idee: Dies folgt direkt aus den Definitionen.<br />

(i) Aus p = ab und a = pc folgt p = pcb, d.h., 1 = cb.<br />

(ii) Aus pr = q folgt q | p, denn q | r würde nach (i) dazu führen, dass p eine Einheit<br />

ist. Aber (i) zeigt auch, dass wegen q | p das Element r eine Einheit ist.<br />

(iii) Wenn p prim ist und ab ∈ pR gilt, folgt p | ab und daher p | a oder p | b. Dies<br />

heißt aber, es gilt a ∈ pR oder b ∈ pR, d.h. pR ist prim. Umgekehrt, wenn pR<br />

prim ist und p | ab gilt, dann folgt ab ∈ pR, also a ∈ pR oder b ∈ pR, d.h. p | a<br />

oder p | b. Also ist p prim.<br />

In Teil (iii) von Proposition A.2.13 wurde die Nullteilerfreiheit nicht benutzt.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel A.2.14. Betrachte den Ring R = Z[X] und darin das Ideal<br />

{ ∑<br />

n<br />

I :=<br />

k=0<br />

}<br />

a k X k | n ∈ N 0 , a k ∈ Z, a 0 ∈ 2Z .<br />

Wenn f = ∑ a k X k und g = ∑ b j X j Elemente von R sind und<br />

fg = ∑ ∑<br />

a m b l X k ∈ I<br />

k m+l=k<br />

gilt, dann folgt a 0 b 0 ∈ 2Z, also a 0 ∈ 2Z oder b 0 ∈ 2Z. Also muss f ∈ I oder g ∈ I<br />

gelten, d.h., I ist prim.<br />

⊓⊔<br />

Übung A.2.1. Seien a, n ∈ Z.<br />

(i) a + nZ ist genau dann eine Einheit in Z/nZ, wenn a und n teilerfremd sind.<br />

(ii) Wenn a prim ist und n = a k , dann gibt es a k−1 (a − 1) Einheiten in Z/nZ.<br />

Übung A.2.2. (i) Sei ϕ: R → S ein Ringhomomorphismus und R ein Körper. Zeige:<br />

Wenn S ≠ {0}, dann ist ϕ injektiv.<br />

(ii) Zeige: jeder endliche Integritätsbereich ist ein Körper.<br />

(iii) Sei R ein kommutativer Ring und I, J, P Ideale in R. Zeige: wenn P prim ist mit<br />

IJ ⊆ P , dann gilt I ⊆ P oder J ⊆ P .<br />

Übung A.2.3 (Polynomringe). Sei R ein Ring und X 1 , . . . , X k Symbole. Zeige:<br />

1. R[X 1 , . . . , X k−1 ][X k ] ist isomorph zu R[X 1 , . . . , X k ].<br />

2. Ist R nullteilerfrei, so gilt R[X 1 , . . . , X k ] × = R × .<br />

Übung A.2.4 (Ideale).<br />

1. Seien R, S Ringe und φ : R → S ein Ringhomomorphismus. Seien I ⊆ R, J ⊆ S<br />

Ideale. Sind φ(I) und/oder φ −1 (J) Ideale?<br />

2. Bestimme alle Ideale von Z/8Z. Welche sind prim? Welche sind maximal?<br />

Übung A.2.5 (Komplexe Zahlen). Sei (X 2 + 1) das von X 2 + 1 erzeugte Ideal in R[X].<br />

Zeige:<br />

R[X]/(X 2 + 1) ∼ = C .


A.2 Integritätsbereiche 151<br />

Übung A.2.6 (Lokalisierung). Diese Aufgabe behandelt folgende Frage: Gegeben ein<br />

kommutativer Ring R und eine geeignete Teilmenge S ⊆ R. Wie findet man einen möglichst<br />

kleinen Ring R ′ , der R enthält und in dem die Elemente aus S Einheiten sind?<br />

Sei R ein kommutativer Ring (R ist nicht notwendig nullteilerfrei). Sei S eine nichtleere<br />

Teilmenge von R, so dass<br />

• 1 ∈ S, 0 /∈ S.<br />

• a, b ∈ S impliziert ab ∈ S.<br />

Auf R × S definieren wir die Relation ∼ durch<br />

(r 1 , s 1 ) ∼ (r 2 , s 2 ) ⇐⇒ ∃s ∈ S mit (r 1 s 2 − r 2 s 1 )s = 0.<br />

1. Zeige, dass ∼ eine Äquivalenzrelation ist.<br />

2. Sei S −1 R die Menge der Äquivalenzklassen der Relation ∼ in R×S. Die Äquivalenzklasse<br />

von (r, s) ∈ R × S sei mit r bezeichnet. Zeige: Durch<br />

s<br />

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )<br />

r1 r2 r1s 2 + r 2s 1<br />

r1 r2 r1r 2<br />

+ :=<br />

und · :=<br />

s 1 s 2 s 1s 2 s 1 s 2 s 1s 2<br />

werden Verknüpfungen auf S −1 R definiert, so dass S −1 R ein kommutativer Ring ist.<br />

3. Sei<br />

φ : R → S −1 R, r ↦→ r 1 .<br />

Zeige: φ ist ein Ringhomomorphismus, und φ ist genau dann injektiv, wenn S keine<br />

Nullteiler enthält. Die Elemente s 1<br />

s 2<br />

in S −1 R mit s 1, s 2 ∈ S sind Einheiten.<br />

Übung A.2.7 (Quotientenring). Sei (X 2 − 1) das von X 2 − 1 erzeugte Ideal in R[X].<br />

Zeige:<br />

R[X]/(X 2 − 1) ∼ = R × R ,<br />

wobei R × R mit komponentenweiser Addition und Multiplikation versehen ist.<br />

Übung A.2.8 (Modulorechnung). Man finde alle Lösungen der folgende Gleichungen in<br />

Z/7Z, wobei Elemente in Z/7Z durch k := k + 7Z beschrieben werden:<br />

1. 5 · x = 4,<br />

2. y 2 − y + 1 = 0.<br />

Bestimme eine quadratische Gleichung, welche in Z/7Z keine Lösung besitzt.<br />

Übung A.2.9 (Ideale und Körper). Seien K 1, . . . , K n Körper und R := K 1 ×· · ·×K n mit<br />

komponentenweiser Addition und Multiplikation. Ist R ein Körper? Bestimme alle Ideale<br />

in R. Welches sind Primideale, welches sind maximale Ideale?<br />

Übung A.2.10. Sei [a, b] ⊆ R ein kompaktes Intervall und R := C([a, b]) der Ring der<br />

stetigen Funktionen auf [a, b] mit punktweiser Addition und Multiplikation. Zeige: Ein Ideal<br />

I ⊆ R ist maximal genau dann, wenn es ein x ∈ [a, b] gibt, so dass I = {f ∈ R | f(x) = 0}.<br />

Übung A.2.11. In einem Integritätsbereich R heißt ein Element r ∈ R \ R × irreduzibel,<br />

falls sich r nicht in das Produkt von zwei Nicht-Einheiten zerlegen lässt, d.h. r = ab mit<br />

a, b ∈ R impliziert a ∈ R × oder b ∈ R × . Zeige:<br />

1. Ist p ∈ R prim, so ist p irreduzibel.<br />

2. Ist R faktoriell, so gilt auch die Umkehrung von a).<br />

Übung A.2.12 (Irreduzibilität).<br />

1. Bestimme alle irreduziblen Polynome in R[X].<br />

2. Zeige, dass f = X 5 + X 2 + 1 irreduzibel ist in (Z/2Z)[X].


152 A Ringe<br />

A.3 Euklidische Ringe<br />

Satz A.3.1 (Polynomdivision). Sei R ein kommutativer Ring und f, g ∈ R[X]\<br />

{0}.<br />

(i) Wenn die höchsten (von Null verschiedenen) Koeffizienten von f und g sich<br />

nicht zu Null multiplizieren, dann gilt<br />

deg(fg) = deg(f) + deg(g).<br />

(ii) Wenn der höchste Koeffizient von g eine Einheit ist, dann gibt es eindeutig<br />

bestimmte Polynome q, r ∈ R[X] mit f = qg + r, wobei entweder r = 0 oder<br />

deg(r) < deg(g) gilt.<br />

Beweis. Idee: Setze f und g als Linearkombination der X i an, multipliziere aus, und<br />

berechne den Koeffizienten der höchsten vorkommenden Potenz.<br />

Sei f = ∑ m<br />

i=0 a iX i und g = ∑ n<br />

i=0 b iX i mit a m ≠ 0 ≠ b n . Dann gilt deg(f) = m<br />

und deg(g) = n.<br />

(i) fg = a m b n X m+n + ∑ n+m−1<br />

(∑<br />

i=0 l+m=i a )<br />

lb m X i . Weil aber a m b n ≠ 0 nach<br />

Voraussetzung, folgt deg(fg) = m + n.<br />

(ii) Existenz von q und r: Wenn m < n, dann wähle q = 0 und r = f. Wir können<br />

also n ≤ m annehmen, so dass<br />

f = (a m b −1<br />

n X m−n )g + ˜f,<br />

wobei entweder ˜f = 0 oder deg( ˜f) < m. Wenn ˜f = 0, dann wählen wir r = 0<br />

und q = a m b −1<br />

n X m−n . Andernfalls finden wir mit Induktion über den Grad<br />

Elemente ˜q, ˜r ∈ R[X] wie im Satz angegeben, insbesondere mit ˜f = ˜qg + ˜r. Es<br />

gilt dann<br />

f = (a m b −1<br />

n X m−n + ˜q)g + ˜r,<br />

was die Existenz von q und r beweist.<br />

Für Eindeutigkeit nehmen wir zwei Zerlegungen f = qg + r = ˜qg + ˜r wie<br />

angegeben an. Dann gilt (˜q − q)g = r − ˜r und mit (i)<br />

deg ( (˜q − q)g ) = deg(q − ˜q) + deg(g) > deg(r − ˜r)<br />

falls ˜q ≠ q. Also gilt q = ˜q und dann auch r = ˜r.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel A.3.2. Sei K ein Körper, R = K[X] und p ∈ R vom Grad deg(p) = n.<br />

Weiter sei I = ( p ) das von p erzeugte Ideal in R. Zu f ∈ K[X] existieren dann nach<br />

Satz A.3.1 q, r ∈ K[X] mit f = qp + r sowie r = 0 oder deg(r) < n. Dies liefert<br />

f + I = r + I, d.h. jede Nebenklasse hat einen Vertreter vom Grad kleiner als n.<br />

Für p = X 2 + 1 und K = R erhält man<br />

(a + bX + I)(c + dX + I) = (a + bX)(c + dX) + I = ac + (bc + ad)X + bd X 2 + I.<br />

Wegen X 2 = −1 + p können wir dies zu<br />

(a + bX + I)(c + dX + I) = (bc + ad)X + (ac − bd) + I


A.3 Euklidische Ringe 153<br />

umschreiben. Wenn jetzt a ≠ 0 oder b ≠ 0, dann ergibt sich mit c =<br />

d = die Gleichung<br />

−b<br />

a 2 +b 2<br />

( )<br />

a<br />

(a + bX + I)<br />

a 2 + b 2 − b<br />

a 2 + b 2 X + I = 1 + I.<br />

a<br />

a 2 +b 2<br />

Damit haben wir gezeigt, dass R[X]/ ( p ) ein Körper ist. Es ist dann leicht zu verifizieren,<br />

dass<br />

R[X]/ ( p ) → C<br />

a + bX + ( p ) ↦→ a + ib<br />

ein Isomorphismus ist. Die diesem Isomorphismus zugrunde liegende Vorstellung ist:<br />

C ist erzeugt von R und einem Element x (nämlich dem Bild von X in R[X]/(X 2 +<br />

1)), das die Gleichung x 2 = −1 erfüllt. ⊓⊔<br />

und<br />

Die folgende Definition abstrahiert zwei für Fragen der Teilbarkeit wesentliche<br />

Eigenschaften der ganzen Zahlen und macht sie so auch für gewisse andere Ringe<br />

(z.B. Polynomringe über einem Körper) verfügbar.<br />

Definition A.3.3. Sei R ein Integritätsbereich. R heißt ein Hauptidealring, wenn<br />

jedes Ideal I in R von der Form I = xR mit x ∈ R ist. R heißt ein euklidischer<br />

Ring, wenn es eine Funktion g : R \ {0} → N 0 gibt, die folgende Eigenschaften hat:<br />

(a) g(ab) ≥ g(a) für alle a, b ∈ R \ {0}.<br />

(b) Wenn a ∈ R \ {0} und b ∈ R, dann gibt es Elemente q, r ∈ R mit<br />

b = qa + r, wobei r = 0 oder g(r) < g(a) (Division mit Rest).<br />

Die Funktion g mit den Eigenschaften (a) und (b) heißt eine Gradfunktion für R.<br />

Beispiel A.3.4. (i) Z ist ein euklidischer Ring mit g(n) = |n|.<br />

(ii) Sei K ein Körper. Dann ist K[X] ein euklidischer Ring mit Gradfunktion deg.<br />

Dies folgt sofort aus Satz A.3.1, weil in einem Körper jedes von Null verschiedene<br />

Element eine Einheit ist.<br />

⊓⊔<br />

Die folgende Proposition steht in engem Zusammenhang mit Beispiel A.2.8.<br />

Proposition A.3.5. (i) Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring.<br />

(ii) Sei R ein Hauptidealring. Dann haben zwei Elemente a, b ∈ R einen bis auf<br />

Multiplikation mit einer Einheit eindeutigen ggT und dieser ist in der Menge<br />

{ma + nb | n, m ∈ R} enthalten.<br />

Beweis. Idee: Betrachte ein Element minimalen Grades in I.<br />

(i) Sei I ein Ideal in R. Wenn I = {0} ist, dann gilt I = 0 · R. Andernfalls wählen<br />

wir ein Element d ∈ I mit minimalem g(d). Für jedes i ∈ I finden wir dann<br />

q, r ∈ R mit i = qd + r und r = 0 oder g(r) < g(d). Da aber r = i − qd ∈ I ist,<br />

kann der zweite Fall nicht auftreten, so dass i = dq ∈ dR. Umgekehrt ist mit d<br />

auch dR in I, also gilt I = dR.


154 A Ringe<br />

(ii) Setze<br />

⟨a, b⟩ := {na + mb | n, m ∈ R}<br />

für a, b ∈ R. Dann rechnet man sofort nach, dass ⟨a, b⟩ ein Ideal in R ist, also<br />

nach Voraussetzung von der Form dR. Dann ist d ein gemeinsamer Teiler von a<br />

und b. Da aber d ∈ ⟨a, b⟩ ist, gibt es n, m ∈ R mit d = na + mb. Daher ist jeder<br />

gemeinsame Teiler von a und b auch Teiler von d. Also ist d ein ggT von a und<br />

b.<br />

Um die Eindeutigkeitsaussage zu zeigen, nehmen wir an, dass d und d ′ jeweils<br />

ggTs von a und b sind. Dann gibt es r, r ′ ∈ R mit dr = d ′ und d = d ′ r ′ , also<br />

d = drr ′ . Wegen Proposition A.2.3 liefert dies 1 = rr ′ (R ist insbesondere eine<br />

Integritätsbereich), d.h. r und r ′ sind Einheiten in R.<br />

Beachte, dass aus der Existenz eines ggT von zwei Elementen sofort auf die<br />

Existenz eines ggT von endlich vielen Elementen geschlossen werden kann.<br />

⊓⊔<br />

Algorithmus A.3.6 (Euklid). Sei R ein euklidischer Ring mit Gradfunktion<br />

g. Um einen ggT zu berechnen, geht man vor wie für die ganzen Zahlen: Seien<br />

a, b ∈ R \ {0} und o.B.d.A. g(a) ≤ g(b). Schreibe b = qa + r mit r = 0 oder<br />

g(r) < g(a). Wenn r = 0, dann ist a ein ggT von a und b. Wenn r ≠ 0, dann ist<br />

jeder ggT von a und r auch ein ggT von a und b. Also wiederholt man das Verfahren<br />

für r und a. Weil der minimale Grad der beiden Elemente in jedem Schritt echt<br />

abnimmt, terminiert das Verfahren. In Formeln ausgedrückt:<br />

b = q 1 a + r 1 deg(r 1 ) < deg(g)<br />

a = q 2 r 1 + r 2 deg(r 2 ) < deg(r 1 )<br />

.<br />

r j = q j+2 r j+1 + r j+2 deg(r j+2 ) < deg(r j+1 )<br />

.<br />

r n = q n+2 r n+1 + 0<br />

Jetzt kann man überprüfen, dass r n+1 = ggT(a, b) gilt. Wegen r n+1 | r n und<br />

r n−1 = q n+2 r n + r n+1 findet man r n+1 | r n−1 etc., d.h. letztendlich<br />

r n+1 | a, b<br />

und das liefert r n+1 | ggT(a, b). Umgekehrt, wenn d | a, b, so erhält man erst d | r 1 ,<br />

dann d | r 2 etc., also schließlich d | r n+1 und damit ggT(a, b) = r n+1 . Beachte, dass<br />

r n+1 = r n−1 − q n+1 r n<br />

= r n−1 − q n+1 (r n−2 − q n r n−1 )<br />

= (−q n+1 )r n−2 + (1 + q n q n+1 )r n−1<br />

.<br />

= na + mb,<br />

wobei m, n ∈ R durch Division mit Rest bestimmbar sind.<br />

Übung A.3.1. Sei R ein Hauptidealring. Zeige: k Elemente a 1 , . . . , a k ∈ R haben einen<br />

bis auf Äquivalenz eindeutigen ggT und dieser ist in der Menge { ∑ k<br />

j=1<br />

mjaj | mj ∈ R}<br />

enthalten.


A.3 Euklidische Ringe 155<br />

Übung A.3.2. Sei R ein euklidischer Ring. Man gebe einen Algorithmus an, der zu<br />

a 1 , . . . , a k ∈ R einen ggT(a 1 , . . . , a k ) bestimmt.<br />

Proposition A.3.7. Sei R ein Hauptidealring. Wenn ggT(a, b) = 1 und a | bc,<br />

dann gilt a | c.<br />

Beweis. Wegen Proposition A.3.5 gibt es r, s ∈ R mit 1 = ra+sb, also c = cra+csb.<br />

Mit der Voraussetzung findet man dann ein d ∈ R mit bc = ad. Dies liefert c =<br />

a(cr + sd) und schließlich a | c.<br />

⊓⊔<br />

Lemma A.3.8. Sei R ein euklidischer Ring mit Gradfunktion g. Seien a, b ∈ R \<br />

{0}. Wenn b | a, aber nicht a | b, dann gilt g(b) < g(a).<br />

Beweis. Idee: Teile mit Rest.<br />

Die Voraussetzungen zeigen: Einerseits gilt b = qa+r mit r ≠ 0 und g(r) < g(a),<br />

andererseits haben wir a = cb. Daher rechnet man<br />

r = b − qa = (1 − qc)b<br />

und findet g(a) > g(r) ≥ g(b).<br />

⊓⊔<br />

Proposition A.3.9. Sei R ein Hauptidealring. Dann ist jedes Primideal I ≠ {0}<br />

maximal.<br />

Beweis. Idee: Schreibe den Erzeuger von I als Produkt und wende Proposition A.2.13<br />

an.<br />

Sei I ≠ {0} prim und J ✁ R ein Ideal, das I enthält. Da R ein Hauptidealring<br />

ist, gibt es a, b ∈ R mit I = (a) und J = (b). Nach Proposition A.2.13(iii) ist a ∈ R<br />

prim. Wegen I ⊂ J gilt a = br mit r ∈ R. Jetzt zeigt Proposition A.2.13(i), dass<br />

r oder b eine Einheit ist. Im ersten Fall gilt I = J und im zweiten J = R. Dies<br />

beweist die Maximalität von I.<br />

⊓⊔<br />

Übung A.3.3. Sei R ein euklidischer Ring mit Gradfunktion g. Zeige:<br />

(i) g(1) ≤ g(r) für alle r ∈ R.<br />

(ii) Wenn g(b) = g(1), dann ist b eine Einheit in R.<br />

Übung A.3.4. Sei n ∈ Z eine quadratfreie Zahl und √ n ∈ C eine Wurzel von n. Zeige:<br />

(i) Q( √ n) := {x+y √ n: x, y ∈ Q} ist ein Körper bzgl. der üblichen Operationen. (Hinweis:<br />

Für u = x + y √ n ∈ Q( √ n) betrachte u = x − y √ n ∈ Q( √ n).)<br />

(ii) Z[ √ n] := {x + y √ n: x, y ∈ Z} ist ein Unterring von Q( √ n).<br />

(iii) Die Funktion g(u) = |uu| ist für n = −1, −2, 2 eine Gradfunktion für R.<br />

(iv) Der Ring Z[ √ −5] ist kein Hauptidealring. (Hinweis: Benütze 9 = 3·3 = (2+ √ −5)(2−<br />

√ −5) um zu zeigen, dass 3Z[<br />

√ −5] zwar maximal in der Menge aller Ideale der Form<br />

xZ[ √ −5], d.h. in der Menge aller Hauptideale ist, aber nicht prim ist.)<br />

Übung A.3.5.<br />

(i) Man zeige: Z[ √ −3] ist kein Hauptidealring.<br />

(ii) Ist Z[ √ −3] ein euklidischer Ring?


156 A Ringe<br />

(iii) Man zeige, dass die Einheiten von Z[ √ −3] genau die Elemente a + b √ −3 ∈ Z[ √ −3]<br />

sind mit a 2 + 3b 2 = 1.<br />

Übung A.3.6. Man berechne den ggT von<br />

in Q[X].<br />

f = X 3 + X 2 + X − 3 und g = X 6 − X 5 + 6X 2 − 13X + 7<br />

Übung A.3.7. (i) Betrachte den Ring R := Z[X]/(X 4 +1)Z[X] und setze x := X +(X 4 +<br />

1)Z[X] ∈ R. Berechne die ganzen Zahlen c i in<br />

(<br />

3∑<br />

3∑<br />

) ( 3∑<br />

)<br />

c i x i = a i x i b i x i<br />

i=0<br />

i=0<br />

i=0<br />

in Abhängigkeit von den vorgegebenen ganzen Zahlen a i und b i .<br />

(ii) Sei K ein Körper und f ∈ K[X]\{0}. Zeige: Jede Nebenklasse von K[X]/fK[X] enthält<br />

genau ein Element g ∈ K[X] mit g = 0 oder deg(g) < deg(f).<br />

(iii) Sei L ein Körper und K ein Unterkörper von L (man spricht dann von einer<br />

Körpererweiterung K ⊆ L). Seien weiter f, g ∈ K[X]. Zeige: Der ggT von f und<br />

g, betrachtet als Elemente von K[X] ist gleich dem ggT von f und g, betrachtet als<br />

Elemente von L[X].<br />

Übung A.3.8. Zeige, dass Z[i] := {x + iy | x, y ∈ Z} ein Unterring von C ist, und dass<br />

g : Z[i] → N 0 mit<br />

g(x + iy) = x 2 + y 2 = |x + iy| 2<br />

eine Gradabbildung ist, durch die Z[i] zu einem euklidischen Ring wird.<br />

Übung A.3.9 (Euklidischer Algorithmus).<br />

1. Es seien die ganzen Zahlen x := 1234 und y := 56789 gegeben. Berechne den größten<br />

gemeinsamen Teiler von x und y, und finde ganze Zahlen a und b mit ggT(x, y) =<br />

a · x + b · y.<br />

2. Es seien die Polynome p := X 6 + 3 X 4 − 2 und q := 2 X 5 + 4 X 3 + 2 X gegeben.<br />

Berechne den größten gemeinsamen Teiler von p und q in R[X], und finde Polynome<br />

g und f aus R[X] mit ggT(p, q) = f · p + g · q.<br />

Übung A.3.10. Sei R ein Integritätsbereich und a ∈ R \ {0} keine Einheit. Zeige, dass das<br />

von a und X erzeugte Ideal in R[X] kein Hauptideal ist.<br />

Bemerkung: Dies zeigt, dass R[X] nur dann ein Hauptidealring sein kann, wenn R schon<br />

ein Körper ist. In diesem Fall ist R[X] sogar ein euklidischer Ring, also insbesondere ein<br />

Hauptidealring.<br />

A.4 Faktorielle Ringe<br />

Definition A.4.1. Sei R ein Integritätsbereich. Dann heißt R ein faktorieller<br />

Ring, wenn jede Nicht-Einheit 0 ≠ r ∈ R \ Unit(R) sich als Produkt von Primelementen<br />

schreiben lässt.<br />

Proposition A.4.2. Sei R faktoriell und r ∈ R \ Unit(R). Wenn r = p 1 · · · p k =<br />

q 1 · · · q l mit p i , q j prim ist, dann gilt k = l und es gibt eine bijektive Zuordung<br />

{p 1 , . . . , p k } → {q 1 , . . . , q l }, p i ↦→ q ji mit q ji assoziiert zu p i .


A.4 Faktorielle Ringe 157<br />

Beweis. Idee: Man zeigt, dass p 1 assoziiert zu einem q j ist und wendet Induktion über<br />

die Anzahl der Primfaktoren an.<br />

Weil p 1 | q 1 (q 2 · · · q l ), gilt p 1 | q 1 oder p 1 | q 2 · · · q l , d.h. letztendlich finden wir<br />

ein q j mit p 1 | q j . Es gibt also ein a ∈ R mit p 1 a = q j . Da aber auch q j prim ist,<br />

folgt aus Proposition A.2.13, dass a ∈ Unit(R). Also sind p 1 und q j assoziiert. Wir<br />

setzen j 1 := j und können o.B.d.A. annehmen, dass j 1 = 1.<br />

Wenn k = 1, dann ist r = p 1 prim und l = 1, da das Produkt von Nichteinheiten<br />

keine Einheit sein kann.<br />

Wenn k > 1, dann können wir schreiben r = p 1 r ′ mit r ′ = p 2 · · · p k . Dann gibt<br />

es eine Einheit u ∈ R mit up 1 = q 1 , also r ′ = uq 2 · · · q l und die Behauptung folgt<br />

mit Induktion.<br />

⊓⊔<br />

Man sieht sofort, dass man jedes von Null verschiedene Element in einem faktoriellen<br />

Ring in der Form up 1 · · · p k mit u ∈ Unit(R) und p i prim schreiben kann.<br />

Satz A.4.3. Sei R ein euklidischer Ring. Dann ist R faktoriell.<br />

Beweis. Idee: Induktion über den Grad von r, Teilen mit Rest und Lemma A.3.8.<br />

Sei r ∈ R. Wir wollen zeigen, dass r entweder eine Einheit ist oder sich als<br />

Produkt r = p 1 · · · p k von Primelementen p 1 , . . . , p k ∈ R schreiben lässt. Dazu<br />

machen wir eine Induktion über den Grad g(r) von r, d.h. wir nehmen an, dass<br />

jedes Element von kleinerem Grad entweder eine Einheit ist oder als Produkt von<br />

Primelementen geschrieben werden kann.<br />

Wenn r eine Einheit oder ein Primelement ist, ist nichts mehr zu zeigen. Daher<br />

können wir annehmen, dass 0 ≠ r ∈ R \ Unit(R) kein Primelement ist. Dann gibt<br />

es a, b ∈ R mit r|ab, nicht aber r|a oder r|b.<br />

Man kann a und b so wählen kann, dass g(a), g(b) < g(r). Um das einzusehen,<br />

teilen wir a und b mit Rest durch r und finden<br />

a = cr + a ′ , b = dr + b ′<br />

mit a ′ ≠ 0 ≠ b ′ sowie g(a ′ ), g(b ′ ) < g(r). Außerdem gilt r|a ′ b ′ , nicht aber r|a ′ oder<br />

r|b ′ . Mit anderen Worten, a ′ und b ′ haben die gewünschten Eigenschaften.<br />

Wir wählen jetzt a und b mit den genannten Eigenschaften so, dass g(a) minimal<br />

ist. Weil a und b keine Einheiten sind (andernfalls hätte man r|b bzw. r|a) folgt aus<br />

g(a), g(b) < g(r), dass sich a und b als Produkte von Primelementen schreiben<br />

lassen:<br />

a = p 1 · · · p k , b = q 1 · · · q l .<br />

Schreibe jetzt ab = rs mit s ∈ R. Weil p 1 prim ist, folgt p 1 |r oder p 1 |s. Wir<br />

zeigen, dass der Fall p 1 |s nicht auftreten kann: Dazu schreibt man a = p 1 a ′ und<br />

s = p 1 s ′ . Dann gilt rp 1 s ′ = rs = ab = p 1 a ′ b, also rs ′ = a ′ b. Beachte, dass a kein<br />

Teiler von a ′ sein kann, weil ar ′ = a ′ die Gleichung p 1 r ′ a ′ = a ′ , also p 1 r ′ = 1 zur<br />

Folge hätte. Dann wäre p 1 eine Einheit im Widerspruch zur Voraussetzung, dass<br />

p 1 prim ist. Also haben wir a ′ |a und a̸ | a ′ , sodass Lemma A.3.8 die Ungleichung<br />

g(a ′ ) < g(a) liefert. Da aber r|a ′ b sowie r̸ | b und r̸ | a ′ (andernfalls gälte r|a), ist<br />

dies ein Widerspruch zur Minimalität von g(a).<br />

Wir haben also jetzt gezeigt, dass p 1 |r, d.h. es gibt ein r 1 ∈ R mit r = p 1 r 1 .<br />

Dann gilt r 1 |r und wie zuvor sieht man, dass r 1̸ | r, weil p 1 keine Einheit ist. Also<br />

liefert Lemma A.3.8 diesmal, dass g(r) > g(r ′ ). Also r 1 entweder eine Einheit oder<br />

das Produkt von Primelementen. Aber dann ist r = p 1 r ′ in jedem Falle ein Produkt<br />

von Primelementen.<br />

⊓⊔


158 A Ringe<br />

Allgemeiner kann man zeigen, dass jeder Hauptidealring faktoriell ist.<br />

Bemerkung A.4.4. Sei K ein Körper, dann ist K[X] nach Beispiel A.3.4(ii) euklidisch,<br />

also nach Satz A.4.3 faktoriell. Ein Polynom vom Grad größer Null in K[X]<br />

ist also genau dann prim, wenn es nicht als Produkt von zwei Polynomen vom Grad<br />

größer Null geschrieben werden kann.<br />

⊓⊔<br />

Definition A.4.5. Sei K ein Körper. Ein Polynom in K[X 1 , . . . , X k ], das nicht als<br />

Produkt von zwei Polynomen vom Grad größer Null geschrieben werden, kann nennt<br />

man auch irreduzibel.<br />

Im Prinzip ist die Definition auch sinnvoll, wenn man K durch einen Integritätsbereich<br />

ersetzt. Man verallgemeinert den Begriff Irreduzibilität für Elemente<br />

von Integritätsbereichen (insbesondere Polynomringen über Integritätsbereichen)<br />

aber in der folgenden Form: Sei R ein Integritätsbereich und a ∈ R keine Einheit.<br />

Dann heißt a irreduzibel, wenn man a nicht in der Form a = rs schreiben kann,<br />

wobei weder r ∈ R noch s ∈ R eine Einheit von R ist.<br />

Diese Definition ist kompatibel mit der von irreduziblen Polynomen über Körpern,<br />

weil die Einheiten in K[X] genau die von Null verschiedenen Elemente von K sind.<br />

Andererseits ist für R = Z[X] das Element a = 2X reduzibel, weil 2 ∈ Z[X] keine<br />

Einheit ist, obwohl man a nicht als Produkt von zwei Polynomen vom Grad größer<br />

als Null schreiben kann.<br />

Lemma A.4.6. Sei R kommutativ und p ∈ R prim. Dann ist pR[X] ein Primideal<br />

in R[X].<br />

Beweis. Idee: Betrachte den kanonischen Homomorphismus ϕ: R → R/pR und ∑ a jX j ↦→<br />

∑ ϕ(aj )X j , dann zeige, dass R[X]/pR[X] ein Integritätsbereich ist.<br />

Sei ϕ: R → R/pR der kanonische Homomorphismus und ˜ϕ: R[X] → (R/pR)[X]<br />

definiert durch ∑<br />

aj X j ↦→ ∑ ϕ(a j )X j .<br />

Dann ist ˜ϕ ein surjektiver Homomorphismus mit Kern<br />

ker ˜ϕ<br />

{ ∑ ∣ }<br />

= aj X j ∣∣ aj ∈ pR = pR[X].<br />

Also (vgl. Übung A.1.4) faktorisiert ˜ϕ zu einem Isomorphismus<br />

R[X]/pR[X] ∼ = (R/pR)[X].<br />

Insbesondere ist nach Proposition A.2.10 und Proposition A.2.4 (R/pR)[X] ein Integritätsbereich,<br />

weil pR prim ist. Also ist auch R[X]/pR[X] ein Integritätsbereich,<br />

und wieder mit Proposition A.2.10 schließen wir, dass pR[X] prim in R[X] ist. ⊓⊔<br />

Die Bemerkung nach Proposition A.2.13 zeigt, dass in der Situation von Lemma<br />

A.4.6 das Primelement p ∈ R, betrachtet als Element von R[X], auch prim<br />

ist.<br />

Definition A.4.7. Sei R faktoriell. Ein Polynom f ∈ R[X] heißt primitiv, wenn<br />

die Koeffizienten von f teilerfremd sind, d.h. es gibt kein Primelement p ∈ R, das<br />

alle Koeffizienten teilt.


A.4 Faktorielle Ringe 159<br />

Wenn f = ∑ k<br />

j=0 a jX j und g = ∑ m<br />

j=0 b jX j . Für p ∈ R gilt die Gleichheit f = pg<br />

genau dann, wenn k = m und<br />

∀j = 0, . . . , k : a j = pb j .<br />

Dies zeigt, dass p genau dann alle Koeffizienten von f teilt, wenn p|f in R[X] gilt.<br />

Lemma A.4.8. Sei R faktoriell und f, g ∈ R[X] primitiv. Dann ist auch fg primitiv.<br />

Beweis. Sei p ∈ R prim und p|fg. Da nach Lemma A.4.6 p auch als Element von<br />

R[X] prim ist, folgt p|f oder p|g im Widerspruch zur Primitivität von f und g. ⊓⊔<br />

Lemma A.4.9 (Gauß–Lemma).<br />

von R. Weiter sei f ∈ K[X].<br />

Sei R faktoriell und K der Quotientenkörper<br />

(i) f = c(f)f 1 mit c(f) ∈ K und f 1 ∈ R[X] primitiv. Dabei ist c(f) bis auf<br />

Vielfache in Unit(R) eindeutig bestimmt.<br />

(ii) c(fg) ∈ c(f)c(g) Unit(R).<br />

Beweis. Idee: c(f) wird aus Zähler und Nenner der Koeffizienten von f durch eine<br />

passende ggT-Bildung konstruiert.<br />

(i) Sei<br />

f =<br />

k∑<br />

j=0<br />

r j<br />

s j<br />

X j<br />

mit r j , s j ∈ R und d := s 0 · · · s k . Dann gilt df ∈ R[X]. Wenn d ′ ein ggT<br />

von d r 0<br />

s 0<br />

, . . . , d r k<br />

sk<br />

und a := d d<br />

ist, dann ist f ′ 1 = af primitiv. Dies zeigt die<br />

Existenzaussage. Für die Eindeutigkeit nehmen wir an<br />

f = cf 1 = ˜c ˜f 1<br />

mit f 1 , ˜f 1 ∈ R[X] primitiv und c, ˜c ∈ K. Wir schreiben c = a ã<br />

b<br />

und ˜c = mit<br />

˜b<br />

a, b, ã,˜b ∈ R. Dann sind a˜b und ãb ggT’s der Koeffizienten von g := a˜bf 1 = ãb ˜f 1 .<br />

Also gibt es ein u ∈ Unit(R) mit a˜b = uãb, das dann c = u˜c erfüllt.<br />

(ii) Wenn f = c(f)f 1 und g = c(g)g 1 , dann gilt fg = c(f)c(g)f 1 g 1 und f 1 g 1 ist nach<br />

Lemma A.4.8 primitiv. Damit folgt die Behauptung aus der Eindeutigkeitsaussage<br />

von Teil (i).<br />

Man nennt das Element c(f) ∈ K für f ∈ K[X] den Inhalt von f. Der Inhalt ist<br />

nur bis auf Vielfache in den Einheiten von R bestimmt (ähnlich wie der ggT). Wenn<br />

f ∈ R[X], dann kann man f = rf 1 mit r ∈ R und f 1 ∈ R[X] primitiv schreiben<br />

indem man einen ggT der Koeffizienten von f ausklammert. Insbesondere ist also<br />

der Inhalt eines Polynoms in R[X] ein Element von R.<br />

⊓⊔<br />

Lemma A.4.10. Sei R faktoriell und K der Quotientenkörper von R. Weiter sei<br />

f ∈ R[X].<br />

(i) Wenn deg(f) = 0, dann ist f genau dann prim, wenn es prim als Element von<br />

R ist.<br />

(ii) Wenn deg(f) > 0, dann ist f genau dann prim, wenn f primitiv ist und irreduzibel<br />

(d.h. prim) in K[X].


160 A Ringe<br />

Beweis. Idee: Man führt das auf Lemma A.4.6 und das Gauß–Lemma A.4.9 zurück.<br />

(i) Wenn f ∈ R[X] Grad Null hat und prim in R[X] ist, ist es automatisch prim<br />

auch in R. Die Umkehrung folgt aus Lemma A.4.6.<br />

(ii) Wir nehmen an, f ∈ R[X] sei prim und f = rf 1 mit r ∈ R und f 1 ∈ R[X]<br />

primitiv. Dann gilt f|f 1 weil f|r wegen Grad f > 0 nicht möglich ist. Mit<br />

Proposition A.2.13(i) folgt r ∈ Unit(R), d.h. f ist primitiv.<br />

Wenn f = gh mit g, h ∈ K[X] mit deg(g), deg(h) > 0, dann gilt c(g)c(h) ∈ R,<br />

d.h. es gibt ein r ∈ R und primitive Polynome positiven Grades g 1 , h 1 ∈ R[X]<br />

mit f = rg 1 h 1 im Widerspruch dazu, dass f prim ist. Also ist f irreduzibel in<br />

K[X].<br />

Umgekehrt nehmen wir jetzt an, dass f primitiv ist und irreduzibel in K[X]. Es<br />

gelte f|gh mit g, h ∈ R[X]. Da f als Element von K[X] prim ist (Bemerkung<br />

A.4.4), können wir o.B.d.A. annehmen, dass f|g in K[X]. Also gibt es ein k ∈<br />

K[X] mit fk = g. Da f primitiv ist, gilt c(g) ∈ c(k) Unit(R), also c(k) ∈ R und<br />

schließlich k ∈ R[X]. Damit haben wir f|g auch in R[X].<br />

⊓⊔<br />

Satz A.4.11 (Gauß). Sei R ein faktorieller Ring. Dann ist auch der Polynomring<br />

R[X] faktoriell.<br />

Beweis. Idee: Kombiniere Lemma A.4.10 mit dem Gauß–Lemma A.4.9.<br />

Sei 0 ≠ f ∈ R[X]. Dann haben wir f = f 1 · · · f k mit f j ∈ K[X] irreduzibel (und<br />

wir können die Zerlegung so wählen, dass deg(f j ) > 0 für j > 1). Wir schreiben<br />

f i = c(f i )g i mit g i ∈ R[X] primitiv. Dann sind die g i immer noch irreduzibel<br />

in K[X], also prim in R[X] nach Lemma A.4.10. Wegen Lemma A.4.9 gilt c :=<br />

c(f 1 ) · · · c(f k ) ∈ c(f) Unit(R) ⊆ R und wir schreiben c = p 1 · · · p l mit p i prim in R<br />

falls c keine Einheit ist. Wieder mit Lemma A.4.10 sehen wir, dass die diejenigen<br />

p i mit deg(g i ) > 0 prim in R[X] sind. Falls deg(g 1 ) = 0 gilt g 1 ∈ Unit(R), d.h. wir<br />

können annehmen, dass g 1 = 1. Zusammen haben wir die f = c ∈ Unit(R) falls<br />

k = 1 und c = c(f 1 ) ∈ Unit(R) ist oder Zerlegungen in Primelemente der folgenden<br />

Form ⎧<br />

p 1 · · · p l g 1 · · · g k falls deg(g 1 ) > 0 und c ∉ Unit(R),<br />

⎪⎨<br />

(cg 1 )g 2 · · · g k falls deg(g 1 ) > 0 und c ∈ Unit(R),<br />

f =<br />

p 1 · · · p l g 2 · · · g k falls deg(g 1 ) = 0 und c ∉ Unit(R),<br />

⎪⎩<br />

(cg 2 )g 3 · · · g k falls deg(g 1 ) = 0 und c ∈ Unit(R).<br />

.<br />

⊓⊔<br />

Übung A.4.1 (Ringtypen). Ordne die Begriffe Ring, kommutativer Ring, Körper, Integritätsbereich,<br />

Hauptidealring, euklidischer Ring, faktorieller Ring in einem Diagramm an.<br />

Bestimme Beispiele für die einzelnen Ringe. Welche Eigenschaften vererben sich von einem<br />

Ring auf den Polynomring in einer/mehreren Veränderlichen?<br />

Übung A.4.2. Sei R faktoriell und K der Quotientenkörper von R, f ∈ R[X] und g ∈<br />

K[X]. Zeige: Wenn die höchsten Koeffizienten von f und g gleich 1 sind und g|f, dann ist<br />

g ∈ R[X].<br />

Übung A.4.3. Es sei Z[i] := {a + bi | a, b, ∈ Z; i 2<br />

Zahlen).<br />

= −1} (Ring der ganzen Gaußschen


A.4 Faktorielle Ringe 161<br />

(i) Man beweise, dass dieser Ring mit der Norm g(a + bi) := a 2 + b 2 euklidisch ist (Rechnung<br />

ausführen!).<br />

(ii) Ist Z[i] faktoriell?<br />

(iii) Man bestimme die Einheitengruppe von Z[i]. (Hinweis: Man überlege, wie Inverse<br />

gebildet werden in Zusammenhang mit der Norm.)<br />

Übung A.4.4. Sei n ∈ Z mit n /∈ {k 2 |k ∈ Z} und √ n ∈ C eine Wurzel von n. Sei<br />

Z[ √ n] = {a + b √ n | a, b ∈ Z} wie in Übung A.3.4.<br />

1. Zeige, dass die Normabbildung<br />

N : Z[ √ n] → N, x = a + b √ n → N(x) := |a 2 − nb 2 |<br />

die Eigenschaft N(xy) = N(x)N(y) erfüllt für alle x, y ∈ Z[ √ n].<br />

2. Zeige: x ∈ Z[ √ n] × genau dann, wenn N(x) = 1.<br />

3. Zeige, dass Z[ √ −5] nicht faktoriell ist.<br />

Hinweis: Zeige, dass 3 ∈ Z[ √ −5] irreduzibel aber nicht prim ist, vgl. Übung A.2.11<br />

Übung A.4.5 (Teilbarkeit). Sei R faktoriell und K der Quotientenkörper von R, f ∈ R[X]<br />

und g ∈ K[X]. Zeige: Wenn die höchsten Koeffizienten von f und g gleich 1 sind und g|f<br />

in K[X], dann ist g ∈ R[X].<br />

Übung A.4.6 (Irreduzibilitätkriterium). Sei φ : R → S ein Homomorphismus von Integritätsbereichen<br />

R, S. Zeige:<br />

1. Die Abbildung<br />

˜φ : R[X] → S[X], f =<br />

n∑<br />

c iX i ↦→ ˜φ(f) :=<br />

i=0<br />

n∑<br />

φ(c i)X i<br />

ist ein Ringhomomorphismus.<br />

2. Sei f ∈ R[X] primitiv und deg( ˜φ(f)) = deg(f) > 0. Ist ˜φ(f) irreduzibel, so ist f<br />

irreduzibel.<br />

3. f = X 4 + 3X 3 + X 2 − 2X + 1 ist irreduzibel in Z[X].<br />

Übung A.4.7 (Primelemente). Sei R ein faktorieller Ring. Zeige, dass es in R[X] unendlich<br />

viele normierte Polynome gibt, die prim sind.<br />

i=0


Literaturverzeichnis<br />

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[Sch75] Schubert, H., Topologie. Teubner, Stuttgart, 1975<br />

[Sp81] Springer, T., Linear Algebraic Groups. Birkhäuser, Boston, 1981


Sachverzeichnis<br />

(f 0 : . . . : f m), rationale Abbildung, 36<br />

D f , homogene Elemente des projektiven<br />

Nennerideals, 33<br />

I(X), Verschwindungsideal einer Menge, 8<br />

I(X), homogenes Verschwindungsideal, 28<br />

T P (V ), Tangentialraum der affinen<br />

Varietät V im Punkt P , 54<br />

V (I), Nullstellenmenge eines Ideals, 8<br />

V (f), Verschwindungsmenge im projektiven<br />

Raum, 27<br />

A n K, affiner Raum, 8<br />

K[V ], Koordinatenring von V , 15<br />

dim(V ), Dimension einer affinen Varietät,<br />

55<br />

O V,P , in P reguläre rationale Funktionen<br />

auf V , 18, 32<br />

O V,P , lokaler Ring in P ∈ V (proj.<br />

Varietät), 33<br />

Reg(V ), Menge der regulären Punkte einer<br />

affinen Varietät, 55<br />

Reg(V ), reguläre Punkte einer Hyperfläche,<br />

47<br />

Sing(V ), Menge der singulären Punkte<br />

einer affinen Varietät, 55<br />

Sing(V ), singuläre Punkte einer Hyperfläche,<br />

47<br />

dom (f), Definitionsbereich einer rationalen<br />

Abbildung, 19<br />

dom (f), Definitionsbereich einer rationalen<br />

Funktion, 18, 32<br />

rad I, Radikal eines Ideals, 9<br />

µ P (V ), Vielfachheit einer Hyperfläche in<br />

einem Punkt, 47<br />

µ P (V, L), Schnittvielfachheit mit einer<br />

Gerade, 51<br />

µ P (f), Vielfachheit eines Polynoms in<br />

einem Punkt, 46<br />

µ P (f, L), Schnittvielfachheit mit einer<br />

Geraden, 50<br />

f (P ) , Leitterm eines Polynoms f in einem<br />

Punkt P , 46<br />

m P , Verschwindungsideal von P , 9<br />

AffVar K , Kategorie, 82<br />

c(f), Inhalt von f, 159<br />

Cent(R), Zentrum eines Ringes R, 140<br />

deg(f), Grad eines Polynoms, 142<br />

ev x , Auswertung, 143<br />

F(M, K), Funktionenraum, 104<br />

ggT(a 1 , . . . , a k ) für Ringe, 148<br />

GL n(K), allgemeine lineare Gruppe, 103<br />

G a, additive Gruppe, 103<br />

G m, multiplikative Gruppe, 103<br />

Gr, Kategorie, 82<br />

H(G), lokale Distributionen, 114<br />

H(G) α , lokale Distributionen vom Grad<br />

≤ α, 114<br />

K-Alg, Kategorie, 82<br />

Lie(G), Lie-Algebra von G, 114<br />

Mor(Y, X), Morphismen, 97<br />

O(β), orthogonale Gruppe, 136<br />

P n K , projektiver Raum, 25<br />

rest ]c,d[ , Restriktion, 143<br />

SL n (K), spezielle lineare Gruppe, 103<br />

Set, Kategorie, 82<br />

Sp(β), symplektische Gruppe, 136<br />

T op, Kategorie, 82<br />

Unit(R), Einheiten in einem Ring R, 140<br />

Vect K , Kategorie, 82<br />

deg α, Grad einer lokalen Distribution, 113<br />

o(β), orthogonale Lie-Algebra, 136<br />

sp(β), symplektische Lie-Algebra, 136<br />

A ∪ C B,Verklebung, 72<br />

I ✂ R, Ideal in einem Ring, 142<br />

K[[t]], formale Potenzreihen, 92<br />

R G , Invariantenring, 109<br />

R[X 1 , . . . , X k ], Polynomring, 142<br />

R[X 1, . . . , X k ] d , homogene Polynome vom<br />

Grad d, 142<br />

V χ, Semiinvarianten vom Gewicht χ, 112<br />

X(T ), Charaktere eines Torus, 112<br />

lim<br />

←− X n, inverser Limes, 133<br />

R × , Einheiten in einem Ring R, 140<br />

Abbildung<br />

abgeschlossene, 81<br />

Addition, 139


166 Sachverzeichnis<br />

affiner Kegel, 30<br />

Algebra<br />

über einem Ring, 3<br />

algebraisch unabhängig, 4<br />

algebraische Menge, 8<br />

in einem projektiven Raum, 29<br />

assoziierte Elemente<br />

eines Ringes, 148<br />

Auswertungshomomorphismus, 144<br />

Bewertung, 92<br />

Bewertungsgruppe, 91<br />

Bewertungsring, 81, 91<br />

birationale Abbildung, 38<br />

Casimir<br />

Element, 124<br />

Operator, 125<br />

Cauchy<br />

-Produkt, auf formalen Potenzreihen,<br />

142<br />

Charakter, 111<br />

charakteristische Polynom, 144<br />

Darstellung<br />

adjungierte, 122<br />

algebraische, 105<br />

koadjungierte, 122<br />

lineare, 106<br />

reguläre, 106<br />

vom Gewicht n, 107<br />

Definitionsbereich<br />

rationaler Abbildungen, 19, 36<br />

rationaler Funktionen, 18, 32<br />

Derivation, 110<br />

M-wertig, 110<br />

in p, 112<br />

Diagonalmorphismus, 77<br />

Dimension<br />

einer affinen Varietät, 55<br />

Distribution<br />

lokale, 113<br />

Distributionen, 112<br />

Distributivgesetz, 139<br />

Division mit Rest in einem euklidischen<br />

Ring, 153<br />

Divisionsring, 140<br />

dominant, 69, 77, 86<br />

dominante Abbildung<br />

projektiver Varietäten, 38<br />

dominante rationale Abbildung, 20<br />

Dominanz, 83<br />

einfache Verklebung, 73<br />

Einheit<br />

in einem Ring, 140<br />

Element<br />

irreduzibles, 158<br />

Elementargarbe, 64<br />

endlich erzeugtes Ideal, 6<br />

endliche A-Algebra, 3<br />

endliche erzeugte R-Algebra, 3<br />

euklidischer Algorithmus, 154<br />

euklidischer Ring, 153<br />

Euler<br />

Operator, 111<br />

formale Ableitung, 45<br />

Funktionenkörper<br />

einer irreduziblen affinen Varietät, 18<br />

Funktor, 82<br />

kontravariant, 97<br />

Gauß<br />

-Zahlen, 140<br />

Gauß, Carl Friedrich (1777–1855), 140, 160<br />

Gauß, Johann Friedrich Carl (Originalname),<br />

140<br />

Gewicht, 107<br />

Grad, 78<br />

einer lokalen Distribution, 113<br />

eines Polynoms, 142<br />

Gradfunktion, 153<br />

graduierter Ring, 78<br />

Graph<br />

einer Verklebung, 74<br />

größter gemeinsamer Teiler, 148<br />

Gruppe<br />

additive, 103<br />

algebraische, 104<br />

allgemeine lineare, 103<br />

linear reduktive, 125<br />

multiplikative, 103<br />

orthogonale, 136<br />

spezielle lineare, 103<br />

symplektische, 136<br />

Hauptideal, 143<br />

Hauptidealring, 153<br />

Hilbert<br />

-Basissatz, 7<br />

-Nullstellensatz, 9<br />

-Nullstellensatz (projektive Version), 30<br />

homogen, 78<br />

homogene<br />

Komponente, 27<br />

homogene Elemente, 109<br />

homogenes Ideal, 27<br />

homogenes Polynom, 26, 142<br />

Homomorphismus<br />

Ring-, 142<br />

Hyperfläche<br />

algebraische, 12<br />

Ideal, 142<br />

endlich erzeugtes, 6<br />

homogenes, 27<br />

irrelevantes, 30


Sachverzeichnis 167<br />

maximales, 148<br />

von einer Menge erzeugtes, 143<br />

Immersion<br />

abgeschlossene, 69<br />

abgeschlosssene, 77<br />

offene, 71, 77<br />

Inhalt, 159<br />

Integritätsbereich, 146<br />

Invariante, 106<br />

Invariantenring, 109<br />

irreduzible<br />

affine Varietät, 17<br />

irreduzible Komponenten<br />

einer affinen Varietät, 11<br />

irreduzible Teilmenge eines affinen Raums,<br />

11<br />

irreduzible Teilmenge eines projektiven<br />

Raums, 30<br />

irreduzibles Element, 158<br />

irreduzibles Polynom, 158<br />

irrelevantes Ideal, 30<br />

Isomorphismus<br />

affiner Varietäten, 20<br />

projektiver algebraischer Mengen, 37<br />

Ring-, 143<br />

Isomorphismus algebraischer Mengen, 15<br />

Kategorie, 82<br />

Kegel<br />

affiner, 30<br />

Kern<br />

eines Ringhomomorphismus, 143<br />

Klebedaten<br />

allgemein, 76<br />

Koeins, 101<br />

Körpererweiterung, 156<br />

Koinverse, 101<br />

Kommutativgesetz<br />

multiplikativ, 139<br />

Komponente<br />

homogene, 27<br />

Koordinatenring<br />

einer algebraischen Menge, 15<br />

Koprodukt, 101<br />

Kurven<br />

elliptische, 104<br />

Leitkoeffizient, 142<br />

Leitterm<br />

eines Polynoms in einem Punkt, 46<br />

Lemma<br />

von Gauß, 159<br />

lexikographische Ordnung, 147<br />

Lie<br />

Algebra, 114<br />

Klammer, 114<br />

Limes<br />

direkter, 99<br />

induktiver, 99<br />

inverser, 133<br />

projektive, 133<br />

Linkswirkung, 104<br />

lokaler Ring<br />

einer affinen Varietät in einem Punkt, 18<br />

einer projektiven Variatät in einem<br />

Punkt, 33<br />

Lokalisierung, 64<br />

Matrixkoeffizient, 106<br />

Maximalspektrum, 63<br />

Menge<br />

gerichtete, 132<br />

monisches Polynom, 142<br />

Morphismus, 68<br />

affiner Varietäten, 20<br />

algebraischer Varietäten, 76<br />

dominanter, 77<br />

einer Kategorie, 82<br />

projektiver Varietäten, 36<br />

Multiindex, 141<br />

Multiplikation, 139<br />

Nennerideal<br />

projektives, 33<br />

Nennerideal einer rationalen Funktionen,<br />

18<br />

Noether<br />

-Normalisierung, 4<br />

Noether, Emmy (1882–1935), 7<br />

Noether, Max (1844–1921), 4<br />

noetherscher Ring, 7<br />

normiertes Polynom, 142<br />

Nullstellenmenge, 8<br />

Nullstellenstatz, 9<br />

Nullteiler, 146<br />

Objekt<br />

einer Kategorie, 82<br />

Ordnung<br />

lexikographische, 147<br />

totale, 147<br />

Polynom, 142<br />

charakteristisches, 144<br />

homogenes, 26, 142<br />

irreduzibles, 158<br />

normiertes, 142<br />

Polynomdivision, 152<br />

Polynomfunktion<br />

auf einer algebraischen Menge, 15<br />

polynomiale Abbildung<br />

zwischen algebraischen Mengen, 15<br />

Potenzreihe<br />

formale, 141<br />

Potenzreihen<br />

formale, 92<br />

Primelement, 148<br />

Primideal, 148


168 Sachverzeichnis<br />

primitiv, 158<br />

Primzerlegung<br />

eindeutige, 156<br />

projektiver Raum, 25, 78<br />

gewichtet, 80<br />

Punkte<br />

R-wertig, 81<br />

quadratfreies Polynom, 48<br />

Quaternionen, 141<br />

Quotientenkörper, 147<br />

eines Integritätsbereiches, 148<br />

Quotientenring, 144<br />

Radikal<br />

eines Ideals, 9<br />

Radikalideal, 9<br />

rationale Abbildung, 19, 36<br />

dominante, 20<br />

rationale Funktion<br />

auf projektiven algebraischen Mengen,<br />

32<br />

rationale Funktionen<br />

auf einer affinen Varietät, 18<br />

rationale Varietät, 39<br />

Raum<br />

affiner, 8<br />

irreduzibler, 64<br />

noetherscher, 64<br />

reduzibler, 64<br />

Rechtswirkung, 104<br />

reguläre Punkte<br />

einer affinen Varietät, 55<br />

einer Hyperfläche, 47<br />

Regularität<br />

rationaler Abbildungen, 19, 36<br />

rationaler Funktionen, 18, 32<br />

Restklassen, 145<br />

Restriktionsabbildung, 68<br />

Ring, 139<br />

faktorieller, 156<br />

kommutativer, 139<br />

noetherscher, 7<br />

Ringerweiterung<br />

ganze, 69<br />

Satz<br />

von Gauß, 160<br />

Schiefkörper, 140<br />

Schnittvielfachheit<br />

einer Hyperfläche mit einer Gerade, 51<br />

eines Polynoms mit einer Geraden, 50<br />

Semiinvariante, 112<br />

singuläre Punkte<br />

einer affinen Varietät, 55<br />

einer Hyperfläche, 47<br />

Spektrum, 63<br />

standard offene Menge, 21<br />

System<br />

direktes, 99<br />

induktives, 99<br />

inverses, 133<br />

projektives, 133<br />

Tangentialraum<br />

für affiner Varietäten, 54<br />

Taylorentwicklung<br />

für Polynome, 45<br />

Teiler, 148<br />

teilerfremd, 148, 158<br />

Torus<br />

algebraischer, 112<br />

Unterdarstellung, 106<br />

Unterring, 140<br />

Varietät<br />

abelsche, 104<br />

affine, 17, 66<br />

algebraische, 72<br />

irreduzible affine, 17<br />

projektive, 79<br />

rationale, 39<br />

separierte, 74<br />

vollständige, 81<br />

Verklebung, 72<br />

separierte, 74<br />

Verschwindungsideal, 8<br />

homogenes, 28<br />

Verschwindungsmenge, 8<br />

im projektiven Raum, 27<br />

Vielfachheit<br />

einer Hyperfläche in einem Punkt, 47<br />

eines Polynoms in einem Punkt, 46<br />

Wirkung<br />

algebraische, 109<br />

Zariski<br />

Tangentialraum, 113<br />

Topologie, 29, 64<br />

Zentrum<br />

eines Rings, 140

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