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Skript - Universität Paderborn

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Algebra<br />

WS 2011/2012<br />

Joachim Hilgert<br />

Dieser Text ein vorläufiges Vorlesungsskript zur Vorlesung Algebra, die ich im WS<br />

2011/2012 an der Universität <strong>Paderborn</strong> gehalten habe. Er ist nicht korrekturgelesen<br />

und nur zum internen Gebrauch gedacht!<br />

<strong>Paderborn</strong>, den 30.1.2012<br />

J. Hilgert


Vorwort<br />

Die Vorlesung ”<br />

Algebra“ ist einer ersten Einführung in die Grundprinzipien der<br />

abstrakten Algebra gewidmet. Behandelt werden exemplarisch die Gruppentheorie<br />

und die Ringtheorie. Dabei führen wir die jeweiligen Unter- und Quotientenstrukturen<br />

ein, den passenden Quotientenbegriff sowie diverse Spezialfälle, die sich aus<br />

interessanten Beispielklassen ergeben.<br />

In der Gruppentheorie betrachten wir auch Gruppenwirkungen, die man als eine<br />

Abstrahierung des Symmetriebegriffs auffassen kann, und deuten an, wie Gruppenwirkungen<br />

in der Lösung kombinatorischer Probleme eingesetzt werden können. In<br />

der Ringtheorie konzentrieren wir uns jenseits der elementaren Strukturbeschreibung<br />

auf die Verallgemeinerung der Teilbarkeitslehre. Der tiefliegenste Satz, den<br />

wir hier beweisen, stammt von Gauß und besagt, dass die Eigenschaft, Elemente<br />

in Primfaktoren zerlegen zu können, sich von einem Ring R auf den zugehörigen<br />

Polynomring R[X] vererbt.<br />

Abschließend besprechen wir die Anfangsgründe der Körpertheorie, um das Problem<br />

des Lösens von Polynomgleichungen genauer erörtern zu können.<br />

Das Kapitel 5 konnte in der Vorlesung aus Zeitgründen nicht behandelt werden.<br />

Es wurde ins <strong>Skript</strong> aufgenommen, um den Studierenden die Gelegenheit zu geben,<br />

Anwendungen der behandelten Theorien zu sehen.


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

1.1 Die Gruppenaxiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1<br />

1.2 Gruppenwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1.3 Untergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

1.4 Homomorphismen, Normalteiler und Quotientengruppen . . . . . . . . . . 18<br />

2 Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

2.1 Ringe und Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

2.2 Integritätsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

2.3 Euklidische Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

2.4 Faktorielle Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

3 Moduln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

3.1 Die Modulaxiome. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

3.2 Basen und freie Moduln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

3.3 Moduln über euklidischen Ringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

3.4 Anwendung auf lineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />

4 Körpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

4.1 Nullstellen von Polynomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

4.2 Zerfällungskörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

4.3 Primkörper und Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

4.4 Irreduzibilitätskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />

4.5 Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

5 Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

5.1 Separabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

5.2 Die Galoisgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />

5.3 Primitive Einheitswurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

5.4 Der Hauptsatz der Galoistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109


1<br />

Gruppen<br />

In diesem Kapitel werden elementare Strukturaussagen für Gruppen bewiesen. Kanonisch<br />

ergeben sich aus der Definition einer Gruppe die Begriffe Untergruppe und<br />

Quotientengruppe, wobei die Suche nach einem geeigneten Quotientenbegriff auf das<br />

Konzept des Normalteilers führt. Ebenso kanonisch ist der Begriff des Gruppenhomomorphismus,<br />

der den Vergleich verschiedener Gruppen möglich macht. Wir beziehen<br />

von Anfang an auch Gruppenwirkungen auf Mengen in unsere Überlegungen<br />

mit ein, die eine abstrakte Fassung des Symmetriebegriffs darstellen, und somit einer<br />

der wesentlichen Ausgangspunkte für die Gruppentheorie als algebraische Disziplin<br />

sind.<br />

1.1 Die Gruppenaxiome<br />

Definition 1.1.1. Sei G ≠ ∅ eine Menge und ◦: G × G → G eine Abbildung.<br />

Betrachte die folgenden Eigenschaften.<br />

(i) (x ◦ y) ◦ z = x ◦ (y ◦ z) für alle x, y, z ∈ G (Assoziativgesetz).<br />

(ii) Es existiert ein e ∈ G mit e ◦ x = x = x ◦ e für alle x ∈ G (Einselement).<br />

(iii) Zu jedem x ∈ G existiert ein y ∈ G mit y ◦ x = e = x ◦ y (inverses Element).<br />

(iv) x ◦ y = y ◦ x für alle x, y ∈ G (Kommutativgesetz) .<br />

(a) (G, ◦) heißt Halbgruppe, wenn (i) gilt.<br />

(b) (G, ◦) heißt Monoid, wenn (i) und (ii) gilt.<br />

(c) (G, ◦) heißt Gruppe, wenn (i), (ii) und (iii) gilt.<br />

(d) (G, ◦) heißt abelsche Gruppe, wenn (i) - (iv) gilt.<br />

Bemerkung 1.1.2. (i) Das Assoziativgesetz erlaubt das Weglassen von Klammern<br />

bei mehrfachen Verknüpfungen.<br />

(ii) Wenn das Kommutativitätsgesetz gilt, dann schreibt man häufig + statt ◦ (additive<br />

Schreibweise).<br />

(iii) Wenn das Kommutativitätsgesetz nicht gilt, läßt man oft das Verknüpfungssymbol<br />

ganz weg.<br />

⊓⊔<br />

Für kleine Gruppen ist es sinnvoll, die Gruppenmultiplikation in Form einer<br />

Gruppentafel darzustellen:


2 1 Gruppen<br />

◦ g 1 g 2 g 3 . . .<br />

g 1 g 1 g 1 g 1 g 2 g 1 g 3 . . .<br />

g 2 g 2 g 1 g 2 g 2 g 2 g 3 . . .<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

.<br />

. ..<br />

Proposition 1.1.3. Sei (G, ◦) eine Gruppe. Dann gilt<br />

(i) Es gibt nur ein Einselement.<br />

(ii) Zu jedem x ∈ G gibt es nur ein Inverses. Dieses wird mit x −1 bzw. mit −x (in<br />

der additiven Schreibweise) bezeichnet.<br />

(iii) (a −1 ) −1 = a, (ab) −1 = b −1 a −1 für alle a, b ∈ G.<br />

(iv) ax = ay =⇒ x = y für alle a, x, y ∈ G (kürzen von links).<br />

(v) xa = ya =⇒ x = y für alle a, x, y ∈ G (kürzen von rechts).<br />

Beweis. Idee: Für (i) und (ii) nimmt man die Existenz von zwei passenden Elementen<br />

an und läßt jedes einmal die Rolle des Eins- bzw. inversen Elements in der Definition<br />

spielen. Der Rest folgt sofort aus den Definitionen.<br />

(i) Seien e und f Einselemente. Dann gilt e = ef = f.<br />

(ii) Seien x ′ und x ′′ Inverse von x. Dann gilt<br />

x ′ = ex ′ = (x ′′ x)x ′ = x ′′ (xx ′ ) = x ′′ e = x ′′ .<br />

(iii) Wegen aa −1 = a −1 a = e ist a das Inverse von a −1 , d.h. a = (a −1 ) −1 . Wegen<br />

(ab)(b −1 a −1 ) = a(bb −1 )a −1 = aea −1 = aa −1 = e<br />

und<br />

(b −1 a −1 )(ab) = b −1 a −1 ab = b −1 eb = b −1 b = e<br />

gilt außerdem (ab) −1 = b −1 a −1 .<br />

(iv) Aus ax = ay folgt x = a −1 (ax) = a −1 (ay) = y.<br />

(v) Aus xa = ya folgt x = (xa)a −1 = (ya)a −1 = y.<br />

⊓⊔<br />

Die folgende Proposition zeigt, dass die Gruppenaxiome nicht frei von Redundanz<br />

sind. D.h., um zu überprüfen, dass eine Verknüpfung auf einer Menge eine<br />

Gruppenstruktur definiert, kann man sich etwas Arbeit sparen.<br />

Proposition 1.1.4. Sei G eine nichtleere Menge und ◦: G×G → G eine Abbildung<br />

mit folgenden Eigenschaften:<br />

(a) Es existiert ein e ∈ G mit e ◦ x = x für alle x ∈ G.<br />

(b) Zu jedem x ∈ G gibt es ein y ∈ G mit y ◦ x = e.<br />

(c) Für ◦ gilt das Assoziativgesetz.<br />

Dann ist (G, ◦) eine Gruppe mit Einselement e.<br />

Beweis. Idee: Man zeigt zunächst, dass aus x◦y = e schon y◦x = e folgt, weil y◦x dann<br />

idempotent ist, d.h. (y ◦ x) ◦ (y ◦ x) = y ◦ x. Der Rest ist dann klar mit den Definitionen.<br />

Seien x, y ∈ G und y ◦ x = e. Zeige zuerst: x ◦ y = e. Dazu setze z := x ◦ y und<br />

rechne<br />

z ◦ z = (x ◦ y) ◦ (x ◦ y) = x ◦ (y ◦ x) ◦ y = x ◦ e ◦ y = x ◦ y = z.


1.1 Die Gruppenaxiome 3<br />

Wähle ein w ∈ G mit w ◦ z = e. Dann gilt<br />

e = w ◦ z = w ◦ z ◦ z = e ◦ z = z = x ◦ y.<br />

Als nächstes zeigt man x ◦ e = x für alle x ∈ G: Wähle ein y ∈ G mit y ◦ x = e.<br />

Dann gilt wegen des ersten Teils des Beweises<br />

x ◦ e = x ◦ y ◦ x = e ◦ x = x.<br />

Jetzt folgt die Behauptung sofort aus der Definition einer Gruppe.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 1.1.5. (i) (Z, +) ist eine abelsche Gruppe mit Einselement e = 0 und −x<br />

als Inversem von x ∈ Z.<br />

(ii) Sei K ein Körper, dann ist (K, +) eine abelsche Gruppe mit Einselement e = 0<br />

und −x als Inversem von x ∈ K.<br />

(iii) Sei K ein Körper und V ein K-Vektorraum, dann ist (V, +) eine abelsche Gruppe<br />

mit Einselement e = 0 und −x als Inversem von x ∈ V .<br />

(iv) Sei M eine nichtleere Menge und Bij(M) die Menge aller bijektiven Selbstabbildungen<br />

von M. Dann ist (Bij(M), ◦) mit der Hintereinanderschaltung ◦ von<br />

Abbildungen eine Gruppe mit der Identität als Einselement und der Umkehrabbildung<br />

ϕ −1 als Inversem von ϕ ∈ Bij(M). Für den Spezialfall M = {1, . . . , n}<br />

erhält man die symmetrische Gruppe in n Buchstaben und schreibt S n statt<br />

Bij({1, . . . , n}).<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 1.1.6 (Diedergruppe). Sei σ : R 2 → R 2 die Rotation um den Winkel 2π n<br />

und τ : R 2 → R 2 die Spiegelung an der x-Achse. Bzgl. der Standardbasis sind die<br />

darstellenden Matrizen dieser Abbildungen durch<br />

gegeben. Die Menge<br />

σ =<br />

(<br />

cos<br />

2π<br />

n<br />

sin 2π n<br />

− sin 2π n<br />

cos 2π n<br />

)<br />

, τ =<br />

( )<br />

1 0<br />

0 −1<br />

D n := {σ k | k = 0, . . . , n − 1} ∪ {τσ k | k = 0, . . . , n − 1}<br />

ist bezüglich der Verknüpfung von Abbildungen eine Gruppe mit σ 0 = id als Einselement<br />

und heißt die n-te Diedergruppe. Man interpretiert D n als die Symmetriegruppe<br />

des regulären n-Ecks: Die Elemente von D n sind nämlich genau diejenigen<br />

bijektiven linearen Abbildungen, die das von den Punkten σ k (e 1 ) (mit dem Standardbasisvektor<br />

e 1 ∈ R 2 ) gebildete reguläre n-Eck in sich abbilden (Übung. Hinweis:<br />

Betrachte zuerst die Symmetrien, die den Punkt e 1 festlassen und dann diejenigen,<br />

die e 1 auf σ k (e 1 ) abbilden).<br />

τ<br />

σ<br />

⊓⊔


4 1 Gruppen<br />

Beispiel 1.1.7 (Graphenautomorphismen). Ein gerichteter Graph Γ ist gegeben<br />

durch eine Menge V , die man als Ecken interpretiert, eine Menge E, die man<br />

als Kanten interpretiert, sowie eine Abbildung η : E → V ×V . Dabei stellt man sich<br />

vor, dass η(e) = (a, b), wenn e eine Kante mit Anfangspunkt a und Endpunkt b ist.<br />

Ein Automorphismus von Γ = (V, E, η) besteht aus einer Bijektion ϕ E : E → E<br />

und einer Bijektion ϕ V : V → V mit<br />

η(e) = (a, b) ⇔ η ( ϕ E (e) ) = ( ϕ V (a), ϕ V (b) ) .<br />

Dann ist die Menge Aut(Γ ) aller Automorphismen von Γ bzgl. der Verknüpfung<br />

von Abbildungen eine Gruppe mit der Identität als Einselement.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 1.1.8 (Matrizengruppen). Sei K ein Körper. Die folgenden Teilmengen<br />

von Mat(n×n, K) sind Gruppen bzgl. der Matrizenmultiplikation. Das Einselement<br />

ist jeweils die Einsmatrix und das Inverse einer Matrix ist das gewöhnliche Matrizeninverse:<br />

(i) Die allgemeine lineare Gruppe, GL(n, K) = {A ∈ Mat(n × n, K) | det(A) ≠<br />

0}.<br />

(ii) Die spezielle lineare Gruppe, SL(n, K) = {A ∈ Mat(n × n, K) | det(A) = 1}.<br />

(iii) Die Menge T der oberen Dreiecksmatrizen in GL(n, K).<br />

(iv) Die unipotente Gruppe U der oberen Dreiecksmatrizen in GL(n, K) mit 1 als<br />

einzigem Eigenwert.<br />

(v) Die orthogonale Gruppe O(n, K) = {A ∈ Mat(n × n, K) | A ⊤ = A −1 }.<br />

(vi) Die symplektische ( ) Gruppe Sp(2n, K) = {A ∈ Mat(2n × 2n, K) | A ⊤ JA = J}<br />

0 1n<br />

mit J =<br />

.<br />

−1 n 0<br />

(v) Die unitäre Gruppe U(n, K) = {A ∈ Mat(n×n, K) | A ∗ = A −1 }, wobei z → z<br />

ein involutiver Automorphismus von K ist, der komponentenweise angewandt<br />

eine involutive Abbildung A → A induziert, für die man setzt: A ∗ := A ⊤ .<br />

(vi) Die spezielle orthogonale Gruppe SO(n, K) = SL(n, K) ∩ O(n, K).<br />

(vii) Die spezielle unitäre Gruppe SU(n, K) = SL(n, K) ∩ U(n, K).<br />

⊓⊔<br />

Die folgende Proposition liefert eine Möglichkeit, aus einer Familie von Gruppen<br />

neue, größere Gruppen zusammenzubauen:<br />

Proposition 1.1.9. Sei (G λ , ◦ λ ) λ∈Λ eine Familie von Gruppen. Dann ist<br />

∏<br />

G λ := {f : Λ → ⋃ . G λ | f(λ) ∈ G λ }<br />

λ∈Λ<br />

eine Gruppe bzgl. der Verknüpfung<br />

λ∈Λ<br />

(f ◦ f ′ )(λ) := f(λ) ◦ λ f ′ (λ)<br />

für 1 f, f ′ ∈ ∏ λ∈Λ G λ. Das Einselement ist gegeben durch e(λ) = e λ ∈ G λ , wobei e λ<br />

das Einselement in G λ ist. Analog ist das Inverse von f ∈ ∏ λ∈Λ G λ gegeben durch<br />

f −1 (λ) = f(λ) −1 ∈ G λ .<br />

Beweis. Übung.<br />

⊓⊔<br />

1 Beachte, dass für überabzählbares Λ das Auswahlaxiom benötigt wird, um ∏ λ∈Λ G λ ≠ ∅<br />

sicherzustellen.


1.1 Die Gruppenaxiome 5<br />

Die Gruppe ∏ λ∈Λ G λ heißt das direkte Produkt der Gruppen G λ . Wenn Λ =<br />

{1, . . . , n}, so schreibt man auch G 1 ×. . .×G n statt ∏ λ∈Λ G λ und (g 1 , . . . , g n ) statt<br />

f : {1, . . . , n} → ⋃ . n j=1 G j mit f(j) = g j .<br />

Übung 1.1.1. Man zeige: Es gibt eine Menge M ≠ ∅, und eine assoziative Verknüpfung<br />

◦ : M × M → M so, dass gilt<br />

(i) ∃e ∈ M ∀x ∈ M : ex = x und (M, ◦) ist kein Monoid.<br />

(ii) ∃e ∈ M ∀x ∈ M : ex = x und ∀x ∈ M ∃y ∈ M : xy = e, aber (M, ◦) ist keine Gruppe.<br />

Übung 1.1.2. Es sei (G, ◦) ein endliches Monoid (d.h. G ist eine endliche Menge) und es<br />

gelte<br />

Für a, x, y ∈ G mit ax = ay oder xa = ya folgt stets x = y.<br />

Dann ist (G, ◦) eine Gruppe. Zusätzlich untersuche man, ob auf die Bedingung endlich“ ”<br />

verzichtet werden kann.<br />

Übung 1.1.3. Es sei (G, ·) eine Gruppe und es seien g ∈ G, r, s ∈ Z. Wir definieren g 0 = e,<br />

g 1 = g, g n = g · g n−1 für positives n und g n = (g −n ) −1 für negatives n. Man beweise:<br />

(i) g r g s = g r+s = g s g r .<br />

(ii) (g r ) s = g rs .<br />

(iii) g −r = (g −1 ) r = (g r ) −1 .<br />

Übung 1.1.4. Wieder sei (G, ·) eine Gruppe. Es sei g ∈ G ein Element der Ordnung n<br />

(∈ N), d.h. n = min{k ∈ N | g k = e}. Es gilt g r = g s genau dann, wenn n | (r − s).<br />

Übung 1.1.5. Für eine nicht-leere Menge M sei Bij(M) := {f : M → M | f bijektiv}.<br />

1. Zeige, dass Bij(M) zusammen mit der Verknüpfung von Abbildungen eine Gruppe<br />

bildet.<br />

2. Die Gruppe S n := Bij({1, 2, . . . , n}) heißt symmetrische Gruppe in n Symbolen. Wie<br />

lassen die Elemente von S 3 möglichst effektiv beschreiben Bestimme die Gruppentafel<br />

von S 3 .<br />

Übung 1.1.6. Sei G = {a, b, c, d, e, f} eine Gruppe mit Verknüpfung ⋆ : G × G → G.<br />

Vervollständige die Gruppentafel:<br />

⋆ a b c d e f<br />

a c e f<br />

b c e<br />

c a d<br />

d f b<br />

e d f c<br />

f c a b<br />

Welches ist das neutrale Element und welche Elemente sind invers zueinander Ist G<br />

abelsch<br />

Übung 1.1.7. Es sei G eine endliche abelsche Gruppe. Dann gilt ∏ g∈G g2 = 1.<br />

Übung 1.1.8. Bestimme alle möglichen Gruppentafeln für eine Gruppe mit 4 Elementen.<br />

Übung 1.1.9 (Ordnungen). Sei (G, ·) eine Gruppe. Es sei g ∈ G ein Element der Ordnung<br />

n ∈ N ∪ {∞}, d.h. n := min{k ∈ N | g k = e}, falls das Minimum existiert, und n := ∞<br />

sonst.<br />

1. Zeige im Fall n < ∞: Es gilt g r = g s genau dann, wenn n | (r − s).<br />

2. Sei G = GL(2, R) = {A ∈ Mat(2 × 2, R) | A invertierbar} mit Matrizenmultiplikation<br />

als Verknüpfung. Bestimme die Ordnungen der Elemente a, b und dem Produkt ab für<br />

a :=<br />

( 0 −1<br />

1 0<br />

)<br />

, b :=<br />

( 0 1<br />

−1 −1<br />

)<br />

.


6 1 Gruppen<br />

Übung 1.1.10 (Abelsche Gruppen). Sei G ein Gruppe. Zeige:<br />

1. Ist a 2 = e für alle a ∈ G, so ist G abelsch.<br />

2. Ist (ab) −1 = a −1 b −1 für alle a, b ∈ G, so ist G abelsch.<br />

Übung 1.1.11 (Quaternionen). Sei Q die 8-elementige Menge Q = {±1, ±i, ±j, ±k}.<br />

Bestimme auf Q eine Gruppenstruktur mit neutralem Element +1, so dass zum einen die<br />

gewöhnlichen Multiplikationsregeln für Vorzeichen gelten und zum anderen<br />

i 2 = j 2 = k 2 = i · j · k = −1<br />

gilt. Bestimme hierfür eine Gruppentafel, wobei die Assoziativität der Verknüpfung nicht<br />

getestet werden soll. Ist die Gruppenstruktur eindeutig Ist Q kommutativ<br />

1.2 Gruppenwirkungen<br />

Diedergruppe und Graphenautomorphismen sind Beispiele für das allgemeine<br />

Prinzip, nach dem man geometrische Symmetrien durch Gruppen beschreiben kann.<br />

In seinem sogenannten Erlanger Programm (1872) hat Felix Klein den Standpunkt<br />

sogar umgedreht und die Symmetriegruppe als die geometrische Essenz in<br />

den Mittelpunkt seiner Betrachtung gestellt. Das bedeutet in etwa: Die geometrischen<br />

Eigenschaften beispielsweise eines Dreiecks in der linearen Geometrie sind die<br />

Eigenschaften, die unter allen linearen Bijektionen invariant bleiben.<br />

Der entscheidende Begriff, der die präzise Beschreibung von Symmetrien ermöglicht,<br />

ist die Gruppenwirkung.<br />

Definition 1.2.1. Sei G eine Gruppe mit Einselement e und X eine beliebige nichtleere<br />

Menge. Eine Abbildung<br />

Φ: G × X → X, (g, x) ↦→ g · x<br />

heißt eine Gruppenwirkung oder einfach eine Wirkung (auch der Name Gruppenoperation<br />

wird verwendet) von G auf X, wenn gilt<br />

(i) e · x = x für alle x ∈ X.<br />

(ii) g · (h · x) = (gh) · x für alle g, h ∈ G und x ∈ X.<br />

Manchmal ist es relevant zu betonen, dass (ii) ein Assoziativgesetz ist, solange man<br />

die Gruppenelemente von links an die Elemente von X ”<br />

multipliziert“. Man spricht<br />

dann speziell von einer Linkswirkung.<br />

Beispiel 1.2.2. (i) Bij(M) wirkt auf M via (ϕ, m) ↦→ ϕ(m).<br />

(ii) Insbesondere wirkt S n auf {1, . . . , n} via (σ, k) ↦→ σ(k).<br />

(iii) GL(n, K) wirkt auf K n via (g, v) ↦→ gv.<br />

(iv) Sei Proj n (K) = {Kv | 0 ≠ v ∈ K n+1 } der n-dimensionale projektive Raum<br />

über K. Dann wirkt GL(n + 1, K) auf Proj n (K) via (g, Kv) ↦→ K(gv).<br />

⊓⊔<br />

Einen besonders hohen Grad an Symmetrie weisen diejenigen Mengen X auf, für die<br />

es Gruppenwirkungen gibt, mit denen man jeden Punkt von X in jeden beliebigen<br />

Punkt von X abbilden kann.


1.2 Gruppenwirkungen 7<br />

Definition 1.2.3. Sei G eine Gruppe und Φ: G × X → X eine Gruppenwirkung.<br />

Dann heißt X ein homogener Raum und Φ transitiv, wenn es zu x, y ∈ X ein<br />

g ∈ G mit g · x = y gibt.<br />

Beispiel 1.2.4. Im regelmäßigen Sechseck ist die Menge der Ecken ein homogener<br />

Raum bzgl. der Diedergruppe D 6 (sogar schon bzgl. der Untergruppe der Rotationen<br />

darin). Zerstört man die Symmetrie des Sechsecks durch Veränderung der<br />

Längenverhältnisse, so kann man nicht mehr alle Ecken durch Anwendung von Symmetrien<br />

ineinander überführen.<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.2.5. Sei G × X → X eine Gruppenwirkung. Man nennt die Menge<br />

G · x die Bahn von x unter der Gruppenwirkung. Die Menge aller Bahnen wird mit<br />

G\X bezeichnet und heißt der Bahnenraum der Wirkung.<br />

Proposition 1.2.6. Sei G × X → X eine Gruppenwirkung. Dann definiert<br />

x ∼ y :⇔ ∃g ∈ G mit g · x = y<br />

eine Äquivalenzrelation auf X. Die Äquivalenzklasse von x ∈ X ist gegeben durch<br />

G · x = {g · x | g ∈ G}.<br />

Beweis. Übung.<br />

⊓⊔<br />

Es folgt sofort aus der Definition von ∼, dass (g, x) ↦→ g · x auf jeder Bahn eine<br />

transitive Wirkung definiert. Das bedeutet, man kann für jede Gruppenwirkung<br />

G×X → X den Raum X in eine disjunkte Menge von homogenen Räumen zerlegen.<br />

Die Anzahl der Bahnen ist dann eine Maßzahl für den Grad der Symmetrie der<br />

Menge X.<br />

Beispiel 1.2.7. (i) {1, . . . , n} ist bzgl. der Wirkung von S n via (σ, k) ↦→ σ(k) ein<br />

homogener Raum.<br />

(ii) Die n-Sphäre S n = {v ∈ R n+1 : ‖v‖ = 1} bzgl. der euklidischen Norm v ↦→ ‖v‖<br />

ist ein homogener Raum bzgl. der Wirkung (g, v) ↦→ gv von SO(n + 1) auf S n<br />

(Übung; Hinweis: kombiniere mehrere Rotationen).<br />

(ii’) Die Bahnen in R n+1 unter der Wirkung (g, v) ↦→ gv von SO(n + 1) sind der<br />

Nullpunkt sowie n-Sphären S n (r) = {v ∈ R n+1 : ‖v‖ = r} für r > 0.


8 1 Gruppen<br />

(iii) Sei C + := {z ∈ C | Im z > 0} die obere Halbebene. Dann ist C + ein homogener<br />

Raum bzgl. der Wirkung von SL(2, R), die durch gebrochen lineare<br />

Abbildungen, d.h. durch<br />

( )<br />

a b<br />

· z = az + b<br />

c d cz + d<br />

gegeben ist (Übung).<br />

⊓⊔<br />

Die nächsten Beispiele illustrieren den Umstand, dass man nicht nur Symmetrien,<br />

sondern auch (reversible) dynamische Systeme durch Gruppenwirkungen modellieren<br />

kann. Allgemein kann man ein reversibles dynamisches System als eine<br />

Gruppenwirkung von (Z, +) (im diskreten Fall) oder von (R, +) (im kontinuierlichen<br />

Fall) auf einer Menge definieren.<br />

Beispiel 1.2.8. (i) Sei A ∈ GL(n, K). Dann wirkt (Z, +) auf K n via (k, v) ↦→ A k v.<br />

(ii) Sei A ∈ Mat(n × n, C). Dann wirkt (R, +) auf C n via (t, v) ↦→ e tA v.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 1.2.9. Sei f : R n → R n eine Funktion, für die die Differentialgleichung<br />

ẋ(t) = f ( x(t) ) mit dem Anfangswert x(0) = p ∈ R n für jedes p eine eindeutig<br />

bestimmte Lösung x p : R → R n hat. Dann definiert t · p = x p (t) eine Wirkung von<br />

(R, +) auf R n . Um das einzusehen, stellt man zunächst fest, dass<br />

0 · p = x p (0) = p.<br />

Für s ∈ R setzt man y(t) = x p (t + s), dann gilt y(0) = x p (s) = s · p und die<br />

Kettenregel liefert<br />

Also gilt y = x s·p woraus<br />

ẏ(t) = ẋ p (t + s) = f ( x p (t + s) ) = f ( y(t) ) .<br />

t · (s · p) = y(t) = x p (t + s) = (t + s) · p<br />

folgt. Beachte, dass in diesem Beispiel die Bahnen der Wirkung gerade die zeitlichen<br />

Trajektorien des dynamischen Systems sind.<br />

⊓⊔<br />

Von besonderer Bedeutung sind Gruppenwirkungen auf Vektorräumen, für die<br />

die Abbildungen v ↦→ g · v linear sind. Solche Wirkungen heißen auch (lineare)<br />

Darstellungen der Gruppe.<br />

Definition 1.2.10. Sei G eine Gruppe und V ein Vektorraum. Eine Wirkung<br />

Φ: G × V → V heißt eine Darstellung, wenn für jedes g ∈ G die Abbildung<br />

V → V,<br />

v ↦→ g · v<br />

linear ist.<br />

Beispiel 1.2.11. Die Wirkung von GL(n, K) auf K n ist eine Darstellung.<br />

⊓⊔


1.2 Gruppenwirkungen 9<br />

Die folgende Proposition zeigt, wie man in sehr allgemeinen Situationen aus<br />

Gruppenwirkungen Darstellungen machen kann.<br />

Proposition 1.2.12. Sei G eine Gruppe und G × X → X eine Gruppenwirkung.<br />

Weiter sei Y eine beliebige nichtleere Menge sowie F(X, Y ) die Menge der Abbildungen<br />

von X nach Y . Dann definiert<br />

Φ: G × F(X, Y ) → F(X, Y ), (g · f)(x) = f(g −1 · x)<br />

eine Gruppenwirkung. Wenn Y ein Vektorraum ist und F(X, Y ) die durch die<br />

punktweisen Operationen definierte Vektorraumstruktur trägt, dann ist Φ eine Darstellung.<br />

Beweis. Übung.<br />

⊓⊔<br />

Übung 1.2.1 (Affine Gruppe). Für n ∈ N sei G := GL(n, R) × R n . Bestimme eine Gruppenstruktur<br />

auf G, so dass<br />

eine Gruppenwirkung von G auf R n ist.<br />

Φ : G × R n → R n , ((A, v), x) ↦→ Ax + v<br />

Übung 1.2.2 (Äquivalenzklassen). Für n ∈ N sei<br />

Φ n : Z × Z → Z, (k, l) ↦→ k ⋆ l := l + n · k .<br />

Zeige, dass Φ n eine Gruppenwirkung von Z auf sich selbst definiert und bestimme die Bahn<br />

[l] eines Elements l ∈ Z und den Bahnenraum. Zeige, dass<br />

wohldefiniert sind.<br />

[l] + [l ′ ] := [l + l ′ ] und [l] · [l ′ ] := [l · l ′ ]<br />

Übung 1.2.3 (Bahnen). Sei G = O(2, R) und X = {A ∈ Mat(2 × 2, R) | A = A T } die<br />

Menge der symmetrischen (2 × 2)-Matrizen. Definiere<br />

Φ : G × X → X, (g, A) ↦→ gAg −1 .<br />

Zeige, dass Φ eine Gruppenwirkung von G auf X ist. Bestimme den Bahnenraum und<br />

beschreibe die Bahnen mit Hilfe von det A und tr A.<br />

Übung 1.2.4 (Gruppenwirkung und Äquivalenzklassen). Beweise Proposition 1.2.6 aus<br />

der Vorlesung: Ist G × X → X eine Gruppenwirkung, so definiert<br />

x ∼ y : ⇐⇒ ∃g ∈ G mit g · x = y<br />

eine Äquivalenzrelation auf X. Die Äquivalenzklasse von x ∈ X ist gegeben durch<br />

G · x = {g · x | g ∈ G} .<br />

Übung 1.2.5 (Diskrete dynamische Systeme). Für A ∈ GL(n, C) betrachte das diskrete<br />

dynamische System (d.h. folgende Gruppenwirkung von Z auf C n )<br />

Φ : Z × C n → C n , (k, v) ↦→ A k v .<br />

Zeige: Es gibt genau dann endliche Bahnen außerhalb von {0} ⊆ C n , wenn A einen Eigenwert<br />

λ ∈ C hat mit λ k = 1 für ein k ∈ N.


10 1 Gruppen<br />

Übung 1.2.6. Seien G = SL(2, R) und C + := {z ∈ C | Im z > 0} die obere Halbebene.<br />

Zeige, dass durch<br />

( ) a b<br />

· z = az + b<br />

c d cz + d<br />

eine transitive Gruppenwirkung von G auf C + definiert ist. Beachte hierbei, dass zunächst<br />

zu zeigen ist, dass cz + d ≠ 0 und ( a c d b ) · z ∈ C+ gilt für alle z ∈ C + und ( a c d b ) ∈ SL(2, R).<br />

Übung 1.2.7. Sei G eine Gruppe mit Einselement e und X eine nichtleere Menge. Eine<br />

Abbildung<br />

G × X → X, (g, x) ↦→ x · g<br />

heißt eine Rechtswirkung, wenn gilt<br />

(i) x · e = x für alle x ∈ X.<br />

(ii) (x · g) · h = x · (gh) für x ∈ X und g, h ∈ G.<br />

Zeige: G×X → X, (g, x) ↦→ g·x ist genau dann eine Gruppenwirkung, wenn (g, x) ↦→ g −1·x<br />

eine Rechtswirkung ist.<br />

Übung 1.2.8. Sei V der Vektorraum aller komplexwertigen Funktionen auf der oberen<br />

Halbebene C + = {z ∈ C | Im z > 0}. Zeige: Für k ∈ Z wird durch<br />

( )<br />

(f| k g)(z) := | det g| k/2 (cz + d) −k az + b<br />

f<br />

cz + d<br />

( ) a b<br />

für g = ∈ GL(2, R) eine Rechtswirkung von GL(2, R) auf V definiert.<br />

c d<br />

Übung 1.2.9. Seien G = GL(2, C) und X = Mat(2 × 2, C) und Φ die Gruppenwirkung<br />

Φ(g, A) = gAg −1 . Bestimme den Stabilisator von<br />

( ) 1 0<br />

A := .<br />

0 2<br />

Welche Matrizen B ∈ X haben denselben Stabilisator wie A<br />

1.3 Untergruppen<br />

Eine Reihe von Teilmengen der allgemeinen linearen Gruppe sind bzgl. der Matrizenmultiplikation<br />

selbst wieder Gruppen. Der Nachweis der Gruppenaxiome für<br />

diese Mengen vereinfacht sich dadurch, dass ein Teil der Axiome (insbesondere die<br />

Assoziativität) sich auf die Teilmengen vererbt. Die folgende Definition erschließt<br />

diese Möglichkeit, neue Beispiele für Gruppen zu finden, im allgemeinen Fall.<br />

Definition 1.3.1. Sei (G, ◦) eine Gruppe und U ⊆ G. Dann heißt U eine Untergruppe<br />

von G, falls (U, ◦) selbst eine Gruppe bzgl. der Gruppenoperationen von G<br />

ist (man schreibt U ≤ G). Eine Untergruppe U ≤ G heißt nicht-trivial, wenn sie<br />

weder gleich {e} noch gleich G ist.<br />

Die nächste Proposition stellt klar, was genau man prüfen muss, um nachzuweisen,<br />

dass eine vorgegebene Teilmenge einer Gruppe G eine Untergruppe ist. Wir<br />

benutzen dabei folgende Schreibweisen für Teilmengen A, B ⊆ G:<br />

AB := {ab | a ∈ A, b ∈ B},<br />

A −1 := {a −1 | a ∈ A}.


1.3 Untergruppen 11<br />

Proposition 1.3.2 (Untergruppenkriterium). Sei (G, ◦) eine Gruppe mit Einselement<br />

e und U ⊆ G. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:<br />

(1) U ist eine Untergruppe von G.<br />

(2) Es gelten die drei folgenden Bedingungen<br />

(a) e ∈ U.<br />

(b) UU ⊆ U.<br />

(c) U −1 ⊆ U.<br />

(3) U −1 U ⊆ U ≠ ∅.<br />

Beweis. Idee: Das Einselement in U ist idempotent, also gleich dem Einselement von<br />

G. Damit reduziert sich der Beweis auf eine simple Verifikation.<br />

” (1)⇒(2)“: Wenn U eine Untergruppe ist, dann gilt zunächst UU ⊆ U. Sei e U das<br />

Einselement von U. Dann gilt e U e U = e U = e e U und Proposition 1.1.3 erlaubt<br />

das Kürzen von links, liefert also e U = e und damit e ∈ U. Ist jetzt y ∈ U das<br />

Inverse von x ∈ U in U, so folgt xy = yx = e U = e, also x −1 = y ∈ U.<br />

(2)⇒(3)“: Dies ist klar.<br />

”<br />

” (3)⇒(1)“: Sei u ∈ U, dann folgt aus (3) sofort, dass e = u−1 u ∈ U ist. Dann gilt<br />

U −1 = U −1 e ⊆ U und daher U = (U −1 ) −1 ⊆ U −1 . Es folgt UU ⊆ U −1 U ⊆ U,<br />

d.h. U ist abgeschlossen unter ◦. Wegen e ∈ U ist e auch ein Einselement von U<br />

und U −1 ⊆ U liefert, dass die G-Inversen von Elementen in U auch U-Inverse<br />

sind. Die Assoziativität vererbt sich ohnehin von G auf U, also ist (U, ◦) eine<br />

Gruppe.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 1.3.3. (i) mZ = {mx | x ∈ Z} ist für jedes m ∈ Z eine Untergruppe.<br />

(ii) {1, −1, i, −i} ist eine Untergruppe von (C \ {0}, ·).<br />

(iii) Sei M eine nichtleere Menge und m o ∈ M. Dann ist<br />

{ϕ ∈ Bij(M) | ϕ(m o ) = m o }<br />

eine Untergruppe von (Bij(M), ◦).<br />

(iv) Sei M eine Menge mit unendlich vielen Elementen. Dann ist<br />

{ϕ ∈ Bij(M) | ϕ(m) = m f.f.a. m ∈ M }<br />

eine Untergruppe von (Bij(M), ◦). Hier steht f.f.a.“ für für fast alle und<br />

”<br />

bedeutet alle, bis auf endlich viele.<br />

(v) {σ k ∈ D n | k = 0, . . . , n − 1} ist eine Untergruppe der Diedergruppe D n .<br />

(vi) Die Heisenberggruppe<br />

⎧⎛<br />

⎨<br />

H n := ⎝ 1 ⎞<br />

⎫<br />

x⊤ z<br />

⎬<br />

0 1 y ⎠ ∈ GL(n + 2, R) | x, y ∈ R n , z ∈ R<br />

⎩<br />

⎭<br />

0 0 1<br />

ist eine Untergruppe der GL(n + 2, R).<br />

⊓⊔<br />

Als nächstes folgen Beispiele von Untergruppen, die man zu beliebigen Gruppen<br />

machen kann.<br />

Beispiel 1.3.4. Sei (G, ◦) eine Gruppe.


12 1 Gruppen<br />

(i) Für jede Familie U λ , λ ∈ Λ, von Untergruppen ist auch ⋂ λ∈Λ U λ eine Untergruppe<br />

von G.<br />

(ii) Seien U und V Untergruppen von G sowie U ⊆ V . Dann ist U eine Untergruppe<br />

von V .<br />

(iii) Sei U ≤ G eine Untergruppe und M ⊆ G eine Teilmenge. Dann ist sowohl der<br />

Zentralisator von M in U,<br />

Z U (M) := {x ∈ U | (∀m ∈ M) xm = mx},<br />

als auch der Normalisator von M in U,<br />

N U (M) := {x ∈ U | xM = Mx},<br />

eine Untergruppe von U. Im Spezialfall U = M = G schreibt man Z(G) statt<br />

Z G (G) und spricht vom Zentrum der Gruppe G.<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.3.5. Da beliebige Schnitte von Untergruppen selbst wieder Untergruppen<br />

sind, kann man zu jeder Teilmenge M einer Gruppe G eine kleinste Untergruppe<br />

von G finden, die M enthält, indem man setzt<br />

〈M〉 := ⋂<br />

U.<br />

U≤G<br />

M⊆U<br />

Diese Untergruppe heißt die von M erzeugte Untergruppe. Wenn M = {m} nur<br />

ein Element hat, schreibt man 〈m〉 statt 〈{m}〉 und spricht von der von m erzeugten<br />

zyklischen Gruppe.<br />

Übung 1.3.1. Es sei G zyklische Gruppe und U eine Untergruppe von G. Man zeige, dass<br />

auch U zyklisch ist.<br />

Da man im allgemeinen nicht alle Untergruppen einer vorgegebenen Gruppe<br />

kennt, ist die Definition zur Bestimmung von 〈M〉 nicht sonderlich geeignet. Die<br />

nächste Proposition zeigt, wie man 〈M〉 von ”<br />

innen“ erzeugen kann.<br />

Proposition 1.3.6. Sei G eine Gruppe mit Einselement e und M ⊆ G. Dann gilt<br />

〈M〉 = {e} ∪ {x 1 · · · x n | n ∈ N, x j ∈ M ∪ M −1 }.<br />

Beweis. Idee: ⊆“: Nach dem Untergruppenkriterium 1.3.2 ist die rechte Seite eine<br />

”<br />

Untergruppe, die M enthält.<br />

⊇“: Umgekehrt ist die rechte Seite in jeder Untergruppe enthalten, die M enthält, also<br />

”<br />

auch im Schnitt dieser Untergruppen.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 1.3.7. Betrachte die symmetrische Gruppe S 3 auf drei Buchstaben. Sie<br />

ist gegeben durch die Permutationen<br />

( ) ( ) ( )<br />

1 2 3<br />

1 2 3<br />

1 2 3<br />

id = , (123) = , (132) = ,<br />

1 2 3<br />

2 3 1<br />

3 1 2<br />

( ) ( ) ( )<br />

1 2 3<br />

1 2 3<br />

1 2 3<br />

(12) = , (13) = , (23) = .<br />

2 1 3<br />

3 2 1<br />

1 3 2


1.3 Untergruppen 13<br />

Es gilt<br />

sowie<br />

〈(12)〉 = {id, (12)}, 〈(13)〉 = {id, (13)}, 〈(23)〉 = {id, (23)}<br />

〈(123)〉 = {id, (123), (132)} = 〈(132)〉.<br />

Also erzeugt jedes Paar bestehend aus einer Transposition und einem 3-Zykel die<br />

ganze Gruppe (Übung). Damit sieht man, dass jede nicht-triviale Untergruppe von<br />

S 3 eine der oben angegebenen sein muss.<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.3.8. Sei G × X → X eine Gruppenwirkung und x ∈ X. Dann heißt<br />

G x := {g ∈ G | g · x = x}<br />

der Stabilisator oder auch die Isotropiegruppe von x.<br />

Stabilisatoren sind Untergruppen (Übung). Viele der aus geometrischen Überlegungen<br />

eingeführten Gruppen lassen sich als Stabilisatoren interpretieren.<br />

Beispiel 1.3.9. Betrachte die natürliche Wirkung von GL(n, R) auf R n . Sei X die<br />

Menge aller positiv definiten symmetrischen Bilinearformen auf R n . Dann wirkt<br />

GL(n, R) transitiv (Übung; Hinweis: Spektralsatz für die darstellenden Matrizen)<br />

auf X via<br />

g · B(v, w) = B(g −1 v, g −1 w)<br />

∀v, w ∈ R n , B ∈ X, g ∈ GL(n, R).<br />

Wenn B o das euklidische Skalarprodukt ist, dann ist der Stabilisator von B o gerade<br />

O(n, R).<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.3.10. Sei G eine Gruppe und U ≤ G eine Untergruppe. Die Teilmengen<br />

von G der Form<br />

Ug = {ug ∈ G | u ∈ U}<br />

mit g ∈ G heißen Rechtsnebenklassen von U in G. Die Menge der Rechtsnebenklassen<br />

von U in G wird mit U\G bezeichnet. Analog heißen die Mengen gU<br />

Linksnebenklassen von U in G. Die Menge der Linksnebenklassen von U in G<br />

wird mit G/U bezeichnet. Die Mächtigkeit (d.h. die Anzahl der Elemente) von G/U<br />

heißt der Index von U in G und wird mit [G : U] bezeichnet.<br />

Übung 1.3.2. Sei G eine Gruppe und U eine Untergruppe von G.<br />

(i) Zeige, dass durch<br />

g ∼ h :⇔ gU = hU<br />

eine Äquivalenzrelation auf G definiert wird, deren Äquivalenzklassen gerade die Linksnebenklassen<br />

sind.<br />

(ii) Formuliere und beweise die analoge Aussage für Rechtsnebenklassen.


14 1 Gruppen<br />

Die Abbildung<br />

G/U → U\G,<br />

gU ↦→ Ug −1<br />

ist eine Bijektion. Daher spielt es keine Rolle, ob man in der Definition des Index<br />

Links- oder Rechtsnebenklassen verwendet.<br />

Der (Links)-Nebenklassenraum G/U ist homogen bzgl. der Wirkung<br />

(g, hU) ↦→ ghU<br />

von G auf G/U. Analog ist der (Rechts)-Nebenklassenraum U\G ist homogen bzgl.<br />

der Wirkung<br />

(g, Uh) ↦→ Uhg −1<br />

von G auf U\G.<br />

Nebenklassenräume tauchen als Bahnen von Gruppenwirkungen in natürlicher<br />

Weise auf:<br />

Proposition 1.3.11 (Bahnenabbildung). Sei G×X → X eine Gruppenwirkung<br />

und x ∈ X. Dann ist die Bahnenabbildung<br />

ι: G/G x → G · x, gG x ↦→ g · x<br />

eine äquivariante Bijektion. Hier heißt äquivariant, dass<br />

gilt.<br />

g · ι(hG x ) = ι(g · hG x )<br />

Beweis. Idee: Man schließt alle Eigenschaften sofort aus der Äquivalenz g · x = h · x ⇔<br />

gG x = hG x .<br />

Wenn gG x = hG x , dann gilt g −1 h ∈ G x , also g −1 h·x = x und daher h·x = g ·x.<br />

Dies zeigt, dass die Abbildung wohldefiniert ist. Die Surjektivität folgt sofort aus<br />

der Definition der Bahn. Wenn jetzt g·x = h·x, dann folgt aus obigen Überlegungen<br />

umgekehrt auch gG x = hG x , und somit die Injektivität. Die Äquivarianz folgt sofort<br />

aus den Definitionen.<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.3.12. Sei G eine Gruppe sowie X und Y zwei G-Räume, d.h. zwei<br />

Mengen, auf denen G wirkt. Dann heißt eine Abbildung ϕ: X → Y G-äquivariant<br />

(oder einfach äquivariant), wenn<br />

für alle g ∈ G und alle x ∈ X gilt.<br />

ϕ(g · x) = g · ϕ(x)<br />

Bemerkung 1.3.13. Sei X die Potenzmenge von G, dann wirkt G auf X via<br />

g · E = {gx | x ∈ E}<br />

für E ∈ X und offensichtlich ist die G-Bahn G · U von U in X gerade der Raum<br />

G/U der Linksnebenklassen von U. Der Stabilisator von U ∈ X ist dann gerade<br />

U. ⊓⊔


1.3 Untergruppen 15<br />

Bemerkung 1.3.14. Sei G eine endliche Gruppe.<br />

(i) Sei G × X → X eine Gruppenwirkung und X endlich. Da X die disjunkte<br />

Vereinigung aller Bahnen ist, gilt<br />

|X| =<br />

∑<br />

|B|.<br />

B∈G\X<br />

(ii) Sei U ≤ G eine Untergruppe. Dann wirkt U auf G via u · g = gu −1 . Die Bahnen<br />

dieser U-Wirkung sind gerade die U-Linksnebenklassen in G. Jede Nebenklasse<br />

gU hat genauso viele Elemente wie U, d.h. |gU| = |U|. Mit (i) erhalten wir also<br />

[G : U] = |G|<br />

|U| .<br />

Diese Gleichung ist bekannt unter dem Namen Satz von Lagrange .<br />

(iii) Mit (ii) und Proposition 1.3.11 erhält man jetzt für eine Gruppenwirkung G ×<br />

X → X:<br />

|G|<br />

|G x | = |G · x| = [G : G x].<br />

Je nach Quelle heißt die linke oder die rechte Identität die Bahnengleichung.<br />

⊓⊔<br />

Gruppentheoretische Überlegungen der hier präsentierten Art lassen sich oft auf<br />

kombinatorische Probleme mit Symmetrieeigenschaften anwenden. Wir wollen das<br />

am Beispiel des folgenden Problems illustrieren:<br />

Problem: Wieviele Möglichkeiten hat man, die Zahl 1000 als Produkt von drei<br />

natürlichen Zahlen zu schreiben (wobei es auf die Reihenfolge nicht ankommt)<br />

Als Vorbereitung für die Lösung beweisen wir das sogenannte Burnside-Lemma.<br />

Lemma 1.3.15 (Burnside). Sei G eine endliche Gruppe und G × X → X eine<br />

Wirkung von G auf einer endlichen Menge X. Weiter sei g ∈ G und<br />

Fix(g) = {x ∈ X | g · x = x}<br />

die Menge der Fixpunkte von g in X. Dann gilt<br />

|G\X| = 1 ∑<br />

|Fix(g)|,<br />

|G|<br />

d.h. die Anzahl der Bahnen ist gleich der durchschnittlichen Anzahl von Fixpunkten.<br />

Beweis. Idee: Zerlege M := {(g, x) ∈ G × X | g · x = x} auf zwei verschiedene Weisen<br />

in disjunkte Teilmengen.<br />

g∈G<br />

Für M := {(g, x) ∈ G × X | g · x = x} gilt<br />

G x = {g ∈ G | (g, x) ∈ M},<br />

Fix(g) = {x ∈ X | (g, x) ∈ M},<br />

und daher haben wir die disjunkten Zerlegungen<br />

⋃ ( . Gx × {x} ) = M = ⋃ ( )<br />

. {g} × Fix(g) .<br />

x∈X<br />

g∈G


16 1 Gruppen<br />

X<br />

M<br />

x<br />

g<br />

G<br />

Damit können wir |M| auf zwei verschiedene Weisen berechnen: Mit Bemerkung<br />

1.3.14 findet man<br />

|M| = ∑ |G x | = ∑<br />

x∈X x∈X<br />

= ∑ ∑<br />

B∈G\X x∈B<br />

= ∑<br />

B∈G\X<br />

während andererseits auch gilt<br />

|G|<br />

|G · x|<br />

|G|<br />

|G · x| = ∑<br />

|G| = |G\X||G|<br />

|M| = ∑ g∈G<br />

|Fix(g)|.<br />

∑<br />

B∈G\X x∈B<br />

|G|<br />

|B|<br />

Ein Vergleich der beiden Formeln zeigt jetzt die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Lösung des kombinatorischen Problems: 1000 = 2 3 5 3 . Wenn man ansetzt<br />

mit α i , β i ∈ N 0 , dann muss gelten<br />

1000 = abc = (2 α1 5 β1 )(2 α2 5 β2 )(2 α3 5 β3 )<br />

α 1 + α 2 + α 3 = 3<br />

β 1 + β 2 + β 3 = 3<br />

Die Menge X aller (α 1 , α 2 , α 3 , β 1 , β 2 , β 3 ), die die obigen Gleichungen erfüllen, hat<br />

10 · 10 = 100 Elemente: Für die α’s hat man 3 Möglichkeiten der Verteilung nach<br />

3, 0, 0 sowie 6 Möglichkeiten der Verteilung nach 2, 1, 0. Dazu kommt die Verteilung<br />

1, 1, 1, macht zusammen 10. Analog für die β’s. Die Gruppentheorie kommt jetzt<br />

zum tragen, weil wir eine Vertauschung der Faktoren nicht berücksichtigen wollen,<br />

d.h. eine Symmetrie einbauen: Die Gruppe S 3 wirkt auf X via<br />

σ · (α 1 , α 2 , α 3 , β 1 , β 2 , β 3 ) = (α σ1 , α σ2 , α σ3 , β σ1 , β σ2 , β σ3 ).<br />

Die gesuchte Anzahl ist genau die Anzahl |S 3 \X| der Bahnen! Dazu berechnen wir<br />

die Größe der Fixpunktmengen:<br />

|Fix(id)| = 100 = 10 2<br />

|Fix(12)| = 4 = 2 2 = |Fix(13)| = |Fix(23)|<br />

|Fix(123)| = 1 = 1 2 = |Fix(132)|.<br />

Mit dem Burnside-Lemma finden wir jetzt:<br />

|S 3 \X| = 1 ∑<br />

|Fix(σ)| = 1 · 100 + 3 · 4 + 2 · 1 = 19.<br />

|S 3 |<br />

6<br />

σ∈S 3


1.3 Untergruppen 17<br />

Übung 1.3.3. Bestimme alle Untergruppen der Quaternionengruppe Q aus Übung 1.1.11.<br />

Übung 1.3.4. Zeige, dass die Heisenberggruppe<br />

⎧⎛<br />

⎞<br />

⎫<br />

⎨ 1 x ⊤ z<br />

⎬<br />

H n := ⎝ 0 1 y ⎠ ∈ GL(n + 2, R)<br />

⎩<br />

0 0 1<br />

∣ x, y ∈ Rn , z ∈ R<br />

⎭<br />

ist eine Untergruppe der GL(n + 2, R). Ist H n abelsch Bestimme das Zentrum von H n .<br />

Übung 1.3.5. Seien G = GL(2, C) und X = Mat(2 × 2, C) und Φ die Gruppenwirkung<br />

Φ(g, A) = gAg −1 . Bestimme den Stabilisator von<br />

( ) 1 0<br />

A := .<br />

0 2<br />

Welche Matrizen B ∈ X haben denselben Stabilisator wie A<br />

Übung 1.3.6. Seien H 1, H 2 jeweils Untergruppen einer Gruppe G. Zeige:<br />

H 1 ∪ H 2 ist Untergruppe von G ⇐⇒ H 1 ⊆ H 2 oder H 2 ⊆ H 1 .<br />

Übung 1.3.7 (Zyklische Gruppen). Es sei G zyklische Gruppe und U eine Untergruppe<br />

von G. Man zeige, dass auch U zyklisch ist.<br />

Übung 1.3.8 (Zentralisator). Es sei G = GL(n, R). Man bestimme eine möglichst kleine<br />

Teilmenge M ⊆ G, so dass für den Zentralisator von M in G gilt: Z G (M) = {λ · 1 | λ ∈<br />

R \ {0}}.<br />

Übung 1.3.9 (Äquivalenzrelationen). Sei M eine Menge. Eine Partition von M ist eine<br />

Zerlegung von M in disjunkte Teilmengen M i ⊆ M, d.h. M = ⋃ i∈I M i und M i ∩ M j = ∅<br />

für i ≠ j. Konstruiere eine Bijektion zwischen der Menge aller Partitionen von M und der<br />

Menge aller Äquivalenzrelationen auf M.<br />

Übung 1.3.10 (Lagrange). Sei G eine endliche Gruppe und für g ∈ G sei Ord(g) die<br />

Ordnung von g (siehe Aufgabe 3). Zeige: Ord(g) teilt |G| für alle g ∈ G.<br />

Übung 1.3.11 (Bahnengleichung). Sei G eine endliche Gruppe. Zeige, dass<br />

|G| = ∑ [G : Z G ({g})] ,<br />

wobei die Summe über ein Repräsentantensystem für die Konjugationsklassen in G läuft.<br />

Übung 1.3.12. Wieviele Möglichkeiten hat man, die Zahl 18000 als Produkt von drei<br />

natürlichen Zahlen zu schreiben (wobei es auf die Reihenfolge nicht ankommt)<br />

Übung 1.3.13. Sei p eine Primzahl. Zeige: Ist G eine Gruppe der Ordnung |G| = p n<br />

(n ∈ N), so gilt für das Zentrum Z(G) ≠ {e}.<br />

Hinweis: Verwende Übung 1.3.11.<br />

Übung 1.3.14. Sei G eine (nicht notwendiger Weise endliche) Gruppe und K ≤ H ≤ G<br />

Untergruppen. Zeige:<br />

[G : K] = [G : H] · [H : K] ,<br />

falls eine der beiden Seiten endlich ist.<br />

Hinweis: Man beachte, dass der Satz von Lagrange hier nicht angewendet werden kann, da<br />

dieser nur für endliche Gruppen gilt. Stattdessen wähle man Repräsentantensysteme für<br />

die Linksnebenklassen von H in G bzw. K in H.<br />

Übung 1.3.15 (Lagrange). Sei n := n 1 + · · · + n r mit n i ∈ N. Verwende den Satz von<br />

Lagrange, um zu zeigen, dass n! von ∏ r<br />

i=1 n i! geteilt wird.


18 1 Gruppen<br />

1.4 Homomorphismen, Normalteiler und Quotientengruppen<br />

Definition 1.4.1. Seien G und H Gruppen und ϕ: G → H eine Abbildung. ϕ heißt<br />

Homomorphismus, wenn gilt<br />

ϕ(g 1 g 2 ) = ϕ(g 1 )ϕ(g 2 ) ∀g 1 , g 2 ∈ G.<br />

Die Menge aller Homomorphismen von G nach H wird mit Hom(G, H) bezeichnet.<br />

Wenn ϕ ein bijektiver Homomorphismus ist, dann heißt ϕ Isomorphismus. In<br />

diesem Fall heißen G und H isomorph und man schreibt G ∼ H. Ist zusätzlich<br />

G = H, dann heißt ϕ Automorphismus. Die Menge aller Automorphismen von<br />

G wird mit Aut(G) bezeichnet.<br />

Beispiel 1.4.2. (i) ϕ: Z → Z, x ↦→ nx mit festem n ∈ Z ist ein Homomorphismus,<br />

der genau dann ein Isomorphismus wird, wenn n ∈ {±1}.<br />

(ii) ϕ: R → R 2 , x ↦→ (x, x) ist ein injektiver und ϕ: R 2 → R, (x, y) ↦→ x ein<br />

surjektiver Homomorphismus. Allgemeiner kann man alle linearen Abbildungen<br />

auch als Gruppenhomomorphismen bzgl. der additiven Gruppenstrukturen der<br />

beteiligten Vektorräume interpretieren.<br />

(iii) Die Signumfunktion sign: S n → {−1, 1} ist ein Homomorphismus.<br />

(iv) Die Determinante det: GL(n, K) → K × ist ein Homomorphismus.<br />

(v) Die Projektion ∏ λ∈Λ G λ → G λo , (g λ ) λ∈Λ ↦→ g λo auf einen direkten Faktor ist<br />

ein Homomorphismus.<br />

(vi) Sei G eine Gruppe und g ∈ G fest. Dann ist Z → G, k ↦→ g k ein Homomorphismus<br />

(diskrete Einparametergruppe) .<br />

(vii) Sei A ∈ Mat(n × n, C). Dann ist R → GL(n, C), t ↦→ e tA ein Homomorphismus<br />

(Einparametergruppe).<br />

(viii) Sei T = {z ∈ C: |z| = 1}. Dann ist<br />

( )<br />

ϕ: T → SO(2), e it cos t − sin t<br />

↦→<br />

sin t cos t<br />

ein Isomorphismus.<br />

(ix) Sei V ein K-Vektorraum der Dimension n und GL(V ) die Menge der invertierbaren<br />

linearen Abbildungen von V in sich. Dann ist GL(V ) eine Gruppe bzgl. der<br />

Verknüpfung von Abbildungen. Weiter sei {v 1 , . . . , v n } eine Basis für V . Dann<br />

ist die Abbildung ϕ: GL(V ) → GL(n, K), die jeder Abbildung ihre darstellende<br />

Matrix bzgl. der gegebenen Basis zuordnet, ein Isomorphismus.<br />

(x) Seien V und {v 1 , . . . , v n } wie in (ix) und setze<br />

Aff(V ) := {v ↦→ gv + w | g ∈ GL(V ), w ∈ V }.<br />

Dann ist Aff(V ) eine Gruppe bzgl. der Verknüpfung von Abbildungen (die affine<br />

Gruppe). Weiter sei<br />

{( )<br />

A b<br />

G := ∈ Mat ( (n + 1) × (n + 1), K ) }<br />

| A ∈ GL(n, K), b ∈ K n .<br />

0 1<br />

Dann ist G eine Untergruppe von GL(n + 1, K) und die Abbildung<br />

( )<br />

A b<br />

ϕ: Aff(V ) → G, (g, w) ↦→<br />

0 1<br />

ein Isomorphismus. Hier ist A die darstellende Matrix von g und b der Koeffizientenvektor<br />

von w bzgl. der Basis.


(xi) Sei 1 ≠ a > 0. Dann ist<br />

1.4 Homomorphismen, Normalteiler und Quotientengruppen 19<br />

ϕ: (R, +) → (R + , ·), x ↦→ a x<br />

ein Isomorphismus.<br />

⊓⊔<br />

Übung 1.4.1. Sei ϕ: G → H ein Isomorphismus, dann ist auch ϕ −1 : H → G ein Isomorphismus.<br />

Definition 1.4.3. Sei G eine Gruppe. Für g ∈ G setze κ g : G → G, x ↦→ gxg −1 .<br />

Diese Abbildung heißt die Konjugation mit g. Die Elemente von G der Form<br />

gxg −1 mit g ∈ G heißen die Konjugierten von x. Die Menge aller Konjugierten<br />

von x heißt die Konjugationsklasse von x. Die κ g mit g ∈ G heißen innere<br />

Automorphismen von G (Übung: κ g ∈ Aut(G)).<br />

Proposition 1.4.4. Seien G, H und K Gruppen.<br />

(i) Sei ϕ ∈ Hom(G, H). Dann gilt ϕ(e G ) = e H und ϕ(g −1 ) = ϕ(g) −1 für alle<br />

g ∈ G.<br />

(ii) Seien ϕ ∈ Hom(G, H) und ψ ∈ Hom(H, K). Dann gilt ψ ◦ ϕ ∈ Hom(G, K).<br />

(iii) Aut(G) ist eine Gruppe bzgl. der Verknüpfung von Abbildungen.<br />

Beweis. Idee:<br />

1.3.2.<br />

Dies folgt sofort aus den Definitionen und dem Untergruppenkriterium<br />

(i) Wir haben<br />

ϕ(g)e H = ϕ(g) = ϕ(ge G ) = ϕ(g)ϕ(e G )<br />

und durch Kürzen von links erhalten wir e H = ϕ(e G ). Also gilt<br />

ϕ(g)ϕ(g −1 ) = ϕ(gg −1 ) = ϕ(e G ) = e H = ϕ(g)ϕ(g) −1<br />

und wieder durch Kürzung ϕ(g −1 ) = ϕ(g) −1 .<br />

(ii) ψ ◦ ϕ(g 1 g 2 ) = ψ ( ϕ(g 1 )ϕ(g 2 ) ) = ( ψ ◦ ϕ(g 1 ) )( ψ ◦ ϕ(g 2 ) ) .<br />

(iii) Dies folgt nach obigem leicht mit dem Untergruppenkriterium 1.3.2, angewandt<br />

auf Aut(G) ⊆ Bij(G), und Übung 1.4.1.<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.4.5. Sei ϕ ∈ Hom(G, H). Dann heißen<br />

ker ϕ := {x ∈ G | ϕ(x) = e H } und im ϕ := {ϕ(x) | x ∈ G}<br />

der Kern und das Bild von ϕ.<br />

Proposition 1.4.6. Sei ϕ ∈ Hom(G, H).<br />

(i) ker ϕ ≤ G und im ϕ ≤ H.<br />

(ii) ϕ ist genau dann injektiv, wenn ker ϕ = {e G }.


20 1 Gruppen<br />

(iii) ϕ ist genau dann surjektiv, wenn im ϕ = H.<br />

Beweis. Idee: Dies folgt mit Proposition 1.4.4 sofort aus den Definitionen und dem<br />

Untergruppenkriterium 1.3.2.<br />

(i) Nach Proposition 1.4.4 gilt<br />

ϕ(g −1 g ′ ) = ϕ(g) −1 ϕ(g ′ ) = e H e H = e H<br />

für g, g ′ ∈ ker ϕ, d.h., die erste Behauptung folgt mit dem Untergruppenkriterium<br />

1.3.2. Die zweite Behauptung folgt in ähnlicher Weise.<br />

(ii) Wenn ϕ injektiv ist und g ∈ ker ϕ, dann gilt ϕ(g) = e H = ϕ(e G ), also g = e G .<br />

Umgekehrt, wenn ker ϕ = {e G } und ϕ(g) = ϕ(g ′ ), dann gilt nach Proposition<br />

1.4.4<br />

ϕ(g −1 g ′ ) = ϕ(g) −1 ϕ(g ′ ) = e H ,<br />

also g −1 g ′ = e G , d.h. g ′ = g.<br />

(iii) Dies ist trivial.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 1.4.7. Seien G und H Gruppen und ϕ ∈ Hom(G, H) sowie U ≤ G<br />

und V ≤ H. Dann gilt (Übung)<br />

(i) ϕ(U) ≤ H.<br />

(ii) ϕ −1 (V ) ≤ G.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 1.4.8. Sei ϕ: G → H ein surjektiver Gruppenhomomorphismus.<br />

(i) Die Abbildung<br />

{U ≤ G | ker ϕ ⊆ U} → {V ≤ H}, U ↦→ ϕ(U)<br />

ist eine Bijektion, deren Inverse durch V ↦→ ϕ −1 (V ) gegeben ist.<br />

(ii) Für alle U ≤ G mit ker ϕ ⊆ U gilt [G : U] = [H : ϕ(U)].<br />

Beweis. Idee: Teil (i) ist eine direkte Verifikation aus den Definitionen. Für (ii) betrachtet<br />

man ein Repräsentantensystem R = {g i | i ∈ I} für G/U (d.h. R enthält von jeder<br />

Linksnebenklasse genau ein Element).<br />

(i) Zu zeigen ist: ϕ −1( ϕ(U) ) = U und ϕ ( ϕ −1 (V ) ) = V . Dazu sei zunächst V ≤ H<br />

und v ∈ V . Wegen der Surjektivität von ϕ gibt es ein g ∈ G mit ϕ(g) = v. Dann<br />

gilt g ∈ ϕ −1 (V ) und v = ϕ(g) ∈ ϕ ( ϕ −1 (V ) ) . Damit haben wir V ⊆ ϕ ( ϕ −1 (V ) ) .<br />

Umgekehrt:<br />

g ∈ ϕ −1 (V ) =⇒ ϕ(g) ∈ V =⇒ ϕ ( ϕ −1 (V ) ) ⊆ V.<br />

Jetzt sei ker ϕ ⊆ U ≤ G. Wenn ϕ(u) = ϕ(g) für u ∈ U, d.h. g ∈ ϕ −1( ϕ(U) ) ,<br />

dann gilt gu −1 ∈ ker ϕ ⊆ U, also g ∈ U und daher ϕ −1( ϕ(U) ) ⊆ U. Umgekehrt<br />

folgt aus u ∈ U sofort u ∈ ϕ −1( ϕ(u) ) ⊆ ϕ −1( ϕ(U) ) .


1.4 Homomorphismen, Normalteiler und Quotientengruppen 21<br />

G<br />

Kern<br />

U<br />

Φ<br />

H<br />

V<br />

{e }<br />

H<br />

{e }<br />

G<br />

(ii) Sei ker ϕ ⊆ U ≤ G und R = {g i | i ∈ I} Repräsentantensystem für<br />

G/U. Weil ϕ| R injektiv ist, genügt es zu zeigen: {ϕ(g i ) | i ∈ I} ist ein Repräsentantensystem<br />

für H/ϕ(U). Dazu:<br />

( ⋃ )<br />

H = ϕ(G) = ϕ g i U = ⋃ ϕ(g i )ϕ(U).<br />

i∈I<br />

i∈I<br />

Aber wenn ϕ(g i )ϕ(U) = ϕ(g j )ϕ(U), dann gilt ϕ(g i U) = ϕ(g j U) und man findet<br />

u i , u j ∈ U mit ϕ(g i u i ) = ϕ(g j u j ). Es folgt u −1<br />

i g −1<br />

i g j u j ∈ ker ϕ ⊆ U, also<br />

g −1<br />

i g j ∈ U, daher g i U = g j U, und schließlich g i = g j . Also ist obige Zerlegung<br />

von H disjunkt und dies zeigt die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.4.9. Sei G eine Gruppe und U ≤ G eine Untergruppe. Wenn ϕ(U) =<br />

U für alle ϕ ∈ Aut(G) gilt, dann heißt U charakteristische Untergruppe. Dagegen<br />

heißt U normale Untergruppe oder Normalteiler, wenn gUg −1 = U für<br />

alle g ∈ G, d.h., wenn ϕ(U) = U für alle inneren Automorphismen von G. Man<br />

schreibt dann U ✂ G.<br />

Da mit ϕ auch ϕ −1 ein (innerer) Automorphismus ist, würde es in der Definition<br />

einer charakteristischen Untergruppe (bzw. eines Normalteilers) schon genügen,<br />

ϕ(U) ⊆ U zu fordern.<br />

Beispiel 1.4.10. (i) Sei ϕ: G → H ein Homomorphismus. Dann ist ker (ϕ) ein<br />

Normalteiler in G, weil ϕ(gug −1 ) = ϕ(g)ϕ(u)ϕ(g) −1 . So tritt z.B. die alternierende<br />

Gruppe A n in der symmetrischen Gruppe S n als Kern der Signumsfunktion<br />

auf und die spezielle lineare Gruppe SL(n, K) in der allgemeinen<br />

linearen Gruppe als Kern der Determinante.<br />

(ii) Die trivialen Untergruppen {e} und G von G sind charakteristisch in G.<br />

(iii) Der Schnitt von normalen (charakteristischen) Untergruppen ist normal (charakteristisch).<br />

(iv) Das Zentrum Z(G) einer Gruppe ist charakteristisch: Wenn ϕ ∈ Aut(G) und<br />

g = ϕ(h), dann gilt<br />

ϕ(z)g = ϕ(z)ϕ(h) = ϕ(zh) = ϕ(hz) = ϕ(h)ϕ(z) = gϕ(z).<br />

(v) Sei G eine Gruppe und G ′ die von allen Elementen der Form xyx −1 y −1 mit<br />

x, y ∈ G erzeugte Untergruppe von G (sie heißt die Kommutatorgruppe von<br />

G). Dann ist G ′ charakteristisch in G.<br />

(vi) Sei G eine abelsche Gruppe. Dann ist jede Untergruppe von G ein Normalteiler.


22 1 Gruppen<br />

(vii) Sei ϕ: G → H ein surjektiver Gruppenhomomorphismus. Wenn U ≤ G mit<br />

ker ϕ ⊆ U, dann ist U normal in G genau dann, wenn ϕ(U) normal in H ist<br />

(Übung).<br />

(viii) Sei G eine Gruppe und Inn(G) die Menge der inneren Automorphismen von G.<br />

Dann ist Inn(G) ein Normalteiler in Aut(G) (Übung).<br />

⊓⊔<br />

Definition 1.4.11. Eine Gruppe heißt einfach, wenn sie keine nicht-trivialen Normalteiler<br />

hat.<br />

Übung 1.4.2. Zeige: Für n ≥ 5 ist A n einfach. Ein möglicher Weg, diese Aufgabe zu lösen,<br />

ist folgender:<br />

(i) A n wird von den Zyklen der Länge 3 erzeugt. (Dies gilt schon für n ≥ 3.)<br />

(ii) Sei {id} ̸= N ⊳ A n und N enthalte einen Dreierzykel. Dann enthält N alle Dreierzykel.<br />

Alternativ kann man auch zeigen, dass Dreierzykel paarweise konjugiert sind.<br />

Hinweis: Für einen gegebenen 3-Zykel (k 1 , k 2 , k 3 ) konstruiere man ein σ ∈ A n , so dass<br />

σ ◦ (1, 2, 3) ◦ σ −1 = (k 1, k 2, k 3).<br />

(iii) Jeder Normalteiler N ≠ {id} von A n enthält einen Dreierzykel.<br />

Anleitung: Betrachte die Zykelzerlegung σ = σ 1 ◦ · · · ◦ σ k eines Elements σ ∈ N \ {id}<br />

und unterscheide die Fälle a) einer der Zyklen σ i hat Länge ≥ 4, b) alle Zyklen haben<br />

Länge ≤ 3. Unterscheide in b) die Fälle b1) einer der Zykel hat Länge 3, b2) alle<br />

Zyklen haben Länge ≤ 2. In jedem dieser Fälle konstruiere man einen Dreierzyklus τ<br />

und betrachte στσ −1 τ −1 .<br />

Übung 1.4.3. Seien τ, ζ ∈ S 5 eine Transposition und ein 5-Zykel. Zeige, dass S n von τ<br />

und ζ erzeugt wird.<br />

Proposition 1.4.12. Sei G eine Gruppe und U ≤ G eine Untergruppe vom Index<br />

2. Dann ist U normal in G.<br />

Beweis. Idee:<br />

in G.<br />

In diesem Fall gibt es nur zwei Nebenklassen, U und sein Komplement<br />

Es gibt zwei Linksnebenklassen von U: Die Untergruppe U selbst und ein g o U =<br />

G \ U. Ebenso gibt es nur zwei Rechtsnebenklassen: U und G \ U. Also gilt g o U =<br />

Ug o . Sei jetzt g ∈ G. Wenn g ∈ U, dann gilt gUg −1 = gU = U. Wenn g ∈ g o U,<br />

dann gilt<br />

also folgt die Behauptung.<br />

gUg −1 = g o Ug −1<br />

o<br />

= Ug o g −1<br />

o = U,<br />

⊓⊔<br />

Satz 1.4.13. Sei G eine Gruppe mit Einselement e und U ein Normalteiler von G.<br />

(i) (xU)(yU) = xyU für alle x, y ∈ G.<br />

(ii) G/U ist eine Gruppe bzgl. der Multiplikation xU ◦ yU = xyU. Das Einselement<br />

ist dabei durch e G/U = eU gegeben.<br />

(iii) Die Abbildung π : G → G/U, x ↦→ xU ist ein surjektiver Gruppenhomomorphismus<br />

mit Kern U.<br />

Beweis. Idee: Dies folgt direkt aus den Definitionen.


1.4 Homomorphismen, Normalteiler und Quotientengruppen 23<br />

(i) xUyU = xyy −1 UyU = xyUU = xyU.<br />

(ii) Die Wohldefiniertheit von ◦ folgt aus (i). Der Rest ist eine Routineverifikation<br />

(Übung).<br />

(iii) π(x) = e G/U genau dann, wenn xU = eU und dies ist äquivalent zu x ∈ U.<br />

Alles Weitere rechnet man leicht nach.<br />

Die in Satz 1.4.13 konstruierte Gruppe G/U heißt die Quotientengruppe von<br />

G bzgl. des Normalteilers U.<br />

⊓⊔<br />

Satz 1.4.14 (1. Isomorphiesatz). Sei G eine Gruppe.<br />

(i) Wenn ϕ: G → H ein Homomorphismus ist, dann ist ϕ(G) isomorph zu<br />

G/ ker (ϕ).<br />

(ii) Jedes homomorphe Bild von G ist isomorph zu G/N für einen Normalteiler N<br />

von G.<br />

Beweis. Idee: Betrachte g ker (ϕ) ↦→ ϕ(g).<br />

Setze N = ker (ϕ). Dann ist<br />

der gesuchte Isomorphismus:<br />

Φ: G/N → ϕ(G), gN ↦→ ϕ(g)<br />

Wohldefiniertheit: gN = g ′ N liefert g ′ = gn für ein n ∈ N, also<br />

ϕ(g ′ ) = ϕ(gn) = ϕ(g)ϕ(n) = ϕ(g).<br />

Surjektivität: Die Surjektivität von Φ ist klar.<br />

Homomorphie:<br />

Φ(gNg ′ N) = Φ(gg ′ N) = ϕ(gg ′ ) = ϕ(g)ϕ(g ′ ) = Φ(gN)Φ(g ′ N).<br />

Injektivität: ϕ(g) = Φ(gN) = e H genau dann, wenn g ∈ ker ϕ = N.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 1.4.15. (i) det: GL(n, K) → K × liefert GL(n, K)/ SL(n, K) ∼ = K × .<br />

(ii) κ: G → Aut(G), g ↦→ κ g liefert G/Z(G) ∼ = Inn(G).<br />

⊓⊔<br />

Sei G eine Gruppe, U ≤ G und N ein Nor-<br />

Satz 1.4.16 (2. Isomorphiesatz).<br />

malteiler in G.<br />

(i) U ∩ N ist normal in U.<br />

(ii) UN ist eine Untergruppe von G.<br />

(iii) U/(U ∩ N) ∼ = UN/N.<br />

Beweis. Idee: Bestimme Kern und Bild von U → G/N, u ↦→ uN.<br />

(i) Klar.


24 1 Gruppen<br />

(ii) gN = Ng für alle g ∈ G impliziert insbesondere NU = UN. Also gilt<br />

(UN)(UN) ⊆ UN und (UN) −1 = N −1 U −1 = NU = UN. Also folgt die<br />

Behauptung aus dem Untergruppenkriterium 1.3.2.<br />

(iii) ϕ: U → UN/N, u ↦→ uN ist ein surjektiver Homomorphismus. Da aber u ∈<br />

ker ϕ genau dann, wenn uN = eN, d.h. wenn u ∈ U ∩ N, folgt mit dem<br />

1. Isomorphiesatz 1.4.14 die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Seien G eine Gruppe und A ⊆ B zwei Nor-<br />

Satz 1.4.17 (3. Isomorphiesatz).<br />

malteiler in G.<br />

(i) B/A ist normal in G/A.<br />

(ii) (G/A)/(B/A) ∼ = G/B.<br />

Beweis. Idee: Bestimme den Kern von G/A → G/B, gA ↦→ gB.<br />

Betrachte<br />

ϕ: G/A → G/B, gA ↦→ gB.<br />

Dies ist eine wohldefinierte Abbildung, weil aus gA = g ′ A folgt g −1 g ′ A ⊆ B, also<br />

gB = g ′ B. Man sieht leicht, dass ϕ ein surjektiver Homomorphismus ist. Um den<br />

Kern von ϕ zu bestimmen, beachte man, dass ϕ(gA) = e G/B = e G B genau dann,<br />

wenn gB = e G B, d.h., wenn g ∈ B. Also gilt<br />

ker ϕ = {gA | g ∈ B} = B/A.<br />

Also ist B/A normal in G/A und die Behauptung folgt mit dem 1. Isomorphiesatz<br />

1.4.14. ⊓⊔<br />

Satz 1.4.18. Sei G eine zyklische Gruppe (d.h. erzeugt von einem einzigen Element).<br />

(i) Wenn |G| = ∞, dann ist G isomorph zu Z.<br />

(ii) Wenn |G| = n, dann ist G isomorph zu Z/nZ.<br />

Beweis. Idee: Sei 〈a〉 = G. Bestimme den Kern der Abbildung ϕ: Z → G, k ↦→ a k .<br />

(i) Man sieht sofort, dass ϕ ein surjektiver Homomorphismus ist. Bleibt die Injektivität<br />

nachzuweisen: Wenn a k = a m , dann folgt a m−k = e. Falls k ≠ m gilt,<br />

gibt es dann höchstens |m − k| verschiedene Elemente der Form a l mit l ∈ Z<br />

und dies steht im Widerspruch zur Voraussetzung.<br />

(ii) Wenn |G| = n, dann gilt ker ϕ = nZ. Um das einzusehen, setze m := min{k ∈<br />

N | a k = e}. Dann ist mZ ⊆ ker ϕ. Umgekehrt, wenn a s = e und m ist kein<br />

Teiler von s, dann gibt es ein j = s − km ∈ {1, . . . , m − 1} mit a j = e, was<br />

im Widerspruch zur Definition von m steht. Also haben wir ker ϕ = mZ. Nach<br />

dem 1. Isomorphiesatz 1.4.14 gilt dann aber G ∼ = Z/mZ und wegen |Z/mZ| = m<br />

auch m = n. Dies beweist die Behauptung und G = {a, a 2 , . . . , a n−1 , a n = e}.<br />

⊓⊔


1.4 Homomorphismen, Normalteiler und Quotientengruppen 25<br />

Definition 1.4.19. Sei G eine Gruppe und a ∈ G. Dann heißt die Anzahl der<br />

Elemente in der von a erzeugten Untergruppe 〈a〉 von G die Ordnung von a. Sie<br />

wird mit Ord(a) bezeichnet und ist entweder ∞ oder gleich der kleinsten positiven<br />

Zahl k, für die a k = e G gilt.<br />

Bemerkung 1.4.20. Nach dem Satz von Lagrange (vgl. Bemerkung 1.3.14) teilt<br />

für endliche Gruppen die Ordnung jedes Elements die Gruppenordnung, d.h. die<br />

Anzahl der Elemente in G.<br />

⊓⊔<br />

Übung 1.4.4. Sei n ∈ Z und m ein Teiler von n.<br />

(i) Zeige, dass<br />

k + nZ ↦→ k + mZ<br />

einen surjektiven Homomorphismus ϕ n,m : Z/nZ → Z/mZ definiert.<br />

(ii) Sei (Z/nZ) × := {k + nZ ∈ Z/nZ | ggT(k, n) = 1}. Zeige, dass (Z/nZ) × bzgl.<br />

(i + nZ) (j + nZ) := ij + nZ<br />

eine abelsche Gruppe ist.<br />

(iii) Zeige, dass ϕ n,m einen surjektiven Gruppen-Homomorphismus<br />

induziert.<br />

Übung 1.4.5. (i) Zeige, dass<br />

SL(2, Z) :=<br />

(Z/nZ) × → (Z/mZ) ×<br />

{( )<br />

}<br />

a b<br />

: a, b, c, d ∈ Z; ad − bc = 1<br />

c d<br />

bzgl. der Matrizenmultiplikation eine Gruppe ist.<br />

(ii) Betrachte neben der Addition auch die Multiplikation (i + nZ) (j + nZ) := ij + nZ auf<br />

Z/nZ und übertrage die normale Matrizenmultiplikation auf Matrizen mit Einträgen<br />

in Z/nZ. Zeige, dass<br />

{( )<br />

}<br />

a b<br />

SL(2, Z/nZ) := : a, b, c, d ∈ Z/nZ; ad − bc = 1 + nZ<br />

c d<br />

bzgl. dieser Matrizenmultiplikation eine Gruppe ist.<br />

(iii) Zeige, dass durch<br />

( ) ( )<br />

a b a + nZ b + nZ<br />

↦→<br />

c d c + nZ d + nZ<br />

ein surjektiver Gruppenhomomorphismus<br />

definiert wird.<br />

SL(2, Z) → SL(2, Z/nZ)<br />

Proposition 1.4.21. Sei G eine Gruppe, G ′ die Kommutatorgruppe von G, und<br />

U ≤ G. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:<br />

(1) G ′ ⊆ U.<br />

(2) U ist normal in G und G/U ist abelsch.


26 1 Gruppen<br />

Beweis. Idee: Dies folgt direkt aus den Definitionen.<br />

Wenn G ′ ⊆ U, dann sind für u ∈ U und x ∈ G die Elemente xux −1 u −1 ∈ G ′ ⊆<br />

U. Also gilt xux −1 ∈ U und U ist normal in G. Weiter haben wir<br />

(xU)(yU)(xU) −1 (yU) −1 = (xyx −1 y −1 )U ⊆ U,<br />

was (xU)(yU) = (yU)(xU) ∈ G/U für alle x, y ∈ G zur Folge hat. Damit ist G/U<br />

abelsch.<br />

Umgekehrt impliziert (xU)(yU) = (yU)(xU) ∈ G/U für alle x, y ∈ G<br />

(xyx −1 y −1 )U = (xU)(yU)(xU) −1 (yU) −1 = U,<br />

also xyx −1 y −1 ∈ U. Dies zeigt dann G ′ ⊆ U.<br />

⊓⊔<br />

Übung 1.4.6 (Dedekind). Sei G eine Gruppe und A, B, C Untergruppen mit A ≤ C.<br />

Dann ist A(B ∩ C) = AB ∩ C. Kommutiert zudem A mit B, dann ist A(B ∩ C) ≤ G.<br />

Übung 1.4.7. Sei G eine Gruppe und A, B, C, D Untergruppen von G mit A ✂ B und<br />

C ✂ D. Dann gilt<br />

(i) A ∩ D ✂ B ∩ D<br />

(ii) C(A ∩ D) und C(B ∩ D) sind Untergruppen von D und C(A ∩ D) ✂ C(B ∩ D).<br />

Übung 1.4.8 (Zassenhaus). Sei G eine Gruppe und A 1 , A 2 , B 1 , B 2 Untergruppen, wobei<br />

A 1 ✂ A 2 und B 1 ✂ B 2. Für alle i, j = 1, 2 setzen wir D ij := A i ∩ B j. Dann ist<br />

(i) A 1D 21 ✂ A 1D 22<br />

(ii) B 1 D 12 ✂ B 1 D 22<br />

(iii) A 1D 22/A 1D 21<br />

∼ = B1D 22/B 1D 12.<br />

Übung 1.4.9. Gibt es einen Gruppenisomorphismus ϕ : (Q, +) → (Q \ {0}, ·) (Hinweis:<br />

Wenn ϕ(a) = 2, was ist ϕ(a/2))<br />

Übung 1.4.10. Es sei G eine Gruppe, X eine Menge, X ≠ ∅, und S(X) bezeichne die<br />

Menge aller Bijektionen von X. Ferner sei τ : G × X → X eine Wirkung von G auf X.<br />

Man zeige: Die Abbildung<br />

{ X → X<br />

τ a :<br />

x ↦→ τ(a, x)<br />

ist eine Bijektion für jedes a ∈ G, also τ a ∈ S(X), und die Abbildung<br />

{ G → S(X)<br />

h :<br />

a ↦→<br />

ist ein Gruppenhomomorphismus.<br />

Übung 1.4.11. Es sei G eine Gruppe, X eine Menge, X ≠ ∅, und S(X) bezeichne die<br />

Menge aller Bijektionen von X. Weiter sei h : G → S(X) ein beliebiger Gruppenhomomorphismus.<br />

Man zeige: Durch<br />

{ G × X → X<br />

τ :<br />

(a, x) ↦→ h(a)(x)<br />

wird eine Wirkung von G auf X definiert.<br />

Übung 1.4.12. Seien G und H Gruppen und ϕ ∈ Hom(G, H) sowie U ≤ G und V ≤ H<br />

Untergruppen. Zeige:<br />

ϕ(U) ≤ H, ϕ −1 (V ) ≤ G .<br />

τ a


1.4 Homomorphismen, Normalteiler und Quotientengruppen 27<br />

Übung 1.4.13. Gibt es einen Gruppenisomorphismus ϕ : (Q, +) → (Q \ {0}, ·) <br />

Übung 1.4.14. Sei G eine Gruppe, und sei U eine Untergruppe von G. Zeige:<br />

⋂<br />

gUg −1<br />

ist ein Normalteiler von G.<br />

g∈G<br />

Übung 1.4.15. Seien G eine Gruppe und n ∈ N. Zeige: Besitzt G genau eine Untergruppe<br />

mit [G : H] = n, so gilt H ✂ G.<br />

Übung 1.4.16. Seien G, H Gruppen und ϕ : G → H ein Isomorphismus. Zeige: ϕ −1 :<br />

H → G ist auch ein Isomorphismus.<br />

Übung 1.4.17. Seien G 1 und G 2 zyklische Gruppen der Ordnung m und n mit ggT(m, n) =<br />

1. Zeige: (G 1 × G 2 , ◦) ist eine zyklische Gruppe der Ordnung m · n, wobei (x, y) ◦ (x ′ , y ′ ) =<br />

(xx ′ , yy ′ ).<br />

Übung 1.4.18. Sei Q die Quaternionengruppe aus Aufgabe 5 und G = SL(2, C). Bestimme<br />

einen injektiven Gruppenhomomorphismus ϕ : Q → G.<br />

Hinweis: Untersuche zunächst, welche Matrizen A ∈ G die Bedingung A 2 = −1 erfüllen.<br />

Übung 1.4.19. Sei G eine Gruppe, und sei X die Menge ihrer Untergruppen. Zeige:<br />

1. G operiert auf X durch Konjugation Φ : G × X → X, (g, H) ↦→ gHg −1 ,<br />

2. eine Bahn dieser Operation besteht genau dann aus einem einzigen Element H, wenn<br />

H ein Normalteiler von G ist,<br />

3. gilt |G| = p n für eine Primzahl p, und ist r die Anzahl der Normalteiler von G, so gilt<br />

p ∣ ∣ |X| − r .<br />

Übung 1.4.20. Sei H ein Normalteiler in G mit Index n. Zeige, dass g n ∈ H für alle g ∈ G.<br />

Zeige anhand eines Beispiels, dass Untergruppen N ≤ G, die keine Normalteiler sind, diese<br />

Eigenschaft im Allgemeinen nicht haben.<br />

Übung 1.4.21. Für welche m, n ∈ N ist<br />

ϕ : Z/mZ → Z/nZ, k + mZ ↦→ k + nZ<br />

eine wohldefinierte Abbildung Zeige, dass in diesem Fall ϕ ein surjektiver Gruppenhomomorphismus<br />

ist.<br />

Übung 1.4.22. Es sei G eine Gruppe.<br />

1. Seien U und V Untergruppen von G, so dass U ∩ V = {e} und U · V = G gilt. Zeige<br />

die Äquivalenz der folgenden Aussagen:<br />

(i) Die Abbildung ϕ : U × V → G, (u, v) ↦→ u · v ist ein Isomorphismus.<br />

(ii) Die Untergruppen U und V sind Normalteiler.<br />

2. Sei U eine Untergruppe von G. Zeige, dass der Normalisator N G (U) von U in G die<br />

größte Untergruppe von G ist, in der U Normalteiler ist.<br />

Übung 1.4.23 (Innere Automorphismen). Sei G eine Gruppe mit Zentrum Z(G) = {a ∈<br />

G | ∀g ∈ G ag = ga}, und<br />

Inn(G) = {ϕ ∈ Aut(G) | ∃h ∈ G ∀g ∈ G : ϕ(g) = hgh −1 }<br />

die Gruppe der inneren Automorphismen von G. Man zeige:<br />

1. Ist G/Z(G) zyklisch, so ist G abelsch.<br />

2. Es gilt Inn(G) ∼ = G/Z(G).


28 1 Gruppen<br />

Übung 1.4.24 (Einheitengruppe). Für n ∈ N sei (Z/nZ) × := {k + nZ ∈ Z/nZ |<br />

ggT(k, n) = 1}.<br />

1. Zeige, dass (Z/nZ) × bzgl.<br />

eine abelsche Gruppe ist.<br />

2. Sei m ein Teiler von n. Zeige, dass<br />

(k + nZ) (l + nZ) := kl + nZ<br />

ϕ : (Z/nZ) × → (Z/mZ) × , k + nZ ↦→ k + mZ<br />

einen Gruppenhomomorphismus definiert.<br />

3. Zusatzaufgabe (Punkte sind Bonuspunkte): Zeige, dass ϕ aus b) surjektiv ist.<br />

Übung 1.4.25 (Faktorisierung). Seien G, H, K Gruppen und ϕ : G → H, ψ : G → K<br />

Homomorphismen, wobei ψ surjektiv ist. Es gelte ker ψ ⊆ ker ϕ. Man zeige:<br />

1. Es gibt einen eindeutig bestimmten Homorphismus η : K → H mit ϕ = η ◦ ψ, d.h.<br />

G<br />

ϕ<br />

H<br />

ψ<br />

K<br />

η<br />

<br />

kommutiert.<br />

Hinweis: Definiere η(k) := ϕ(g) für ein g ∈ ψ −1 (k) und zeige, dass diese Definition<br />

unabhängig ist von der Wahl von g.<br />

2. Ist ϕ surjektiv, so ist auch η surjektiv. Gilt ker ϕ = ker ψ, so ist η injektiv.


2<br />

Ringe<br />

In diesem Kapitel werden elementare Strukturaussagen für Ringe bewiesen. Ringe<br />

verallgemeinern in natürlicher Weise sowohl das Konzept der ganzen Zahlen mit<br />

Addition und Multiplikation als auch das der quadratischen Matrizen mit komponentenweiser<br />

Addition und Matrizenmultiplikation oder das der Polynomfunktionen<br />

mit punktweiser Addition und Multiplikation. Kanonisch ergeben sich aus der Definition<br />

eines Rings die Begriffe Unterring und Quotientenring, wobei die Suche nach<br />

einem geeigneten Quotientenbegriff auf das Konzept des Ideals führt. Ebenso kanonisch<br />

ist der Begriff des Ringhomomorphismus, der den Vergleich verschiedener<br />

Ringe möglich macht. Weitere Begriffsbildungen wie die Nullteilerfreiheit, Gradfunktion,<br />

Primelemente oder der Polynomring werden aus den speziellen Beispielen<br />

durch Abstraktion gewonnen. Ein wesentliches Resultat dieses Kapitels ist, dass sich<br />

die Zerlegbarkeit der Elemente in Primelemente von einem Ring auf den zugehörigen<br />

Polynomring vererbt. Es geht auf Gauß zurück.<br />

2.1 Ringe und Ideale<br />

Definition 2.1.1. Sei R ≠ ∅ eine Menge sowie +: R × R → R (Addition) und<br />

·: R × R → R (Multiplikation) zwei Abbildungen. (R, +, ·) heißt Ring, wenn die<br />

folgenden Eigenschaften gelten.<br />

(i) (R, +) ist eine abelsche Gruppe.<br />

(ii) (R, ·) ist ein Monoid.<br />

(iii) (x + y) · z = x · z + y · z ( ”<br />

Punkt vor Strich“) für alle x, y, z ∈ R<br />

(Rechts-Distributivgesetz).<br />

(iii’) z · (x + y) = z · x + z · y ( ”<br />

Punkt vor Strich“) für alle x, y, z ∈ R<br />

(Links-Distributivgesetz).<br />

Ein Ring (R, +, ·) heißt kommutativ, wenn xy = yx für alle x, y ∈ R gilt (multiplikatives<br />

Kommutativgesetz).<br />

Das Distributivgesetz ist eine Verträglichkeitsbedingung für beide Verknüpfungen.<br />

Die Assoziativgesetze erlauben das Weglassen von Klammern bei mehrfachen Verknüpfungen.<br />

In der Regel wird der Punkt in der Multiplikation weggelassen.<br />

Beispiel 2.1.2. (i) Jeder Körper ist ein kommutativer Ring.<br />

(ii) (Z, +, ·) ist ein kommutativer Ring.


30 2 Ringe<br />

(iii) Die n×n-Matrizen Mat(n×n, R) über einem Ring formen bzgl. der üblichen Matrizenaddition<br />

und Multiplikation einen Ring mit der Einheitsmatrix als Einselement.<br />

(iv) Sei V ein K-Vektorraum. Dann ist die Menge End K (V ) = Hom K (V, V ) der<br />

linearen Selbstabbildungen von V ein Ring bzgl. der punktweisen Addition und<br />

der Hintereinanderschaltung als Multiplikation.<br />

(v) Sei M eine Menge und R ein Ring. Dann ist die Menge {f : M → R} der<br />

R-wertigen Abbildungen mit der punktweisen Addition und der punktweisen<br />

Multiplikation ein Ring mit der konstanten Funktion 1 als Einselement.<br />

(vi) Diverse Funktionenräume sind bzgl. der punktweisen Operationen kommutative<br />

Ringe: Dies ist z.B. der Fall für C k (]a, b[), der Raum der k-mal stetig differenzierbaren<br />

Funktionen auf dem Intervall ]a, b[.<br />

(vii) Z[i] := Z + iZ := {c ∈ C | c = a + ib; a, b ∈ Z} ist ein Ring bzgl. der komplexen<br />

Addition und der komplexen Multiplikation. Er heißt der Ring der Gaußschen<br />

Zahlen.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 2.1.3. Sei (R, +, ·) ein Ring. Dann gilt<br />

(i) Es gibt nur ein Einselement.<br />

(ii) Es gibt nur ein Nullelement.<br />

(iii) Zu jedem x ∈ R gibt es nur ein additives Inverses. Dieses wird mit −x bezeichnet.<br />

Insbesondere gilt −(−x) = x.<br />

(iv) 0 · x = x · 0 = 0 für alle x ∈ R.<br />

(v) x(−y) = −xy, (−x)y = −xy für alle x, y ∈ R.<br />

Beweis. Idee: Dies sind direkte Folgerungen aus den Definitionen.<br />

(i) Seien 1 und 1 ′ Einselemente. Dann gilt 1 = 1 · 1 ′ = 1 ′ .<br />

(ii) Seien 0 und 0 ′ Nullelemente. Dann gilt 0 = 0 + 0 ′ = 0 ′ .<br />

(iii) Seien x ′ und x ′′ additive Inverse von x. Dann gilt<br />

x ′ = 0 + x ′ = (x ′′ + x) + x ′ = x ′′ + (x + x ′ ) = x ′′ + 0 = x ′′ .<br />

(iv) 0 · x + 0 · x = (0 + 0) · x = 0 · x. Aber wenn y + y = y, dann folgt<br />

y = 0 + y = (−y + y) + y = −y + y = 0.<br />

(v) x(−y) + xy = x(−y + y) = x · 0 = 0.<br />

⊓⊔<br />

Definition 2.1.4. Sei (R, +, ·) ein Ring. Eine Teilmenge S von R heißt ein Unterring<br />

von R, wenn (S, +, ·) selbst ein Ring ist und 1 ∈ S gilt. Die Menge<br />

Cent(R) = {r ∈ R | (∀s ∈ R) sr = rs}<br />

heißt das Zentrum. Ein Element r ∈ R heißt eine Einheit, wenn es ein s ∈ R<br />

mit rs = 1 = sr gibt. Die Menge der Einheiten von R wird mit Unit(R) oder auch<br />

R × bezeichnet. Sei 1 ≠ 0, d.h. R ≠ {0}. Dann heißt R ein Divisionsring oder<br />

Schiefkörper, wenn Unit(R) = R \ {0}.


2.1 Ringe und Ideale 31<br />

Beispiel 2.1.5. (i) Z hat keine echten Unterringe. Die Einheiten von Z sind 1 und<br />

−1.<br />

(ii) C k+1 (]a, b[) ist ein Unterring von C k (]a, b[). Die Einheiten von C k (]a, b[) sind<br />

gerade die k-fach stetig differenzierbaren Funktionen, die nirgendwo verschwinden.<br />

(iii) Sei R = Mat(n × n, K). Dann gilt Cent(R) = K1. Außerdem bilden z.B. die<br />

Diagonalmatrizen oder die oberen Dreiecksmatrizen Unterringe von R. Die Einheiten<br />

von R sind gerade die invertierbaren Matrizen.<br />

(iv) Ein kommutativer Ring mit 1 ≠ 0 ist ein Divisionsring genau dann, wenn er ein<br />

Körper ist.<br />

Beispiel 2.1.6. Sei H = R 4 mit einer vorgegebenen Basis, die mit {1, i, j, k} bezeichnet<br />

wird. Wir setzen<br />

· 1 i j k<br />

1 1 i j k<br />

i i −1 k −j<br />

j j −k −1 i<br />

k k j −i −1<br />

Setzt man jetzt die Multiplikation {1, i, j, k} × {1, i, j, k} → H reell bilinear<br />

fort, so erhält man eine Multiplikation bzgl. der (H, +, ·) zu einem Divisionsring,<br />

den Quaternionen, wird. Dabei ist das multiplikative Inverse eines Elements z =<br />

r + is + ju + kv ≠ 0 durch<br />

z −1 =<br />

r − is − ju − kv<br />

r 2 + s 2 + u 2 + v 2<br />

gegeben. Die Ähnlichkeit mit der Konstruktion der komplexen Zahlen ist evident.<br />

Übung 2.1.1. Sei (R, +, ·) ein Ring.<br />

(i) Zeige: Cent(R) ist ein kommutativer Unterring von R.<br />

(ii) Zeige: ( Unit(R), ·) ist eine Gruppe, d.h. · ist assoziativ, es existiert ein Einselement<br />

und zu jedem Element ein Inverses.<br />

(iii) Sei n ∈ Z und r ∈ R. Gib eine Definition für r n an und weise r n r m = r n+m nach.<br />

Zeige weiter, dass (rs) n = r n s n gilt, falls s ∈ R mit r kommutiert, d.h. rs = sr.<br />

(iv) Zeige: Wenn zu jedem r ∈ R \ {0} ein s ∈ R mit rs = 1 existiert, dann ist R ein<br />

Divisionsring.<br />

(v) Sei a ∈ Unit(R) und x ∈ R mit ax = 0. Zeige: x = 0.<br />

Definition 2.1.7. Sei R ein Ring und X 1 , . . . , X k Symbole. Elemente von N k 0 nennen<br />

wir Multiindizes. Sie seien durch i = (i 1 , . . . , i k ) bezeichnet. Die Summe von<br />

zwei Multiindizes sei komponentenweise gegeben.<br />

(i) Eine formale Potenzreihe in X 1 , . . . , X k mit Koeffizienten in R ist eine formale<br />

Summe<br />

∑<br />

a i X i := ∑<br />

a i X i 1<br />

1 · · · Xi k<br />

k<br />

,<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

wobei die a i ∈ R sind. Dies ist zunächst nichts anderes als eine suggestive<br />

Schreibweise für eine Folge (a i ) i∈N k<br />

0<br />

von Elementen in R. Der Sinn dieser<br />

Schreibweise liegt darin, dass sie die folgende Multiplikation auf der Menge


32 2 Ringe<br />

R[[X 1 , . . . , X k ]] aller formalen Potenzreihen in X 1 , . . . , X k natürlich“ erscheinen<br />

lässt, weil sie das Ausmultiplizieren“ von Produkten von endlichen Sum-<br />

”<br />

”<br />

men nachahmt (man nennt dies das Cauchy–Produkt):<br />

⎛ ⎞ ⎛ ⎞<br />

⎝ ∑<br />

a i X i ⎠ ⎝ ∑<br />

b i X i ⎠ := ∑ ( ) ∑<br />

a l b m X i .<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

l+m=i<br />

Neben diesem Produkt hat man noch die übliche koeffizientenweise Addition:<br />

⎛ ⎞ ⎛ ⎞<br />

⎝ ∑<br />

a i X i ⎠ + ⎝ ∑<br />

b i X i ⎠ := ∑<br />

(a i + b i )X i .<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

i∈N k 0<br />

(ii) Eine formale Potenzreihe ∑ i∈N<br />

a k i X i heißt Polynom, wenn nur endlich viele<br />

0<br />

a i von Null verschieden sind. Der Grad eines Polynoms 0 ≠ f = ∑ i∈N<br />

a k i X i<br />

0<br />

ist gegeben durch<br />

deg(f) := max{|i|: a i ≠ 0},<br />

wobei |i| := i 1 + . . . + i k . Außerdem setzt man deg(0) := −∞. Wenn a i ≠ 0 nur<br />

für |i| = d gilt, dann heißt f homogen vom Grad d. Die Menge der Polynome<br />

in X 1 , . . . , X k über R wird mit R[X 1 , . . . , X k ] bezeichnet. Die Teilmenge der<br />

homogenen Polynome vom Grad d bezeichnen wir mit R[X 1 , . . . , X k ] d .<br />

Wenn k = 1, dann heißt a deg f der Leitkoeffizient von f. Ist der Leitkoeffizient<br />

gleich 1, so heißt f monisch oder normiert.<br />

Proposition 2.1.8. Seien R ein Ring und X 1 , . . . , X k Symbole.<br />

(i) Die Menge R[[X 1 , . . . , X k ]] mit den in Definition 2.1.7 angegebenen Verknüpfungen<br />

ist ein Ring, der genau dann kommutativ ist, wenn R kommutativ ist.<br />

(ii) R[X 1 , . . . , X k ] ist ein Unterring von R[[X 1 , . . . , X k ]].<br />

Beweis. Idee: Dies sind reine Routinerechnungen.<br />

⊓⊔<br />

Übung 2.1.2. Sei R ein Ring. Zeige, dass 1 − X eine Einheit im Ring R[[X]] der formalen<br />

Potenzreihen in einer Variablen über R ist.<br />

Übung 2.1.3. Sei R ein Ring und X 1 , . . . , X k Symbole. Zeige:<br />

(i) R[[X 1 , . . . , X k−1 ]][[X k ]] ist isomorph zu R[[X 1 , . . . , X k ]].<br />

(ii) R[X 1 , . . . , X k−1 ][X k ] ist isomorph zu R[X 1 , . . . , X k ].<br />

Definition 2.1.9. Sei R ein Ring. Eine Teilmenge I ⊆ R heißt ein Ideal von R,<br />

wenn<br />

I − I ⊆ I, RI ⊆ I, IR ⊆ I.<br />

Man schreibt I ✂ R, wenn I ein Ideal in R ist.<br />

Definition 2.1.10. Seien R und S Ringe mit Einselementen 1 R bzw. 1 S . Eine Abbildung<br />

ϕ: R → S heißt ein Ringhomomorphismus, wenn gilt


(a) ϕ(x + y) = ϕ(x) + ϕ(y) für alle x, y ∈ R.<br />

(b) ϕ(xy) = ϕ(x)ϕ(y) für alle x, y ∈ R.<br />

(a) ϕ(1 R ) = 1 S .<br />

2.1 Ringe und Ideale 33<br />

Wir bezeichnen das Bild von ϕ mit im (ϕ) und den Kern ϕ −1 (0 S ) von ϕ mit ker (ϕ).<br />

Wenn ϕ bijektiv ist, heißt ϕ ein Isomorphismus.<br />

Es folgt unmittelbar aus den Definitionen, dass im (ϕ) ein Unterring von S ist,<br />

während ker (ϕ) niemals ein Unterring von R, aber immer ein Ideal in R ist.<br />

Beispiel 2.1.11. (i) Sei n ∈ Z. Dann ist nZ = {nx ∈ Z | x ∈ Z} ein Ideal in<br />

Z. Da jedes Ideal in Z automatisch eine Untergruppe von (Z, +) ist, zeigt die<br />

nachfolgende Proposition 2.1.12, dass hat diese Gestalt hat.<br />

(ii) Die Auswertung einer Funktion an einer Stelle x liefert Ringhomomorphismen<br />

ev x : C k (]a, b[) → R, f ↦→ f(x). Allgemeiner kann man Funktionen auch auf<br />

Teilmengen einschränken, z.B.<br />

rest ]c,d[ : C k (]a, b[) → C k (]c, d[),<br />

f ↦→ f| ]c,d[<br />

für ein Teilintervall ]c, d[ ⊆ ]a, b[. Die zugehörigen Kerne bestehen aus den Funktionen,<br />

die auf {x} bzw. ]c, d[ verschwinden.<br />

(iii) Der Ring R = Mat(n × n, K) enthält keine Ideale außer {0} und R. In der Tat,<br />

durch geeignete Multiplikation von links und rechts mit Matrizen, die nur einen<br />

von 0 verschiedenen Eintrag haben, sieht man, dass jedes von {0} verschiedene<br />

Ideal alle solche Matrizen und dann ganz R enthält.<br />

(iv) Sei R ein kommutativer Ring. Dann ist aR für jedes a ∈ R ein Ideal, das man<br />

das von a erzeugte Hauptideal nennt.<br />

(v) Sei R ein kommutativer Ring und A ⊆ R. Dann ist { ∑ n<br />

j=1 a jr j | r j ∈ R, a j ∈<br />

A, n ∈ N} ein Ideal, das man das von A erzeugte Ideal nennt. ( )<br />

r 0<br />

(vi) Sei R = R und R ′ = Mat(2 × 2, R). Dann ist die durch ϕ(r) = definierte<br />

Abbildung ( ) ϕ: R → R ′ ein Ringhomomorphismus, nicht dagegen die durch<br />

0 r<br />

r 0<br />

ψ(r) = definierte Abbildung (erhält die Eins nicht).<br />

0 0<br />

Proposition 2.1.12. Jede Untergruppe I von (Z, +) ist von der Form dZ mit d ∈<br />

N ∪ {0}.<br />

Beweis. Wenn I = {0} ist, dann wählen wir d = 0. Andernfalls finden wir ein von<br />

Null verschiedenes Element n ∈ I. Wegen I − I ⊆ I ist dann auch −n ∈ I und wir<br />

können annehmen, dass n > 0 ist. Sei d die kleinste positive Zahl in I und k ∈ I.<br />

Teilen mit Rest liefert k = md + r für ein m ∈ Z und 0 ≤ r < d. Weil aber NI ⊆ I<br />

und I = −I gilt, haben wir ZI ⊆ I. Also gilt r = k − md ∈ I, so dass wegen der<br />

Minimalität von d die Gleichheit r = 0 und somit k ∈ dZ folgt. Da umgekehrt mit<br />

d auch dZ in I ist, gilt I = dZ.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 2.1.13. Seien S ⊆ R kommutative Ringe und A = {f : R → R | f<br />

Polynomfunktion in einer Variablen} (d.h. f(λ) = a 0 + a 1 λ + . . . + a n λ n ). Wir<br />

definieren eine Abbildung Φ: S[X] → A durch<br />

Φ ( a 0 + a 1 X + . . . + a n X n) (λ) = ( a 0 + a 1 Φ(X) + . . . + a n Φ(X) n) (λ)<br />

= a 0 + a 1 λ + . . . + a n λ n .


34 2 Ringe<br />

Offensichtlich ist Φ : S[X] −→ A ein Ringhomomorphismus. Allerdings ist Φ im<br />

allgemeinen nicht injektiv, selbst wenn S = R gilt: Wähle z.B. R = {0, 1}. Dies ist<br />

ein Körper und für F = X + X 3 gilt<br />

Φ(F )(λ) = λ + λ 3 = 0 ∀λ ∈ R.<br />

Verknüpft man Φ noch mit der Auswertung in einem festen Punkt λ o ∈ R, so<br />

erhält man den Auswertungshomomorphismus<br />

S[X] → R<br />

a 0 + a 1 X + . . . + a n X n ↦→ a 0 + a 1 λ o + . . . + a n λ n o .<br />

Beispiel 2.1.14. Sei K ein Körper und A ∈ Mat(n × n, K), A = (a ij ) i,j=1,...,n .<br />

Betrachte<br />

B = (a ij − X δ ij ) i,j=1,...,n ∈ Mat(n × n, K[X])<br />

und setze<br />

χ A := det B = ∑<br />

σ∈S n<br />

sign (σ) [ (a 1σ(1) − X δ 1σ(n) ) · · · (a nσ(n) − X δ nσ(n) ) ] .<br />

Dann ist χ A ∈ K[X] das charakteristische Polynom von A.<br />

Frage: Kollidiert dies mit der Definition des charakteristischen Polynoms in der<br />

linearen Algebra<br />

Antwort: Sei Φ die Auswertung von Polynomen wie in Bemerkung 2.1.13. Dann gilt<br />

Φ(χ A )(λ) = det(A − λ1) = χ A (λ).<br />

d.h. die Definitionen liefern bei Auswertung das Gleiche.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 2.1.15. Sei R ein Ring und I ⊆ R ein Ideal.<br />

(i) Durch x ∼ y für x − y ∈ I wird eine Äquivalenzrelation auf R definiert, deren<br />

Äquivalenzklassen durch<br />

[x] := x + I := {x + i | i ∈ I}<br />

gegeben sind.<br />

(ii) Die Menge R/I der Äquivalenzklassen unter ∼ ist ein Ring bzgl. der Addition<br />

[x] + [y] := [x + y]<br />

∀x, y ∈ R<br />

und der Multiplikation<br />

[x] · [y] := [x · y] ∀x, y ∈ R.<br />

Dieser Ring heißt der Quotientenring von R nach I.<br />

(iii) Die Abbildung ϕ: R → R/I, r ↦→ r + I ist ein surjektiver Ringhomomorphismus<br />

mit Kern I.<br />

Beweis. Idee: Der Beweis geht in wesentlichen Teilen so wie für Quotientenvektorräume.<br />

Nur für die Wohldefiniertheit der Multiplikation auf R/I muss man RI ⊆ I und IR ⊆ I<br />

benützen.<br />

Die Details seien als Übung dem Leser überlassen.<br />

⊓⊔


2.1 Ringe und Ideale 35<br />

Beispiel 2.1.16. Sei n ∈ Z. Dann ist Z/nZ gerade der Ring der Restklassen<br />

modulo n.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 2.1.17. Sei ϕ: R → S ein Ringhomomorphismus sowie I ⊆ R und<br />

J ⊆ S Ideale mit ϕ(I) ⊆ J. Dann definiert<br />

ϕ(r + I) := ϕ(r) + J<br />

einen Ringhomomorphismus ϕ: R/I → S/J.<br />

Beweis. Idee: Die Wohldefiniertheit folgt sofort aus ϕ(I) ⊆ J, der Rest ist eine Routinerechnung.<br />

Die Details seien als Übung dem Leser überlassen.<br />

⊓⊔<br />

Übung 2.1.4. Seien R und S Ringe und R ′ ein Unterring von R. Zeige<br />

(i) Wenn ϕ: R → S ein Ringhomomorphismus ist, dann ist ϕ(R) isomorph zu R/ ker (ϕ).<br />

(ii) Jedes homomorphe Bild von R ist isomorph zu R/I für ein Ideal I in R.<br />

(iii) Für jedes Ideal I von R ist R ′ ∩ I ein Ideal von R ′ und R ′ + I ein Unterring von R.<br />

(iv) Für jedes Ideal I von R gilt R ′ /(R ′ ∩ I) ∼ = (R ′ + I)/I.<br />

(v) Für zwei Ideale I ⊆ J von R ist J/I := {j + I | j ∈ J} ein Ideal in R/I und es gilt<br />

(R/I)/(J/I) ∼ = R/J.<br />

Übung 2.1.5. Sei R ein Ring und J ⊂ R ein Linksideal, d.h. es gilt J + J ⊆ J und<br />

Untergruppe mit RJ ⊆ J. Definiere den Idealisator von J in R durch<br />

i R (J) := {a ∈ R | Ja ⊂ J}.<br />

Zeige, dass i R (J) der größte Unterring von R ist, in dem J ein zweiseitiges Ideal ist.<br />

Übung 2.1.6. Sei (R, +, ·) ein Ring, Cent(R) sein Zentrum und R × = Unit(R) die Menge<br />

der Einheiten. Zeige:<br />

1. Cent(R) ist ein kommutativer Unterring von R.<br />

2. (R × , ·) ist eine Gruppe.<br />

3. Wenn ax = 0 für a ∈ R × und x ∈ R, so ist x = 0.<br />

4. (c) gilt im Allgemeinen nicht für Elemente a, x ∈ R.<br />

5. Wenn 1 ≠ 0 und zu jedem r ∈ R \ {0} ein s ∈ R existiert mit rs = 1, dann ist R ein<br />

Divisionsring.<br />

Übung 2.1.7 (Polynomringe). Sei R ein nullteilerfreier Ring, d.h. für alle r, s ∈ R gilt:<br />

Aus rs = 0 folgt r = 0 oder s = 0.<br />

1. Zeige, dass die Einheiten im Polynomring R[X] gerade die Einheiten von R sind,<br />

betrachtet als Polynome vom Grad 0.<br />

2. Zeige, dass 1 − X eine Einheit im Ring R[[X]] der formalen Potenzreihen in einer<br />

Variablen über R ist.<br />

3. Zeige anhand eines Beispiels für R = Z/4Z, dass die Bedingung ”<br />

nullteilerfrei“ für den<br />

Beweis von a) wesentlich ist.<br />

Übung 2.1.8 (Nilpotente Elemente). Sei R ein kommutativer Ring und R × seine Einheitengruppe.<br />

Ein Element x ∈ R heißt nilpotent, wenn ein n ∈ N mit x n = 0 existiert. Es<br />

sei Nil(R) die Menge der nilpotenten Elemente in R. Zeige:<br />

1. (Nil(R), +) ist eine Untergruppe von (R, +),


36 2 Ringe<br />

2. Für a ∈ R × und x ∈ Nil(R) ist a + x ∈ R × .<br />

Übung 2.1.9 (Einheiten). Sei R ein Ring. Bestimme alle Einheiten im Ring R[[X]] der<br />

formalen Potenzreihen in einer Variablen über R.<br />

Übung 2.1.10 (Nullteiler und Nicht-Einheiten). Sei R ein Ring.<br />

1. Ein Element r ∈ R \ {0} heißt Nullteiler, falls es ein Element s ∈ R \ {0} gibt mit<br />

rs = 0 oder sr = 0. Bestimme alle Nullteiler von Z/nZ für n ∈ Z.<br />

2. Zeige anhand eines Beispiels: Im Allgemeinen folgt aus rs = 1 für r, s ∈ R nicht<br />

notwendig, dass r und s Einheiten in R sind.<br />

Hinweis: Betrachte zum Beispiel R = (End(V ), +, ◦), wobei V der Vektorraum aller<br />

reellen Folgen ist.<br />

2.2 Integritätsbereiche<br />

Definition 2.2.1. Sei R ein Ring. Ein Element r ∈ R \ {0} heißt Nullteiler, wenn<br />

0 ∈ r(R \ {0}) ∪ (R \ {0})r. Ein Integritätsbereich ist ein kommutativer Ring R<br />

mit 1 ≠ 0 ohne Nullteiler.<br />

Beispiel 2.2.2. (i) Jeder Unterring eines Körpers ist ein Integritätsbereich: Wenn<br />

r ≠ 0 und sr = 0, dann folgt 0 = 0 · r −1 = srr −1 = s und analog für rs = 0.<br />

Insbesondere ist Z ⊆ Q ein Integritätsbereich.<br />

(ii) Z/4Z ist kein Integritätsbereich, weil [2] · [2] = [0]. Dagegen ist Z/2Z sogar ein<br />

Körper. Wir werden später sehen, dass Z/nZ genau dann ein Integritätsbereich<br />

ist, wenn es ein Körper ist, und dies genau dann auftritt, wenn n (bzw. −n)<br />

eine Primzahl ist.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 2.2.3. Wenn R ≠ {0}, dann sind äquivalent<br />

(1) R ist Integritätsbereich.<br />

(2) Aus ra = rb mit r ≠ 0 folgt a = b.<br />

Beweis. Für die Implikation ”<br />

(1) ⇒ (2)“ schließt man<br />

r ≠ 0, ra = rb =⇒ r(a − b) = 0<br />

(1)<br />

=⇒ a − b = 0 =⇒ a = b<br />

und die Umkehrung sieht man mit<br />

r ≠ 0, ra = 0 =⇒ ra = r0<br />

(2)<br />

=⇒ a = 0.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 2.2.4. Wenn R ein Integritätsbereich ist, dann sind auch der Ring<br />

R[[X 1 , . . . , X k ]] der formalen Potenzreihen und der Ring R[X 1 , . . . , X k ] der Polynome<br />

über R Integritätsbereiche.


Beweis. Idee: Führe eine passende Ordnung auf N k 0 ein.<br />

2.2 Integritätsbereiche 37<br />

Wir betrachten folgende Ordnung auf N k 0: i < j, wenn es ein k o ∈ {1, . . . , k} gibt<br />

mit i m = j m für m < k o und i ko < j ko . Diese Ordnung heißt die lexikographische<br />

Ordnung und ist total, d.h. für zwei verschiedene Multiindizes i und j gilt entweder<br />

i < j oder j < i. Außerdem gilt<br />

i < j; l ≤ m =⇒ i + l < j + m,<br />

wobei l ≤ m bedeutet l < m oder l = m (Übung).<br />

Wenn jetzt F = ∑ i∈N<br />

a k i X i und G = ∑<br />

0<br />

i∈N<br />

b k i X i zwei von Null verschiedene<br />

0<br />

Elemente von R[[X 1 , . . . , X k ]] sind, dann gibt es ein bzgl. der lexikographischen<br />

Ordnung minimales l o , für das a lo ≠ 0 gilt. Analog haben wir ein minimales m o<br />

mit b mo ≠ 0. Dann ist aber der Koeffizient von l o + m o in F · G gerade a lo · b mo ,<br />

also von Null verschieden.<br />

⊓⊔<br />

Der folgende Satz verallgemeinert die Konstruktion der rationalen aus den ganzen<br />

Zahlen.<br />

Satz 2.2.5 (Quotientenkörper). Sei R ein Integritätsbereich.<br />

(i) Sei S = R × (R \ {0}). Dann definiert<br />

(a, b) ∼ (c, d) :⇔ ad = bc<br />

eine Äquivalenzrelation auf S.<br />

(ii) Bezeichne die Äquivalenzklasse von (a, b) mit a b<br />

und die Menge der Äquivalenzklassen<br />

mit Q(R). Dann definieren<br />

a<br />

b + c ad + bc<br />

:=<br />

d bd<br />

und<br />

a<br />

b · c ac<br />

:=<br />

d bd<br />

zwei Abbildungen Q(R) × Q(R) → Q(R) bzgl. derer (Q(R), +, ·) ein Körper mit<br />

Nullelement 0 1 und Einselement 1 1 ist.<br />

(iii) Das additive Inverse von a b<br />

−a<br />

ist<br />

b<br />

und das multiplikative Inverse von a b mit<br />

a ≠ 0 ist b a .<br />

Beweis. Idee: Wesentlich ist Teil (i). Für die Transitivität der Relation braucht man<br />

die Nullteilerfreiheit. Der Rest ist eine Routineverifikation.<br />

Wegen der Kommutativität von R ist die Relation ∼ symmetrisch. Die Reflexivität<br />

ist offensichtlich. Sei jetzt (a, b) ∼ (c, d) und (c, d) ∼ (e, f). Dann gilt<br />

adf = bcf = bde<br />

und daher d(af −be) = 0. Weil d ≠ 0, zeigt die Nullteilerfreiheit jetzt, dass af = be,<br />

d.h. (a, b) ∼ (e, f). Damit ist die Transitivität von ∼ gezeigt. Das Argument zeigt<br />

auch, dass<br />

ad<br />

bd = a b<br />

für d ≠ 0. Man kann also in Brüchen von Null verschiedene Element kürzen. Der<br />

Rest des Beweises ist Routine, wobei zuerst der Nachweis der Wohldefiniertheit der<br />

Verknüpfungen geführt werden muss (Übung).<br />

⊓⊔


38 2 Ringe<br />

Der in Satz 2.2.5 konstruierte Körper heißt der Quotientenkörper des Integritätsbereiches<br />

R.<br />

Die Teilbarkeitslehre der ganzen Zahlen lässt sich zum Teil auf allgemeinere<br />

kommutative Ringe übertragen.<br />

Definition 2.2.6. Sei R ein kommutativer Ring und a, b ∈ R. Man sagt a teilt b<br />

und schreibt a | b, wenn es ein r ∈ R mit ra = b gibt. In diesem Fall heißt a auch ein<br />

Teiler von b in R. Ein größter gemeinsamer Teiler (ggT) von a 1 , . . . , a k ∈ R<br />

ist dann ein gemeinsamer Teiler der a j , der von jedem anderen gemeinsamen Teiler<br />

geteilt wird. Zwei Elemente heißen teilerfremd, wenn 1 ein ggT von a und b ist.<br />

Ein Element d ≠ 0 in R \ Unit(R) heißt prim, wenn aus d | ab für a, b ∈ R folgt<br />

d | a oder d | b. Zwei Elemente p, q ∈ R heißen assoziiert, wenn es eine Einheit<br />

u ∈ Unit(R) mit p = uq gibt.<br />

Beachte, dass in dieser Definition jede Einheit Teiler eines beliebigen Ringelementes<br />

ist. Insbesondere ist in Z der ggT nicht eindeutig, sondern nur bis auf das<br />

Vorzeichen bestimmt. Allgemeiner ist in einem Integritätsbereich der ggT nur bis<br />

auf Einheiten eindeutig bestimmt (Übung, vgl. Proposition 2.2.3).<br />

Definition 2.2.7. Ein Ideal I in einem kommutativen Ring R heißt prim, wenn<br />

1 ∉ I und aus xy ∈ I mit x, y ∈ R folgt: x ∈ I oder y ∈ I. Das Ideal I heißt<br />

maximal, wenn 1 ∉ I und für jedes r ∈ R \ I ein s ∈ R mit 1 ∈ sr + I existiert.<br />

Man sieht sofort an der Definition, dass die maximalen Ideale gerade diejenigen<br />

Ideale sind, die in keinem von R und I verschiedenen Ideal enthalten sind (ein Ideal<br />

I ist gleich R genau dann, wenn 1 ∈ I ist).<br />

Beispiel 2.2.8. (i) Jedes n ∈ N \ {1} ist Produkt von Primzahlen.<br />

Wenn nämlich n nicht selbst prim ist, ist es von der Form n = ab mit a, b ∈<br />

N \ {1}. Also ist sind insbesondere a und b kleiner als n und die Behauptung<br />

folgt mit Induktion.<br />

(ii) Seien a, b ∈ Z und 〈a, b〉 := {na + mb: n, m ∈ Z} die von a und b erzeugte<br />

Untergruppe von (Z, +). Nach Proposition 2.1.12 ist 〈a, b〉 nach Proposition<br />

2.1.12 von der Form dZ mit d ≥ 0. Also ist d ein gemeinsamer Teiler von a und<br />

b. Außerdem gibt es n, m ∈ Z mit d = na + mb. Daher ist jeder gemeinsame<br />

Teiler von a und b auch Teiler von d. Insbesondere ist d ein ggT von a und b.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 2.2.9. (i) Sei n ∈ N, dann ist nZ ein Primideal in Z genau dann, wenn n<br />

eine Primzahl ist: Sei zunächst n prim und xy = nm, d.h. n teilt xy. Dann teilt n<br />

entweder x oder y und dementsprechend ist entweder x oder y in nZ enthalten.<br />

Umgekehrt, wenn nZ prim ist und n = xy mit x, y ∈ N \ {1} ist, dann folgt<br />

o.B.d.A. x ∈ nZ, d.h. insbesondere n ≤ x im Widerspruch zu n = xy. Also ist<br />

n prim. Man kann hier auch zeigen, dass nZ genau dann maximal ist, wenn n<br />

prim ist, wir verschieben das aber auf später.<br />

(ii) Sei R = C k (]a, b[) wie in Beispiel 2.1.11 und I = ker (ev x ). Dann ist I maximal<br />

in R, weil man zu jeder Funktion f, die in x nicht verschwindet, Funktionen<br />

g ∈ R und h ∈ I finden kann, für die<br />

1 = g(y)f(y) + h(y) ∀y ∈ ]a, b[<br />

gilt. Zum Beispiel funktioniert g : y ↦→ f(x) −1 und h : y ↦→ 1 − f(y)f(x) −1 .<br />

⊓⊔


2.2 Integritätsbereiche 39<br />

Proposition 2.2.10. Sei R ein kommutativer Ring und I ⊆ R ein Ideal.<br />

(i) R/I ist ein Integritätsbereich genau dann, wenn I prim ist.<br />

(ii) R/I ist ein Körper genau dann, wenn I maximal ist.<br />

(iii) Wenn I maximal ist, dann ist I prim.<br />

Beweis. Idee: Dies sind direkte Konsequenzen der Definitionen.<br />

(i) Sei R/I ein Integritätsbereich. Wenn xy ∈ I für x, y ∈ R, dann gilt<br />

(x + I)(y + I) = xy + I = 0 + I,<br />

also x + I = 0 + I oder y + I = 0 + I, d.h. x ∈ I oder y ∈ I. Also ist I prim.<br />

Sei umgekehrt I prim. Wenn jetzt (x + I)(y + I) = 0 + I, dann heißt das xy ∈ I,<br />

also x ∈ I oder y ∈ I. Damit folgt x + I = 0 + I oder y + I = 0 + I, und R/I<br />

ist nullteilerfrei.<br />

(ii) Sei R/I ein Körper. Wenn r ∈ R \ I, dann gilt r + I ∈ (R/I) \ {0 + I}, also<br />

existiert ein s + I ∈ R/I mit<br />

(s + I)(r + I) = 1 + I.<br />

Dann folgt aber sofort 1 ∈ sr + I, d.h. I ist maximal.<br />

Sei umgekehrt I maximal und r + I ∈ (R/I) \ {0 + I}. Dann ist r ∈ R \ I und<br />

es gibt ein s ∈ R mit sr ∈ 1 + I. Aber das bedeutet (s + I)(r + I) = 1 + I, so<br />

dass r + I ein multiplikatives Inverses in R/I hat. Also ist R/I ein Körper.<br />

(iii) Dies folgt sofort aus (i) und (ii), weil jeder Körper ein Integritätsbereich ist.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 2.2.11. Das Hauptideal (X) in Z[X] ist prim, aber nicht maximal, weil<br />

Z[X]/(X) ∼ = Z ein Integritätsbereich ist, aber kein Körper. Zum Beispiel ist (X) in<br />

dem Ideal<br />

{ ∑<br />

n }<br />

I := a k X k | n ∈ N 0 , a k ∈ Z, a 0 ∈ 2Z<br />

enthalten.<br />

k=0<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 2.2.12. Eine Teilmenge I ⊆ Z ist ein Ideal genau dann, wenn I − I ⊆ I<br />

gilt, weil dann automatisch alle Vielfachen von Elementen in I selbst wieder in I<br />

sind. Proposition 2.1.12 sagt dann gerade, dass jedes Ideal I in Z von der Form dZ<br />

mit d ∈ N 0 ist.<br />

Das Ideal dZ in Z ist prim genau dann, wenn es maximal ist. Die eine Richtung<br />

folgt dabei aus Proposition 2.2.10. Um auch die Umkehrung einzusehen, nehmen<br />

wir an, dass dZ ein Primideal ist. Dies ist nach Beispiel 2.2.9 gleichbedeutend damit,<br />

dass d eine Primzahl ist. Sei jetzt a ∈ Z \ dZ. Dann teilt d die Zahl a nicht und<br />

weil d prim ist, sind a und d sogar teilerfremd. Nach Beispiel 2.2.8(ii) ist also jedes<br />

k ∈ Z von der Form k = na + md mit n, m ∈ Z. Wenn wir k = 1 wählen, folgt<br />

insbesondere 1 ∈ na + dZ, also die Maximalität von dZ.<br />

Insbesondere erkennt man, dass Z/dZ genau dann ein Körper ist, wenn d prim<br />

ist.<br />

⊓⊔


40 2 Ringe<br />

Proposition 2.2.13. Sei R ein Integritätsbereich.<br />

(i) Wenn ein Primelement p ∈ R von der Form p = ab mit a, b ∈ R und p | a ist,<br />

dann ist b eine Einheit.<br />

(ii) Wenn p, q ∈ R prim sind mit p | q, dann ist q von der Form up mit u ∈ Unit(R).<br />

(iii) d ∈ R ist prim genau dann, wenn dR ein Primideal ist.<br />

Beweis. Idee: Dies folgt direkt aus den Definitionen.<br />

(i) Aus p = ab und a = pc folgt p = pcb, d.h., 1 = cb.<br />

(ii) Aus pr = q folgt q | p, denn q | r würde nach (i) dazu führen, dass p eine Einheit<br />

ist. Aber (i) zeigt auch, dass wegen q | p das Element r eine Einheit ist.<br />

(iii) Wenn p prim ist und ab ∈ pR gilt, folgt p | ab und daher p | a oder p | b. Dies<br />

heißt aber, es gilt a ∈ pR oder b ∈ pR, d.h. pR ist prim. Umgekehrt, wenn pR<br />

prim ist und p | ab gilt, dann folgt ab ∈ pR, also a ∈ pR oder b ∈ pR, d.h. p | a<br />

oder p | b. Also ist p prim.<br />

In Teil (iii) von Proposition 2.2.13 wurde die Nullteilerfreiheit nicht benutzt.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 2.2.14. Betrachte den Ring R = Z[X] und darin das Ideal<br />

{ ∑ n<br />

I :=<br />

k=0<br />

}<br />

a k X k | n ∈ N 0 , a k ∈ Z, a 0 ∈ 2Z .<br />

Wenn f = ∑ a k X k und g = ∑ b j X j Elemente von R sind und<br />

fg = ∑ ∑<br />

a m b l X k ∈ I<br />

k m+l=k<br />

gilt, dann folgt a 0 b 0 ∈ 2Z, also a 0 ∈ 2Z oder b 0 ∈ 2Z. Also muss f ∈ I oder g ∈ I<br />

gelten, d.h., I ist prim.<br />

⊓⊔<br />

Übung 2.2.1. Seien a, n ∈ Z.<br />

(i) a + nZ ist genau dann eine Einheit in Z/nZ, wenn a und n teilerfremd sind.<br />

(ii) Wenn a prim ist und n = a k , dann gibt es a k−1 (a − 1) Einheiten in Z/nZ.<br />

Übung 2.2.2. (i) Sei ϕ: R → S ein Ringhomomorphismus und R ein Körper. Zeige: Wenn<br />

S ≠ {0}, dann ist ϕ injektiv.<br />

(ii) Zeige: jeder endliche Integritätsbereich ist ein Körper.<br />

(iii) Sei R ein kommutativer Ring und I, J, P Ideale in R. Zeige: wenn P prim ist mit<br />

IJ ⊆ P , dann gilt I ⊆ P oder J ⊆ P .<br />

Übung 2.2.3 (Polynomringe). Sei R ein Ring und X 1 , . . . , X k Symbole. Zeige:<br />

1. R[X 1, . . . , X k−1 ][X k ] ist isomorph zu R[X 1, . . . , X k ].<br />

2. Ist R nullteilerfrei, so gilt R[X 1 , . . . , X k ] × = R × .<br />

Übung 2.2.4 (Ideale).<br />

1. Seien R, S Ringe und ϕ : R → S ein Ringhomomorphismus. Seien I ⊆ R, J ⊆ S<br />

Ideale. Sind ϕ(I) und/oder ϕ −1 (J) Ideale<br />

2. Bestimme alle Ideale von Z/8Z. Welche sind prim Welche sind maximal<br />

Übung 2.2.5 (Komplexe Zahlen). Sei (X 2 + 1) das von X 2 + 1 erzeugte Ideal in R[X].<br />

Zeige:<br />

R[X]/(X 2 + 1) ∼ = C .


2.2 Integritätsbereiche 41<br />

Übung 2.2.6 (Lokalisierung). Diese Aufgabe behandelt folgende Frage: Gegeben ein kommutativer<br />

Ring R und eine geeignete Teilmenge S ⊆ R. Wie findet man einen möglichst<br />

kleinen Ring R ′ , der R enthält und in dem die Elemente aus S Einheiten sind<br />

Sei R ein kommutativer Ring (R ist nicht notwendig nullteilerfrei). Sei S eine nichtleere<br />

Teilmenge von R, so dass<br />

• 1 ∈ S, 0 /∈ S.<br />

• a, b ∈ S impliziert ab ∈ S.<br />

Auf R × S definieren wir die Relation ∼ durch<br />

(r 1 , s 1 ) ∼ (r 2 , s 2 ) ⇐⇒ ∃s ∈ S mit (r 1 s 2 − r 2 s 1 )s = 0.<br />

1. Zeige, dass ∼ eine Äquivalenzrelation ist.<br />

2. Sei S −1 R die Menge der Äquivalenzklassen der Relation ∼ in R×S. Die Äquivalenzklasse<br />

von (r, s) ∈ R × S sei mit r bezeichnet. Zeige: Durch<br />

s<br />

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )<br />

r1 r2 r1 s 2 + r 2 s 1<br />

r1 r2 r1 r 2<br />

+ :=<br />

und · :=<br />

s 1 s 2 s 1s 2 s 1 s 2 s 1s 2<br />

werden Verknüpfungen auf S −1 R definiert, so dass S −1 R ein kommutativer Ring ist.<br />

3. Sei<br />

ϕ : R → S −1 R, r ↦→ r 1 .<br />

Zeige: ϕ ist ein Ringhomomorphismus, und ϕ ist genau dann injektiv, wenn S keine<br />

Nullteiler enthält. Die Elemente s 1<br />

s 2<br />

in S −1 R mit s 1, s 2 ∈ S sind Einheiten.<br />

Übung 2.2.7 (Quotientenring). Sei (X 2 −1) das von X 2 −1 erzeugte Ideal in R[X]. Zeige:<br />

R[X]/(X 2 − 1) ∼ = R × R ,<br />

wobei R × R mit komponentenweiser Addition und Multiplikation versehen ist.<br />

Übung 2.2.8 (Modulorechnung). Man finde alle Lösungen der folgende Gleichungen in<br />

Z/7Z, wobei Elemente in Z/7Z durch k := k + 7Z beschrieben werden:<br />

1. 5 · x = 4,<br />

2. y 2 − y + 1 = 0.<br />

Bestimme eine quadratische Gleichung, welche in Z/7Z keine Lösung besitzt.<br />

Übung 2.2.9 (Ideale und Körper). Seien K 1, . . . , K n Körper und R := K 1 ×· · ·×K n mit<br />

komponentenweiser Addition und Multiplikation. Ist R ein Körper Bestimme alle Ideale<br />

in R. Welches sind Primideale, welches sind maximale Ideale<br />

Übung 2.2.10. Sei [a, b] ⊆ R ein kompaktes Intervall und R := C([a, b]) der Ring der<br />

stetigen Funktionen auf [a, b] mit punktweiser Addition und Multiplikation. Zeige: Ein Ideal<br />

I ⊆ R ist maximal genau dann, wenn es ein x ∈ [a, b] gibt, so dass I = {f ∈ R | f(x) = 0}.<br />

Übung 2.2.11. In einem Integritätsbereich R heißt ein Element r ∈ R \ R × irreduzibel,<br />

falls sich r nicht in das Produkt von zwei Nicht-Einheiten zerlegen lässt, d.h. r = ab mit<br />

a, b ∈ R impliziert a ∈ R × oder b ∈ R × . Zeige:<br />

1. Ist p ∈ R prim, so ist p irreduzibel.<br />

2. Ist R faktoriell, so gilt auch die Umkehrung von a).<br />

Übung 2.2.12 (Irreduzibilität).<br />

1. Bestimme alle irreduziblen Polynome in R[X].<br />

2. Zeige, dass f = X 5 + X 2 + 1 irreduzibel ist in (Z/2Z)[X].


42 2 Ringe<br />

2.3 Euklidische Ringe<br />

Satz 2.3.1 (Polynomdivision). Sei R ein kommutativer Ring und f, g ∈ R[X] \<br />

{0}.<br />

(i) Wenn die höchsten (von Null verschiedenen) Koeffizienten von f und g sich<br />

nicht zu Null multiplizieren, dann gilt<br />

deg(fg) = deg(f) + deg(g).<br />

(ii) Wenn der höchste Koeffizient von g eine Einheit ist, dann gibt es eindeutig<br />

bestimmte Polynome q, r ∈ R[X] mit f = qg + r, wobei entweder r = 0 oder<br />

deg(r) < deg(g) gilt.<br />

Beweis. Idee: Setze f und g als Linearkombination der X i an, multipliziere aus, und<br />

berechne den Koeffizienten der höchsten vorkommenden Potenz.<br />

Sei f = ∑ m<br />

i=0 a iX i und g = ∑ n<br />

i=0 b iX i mit a m ≠ 0 ≠ b n . Dann gilt deg(f) = m<br />

und deg(g) = n.<br />

(i) fg = a m b n X m+n + ∑ n+m−1<br />

(∑<br />

i=0 l+m=i a )<br />

lb m X i . Weil aber a m b n ≠ 0 nach<br />

Voraussetzung, folgt deg(fg) = m + n.<br />

(ii) Existenz von q und r: Wenn m < n, dann wähle q = 0 und r = f. Wir können<br />

also n ≤ m annehmen, so dass<br />

f = (a m b −1<br />

n X m−n )g + ˜f,<br />

wobei entweder ˜f = 0 oder deg( ˜f) < m. Wenn ˜f = 0, dann wählen wir r = 0<br />

und q = a m b −1<br />

n X m−n . Andernfalls finden wir mit Induktion über den Grad<br />

Elemente ˜q, ˜r ∈ R[X] wie im Satz angegeben, insbesondere mit ˜f = ˜qg + ˜r. Es<br />

gilt dann<br />

f = (a m b −1<br />

n X m−n + ˜q)g + ˜r,<br />

was die Existenz von q und r beweist.<br />

Für Eindeutigkeit nehmen wir zwei Zerlegungen f = qg + r = ˜qg + ˜r wie<br />

angegeben an. Dann gilt (˜q − q)g = r − ˜r und mit (i)<br />

deg ( (˜q − q)g ) = deg(q − ˜q) + deg(g) > deg(r − ˜r)<br />

falls ˜q ≠ q. Also gilt q = ˜q und dann auch r = ˜r.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 2.3.2. Sei K ein Körper, R = K[X] und p ∈ R vom Grad deg(p) = n.<br />

Weiter sei I = ( p ) das von p erzeugte Ideal in R. Zu f ∈ K[X] existieren dann nach<br />

Satz 2.3.1 q, r ∈ K[X] mit f = qp + r sowie r = 0 oder deg(r) < n. Dies liefert<br />

f + I = r + I, d.h. jede Nebenklasse hat einen Vertreter vom Grad kleiner als n.<br />

Für p = X 2 + 1 und K = R erhält man<br />

(a + bX + I)(c + dX + I) = (a + bX)(c + dX) + I = ac + (bc + ad)X + bd X 2 + I.<br />

Wegen X 2 = −1 + p können wir dies zu<br />

(a + bX + I)(c + dX + I) = (bc + ad)X + (ac − bd) + I


2.3 Euklidische Ringe 43<br />

umschreiben. Wenn jetzt a ≠ 0 oder b ≠ 0, dann ergibt sich mit c =<br />

d = die Gleichung<br />

−b<br />

a 2 +b 2<br />

( )<br />

a<br />

(a + bX + I)<br />

a 2 + b 2 − b<br />

a 2 + b 2 X + I = 1 + I.<br />

a<br />

a 2 +b 2<br />

Damit haben wir gezeigt, dass R[X]/ ( p ) ein Körper ist. Es ist dann leicht zu verifizieren,<br />

dass<br />

R[X]/ ( p ) → C<br />

a + bX + ( p ) ↦→ a + ib<br />

ein Isomorphismus ist. Die diesem Isomorphismus zugrunde liegende Vorstellung ist:<br />

C ist erzeugt von R und einem Element x (nämlich dem Bild von X in R[X]/(X 2 +<br />

1)), das die Gleichung x 2 = −1 erfüllt. ⊓⊔<br />

und<br />

Die folgende Definition abstrahiert zwei für Fragen der Teilbarkeit wesentliche<br />

Eigenschaften der ganzen Zahlen und macht sie so auch für gewisse andere Ringe<br />

(z.B. Polynomringe über einem Körper) verfügbar.<br />

Definition 2.3.3. Sei R ein Integritätsbereich. R heißt ein Hauptidealring, wenn<br />

jedes Ideal I in R von der Form I = xR mit x ∈ R ist. R heißt ein euklidischer<br />

Ring, wenn es eine Funktion g : R \ {0} → N 0 gibt, die folgende Eigenschaften hat:<br />

(a) g(ab) ≥ g(a) für alle a, b ∈ R \ {0}.<br />

(b) Wenn a ∈ R \ {0} und b ∈ R, dann gibt es Elemente q, r ∈ R mit<br />

b = qa + r, wobei r = 0 oder g(r) < g(a) (Division mit Rest).<br />

Die Funktion g mit den Eigenschaften (a) und (b) heißt eine Gradfunktion für R.<br />

Beispiel 2.3.4. (i) Z ist ein euklidischer Ring mit g(n) = |n|.<br />

(ii) Sei K ein Körper. Dann ist K[X] ein euklidischer Ring mit Gradfunktion deg.<br />

Dies folgt sofort aus Satz 2.3.1, weil in einem Körper jedes von Null verschiedene<br />

Element eine Einheit ist.<br />

⊓⊔<br />

Die folgende Proposition steht in engem Zusammenhang mit Beispiel 2.2.8.<br />

Proposition 2.3.5. (i) Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring.<br />

(ii) Sei R ein Hauptidealring. Dann haben zwei Elemente a, b ∈ R einen bis auf<br />

Multiplikation mit einer Einheit eindeutigen ggT und dieser ist in der Menge<br />

{ma + nb | n, m ∈ R} enthalten.<br />

Beweis. Idee: Betrachte ein Element minimalen Grades in I.<br />

(i) Sei I ein Ideal in R. Wenn I = {0} ist, dann gilt I = 0 · R. Andernfalls wählen<br />

wir ein Element d ∈ I mit minimalem g(d). Für jedes i ∈ I finden wir dann<br />

q, r ∈ R mit i = qd + r und r = 0 oder g(r) < g(d). Da aber r = i − qd ∈ I ist,<br />

kann der zweite Fall nicht auftreten, so dass i = dq ∈ dR. Umgekehrt ist mit d<br />

auch dR in I, also gilt I = dR.


44 2 Ringe<br />

(ii) Setze<br />

〈a, b〉 := {na + mb | n, m ∈ R}<br />

für a, b ∈ R. Dann rechnet man sofort nach, dass 〈a, b〉 ein Ideal in R ist, also<br />

nach Voraussetzung von der Form dR. Dann ist d ein gemeinsamer Teiler von a<br />

und b. Da aber d ∈ 〈a, b〉 ist, gibt es n, m ∈ R mit d = na + mb. Daher ist jeder<br />

gemeinsame Teiler von a und b auch Teiler von d. Also ist d ein ggT von a und<br />

b.<br />

Um die Eindeutigkeitsaussage zu zeigen, nehmen wir an, dass d und d ′ jeweils<br />

ggTs von a und b sind. Dann gibt es r, r ′ ∈ R mit dr = d ′ und d = d ′ r ′ , also<br />

d = drr ′ . Wegen Proposition 2.2.3 liefert dies 1 = rr ′ (R ist insbesondere eine<br />

Integritätsbereich), d.h. r und r ′ sind Einheiten in R.<br />

Beachte, dass aus der Existenz eines ggT von zwei Elementen sofort auf die<br />

Existenz eines ggT von endlich vielen Elementen geschlossen werden kann.<br />

⊓⊔<br />

Algorithmus 2.3.6 (Euklid). Sei R ein euklidischer Ring mit Gradfunktion<br />

g. Um einen ggT zu berechnen, geht man vor wie für die ganzen Zahlen: Seien<br />

a, b ∈ R \ {0} und o.B.d.A. g(a) ≤ g(b). Schreibe b = qa + r mit r = 0 oder<br />

g(r) < g(a). Wenn r = 0, dann ist a ein ggT von a und b. Wenn r ≠ 0, dann ist<br />

jeder ggT von a und r auch ein ggT von a und b. Also wiederholt man das Verfahren<br />

für r und a. Weil der minimale Grad der beiden Elemente in jedem Schritt echt<br />

abnimmt, terminiert das Verfahren. In Formeln ausgedrückt:<br />

b = q 1 a + r 1 deg(r 1 ) < deg(g)<br />

a = q 2 r 1 + r 2 deg(r 2 ) < deg(r 1 )<br />

.<br />

r j = q j+2 r j+1 + r j+2 deg(r j+2 ) < deg(r j+1 )<br />

.<br />

r n = q n+2 r n+1 + 0<br />

Jetzt kann man überprüfen, dass r n+1 = ggT(a, b) gilt. Wegen r n+1 | r n und<br />

r n−1 = q n+2 r n + r n+1 findet man r n+1 | r n−1 etc., d.h. letztendlich<br />

r n+1 | a, b<br />

und das liefert r n+1 | ggT(a, b). Umgekehrt, wenn d | a, b, so erhält man erst d | r 1 ,<br />

dann d | r 2 etc., also schließlich d | r n+1 und damit ggT(a, b) = r n+1 . Beachte, dass<br />

r n+1 = r n−1 − q n+1 r n<br />

= r n−1 − q n+1 (r n−2 − q n r n−1 )<br />

= (−q n+1 )r n−2 + (1 + q n q n+1 )r n−1<br />

.<br />

= na + mb,<br />

wobei m, n ∈ R durch Division mit Rest bestimmbar sind.<br />

Übung 2.3.1. Sei R ein Hauptidealring. Zeige: k Elemente a 1 , . . . , a k ∈ R haben einen<br />

bis auf Äquivalenz eindeutigen ggT und dieser ist in der Menge { ∑ k<br />

j=1<br />

mjaj | mj ∈ R}<br />

enthalten.


2.3 Euklidische Ringe 45<br />

Übung 2.3.2. Sei R ein euklidischer Ring. Man gebe einen Algorithmus an, der zu<br />

a 1 , . . . , a k ∈ R einen ggT(a 1 , . . . , a k ) bestimmt.<br />

Proposition 2.3.7. Sei R ein Hauptidealring. Wenn ggT(a, b) = 1 und a | bc, dann<br />

gilt a | c.<br />

Beweis. Wegen Proposition 2.3.5 gibt es r, s ∈ R mit 1 = ra+sb, also c = cra+csb.<br />

Mit der Voraussetzung findet man dann ein d ∈ R mit bc = ad. Dies liefert c =<br />

a(cr + sd) und schließlich a | c.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 2.3.8. Sei R ein euklidischer Ring mit Gradfunktion g. Seien a, b ∈ R\{0}.<br />

Wenn b | a, aber nicht a | b, dann gilt g(b) < g(a).<br />

Beweis. Idee: Teile mit Rest.<br />

Die Voraussetzungen zeigen: Einerseits gilt b = qa+r mit r ≠ 0 und g(r) < g(a),<br />

andererseits haben wir a = cb. Daher rechnet man<br />

r = b − qa = (1 − qc)b<br />

und findet g(a) > g(r) ≥ g(b).<br />

⊓⊔<br />

Proposition 2.3.9. Sei R ein Hauptidealring. Dann ist jedes Primideal I ≠ {0}<br />

maximal.<br />

Beweis. Idee: Schreibe den Erzeuger von I als Produkt und wende Proposition 2.2.13<br />

an.<br />

Sei I ≠ {0} prim und J ✁ R ein Ideal, das I enthält. Da R ein Hauptidealring<br />

ist, gibt es a, b ∈ R mit I = (a) und J = (b). Nach Proposition 2.2.13(iii) ist a ∈ R<br />

prim. Wegen I ⊂ J gilt a = br mit r ∈ R. Jetzt zeigt Proposition 2.2.13(i), dass<br />

r oder b eine Einheit ist. Im ersten Fall gilt I = J und im zweiten J = R. Dies<br />

beweist die Maximalität von I.<br />

⊓⊔<br />

Übung 2.3.3. Sei R ein euklidischer Ring mit Gradfunktion g. Zeige:<br />

(i) g(1) ≤ g(r) für alle r ∈ R.<br />

(ii) Wenn g(b) = g(1), dann ist b eine Einheit in R.<br />

Übung 2.3.4. Sei n ∈ Z eine quadratfreie Zahl und √ n ∈ C eine Wurzel von n. Zeige:<br />

(i) Q( √ n) := {x+y √ n: x, y ∈ Q} ist ein Körper bzgl. der üblichen Operationen. (Hinweis:<br />

Für u = x + y √ n ∈ Q( √ n) betrachte u = x − y √ n ∈ Q( √ n).)<br />

(ii) Z[ √ n] := {x + y √ n: x, y ∈ Z} ist ein Unterring von Q( √ n).<br />

(iii) Die Funktion g(u) = |uu| ist für n = −1, −2, 2 eine Gradfunktion für R.<br />

(iv) Der Ring Z[ √ −5] ist kein Hauptidealring. (Hinweis: Benütze 9 = 3·3 = (2+ √ −5)(2−<br />

√ −5) um zu zeigen, dass 3Z[<br />

√ −5] zwar maximal in der Menge aller Ideale der Form<br />

xZ[ √ −5], d.h. in der Menge aller Hauptideale ist, aber nicht prim ist.)<br />

Übung 2.3.5.<br />

(i) Man zeige: Z[ √ −3] ist kein Hauptidealring.<br />

(ii) Ist Z[ √ −3] ein euklidischer Ring


46 2 Ringe<br />

(iii) Man zeige, dass die Einheiten von Z[ √ −3] genau die Elemente a + b √ −3 ∈ Z[ √ −3]<br />

sind mit a 2 + 3b 2 = 1.<br />

Übung 2.3.6. Man berechne den ggT von<br />

in Q[X].<br />

f = X 3 + X 2 + X − 3 und g = X 6 − X 5 + 6X 2 − 13X + 7<br />

Übung 2.3.7. (i) Betrachte den Ring R := Z[X]/(X 4 + 1)Z[X] und setze x := X + (X 4 +<br />

1)Z[X] ∈ R. Berechne die ganzen Zahlen c i in<br />

(<br />

3∑<br />

3∑<br />

) ( 3∑<br />

)<br />

c i x i = a i x i b i x i<br />

i=0<br />

i=0<br />

i=0<br />

in Abhängigkeit von den vorgegebenen ganzen Zahlen a i und b i .<br />

(ii) Sei K ein Körper und f ∈ K[X]\{0}. Zeige: Jede Nebenklasse von K[X]/fK[X] enthält<br />

genau ein Element g ∈ K[X] mit g = 0 oder deg(g) < deg(f).<br />

(iii) Sei L ein Körper und K ein Unterkörper von L (man spricht dann von einer<br />

Körpererweiterung K ⊆ L). Seien weiter f, g ∈ K[X]. Zeige: Der ggT von f und<br />

g, betrachtet als Elemente von K[X] ist gleich dem ggT von f und g, betrachtet als<br />

Elemente von L[X].<br />

Übung 2.3.8. Zeige, dass Z[i] := {x + iy | x, y ∈ Z} ein Unterring von C ist, und dass<br />

g : Z[i] → N 0 mit<br />

g(x + iy) = x 2 + y 2 = |x + iy| 2<br />

eine Gradabbildung ist, durch die Z[i] zu einem euklidischen Ring wird.<br />

Übung 2.3.9 (Euklidischer Algorithmus).<br />

1. Es seien die ganzen Zahlen x := 1234 und y := 56789 gegeben. Berechne den größten<br />

gemeinsamen Teiler von x und y, und finde ganze Zahlen a und b mit ggT(x, y) =<br />

a · x + b · y.<br />

2. Es seien die Polynome p := X 6 + 3 X 4 − 2 und q := 2 X 5 + 4 X 3 + 2 X gegeben.<br />

Berechne den größten gemeinsamen Teiler von p und q in R[X], und finde Polynome<br />

g und f aus R[X] mit ggT(p, q) = f · p + g · q.<br />

Übung 2.3.10. Sei R ein Integritätsbereich und a ∈ R \ {0} keine Einheit. Zeige, dass das<br />

von a und X erzeugte Ideal in R[X] kein Hauptideal ist.<br />

Bemerkung: Dies zeigt, dass R[X] nur dann ein Hauptidealring sein kann, wenn R schon<br />

ein Körper ist. In diesem Fall ist R[X] sogar ein euklidischer Ring, also insbesondere ein<br />

Hauptidealring.<br />

2.4 Faktorielle Ringe<br />

Definition 2.4.1. Sei R ein Integritätsbereich. Dann heißt R ein faktorieller<br />

Ring, wenn jede Nicht-Einheit 0 ≠ r ∈ R \ Unit(R) sich als Produkt von Primelementen<br />

schreiben lässt.<br />

Proposition 2.4.2. Sei R faktoriell und r ∈ R \ Unit(R). Wenn r = p 1 · · · p k =<br />

q 1 · · · q l mit p i , q j prim ist, dann gilt k = l und es gibt eine bijektive Zuordung<br />

{p 1 , . . . , p k } → {q 1 , . . . , q l }, p i ↦→ q ji mit q ji assoziiert zu p i .


2.4 Faktorielle Ringe 47<br />

Beweis. Idee: Man zeigt, dass p 1 assoziiert zu einem q j ist und wendet Induktion über<br />

die Anzahl der Primfaktoren an.<br />

Weil p 1 | q 1 (q 2 · · · q l ), gilt p 1 | q 1 oder p 1 | q 2 · · · q l , d.h. letztendlich finden wir<br />

ein q j mit p 1 | q j . Es gibt also ein a ∈ R mit p 1 a = q j . Da aber auch q j prim ist,<br />

folgt aus Proposition 2.2.13, dass a ∈ Unit(R). Also sind p 1 und q j assoziiert. Wir<br />

setzen j 1 := j und können o.B.d.A. annehmen, dass j 1 = 1.<br />

Wenn k = 1, dann ist r = p 1 prim und l = 1, da das Produkt von Nichteinheiten<br />

keine Einheit sein kann.<br />

Wenn k > 1, dann können wir schreiben r = p 1 r ′ mit r ′ = p 2 · · · p k . Dann gibt<br />

es eine Einheit u ∈ R mit up 1 = q 1 , also r ′ = uq 2 · · · q l und die Behauptung folgt<br />

mit Induktion.<br />

⊓⊔<br />

Man sieht sofort, dass man jedes von Null verschiedene Element in einem faktoriellen<br />

Ring in der Form up 1 · · · p k mit u ∈ Unit(R) und p i prim schreiben kann.<br />

Satz 2.4.3. Sei R ein euklidischer Ring. Dann ist R faktoriell.<br />

Beweis. Idee: Induktion über den Grad von r, Teilen mit Rest und Lemma 2.3.8.<br />

Sei r ∈ R. Wir wollen zeigen, dass r entweder eine Einheit ist oder sich als<br />

Produkt r = p 1 · · · p k von Primelementen p 1 , . . . , p k ∈ R schreiben lässt. Dazu<br />

machen wir eine Induktion über den Grad g(r) von r, d.h. wir nehmen an, dass<br />

jedes Element von kleinerem Grad entweder eine Einheit ist oder als Produkt von<br />

Primelementen geschrieben werden kann.<br />

Wenn r eine Einheit oder ein Primelement ist, ist nichts mehr zu zeigen. Daher<br />

können wir annehmen, dass 0 ≠ r ∈ R \ Unit(R) kein Primelement ist. Dann gibt<br />

es a, b ∈ R mit r|ab, nicht aber r|a oder r|b.<br />

Man kann a und b so wählen kann, dass g(a), g(b) < g(r). Um das einzusehen,<br />

teilen wir a und b mit Rest durch r und finden<br />

a = cr + a ′ , b = dr + b ′<br />

mit a ′ ≠ 0 ≠ b ′ sowie g(a ′ ), g(b ′ ) < g(r). Außerdem gilt r|a ′ b ′ , nicht aber r|a ′ oder<br />

r|b ′ . Mit anderen Worten, a ′ und b ′ haben die gewünschten Eigenschaften.<br />

Wir wählen jetzt a und b mit den genannten Eigenschaften so, dass g(a) minimal<br />

ist. Weil a und b keine Einheiten sind (andernfalls hätte man r|b bzw. r|a) folgt aus<br />

g(a), g(b) < g(r), dass sich a und b als Produkte von Primelementen schreiben<br />

lassen:<br />

a = p 1 · · · p k , b = q 1 · · · q l .<br />

Schreibe jetzt ab = rs mit s ∈ R. Weil p 1 prim ist, folgt p 1 |r oder p 1 |s. Wir<br />

zeigen, dass der Fall p 1 |s nicht auftreten kann: Dazu schreibt man a = p 1 a ′ und<br />

s = p 1 s ′ . Dann gilt rp 1 s ′ = rs = ab = p 1 a ′ b, also rs ′ = a ′ b. Beachte, dass a kein<br />

Teiler von a ′ sein kann, weil ar ′ = a ′ die Gleichung p 1 r ′ a ′ = a ′ , also p 1 r ′ = 1 zur<br />

Folge hätte. Dann wäre p 1 eine Einheit im Widerspruch zur Voraussetzung, dass<br />

p 1 prim ist. Also haben wir a ′ |a und a̸ | a ′ , sodass Lemma 2.3.8 die Ungleichung<br />

g(a ′ ) < g(a) liefert. Da aber r|a ′ b sowie r̸ | b und r̸ | a ′ (andernfalls gälte r|a), ist<br />

dies ein Widerspruch zur Minimalität von g(a).<br />

Wir haben also jetzt gezeigt, dass p 1 |r, d.h. es gibt ein r 1 ∈ R mit r = p 1 r 1 .<br />

Dann gilt r 1 |r und wie zuvor sieht man, dass r 1̸ | r, weil p 1 keine Einheit ist. Also<br />

liefert Lemma 2.3.8 diesmal, dass g(r) > g(r ′ ). Also r 1 entweder eine Einheit oder<br />

das Produkt von Primelementen. Aber dann ist r = p 1 r ′ in jedem Falle ein Produkt<br />

von Primelementen.<br />

⊓⊔


48 2 Ringe<br />

Allgemeiner kann man zeigen, dass jeder Hauptidealring faktoriell ist.<br />

Bemerkung 2.4.4. Sei K ein Körper, dann ist K[X] nach Beispiel 2.3.4(ii) euklidisch,<br />

also nach Satz 2.4.3 faktoriell. Ein Polynom vom Grad größer Null in K[X]<br />

ist also genau dann prim, wenn es nicht als Produkt von zwei Polynomen vom Grad<br />

größer Null geschrieben werden kann.<br />

⊓⊔<br />

Definition 2.4.5. Sei K ein Körper. Ein Polynom in K[X 1 , . . . , X k ], das nicht als<br />

Produkt von zwei Polynomen vom Grad größer Null geschrieben werden, kann nennt<br />

man auch irreduzibel.<br />

Im Prinzip ist die Definition auch sinnvoll, wenn man K durch einen Integritätsbereich<br />

ersetzt. Man verallgemeinert den Begriff Irreduzibilität für Elemente<br />

von Integritätsbereichen (insbesondere Polynomringen über Integritätsbereichen)<br />

aber in der folgenden Form: Sei R ein Integritätsbereich und a ∈ R keine Einheit.<br />

Dann heißt a irreduzibel, wenn man a nicht in der Form a = rs schreiben kann,<br />

wobei weder r ∈ R noch s ∈ R eine Einheit von R ist.<br />

Diese Definition ist kompatibel mit der von irreduziblen Polynomen über Körpern,<br />

weil die Einheiten in K[X] genau die von Null verschiedenen Elemente von K sind.<br />

Andererseits ist für R = Z[X] das Element a = 2X reduzibel, weil 2 ∈ Z[X] keine<br />

Einheit ist, obwohl man a nicht als Produkt von zwei Polynomen vom Grad größer<br />

als Null schreiben kann.<br />

Lemma 2.4.6. Sei R kommutativ und p ∈ R prim. Dann ist pR[X] ein Primideal<br />

in R[X].<br />

Beweis. Idee: Betrachte den kanonischen Homomorphismus ϕ: R → R/pR und ∑ a j X j ↦→<br />

∑ ϕ(aj )X j , dann zeige, dass R[X]/pR[X] ein Integritätsbereich ist.<br />

Sei ϕ: R → R/pR der kanonische Homomorphismus und ˜ϕ: R[X] → (R/pR)[X]<br />

definiert durch ∑<br />

aj X j ↦→ ∑ ϕ(a j )X j .<br />

Dann ist ˜ϕ ein surjektiver Homomorphismus mit Kern<br />

{ ∑ ∣ }<br />

ker ˜ϕ = aj X j ∣∣ aj ∈ pR = pR[X].<br />

Also (vgl. Übung 2.1.4) faktorisiert ˜ϕ zu einem Isomorphismus<br />

R[X]/pR[X] ∼ = (R/pR)[X].<br />

Insbesondere ist nach Proposition 2.2.10 und Proposition 2.2.4 (R/pR)[X] ein Integritätsbereich,<br />

weil pR prim ist. Also ist auch R[X]/pR[X] ein Integritätsbereich,<br />

und wieder mit Proposition 2.2.10 schließen wir, dass pR[X] prim in R[X] ist. ⊓⊔<br />

Die Bemerkung nach Proposition 2.2.13 zeigt, dass in der Situation von Lemma<br />

2.4.6 das Primelement p ∈ R, betrachtet als Element von R[X], auch prim<br />

ist.<br />

Definition 2.4.7. Sei R faktoriell. Ein Polynom f ∈ R[X] heißt primitiv, wenn<br />

die Koeffizienten von f teilerfremd sind, d.h. es gibt kein Primelement p ∈ R, das<br />

alle Koeffizienten teilt.


2.4 Faktorielle Ringe 49<br />

Wenn f = ∑ k<br />

j=0 a jX j und g = ∑ m<br />

j=0 b jX j . Für p ∈ R gilt die Gleichheit f = pg<br />

genau dann, wenn k = m und<br />

∀j = 0, . . . , k : a j = pb j .<br />

Dies zeigt, dass p genau dann alle Koeffizienten von f teilt, wenn p|f in R[X] gilt.<br />

Lemma 2.4.8. Sei R faktoriell und f, g ∈ R[X] primitiv. Dann ist auch fg primitiv.<br />

Beweis. Sei p ∈ R prim und p|fg. Da nach Lemma 2.4.6 p auch als Element von<br />

R[X] prim ist, folgt p|f oder p|g im Widerspruch zur Primitivität von f und g. ⊓⊔<br />

Lemma 2.4.9 (Gauß–Lemma).<br />

von R. Weiter sei f ∈ K[X].<br />

Sei R faktoriell und K der Quotientenkörper<br />

(i) f = c(f)f 1 mit c(f) ∈ K und f 1 ∈ R[X] primitiv. Dabei ist c(f) bis auf<br />

Vielfache in Unit(R) eindeutig bestimmt.<br />

(ii) c(fg) ∈ c(f)c(g) Unit(R).<br />

Beweis. Idee: c(f) wird aus Zähler und Nenner der Koeffizienten von f durch eine<br />

passende ggT-Bildung konstruiert.<br />

(i) Sei<br />

f =<br />

k∑<br />

j=0<br />

r j<br />

s j<br />

X j<br />

mit r j , s j ∈ R und d := s 0 · · · s k . Dann gilt df ∈ R[X]. Wenn d ′ ein ggT<br />

von d r 0<br />

s 0<br />

, . . . , d r k<br />

sk<br />

und a := d d<br />

ist, dann ist f ′ 1 = af primitiv. Dies zeigt die<br />

Existenzaussage. Für die Eindeutigkeit nehmen wir an<br />

f = cf 1 = ˜c ˜f 1<br />

mit f 1 , ˜f 1 ∈ R[X] primitiv und c, ˜c ∈ K. Wir schreiben c = a ã<br />

b<br />

und ˜c = mit<br />

˜b<br />

a, b, ã,˜b ∈ R. Dann sind a˜b und ãb ggT’s der Koeffizienten von g := a˜bf 1 = ãb ˜f 1 .<br />

Also gibt es ein u ∈ Unit(R) mit a˜b = uãb, das dann c = u˜c erfüllt.<br />

(ii) Wenn f = c(f)f 1 und g = c(g)g 1 , dann gilt fg = c(f)c(g)f 1 g 1 und f 1 g 1 ist nach<br />

Lemma 2.4.8 primitiv. Damit folgt die Behauptung aus der Eindeutigkeitsaussage<br />

von Teil (i).<br />

Man nennt das Element c(f) ∈ K für f ∈ K[X] den Inhalt von f. Der Inhalt ist<br />

nur bis auf Vielfache in den Einheiten von R bestimmt (ähnlich wie der ggT). Wenn<br />

f ∈ R[X], dann kann man f = rf 1 mit r ∈ R und f 1 ∈ R[X] primitiv schreiben<br />

indem man einen ggT der Koeffizienten von f ausklammert. Insbesondere ist also<br />

der Inhalt eines Polynoms in R[X] ein Element von R.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 2.4.10. Sei R faktoriell und K der Quotientenkörper von R. Weiter sei<br />

f ∈ R[X].<br />

(i) Wenn deg(f) = 0, dann ist f genau dann prim, wenn es prim als Element von<br />

R ist.<br />

(ii) Wenn deg(f) > 0, dann ist f genau dann prim, wenn f primitiv ist und irreduzibel<br />

(d.h. prim) in K[X].


50 2 Ringe<br />

Beweis. Idee: Man führt das auf Lemma 2.4.6 und das Gauß–Lemma 2.4.9 zurück.<br />

(i) Wenn f ∈ R[X] Grad Null hat und prim in R[X] ist, ist es automatisch prim<br />

auch in R. Die Umkehrung folgt aus Lemma 2.4.6.<br />

(ii) Wir nehmen an, f ∈ R[X] sei prim und f = rf 1 mit r ∈ R und f 1 ∈ R[X]<br />

primitiv. Dann gilt f|f 1 weil f|r wegen Grad f > 0 nicht möglich ist. Mit<br />

Proposition 2.2.13(i) folgt r ∈ Unit(R), d.h. f ist primitiv.<br />

Wenn f = gh mit g, h ∈ K[X] mit deg(g), deg(h) > 0, dann gilt c(g)c(h) ∈ R,<br />

d.h. es gibt ein r ∈ R und primitive Polynome positiven Grades g 1 , h 1 ∈ R[X]<br />

mit f = rg 1 h 1 im Widerspruch dazu, dass f prim ist. Also ist f irreduzibel in<br />

K[X].<br />

Umgekehrt nehmen wir jetzt an, dass f primitiv ist und irreduzibel in K[X]. Es<br />

gelte f|gh mit g, h ∈ R[X]. Da f als Element von K[X] prim ist (Bemerkung<br />

2.4.4), können wir o.B.d.A. annehmen, dass f|g in K[X]. Also gibt es ein k ∈<br />

K[X] mit fk = g. Da f primitiv ist, gilt c(g) ∈ c(k) Unit(R), also c(k) ∈ R und<br />

schließlich k ∈ R[X]. Damit haben wir f|g auch in R[X].<br />

⊓⊔<br />

Satz 2.4.11 (Gauß). Sei R ein faktorieller Ring. Dann ist auch der Polynomring<br />

R[X] faktoriell.<br />

Beweis. Idee: Kombiniere Lemma 2.4.10 mit dem Gauß–Lemma 2.4.9.<br />

Sei 0 ≠ f ∈ R[X]. Dann haben wir f = f 1 · · · f k mit f j ∈ K[X] irreduzibel (und<br />

wir können die Zerlegung so wählen, dass deg(f j ) > 0 für j > 1). Wir schreiben<br />

f i = c(f i )g i mit g i ∈ R[X] primitiv. Dann sind die g i immer noch irreduzibel<br />

in K[X], also prim in R[X] nach Lemma 2.4.10. Wegen Lemma 2.4.9 gilt c :=<br />

c(f 1 ) · · · c(f k ) ∈ c(f) Unit(R) ⊆ R und wir schreiben c = p 1 · · · p l mit p i prim in R<br />

falls c keine Einheit ist. Wieder mit Lemma 2.4.10 sehen wir, dass die diejenigen p i<br />

mit deg(g i ) > 0 prim in R[X] sind. Falls deg(g 1 ) = 0 gilt g 1 ∈ Unit(R), d.h. wir<br />

können annehmen, dass g 1 = 1. Zusammen haben wir die f = c ∈ Unit(R) falls<br />

k = 1 und c = c(f 1 ) ∈ Unit(R) ist oder Zerlegungen in Primelemente der folgenden<br />

Form ⎧<br />

p 1 · · · p l g 1 · · · g k falls deg(g 1 ) > 0 und c ∉ Unit(R),<br />

⎪⎨<br />

(cg 1 )g 2 · · · g k falls deg(g 1 ) > 0 und c ∈ Unit(R),<br />

f =<br />

p 1 · · · p l g 2 · · · g k falls deg(g 1 ) = 0 und c ∉ Unit(R),<br />

⎪⎩<br />

(cg 2 )g 3 · · · g k falls deg(g 1 ) = 0 und c ∈ Unit(R).<br />

.<br />

⊓⊔<br />

Übung 2.4.1 (Ringtypen). Ordne die Begriffe Ring, kommutativer Ring, Körper, Integritätsbereich,<br />

Hauptidealring, euklidischer Ring, faktorieller Ring in einem Diagramm<br />

an. Bestimme Beispiele für die einzelnen Ringe. Welche Eigenschaften vererben sich von<br />

einem Ring auf den Polynomring in einer/mehreren Veränderlichen<br />

Übung 2.4.2. Sei R faktoriell und K der Quotientenkörper von R, f ∈ R[X] und g ∈<br />

K[X]. Zeige: Wenn die höchsten Koeffizienten von f und g gleich 1 sind und g|f, dann ist<br />

g ∈ R[X].<br />

Übung 2.4.3. Es sei Z[i] := {a + bi | a, b, ∈ Z; i 2<br />

Zahlen).<br />

= −1} (Ring der ganzen Gaußschen


2.4 Faktorielle Ringe 51<br />

(i) Man beweise, dass dieser Ring mit der Norm g(a + bi) := a 2 + b 2 euklidisch ist (Rechnung<br />

ausführen!).<br />

(ii) Ist Z[i] faktoriell<br />

(iii) Man bestimme die Einheitengruppe von Z[i]. (Hinweis: Man überlege, wie Inverse<br />

gebildet werden in Zusammenhang mit der Norm.)<br />

Übung 2.4.4. Sei n ∈ Z mit n /∈ {k 2 |k ∈ Z} und √ n ∈ C eine Wurzel von n. Sei Z[ √ n] =<br />

{a + b √ n | a, b ∈ Z} wie in Übung 2.3.4.<br />

1. Zeige, dass die Normabbildung<br />

N : Z[ √ n] → N, x = a + b √ n → N(x) := |a 2 − nb 2 |<br />

die Eigenschaft N(xy) = N(x)N(y) erfüllt für alle x, y ∈ Z[ √ n].<br />

2. Zeige: x ∈ Z[ √ n] × genau dann, wenn N(x) = 1.<br />

3. Zeige, dass Z[ √ −5] nicht faktoriell ist.<br />

Hinweis: Zeige, dass 3 ∈ Z[ √ −5] irreduzibel aber nicht prim ist, vgl. Übung 2.2.11<br />

Übung 2.4.5 (Teilbarkeit). Sei R faktoriell und K der Quotientenkörper von R, f ∈ R[X]<br />

und g ∈ K[X]. Zeige: Wenn die höchsten Koeffizienten von f und g gleich 1 sind und g|f<br />

in K[X], dann ist g ∈ R[X].<br />

Übung 2.4.6 (Irreduzibilitätkriterium). Sei ϕ : R → S ein Homomorphismus von Integritätsbereichen<br />

R, S. Zeige:<br />

1. Die Abbildung<br />

˜ϕ : R[X] → S[X], f =<br />

n∑<br />

c iX i ↦→ ˜ϕ(f) :=<br />

i=0<br />

n∑<br />

ϕ(c i)X i<br />

ist ein Ringhomomorphismus.<br />

2. Sei f ∈ R[X] primitiv und deg( ˜ϕ(f)) = deg(f) > 0. Ist ˜ϕ(f) irreduzibel, so ist f<br />

irreduzibel.<br />

3. f = X 4 + 3X 3 + X 2 − 2X + 1 ist irreduzibel in Z[X].<br />

Übung 2.4.7 (Primelemente). Sei R ein faktorieller Ring. Zeige, dass es in R[X] unendlich<br />

viele normierte Polynome gibt, die prim sind.<br />

i=0


3<br />

Moduln<br />

In diesem Kapitel werden elementare Strukturaussagen für Moduln bewiesen. Moduln<br />

verallgemeinern sowohl das Konzept des Vektorraums (indem man von den<br />

Skalaren nur verlangt, dass sie aus einem Ring kommen), das Konzept der abelschen<br />

Gruppe (auf denen man automatisch eine skalare Multiplikation mit ganzen<br />

Zahlen hat), als auch das Konzept eines Ideals (mit den Ringelementen als Skalaren).<br />

Kanonisch ergeben sich aus der Definition eines Moduls die Begriffe Untermodul,<br />

Quotientenmodul und Modulhomomorphismus. Weitere Begriffsbildungen wie die<br />

Basen und freie Moduln werden aus den speziellen Beispielen durch Abstraktion gewonnen.<br />

Ein wesentliches Resultat dieses Kapitels ist die kanonische Zerlegung eines<br />

endlich erzeugten Moduls als direkte Summe von zyklischen Moduln, aus der man<br />

diverse Resultate über Normalformen von linearen Abbildungen auf Vektorräumen<br />

ableiten kann.<br />

3.1 Die Modulaxiome<br />

Definition 3.1.1. Sei R ein Ring. Ein Links-R-Modul (oder einfach R-Modul)<br />

M ist eine abelsche Gruppe mit einer Abbildung<br />

die folgenden Bedingungen genügt:<br />

R × M → M, (r, m) ↦→ rm,<br />

(i) (r 1 r 2 )m = r 1 (r 2 m) für alle r 1 , r 2 ∈ R und alle m ∈ M.<br />

(ii) (r 1 + r 2 )m = r 1 m + r 2 m für alle r 1 , r 2 ∈ R und alle m ∈ M.<br />

(iii) r(m 1 + m 2 ) = rm 1 + rm 2 für alle m 1 , m 2 ∈ M und alle r ∈ R.<br />

(iv) 1m = m für alle m ∈ M.<br />

Beispiel 3.1.2. (i) (M, +) abelsche Gruppe. Dann ist M ein Z-Modul via<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

n · a =<br />

⎪⎩<br />

a + . . . + a<br />

} {{ }<br />

n−mal<br />

n ∈ N<br />

0 n = 0<br />

−n ∈ N<br />

− (a + . . . + a)<br />

} {{ }<br />

(−n)−mal<br />

(ii) Jeder K-Vektorraum V ist ein K-Modul bzgl. der Vektorraum-Operationen.


54 3 Moduln<br />

(iii) Sei V ein K-Vektorraum und ϕ ∈ End K (V ) = Hom K (V, V ). Dann ist V ein<br />

K[X]-Modul via ( ∑<br />

aj X j) v := ∑ a j ϕ j (v).<br />

(iv) Sei V ein K-Vektorraum. Dann ist V ein End(V )-Modul bzgl. ϕv := ϕ(v).<br />

(v) Sei R ein Ring, dann macht die Ringmultiplikation R zu einem R-Modul.<br />

(vi) Sei R ein Ring und I ein Ideal in R. Dann ist der Quotientenring R/I bzgl.<br />

r(s+I) := rs+I ein R-Modul. Die R-Moduln von dieser Form heißen zyklisch.<br />

(vii) Sei ψ : R → S ein Ringhomomorphismus und M ein S-Modul. Dann ist M ein<br />

R-Modul via rm := ψ(r)m.<br />

(viii) Sei Ω ⊆ R n eine offene Teilmenge und C ∞ (Ω, R m ) der Vektorraum aller glatten<br />

Abbildungen von Ω nach R m . Dann ist C ∞ (Ω, R) ein Ring bzgl. der punktweisen<br />

Addition und Multiplikation und C ∞ (Ω, R m ) ein C ∞ (Ω, R)-Modul bzgl. der<br />

punktweisen Addition und skalaren Multiplikation. Außerdem ist C ∞ (Ω, R m )<br />

ein R[X 1 , . . . , X n ]-Modul via<br />

X 1 f = ∂f<br />

∂x 1<br />

, . . . , X n f = ∂f<br />

∂x n<br />

.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 3.1.3. (i) Wenn R ein Körper ist, dann sind die Links-R-Moduln<br />

gerade die R-Vektorräume.<br />

(ii) Ganz analog definiert man Rechts-R-Moduln. Das Assoziativgesetz ist dann<br />

x · (rs) = (x · r) · s und man sieht, dass für kommutative Ringe jeder Links-<br />

Modul ein Rechts-Modul wird, wenn man nur das Ringelement auf die andere<br />

Seite schreibt. Für kommutative Ringe ist die Verkürzung von Links-Moduln zu<br />

Moduln daher ungefährlich. Wenn der Ring nicht-kommutativ ist, sollte man<br />

explizit anmerken, wenn man Rechts-Moduln betrachtet.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 3.1.4. (i) Z n ist ein Z-Modul via z · (Z 1 , . . . , Z n ) = (zZ 1 , . . . , zZ n ).<br />

(ii) Beispiel (i) verallgemeinert sich für jeden Ring R (Links-Modul).<br />

(iii) C(R) ist ein C ∞ (R)-Modul.<br />

(iv) Sei R ein Ring. Dann ist R bzgl. der Multiplikation von rechts auch ein Rechts-<br />

R-Modul.<br />

⊓⊔<br />

Definition 3.1.5. Sei R ein Ring und M, N seien Links-R-Moduln. Eine Abbildung<br />

ϕ: M → N heißt ein R-Modulhomomorphismus, wenn für alle r 1 , r 2 ∈ R und<br />

m 1 , m 2 ∈ M gilt<br />

ϕ(r 1 m 1 + r 2 m 2 ) = r 1 ϕ(m 1 ) + r 2 ϕ(m 2 ).<br />

Die Menge der R-Modulhomomorphismen M → N wird mit Hom R (M, N) bezeichnet.<br />

Eine Teilmenge U ⊆ M heißt ein Untermodul von M, wenn U − U ⊆ U und<br />

RU ⊆ U gilt.<br />

Beispiel 3.1.6. (i) Sei R ein Ring und I ein Ideal in R. Dann ist I ein Untermodul<br />

des R-Moduls R. Umgekehrt ist in einem kommutativen Ring jeder Untermodul<br />

von dieser Form.


3.1 Die Modulaxiome 55<br />

(ii) Seien V und W zwei K-Vektorräume. Dann ist jede K-lineare Abbildung ϕ: V →<br />

W ein K-Modulhomomorphismus.<br />

(iii) Die Verknüpfung von Modulhomomorphismen ist ein Modulhomomorphismus.<br />

(iv) Das Inverse eines bijektiven Modulhomomorphismus ist ein Modulhomomorphismus<br />

(Isomorphismus).<br />

(v) Sei ϕ: M → N ein Modulhomomorphismus sowie M ′ ⊆ M und N ′ ⊆ N Untermoduln.<br />

Dann ist ϕ −1 (N ′ ) ein Untermodul von M und ϕ(M ′ ) ein Untermodul<br />

von N. Insbesondere ist der Kern ker ϕ := ϕ −1 (0) ein Untermodul von M und<br />

das Bild im ϕ := ϕ(M) ein Untermodul von N.<br />

(vi) Betrachte R als Links- oder Rechts-R-Modul. Wenn I ⊆ R ein Untermodul ist,<br />

dann heißt I ein Links- bzw. Rechts-Ideal.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 3.1.7. (i) Wenn R ein Körper ist, reduzieren sich die Begriffe Untermodul<br />

und Modulhomomorphismus zu ”<br />

Untervektorraum“ und ”<br />

Lineare Abbildung“.<br />

(ii) Wenn R = Z ist, dann ist jede Untergruppe auch Untermodul und jeder Gruppenhomomorphismus<br />

auch Modulhomomorphismus.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 3.1.8. (i) C k (R) ist C ∞ (R)-Untermodul von C(R).<br />

(ii) {(r 1 , . . . , r k , 0, . . . , 0) | r j ∈ R} ist ein Untermodul von R n .<br />

(iii) ρ r : R → R, s ↦→ s · r ist Modulhomomorphismus.<br />

(iv) Die Ableitung<br />

D : C ∞ (R) → C ∞ (R)<br />

f ↦→ df<br />

dt<br />

ist R-Modulhomomorphismus, nicht aber C ∞ (R)-Modulhomomorphismus.<br />

{ ( ) ∣∣∣<br />

a 0<br />

}<br />

(v)<br />

a, c ∈ R ist Links-Ideal in Mat(2 × 2, R), nicht aber Rechts-Ideal.<br />

c 0<br />

⊓⊔<br />

Übung 3.1.1. Sei M ein R-Modul und N ein Untermodul von M. Weiter sei<br />

die Menge aller N-Nebenklassen. Zeige:<br />

(i) M/N ein R-Modul via<br />

M/N := {m + N | m ∈ M}<br />

r(m + N) = rm + N, (m 1 + N) + (m 2 + N) = (m 1 + m 2) + N.<br />

(ii) Die Abbildung π : M → M/N, m ↦→ m + N ist surjektiver R-Modulhomomorphismus<br />

mit Kern N.<br />

(iii) Sei ϕ: M → L ein R-Modulhomomorphismus mit Kern N. Dann ist im ϕ = ϕ(M)<br />

isomorph zu M/N.<br />

Man nennt M/N den Quotientenmodul oder Faktormodul von M nach N.<br />

Übung 3.1.2. Sei M eine R-Modul und I ein Ideal in R. Zeige:<br />

(i) IM = { ∑ endl. r jm j : r j ∈ I, m j ∈ M} ein Untermodul von M.


56 3 Moduln<br />

(ii) M/IM ist ein R/I-Modul via<br />

(r + I)(m + IM) = rm + IM, (m 1 + IM) + (m 2 + IM) = (m 1 + m 2 ) + IM.<br />

Übung 3.1.3. Sei M eine R-Modul und N ⊆ P Untermoduln von M. Zeige:<br />

(i) N ein Untermodul von P .<br />

(ii) P/N ist ein Untermodul von M/N.<br />

(ii) M/P ist isomorph zu (M/N)/(P/N) als R-Modul.<br />

Übung 3.1.4. Ein Modul M über einem Ring R heißt einfach, falls er nicht der Nullmodul<br />

ist und keine echten Untermoduln enthält.<br />

1. Man zeige, dass ein einfacher Modul zu R/I (als R-Modul) isomorph ist, wobei I ein<br />

maximales Links-Ideal ist.<br />

2. Man beweise das Schursche Lemma: Sei ϕ : M → N ein Homomorphismus von einfachen<br />

R-Moduln. Dann ist entweder ϕ gleich Null oder ϕ ist ein Isomorphismus.<br />

3.2 Basen und freie Moduln<br />

Definition 3.2.1. Sei M ein Links-R-Modul und E ⊆ M eine Teilmenge. Dann<br />

heißt<br />

〈E〉 := ⋂ {N ⊆ M | E ⊆ N, N Untermodul}<br />

der von E erzeugte Links-R-Modul.<br />

Endliche Summen der Form ∑ r j m j mit r j ∈ R und m j ∈ M bezeichnen wir<br />

als R-Linearkombinationen.<br />

Proposition 3.2.2. Sei M ein Links-R-Modul. Für E ⊂ M gilt<br />

{ }<br />

∑<br />

〈E〉 = r j e j | r j ∈ R, e j ∈ E .<br />

endl.<br />

Beweis. Die rechte Seite ist offensichtlich ein Untermodul, der E enthält (wegen<br />

1 ∈ R). Aber dann liefert die Definition, dass 〈E〉 in der rechten Seite enthalten ist.<br />

Umgekehrt enthält jeder Untermodul mit E auch alle R-Linearkombinationen von<br />

E. ⊓⊔<br />

Definition 3.2.3. Sei R ein Ring und M ein Links-R-Modul sowie E ⊆ M. Man<br />

sagt, E erzeugt M oder spannt M auf, wenn 〈E〉 = M. Wenn M von einer<br />

endlichen Teilmenge aufgespannt wird, so heißt M endlich erzeugt. Die Menge<br />

E heißt R-unabhängig, wenn (∀n ∈ N)(∀r i ∈ R)(∀m j ∈ E paarweise verschieden)<br />

gilt<br />

r 1 m 1 + . . . + r n m n = 0 ⇒ r 1 = . . . = r n = 0.<br />

Wenn E den Modul M erzeugt und R-unabhängig ist, dann heißt E eine R-Basis<br />

von M. Dies ist äquivalent dazu, dass jedes Element von M auf genau eine Weise<br />

(bis auf die Reihenfolge) als R-Linearkombination der Basiselemente geschrieben<br />

werden kann. Schließlich heißt M heißt ein freier (Links-)R-Modul, wenn es eine<br />

R-Basis für M gibt.


3.2 Basen und freie Moduln 57<br />

Beispiel 3.2.4. (i) Wenn R = K ein Körper ist, dann reduzieren sich die Begriffe<br />

erzeugen“ und R–unabhängig“ auf die Begriffe aufspannen“ und linear<br />

” ” ” ”<br />

unabhängig“ aus der Theorie der Vektorräume. Jeder K-Vektorraum, d.h. K-<br />

Modul, ist frei (das folgt aus dem Lemma von Zorn).<br />

(ii) R n = {(r 1 , . . . , r n ) | r j ∈ R} mit der offensichtlichen R-Modulstruktur ist frei<br />

mit Basis<br />

{(1, 0, . . . , 0), (0, 1, 0, . . . , 0), . . . , (0, . . . , 0, 1)}<br />

{ ( ) ∣∣∣<br />

a 0<br />

}<br />

(iii) R = Mat(2 × 2, R), M =<br />

a, b ∈ R . Gäbe es eine R-Basis E für M,<br />

b 0<br />

so wäre 2 = dim R M ≥ |E| · dim R R = 4|E|. Also ist M nicht frei.<br />

(iv) Ein von Null verschiedener freier R-Modul hat mindestens so viele Elemente<br />

wie R. Also ist z.B. der Z-Modul Z/nZ nicht frei, d.h. er hat keine Basis.<br />

Proposition 3.2.5. In endlich erzeugten freien Moduln über kommutativen Ringen<br />

gilt die Invarianz der Basislänge. Genauer gesagt, je zwei endliche Basen haben<br />

gleich viele Elemente. Insbesondere ist n durch M = R n festgelegt.<br />

Beweis. Idee: Faktorisiere ein maximales Ideal von R und führe so die Proposition auf<br />

den entsprechenden Satz für Vektorräume zurück.<br />

Wenn {m 1 , . . . , m k } eine Basis für M ist, dann ist<br />

η : R k → M, (r 1 , . . . , r k ) ↦→<br />

k∑<br />

r j m j<br />

ein Modulisomorphismus. Nach dem Lemma von Zorn 1 gibt es ein maximales Ideal<br />

I ✂ R (die Vereinigung einer Kette von echten Idealen ist ein echtes Ideal). Die<br />

Menge IM := { ∑ endl. i αm α | i α ∈ I, m α ∈ M} ist ein R-Untermodul von M und<br />

die induzierte Abbildung<br />

j=1<br />

¯η : M/IM → R k /IR k , m + IM ↦→ η(m) + IR k<br />

ist ein bijektiver R-Modulhomomorphismus. Da Multiplikation mit Elementen aus I<br />

auf beiden Seiten immer Null liefert, kann man ¯η auch als R/I-Modulhomomorphismus<br />

interpretieren. Die Maximalität von I zeigt nach Proposition 2.2.10, dass R/I ein<br />

Körper ist, d.h. ¯η ist ein Vektorraumisomorphismus. Aber auch<br />

ψ k : R k /IR n → (R/I) k , (r 1 , . . . , r k ) + IR k ↦→ (r 1 + I, . . . , r n + I)<br />

ist ein R/I-Modulisomorphismus ist, d.h. ein Vektorraumisomorphismus. Damit<br />

erhält man dim R/I (M/IM) = k und k ist durch M und I festgelegt. Also stimmen<br />

die Längen zweier endlicher Basen überein.<br />

⊓⊔<br />

Man nennt n den Rang des Moduls. Man kann Beispiele für nichtkommutative<br />

Ringe R finden, über denen alle freien Moduln R n mit n ≥ 1 isomorph sind.<br />

Satz 3.2.6. Sei M ein Links-R-Modul und E ⊂ M. Dann sind folgende Aussagen<br />

äquivalent:<br />

1 Lemma (Zorn). Sei (M, ≤) eine partiell geordnete Menge, für die jede nichtleere total<br />

geordnete Teilmenge (Kette) eine obere Schranke hat. Dann gibt es ein maximales<br />

Element in M.


58 3 Moduln<br />

(1) M ist frei mit Basis E.<br />

(2) Zu jedem Links-R-Modul V und zu jeder Abbildung ϕ : E → V gibt es genau<br />

einen R-Modulhomomorphismus ϕ : M → V mit ϕ| E = ϕ, d.h.<br />

E <br />

∀ϕ<br />

V<br />

M<br />

∃!ϕ<br />

<br />

Beweis. Idee: Die Richtung ”<br />

(1) ⇒ (2)“ erhält man durch R-lineare Fortsetzung. Für<br />

die Umkehrung liefern spezielle Abbildungen E → V die lineare Unabhängigkeit von E.<br />

Dass der von E aufgespannte Modul N gleich M ist sieht man, wenn man die Nullabbildung<br />

E → M/N mit (2) nach M anhebt.<br />

” (1) ⇒ (2)“: ϕ(Σr jm j ) := Σr j ϕ(m j ) für m j ∈ E.<br />

” (2) ⇒ (1)“: Wir zeigen zunächst die R–Unabhängigkeit von E: Zu m 1, . . . , m n ∈<br />

E, r 1 , . . . , r n ∈ R mit Σr j m j = 0 wähle V = R und ϕ j : E → V mit<br />

{<br />

1 m = mj<br />

ϕ j (m) =<br />

0 sonst.<br />

Dann rechnet man ϕ i (Σr j m j ) = Σr j ϕ i (m j ) = r i und dies liefert mit ϕ i (0) = 0<br />

die R-Unabhängigkeit von E. Um 〈E〉 = M zu zeigen, setze N := 〈E〉 und<br />

betrachte den Faktormodul M/N = {m + N | m ∈ M}. Die R-Modulstruktur<br />

von M/N ist durch r · (m + N) = (r · m) + N gegeben. Wende (2) auf<br />

ϕ : E → M/N, m ↦→ [0] = 0 + N<br />

an. Die Abbildungen<br />

ϕ 1 : M → M/N<br />

m ↦→ [0]<br />

}<br />

und<br />

}<br />

ϕ 2 : M → M/N<br />

m ↦→ m + N<br />

sind beides R-Modulhomomorphismen, die ϕ fortsetzen (weil E ⊆ N). Also<br />

liefert (2), dass ϕ 1 = ϕ 2 und das zeigt M = N.<br />

Bemerkung 3.2.7. Die Bedingung (2) aus Satz 3.2.6 wird als universelle Eigenschaft<br />

der freien Moduln bezeichnet. Universelle Eigenschaften lassen sich oft<br />

sehr übersichtlich durch kommutative Diagramme darstellen. Dabei bedeutet<br />

“kommutativ”, dass die Abbildungen, die man aus dem Diagramm durch Komposition<br />

von Pfeilen zusammensetzen kann, übereinstimmen, wenn nur Anfangs– und<br />

Endpunkt übereinstimmen.<br />

⊓⊔<br />

⊓⊔<br />

Proposition 3.2.8. Sei M λ , mit λ ∈ Λ eine Familie von Links-R-Moduln. Dann<br />

ist<br />

{<br />

∏<br />

M λ := f : Λ → ⋃ ∣ }<br />

∣∣∣<br />

M λ f(λ) ∈ M λ<br />

λ∈Λ<br />

λ∈Λ<br />

ein Links-R-Modul bzgl.


}<br />

(r · f)(λ) = r · f(λ)<br />

(f + f ′ )(λ) = f(λ) + f ′ (λ)<br />

3.2 Basen und freie Moduln 59<br />

r ∈ R, f, f ′ ∈ ∏ λ∈Λ<br />

M λ , λ ∈ Λ,<br />

und<br />

{<br />

⊕<br />

M λ := f ∈ ∏ ∣ }<br />

∣∣∣<br />

M λ f(λ) = 0 für alle bis auf endlich viele λ<br />

λ∈Λ<br />

λ∈Λ<br />

ist ein Untermodul von ∏ λ∈Λ<br />

M λ .<br />

Beweis. Routine.<br />

Bemerkung 3.2.9. ∏ M λ heißt das direkte Produkt der M λ und ⊕ λ die<br />

λ∈Λ<br />

λ∈ΛM<br />

direkte Summe der M λ . Beachte, dass die Projektionen<br />

π λ0 : ∏ ⎫<br />

M λ → M λ0<br />

⎬<br />

λ∈Λ<br />

⎭<br />

f ↦→ f(λ 0 )<br />

und die Inklusionen<br />

ι λ0 : M λ0 −→<br />

λ∈ΛM ⊕ ⎫<br />

λ<br />

⎪⎬<br />

( { )<br />

0 ∈ Mλ λ ≠ λ<br />

m ↦−→ λ ↦→<br />

0 ⎪⎭<br />

m λ = λ 0<br />

⊓⊔<br />

für jedes λ 0 ∈ Λ R-Modulhomomorphismen sind.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 3.2.10. Seien M λ für λ ∈ Λ, M und N Links-R-Moduln.<br />

(i) ϕ : M → ∏ λ∈Λ<br />

M λ ist genau dann ein R-Modulhomomorphismus, wenn π λ ◦ ϕ :<br />

M → M λ für jedes λ ∈ Λ ein R-Modulhomomorphismus ist.<br />

(ii) Seien ψ λ : M λ → N R-Modulhomomorphismen. Dann gibt es genau einen R-<br />

Modulhomomorphismus ψ : ⊕ λ∈ΛM λ → N mit ψ ◦ ι λ = ψ λ für alle λ ∈ Λ.<br />

Beweis. Idee: (i) ist eine Routineverifikation. Für (ii) kann man sich zuerst die Eindeutigkeit<br />

überlegen und findet dabei, wie ψ zu definieren ist.<br />

(i)<br />

ϕ(m + m ′ )(λ) = (π λ ◦ ϕ)(m + m ′ )<br />

= (π λ ◦ ϕ)(m) + (π λ ◦ ϕ)(m ′ )<br />

= ϕ(m)(λ) + ϕ(m ′ )(λ)<br />

= ( ϕ(m) + ϕ(m ′ ) ) (λ)<br />

ϕ(rm)(λ) = (π λ ◦ ϕ)(rm)<br />

= r · ((π<br />

λ ◦ ϕ)(m) )<br />

( )<br />

= r ϕ(m)(λ)<br />

= ( r · ϕ(m) ) (λ).


60 3 Moduln<br />

( ⊕<br />

)<br />

(ii) Eindeutigkeit: Wenn ψ ∈ Hom R λ , N mit ψ ◦ ι λ = ψ λ für alle λ ∈ Λ,<br />

λ∈ΛM<br />

dann gilt<br />

(∑<br />

( ) ∑ ( )<br />

ψ(f) = ψ<br />

ψ ◦ ι λ f(λ) = ψ λ f(λ) .<br />

λ∈Λ<br />

ι λ<br />

(<br />

f(λ)<br />

) ) = ∑ λ∈Λ<br />

λ∈Λ<br />

Existenz: Setze<br />

ψ(f) := ∑ λ∈Λ<br />

ψ λ<br />

(<br />

f(λ)<br />

)<br />

für f ∈ ⊕ λ∈ΛM λ .<br />

Dann gilt<br />

ψ ◦ ι λ0 = ∑ ( (ιλ0<br />

ψ λ (m) ) )<br />

(λ) = ψ λ0 (m) für m ∈ M λ0<br />

λ∈Λ<br />

und<br />

ψ(rf + r ′ f ′ ) = ∑ λ∈Λ<br />

ψ λ<br />

(<br />

r · f(λ) + r′ · f ′ (λ) )<br />

( ⊕<br />

)<br />

Korollar 3.2.11. Hom R λ , N<br />

λ∈ΛM<br />

∼= ∏ λ∈Λ<br />

Hom R (M λ , N) (isomorph als abelsche<br />

Gruppen).<br />

= ∑ ( )<br />

r ψ Λ f(λ) + r ′ (<br />

ψ λ f ′ (λ) )<br />

λ∈Λ<br />

= r ∑ ( )<br />

ψ ∑ (<br />

λ f(λ) + r<br />

′<br />

ψ λ f ′ (λ) )<br />

λ∈Λ<br />

λ∈Λ<br />

= r ψ(f) + r ′ ψ(f ′ ).<br />

⊓⊔<br />

Übung 3.2.1. Seien M λ für λ ∈ Λ, sowie S und P Links-R-Moduln. Zeige:<br />

(i) Wenn es R-Modulhomomorphismen p λ : P → M λ gibt, bzgl. derer P die folgende<br />

universelle Eigenschaft hat (für alle λ),<br />

∃!ϕ<br />

N<br />

P<br />

∀ϕ λ<br />

M λ<br />

<br />

p λ<br />

<br />

dann ist P isomorph zum direkten Produkt der M λ .<br />

(ii) Wenn es R-Modulhomomorphismen j λ : M λ → S gibt, bzgl. derer S die folgende<br />

universelle Eigenschaft hat (für alle λ),<br />

∃!ϕ<br />

N<br />

S<br />

∀ϕ λ<br />

j<br />

λ<br />

M λ<br />

dann ist S isomorph zur direkten Summe der M λ .


3.2 Basen und freie Moduln 61<br />

Bemerkung 3.2.12. Sei M ein Links-R-Modul und M λ , λ ∈ Λ, eine Familie von<br />

Untermoduln. Dann heißt M die (innere) direkte Summe der M λ , wenn die von<br />

den Inklusionen M λ ↩→ M via Proposition 3.2.10 induzierte Abbildung<br />

ϕ : ⊕ λ∈ΛM λ −→ M<br />

bijektiv ist. Beachte, dass das Bild von ϕ gerade<br />

∑<br />

{ ∑<br />

∣ }<br />

∣∣∣ 〈 ⋃ 〉<br />

M λ = m λ endliche Summen, m λ ∈ M λ = M λ<br />

λ∈Λ<br />

λ∈Λ<br />

ist. Die Abbildung ϕ ist genau dann bijektiv, wenn jedes Element m von M auf<br />

genau eine Weise als (endliche) Summe<br />

∑<br />

m λ mit m λ ∈ M λ<br />

λ∈Λ<br />

geschrieben werden kann. Also ist M genau dann die (innere) direkte Summe der<br />

M λ , wenn es R-Modulhomomorphismen<br />

λ∈Λ<br />

p λ : M −→ M λ<br />

λ ∈ Λ<br />

gibt mit<br />

(a) m = ∑ λ∈Λ<br />

p λ (m) für alle m ∈ M<br />

(alle bis auf endlich viele Summanden sind Null).<br />

(b) p λ (m) = m für alle m ∈ M λ .<br />

Die p λ heißen kanonische Projektionen.<br />

⊓⊔<br />

Konstruktion 3.2.13. Sei R ein Ring und E eine Menge. Setze<br />

M E := { f : E → R | f(e) ≠ 0 nur für endlich viele e ∈ E } = ⊕ E<br />

R.<br />

{<br />

1 e = e<br />

Die Abbildung E → M E , e ↦→ f e mit f e (e ′ ′<br />

) :=<br />

0 sonst<br />

ist injektiv und wir betrachten E als Teilmenge von M E . Es ist M E ein R-Modul<br />

bzgl.<br />

(f 1 + f 2 )(e) := f 1 (e) + f 2 (e)<br />

(r f)(e) := r f(e).<br />

Sei jetzt V ein (Links-)R-Modul und ϕ : E → V eine Abbildung. Setze<br />

ϕ(f) := ∑ e∈E<br />

f(e)ϕ(e)<br />

(nur endlich viele Summanden sind ungleich Null), dann ergibt sich ϕ(f e ) = ϕ(e)<br />

und


ϕ(r 1 f 1 + r 2 f 2 ) = ∑ e∈E<br />

<br />

<br />

62 3 Moduln<br />

(<br />

r1 f 1 + r 2 f 2<br />

)<br />

(e)ϕ(e)<br />

= ∑ e∈E<br />

r 1 f 1 (e)ϕ(e) + r 2 f 2 (e)ϕ(e)<br />

= r 1 ϕ(f 1 ) + r 2 ϕ(f 2 ).<br />

Die Eindeutigkeit von ϕ ist klar, weil sich jedes f ∈ M E als Linearkombinationen<br />

der f e schreiben lässt. Also ist M E nach Satz 3.2.6 frei mit Basis E.<br />

⊓⊔<br />

Satz 3.2.14. Sei M ein freier Links-R-Modul mit Basis E. Dann gilt M ∼ = M E .<br />

Beweis. Aus den drei kommutativen Diagrammen<br />

<br />

E <br />

M E<br />

∃!ψ<br />

∃!ϕ<br />

<br />

M<br />

<br />

E <br />

M<br />

M<br />

∃! id<br />

M<br />

<br />

E <br />

M E<br />

M E<br />

∃! id<br />

ME<br />

folgt ψ ◦ ϕ = id M und ϕ ◦ ψ = id ME .<br />

⊓⊔<br />

Konstruktion 3.2.13 und Satz 3.2.14 erlauben es uns, von dem freien (Links-)R-<br />

Modul über E zu sprechen.<br />

Lemma 3.2.15. Sei ϕ: M → M ′ ein surjektiver R-Modulhomomorphismus und<br />

ψ : M ′ → M ein R-Modulhomomorphismus mit ϕ ◦ ψ = id M ′. Dann gilt M ∼ =<br />

ker (ϕ) ⊕ M ′ .<br />

Beweis. Idee: Zeige, dass M die direkte Summe von ker (ϕ) und im (ψ) ist.<br />

Da id M ′ injektiv ist, müssen auch ψ und ϕ| im (ψ) injektiv sein. Insbesondere<br />

ist ψ : M ′ → im (ψ) ein Isomorphismus. Es reicht jetzt zu zeigen, dass sich jedes<br />

m ∈ M in eindeutiger Weise als m = m 1 + m 2 mit m 1 ∈ ker (ϕ) und m 2 ∈ im (ψ)<br />

schreiben lässt (vgl. Bemerkung 3.2.12). Zunächst zeigen wir die Eindeutigkeit: Sei<br />

also m 1 + m 2 = m ′ 1 + m ′ 2 mit m 1 , m ′ 1 ∈ ker (ϕ) und m 2 , m ′ 2 ∈ im (ψ). Wendet man<br />

darauf ϕ an, erhält man ϕ(m 2 ) = ϕ(m ′ 2), also m 2 = m ′ 2, weil ϕ| im (ψ) injektiv ist.<br />

Um die Existenz zu zeigen, schreiben wir m = ψ ◦ ϕ(m) + l für ein l ∈ M. Es gilt<br />

dann<br />

ϕ(m) = ϕ ◦ ψ ◦ ϕ(m) + ϕ(l) = ϕ(m) + ϕ(l),<br />

also l ∈ ker (ϕ). Dies zeigt die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Man kodiert die Voraussetzungen von Lemma 3.2.15 oft in der Form einer kurzen<br />

exakten Sequenz<br />

0 ker (ϕ) M ϕ M ′ 0,<br />

∃ψ<br />

wobei man mit exakt meint, dass an jeder Stelle der Kern des auslaufenden Homomorphismus<br />

gleich dem Bild des einlaufenden Homomorphismus ist. Die Nullen<br />

stellen den 0-Modul dar.


3.3 Moduln über euklidischen Ringen 63<br />

Korollar 3.2.16. Sei ϕ: M → M ′ ein surjektiver R-Modulhomomorphismus und<br />

M ′ frei. Dann gilt M ∼ = ker (ϕ) ⊕ M ′ .<br />

Beweis. Dies folgt durch eine Kombination von Satz 3.2.6 und Lemma 3.2.15. Genauer<br />

gesagt, man wählt zu jedem element e ′ einer Basis E ′ von M ′ ein Urbild<br />

ϕ(e ′ ) ∈ ϕ −1 (e ′ ) und setzt die so konstruierte Abbildung ψ : E ′ → M zu einem<br />

Modulhomomorphismus ϕ: M ′ → M fort.<br />

⊓⊔<br />

Übung 3.2.2. Sei R ein kommutativer Ring und f = ∑ n<br />

j=0 aiXj ∈ R[X] mit a n ∈<br />

Unit(R). Zeige:<br />

(i) S := R[X]/fR[X] ist ein R-Modul.<br />

(ii) Sei x = X + fR[X] ∈ S. Dann ist {x j ∈ S | j = 0, . . . , n} eine Basis für S.<br />

Übung 3.2.3. Sei ϕ: M ′ → M ein injektiver R-Modulhomomorphismus und und ψ : M →<br />

M ′ ein R-Modulhomomorphismus mit ψ ◦ ϕ = id M ′.<br />

0 M ′ ϕ<br />

M M/ im (ϕ) 0<br />

Dann gilt M ∼ = M ′ ⊕ ( M/ im (ϕ) ) .<br />

∃ψ<br />

Übung 3.2.4. (Z 2 × Z 3, +) ist ein Z-Modul bzgl. z · (ẑ 1, ẑ 2) := (ẑ · z 1, ẑ · z 2), wobei ̂x<br />

die Restklasse von x in der jeweiligen Koordinate bedeutet (das muss nicht mehr gezeigt<br />

werden).<br />

Man zeige, dass E := {(̂1, ̂1)} ein Erzeugendensystem dieses Moduls ist.<br />

Übung 3.2.5. Sei R ein Ring, und sei M ein freier R-Modul von endlichem Rang. Man<br />

beweise oder widerlege:<br />

1. Jedes Erzeugendensystem E ⊆ M enthält eine Basis.<br />

2. Jede R-unabhängige Menge lässt sich zu einer Basis ergänzen.<br />

Übung 3.2.6 (Erzeugendensystem). Seien m, n ∈ Z und betrachte M m,n := Z/nZ ×<br />

Z/mZ als Z-Modul bzgl.<br />

k · (a + nZ, b + mZ) := (k · a + nZ, k · b + mZ) .<br />

Ist M m,n ein freier Z-Modul Bestimme ein minimales Erzeugendensystem. Zeige, dass<br />

{(1, 1)} genau dann ein Erzeugendensystem ist, wenn m, n teilerfremd sind.<br />

Übung 3.2.7 (Freie Moduln). Sei R ein Ring und I ✂ R ein Ideal. Zeige, dass R/I genau<br />

dann ein freier R-Modul ist, wenn I = (0).<br />

3.3 Moduln über euklidischen Ringen<br />

Sei R ein euklidischer Ring. Nach den Propositionen 2.3.5, 2.3.9 und 2.2.10<br />

bedeutet das insbesondere, dass R/pR für jedes Primelement in R ein Körper ist.<br />

Lemma 3.3.1. Sei M ein Untermodul von R n . Dann gibt es ein d ≤ n so, dass M<br />

isomorph zu R d ist.


64 3 Moduln<br />

Beweis. Idee: Projiziere auf die letzte Komponente und wende Induktion über n an.<br />

Sei π : R n → R, (r 1 , . . . , r n ) ↦→ r n die Projektion auf die letzte Komponente.<br />

Dann ist π ein R-Modulhomomorphismus und daher (vgl. Beispiel 3.1.6) I := π(M)<br />

ein Untermodul von R, d.h. ein Ideal in R. Da R insbesondere ein Hauptidealring<br />

ist, gibt es ein x ∈ I mit I = xR. Weiter ist {x} eine Basis für I, d.h. I ∼ = R ist frei.<br />

Nach Korollar 3.2.16 gilt also M ∼ = ker (π| M ) ⊕ I. Da ker (π| M ) ⊆ R n−1 , folgt mit<br />

Induktion über n, dass ker (π| M ) ∼ = R d′ mit d ′ ≤ n − 1. Damit gilt<br />

M ∼ = ker (π| M ) ⊕ I ∼ = R d′ ⊕ R ∼ = R d′ +1<br />

mit d ′ + 1 ≤ n.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 3.3.2. Sei R ein euklidischer Ring und p ∈ R prim, 0 ≠ r ∈ R und<br />

M = R/rR. Weiter sei M p = {m ∈ M | pm = 0}. Dann ist M p ein Untermodul<br />

von M und:<br />

(i) Wenn 0 ≠ r = px ∈ R, dann gilt<br />

M p = xR/rR ∼ = R/pR.<br />

Insbesondere ist M p ein R/pR-Vektorraum der Dimension 1.<br />

(ii) Wenn p kein Teiler von r ist, gilt M p = {0}, d.h. M p ein R/pR-Vektorraum<br />

der Dimension 0.<br />

Beweis. Idee: Benütze die Eindeutigkeit der Primzerlegung in R und die Abbildung<br />

R → xR/rR, a ↦→ xa + rR.<br />

(i) Die Gleichheit M p = xR/rR folgt aus der Eindeutigkeit der Primzerlegung<br />

(vgl. Satz 2.4.3): m = s + rR ist genau dann in M p , wenn ps ∈ rR. Wegen<br />

r = pxR ist das gleichbedeutend mit s ∈ xR. Die Isomorphie erhält man aus<br />

dem R-Modulhomomorphismus<br />

R → xR/rR,<br />

a ↦→ xa + rR,<br />

dessen Kern gerade pR ist, und dem 1. Isomorphiesatz für Moduln (vgl. Übung<br />

3.1.1).<br />

(ii) Dies folgt wieder aus der Eindeutigkeit der Primzerlegung: ps = rr ′ zeigt, dass<br />

p|r ′ und damit ist s ∈ rR.<br />

⊓⊔<br />

Satz 3.3.3. Sei R ein euklidischer Ring und M ein endlich erzeugter R-Modul.<br />

Dann gibt es eindeutig bestimmte Ideale R ≠ I 1 ⊇ I 2 ⊇ . . . ⊇ I l in R so, dass<br />

M ∼ =<br />

l⊕<br />

R/I j .<br />

j=1<br />

Beweis. Idee: Wähle Erzeuger m 1 , . . . , m n von M und wende Lemma 3.3.1 auf den<br />

Kern der Abbildung ψ : R n → M, (r 1 , . . . , r n ) ↦→ ∑ n<br />

i=1 r im i an, der sich so als Bild eines<br />

Homomorphismus ϕ: R d → R n schreibenlässt. Über geeignete darstellende Matrizen“<br />

”<br />

von ϕ findet man die Ideale I j. Für die Eindeutigkeit benützt man Lemma 3.3.2.


3.3 Moduln über euklidischen Ringen 65<br />

Existenz der Ideale: Seien m 1 , . . . , m n<br />

surjektiven R-Modulhomomorphismus<br />

∈ M Erzeuger von M. Betrachte den<br />

ψ : R n → M, (r 1 , . . . , r n ) ↦→<br />

n∑<br />

r i m i .<br />

Nach Lemma 3.3.1 gilt ker ψ ∼ = R d für ein d ≤ n. Insbesondere gibt es einen R-<br />

Modulhomomorphismus ϕ: R d → R n , dessen Bild gerade ker ψ ist. Wir haben dann<br />

eine exakte Sequenz<br />

i=1<br />

R d ϕ R n ψ M 0.<br />

Mit dem 1. Isomorphissatz für Moduln (vgl. Übung 3.1.1) gilt<br />

M ∼ = R n / ker ψ ∼ = R n / im ϕ.<br />

Seien {v 1 , . . . , v d } und {w 1 , . . . , w n } Basen von R d und R n (vgl. Beispiel 3.2.4).<br />

Weiter sei A ∈ Mat(n × d, R) die darstellende Matrix von ϕ bzgl. dieser Basen, d.h.<br />

A = (a ij ) i=1,...,n mit<br />

j=1,...,d<br />

ϕ(v j ) =<br />

n∑<br />

a ij w i , j = 1, . . . , d.<br />

i=1<br />

Beh.: Man kann die Basen so wählen, dass A eine Diagonalmatrix“ (a ” ij<br />

i ≠ j) wird und außerdem a 11 | a 22 | . . . | a dd gilt.<br />

= 0 für<br />

Mit dieser Behauptung erhalten wir dann im (ϕ) = { ∑ d<br />

i=1 a iir i w i | r i ∈ R} und<br />

daraus<br />

( d⊕<br />

) ( n⊕<br />

)<br />

M ∼ = R n / im ϕ ∼ = R/a ii R ⊕ R .<br />

i=1<br />

i=d+1<br />

Indem man jetzt diejenigen Summanden streicht, für die a ii ∈ Unit(R), d.h. für die<br />

a ii R = R (das passiert für die ersten k Elemente mit k ≤ d, dann nicht mehr), und<br />

(n − d)-mal das Nullideal anhängt, findet man eine Idealfolge der gesuchten Art.<br />

Wir beweisen jetzt die Behauptung mit Induktion über n: Zunächst wählen wir<br />

die Basis so, dass ˜g(A) mit<br />

˜g(A) := min{g(a ij ) | a ij ≠ 0; i = 1, . . . , d; j = 1, . . . , n}<br />

minimal ist, wobei g : R \ {0} → N 0 die Gradfunktion von R ist. Beachte, dass der<br />

Fall A = 0 ohnehin klar ist.<br />

Die Basiswechsel werden durch elementare Zeilen- und Spaltenumformungen bewirkt.<br />

Dabei benützen wir nur Vertauschungen und Additionen von Vielfachen einer<br />

Zeile (Spalte) zu einer anderen, weil man nur von diesen allgemein die Invertierbarkeit<br />

garantieren kann. Ansonsten besteht der Beweis in einer Adaption des<br />

Gauß-Algorithmus: Durch Zeilen- und Spaltentausch können wir erreichen, dass<br />

˜g(A) = g(a 11 ). Beachte, dass wegen der Minimalität von ˜g(A) das Element a 11 alle<br />

Koeffizienten in der ersten Reihe und der ersten Spalte der Matrix A teilen muß,<br />

weil wir sonst durch Addition von geeigneten Vielfachen der ersten Zeile (Spalte)<br />

via Teilen mit Rest Elemente mit kleinerem Grad erzeugen könnten. Jetzt teilen<br />

wir die Elemente a i1 (ohne) Rest durch a 11 und subtrahieren das entsprechende<br />

Vielfache der ersten Zeile von der i-ten Zeile. Damit können wir a i1 = 0 für i > 1<br />

annehmen. Ganz analog erhalten wir a 1j = 0 für j > 1. Damit hat A die Gestalt


66 3 Moduln<br />

A =<br />

( )<br />

a11 0<br />

0 A ′<br />

mit A ′ ∈ Mat ( (d − 1) × (n − 1), R ) . Wenn a 11 alle Koeffizienten von A ′ teilt, sind<br />

wir nach Induktion fertig. Wenn nicht, d.h., wenn es ein a ij gibt, das von a 11 nicht<br />

geteilt wird, dann addiert man die j-te Zeile zur ersten, teilt a ij mit Rest r durch<br />

a 11 und subtrahiert dann das entsprechende Vielfache der ersten Spalte von der<br />

j-ten Spalte. Dies erzeugt dann den Eintrag r in der Position 1j und das steht im<br />

Widerspruch zur Minimalität von g(a 11 ). Also kann dieser Fall gar nicht auftreten<br />

und wir sind fertig.<br />

Eindeutigkeit der Ideale: Wir nehmen also an:<br />

M =<br />

l⊕<br />

R/I j<br />

j=1<br />

mit den genannten Eigenschaften und wollen die I j mithilfe von M beschreiben.<br />

Dazu sei I j = r j R so, dass<br />

r 1 | r 2 | . . . | r l .<br />

1. Schritt ( ”<br />

Streichen“): Zunächst ermitteln wir, wie oft das Nullideal vorkommt:<br />

Setze dazu<br />

M ′ := {m ∈ M | (∃r ∈ R \ {0}) rm = 0}.<br />

Dann ist M ′ ein Untermodul von M. Genauer sieht man, dass<br />

mit ˜l := max{j | I j ≠ 0} und<br />

M ′ =<br />

˜l⊕<br />

j=1<br />

R/I j<br />

M/M ′ ∼ = R<br />

l−˜l.<br />

Damit ist durch M festgelegt (vgl. Proposition 3.2.5), wieviele Summanden R<br />

in M vorkommen und wir können annehmen, dass keines der r j Null ist.<br />

2.Schritt ( Kürzen“): Für p ∈ R prim setze jetzt M ” p := {m ∈ M | pm = 0}.<br />

Dann ist M p ein R/pR-Vektorraum und nach Lemma 3.3.2 zählt die Dimension<br />

von M p gerade die Anzahl der r j , in denen p als Primfaktor vorkommt. Sei<br />

jetzt p ein Primteiler von r 1 und damit von allen anderen r j . Dann gilt also<br />

dim R/pR M p = l. Wenn<br />

⊕l ′<br />

M = R/s j R<br />

j=1<br />

eine weitere Summenzerlegung der geforderten Art ist, dann teilt also p mindestens<br />

l der Elemente s 1 , . . . , s l ′. Insbesondere gilt l ≤ l ′ . Aus Symmetriegründen<br />

folgt damit l = l ′ und p teilt alle s j .<br />

Betrachte den Modul pM: Wieder mit Lemma 3.3.2 sieht man<br />

pM ∼ =<br />

mit px j = r j und py j = s j .<br />

l⊕<br />

R/x j R ∼ =<br />

j=1<br />

l⊕<br />

R/y j R<br />

Jetzt wiederholt man das bisherige Verfahren für pM statt M (dabei werden<br />

allerdings keine freien R-Summanden mehr auftauchen), d.h. man kürzt ein gemeinsames<br />

Primelement aller Summanden. Sukzessive stellt man fest, dass die r j<br />

und die s j bis auf Einheiten übereinstimmen.<br />

⊓⊔<br />

j=1


3.3 Moduln über euklidischen Ringen 67<br />

Lemma 3.3.4 (Chinesischer Restsatz).<br />

in R mit I + J = R. Dann gilt<br />

Sei R ein Ring sowie I und J Ideale<br />

(i) R/(I ∩ J) ∼ = R/I ⊕ R/J.<br />

(ii) Sei R kommutativ. Dann gilt<br />

{ ∑<br />

∣ }<br />

∣∣∣<br />

I ∩ J = IJ := i k j k i k ∈ I, j k ∈ J .<br />

endl.<br />

Beweis. Idee: Betrachte den Homomorphismus ϕ: R → R/I ⊕ R/J, r ↦→ (r + I, r + J).<br />

Der Homomorphismus<br />

ϕ: R → R/I ⊕ R/J, r ↦→ (r + I, r + J)<br />

hat den Kern ker ϕ = I ∩ J. Für (i) genügt es also zu zeigen, dass ϕ surjektiv ist.<br />

Sei (x 1 + I, x 2 + J) ∈ R/I ⊕ R/J. Da aber 1 = y 1 + y 2 für geeignete y 1 ∈ I und<br />

y 2 ∈ J, können wir mit z = x 1 y 2 + x 2 y 1 schreiben<br />

z + I = x 1 y 2 + I = x 1 (y 2 + y 1 ) + I = x 1 + I,<br />

z + J = x 2 y 1 + J = x 2 (y 1 + y 2 ) + J = x 2 + J,<br />

also ϕ(z) = (x 1 + I, x 2 + J).<br />

Sei jetzt R kommutativ und z ∈ I ∩ J. Wir schreiben wieder 1 = y 1 + y 2 für<br />

geeignete y 1 ∈ I und y 2 ∈ J. Dann gilt<br />

z = zy 1 + zy 2 = y 1 z + zy 2 ∈ IJ.<br />

Umgekehrt folgt IJ ⊆ I ∩ J sofort aus der Definition.<br />

⊓⊔<br />

Übung 3.3.1. Sei R ein kommutativer Ring sowie I 1 , . . . , I n Ideale in R mit I i + I j = R<br />

für i ≠ j. Sei<br />

{ ∣ }<br />

n∏ ∑ ∣∣∣<br />

I i := r 1 . . . r n r i ∈ I i .<br />

endl.<br />

Dann gilt<br />

i=1<br />

(i) (∏ n−1<br />

i=1 I i)<br />

+ In = R.<br />

(ii) R/ (⋂ n<br />

i=1 I ) (<br />

i ∼=<br />

(⋂ R/ n−1<br />

i=1 I i))<br />

⊕ R/In .<br />

(iii) R/ (⋂ n<br />

i=1 I )<br />

i ∼=<br />

⊕ n−1<br />

i=1 R/I i.<br />

(iv) ∏ n<br />

i=1 I i = ⋂ n<br />

i=1 I i.<br />

Übung 3.3.2. Sei n 1 , . . . , n k ∈ Z paarweise teilerfremd und a 1 , . . . , a k ∈ Z. Zeige, dass es<br />

für das folgende System von Kongruenzgleichungen eine Lösung x ∈ Z gibt:<br />

x ≡ a 1 mod n 1<br />

.<br />

x ≡ a k mod n k .<br />

Mit dem Chinesischen Restsatz 3.3.4 kann man die Summenzerlegung aus Satz<br />

3.3.3 noch weiter aufspalten:


68 3 Moduln<br />

Proposition 3.3.5. Sei R euklidisch und r ∈ R habe die Faktorzerlegung r =<br />

up n1<br />

1 · · · pn k<br />

k<br />

mit p j ∈ R nichtassoziierte Primelemente und u ∈ Unit(R). Dann<br />

gilt<br />

R/rR ∼ k⊕<br />

= R/p n i<br />

i R.<br />

i=1<br />

Beweis. Induktion über k: Schreibe r = r ′ p n k<br />

k<br />

. Dann sind r′ und p n k<br />

k<br />

teilerfremd, d.h.<br />

wir haben mit Proposition 2.3.5 R = r ′ R + p n k<br />

k<br />

R. Mit dem Chinesischen Restsatz<br />

(d.h. Lemma 3.3.4) und Induktion folgt<br />

( k−1<br />

)<br />

⊕<br />

R/rR ∼ = R/r ′ R ⊕ R/p n k<br />

k R ∼ = R/p ni<br />

i R ⊕ R/p n k<br />

k R ∼ k⊕<br />

= R/p ni<br />

i R.<br />

i=1<br />

i=1<br />

⊓⊔<br />

Übung 3.3.3 (Chinesischer Restsatz).<br />

1. Seien m, n ∈ Z teilerfremd, und seien a, b ∈ Z. Zeige, dass es für das System von<br />

Kongruenzengleichungen<br />

x ≡ a mod m,<br />

x ≡ b<br />

mod n<br />

eine Lösung x ∈ Z gibt. Bestimme alle Lösungen.<br />

2. Löse folgendes System von Kongruenzgleichungen<br />

x ≡ 3 mod 5,<br />

x ≡ 5 mod 8,<br />

x ≡ 2 mod 7.<br />

Übung 3.3.4. Als eine Bande von 17 Piraten ihre Beute bestend aus n Talern gleichmäßig<br />

unter sich aufteilen wollte, blieben 3 Taler übrig, und die Piraten beschlossen, diese ihrem<br />

chinesichen Koch Wun Tu als Dank für die gute Verpflegung zukommen zu lassen. Doch<br />

6 Piraten starben bei einem Gefecht, und als die übrigen die Beute erneut unter sich<br />

aufteilen wollten, blieben 4 Taler übrig, und wieder beschlossen sie, diese ihrem Koch zu<br />

geben. Schließlich ging ihr Schiff unter, und nur 6 Piraten, der Koch und die Beute wurden<br />

gerettet. Als nun die überlebenden 6 Piraten die Beute unter sich aufteilen wollten, blieben<br />

für den Koch 5 taler übrig. Nun aber hatte der Koch genug von seinen ach so gütigen herren.<br />

Er zauberte ihnen eine wohlschmeckende Pilzsuppe, die keiner der Piraten überlebte. So<br />

konnte er alle n Taler für sich behalten. Welches sind die zwei kleinstmöglichen Werte für<br />

n<br />

Übung 3.3.5 (Ostern). Der Ostertermin wurde auf den ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond<br />

festgelegt. Um diesem Datum eine mathematische Grundlage zu geben, hat Carl Friedrich<br />

Gauß folgende Berechnungsmethode ersonnen:<br />

Für unseren Gregorianischen Kalender seien M, N ∈ N 0 für das Jahrhundert von 100·k<br />

bis 100 · k + 99 wie folgt gegeben: Es seien p := [ ] [<br />

k<br />

3 und q := k<br />

]<br />

4 , wobei [x] die Abrundung<br />

der Zahl x ist. Dann ist M der Rest der Division von 15 + k − p − q durch 30, und N der<br />

Rest der Division von 4 + k − q durch 7.<br />

Außerdem ergebe die Division<br />

der Jahreszahl durch 19 den Rest a ,<br />

der Jahreszahl durch 4 den Rest b ,<br />

der Jahreszahl durch 7 den Rest c ,<br />

der Zahl 19a + M durch 30 den Rest d ,<br />

der Zahl 2b + 4c + 6d + N durch 7 den Rest e .<br />

Dann fällt der Ostersonntag auf den (22 + d + e)-ten März oder den (d + e − 9)-ten<br />

April. Dabei gibt es die zwei Ausnahmen:


3.4 Anwendung auf lineare Abbildungen 69<br />

1. Ergibt die Rechnung den 26. April, so fällt der Ostersonntag auf den 19. April;<br />

2. Ergibt die Rechnung d = 28, e = 6 und ist der Rest der Division von 11M + 11 durch<br />

30 kleiner als 19, so fällt dieser Ostersonntag nicht wie nach der Rechnung auf den<br />

25., sondern auf den 18. April.<br />

In welchen Jahren des 20. Jahrhunderts fiel der Ostersonntag auf den 1. April<br />

Übung 3.3.6 (Jacobsen Radikal). Sei R ein Ring und M ein R-Modul. Der Durchschnitt<br />

aller maximalen Untermoduln heißt Jacobsen Radikal und wird mit Rad(M) bezeichnet.<br />

Falls M keine maximalen Untermoduln hat, so setzt man Rad(M) := M. Zeige: Ist M<br />

endlich erzeugt und M ≠ {0}, so gilt Rad(M) ≠ M.<br />

Hinweis: Lemma von Zorn.<br />

3.4 Anwendung auf lineare Abbildungen<br />

Sei K ein Körper und V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum. Jedes ϕ ∈<br />

End K (V ) induziert nach Beispiel 3.1.2(iii) eine K[X]-Modulstruktur auf V :<br />

(∑<br />

aj X j) v := ∑ a j ϕ j (v).<br />

Umgekehrt erhält man aus einer K[X]-Modulstruktur auf V einen Endomorphismus<br />

ϕ ∈ End K (V ) via<br />

ϕ(v) = Xv.<br />

Auf diese Weise findet man eine Bijektion zwischen End K (V ) und der Menge der<br />

K[X]-Modulstrukturen auf V . Man kann also davon ausgehen, dass die Strukturtheorie<br />

von K[X]-Moduln auch Ergebnisse über Endomorphismen liefert.<br />

Sei ϕ ∈ End K (V ) und K[ϕ] der von Kϕ erzeugte Unterring von End K (V ). Der<br />

Ringhomomorphismus<br />

ev ϕ : K[X] → K[ϕ],<br />

∑<br />

aj X j ↦→ ∑ a i ϕ j<br />

heißt die Auswertung in ϕ. Die Auswertung hat einen nicht-trivialen Kern, weil<br />

K[ϕ] ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum ist, aber K[X] nicht (und die Auswertung<br />

ist offensichtlich K-linear). Der Kern der Auswertung ist von der Form q ϕ K[X],<br />

wobei q ϕ den Leitkoeffizienten 1 hat und dadurch eindeutig bestimmt wird. Dabei<br />

benützen wir, dass K[X] euklidisch ist (vgl. Beispiel 2.3.4) und daher ein Hauptidealring<br />

(vgl. Proposition 2.3.5) sowie den Umstand, dass die von Null verschiedenen<br />

konstanten Polynome gerade die Einheiten in K[X] sind. Das Polynom q ϕ ∈ K[X]<br />

heißt das Minimalpolynom von ϕ.<br />

Proposition 3.4.1. Sei ϕ ∈ End K (V ) und<br />

V ∼ =<br />

l⊕<br />

K[X]/q j K[X]<br />

j=1<br />

die Summenzerlegung aus Satz 3.3.3, angewandt auf die von ϕ induzierte K[X]-<br />

Modulstruktur auf V . Wenn die q j normiert sind (d.h. Leitkoeffizient 1), dann ist<br />

q l = q ϕ das Minimalpolynom von ϕ.<br />

Beweis. Die Modulstruktur auf V ist gerade so gemacht, dass ein f ∈ K[X] genau<br />

dann im Kern von ev ϕ liegt, wenn fV = {0}. Dies ist aber genau dann der Fall,<br />

wenn f von allen q j geteilt wird. Wegen q 1 | q 2 | . . . | q l folgt ker ev ϕ = q l K[X],<br />

also die Behauptung.<br />

⊓⊔


70 3 Moduln<br />

Definition 3.4.2. Sei ϕ ∈ End K (V ) eine lineare Selbstabbildung des K–Vektorraums<br />

V . Wir sagen, dass v ∈ V ein ϕ-zyklischer Vektor ist, wenn V von den ϕ j (v) mit<br />

j ∈ N 0 aufgespannt wird. Dies bedeutet, dass<br />

K[X]/q ϕ K[X] → V,<br />

f + q ϕ K[X] ↦→ fv<br />

ein Vektorraum-Isomorphismus ist (vgl. Übung 3.1.1).<br />

Lemma 3.4.3. Sei 0 ≠ q ∈ K[X]. Dann ist K[X]/qK[X] ein K-Vektorraum der<br />

Dimension deg(q). Genauer, die Nebenklassen x j := X j + qK[X] mit 0 ≤ j ≤<br />

deg(q) − 1 bilden eine Basis für diesen Raum.<br />

Beweis. Nachzuprüfen, dass K[X]/qK[X] ein K-Vektorraum ist, ist reine Routine.<br />

Die x j mit 0 ≤ j ≤ deg(q) − 1 sind linear unabhängig, da jede nicht-triviale lineare<br />

Relation ein Polynom liefert, das von q geteilt wird. Umgekehrt liefert Division<br />

durch q mit Rest, dass jedes Polynom modulo qK[X] gleich einem Polynom vom<br />

Grad kleiner deg(q) ist.<br />

⊓⊔<br />

Satz 3.4.4 (Rationale Normalform). Sei ϕ ∈ End K (V ) und<br />

q ϕ = X d + a d−1 X d−1 + . . . + a 0<br />

das Minimalpolynom von ϕ. Wenn es einen ϕ-zyklischen Vektor v 1 ∈ V gibt, dann<br />

hat V eine Basis v 1 , . . . , v d , bzgl. der die darstellende Matrix von ϕ die Gestalt<br />

hat.<br />

⎛<br />

⎞<br />

0 · · · 0 −a 0<br />

1 0<br />

. −a 1<br />

. 0 1 .. . −a2<br />

. . 0 ..<br />

0 . . ⎜<br />

⎝<br />

. . . ⎟<br />

..<br />

1 0 −a d−2<br />

⎠<br />

0 0 · · · 0 1 −a d−1<br />

Beweis. Setze v j := ϕ j−1 (v 1 ) = X j−1 v 1 mit j = 2, . . . , d. Nach Lemma 3.4.3 bilden<br />

jetzt die v 1 , . . . , v d eine Basis für V . Die Behauptung über die darstellende Matrix<br />

ist jetzt einfach zu verifizieren.<br />

⊓⊔<br />

Übung 3.4.1. Sei K ein Körper, V ein endlich dimensionaler K-Vektorraum und ϕ ∈<br />

End K (V ). Zeige, dass V die endliche direkte Summe von Unterräumen V j ist, die alle<br />

eine ϕ-zyklische Vektor haben.<br />

Als nächstes betrachten wir das charakteristische Polynom χ ϕ eines Endomorphismus<br />

ϕ ∈ End K (V ).


3.4 Anwendung auf lineare Abbildungen 71<br />

Lemma 3.4.5 (Jordan–Block). Sei ϕ ∈ End K (V ) und V ∼ = K[X]/(X − λ) k K[X]<br />

mit λ ∈ K. Dann gibt es eine Basis {v 1 , . . . , v k } von V bzgl. der die darstellende<br />

Matrix von ϕ die Gestalt ⎛<br />

⎞<br />

λ 1 0<br />

0 λ 1 0<br />

. .. . .. . .. . ..<br />

⎜ 0 λ 1 0<br />

⎟<br />

⎝ 0 λ 1⎠<br />

0 λ<br />

hat. Insbesondere ist (X − λ) k das charakteristische Polynom χ ϕ von ϕ.<br />

Beweis. Idee: Die gesuchten Basisvektoren v j entsprechen den (X − λ) k−j + (X −<br />

λ) k K[X].<br />

Sei v j das Bild von (X−λ) k−j +(X−λ) k K[X] unter dem K[X]-Modulisomorphismus<br />

K[X]/(X − λ) k K[X] → V.<br />

Dann sieht man wie im Beweis von Lemma 3.4.3, dass dies eine Basis wird (Übung).<br />

Schließlich rechnet man<br />

und<br />

Dies zeigt die Behauptung.<br />

Xv j = (X − λ)v j + λv j = v j−1 + λv j , j ≥ 2<br />

Xv 1 = (X − λ)v 1 + λv 1 = λv 1 .<br />

⊓⊔<br />

Der Einfachheit halber nehmen wir ab jetzt an, dass der Körper K algebraisch<br />

abgeschlossen ist, d.h. jedes Polynom ist von der Form<br />

f = c(X − λ 1 ) · · · (X − λ n ),<br />

wobei die λ j ∈ K nicht notwendigerweise verschieden sind. Insbesondere haben die<br />

Primelemente von K[X] alle Grad 1. Diese Bedingung ist nach dem Fundamentalsatz<br />

der Algebra für C erfüllt. Man kann zeigen, dass jeder Körper als Teilkörper eines<br />

algebraisch abgeschlossenen Körpers betrachtet werden kann. Damit läßt sich dann<br />

ein Teil der folgenden Resultate auf beliebige Körper übertragen.<br />

Proposition 3.4.6. Sei ϕ ∈ End K (V ) und<br />

V ∼ =<br />

l⊕<br />

K[X]/q j K[X]<br />

j=1<br />

die Summenzerlegung aus Satz 3.3.3, angewandt auf die von ϕ induzierte K[X]-<br />

Modulstruktur auf V . Wenn die q j normiert sind (d.h. Leitkoeffizient 1), dann ist<br />

q 1 · · · q l = χ ϕ das charakteristische Polynom von ϕ.<br />

Beweis. Idee: Man reduziert das Problem sofort auf den Fall l = 1 und kombiniert<br />

dann Proposition 3.3.5 mit Lemma 3.4.5.<br />

Jeder direkte Summand in V ist ein ϕ-invarianter Unterraum und die charakteristischen<br />

Polynome der Einschränkungen multiplizieren sich auf zum charakteristischen<br />

Polynom von ϕ. Also können wir l = 1 annehmen. Dann liefert<br />

Proposition 3.3.5 eine weitere Summenzerlegung, so dass wir annehmen dürfen:<br />

V ∼ = K[X]/q k K[X] mit q ∈ K[X] prim. Da wir K algebraisch abgeschlossen angenommen<br />

haben, ist q = X − λ mit λ ∈ K. Jetzt zeigt Lemma 3.4.5 die Behauptung.<br />

⊓⊔


72 3 Moduln<br />

Satz 3.4.7 (Jordan–Normalform). Wenn K algebraisch abgeschlossen ist, dann<br />

gibt es zu jedem ϕ ∈ End K (V ) eine Basis für V , bzgl. der die darstellende Matrix<br />

von ϕ in Jordan-Normalform ist.<br />

Beweis. Kombiniere Proposition 3.4.6 mit Lemma 3.4.5.<br />

⊓⊔<br />

Korollar 3.4.8. Sei K algebraisch abgeschlossen. Ein Endomorphismus ϕ ∈ End K (V )<br />

ist diagonalisierbar genau dann, wenn das Minimalpolynom q ϕ von ϕ keine mehrfachen<br />

Nullstellen hat.<br />

Beweis. ϕ ist genau dann diagonalisierbar, wenn alle Jordanblöcke trivial sind (d.h.<br />

1 × 1-Matrizen). Nach Proposition 3.4.6 und Lemma 3.4.5 bedeutet das gerade,<br />

dass jedes q j nur einfache Nullstellen hat. Jetzt zeigt Proposition 3.4.1, dass q ϕ<br />

nur einfache Nullstellen hat. Umgekehrt sind aber alle q j Teiler von q ϕ , haben<br />

also nur einfache Nullstellen, wenn q ϕ nur einfache Nullstellen hat. Damit folgt die<br />

Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Satz 3.4.9 (Jordan–Chevalley–Zerlegung). Sei K algebraisch abgeschlossen<br />

und ϕ ∈ End K (V ). Dann gibt es eindeutig bestimmte Elemente ϕ d , ϕ n ∈ End K (V )<br />

mit folgenden Eigenschaften:<br />

(i) ϕ = ϕ d + ϕ n .<br />

(ii) ϕ d ist diagonalisierbar.<br />

(iii) ϕ n ist nilpotent.<br />

(iv) ϕ d ◦ ϕ n = ϕ n ◦ ϕ d .<br />

Es gibt ein Polynom f d ∈ K[X] ohne konstanten Term mit f d (ϕ) = ϕ d . Insbesondere<br />

gilt ϕ d (U 2 ) ⊆ U 1 , wenn U 1 ⊆ U 2 Unterräume von V mit ϕ(U 2 ) ⊆ U 1 sind.<br />

Beweis. Idee:<br />

3.3.1.<br />

Benütze die Jordan-Normalform 3.4.7 und den Chinesischen Restsatz<br />

Die Existenz von ϕ d , ϕ n ∈ End K (V ) mit den Eigenschaften (i)-(iv) erhält man<br />

aus der Jordan-Normalform (d.h. Satz 3.4.7) und die Eindeutigkeit aus dem Umstand,<br />

dass nur die Nullabbildung diagonalisierbar und nilpotent ist (Übung).<br />

Der Beweis der Existenz von f d liefert einen unabhängigen Beweis der Existenz<br />

von ϕ d und ϕ n : Sei χ ϕ = ∏ k<br />

i=1 (X − λ i) m i<br />

das charakteristische Polynom von ϕ.<br />

Nach dem Chinesischen Restsatz in der Version von Übung 3.3.1 finden wir ein<br />

Polynom f d ∈ K[X] mit<br />

f d ∈ λ i + (X − λ i ) mi K[X]<br />

i = 1, . . . , k<br />

und (falls alle λ i ≠ 0)<br />

f d ∈ XK[X].<br />

Betrachte die ϕ-invarianten Unterräume V i := ker (ϕ − λ i id) m i<br />

. Es folgt, dass<br />

f d (ϕ)| Vi = λ i id | Vi und ( ) mi<br />

(ϕ − fd (ϕ))| Vi = 0.<br />

Da V = ⊕ k<br />

i=1 V i eine ϕ-invariante direkte Summenzerlegung ist, folgt, dass f d (ϕ)<br />

diagonalisierbar ist und ϕ − f d (ϕ) nilpotent. Damit folgt die Behauptung. ⊓⊔


3.4 Anwendung auf lineare Abbildungen 73<br />

Übung 3.4.2 (Minimalpolynom). Sei V = R 3 und ϕ ∈ End R (R 3 ) gegeben durch ϕ(x) =<br />

Ax mit<br />

⎛ ⎞<br />

1 1 0<br />

A := ⎝0 1 0⎠ .<br />

0 0 2<br />

Betrachte V mit der von ϕ induzierten R[X]-Modulstruktur, p · x := p(ϕ)x für p ∈ R[X]<br />

und x ∈ V . Bestimme einen ϕ-zyklischen Vektor von V und das Minimalpolynom von ϕ.


4<br />

Körpererweiterungen<br />

4.1 Nullstellen von Polynomen<br />

Definition 4.1.1. Sei R ein kommutativer Ring und F ∈ R[X]. Dann heißt r ∈ R<br />

eine Wurzel oder Nullstelle von F , wenn die Auswertung von F in r Null ergibt,<br />

d.h. wenn F (r) = 0 (vgl. Bemerkung 2.1.13).<br />

Lemma 4.1.2. Sei R ein kommutativer Ring, F ≠ 0 ∈ R[X] und r ∈ R. Dann gibt<br />

es ein G ∈ R[X] mit<br />

F = (X − r)G + F (r) und deg F = 1 + deg G.<br />

Also ist r genau dann eine Nullstelle von F , wenn F = (X − r)G mit deg G =<br />

deg F − 1.<br />

Beweis. Sei m = deg F und F = a 0 + a 1 X + . . . + a m X m , dann gilt<br />

F − F (r) = a 1 (X − r) + a 2 (X 2 − r 2 ) + . . . + a m (X m − r m ).<br />

Wegen<br />

gilt<br />

X k − r k = (X − r) ( X k−1 + rX k−2 + . . . + r k−2 X + r<br />

} {{ k−1 )<br />

}<br />

=:G k<br />

F = (X − r) ( )<br />

a 1 G 1 + a 2 G 2 + . . . + a m G<br />

} {{ m + F (r)<br />

}<br />

=:G<br />

und dies liefert deg(G) = deg(G m ) = m − 1.<br />

⊓⊔<br />

Satz 4.1.3. Sei R ein Integritätsbereich und λ 1 , . . . , λ k ∈ R verschiedene Wurzeln<br />

von F ≠ 0 ∈ R[X]. Dann gibt es ein H ∈ R[X] mit<br />

F = (X − λ 1 ) · · · (X − λ k )H.<br />

Beweis. Wir führen eine Induktion nach k durch:<br />

k = 1: Dies ist gerade Lemma 4.1.2.


76 4 Körpererweiterungen<br />

k ≥ 1: Wende Lemma 4.1.2 auf λ 1 an. Dies liefert ein G ≠ 0 mit F = (X − λ 1 )G<br />

und deg(G) = deg(F ) − 1. Wegen 0 = F (λ j ) = (λ j − λ 1 )G(λ j ) für j = 1, . . . , k<br />

gilt G(λ j ) = 0 für j = 2, . . . , k und Induktion zeigt G = (X −λ 2 ) · · · (X −λ k )H,<br />

also die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Korollar 4.1.4. Sei R ein Integritätsbereich und F ∈ R[X] mit deg(F ) = m ≥ 0.<br />

Dann hat F höchstens m Wurzeln in R.<br />

Beweis. Seien r 1 ∈ R eine Wurzel von F . Dann gilt nach Satz 4.1.3<br />

mit H ∈ R[X] und Satz 2.3.1(i) zeigt<br />

F = (X − r 1 )H<br />

deg(F ) = deg(X − r 1 ) + deg(H) ≥ 1.<br />

} {{ }<br />

=1<br />

Jede Wurzel von F ist dann r 1 oder eine Wurzel von H. Damit folgt die Behauptung<br />

durch Induktion.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 4.1.5. Sei R ein Integritätsbereich und M ⊆ R. Dann gilt<br />

(i) A = {f : M → R} ist bzgl. der punktweisen Operationen ein Ring.<br />

(ii) Der Ringhomomorphismus<br />

Φ : R[X] → A, F ↦→ ( m ↦→ F (m) )<br />

ist injektiv, falls M unendlich viele Elemente enthält.<br />

Beweis. Φ ist genau dann injektiv, wenn ker Φ := Φ −1 (0) = {0} (wie bei Vektorräumen).<br />

Sei also F ∈ ker Φ, d.h. F (m) = 0 für alle m ∈ M. Dann sind alle<br />

Elemente von M Wurzeln von F . Nach Korollar 4.1.4 muss dann F = 0 gelten. ⊓⊔<br />

Bemerkung 4.1.6. Insbesondere sieht man, dass die Auswertung von Polynomen<br />

zu Polynomfunktionen für unendliches R ein Isomorphismus ist.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 4.1.7. Sei f = n ∑<br />

dann findet man mit Induktion<br />

j=0<br />

r j X j normiert, d.h. r n = 1. Wenn<br />

f = (X − α 1 ) · · · (X − α n ) =<br />

r n−1 = − ∑ α i<br />

n∏<br />

(X − α j ),<br />

j=1<br />

r n−2 = ∑ α i α j<br />

i


4.1 Nullstellen von Polynomen 77<br />

Bemerkung 4.1.8 (Klassische Lösungsformeln).<br />

(i) (Quadratische Gleichungen)<br />

X 2 + bX + c = 0 ⇐⇒ ˜X 2 + c − b2 4 = 0 mit ˜X = X + b 2 ,<br />

was auf X = ± 1 2<br />

√<br />

b2 − 4c, also auf<br />

X = − b 2 ± 1 2√<br />

b2 − 4c<br />

führt.<br />

(ii) (Kubische Gleichungen)<br />

X 3 + aX 2 + bX + c = 0 ⇐⇒ ˜X 3 + q ˜X + r = 0 mit ˜X = X + a 3 .<br />

Man macht den Ansatz: ˜X = Ỹ + ˜Z mit Ỹ ˜Z = − q 3<br />

und rechnet:<br />

˜X 3 = (Ỹ + ˜Z) 3<br />

= Ỹ 3 + 3(Ỹ 2 ˜Z + Ỹ ˜Z 2 ) + ˜Z 3<br />

= Ỹ 3 + ˜Z 3 + 3 ˜XỸ ˜Z<br />

= Ỹ 3 + ˜Z 3 − ˜Xq.<br />

Dann löst man Ỹ 3 + ˜Z 3 = −r mithilfe von ˜Z 3 = − q3<br />

via Ỹ 3 − q3<br />

27Ỹ was sich als<br />

3 Ỹ 6 + rỸ 3 − q3<br />

27 = 0<br />

27Ỹ 3<br />

= −r,<br />

schreiben lässt. Mit (i) führt das auf (zuerst für Ỹ , aber dann analog auch für<br />

˜Z)<br />

(<br />

Ỹ 3 = 1 √ )<br />

−r + r<br />

2<br />

2 + 4q3<br />

27<br />

(<br />

˜Z 3 = 1 √ )<br />

−r − r<br />

2<br />

2 + 4q3 .<br />

27<br />

Mit w := e 2 3 πi (3. Einheitswurzel) sind dann die Lösungen durch Ỹ + ˜Z, wỸ +<br />

w 2 ˜Z, w 2 Ỹ + w ˜Z gegeben.<br />

(iii) (Gleichungen 4. Grades)<br />

X 4 + aX 3 + bX 2 + cX + d = 0 ⇐⇒ ˜X 4 + q ˜X 2 + r ˜X + s = 0 mit ˜X = X − a 4 .<br />

Man macht den Ansatz: ˜X4 + q ˜X 2 + r ˜X + s = ( ˜X 2 + k ˜X + l)( ˜X 2 − k ˜X + m),<br />

was auf<br />

}<br />

l − m − k 2 = q 2m = k 2 + q + r k<br />

k(m − l) = r 2l = k 2 + q − r k<br />

lm = s<br />

führt. Dann bleibt noch k 6 + 2qk 4 + (q 2 − 4s)k 2 − r 2 = 0 mithilfe von (ii) zu<br />

lösen.<br />

(iv) Es stellt sich jetzt natürlich die Frage, wieso so ein Ansatz nicht für Polynome<br />

vom Grad 5 funktionieren soll


78 4 Körpererweiterungen<br />

⊓⊔<br />

Übung 4.1.1. Für α ∈ C sei Q(α) der von Q und α erzeugte Unterkörper von C. Bestimme<br />

den Grad [Q(α) : Q] für<br />

3√ √ √<br />

α = i, 2, 2 + 3 .<br />

Wie lassen sich die Elemente von Q(α) beschreiben Was ist mit α = π<br />

Übung 4.1.2 (Inverse). Sei α ∈ C eine Nullstelle des irreduziblen Polynoms X 3 −3 X +4.<br />

Man gebe das Inverse von α 2 +α+1 in Q(α) explizit in der Form aα 2 +bα+c mit a, b, c ∈ Q<br />

an.<br />

Übung 4.1.3 (Kubische Gleichungen). Bestimme die Lösungen der Gleichung<br />

X 3 − X 2 − X − 2 = 0<br />

einerseits mit Hilfe des Verfahrens aus Bemerkung 4.1.8 und andererseits durch Erraten<br />

einer Lösung, Polynomdivision und Anwendung der p-q-Formel. Vergleiche die Ergebnisse.<br />

4.2 Zerfällungskörper<br />

Definition 4.2.1. Sei L Körper und K ein Unterkörper von L, dann sagt man,<br />

L ist eine Körpererweiterung von K und schreibt L/K und nennt L Erweiterungskörper<br />

von K. Wenn L/K eine Körpererweiterung ist, ist L insbesondere ein<br />

K-Vektorraum. Die Dimension [L : K] := dim K L (endlich oder unendlich) heißt der<br />

Grad der Erweiterung. Die Erweiterung L/K heißt endlich, wenn [L : K] < ∞.<br />

Proposition 4.2.2. Sei K ein Körper und p ∈ K[X] irreduzibel. Dann ist K[X]/(p)<br />

ist ein Körper. Weiter gilt<br />

(i) j : K → K[X]/(p)<br />

}<br />

ist ein (injektiver) Körperhomomorphismus.<br />

a ↦→ a + (p)<br />

(ii) Es gibt ein r ∈ K[X]/(p) mit p(r) = 0.<br />

Beweis. Nach Bemerkung 2.4.4 ist p prim, also ist nach Proposition 2.2.13 das<br />

Hauptideal (p) = pK[X] prim. Aber dann folgt mit Proposition 2.3.9 die Maximalität<br />

von (p) und Proposition 2.2.10 zeigt, dass L := K[X]/(p) ein Körper ist.<br />

Die Abbildung j ist als Verknüpfung der natürlichen Abbildungen K ↩→ K[X] →<br />

L ein Ringhomomorphismus und damit ein Körperhomomorphismus, der automatisch<br />

injektiv ist, weil ein Körper keine nicht-trivialen Ideale hat.<br />

2.1.13)<br />

Für r := X + (p) ∈ L gilt mit p =<br />

p(r) =<br />

n∑<br />

a k r k =<br />

k=0<br />

n ∑<br />

k=0<br />

a k X k und a k ∈ K ⊆ L (vgl. Beispiel<br />

n∑<br />

a k X k + (p) = p + (p) = (p) = 0 ∈ L.<br />

k=0<br />

⊓⊔<br />

Definition 4.2.3. Sei R ein Ring und f ∈ R[X]. Man sagt, f zerfällt über R,<br />

wenn es ein Produkt von Linearfaktoren (X − r) mit r ∈ R und einem Element<br />

a ∈ R ist: f = a(X − r 1 ) · · · (X − r n ).


4.2 Zerfällungskörper 79<br />

Satz 4.2.4. Sei K ein Körper und f ∈ K[X]. Dann gibt es eine Körpererweiterung<br />

L/K so, dass f, betrachtet als Element von L[X], über L zerfällt.<br />

Beweis. Induktion über deg(f) = n.<br />

n = 1: Dann ist f = a 0 + a 1 X mit a j ∈ K und wir können L := K wählen.<br />

n > 1: In diesem Fall kann man f = pq mit p ∈ K[X] irreduzibel schreiben<br />

(evtl. ist dabei p = f).<br />

1. Fall: Wenn deg(p) = 1, dann gibt es nach Induktion eine Körpererweiterung<br />

L/K so, dass q über L zerfällt. Aber dann zerfällt auch f über L.<br />

2. Fall: Wenn deg(p) > 1, dann liefert Proposition 4.2.2 eine Körpererweiterung<br />

L 1 /K und ein r ∈ L 1 mit p(r) = 0. Nach Satz 4.1.3 können wir also<br />

schreiben p = (X − r)h mit h ∈ L 1 [X] und Induktion liefert eine<br />

Körpererweiterung L 2 /L 1 für die h über L 2 zerfällt. Aber dann zerfällt<br />

p ebenfalls über L 2 und wir können, wieder mit Induktion, schließen,<br />

dass es eine Körpererweiterung L/L 2 gibt, für die f über L zerfällt.<br />

⊓⊔<br />

Satz 4.2.5. Sei K ein Körper und p ∈ K[X] irreduzibel vom Grad deg(p) = d. Dann<br />

ist L = K[X]/(p) ein Erweiterungskörper von K mit [L : K] = d.<br />

Beweis. Nach Proposition 4.2.2 muss nur noch [L : K] = d gezeigt werden. Setze<br />

α := X + (p) ∈ L. Dann gilt p(α) = 0.<br />

Behauptung: {1, α, α 2 , . . . , α d−1 } ist eine K-Basis für L.<br />

Wenn d−1 ∑<br />

i=0<br />

a i α i = 0 für a j in K gilt, dann ist α eine Nullstelle von f = d−1 ∑<br />

j=0<br />

a j X j .<br />

Wäre f ≠ 0, so hätte man wegen deg(f) < deg(p), dass f /∈ (p), also f+(p) ∈ L\{0}.<br />

Aber dann könnte man ein g ∈ K[X] mit fg ∈ 1+(p) finden und erhielte f(α)g(α) =<br />

1. Daher haben wir f = 0, d.h. die lineare Unabhängigkeit von {1, α, α 2 , . . . , α d−1 }<br />

über K.<br />

Schreibe ein beliebiges f ∈ K[X] in der Form f = qp + r mit deg(r) < deg(p).<br />

Dann gilt f + (p) = r + (p) ∈ span{1, α, . . . , α d−1 } ⊆ L und die Behauptung ist<br />

bewiesen.<br />

⊓⊔<br />

Definition 4.2.6. L/K sei eine Körpererweiterung und α 1 , . . . , α n ∈ L. Dann<br />

bezeichnet man den von K und {α 1 , . . . , α n } erzeugten Unterkörper von L mit<br />

K(α 1 , . . . , α n ). Man sagt, K(α 1 , . . . , α n ) ist der durch Adjungieren von α 1 , . . . , α n<br />

aus K gewonnene Körper. Die Körpererweiterung L/K heißt einfach, wenn es ein<br />

α ∈ L mit L = K(α) gibt. Weiter heißt α ∈ L algebraisch über K, wenn es ein normiertes<br />

Polynom f ∈ K[X] mit f(α) = 0 gibt. Andernfalls heißt α transzendent.<br />

Die Körpererweiterung L/K heißt algebraisch, wenn jedes α ∈ L algebraisch<br />

über K ist.<br />

Bemerkung 4.2.7. Sei L/K eine Körpererweiterung.<br />

(i) Wenn L = K(α) mit α ∈ L gilt, dann findet man<br />

{ }<br />

f(α)<br />

L =<br />

g(α) ∣ f, g ∈ K[X], g(α) ≠ 0 .


80 4 Körpererweiterungen<br />

(ii) Sei K(X) der Quotientenkörper von K[X] (vgl. Proposition 2.2.4). Dann wird<br />

K(X) in der Tat von den Teilmengen K und {X} erzeugt.<br />

(iii) Jede endliche Körpererweiterung ist algebraisch, denn aus [L : K] = n folgt für<br />

α ∈ L, dass {1, α, α 2 , . . . , α n } linear abhängig ist, d.h. man findet a 0 , . . . , a n ∈ K<br />

(nicht alle 0) mit ∑ n<br />

j=0 a jα j = 0. Dann ist α eine Nullstelle des von 0 verschiedenen<br />

Polynoms ∑ n<br />

j=0 a jX j .<br />

⊓⊔<br />

Proposition 4.2.8. Sei L/K eine Körpererweiterung mit L = K(α 1 , . . . , α n ) und<br />

τ, σ ∈ Aut(L) Körperautomorphismen. Dann gilt<br />

(i) Aus σ| K = id K und σ(α i ) = α i für alle i ∈ {1, . . . , n} folgt σ = id L .<br />

(ii) Aus σ| K = τ| K und σ(α i ) = τ(α i ) für alle i ∈ {1, . . . , n} folgt σ = τ.<br />

Beweis. (ii) folgt aus (i), angewendet auf στ −1 . Um (i) zu zeigen, verifiziert man,<br />

dass {e ∈ L | σ(e) = e} ⊆ L ein Körper ist, der K und {α 1 , . . . , α n } enthält, also<br />

gleich L sein muss.<br />

⊓⊔<br />

Satz 4.2.9. L/K Körpererweiterung, α ∈ L algebraisch über K und ev α : K[X] → L<br />

der Einsetzhomomorphismus in α. Dann gilt<br />

(i) Es gibt genau ein p ∈ K[X] mit<br />

(a) p normiert,<br />

(b) p ∈ ker (ev α ),<br />

(c) p hat minimalen Grad in ker (ev α ).<br />

(ii) ker (ev α ) = ( p ) .<br />

(iii) p ist irreduzibel.<br />

(iv) K(α) ∼ = K[X]/ ( p ) und der Körperisomorphismus hält K punktweise fest.<br />

(v) [K(α) : K] = deg(p).<br />

Beweis. (i) Die Existenz von p folgt, weil K[X] ein Hauptidealring ist (Proposition<br />

2.3.5 und Beispiel 2.3.4) und man durch den Leitkoeffizienten teilen kann (wende<br />

dies auf das Ideal ker (ev α ) an). Um die Eindeutigkeit zu sehen, nehmen wir an,<br />

p und q seien beide von der geforderten Art. Dann gilt deg(p − q) < deg(p) und<br />

p − q ∈ ker (ev α ), was sofort p − q = 0 impliziert.<br />

(ii) Dies ist klar mit (i).<br />

(iii) Wenn gh = p, dann gilt g(α) = 0 oder h(α) = 0. Wir nehmen o.B.d.A. an, dass<br />

g ∈ ker (ev α ) und damit p | g gilt. Es folgt deg(p) = deg(g), also muss h ∈ K<br />

sein, was die Behauptung beweist.<br />

(iv) Der Auswertungshomomorphismus induziert einen Ringhomomorphismus<br />

ev α : K[X]/ker (ev α ) −→ K(α),<br />

der automatisch injektiv ist, weil K[X]/ ker (ev α ) ein Körper ist (p ist irreduzibel,<br />

vgl. Proposition 4.2.2). Außerdem ist im (ev α ) dann ein Körper, der α<br />

enthält. Wegen ev α<br />

(a + ( p )) = a für a ∈ K ist ev α aber dann auch surjektiv<br />

und die Behauptung ist bewiesen.<br />

(v) Dies folgt aus (iv) und Satz 4.2.5.<br />

⊓⊔<br />

Das Polynom p aus Satz 4.2.9 heißt das Minimalpolynom des algebraischen Elementes<br />

α über K.


4.2 Zerfällungskörper 81<br />

Proposition 4.2.10. Sei ϕ : R → S ein Ringhomomorphismus und p ∈ R[X].<br />

Dann ist<br />

ϕ ∗ : R[X] → S[X]<br />

∑<br />

rk X k ↦→ ∑ ϕ(r k )X k<br />

ein Ringhomomorphismus. Sind speziell R und S Integritätsbereiche und ist ϕ ∗ (p)<br />

irreduzibel mit deg(p) = deg ( ϕ ∗ (p) ) , so ist auch p irreduzibel.<br />

Beweis. Die erste Behauptung folgt aus einer Routineverifikation. Für die zweite<br />

nehmen wir an, dass p = fh mit deg(f), deg(h) < deg(p). Dann folgt ϕ ∗ (p) =<br />

ϕ ∗ (f)ϕ ∗ (h) und wir finden<br />

deg ( ϕ ∗ (f) ) ≤ deg(f) < deg(p) = deg ( ϕ ∗ (p) ) ,<br />

deg ( ϕ ∗ (h) ) ≤ deg(h) < deg(p) = deg ( ϕ ∗ (p) ) .<br />

Dies liefert einen Widerspruch und beweist so die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Korollar 4.2.11. Sei σ : K → K ′ ein Körperisomorphismus und σ ∗ : K[X] →<br />

K ′ [X] der zugehörige Ringisomorphismus, Weiter sei p ∈ K[X] irreduzibel und p ′ :=<br />

σ ∗ (p) ∈ K ′ [X]. Wenn L/K sowie L ′ /K ′ Körpererweiterungen und β ∈ L, β ′ ∈ L ′<br />

Nullstellen von p bzw. p ′ sind, dann gibt es genau einen Körperisomorphismus ˇσ :<br />

K(β) → K ′ (β ′ ), der σ fortsetzt und ˇσ(β) = β ′ erfüllt. Dies liefert das folgende<br />

kommutative Diagramm:<br />

K(β)<br />

ˇσ K ′ (β ′ )<br />

K<br />

σ<br />

K ′<br />

Beweis. Die Irreduzibilität von p und p ′ zeigt, dass diese Polynome skalare Vielfache<br />

der Minimalpolynome von β bzw. β ′ sind. Wegen σ ∗<br />

( (p ) ) = ( p ′) ist<br />

K[X]/ ( p ) −→ K ′ [X]/ ( p ′)<br />

f + ( p ) ↦−→ σ ∗ (f) + ( p ′)<br />

ein Körperisomorphismus. Dann zeigt Satz 4.2.9(iv) die Existenz von ˇσ. Die Eindeutigkeit<br />

folgt dagegen aus Proposition 4.2.8.<br />

⊓⊔<br />

Definition 4.2.12. Ein Zerfällungskörper von f ∈ K[X] ist eine Körpererweiterung<br />

L/K, für die f über L zerfällt, nicht aber über einem echten Teilkörper von L.<br />

Beispiel 4.2.13. Das Polynom f = X 3 −1 ∈ Q[X] hat den Zerfällungskörper Q(α),<br />

wobei α = e 2 3 πi ∈ C.<br />

⊓⊔<br />

Satz 4.2.14. Jedes f ∈ K[X] hat einen Zerfällungskörper und dieser hat endlichen<br />

Grad über K.


82 4 Körpererweiterungen<br />

Beweis. Nach Satz 4.2.4 gibt es eine Körpererweiterung L/K so, dass f über L<br />

zerfällt, d.h. es gibt α 1 , . . . , α n ∈ L mit<br />

f =<br />

n∏<br />

(X − α j ) rj .<br />

j=1<br />

Aber dann ist K(α 1 , . . . , α n ) ein Zerfällungskörper von f. Die zweite Behauptung<br />

folgt sofort aus Satz 4.2.9, weil die α j alle algebraisch über K sind.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 4.2.15. Seien K ⊆ B ⊆ L Körper mit [L : B], [B : K] < ∞. Dann ist L/K<br />

endlich und es gilt<br />

[L : K] = [L : B][B : K].<br />

Beweis. Sei {α 1 , . . . , α m } eine B-Basis für L und {β 1 , . . . , β n } eine K-Basis für B.<br />

Behauptung: {β j α i | i = 1, . . . , m; j = 1, . . . , n} ist eine K-Basis für L.<br />

Die Menge ist erzeugend, denn für γ ∈ L findet man eine Darstellung γ = ∑ b i α i<br />

i<br />

mit b i ∈ B und für die b i ’s findet man Darstellungen ∑ c ij β j mit c ij ∈ K. Zusammen<br />

j<br />

ergibt sich γ = ∑ c ij β j α i .<br />

i,j<br />

Wenn ∑ c ij β j α i = 0 und c ij ∈ K, so folgt zunächst aus ∑ ( ∑ )<br />

c ij β j αi = 0,<br />

i,j<br />

i j<br />

dass ∑ c ij β j = 0 für alle i und daraus dann c ij = 0 für alle i, j. Also ist die Menge<br />

j<br />

auch linear unabhängig.<br />

⊓⊔<br />

Satz 4.2.16. Sei σ : K → K ′ ein Körperisomorphismus und f ∈ K[X]. Weiter<br />

seien L und L ′ Zerfällungskörper von f bzw. f ′ := σ ∗ (f). Dann gibt es einen<br />

Körperisomorphismus ˜σ : L → L ′ mit ˜σ| K = σ.<br />

Beweis. Wir verwenden Induktion über [L : K]. Wenn [L : K] = 1, dann gilt L = K,<br />

d.h. f zerfällt über K und dementsprechend zerfällt f ′ über K ′ . Also muss auch<br />

L ′ = K ′ gelten und man kann (und muss) ˜σ := σ wählen.<br />

Im Falle [L : K] > 1 zerfällt f nicht über K. Daher gibt es ein irreduzibles<br />

Polynom p ∈ K[X] mit deg(p) ≥ 2 und p | f. Sei β ∈ L eine Nullstelle von p (und<br />

damit auch von f). Wenn β ′ ∈ L ′ eine Nullstelle von p ′ := σ ∗ (p) ist, dann gibt es<br />

nach Korollar 4.2.11 einen Körperisomorphismus ˇσ : K(β) → K ′ (β ′ ) mit ˇσ(β) = β ′ .<br />

Beachte, dass L automatisch ein Zerfällungskörper von f über K(β) ist, so wie auch<br />

L ′ Zerfällungskörper von f ′ über K ′ (β ′ ) ist. Nach Lemma 4.2.15 gilt<br />

[L : K(β)] =<br />

[L : K]<br />

< [L : K],<br />

[K(β) : K]<br />

also zeigt Induktion, dass es einen Körperisomorphismus ˜σ : L → L ′ mit ˜σ| K(β) = ˇσ<br />

gibt. Zusammen erhalten wir ˜σ| K = ˇσ| K = σ und das zeigt die Behauptung. ⊓⊔<br />

Korollar 4.2.17. Seien L, L ′ Zerfällungskörper von f ∈ K[X]. Dann gibt es einen<br />

Körperisomorphismus σ : L → L ′ mit σ| K = id K .<br />

Mit diesem Korollar können wir also von dem Zerfällungskörper eines Polynoms<br />

sprechen.<br />

Übung 4.2.1 (Minimalpolynom). Man bestimme das Minimalpolynom von √ 2+ √ 7 zum<br />

einen über Q und zum anderen über Q( √ 2).


4.3 Primkörper und Charakteristik<br />

4.3 Primkörper und Charakteristik 83<br />

Definition 4.3.1. Sei K ein Körper, dann heißt der Schnitt über alle Unterkörper<br />

von K der Primkörper von K.<br />

Proposition 4.3.2. Sei K ein Körper. Dann ist der Primkörper von K isomorph<br />

zu F p := Z/pZ mit p ∈ Z prim oder zu Q.<br />

Beweis. Betrachte den Ringhomomorphismus<br />

χ : Z → K<br />

n ↦→ n · 1<br />

und setze I := ker (χ). Dann ist die induzierte Abbildung Z/I → K injektiv, also<br />

ist Z/I ein Integritätsbereich. Nach Proposition 2.2.10 ist also I prim und das zeigt<br />

(vgl. Beispiel 2.2.12), dass entweder I = {0} oder I = (p) mit p ∈ Z prim gilt. Wenn<br />

I = {0} gilt, dann ist χ injektiv und jeder Unterkörper von K (muss 1 enthalten)<br />

enthält Z und damit Q (ist selbst Unterkörper). Also ist Q der Primkörper. Wenn<br />

dagegen I = (p), dann ist Z/I = F p selbst ein Körper, der außerdem in jedem<br />

Unterkörper enthalten und daher der Primkörper ist.<br />

⊓⊔<br />

Definition 4.3.3. Ein Körper K hat die Charakteristik 0 bzw. p, wenn der<br />

Primkörper von K gleich Q bzw. F p ist. Die Charakteristik von K wird mit char(K)<br />

bezeichnet.<br />

Proposition 4.3.4. Sei K ein Körper der Charakteristik char(K) = p. Dann definiert<br />

a ↦→ a p einen Körperautomorphismus von K, den man den Frobeniusautomorphismus<br />

nennt.<br />

Beweis. Die Binomialformel liefert<br />

∑p−1<br />

( p<br />

(a + b) p − (a p + b p ) = a<br />

k)<br />

k b p−k = 0,<br />

k=1<br />

denn ( )<br />

p<br />

k =<br />

p!<br />

k!(p−k)!<br />

ist durch p teilbar. Die Identität (ab) p = a p b p ist klar.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 4.3.5. Sei L/K eine Körpererweiterung. Dann ist L ein K-Vektorraum.<br />

Insbesondere gilt für endliches L und seinen Primkörper K = F p , dass |L| = p n mit<br />

n = dim Fp L.<br />

Definition 4.3.6. Wenn ein Polynom f ∈ K[X] über einem Körper L ⊇ K zerfällt,<br />

dann sagt man f, hat keine mehrfachen Wurzeln, wenn (X − a) 2 das Polynom f<br />

für kein a ∈ L teilt.


84 4 Körpererweiterungen<br />

Proposition 4.3.7. Zu einem Polynom f =<br />

k=1<br />

n ∏<br />

j=1<br />

∑<br />

(X − a j ) = n r k X k ∈ K[X]<br />

betrachte die formale Ableitung f ′ ∑<br />

= n k r k X k−1 ∈ K[X]. Dann sind folgende<br />

Aussagen äquivalent<br />

(1) Die a j sind paarweise verschieden.<br />

(2) ggT(f, f ′ ) = 1.<br />

Beweis. ”<br />

(2)⇒(1)“: Man verifiziert zunächst, dass die formale Ableitung<br />

′ : K[X] → K[X], f ↦→ f ′<br />

eine Derivation ist, d.h. eine K-lineare Abbildung, die für alle f, g ∈ K[X] die<br />

Identität<br />

(fg) ′ = f ′ g + fg ′<br />

erfüllt. Wenn jetzt f = (X − a j ) 2 g, dann gilt f ′ = 2(X − a j )g + (X − a j ) 2 g ′<br />

und dies zeigt (X − a j ) | f, f ′ .<br />

(1)⇒(2)“: Da K[X] faktoriell ist (vgl. Beispiel 2.3.4 und Satz 2.4.3), ist wegen (i)<br />

”<br />

jeder Teiler h von f von der Form h = ∏ (X − a j ) mit J ⊆ {0, . . . , n}. Wenn<br />

also f und f ′ nicht teilerfremd sind, gibt es ein a j mit (X − a j ) | f ′ , d.h.,<br />

f ′ (a j ) = 0. Wir schreiben f = (X − a j )g und erhalten f ′ = g + (X − a j )g ′ , was<br />

im Widerspruch zu g(a j ) ≠ 0 steht. Damit ist die Behauptung bewiesen.<br />

⊓⊔<br />

j∈J<br />

k=0<br />

Satz 4.3.8. Sei p ∈ N prim und n ∈ N. Dann gibt es einen Körper K mit |K| = p n .<br />

Beweis. Wenn K ein Körper mit p n = q Elementen ist, dann ist K ∗ = K \ {0} eine<br />

(multiplikative) Gruppe mit q − 1 Elementen. Nach Bemerkung 1.4.20 gilt dann<br />

a q−1 = 1 für jedes a ∈ K ∗ . Damit ist also jedes a ∈ K Nullstelle des Polynoms<br />

g := X q − X.<br />

Sei jetzt L ⊇ F p ein Körper, über dem g zerfällt (vgl. Satz 4.2.4). Dann gilt wegen<br />

char(L) = p (vgl. Proposition 4.3.2) q = p n = 0 in L und daher g ′ = q X q−1 − 1 =<br />

−1. Es folgt ggT(g, g ′ ) = 1 und Proposition 4.3.7 zeigt, dass g keine mehrfachen<br />

Wurzeln hat. Also hat<br />

K := {α ∈ L | g(α) = 0} = {α ∈ L | α ist Fixpunkt des Frobeniusautomorphismus}<br />

genau q Elemente. Als Fixpunktmenge eines Körperautomorphismus ist damit K<br />

ein Unterkörper von L und das beweist die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Korollar 4.3.9. Seien K und K ′ Körper mit q = p n Elementen. Dann sind K und<br />

K ′ isomorph.<br />

Beweis. Wegen |K| = p n ist gilt a q − a = 0 für alle a ∈ K (vgl. den Beweis von Satz<br />

4.3.8), d.h. X q − X zerfällt über K. Ein Zerfällungskörper muss mindestens die q<br />

Nullstellen enthalten, also ist K Zerfällungskörper von X q − X. Dasselbe Argument<br />

kann man für K ′ machen und darum zeigt Korollar 4.2.17 die Behauptung. ⊓⊔<br />

Die durch Korollar 4.3.9 als eindeutig bestimmt erkannten Körper mit q = p n<br />

Elementen nennt man Galoisfelder. Wir bezeichnen sie mit F q .


4.4 Irreduzibilitätskriterien 85<br />

4.4 Irreduzibilitätskriterien<br />

Beispiel 4.4.1. (i) Sei ϕ : Z → F p = Z/pZ der kanonische Homomorphismus und<br />

f = X 3 − 10X 2 + 1 ∈ Z[X]. Wende Proposition 4.2.10 mit Z und Z/3Z an. Das<br />

bedeutet, für p = 3 wertet man ϕ ∗ (f) = X 3 − X 2 + 1 ∈ F 3 [X] an allen drei<br />

Stellen aus (0 ↦→ 1, 1 ↦→ 1, 2 ↦→ 2) und stellt so fest, dass ϕ ∗ (f) keine Nullstelle<br />

hat (und daher wegen deg ( ϕ ∗ (f) ) = 3 irreduzibel sein muss).<br />

(ii) Für f = X 3 − 6X 2 + 5X + 25 ergibt die Reduktion modulo 3 wie in (i) das<br />

irreduzible Polynom X 3 + 2X + 1 ∈ F 3 [X] und damit die Irreduzibilität von f.<br />

Reduktion modulo 5 dagegen führt auf X 3 − X 2 = X 2 (X − 1) ∈ F 5 [X], was<br />

keine Rückschlüsse auf f erlaubt.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 4.4.2. Betrachte L = Q (√ 2, √ 3 ) und K = Q (√ 2 ) . Da √ 3 algebraisch<br />

über Q mit Minimalpolynom X 2 − 3 ist, ist √ 3 auch algebraisch über K. Das<br />

Minimalpolynom p von √ 3 über K muss X 2 − 3 ∈ K[X] teilen (vgl. Satz 4.2.9).<br />

Daher gilt deg ( p ) ≤ 2 und ( wegen L = K( √ 3) ) auch [L : K] ≤ 2. Da es keine<br />

a, b ∈ Q mit √ 3 = a + b √ 2 gibt, gilt √ 3 /∈ K und wir finden [L : K] = 2 und<br />

p = X 2 − 3. Das Element α = √ 2 + √ 3 ist algebraisch über Q, weil [L : Q] = [L :<br />

K][K : Q] = 2 · 2 = 4 < ∞ (vgl. Bemerkung 4.2.7). Mit α 2 = (√ 2 + √ 3 ) 2<br />

= 5 + 2<br />

√<br />

6<br />

sieht man α 2 − 5 = 2 √ 6 und α 4 − 10α 2 + 1 = 0. Wenn man zeigen kann, dass<br />

f = X 4 − 10X 2 + 1 über Q irreduzibel, d.h. das Minimalpolynom von α über Q ist,<br />

hat man L = Q (√ 2, √ 3 ) = Q (√ 2 + √ 3 ) = Q(α) bewiesen. In Lemma 4.4.4 werden<br />

wir zeigen, dass es genügt die Irreduzibilität von f über Z zu zeigen. Indem man<br />

die Koeffizienten modulo 5 nimmt, erkennt man wie in Beispiel 4.4.1, dass f keine<br />

ganzzahligen Nullstellen hat, sich also in Z[X] keine lineare Terme abspalten lassen.<br />

Wenn<br />

f = X 4 − 10X 2 + 1 = (X 2 + aX + b)(X 2 + a ′ X + b ′ )<br />

mit a, a ′ , b, b ′ ∈ Z, dann gilt a + a ′ = 0, b + aa ′ + b ′ = −10, ba ′ + ab ′ = 0 und bb ′ = 1.<br />

Es folgt a ′ = −a, b ′ = b = ±1. Wenn b = 1, findet man −a 2 = −12, was nicht<br />

möglich ist, und b = −1 führt auf −a 2 = −8, was ebenso unmöglich ist. Also ist f<br />

in der Tat irreduzibel über Z und die Körpererweiterung L/Q ist einfach. ⊓⊔<br />

Proposition 4.4.3. Sei f = a 0 + a 1 X + · · · + a n X n ∈ Z[X].<br />

(i) Wenn f ( r<br />

s<br />

)<br />

= 0 mit teilerfremden r, s ∈ Z, dann gilt r | a0 und s | a n .<br />

(ii) Wenn a n = 1, dann gilt s = ±1.<br />

Beweis. Da (ii) eine unmittelbare Konsequenz von (i) ist, reicht es, (i) zu beweisen.<br />

r<br />

Dazu setze 0 = a 0 + a 1 s + · · · + a n rn<br />

s<br />

und beachte<br />

n<br />

von s geteilt<br />

{ }} {<br />

0 = s n a 0 + s n−1 a 1 r + . . . + a n r<br />

} {{ n .<br />

}<br />

von r geteilt<br />

Dies liefert sowohl r | a 0 also auch s | a n .<br />

⊓⊔<br />

Lemma 4.4.4. Sei f ∈ Z[X] und f = gh mit g, h ∈ Q[X]. Dann gibt es Polynome<br />

˜g, ˜h ∈ Z[X] mit f = ˜g˜h und deg(g) = deg(˜g) sowie deg(h) = deg(˜h). Insbesondere<br />

ist f ∈ Z[X] irreduzibel über Z genau dann, wenn f irreduzibel über Q ist.


̸<br />

̸<br />

̸<br />

̸<br />

86 4 Körpererweiterungen<br />

Beweis. In der Notation des Gauß–Lemmas 2.4.9, angewandt auf Z, bemerken wir<br />

zunächst, dass für f ∈ Z[X] gilt c(f) ∈ Z (= ggT der Koeffizienten). Dann sehen<br />

wir c(g)c(h) = c(f) ∈ Z (bei passend gewählten Vorzeichen). Also gilt auch<br />

f = c(f)g 1 h 1 .<br />

} {{ } }{{}<br />

∈Z[X] ∈Z[X]<br />

⊓⊔<br />

Satz 4.4.5 (Eisenstein-Kriterium). Sei f = a 0 + a 1 X + · · · + a n X n ∈ Z[X].<br />

Wenn p | a i für i < n und p prim, aber p ̸ | a n und p 2 | a 0 , dann ist f irreduzibel<br />

über Q.<br />

Beweis. Gegeben sei die Zerlegung<br />

f = ( ∑<br />

m b i X i<br />

i=0<br />

} {{ }<br />

g<br />

) ( n−m ∑<br />

j=0<br />

c j X j )<br />

.<br />

} {{ }<br />

h<br />

Mit Lemma 4.4.4 können wir o.B.d.A. g, h ∈ Z[X] annehmen. Wegen p | a 0 = b 0 c 0<br />

folgt p | b 0 oder p | c 0 , aber p 2 | a 0 zeigt, dass nur eine der beiden Möglichkeiten<br />

auftreten kann. Wir nehmen o.B.d.A. p | c 0 und p ̸ | b 0 an. Wegen p | a n = b m c n−m<br />

folgt jetzt p ̸ | b m und p | c n−m . Sei c r der erste nicht durch p teilbare Koeffizient<br />

von h. Wenn r < n, dann gilt p | a r und<br />

p ̸ | b 0 c r = a r − (b 1 c r−1 + · · · + b r c 0 ).<br />

Dieser Widerspruch zeigt r = n und daher m = 0. Damit ist g konstant und die<br />

Behauptung folgt.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 4.4.6. X 5 − 4X + 2 ∈ Z[X] ist nach dem Eisensteinkriterium 4.4.5, angewendet<br />

auf p = 2, irreduzibel.<br />

⊓⊔<br />

Definition 4.4.7. Sei p prim. Dann heißt<br />

das p-te Kreisteilungspolynom.<br />

Φ p := Xp − 1<br />

X − 1 = Xp−1 + X p−2 + · · · + X + 1<br />

Korollar 4.4.8. Das Kreisteilungspolynom Φ p ist irreduzibel über Q.<br />

Beweis. Die Abbildung<br />

ϱ : Q[X] → Q[X],<br />

n∑<br />

n∑<br />

a j X j ↦→ a j (X + 1) j<br />

j=0<br />

j=0<br />

ist ein Ringisomorphismus, also ist Φ p genau dann irreduzibel, wenn ϱ(Φ p ) irreduzibel<br />

ist. Mit<br />

ϱ(Φ p ) = (X + ( 1)p − 1<br />

p<br />

= X p−1 + p X p−2 + X<br />

X<br />

2)<br />

p−3 + · · · + p<br />

liefert also das Eisensteinkriterium aus Satz 4.4.5 die Behauptung.<br />

⊓⊔


4.5 Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal 87<br />

Korollar 4.4.9. Wenn a ∈ Z \ {±1} quadratfrei ist, dann ist X n − a für alle n > 2<br />

irreduzibel über Q.<br />

Beweis. Wähle p | a und wende das Eisensteinkriterium 4.4.5 an.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 4.4.10. Es gibt irreduzible Polynome beliebig hohen Grades über Q,<br />

nicht aber über R oder C.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 4.4.11. Betrachte den Quotientenkörper K := F p (t) von F p [t], d.h. den<br />

Körper der ”<br />

rationalen Funktionen in einer Variablen t“. Sei L der Zerfällungskörper<br />

von q := X p − t und q(α) = 0 für α ∈ L. Dann gilt<br />

(X − α) p = X p − α p = X p − t<br />

und wir sehen, dass α die einzige Nullstelle von q ist. Die Irreduzibilität von q lässt<br />

sich aus einem Analogon des Eisensteinkriteriums folgern. Dabei nimmt man F p [t]<br />

statt Z, F p (t) statt Q und t als Primelement in F p [t].<br />

⊓⊔<br />

Übung 4.4.1. Formuliere und beweise das in Beispiel 4.4.11 angedeutete Eisensteinkriterium.<br />

4.5 Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal<br />

In diesem Abschnitt beschreiben wir die Konstruierbarkeit von Punkten in der<br />

Ebene mithilfe von Zirkel und Lineal durch algebraische Operationen. Aufgrund<br />

dieser Beschreibung können wir dann die Unmöglichkeit gewisser Konstruktionen<br />

zeigen. Beispiele dafür sind die Kreisquadrierung und die Winkeldreiteilung.<br />

Definition 4.5.1. Wir betrachten die euklidische Ebene R 2 und betrachten einen<br />

Punkt (x, y) ∈ R 2 als konstruierbar, wenn er durch eine endliche Abfolge von<br />

Operationen der Typen (A), (B) und (C) aus den Punkten (0, 0) und (1, 0) zu<br />

erhalten ist:<br />

(A) Man legt eine Gerade durch zwei konstruierbare Punkte.<br />

(B) Man schlägt einen Kreis um einen konstruierbaren Punkt mit einem Radius,<br />

der gleich dem Abstand zweier konstruierbarer Punkte ist.<br />

(C) Man schneidet Geraden/Kreise mit Geraden/Kreisen und nimmt die Schnittpunkte<br />

in die Menge der konstruierbaren Punkte auf.<br />

Eine reelle Zahl r ∈ R heißt konstruierbar, wenn der Punkt (r, 0) konstruierbar<br />

ist.<br />

Proposition 4.5.2. Die Menge K der konstruierbaren reellen Zahlen ist ein Unterkörper<br />

von R, für den gilt<br />

(∀a, b, c ∈ K, c ≥ 0) : a + b √ c ∈ K.


88 4 Körpererweiterungen<br />

Beweis. Die Summe a + b zweier konstruierbarer Zahlen a und b erhält man, indem<br />

man einen Kreis um (a, 0) mit Radius b schlägt und mit der x-Achse schneidet.<br />

Das Produkt ab zweier konstruierbarer Zahlen a und b erhält man, indem man<br />

durch (0, b) eine Parallele zu der Geraden durch (a, 0) und (0, 1) legt und diese mit<br />

der x-Achse schneidet. Beachte dabei, dass sich Parallelen mit Zirkel und Lineal<br />

über eine zweifache Konstruktion von Mittelsenkrechten konstruieren lassen.<br />

In ähnlicher Weise erhält man den Quotienten a b<br />

zweier konstruierbarer Zahlen<br />

a und b ≠ 0, indem man durch (0, a) eine Parallele zu der Geraden durch (0, b)<br />

und (1, 0) legt und diese mit der x-Achse schneidet.c Um die letzte Aussage zu<br />

bekommen, reicht es zu zeigen, dass die Wurzel einer positiven konstruierbaren<br />

Zahl a konstruierbar ist. Dazu schlägt man einen Kreis mit Radius c+1<br />

2<br />

um ( )<br />

0, c−1<br />

2<br />

und schneidet ihn mit der x-Achse. Nach dem Höhensatz ist der rechte Schnittpunkt<br />

gerade ( 0, √ c ) .<br />

⊓⊔<br />

b<br />

1<br />

0<br />

a<br />

b<br />

a+b<br />

a<br />

ab<br />

a<br />

c<br />

b<br />

(c+1)/2<br />

1<br />

a/b<br />

c<br />

Man beachte, dass die Koordinaten eines konstruierbaren Punktes (x, y) konstruierbare<br />

Zahlen sind. Zunächst liefert eine Mittelsenkrechtenkonstruktion aus<br />

der Geraden durch (0, 0) und (1, 0), d.h. der x-Achse, die Gerade durch (0, 0) und<br />

(0, 1), d.h. die y-Achse. Die Parallelen durch (x, y) zu den beiden Achsen liefern die<br />

Punkte (x, 0) und (0, y). Schließlich liefert der Schnitt des Kreises um (0, 0) durch<br />

(0, y) mit der x-Achse auch den Punkt (y, 0).<br />

Satz 4.5.3. Eine Zahl a ∈ R ist genau dann konstruierbar, wenn es einen Körperturm<br />

Q = L 0 ⊆ L 1 ⊆ . . . ⊆ L n ⊆ R gibt, für den gilt<br />

(a) a ∈ L n .<br />

(b) Für j = 0, . . . n 1 ist L j+1 = L j ( √ α j ) für ein α j ∈ L j .<br />

Beweis. ”<br />

⇒“: Wir führen eine Induktion nach der Anzahl k der benötigten Konstruktionsschritte<br />

für (a, 0) durch. Wenn k = 0, ist a ∈ Q und es ist nichts zu<br />

zeigen. Für k > 0 erhält man a aus in höchstens k − 1 Schritten konstruierbaren<br />

Punkten, in dem man man zwei Geraden/Kreise miteinander schneidet.<br />

Wenn die in k − 1 Schritten konstruierbaren Punkte alle Koordinaten in einer<br />

Körpererweiterung L von Q haben, dann führt das schlimmstenfalls auf eine


4.5 Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal 89<br />

quadratische Gleichung mit Koeffizienten in L und somit zu Punkten mit Koordinaten<br />

in L( √ α), wobei α ∈ L sich aus den Koeffizienten der quadratischen<br />

Gleichung ergibt.<br />

⇐“: Diese Richtung beweist man mit Induktion über die Höhe n des Körperturms.<br />

”<br />

Für n = 0 ist nichts zu zeigen und für n > 0 ist jede Zahl der Form α + β √ γ<br />

mit α, β, γ ∈ L n−1 Lösung einer quadratischen Gleichung mit Koeffizienten in<br />

L n−1 . Damit ist sie durch eine passende Schnittkonstruktion aus Punkten mit<br />

Koeffizienten in L n−1 konstruierbar. Mit Induktion folgt dann die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Korollar 4.5.4. Wenn a ∈ R konstruierbar ist, dann gibt es eine Körpererweiterung<br />

L/Q mit a ∈ L und [L : Q] = 2 k .<br />

Beweis. Dies folgt sofort aus Satz 4.5.3 und Lemma 4.2.15.<br />

⊓⊔<br />

Korollar 4.5.5. (i) Wenn a ∈ R algebraisch (über Q) ist und der Grad des Minimalpolynoms<br />

von a keine Zweierpotenz ist, dann ist a nicht konstruierbar.<br />

(ii) Wenn a ∈ R transzendent (über Q) ist, dann ist a nicht konstruierbar.<br />

Beweis. Wegen [Q(a) : Q] = ∞ für jede transzendente Zahl a ∈ R und [Q(a) : Q] =<br />

deg(p) für das Minimalpolynom p einer algebraischen Zahl a ∈ R, folgt dies sofort<br />

aus Korollar 4.5.4.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 4.5.6. (i) Eine Zahl a ∈ R mit a 3 = 2 ist nicht konstruierbar, weil das<br />

Minimalpolynom X 3 − 2 ∈ Q[X] eines solchen Elements keine Zweierpotenz<br />

als Grad hat. Damit ist das sogenannte Delische Problem, einen Würfel mit<br />

dem doppelten Volumen eines vorgegebenen Würfels zu konstruieren, nicht mit<br />

Zirkel und Lineal lösbar.<br />

(ii) Die Zahl √ π ∈ R ist nicht konstruierbar, weil π transzendent ist (das wurde<br />

1882 von F. Lindemann (1852–1939) bewiesen und erfordert andere Methoden<br />

als sie in dieser Vorlesung vorgeführt wurden). Damit ist es nicht möglich, zu<br />

einem Kreis mit Radius 1 (d.h. Fläche π) ein Quadrat derselben Fläche mit<br />

Zirkel und Lineal zu konstruieren (Kreisquadrierung). Ganz analog seht man,<br />

dass es auch nicht möglich ist, ein Quadrat zu konstruieren, dessen Umfang<br />

gleich dem Umfang 2π des Kreis mit Radius 1 ist.<br />

(iii) Im Allgemeinen ist es nicht möglich, einen Winkel mit Zirkel und Lineal in drei<br />

gleiche Teile zu teilen. So ist zum Beispiel der Winkel 20 ◦ nicht konstruierbar,<br />

weil die Zahl a = cos(20 ◦ ) die Gleichung a 3 − 6a − 1 = 0 erfüllt, also ein<br />

Minimalpolynom vom Grad 3 hat.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 4.5.7 (Regelmäßige n-Ecke). Ein regelmäßiges n-Eck ist genau dann<br />

mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn der Punkt ζ = e 2πi<br />

n ∈ C ∼ = R 2 konstruierbar<br />

ist. Wenn ζ m und ζ k für teilerfremde m und k konstruierbar sind, dann ist<br />

auch ζ mk konstruierbar. Um das einzusehen, wählt man s, t ∈ Z mit sm + tk = 1<br />

und findet für n = mk<br />

ζ n = e 2πi<br />

mk<br />

2πis<br />

= e k + 2πit<br />

m = (ζk ) s (ζ m ) t .<br />

damit reduziert sich die Frage nach der Konstruierbarkeit regulärer n-Ecke auf<br />

solche n, die Primzahlpotenzen sind.<br />

Die Einheitswurzeln ζ n sind gerade die Nullstellen des Polynoms X n − 1 in C.<br />

Für n = p prim ist das Minimalpolynom von ζ p das p-te Kreisteilungspolynom Φ p<br />

(siehe Korollar 4.4.8). Mit Korollar 4.5.5 sieht an also, dass ζ p nur konstruierbar


90 4 Körpererweiterungen<br />

sein kann, wenn p von der Form p = 2 m + 1 ist. Das geht aber nur, wenn m selbst<br />

keine ungeraden Primteiler hat. Wenn nämlich b ∈ N ungerade ist, dann zeigt<br />

(X b + 1) = (X + 1)(X b−1 − X b−2 + · · · + X 3 − X 2 + 1),<br />

dass 2 a + 1 ein Teiler von 2 ab + 1 ist. Damit ist p eine Fermatsche Primzahl ist,<br />

d.h. eine von der Form p = 2 2l + 1.<br />

Eine p 2 -te Einheitswurzel, die keine p-te Einheitswurzel ist, ist eine Nullstelle<br />

von f = Xp2 −1<br />

X p −1<br />

= (Xp ) p−1 + (X p ) p−2 + . . . + (X p ) + 1. Wie in Korollar 4.4.8 für<br />

das Kreisteilungspolynom zeigt man, dass f irreduzibel über Q ist. Damit ist f das<br />

Minimalpolynom der p 2 -ten Einheitswurzel in Frage, und Korollar 4.5.5 zeigt, dass<br />

das reguläre p 2 -Eck nicht mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist. Da mit ζ mk = ζ n<br />

auch ζ m = (ζ n ) k und ζ k = (ζ n ) m konstruierbar ist, folgt insbesondere, dass die Konstruierbarkeit<br />

von p k = p 2 p k−2 mit k ≥ 3 die Konstruierbarkeit von p 2 impliziert.<br />

Also findet man die folgende Aussage:<br />

Das regelmäßige n-Eck kann nur konstruierbar sein, wenn für die Primzahlzerlegung<br />

n = 2 k p k 1<br />

1 · · · pk m m gilt: k j = 1 und p j ist eine Fermatsche Primzahl.<br />

Die Umkehrung dieser Aussage ist ebenfalls richtig, wie in Beispiel 5.4.22 gezeigt<br />

wird.<br />

⊓⊔


5<br />

Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale<br />

5.1 Separabilität<br />

Definition 5.1.1. Sei K ein Körper und f = p 1 · · · p m die Faktorisierung eines<br />

Polynoms f ∈ K[X] in irreduzible Polynome. Dann heißt f separabel, wenn kein p j<br />

mehrfache Nullstellen hat. Der Körper K heißt perfekt, wenn jedes f ∈ K[X]\{0}<br />

separabel ist. Eine Körpererweiterung L/K heißt separabel, wenn für jedes α ∈ L<br />

gilt: α ist transzendent oder das Minimal–Polynom von α ist separabel.<br />

Beispiel 5.1.2. Sei K ein Körper der Charakteristik char(K) = 0. Dann ist K ist<br />

perfekt. Um das einzusehen, betrachte ein irreduzibles Polynom p ∈ K[X] vom Grad<br />

deg(p) > 0. Dann gilt p ′ ≠ 0 und deg(p ′ ) < deg(p). Dies liefert ggT(p, p ′ ) = 1 und<br />

daher hat nach Proposition 4.3.7 p keine mehrfachen Nullstellen.<br />

Bemerkung 5.1.3. Sei L/K eine Körpererweiterung und f ∈ K[X] separabel.<br />

Dann ist f auch als Element von L[X] separabel, denn wenn f = p 1 · · · p n eine<br />

Zerlegung in irreduzible Polynome ist, dann kann man p j = q (j)<br />

1 · · · q n (j)<br />

j<br />

mit irreduziblen<br />

q l ∈ L[X] schreiben und die q (j)<br />

l<br />

sind die (bis auf multiplikative Konstanten)<br />

eindeutig bestimmten irreduziblen Faktoren von f ∈ L[X]. Diese können dann auch<br />

keine mehrfachen Nullstellen haben.<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.1.4. Sei σ : K → K ′ ein Körperisomorphismus und f ∈ K[X] separabel.<br />

Seien L und L ′ Zerfällungskörper von f bzw. σ ∗ (f). Dann gibt genau [L : K]<br />

Körperisomorphismen ˜σ : L → L ′ mit ˜σ| K = σ.<br />

Beweis. Wir greifen den Beweis von Satz 4.2.16 auf und sehen, dass für [L : K] = 1<br />

nichts mehr zu zeigen ist. Wenn f von einem irreduziblen Polynom p ∈ K[X] vom<br />

Grad größer 1 geteilt wird, dann liefert die Separabilität von f, dass p genau deg(p)<br />

Nullstellen hat.<br />

Sei jetzt ˜σ : L → L ′ ein Körperisomorphismus mit ˜σ| K = σ und β ∈ L Nullstelle<br />

von p. Dann ist ˜σ(β) =: β ′ eine Nullstelle von σ ∗ (p).<br />

Umgekehrt gibt es nach Korollar 4.2.11 zu jeder der deg(p) = [K(β) : K] =<br />

deg ( σ ∗ (p) ) (vgl. Satz 4.2.9(v)) Nullstellen β ′ von σ ∗ (p) in L ′ genau einen Körperisomorphismus<br />

ˇσ β ′ : K(β) → K ′ (β ′ ) mit ˇσ β ′(β) = β ′ . Mit Induktion folgt wegen<br />

Bemerkung 5.1.3, dass jedes der ˇσ β ′ auf [L : K(β)] verschiedene Weisen fortgesetzt<br />

werden kann. Zusammen erhält man also<br />

Fortsetzungsmöglichkeiten.<br />

[L : K(β)][K(β) : K] = [L : K]<br />

⊓⊔


92 5 Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale<br />

5.2 Die Galoisgruppe<br />

Definition 5.2.1. Eine Körpererweiterung L/K heißt rein, wenn L = K(α) mit<br />

α m ∈ K für ein m ∈ N. Wenn<br />

K = L 0 ⊆ . . . ⊆ L k = L<br />

mit L j /L j−1 rein, dann heißt L/K eine Radikalerweiterung. Eine durch ein Polynom<br />

f ∈ K[X] gegebene Gleichung<br />

f(x) = 0<br />

heißt auflösbar durch Radikale über K, wenn es eine Radikalerweiterung L/K<br />

gibt, für die L einen Zerfällungskörper von f enthält.<br />

Lemma 5.2.2. Sei p ∈ N prim und K enthalte alle p-ten Einheitswurzeln. Dann<br />

gibt es für f = X p − a mit a ∈ K nur zwei Möglichkeiten:<br />

(a) f ist irreduzibel.<br />

(b) f zerfällt über K.<br />

Beweis. Sei L Zerfällungskörper von f über K und α ∈ L eine Wurzel von f, d.h.<br />

f(α) = 0. Dann gilt α p = a ∈ K und für jede p-te Einheitswurzel ζ ∈ K gilt<br />

(ζα) p = 1 · α p = a. Also ist {ζα | ζ p-te Einheitswurzel} die Menge aller Nullstellen<br />

von f und f zerfällt über K sofern eine dieser Nullstellen in K liegt.<br />

Wenn nun α /∈ K gilt, dann ist keine der Nullstellen ζα in K. Wir nehmen an,<br />

dass es h, g ∈ K[X] mit f = gh und deg(g) < deg(f) gibt. Dann findet man p-te<br />

Einheitswurzeln ζ 1 , . . . , ζ q mit q < p und<br />

g =<br />

q∏<br />

(ζ j α − X) = ( ∏<br />

q )<br />

ζ j α q + höhere Terme in X.<br />

j=1<br />

j=1<br />

Insbesondere gilt α q ∈ K. Da p und q teilerfremd sind findet man r, s ∈ Z mit<br />

rp + sq = 1. Es folgt<br />

α = (α p ) r (α q ) s ∈ K<br />

und dieser Widerspruch beweist die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 5.2.3. Sei p prim und K enthalte alle p-ten Einheitswurzeln. Wenn<br />

L = K(α) mit α p ∈ K, dann gilt entweder L = K oder [L : K] = p.<br />

Beweis. Wenn L ≠ K ist, d.h., α /∈ K, dann zeigt Lemma 5.2.2, dass X p − α p<br />

irreduzibel ist. Aber dann ist X p − α p ist das Minimalpolynom von α und Satz<br />

4.2.9 liefert [L : K] = p. ⊓⊔<br />

Proposition 5.2.4. Sei K = L 0 ⊆ L 1 ⊆ . . . ⊆ L k eine Radikalerweiterung, d.h.<br />

L j = L j−1 (α j ) mit α k j<br />

j ∈ L j−1 . Wenn K alle p-ten Einheitswurzeln mit p Primteiler<br />

eines k j enthält, dann läßt sich der Körperturm zu einem Turm<br />

mit [B j : B j−1 ] prim verfeinern.<br />

K = B 0 ⊆ B 1 ⊆ . . . ⊆ B l = L k


5.2 Die Galoisgruppe 93<br />

Beweis. Zu zeigen ist wegen Proposition 5.2.3) nur, dass man zu einer einfachen<br />

Körpererweiterung E = F(β), β k ∈ F Zwischenkörper F = F 0 ⊆ F 1 ⊆ . . . ⊆ F r = E<br />

mit F j = F j−1 (β j ), β p j<br />

j ∈ F j−1 und p j | k prim finden kann. Dazu schreibe<br />

k = p 1 · · · p r (mit Wiederholung) und setze β r = β, β j−1 = β pj<br />

j . ⊓⊔<br />

Proposition 5.2.5. Sei B/K eine endliche Körpererweiterung. Dann gibt es eine<br />

Körpererweiterung L/B so, dass L der Zerfällungskörper eines Polynoms f ∈ K[X]<br />

ist.<br />

Beweis. Sei {β 1 , . . . , β n } eine K-Basis für B und f 1 , . . . , f n ∈ K[X] seien die zugehörigen<br />

Minimalpolynome (vgl. Bemerkung 4.2.7). Mit dem Zerfällungskörper L<br />

von f := f 1 · · · f n gilt dann B ⊆ K(β 1 , . . . , β n ) ⊆ L.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 5.2.6. Sei f ∈ K[X] und L der Zerfällungskörper von f über K. Wenn<br />

σ ∈ Aut K (L) := {ϕ : L → L | Automorphismus mit σ| K = id K } und f(α) = 0 für<br />

α ∈ L. Dann ist auch σ(α) Nullstelle von f.<br />

Beweis. Mit f = ∑ a j X j finden wir ∑ a j α j = 0 und daher<br />

0 = ∑ σ(a j )σ(α) j = ∑ a j σ(α) j = f ( σ(α) ) .<br />

⊓⊔<br />

Definition 5.2.7. Die Gruppe Aut K (L) zu einer Erweiterung L/K heißt die Galoisgruppe<br />

von L/K und wird mit Gal(L/K) bezeichnet. Wenn f ∈ K[X] und L der<br />

Zerfällungskörper von f über K, dann heißt Gal K (f) := Gal(L/K) die Galoisgruppe<br />

von f über K.<br />

Satz 5.2.8. Wenn f ∈ K[X] n = deg(f) verschiedene Nullstellen in seinem<br />

Zerfällungskörper L hat, dann ist Gal K (f) isomorph zu einer Untergruppe von S n .<br />

Beweis. Sei M = {α 1 , . . . , α n } die Menge der Nullstellen von f in L. Dann zeigt<br />

Lemma 5.2.6, dass σ(M) ⊆ M für alle σ ∈ Gal K (f). Aber damit ist σ : M → M<br />

automatisch bijektiv, weil M endlich ist. Mit Proposition 4.2.8 findet man L =<br />

K(α 1 , . . . , α n ) und erkennt, dass<br />

Gal f (f) −→ S n<br />

σ ↦−→ σ| M<br />

ein injektiver Gruppenhomomorphismus ist.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 5.2.9. Wenn f ∈ K[X] separabel ist und L der Zerfällungskörper von<br />

f über K, dann gilt | Gal K (f)| = [L : K].<br />

Beweis. Dies erhält man aus Satz 4.2.16 (ii), angewandt auf id K : K → K.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 5.2.10. (i) Das Polynom f = X 2 + 1 ∈ R[X] hat den Zerfällungskörper<br />

C, also gilt | Gal R (f)| ≤ 2 und das liefert Gal R (f) ∼ = {±1}, weil die komplexe<br />

Konjugation σ : C → C, z ↦→ z in Gal R (f) ist.


94 5 Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale<br />

(ii) Das Polynom f = X 3 −1 ∈ Q[x] ist nach Beispiel 5.1.2 separabel, weil char(Q) =<br />

0. Also ist f = (X−1)(X 2 +X+1) ist die Faktorisierung in irreduzible Polynome<br />

und der Zerfällungskörper von f ist L = Q(w) mit w = e 2 3 πi . Es gilt [L : Q] =<br />

Gr(x 2 + x + 1) = 2, was zu Gal Q (f) ∼ = {±1} zu führt. Wegen σ(w) = w 2 = w<br />

gilt aber σ(α) = α für alle α ∈ L. Also ist σ das von id Q verschiedene Element<br />

von Gal Q (f).<br />

(iii) Das Polynom f = X 3 − 2 ∈ Q[X] ist nach dem Eisensteinkriterium 4.4.5 irreduzibel<br />

mit den Nullstellen 3√ 2, w 3√ 2 und w √ 2 3<br />

2 mit w = e 2 3 πi . Dies liefert<br />

L = Q ( w, 3√ 2 ) , weil w ∉ Q ( √ 3<br />

2 ) ⊆ R. Die Irreduzibilität von X 3 − 2 zeigt, dass<br />

X 3 − 2 das Minimalpolynom von 3√ 2 ist, also haben wir [Q ( √ 3<br />

2 ) : Q] = 3. Mit<br />

Proposition 5.2.9 erhalten wir<br />

| Gal Q (f)| = [L : Q] = [ L : Q( 3√ ][<br />

2)<br />

√ ]<br />

3<br />

Q( 2) : Q > 3<br />

} {{ } } {{ }<br />

>1<br />

=3<br />

und da Gal Q (f) isomorph zu einer Untergruppe von S 3 ist (vgl. Satz 5.2.8), gilt<br />

sogar Gal Q (f) ∼ = S 3 .<br />

Proposition 5.2.11. Sei p ∈ N prim und K sei eine Körper der Charakteristik<br />

char(K) ≠ p, der alle p-ten Einheitswurzeln enthält. Wenn L/K rein ist und [L :<br />

K] = p, dann gilt Gal(L/K) ∼ = Z/pZ.<br />

Beweis. Sei L = K(α) mit α p ∈ K, aber α /∈ K (vgl. Proposition 5.2.3). Dann zeigt<br />

der Beweis von Lemma 5.2.2, dass X p − α p irreduzibel über K ist. Die Nullstellen<br />

dieses Polynoms sind {ζα | ζ p-te Einheitswurzel} (davon gibt es wegen char(K) ≠<br />

p genau p Stück). Also ist X p − α p separabel. Jetzt zeigt Proposition 5.2.9 die<br />

Identität | Gal(L/K)| = p somit hat jedes von der Eins verschiedene Element in<br />

Gal(L/K) die Ordnung p, ist also ein Erzeuger (vgl. Bemerkung 1.4.20). Dies liefert<br />

Gal(L/K) ∼ = Z/pZ.<br />

⊓⊔<br />

Proposition 5.2.12. Sei K ein Körper, f ∈ K[X] und L der Zerfällungskörper von<br />

f über K.<br />

(i) Wenn f irreduzibel ist, dann wirkt die Galoisgruppe Gal K (f) transitiv auf der<br />

Menge M := {α ∈ L | f(α) = 0}.<br />

(ii) Wenn f keine mehrfachen Nullstellen hat und Gal K (f) transitiv auf M wirkt,<br />

dann ist f ist irreduzibel.<br />

Beweis. (i) Wende Korollar 4.2.11 auf id K mit σ(α 1 ) = α 2 für α 1 , α 2 ∈ M an.<br />

(ii) Wenn f = gh mit deg(g), deg(h) > 0 und g(α 1 ) = 0 = h(α 2 ) gilt, dann gibt es<br />

ein σ ∈ Gal K (f) mit σ(α 1 ) = α 2 . Nach Lemma 5.2.6 haben wir dann g(α 2 ) = 0<br />

und α 2 ist doppelte Nullstelle.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 5.2.13. Seien K ⊆ B ⊆ L Körper, und sei B der Zerfällungskörper von<br />

f ∈ K[X] über K. Wenn σ ∈ Gal(L/K), dann gilt σ| B ∈ Gal K (f).<br />

Beweis. Zu zeigen ist, dass σ(B) = B. Sei<br />

M := {α ∈ B | f(α) = 0} = {α 1 , . . . , α n } = {α ∈ L | f(α) = 0}.<br />

Dann gilt B = K(α 1 , . . . , α n ) und Lemma 5.2.6 liefert σ(M) = M, was die Behauptung<br />

beweist.<br />

⊓⊔


5.2 Die Galoisgruppe 95<br />

Satz 5.2.14. Seien K ⊆ B ⊆ L Körper, wobei B der Zerfällungskörper von f ∈<br />

K[X]. Dann gilt:<br />

(i) Gal(L/B) ✂ Gal(L/K).<br />

(ii) Es gibt eine natürliche Einbettung Gal(L/K)/Gal(L/B) ↩→ Gal(B/K) = Gal K (f),<br />

die surjektiv ist, wenn L selbst Zerfällungskörper eines Polynoms g ∈ K[X] über<br />

K ist.<br />

Beweis. Die Abbilddung<br />

ψ : Gal(L/K) → Gal(B/K)<br />

σ ↦→ σ| B<br />

ist ein Gruppenhomomorphismus (vgl. Lemma 5.2.13) mit Kern<br />

ker (ψ) = {σ ∈ Gal(L/K) | σ| B = id B } = Gal(L/B)<br />

und das beweist (i). Weiter sieht man, dass ψ zu einem injektiven Gruppenhomomorphismus<br />

ψ : Gal(L/K)/Gal(L/B) −→ Gal(B/K)<br />

faktorisiert.<br />

Zu zeigen bleibt noch, dass ψ surjektiv ist, falls L selbst ein Zerfällungskörper<br />

ist: Dazu sei τ ∈ Gal(B/K). Nach Satz 4.2.16 gibt es ein ˜τ ∈ Aut(L) mit ˜τ| B = τ.<br />

Aber dann ist ˜τ| K = id K und daher ˜τ ∈ Gal(L/K). Also ergibt sich ψ(˜τ) = ˜τ| B = τ<br />

und damit die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 5.2.15. Sei L/K eine Körpererweiterung und A, B Zwischenkörper. Sei AB<br />

der von A und B erzeugte Unterkörper von L (genannt das Kompositum von A<br />

und B).<br />

(i) Wenn A/K eine Radikalerweiterung ist, dann ist auch AB/B eine Radikalerweiterung.<br />

(ii) Wenn AB/B und B/K Radikalerweiterungen sind, dann ist auch AB/K eine<br />

Radikalerweiterung.<br />

Beweis. (i) Seien A j /A j−1 reine Körpererweiterungen mit A j = A j−1 (α j ), wobei<br />

α n j<br />

j ∈ A j−1 gelten soll. Dann gilt A j B = A j−1 B(α j ) und α n j<br />

j ∈ A j−1 B. Also ist<br />

A j B/A j−1 B eine reine Körpererweiterung und die Behauptung folgt.<br />

(ii) Dieser Teil ist klar.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 5.2.16. Sei L/K eine Körpererweiterung und σ ∈ Gal(L/K). Wenn<br />

B/K eine Radikalerweiterung ist und B ⊆ L, dann ist auch σ(B)/K eine Radikalerweiterung.<br />

Lemma 5.2.17. Sei f ∈ K[X] durch Radikale auflösbar, dann existiert eine Radikalerweiterung<br />

E/K mit folgender Eigenschaft:<br />

E enthält den Zerfällungskörper L von f und ist selbst Zerfällungskörper eines<br />

Polynoms g ∈ K[X].


96 5 Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale<br />

Beweis. Sei K = L 0 ⊆ L 1 ⊆ . . . ⊆ L l eine Radikalerweiterung mit L ⊆ L l . Wenn<br />

L j = L j−1 (α j ), dann gilt L l = K(α 1 , . . . , α l ). Sei jetzt m j ∈ K[X] das Minimalpolynom<br />

von α j über K. Wir listen die Nullstellen der m j auf:<br />

m 1 : α 1 = α (1)<br />

1 , . . . , α(r 1)<br />

1 ❀ M 1<br />

.<br />

.<br />

m l : α l = α (1)<br />

l<br />

, . . . , α (r l)<br />

l<br />

❀ M l<br />

.<br />

Sei E der Zerfällungskörper von ∏ l<br />

j=1 m j, d.h. E = K ( {α (i)<br />

j | i, j} ) , wobei E j =<br />

K({α (i)<br />

j | i}) der Zerfällungskörper von m j ist. Für σ ∈ Gal(C/K) betrachte den<br />

Körperturm<br />

K ⊆ σ(L 1 ) ⊆ . . . ⊆ σ(L l ).<br />

σ(L l )/K ist eine Radikalerweiterung, also liefert Lemma 5.2.15, dass σ 1 (L l ) · . . . ·<br />

σ s (L l )/K eine Radikalerweiterung ist, wobei wir Gal(C/K) = {σ 1 , . . . , σ s } schreiben.<br />

Da α 1 , . . . , α l ∈ L l und Gal(E/K) transitiv auf den Mengen M j wirkt, finden<br />

wir σ 1 (L l ) · . . . · σ s (L l ) = E. Dabei ist zu beachten, dass nach Proposition 5.2.12 die<br />

Gruppe Gal(E j /K) transitiv auf M j wirkt. Dann sagt Satz 4.2.16, dass die Elemente<br />

von Gal(E j /K) sich zu Elementen von Gal(C/K) fortsetzen lassen. Zusammen findet<br />

man, dass E/K eine Radikalerweiterung ist, die L als Zwischenkörper enthält. ⊓⊔<br />

Definition 5.2.18. Sei G eine Gruppe und G ′ = [G, G] die Kommutatorgruppe<br />

von G. Wir setzen G (0) := G sowie G (1) := G ′ und dann induktiv G (i+1) := ( G (i)) ′<br />

für i ∈ N. Es gilt dann<br />

G ⊇ G (1) ⊇ G (2) ⊇ . . .<br />

und wir nennen G auflösbar, wenn es ein j ∈ N 0 mit G (j) = {1} gibt.<br />

Satz 5.2.19. Sei G eine Gruppe. Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent:<br />

(1) G ist auflösbar.<br />

(2) Es gibt eine Kette G = G 0 ⊃ G 1 ⊃ . . . ⊃ G n = {1} von Untergruppen von G<br />

mit G j ✂ G j−1 und G j−1 /G j abelsch.<br />

(3) (Dieser Teil hat nur für endliche G Gültigkeit.) Es gibt eine Kette G = G 0 ⊃<br />

. . . ⊃ G l = {1} von Untergruppen von G mit G j ✂ G j−1 und |G j−1 /G j | prim.<br />

Beweis. ”<br />

(1)⇒(2)“: Wähle G j = G (j) .<br />

” (2)⇒(1)“: Wenn G j−1/G j abelsch ist, dann gilt G ′ j−1 ⊆ G j und dies liefert G (j) ⊆<br />

G j , also die Behauptung.<br />

” (3)⇒(2)“: Wenn |G j−1/G j | = p, dann gilt G j−1 /G j = Z/pZ, weil jedes von Eins<br />

verschiedene Element die Gruppe zyklisch erzeugt. Insbesondere ist die Gruppe<br />

abelsch.<br />

(2)⇒(3)“: Wir beweisen zunächst mit Induktion über die Ordnung, dass jede endliche<br />

abelsche Gruppe A eine Untergruppe mit Primzahlindex hat: Beachte dazu<br />

”<br />

zunächst, dass jedes Element g von G endliche Ordnung hat. Zerlegt man die<br />

Ordnung in ihre Primfaktoren und ersetzt g durch eine passende Potenz, so findet<br />

man ein Element mit Primzahlordnung p. Dieses Element erzeugt dann eine<br />

Untergruppe B, die isomorph zu Z/pZ ist und insbesondere p Elemente hat.<br />

Wenn B = G, ist die Behauptung bewiesen. Wenn nicht, dann findet man mit<br />

Induktion eine Untergruppe C ⊆ A, die B enthält, mit [A : C] = [A/B : C/B]<br />

prim.<br />

Jetzt beweisen wir (3) durch Induktion über |G|. Dazu genügt es einen Normalteiler<br />

H ✂ G mit G 1 ≤ H und [G : H] prim zu finden (dann wendet man<br />

Induktion auf H an). Aber dazu brauchen wir nur eine Untergruppe von G/G 1<br />

mit Primzahlindex zu finden, was wir oben schon erledigt haben.<br />

⊓⊔


5.3 Primitive Einheitswurzeln 97<br />

Lemma 5.2.20. Sei G eine Gruppe und H ✂ G ein Normalteiler. Wenn H und<br />

G/H auflösbar sind, dann ist auch G auflösbar.<br />

Beweis. Sei H ⊃ H 1 ⊃ . . . ⊃ H n = {1} eine Kette von Untergruppen mit H j−1 /H j<br />

abelsch. Daraus konstruiert man die Kette G/H ⊃ G 1 /H ⊃ . . . ⊃ G l /H = H/H =<br />

{1} von Untergruppen mit (G k−1 /H)/(G k /H) ∼ = G k−1 /G k abelsch und setzt das<br />

Ganze zusammen zu<br />

G ⊃ G 1 ⊃ . . . ⊃ G l = H ⊃ H 1 ⊃ . . . ⊃ H n = {1}.<br />

Jetzt folgt die Behauptung aus Satz 5.2.19.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 5.2.21. Sei G eine auflösbare Gruppe und H ✂ G ein Normalteiler. Dann<br />

sind H und G/H auflösbar.<br />

Beweis. Dies folgt aus H (j) ⊆ G (j) und ( G/H ) (j)<br />

= G (j) H/H.<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.2.22. Sei K ein Körper der Charakteristik char(K) = 0 und f ∈ K[X] durch<br />

Radikale auflösbar. Weiter sei K = B 0 ⊆ B 1 ⊆ . . . ⊆ B r ein Körperturm mit<br />

(a) B j = B j−1 (α j ) mit α nj<br />

j ∈ B j−1 .<br />

(b) B r enthält den Zerfällungskörper L von f und ist selbst ein Zerfällungskörper.<br />

Wenn K alle p-ten Einheitswurzeln für alle Primteiler der n 1 , . . . , n r enthält,<br />

dann ist Gal K (f) auflösbar.<br />

Beweis. Nach Lemma 5.2.17 können wir annehmen, dass B r selbst Zerfällungskörper<br />

eines Polynoms g ∈ K[X] ist. Nach Proposition 5.2.4 können wir weiter annehmen,<br />

dass alle n j prim sind und nach Proposition 5.2.3 schließlich auch noch, dass<br />

[B j : B j−1 ] = n j .<br />

Setze G j := Gal(B r /B j ). Wegen Lemma 5.2.2 ist X n j<br />

− α n j<br />

j irreduzibel und<br />

B j = B j−1 (α 1 ) der Zerfällungskörper von X nj − α n j<br />

j über B j−1 . Mit Satz 5.2.14<br />

finden wir<br />

G j = Gal(B r /B j ) ✂ Gal(B r /B j−1 ) = G j−1<br />

und mit Proposition 5.2.11<br />

G j−1 /G j<br />

∼ = Gal(Bj /B j−1 ) ∼ = Z/n j Z.<br />

Aber dann sagt Lemma 5.2.20, dass G 0 = Gal(B r /K) auflösbar ist und Satz 5.2.14<br />

liefert die Isomorphie Gal K (f) = Gal(L/K) ∼ = Gal(B r /K)/Gal(B r /L). Schließlich<br />

zeigt Lemma 5.2.21 die Auflösbarkeit von Gal(B r /K)/Gal(B r /L), was dann die<br />

Behauptung beweist.<br />

⊓⊔<br />

5.3 Primitive Einheitswurzeln<br />

Satz 5.3.1. Sei K ein Körper und G eine endliche Untergruppe der multiplikativen<br />

Gruppe des Körpers. Dann ist G zyklisch.<br />

Beweis. Sei |G| = n und d | n. Wir behaupten, dass höchstens eine zyklische Untergruppe<br />

C von G mit |C| = d gibt. Sei dazu g ∈ G mit ord(g) = d. Dann gilt y d = 1<br />

für alle y in der von g erzeugten zyklischen Gruppe 〈g〉 (das sind d Stück). Wenn 〈g〉<br />

nicht die einzige zyklische Gruppe mit d Elementen ist, dann gibt es d + 1 Elemente<br />

z ∈ G mit z d = 1, was dazu führt, dass X d − 1 mindestens d + 1 Nullstellen hat.<br />

Dieser Widerspruch beweist die Behauptung.


98 5 Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale<br />

Nach dem Hauptsatz 3.3.3 über endlich erzeugte Moduln (hier angewendet<br />

auf Z-Moduln) ist G isomorph zu einer direkten Summe von zyklischen Gruppen<br />

⊕ j Z/n j Z. Da es zu jedem Teiler d von n j ein Element der Ordnung d in Z/n j Z<br />

gibt, müssen nach obiger Behauptung die n j teilerfremd sein. Aber dann sagt der<br />

Chinesische Restsatz 3.3.4, dass G ∼ = Z/( ∏ j n j)Z zyklisch ist.<br />

⊓⊔<br />

Korollar 5.3.2. Sei n ∈ N und K ein Körper. Dann gilt<br />

(i) {ζ ∈ K | ζ n = 1} ist eine zyklische Gruppe bzgl. der Multiplikation im Körper.<br />

(ii) Wenn K endlich ist, dann ist K × := K \ {0} bzgl. der Multiplikation eine zyklische<br />

Gruppe.<br />

Definition 5.3.3. Ist K ein endlicher Körper, so heißt jeder Erzeuger der zyklischen<br />

Gruppe K × ein primitives Element von K.<br />

Lemma 5.3.4. Sei α ∈ F p n primitiv. Dann gibt es ein irreduzibles Polynom f ∈<br />

F p [X] mit deg(f) = n und f(α) = 0.<br />

Beweis. Sei h ∈ F p [X] irreduzibel vom Grad d. Dann gilt (vgl. Satz 4.2.9) [F p (α) :<br />

F p ] = d und h(α) = 0. Es folgt |F p (α)| = p d . Andererseits ist α primitiv in F p n, also<br />

gilt auch F p (α) = F p n. Damit folgt die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.3.5. Es gilt Gal ( F p n/F p<br />

) ∼= Z/nZ und der Erzeuger dieser zyklischen Gruppe<br />

ist der Frobenius-Automorphismus σ 0 .<br />

Beweis. Sei G := Gal(F p n/F p ) und α ∈ F p n primitiv mit Minimalpolynom f ∈<br />

F p [X]. Dann gilt deg(f) = n nach Lemma 5.3.4 und σ ∈ G ist durch σ(α) vollständig<br />

bestimmt. Da aber σ(α) Nullstelle von f sein muss, finden wir |G| ≤ n. Andererseits<br />

ist der Frobenius-Automorphismus σ 0 ∈ G, weil β ∈ F p nach Korollar 4.3.9 genau<br />

dann gilt, wenn β p = β. Wegen σ j 0 (α) = αpj haben wir σ j 0 = id genau dann, wenn<br />

j ∈ Z/nZ und das zeigt G = {σ j 0 | j = 0, . . . , n − 1} ∼ = Z/nZ.<br />

⊓⊔<br />

Lemma 5.3.6. Sei n ∈ N und K Körper mit char(K) = 0 oder char(K) = p,<br />

wobei p die Zahl n nicht teilt. Dann hat f = X n − 1 n verschiedene Nullstellen im<br />

Zerfällungskörper L von f.<br />

Beweis. Da die formale Ableitung f ′ = n X n−1 teilerfremd zu f ist, folgt dies aus<br />

Proposition 4.3.7.<br />

⊓⊔<br />

Sei n ∈ N und K ein Körper sowie L n der Zerfällungskörper von X n − 1 über K.<br />

Ein Erzeuger ζ der Gruppe {ξ ∈ L n | ξ n = 1} heißt primitive n-te Einheitswurzel<br />

über K, wenn char K = 0 oder char(K) = p mit p ̸ | n.<br />

Satz 5.3.7. Sei K ein Körper und α eine primitive n-te Einheitswurzel über K.<br />

Dann ist Gal(K(α)/K) abelsch.


5.3 Primitive Einheitswurzeln 99<br />

Beweis. Da α primitiv ist, folgt {ξ ∈ L n | ξ n = 1} ⊆ K(α) und X n − 1 zerfällt über<br />

K(α). Es folgt L n ⊂ K(α). Umgekehrt K(α) ⊆ L n , weil α ∈ L n . Wir haben also<br />

K(α) = L n . Außerdem sehen wir, dass für jedes σ ∈ Gal(K(α)/K) gilt σ(α) = α j(σ)<br />

(mit passendem j(σ) ∈ Z). Da aber α, und somit auch σ(α), ein Erzeuger von<br />

{ξ ∈ L n | ξ n = 1} ist, sehen wir ggT(j(σ), n) = 1 und dies zeigt, dass<br />

Gal(K(α)/K) → Z/nZ<br />

σ ↦→ j(σ) + nZ<br />

ein injektiver Gruppenhomomorphismus ist. Daraus folgt aber direkt die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Beispiel 5.3.8. Sei p ∈ N prim. Dann ist ζ = e 2πi<br />

p<br />

eine primitive p-te Einheitswurzel<br />

über Q und X p −1 hat den Zerfällungskörper Q(ζ). Schreibe X p −1 = (x−1)Φ p<br />

mit dem irreduziblen Kreisteilungspolynom Φ p (vgl. Korollar 4.4.8). Dann gilt<br />

[Q(ζ) : Q] = p − 1 und nach Satz 5.3.7 und seinem Beweis ist Gal(Q(ζ)/Q) isomorph<br />

zu einer Untergruppe von F × p . Mit F × ∼ p = Z/(p − 1)Z<br />

Gal(Q(ζ)/Q) ∼ = (F p \ {0}, ·) ∼ = (Z/(p − 1)Z, +).<br />

Satz 5.3.9. Sei K ein Körper der Charakteristik char(K) = 0 und ζ ∈ K eine n-te<br />

primitive Einheitswurzel. Weiter sei L der Zerfällungskörper von f = X n −a ∈ K[X]<br />

über K. Dann induziert die Einschränkung auf M = {α ∈ L | f(α) = 0} einen<br />

injektiven Homomorphismus<br />

ϕ : Gal(L/K) → Z/nZ.<br />

Dieser ist surjektiv genau dann, wenn f irreduzibel über K ist.<br />

Beweis. Sei α ∈ M. Dann gilt M = {α, ζα, . . . , ζ n−1 α} und für σ ∈ Gal(L/K)<br />

haben wir σ(α) = ζ j α mit einem passenden j ∈ {0, . . . , n−1}. Durch ϕ(σ) := j+nZ<br />

wird dann der gesuchte injektive Gruppenhomomorphismus ϕ : Gal(L/K) → Z/nZ<br />

definiert. Er ist genau dann surjektiv, wenn Gal(L/K) transitiv auf M operiert und<br />

das ist nach Proposition 5.2.12 genau dann der Fall, wenn f irreduzibel über K<br />

ist.<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.3.10. Sei K ein Körper der Charakteristik char(K) = 0 und f ∈ K[X]<br />

auflösbar durch Radikale. Dann ist Gal K (f) ist auflösbar.<br />

Beweis. Sei L der Zerfällungskörper von f über K. Dann gilt Gal K (f) = Gal(L/K).<br />

Sei K = B 0 ⊆ B 1 ⊆ . . . ⊆ B t eine Radikalerweiterung mit B t ⊇ L. Nach Lemma<br />

5.2.17 können wir annehmen, dass B t Zerfällungskörper von g ∈ K[X] ist. Sei<br />

deg(f) = n und ζ eine primitive n!-te Einheitswurzel. Dann enthält K(ζ) alle p-<br />

ten Einheitswurzeln für p | n! prim (vgl. Satz 5.2.22) und außerdem ist K(ζ) der<br />

Zerfällungskörper von X n! − 1 über K. Betrachte die Kette von Erweiterungen<br />

K ⊆ K(ζ) ⊆ B 1 (ζ) ⊆ . . . ⊆ B t (ζ).<br />

Dann ist B t (ζ)/K eine Radikalerweiterung und Satz 5.2.14 liefert einen injektiven<br />

Gruppenhomomorphismus<br />

Gal ( B t (ζ)/K ) /Gal ( B t (ζ)/K(ζ) ) ↩→ Gal ( K(ζ)/K ) .


100 5 Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale<br />

Aber Gal ( K(ζ)/K ) ist nach Satz 5.3.7 abelsch. Also ist Gal ( B t (ζ)/K(ζ) ) nach Satz<br />

5.2.22 auflösbar. Aber dann ist nach Lemma 5.2.20 auch Gal ( B t (ζ)/K ) auflösbar.<br />

Beachte, dass (nach obiger Annahme) B t (ζ) der Zerfällungskörper von (X n! −<br />

1)g ∈ K[X] über K ist. Insbesondere haben wir K ⊆ L ⊆ B t (ζ). Mit Satz 5.2.14<br />

finden wir die Isomorphie<br />

Gal ( B t (ζ)/K ) /Gal ( B t (ζ)/L ) ∼ = Gal(L/K)<br />

und Lemma 5.2.21 liefert schließlich die Auflösbarkeit dieser Gruppe.<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.3.11 (Abel-Ruffini). Es gibt ein Polynom f ∈ Q[X] vom Grad deg(f) =<br />

5, das nicht durch Radikale auflösbar ist.<br />

Beweis. Das Polynom f = X 5 − 4X + 2 ∈ Q[X] ist nach dem Eisensteinkriterium<br />

4.4.5 irreduzibel. Sei L ⊆ C der Zerfällungskörper von f. Aus der Analysis weiß<br />

man, dass f als reelle Polynomfunktion drei reelle Nullstellen hat.<br />

Beachte, dass Gal Q (f) die komplexe Konjugation enthält und außerdem gilt für<br />

eine Nullstelle α von f:<br />

|G| = [L : Q(α)] [Q(α) : Q] .<br />

} {{ }<br />

=5<br />

Wir betrachten G als Untergruppe von S 5 und finden ein σ ∈ G der Ordnung<br />

ord(σ) = 5. Damit enthält G ≤ S n enthält eine Transposition und einen 5-Zykel,<br />

ist also (vgl. Übung 1.4.3) gleich S 5 . Aber dann ist G wegen G ′ = A 5 und A ′ 5 = A 5<br />

nicht auflösbar (vgl. Übung 1.4.2).<br />

⊓⊔<br />

5.4 Der Hauptsatz der Galoistheorie<br />

Definition 5.4.1. Sei G eine Gruppe. Ein Charakter von G in einem Körper<br />

L ist ein Homomorphismus σ : G → L × = L \ {0}. Eine Menge {σ 1 , . . . , σ n }<br />

von Charakteren σ j : G → L × heißt unabhängig, wenn sie als Teilmenge von<br />

L G = {f : G → L} linear unabhängig ist.<br />

Lemma 5.4.2 (Dedekind). Jede endliche Menge M von Charakteren G → L ×<br />

ist unabhängig.<br />

Beweis. Wir beweisen dies mit Induktion über |M|. Schreibe M = {σ 1 , . . . , σ n }.<br />

n = 1: Wegen σ 1 ≠ 0 ist {σ 1 } linear unabhängig.<br />

n∑<br />

n > 1: Sei a j σ j = 0. Wenn es ein j mit mit a j = 0 gibt, dann zeigt Induktion,<br />

j=1<br />

dass alle anderen Koeffizienten auch gleich 0 sein müssen. Wir nehmen daher<br />

an, dass a j ≠ 0 für alle j. Es gilt dann 0 = ∑ a j σ j (xy) = ∑ j<br />

a jσ j (x)σ j (y)<br />

j<br />

und daher auch 0 = ∑ j<br />

a j σ n (y) −1 σ 1 (x)σ j (y) für alle x, y ∈ G. Es ergibt sich<br />

0 = ∑ j<br />

a j<br />

(<br />

σn (y) −1 σ j (x)σ j (y) − σ j (x) ) =<br />

n−1<br />

∑<br />

j=1<br />

a j<br />

(<br />

σn (y) −1 σ j (y) − 1 ) σ j (x)<br />

und jetzt zeigt Induktion, dass a j<br />

(<br />

σn (y) −1 σ j (y)−1 ) = 0 für j = 1, . . . , n−1.Dies<br />

liefert σ n (y) = σ j (y) für j = 1, . . . , n − 1 und y ∈ G, also σ n = σ j und damit<br />

einen Widerspruch.


5.4 Der Hauptsatz der Galoistheorie 101<br />

⊓⊔<br />

Korollar 5.4.3. Jede endliche Teilmenge {σ 1 , . . . , σ n } von Aut(L) ist, betrachtet<br />

als Teilmenge von Aut(L × ) (hier Gruppenautomorphismen), linear unabhängig in<br />

(L) L× .<br />

Definition 5.4.4. Sei L ein Körper und G ⊆ Aut(L). Dann heißt<br />

L G := {α ∈ L | σ(α) = α (∀ σ ∈ G)}<br />

der Fixkörper von G in L (man verifiziert sofort, dass dies tatsächlich ein Unterkörper<br />

ist).<br />

Beispiel 5.4.5. (i) Sei L/K eine Körpererweiterung und G := Gal(L/K). Dann<br />

gilt K ⊆ L G ⊆ L.<br />

(ii) Sei L = K(X 1 , . . . , X n ) der Körper der rationalen Funktionen in den Variablen<br />

X 1 , . . . , X n , d.h. der Quotientenkörper von K[X 1 , . . . , X n ]. Dann wirkt G := S n<br />

auf L durch Permutation der Variablen, und L G ist der Körpter der symmetrischen<br />

rationalen Funktionen, der von<br />

erzeugt wird.<br />

x 1 + . . . + x n ,<br />

x 1 x 2 + x 1 x 3 + x 1 x 4 + . . . + x n−1 x n ,<br />

.<br />

x 1 · · · x n<br />

Lemma 5.4.6. Sei G = {σ 1 , . . . , σ n } ⊆ Aut(L). Dann gilt [L : L G ] ≥ n.<br />

Beweis. Wir nehmen an, dass [L : L G ] = r < n und wählen eine L G -Basis<br />

{α 1 , . . . , α r } für L. Das durch die Matrix ( σ j (α i ) ) i=1...r gegebene, homogene lineare<br />

j=1...n<br />

Gleichungssystem hat eine Lösung (x 1 , . . . , x n ) ≠ 0 (mehr Variablen als Gleichungen).<br />

Wenn jetzt β ∈ L, dann läßt sich β als β =<br />

r ∑<br />

i=1<br />

b i α i mit b i ∈ L G schreiben.<br />

Multipliziert man die i-te Zeile des obigen Gleichungssystems mit σ 1 (b i ) = σ 2 (b i ) =<br />

. . . = σ n (b i ), so findet man die Gleichung<br />

0 = σ 1 (b i )σ 1 (α i )x 1 + . . . + σ n (b i )σ n (α i )x n = σ 1 (b i α i )x 1 + . . . + σ n (b i α i )x n .<br />

Addiert man diese Gleichungen, ergibt sich σ 1 (β)x 1 + . . . + σ n (β)x n = 0 für alle<br />

β ∈ L und somit ein Widerspruch zu Lemma 5.4.2.<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.4.7. Für eine Untergruppe G = {σ 1 , . . . , σ n } ≤ Aut(L) gilt [L : L G ] = |G|.<br />

Beweis. Wegen Lemma 5.4.6 bleibt nur zu zeigen, dass [L : L G ] ≤ |G|. Dazu nehmen<br />

wir [L : L G ] > n an und wählen über L G linear unabhängige Elemente w 1 , . . . , w n+1<br />

von L. Das durch die Matrix ( σ i (w j ) ) i=1...n gegebene lineare Gleichungssystem<br />

j=1...n+1<br />

hat wieder eine Lösung (x 1 , . . . , x n+1 ) ≠ 0 und wir wählen eine Lösung mit minimaler<br />

Anzahl von Komponenten ungleich Null. Nach einer Umnumerierung haben wir<br />

dann (x 1 , . . . , x r , 0, . . . , 0) mit x j ≠ 0 für j = 1, . . . , r und wir können auch x r = 1<br />

annehmen. Beachte, dass r > 1, weil sonst σ 1 (w 1 )x 1 = 0, was auf σ 1 (w 1 ) = 0 führen<br />

würde. Außerdem können nicht alle x j ∈ L G sein, weil für σ i = id die i-te Gleichung


102 5 Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale<br />

∑<br />

xj w j = 0 liefern würde, was im Widerspruch zur Wahl der w j steht. Wir können<br />

o.B.d.A. annehmen, dass x 1 /∈ L G gilt und daher finden wir ein σ k mit σ k (x 1 ) ≠ x 1 .<br />

Jetzt liefert die i-te Gleichung (i beliebig) σ i (w 1 )x 1 +. . .+σ i (w r−1 )x r−1 +σ i (w r ) = 0<br />

und damit<br />

( ) ( ) (<br />

0 = σ k σi (w 1 )x 1 + . . . + σk σi (w r−1 )x r−1 + σk σi (w r ) )<br />

} {{ }<br />

} {{ }<br />

} {{ }<br />

σ l<br />

σ l<br />

σ l<br />

= σ l (w 1 )σ k (x 1 ) + . . . + σ l (w r−1 )σ k (x r−1 ) + σ l (w r ).<br />

Subtrahiert man jetzt die l-te Gleichung, findet man<br />

σ l (w 1 ) ( )<br />

σ k (x 1 ) − x 1 + . . . + σl (w r−1 ) ( )<br />

σ k (x r−1 ) − x r−1 = 0,<br />

} {{ }<br />

≠0<br />

d.h. die Lösung ( σ k (x 1 ) − x 1 , . . . , σ k (x r−1 ) − x r−1 , 0, . . . , 0 ) ≠ 0 liefert einen Widerspruch<br />

zur Minimalität.<br />

⊓⊔<br />

Korollar 5.4.8. Sei L ein Körper und G und H endliche Untergruppen von Aut(L)<br />

mit L G = L H . Dann gilt G = H.<br />

Beweis. Behauptung: Für alle σ ∈ Aut L gilt: σ ∈ G ⇐⇒ σ| L G = id.<br />

Um das zu zeigen, wähle zunächst σ ∈ G. Dann gilt σ(α) = α für alle α ∈ L G<br />

und daher σ| L G = id. Umgekehrt, wenn für σ ∈ Aut(L) gilt σ| L G = id und σ nicht<br />

in G ist, dann hat die von G und σ erzeugte Untergruppe 〈G ∪ {σ}〉 von Aut(L)<br />

mehr als |G| Elemente. Wegen L G ⊆ L 〈G∪{σ}〉 finden wir mit Satz 5.4.7<br />

|G| = [L : L G ] ≥ [L : L 〈G∪{σ}〉 ] = |〈G ∪ {σ}〉|<br />

und dieser Widerspruch beweist die Behauptung.<br />

Wendet man die analoge Behauptung jetzt auch auf H an, folgt das Korollar<br />

sofort:<br />

G = {σ ∈ Aut(L) | σ| L G = id } = {σ ∈ Aut(L) | σ| L H = id } = H.<br />

⊓⊔<br />

Bemerkung 5.4.9. Sei L/K eine Körpererweiterung und G = Gal(L/K). Dann<br />

gilt K ⊆ L G ⊆ L und es stellt sich die Frage, wann K = L G gilt Ist zum Beispiel<br />

K = Q und α ∈ R mit α 3 = 2, dann findet man L = Q(α) und es ergibt sich<br />

Gal(L/K) = {1}, weil σ(α) 3 = 2 gelten muss, aber die komplexen Wurzeln nicht in<br />

L sind.<br />

Satz 5.4.10. Sei L/K eine endliche Körpererweiterung und G = Gal(L/K). Dann<br />

sind folgende Aussagen äquivalent:<br />

(1) K = L G .<br />

(2) Jedes irreduzible Polynom p ∈ K[X] mit einer Nullstelle α ∈ L ist separabel und<br />

zerfällt über L.<br />

(3) L ist Zerfällungskörper eines separablen Polynoms f ∈ K[X].<br />

Beweis. ”<br />

(1)⇒(2)“: Schreibe {σ(α) | σ ∈ G} =: {α 1 , . . . , α n } und setze g :=<br />

∏ n<br />

j=1 (X − α j) ∈ L[X]. Dann liegen die Koeffizienten von g in L G = K, d.h.<br />

g ∈ K[X]. Weiter gilt ggT(g, p) ≠ 1, weil beide Polynome von X − α in L[X]<br />

geteilt werden. Aber dann gilt p | g, weil p irreduzibel ist und dies zeigt, dass p<br />

keine mehrfachen Wurzeln hat (also separabel ist) und über L zerfällt.


5.4 Der Hauptsatz der Galoistheorie 103<br />

” (2)⇒(3)“: Sei α 1 ∈ L \ K. Dann ist α 1 algebraisch über K, weil L/K endlich ist.<br />

Sei p 1 ∈ K[X] das Minimalpolynom von α 1 . Wegen (2) ist p 1 separabel und<br />

zerfällt über L. Wir bezeichnen Zerfällungskörper von p 1 über K mit K 1 . Wenn<br />

L K 1 , wählen wir ein α 2 ∈ L \ K 1 und wiederholen das Argument. Der<br />

Zerfällungskörper von p 1 p 2 werde dann mit K 2 bezeichnet. Wir fahren so fort<br />

und erhalten K ⊆ K 1 ⊆ K 2 ⊆ . . . ⊆ K m = L (das Verfahren muss wegen der<br />

Endlichkeit L/K terminieren). Da aber K m der Zerfällungskörper von p 1 · · · p m<br />

ist, folgt (3).<br />

(3)⇒(1)“: Nach Satz 5.2.9 gilt wegen (3), dass |G| = [L : K]. Aber wegen Satz<br />

”<br />

5.4.7 gilt auch [L : L G ] = |G| und das zeigt (1), weil K ⊆ L G .<br />

⊓⊔<br />

Definition 5.4.11. Eine endliche Körpererweiterung L/K heißt Galoiserweiterung,<br />

wenn sie die äquivalenten Bedingungen von Satz 5.4.10 erfüllt.<br />

Sei L/K eine Galoiserweiterung und K ⊆ E, F ⊆ L Zwischenkörper. Wenn es<br />

einen Isomorphismus ϕ : E → F mit ϕ| K = id gibt, dann heißen E und F konjugiert.<br />

Lemma 5.4.12. Sei L/K eine Galoiserweiterung und E ein Zwischenkörper. Dann<br />

sind folgende Aussagen äquivalent:<br />

(1) E ist nur zu sich selbst konjugiert.<br />

(2) σ| E ∈ Gal(E/K) für alle σ ∈ Gal(L/K).<br />

(3) E/K ist eine Galoiserweiterung.<br />

Beweis. (1)⇒(2)“: Dies ist klar.<br />

”<br />

(2)⇒(3)“: Sei p ∈ K[X] irreduzibel mit Nullstelle β ∈ E. Da L/K eine Galoiserweiterung<br />

ist, ist p separabel und zerfällt über L. Sei β ′ ∈ L Nullstelle von p. Nach<br />

”<br />

Korollar 4.2.11 gibt es einen Isomorphismus τ : K(β) → K(β ′ ) mit τ| K = id.<br />

Nach Satz 4.2.16 gibt es dann auch ein σ ∈ Gal(L/K) mit σ| K(β) = τ. Jetzt<br />

liefert (2), dass σ| E ∈ Gal(E/K) und daher insbesondere σ(β) ∈ E. Also zerfällt<br />

p über E.<br />

(3)⇒(1)“: E ist der Zerfällungskörper von f ∈ K[X] über K, also gilt E =<br />

”<br />

K(α 1 , . . . , α n ) mit den Nullstellen α 1 , . . . , α n } von f. Jedes σ ∈ Gal(L/K) permutiert<br />

die α j ’s und daher gilt σ(E) = E. Nach Korollar 4.2.17 läßt sich jedes<br />

τ : E → τ(E) mit τ| K = id zu einem ˜τ ∈ Gal(L/K) fortsetzen und es folgt<br />

τ(E) = E.<br />

⊓⊔<br />

Definition 5.4.13. Ein Verband ist eine partiell geordnete Menge (L, ≤) in der<br />

jedes Paar a, b ∈ L eine größte untere Schranke a∧b und eine kleinste obere Schranke<br />

a ∨ b hat.<br />

Beispiel 5.4.14. (i) Sei L/K eine Körpererweiterung<br />

ZW(L/K) := {E | Zwischenkörper }.<br />

Mit der Inklusion als Ordnung und E∧F = E∩F sowie E∨F = EF (Kompositum)<br />

wird ZW(L/K) zu einem Verband.<br />

(ii) Sei G eine Gruppe UG(G) := {H ≤ G | Untergruppe }. Mit der Inklusion als<br />

Ordnung und H ∧ K = H ∩ K sowie H ∨ K = 〈H ∪ K〉 (erzeugte Gruppe) wird<br />

UG(G) zu einem Verband.


104 5 Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale<br />

Lemma 5.4.15. γ : L → L ′ sei eine ordnungsumkehrende (d.h. antitone) Bijektion<br />

von Verbänden. Dann gilt<br />

γ(a ∨ b) = γ(a) ∧ γ(b) und γ(a ∧ b) = γ(a) ∨ γ(b).<br />

Beweis. Wenn a, b ≤ a ∨ b, dann gilt γ(a), γ(b) ≥ γ(a ∨ b), also γ(α) ∧ γ(b) ≥<br />

γ(a ∨ b). Da γ surjektiv ist, gibt es ein c ∈ L mit γ(c) = γ(a) ∧ γ(b). Aber γ −1<br />

ist automatisch ebenfalls antiton (Übung), was a, b ≤ c ≤ a ∨ b zeigt. Dies liefert<br />

zunächst c = a ∨ b und dann γ(a ∨ b) = γ(a) ∧ γ(b). Die zweite Identität beweist<br />

man analog (Übung).<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.4.16 (Hauptsatz der Galoistheorie).<br />

mit Galoisgruppe G = Gal(L/K).<br />

(i) Die Abbildung<br />

Sei L/K eine Galoiserweiterung<br />

γ : UG(G) → ZW(L/K)<br />

H ↦→ L H<br />

ist eine antitone Bijektion mit Inversem<br />

δ : ZW(L/K) → UG(G)<br />

E ↦→ Gal(L/E).<br />

(ii) Es gilt L Gal(L/E) = E und Gal(L/ L H ) = H.<br />

(iii) Es gilt L H∨K = L H ∩ L K und L H∩K = L H ∨ L K .<br />

(iv) Es gilt Gal ( L/(E ∨ F) ) = Gal(L/E) ∩ Gal(L/F) und Gal ( L/(E ∩ F) ) =<br />

Gal(L/E) ∨ Gal(L/F).<br />

(v) Es gilt [E : K] = [G : Gal(L/E)] und [G : H] = [L H : K].<br />

(vi) E/K ist genau dann eine Galoiserweiterung, wenn Gal(L/E) ✂ G.<br />

Beweis. (i) Aus K ≤ H folgt L H ≤ L K , also ist γ antiton. Die Injektivität von γ<br />

folgt aus Korollar 5.4.8.<br />

Ist L/K Galoiserweiterung, so ist L nach Satz 5.4.10 Zerfällungskörper von f ∈<br />

K[X] über K, also auch Zerfällungskörper von f ∈ E[X] über E ∈ ZW(L/K).<br />

Wieder mit Satz 5.4.10 sehen wir, dass L/E eine Galoiserweiterung ist. Aber<br />

dann ist, nochmal mit Satz 5.4.10<br />

E = L Gal(L/E) = γ · δ(E).<br />

Dies zeigt γ ◦ δ = id und δ = γ −1 , d.h. die Behauptung.<br />

(ii) Dies ist nur eine Umformulierung von γ ◦ δ = id und δ ◦ γ = id.<br />

(iii), (iv) Dies folgt sofort aus Lemma 5.4.15, angewandt auf γ bzw. δ.<br />

(v) Mit Satz 5.4.7 finden wir<br />

[E : K] =<br />

[L : K]<br />

[L : E] = |G|<br />

= [G : Gal(L/E)]<br />

| Gal(L/E)|<br />

und das liefert [L H : K] = [G : Gal ( L/L H) ] = [G : δ ◦ γ(H)] = [G : H].<br />

(vi) Wenn E/K eine Galoiserweiterung ist, liefern Satz 5.2.14 und Satz 5.4.10, dass<br />

Gal(L/E) ein Normalteiler in Gal(L/K) ist.<br />

Umgekehrt, wenn H := Gal(L/ B ) ✂ G, dann gibt es zu σ ∈ G und τ ∈ H ein<br />

τ ′ ∈ H mit τσ = στ ′ . Also gilt τσ(α) = σ(α) für alle α ∈ E, d.h. σ(E) ⊆ L H =<br />

E. Aus Dimensionsgründen muss dann σ(E) = E gelten und dann zeigt Lemma<br />

5.4.12, dass E/K eine Galoiserweiterung ist.<br />

⊓⊔


5.4 Der Hauptsatz der Galoistheorie 105<br />

Lemma 5.4.17. Sei L Zerfällungskörper von f ∈ K[X] über K und G = Gal(L/K).<br />

Wenn ˜K/L eine Erweiterung ist und ˜L ⊇ L Zerfällungskörper von f ∈ ˜K[X] über<br />

˜K, dann ist<br />

ein injektiver Gruppenhomomorphismus.<br />

Gal(˜L/˜K) → Gal(L/K)<br />

σ ↦→ σ| L<br />

Beweis. Schreibe L = K(α 1 , . . . , α n ) und ˜L = ˜K(α 1 , . . . , α n ) mit den Nullstellen<br />

α 1 , . . . , α n von f in L. Jedes σ ∈ Gal(˜L/˜K) läßt die Menge {α 1 , . . . , α n } invariant.<br />

Also gilt σ(L) = L (da ja σ| K = id) und wir sehen, dass die angegebene Abbildung<br />

ein wohldefinierter Gruppenhomomorphismus ist. Da σ ist durch seine Werte auf<br />

{α 1 , . . . , α n } vollständig bestimmt, folgt auch die Injektivität. ⊓⊔<br />

Sei L/K eine Galoiserweiterung und α ∈ L × = L \ {0} sowie G := Gal(L/K). Dann<br />

heißt<br />

N(α) := ∏ σ(α)<br />

σ∈G<br />

die Norm von α.<br />

Bemerkung 5.4.18. (i) N(α) ∈ K × für alle α ∈ L × (weil G-invariant).<br />

(ii) Es gilt N(αβ) = N(α)N(β) für alle α, β ∈ L × und N(1) = 1, d.h. N : L × → K ×<br />

ist ein Gruppenhomomorphismus.<br />

(iii) Für α ∈ K × gilt N(α) = α n mit n = [L : K] = |G|.<br />

(iv) N ( σ(α) ) = N(α) für alle α ∈ L × und alle σ ∈ G.<br />

Lemma 5.4.19 (Hilberts Satz 90). Sei L/K eine Galoiserweiterung mit G =<br />

Gal(L/K) ∼ = Z/nZ. Mit G = 〈σ〉 sind dann für α ∈ L × folgende Aussagen<br />

äquivalent:<br />

(1) N(α) = 1.<br />

(2) Es gibt ein β ∈ L mit α = βσ(β) −1 .<br />

Beweis. ”<br />

(2)⇒(1)“: N(α) = N ( βσ(β) −1) = N(β)N ( σ(β) ) −1<br />

= N(β)N(β) −1 = 1.<br />

” (1)⇒(2)“: Setze δ 0 = α, δ 1 = ασ(α), . . . , δ n−1 = ασ(α)σ 2 (α) . . . σ n−1 (α). Dann<br />

gilt δ n−1 = N(α) = 1.<br />

Korollar 5.4.3 zeigt, dass {1, σ, σ 2 , . . . , σ n−1 } linear unabhängig in L L ist, also<br />

gibt es ein γ ∈ L mit<br />

β := δ 0 γ + δ 1 σ(γ) + · · · + δ n−2 σ n−2 (γ) + δ n−1<br />

}{{}<br />

=1<br />

Jetzt zeigt ασ(δ j ) = δ j+1 für j = 0, . . . , n − 2, dass<br />

σ(β) = α −1( δ 1 σ(γ) + · · · + δ n−1 σ n−1 (γ) ) +<br />

σ n−1 (γ) ≠ 0.<br />

σ n (γ)<br />

} {{ }<br />

=γ=α −1 δ 0γ<br />

= α −1 β.<br />

⊓⊔<br />

Korollar 5.4.20. Sei L/K eine Galoiserweiterung und [L : K] = p prim. Wenn K<br />

eine primitive p-te Einheitswurzel enthält, dann ist L/K rein.


106 5 Auflösbarkeit von Gleichungen durch Radikale<br />

Beweis. Sei w ∈ K primitive p-te Einheitswurzel. Dann gilt N(w) = w p = 1 und für<br />

G = Gal(L/K) zeigt der Hauptsatz 5.4.16 der Galoistheorie |G| = p, also G ∼ = F p .<br />

Mit einem Erzeuger σ schreiben wir G = 〈σ〉 und Lemma 5.4.19 liefert ein β ∈ L<br />

mit w = βσ(β) −1 . Dann gilt σ(β) = βw −1 und mit σ(β p ) = (βw −1 ) p = β p folgt<br />

β p ∈ L G = K. Wegen w ≠ 1 erhalten wir β /∈ K und für K(β) ∈ ZW(L/K) findet<br />

man<br />

[K(β) : K] | [L<br />

} {{<br />

: K<br />

}<br />

].<br />

=p<br />

Aber dann gilt [K(β) : K] = p das zeigt K(β) = L, d.h. die Behauptung.<br />

⊓⊔<br />

Satz 5.4.21 (Galois). Sei K eine Körper der Charakteristik char K = 0 und L/K<br />

eine Galoiserweiterung mit auflösbarer Galoisgruppe G = Gal(L/K). Dann gibt<br />

es eine Radikalerweiterung ˜L/K mit L ⊆ ˜L. Insbesondere gilt mit Satz 5.3.10 für<br />

f ∈ K[X]:<br />

f(x) durch Radikale auflösbar ⇐⇒ Gal K (f) auflösbar.<br />

Beweis. Wir beweisen dies mit Induktion über [L : K]. Der Fall [L : K] = 1 ist klar.<br />

Sei also [L : K] > 1. Korollar 5.2.19 liefert einen Normalteiler H ✂G mit [G : H] = p<br />

prim. Sei jetzt w primitive p-te Einheitswurzel und ˜K := K(w). Für ˜L = L(w)<br />

ist dann ˜L/K eine Galoiserweiterung (betrachte das Polynom f(X p − 1), wenn L<br />

Zerfällungskörper von f ist). Da ˜L der Zerfällungskörper von X p − 1 über ˜K ist, ist<br />

˜L/˜K eine Galoiserweiterung. Außerdem ist ˜K/K eine reine Erweiterung. Wenn jetzt<br />

˜L ⊆ ˜F, ˜F/˜K eine Radikalerweiterung ist, dann ist ˜F/K eine Radikalerweiterung und<br />

es gilt L ⊆ ˜F. Aber dann gilt<br />

und ˜G ist auflösbar.<br />

˜G := Gal(˜L/˜K) ϕ<br />

↩→ Gal(L/K)<br />

1. Fall Für | ˜G| < |G| gilt [˜L : ˜K] < [L : K] und Induktion liefert eine Radikalerweiterung<br />

˜F/˜K mit ˜L ⊆ ˜F, was dann die Behauptung beweist.<br />

2. Fall Für | ˜G| = |G| setze Ẽ := ˜L ˜H und ˜H = ϕ −1 (H). Dann gilt ˜G ϕ ∼ = G und<br />

Ẽ/˜K ist Galoiserweiterung mit<br />

[Ẽ : ˜K] = [ ˜G : ˜H] = [G : H] = p.<br />

Aber ˜K/K ist rein und ˜L/Ẽ ist eine Galoiserweiterung mit<br />

[˜L : Ẽ] = | ˜H| = |H| < [L : K].<br />

Außerdem ist Gal(˜L/Ẽ) = ˜H auflösbar. Jetzt liefert wieder Induktion<br />

eine Radikalerweiterung ˜F/Ẽ mit ˜L ⊆ ˜F. Mit Korollar 5.4.20 erhält man<br />

jetzt<br />

K rein<br />

⊆<br />

˜K<br />

rein<br />

⊆ Ẽ rad.<br />

⊆ ˜F.<br />

Also ist ˜F/K eine Radikalerweiterung, die ˜L enthält, und das zeigt die<br />

Behauptung.<br />

⊓⊔


5.4 Der Hauptsatz der Galoistheorie 107<br />

Beispiel 5.4.22 (Regelmäßige n-Ecke). Das regelmäßige n-Eck ist genau dann<br />

konstruierbar, wenn für die Primzahlzerlegung n = 2 k p k1<br />

1 · · · pk m m gilt: k j = 1 und p j<br />

ist eine Fermatsche Primzahl.<br />

Nach Beispiel 4.5.7 bleibt nur noch zu zeigen, dass die p-te Einheitswurzel ζ p<br />

für eine Fermatsche Primzahl p = 2 2l + 1 konstruierbar ist. Da nach Beispiel 5.3.8<br />

die Galoisgruppe G := Gal(Q(ζ p )/Q) zyklisch der Ordnung p − 1 = 2 2l ist, findet<br />

man eine Kette von zyklischen Untergruppen<br />

{e} = H 0 ≤ H 1 ≤ . . . ≤ H 2 l = G,<br />

für die |H j | = 2 j gilt. Für die zugehörigen Fixkörper L j gilt dann<br />

Q = L 0 ⊆ L 1 ⊆ . . . ⊆ L 2l = Q(ζ p )<br />

und [L j+1 : L j ] = 2, d.h. ζ p ist konstruierbar.<br />

⊓⊔


Sachverzeichnis<br />

Φ p , Kreisteilungspolynom, 86<br />

κ g, Konjugation mit g, 19<br />

Aff(V ), affine Gruppe, 18<br />

A n , 21<br />

Aut(G), 18<br />

Aut K (L), Körperautomorphismen mit<br />

Fixpunktmenge K, 93<br />

Bij(M), Menge aller bijektiven Selbstabbildungen<br />

von M, 3<br />

c(f), Inhalt von f, 49<br />

Cent(R), Zentrum eines Ringes R, 30<br />

char(K), Charakteristik eines Körpers, 83<br />

deg(f), Grad eines Polynoms, 32<br />

D n, 3<br />

ev x , Auswertung, 33<br />

Fix(g), Fixpunkte, 15<br />

F q, endlicher Körper mit q Elementen, 84<br />

ggT(a 1 , . . . , a k ) für Ringe, 38<br />

GL(V ), 18<br />

Gal(L/K), Galoisgruppe einer<br />

Körpererweiterung, 93<br />

Gal K (f), Galoisgruppe eines Polynoms, 93<br />

Hom(G, H), 18<br />

Hom R (M, N), Modulhomomorphismen, 54<br />

im ϕ, Bild eines Gruppenhomomorphismus,<br />

19<br />

Inn(G), 22<br />

ker ϕ, Kern eines Gruppenhomomorphismus,<br />

19<br />

N(α), Norm bzgl. eine Galoiserweiterung,<br />

105<br />

Ord(a), Ordnung eines Gruppenelements,<br />

25<br />

Proj n (K), projektiver Raum, 6<br />

rest ]c,d[ , Restriktion, 33<br />

S n, symmetrische Gruppe, 3<br />

Unit(R), Einheiten in einem Ring R, 30<br />

K(α 1 , . . . , α n ), von K und den α j erzeugter<br />

Unterkörper, 79<br />

〈E〉, von E erzeugter Untermodul, 56<br />

L G , Fixkörper einer Automorphismengruppe,<br />

101<br />

G x , Stabilisator von x in G, 13<br />

G/U, Nebenklassenraum, 13<br />

U\G, Nebenklassenraum, 13<br />

[G : U], Index von U in G, 13<br />

[L : K], Grad einer Körpererweiterung, 78<br />

G\X, G-Bahnen, 7<br />

G · x, G-Bahn, 7<br />

I ✂ R, Ideal in einem Ring, 32<br />

L/K, Körpererweiterung, 78<br />

G (i+1) , höhere Kommutatorgruppen, 96<br />

〈M〉, von M erzeugte Untergruppe, 12<br />

N U (M), 12<br />

R[X 1 , . . . , X k ], Polynomring, 32<br />

R[X 1, . . . , X k ] d , homogene Polynome vom<br />

Grad d, 32<br />

U ≤ G, Untergruppe, 10<br />

U ✂ G, Normalteiler in einer Gruppe, 21<br />

Z U (M), 12<br />

R × , Einheiten in einem Ring R, 30<br />

Abbildung<br />

gebrochen lineare, 8<br />

Abel, Niels Hendrik (1802–1829), 100<br />

Addition, 29<br />

Adjunktion<br />

von Elementen, 79<br />

äquivariant, 14<br />

algebraisch abgeschlossen, 71<br />

algebraische Körpererweiterung, 79<br />

algebraisches Element, 79<br />

allgemeine lineare Gruppe, 4<br />

alternierende Gruppe, 21<br />

Assoziativgesetz<br />

der Gruppenoperation, 1<br />

assoziierte Elemente<br />

eines Ringes, 38<br />

auflösbare Gruppe, 96<br />

Auflösbarkeit durch Radikale, 92<br />

Auswertung<br />

eines Ringhomomorphismus, 69<br />

Auswertungshomomorphismus, 34<br />

Automorphismus<br />

Graphen-, 4<br />

Gruppen-, 18


110 Sachverzeichnis<br />

innerer, 19<br />

Bahn<br />

einer Gruppenwirkung, 7<br />

Bahnenabbildung, 14<br />

Bahnengleichung, 15<br />

Bahnenraum<br />

einer Gruppenwirkung, 7<br />

Basis<br />

eines Moduls, 56<br />

Bild<br />

eines Gruppenhomomorphismus, 19<br />

eines Modulhomomorphismus, 55<br />

Binomialformel<br />

in Charakteristik p, 83<br />

Burnside<br />

Lemma von, 15<br />

Burnside, William (1852–1927), 15<br />

Cauchy<br />

-Produkt, auf formalen Potenzreihen, 32<br />

Charakter<br />

einer Gruppe, 100<br />

Charakteristik<br />

eines Körpers, 83<br />

charakteristische Polynom, 34<br />

charakteristisches Polynom, 70<br />

Chevalley, Claude (1909–1984), 72<br />

Chinesischer Restsatz, 67<br />

Darstellung<br />

einer Gruppe, 8<br />

Dedekind, (Julius Wilhelm) Richard<br />

(1831–1916), 100<br />

Delisches Problem, 89<br />

Derivation<br />

einer Polynomalgebra, 84<br />

Diagramm<br />

kommutatives, 58<br />

Diedergruppe, 3<br />

direkte Summe<br />

von Moduln, 59<br />

direktes Produkt<br />

von Gruppen, 5<br />

von Moduln, 59<br />

Distributivgesetz, 29<br />

Division mit Rest in einem euklidischen<br />

Ring, 43<br />

Divisionsring, 30<br />

dynamisches System<br />

reversibles, 8<br />

Ecke<br />

eines Graphen, 4<br />

einfache<br />

Körpererweiterung, 79<br />

Einheit<br />

in einem Ring, 30<br />

Einparametergruppe, 18<br />

diskrete, 18<br />

Einselement<br />

einer Gruppe, 1<br />

Eisenstein<br />

-Kriterium, 86<br />

Eisenstein, Ferdinand Gotthold Max<br />

(1823–1852), 86<br />

Element<br />

irreduzibles, 48<br />

endliche Erweiterung, 78<br />

Erlanger Programm, 6<br />

Erweitedrungskörper, 78<br />

Erweiterung<br />

endliche, 78<br />

reine, 92<br />

Erzeugnis<br />

in einem Modul, 56<br />

euklidischer Algorithmus, 44<br />

euklidischer Ring, 43<br />

f.f.a., ”<br />

für fast alle“, 11<br />

Faktormodul, 55<br />

Fermat<br />

Primzahl, 90<br />

Fixkörper<br />

einer Automorphismengruppe, 101<br />

Fixpunkt<br />

einer Gruppenwirkung, 15<br />

Frobenius<br />

-Automorphismus, für Körper endlicher<br />

Charakteristik, 83, 98<br />

Frobenius, (Ferdinand) Georg (1849-1917),<br />

83, 98<br />

für fast alle, 11<br />

G-Raum, 14<br />

Galois<br />

-Felder, 84<br />

Erweiterung, 103<br />

Galoisgruppe<br />

einer Körpererweiterung, 93<br />

Gauß<br />

-Zahlen, 30<br />

Gauß, Carl Friedrich (1777–1855), 30, 50<br />

Gauß, Johann Friedrich Carl (Originalname),<br />

30<br />

gebrochen lineare Abbildung, 8<br />

Grad<br />

einer Körpererweiterung, 78<br />

eines Polynoms, 32<br />

Gradfunktion, 43<br />

Graph, 4<br />

-Automorphismus, 4<br />

größter gemeinsamer Teiler, 38<br />

Gruppe<br />

abelsche, 1<br />

affine, 18<br />

allgemeine lineare, 4<br />

auflösbare, 96


Sachverzeichnis 111<br />

einfache, 22<br />

orthogonale, 4<br />

Quotienten-, 23<br />

spezielle lineare, 4<br />

spezielle orthogonale, 4<br />

spezielle unitäre, 4<br />

symplektische, 4<br />

unipotente, 4<br />

unitäre, 4<br />

zyklische, 12, 24<br />

Gruppen, 1<br />

-Automorphismus, 18<br />

-Darstellung, 8<br />

-Homomorphismus, 18<br />

-Isomorphismus, 18<br />

-Operation, 6<br />

-Tafel, 1<br />

-Wirkung, 6<br />

-Wirkung, transitive, 7<br />

Gruppenordnung, 25<br />

Halbgruppe, 1<br />

Hauptideal, 33<br />

Hauptidealring, 43<br />

Hauptsatz der Galoistheorie, 104<br />

Heisenberg<br />

-Gruppe, 11<br />

Heisenberg, Werner (1901–1976), 11<br />

Hilbert<br />

Satz 90, 105<br />

Hilberts Satz 90, 105<br />

homogener Raum, 7<br />

homogenes Polynom, 32<br />

Homomorphismus<br />

Gruppen-, 18<br />

Modul-, 54<br />

Ring-, 32<br />

Ideal, 32<br />

-Links, 55<br />

-Rechts, 55<br />

maximales, 38<br />

von einer Menge erzeugtes, 33<br />

Index<br />

einer Untergruppe, 13<br />

Inhalt, 49<br />

innere direkte Summe<br />

von Untermoduln, 61<br />

Integritätsbereich, 36<br />

Invarianz<br />

der Basislänge<br />

für freie Moduln, 57<br />

inverses Element<br />

in einer Gruppe, 1<br />

irreduzibles Element, 48<br />

irreduzibles Polynom, 48<br />

Isomorphiesatz<br />

dritter, für Gruppen, 24<br />

erster, für Gruppen, 23<br />

zweiter, für Gruppen, 23<br />

Isomorphismus<br />

Gruppen-, 18<br />

Modul-, 55<br />

Ring-, 33<br />

Isotropiegruppe, 13<br />

Jordan<br />

-Block, 71<br />

-Normalform, 72<br />

Jordan, Camille (1838–1922), 72<br />

Jordan–Chevalley–Zerlegung, 72<br />

Körper<br />

perfekter, 91<br />

Körpererweiterung, 78<br />

separable, 91<br />

Kante<br />

eines Graphen, 4<br />

Kern<br />

eine Modulhomomorphismus, 55<br />

eines Gruppenhomomorphismus, 19<br />

eines Ringhomomorphismus, 33<br />

Körper<br />

algebraisch abgeschlossener, 71<br />

Körpererweiterung<br />

algebraische, 79<br />

einfache, 79<br />

transzendente, 79<br />

Körpererweiterung, 46<br />

Kommutativgesetz<br />

für Gruppen, 1<br />

multiplikativ, 29<br />

Kommutatorgruppe, 21<br />

Kompositum zweier Körper, 95<br />

Konjugation, 19<br />

Konjugationsklasse, 19<br />

Konjugierte, 19<br />

konjugierte Zwischenkörper, 103<br />

konstruierbare<br />

Punkte, 87<br />

Zahlen, 87<br />

Kreisquadrierung, 89<br />

Kreisteilungspolynom, 86<br />

Kürzungsregeln, 2<br />

kurze exakte Sequenz, 62<br />

Lagrange<br />

Satz von, 15<br />

Lagrange, Joseph Louis (1736–1813), 15<br />

Leitkoeffizient, 32<br />

Lemma<br />

von Burnside, 15<br />

von Gauß, 49<br />

lexikographische Ordnung, 37<br />

Lindemann, Ferdinand von (1852–1939),<br />

89<br />

Linearkombination<br />

in einem Modul, 56


112 Sachverzeichnis<br />

Linkswirkung<br />

einer Gruppe, 6<br />

Minimalpolynom<br />

einer lineare Abbildung, 69<br />

eines Körperelements, 80<br />

Modul, 53<br />

endlich erzeugter, 56<br />

freier, 56<br />

Links-, 53<br />

Rechts-, 54<br />

zyklischer, 54<br />

Modulhomomorphismus, 54<br />

monisches Polynom, 32<br />

Monoid, 1<br />

Multiindex, 31<br />

Multiplikation, 29<br />

Nebenklassen, 13<br />

Norm<br />

bzgl. eine Galoiserweiterung, 105<br />

Normalisator, 12<br />

Normalteiler, 21<br />

normiertes Polynom, 32<br />

Nullstelle<br />

eines Polynoms, 75<br />

Nullteiler, 36<br />

Ordnung<br />

eines Gruppenelements, 5, 25<br />

lexikographische, 37<br />

totale, 37<br />

perfekter Körper, 91<br />

Polynom, 32<br />

charakteristisches, 34<br />

homogenes, 32<br />

irreduzibles, 48<br />

normiertes, 32, 69, 71<br />

separables, 91<br />

Polynomdivision, 42<br />

Potenzreihe<br />

formale, 31<br />

Primelement, 38<br />

Primideal, 38<br />

primitiv, 48<br />

primitive Einheitswurzel, 98<br />

primitives Element, 98<br />

Primkörper, 83<br />

Primzerlegung<br />

eindeutige, 46<br />

Projektionen<br />

kanonische, auf Untermoduln, 61<br />

projektiver Raum, 6<br />

Quaternionen, 31<br />

Quotientengruppe, 23<br />

Quotientenkörper, 37<br />

eines Integritätsbereiches, 38<br />

Quotientenmodul, 55<br />

Quotientenring, 34<br />

Radikalerweiterung, 92<br />

Rang<br />

eines Moduls, 57<br />

rationale Normalform<br />

einer linearen Abbildung, 70<br />

Rechtswirkung<br />

einer Gruppe, 10<br />

reine Erweiterung, 92<br />

Repräsentantensystem<br />

für Nebenklassen, 20<br />

Restklassen, 35<br />

Ring, 29<br />

faktorieller, 46<br />

kommutativer, 29<br />

Ruffini, Paolo (1765–1822), 100<br />

Satz<br />

Abel-Ruffini, 100<br />

von Gauß, 50<br />

Schiefkörper, 30<br />

separable Körpererweiterung, 91<br />

separables Polynom, 91<br />

Signum<br />

einer Permutation, 18<br />

Spann<br />

in einem Modul, 56<br />

spezielle lineare Gruppe, 4<br />

Stabilisator, 13<br />

symmetrische<br />

Gruppe, 3<br />

Teiler, 38<br />

teilerfremd, 38, 48<br />

transzendente Körpererweiterung, 79<br />

Unabhängigkeit<br />

von Gruppencharakteren, 100<br />

Unabhängigkeit<br />

in einem Modul, 56<br />

universelle Eigenschaft<br />

freie Moduln, 58<br />

Untergruppe, 10<br />

charakteristische, 21<br />

erzeugte, 12<br />

nicht-triviale, 10<br />

normale, 21<br />

Untergruppenkriterium, 11<br />

Untermodul, 54<br />

von einer Menge erzeugter, 56<br />

Unterring, 30<br />

Verband, 103<br />

Winkeldreiteilung, 89<br />

Wirkung, 6<br />

Wurzel


Sachverzeichnis 113<br />

eines Polynoms, 75<br />

Zentralisator, 12<br />

Zentrum<br />

einer Gruppe, 12<br />

eines Rings, 30<br />

Zerfällungskörper, 81<br />

zyklische Gruppe, 12<br />

zyklischer Modul, 54<br />

zyklischer Vektor<br />

einer linearen Selbstabbildung, 70

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