¨Ubersicht Vorlesung Quantenmechanik T2p Inhaltsverzeichnis
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Übersicht <strong>Vorlesung</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> <strong>T2p</strong><br />
WS 2010/11<br />
<strong>Inhaltsverzeichnis</strong><br />
1 Wellenmechanik 2<br />
1.1 Welle-Teilchen Dualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2<br />
1.2 Wellengleichung für Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2 Schrödinger Gleichung 9<br />
2.1 Allgemeine Form der Schrödinger Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
2.2 Normierung und Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
2.3 Erwartungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
2.4 Hermitesche Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
2.5 Der Messprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
3 Ein-Dimensionale Anwendungen 24<br />
3.1 Eigenwert-Probleme hermitescher Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
3.2 Stetigkeits- und Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
3.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
3.3.1 Unendlicher Potentialtopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
3.3.2 Endlicher Potentialtopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
3.3.3 Delta-Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
3.3.4 Harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
3.4 Harmonischer Oszillator: algebraische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
4 Abstrakte Formulierung der <strong>Quantenmechanik</strong> 42<br />
4.1 Hilbertraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
4.2 Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
4.3 Spektren und Konstruktion vollständiger Basissysteme . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
4.4 Postulate der Q.M. und Messung von Observablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
4.5 Unitäre Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />
4.6 Zeitentwicklung und Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />
4.7 Dichteoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />
5 Drehimpuls und Rotationen im R 3 63<br />
5.1 Drehimpulsalgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />
5.2 Bahndrehimpuls und Kugelflächenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />
5.3 Matrixdarstellungen, Spin, Addition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69<br />
5.4 Rotationen im R 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />
6 Drei-dimensionales Zentralpotential 73<br />
6.1 Radial-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />
6.2 Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />
6.3 Harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />
7 Störungstheorie 82<br />
7.1 Nichtentarteter Eigenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />
7.2 Entarteter Eigenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
7.3 Anwendungen zum Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
1
A Anhang 91<br />
A.1 Kugelfächenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
2
1 Wellenmechanik<br />
1.1 Welle-Teilchen Dualismus<br />
Eine physikalische Theorie beschreibt beobachtbare Phänomene auf der Basis eines Modells<br />
für die grundlegenden Objekte und ’Bewegungsgleichungen’ für diese Objekte. Beispiele<br />
aus der klassischen Physik:<br />
⋄ Mechanik:<br />
Die grundlegenden Objekte der Mechanik sind Punktteilchen der Masse m. Der physikalische<br />
Zustand ist festgelegt durch Angabe des Ortes des Teilchens ⃗x(t) und des<br />
Impulses ⃗p(t) zur Zeit t. Die zukünftige Entwicklung der Größen ⃗x(t) und ⃗p(t), d.h. die<br />
Bewegung des Teilchens, ist eindeutig festgelegt durch die Newton’sche Bewegungsgleichung<br />
⋄ Elektrodynamik:<br />
d⃗p<br />
dt = ⃗ F .<br />
Die Objekte der ED sind die elektromagnetischen Felder ⃗ E(⃗x, t), ⃗ B(⃗x, t). Die zukünftige<br />
Entwicklung der Größen ⃗ E(⃗x, t) und ⃗ B(⃗x, t) ist festgelegt durch die Maxwell-<br />
Gleichungen. Im Vakuum (keine Ladungen/Ströme als Quellen) reduziert sich die MW<br />
Gleichung für die Komponenten der EM Felder zur 1<br />
Wellengleichung:<br />
□ ⃗ E = 0 , □ = 1 c 2 ∂2 t − ∆ . (1)<br />
Eine einfache Lösung 2 ist die<br />
Ebene Welle:<br />
φ = φ 0 ( ⃗ k) e i(⃗ k·⃗x±ωt) , (2)<br />
wobei ⃗ k den Wellenvektor und ω die Frequenz der Welle angeben. Aus (1) folgt die<br />
Dispersionsrelation:<br />
ω = | ⃗ k|c . (3)<br />
(nur) für Lösungen der Wellengleichung der ED im Vakuum. Die ebene Welle (2) breitet<br />
sich mit Lichtgeschwindigkeit aus und beschreibt je nach Frequenz Lichtwellen,<br />
1 Mit ( ⃗ ∇) i = ∂/∂x i, ∆ = ⃗ ∇ · ⃗∇ = ∑ 3<br />
i=1 ∂2 /∂x 2 i in kart. Koord..<br />
2 Eine andere ist die weiter unten betrachtete Kugelwelle.<br />
2
Röntgenwellen u.s.w. Aufgrund des Superpositionsprinzips (s.u.) ist eine allgemeine<br />
Linearkombination ebener Wellen mit verschiedenen ⃗ k ebenfalls eine Lösung der<br />
Wellengleichung.<br />
Die Unterscheidung in Punktteilchen und Wellen eignet sich nicht für sehr kleine Systeme.<br />
Man kann typischerweise beobachten, daß die klassische Beschreibung eines Systems<br />
zusammenbricht, wenn das Produkt aus zwei charakteristischen Größen (wie Position x<br />
und Impuls p) des Systems<br />
x · p <br />
erfüllt. Dies entspricht der Heisenbergschen Unschärferelation. Hier haben wir eine<br />
neue Naturkonstante eingeführt, das Plancksche Wirkungsquantum:<br />
= h<br />
2π<br />
kg m2<br />
= 1, 054571596(82) · 10−34 . (4)<br />
s<br />
Für quantenmechanische System sind die klassischen Modelle der ME und der ED nicht<br />
mehr anwendbar. Experimente die eine Teilcheneigenschaft des Lichts aufzeigen sind u.a.<br />
der photoelektrische Effekt und der Compton Effekt (→ Übung).<br />
Ein Experiment das die Welleneigenschaft der Materieteilchen zeigt ist die Interferenz<br />
von Elektronenstrahlen. Wir betrachten zunächst die Beugung von Lichtwellen am Doppelspalt:<br />
Auf einem Bildschirm führt dies zu einem Interferenzmuster der Form<br />
I<br />
x<br />
3
Die Intensitätsverteilung folgt aus der Überlagerung von zwei Kugelwellen, die von den<br />
beiden Öffnungen ausgehen:<br />
A 1 = A 0<br />
r 1<br />
exp(i(kr 1 − ωt)),<br />
A 2 = A 0<br />
r 2<br />
exp(i(kr 2 − ωt)),<br />
A = A 1 + A 2 ,<br />
wobei r a , a = 1, 2 den jeweiligen Abstand vom i-ten Loch angeben. Die Intensität der<br />
überlagerten Welle A ist dann<br />
( 1<br />
I ∼ |A| 2 = A 2 0<br />
r1<br />
2 + 1 r2<br />
2<br />
+ 2<br />
)<br />
cos(k(r 1 − r 2 )) .<br />
r 1 r 2<br />
Der letzte Term in diesem Ausdruck führt zu der auf dem Schirm beobachteten Interferenz,<br />
d.h. der Abwechslung von lokalen Maxima und Minima der Intensitätsverteilung.<br />
Die Beobachtung der Streuung von Elektronenstrahlen am Doppelspalt führt nun überraschender<br />
Weise zu einem ähnlichen Ergebnis. Betrachtet man genügend hohe Teilchenzahlen<br />
(hohe Intensität des Strahls / Mittelung über einen längeren Zeitraum) beobachtet<br />
man folgende Verteilungen:<br />
1. Wenn nur Loch Nummer eins offen hat die Intensitätsverteilung folgende Form:<br />
I<br />
x<br />
2. Wenn nur Loch Nummer zwei offen hat die Intensitätsverteilung folgende Form:<br />
I<br />
x<br />
3. Wenn beide Löcher nacheinander gleich lang offen sind hat die Intensitätsverteilung<br />
folgende Form:<br />
I<br />
x<br />
4
4. Wenn beide Löcher gleichzeitig offen sind hat die Intensitätsverteilung folgende Form:<br />
I<br />
x<br />
5. Wenn beide Löcher gleichzeitig offen sind, aber extra Detektoren an den Löchern<br />
installiert sind um den Pfad des Teilchens festzustellen, hat die Intensitätsverteilung<br />
folgende Form:<br />
I<br />
x<br />
Die Beobachtungen 1.-3. sind im Einklang mit den Teilcheneigenschaften des Elektrons,<br />
Beobachtung 4. nicht. Beobachtung 5. gibt die verblüffende Folgerung, dass das Ergebnis<br />
davon abhängt, ob der Weg des Teilchens beobachtet wird, d.h. dass Messungen das<br />
Interferenzmuster stören.<br />
Die Teilcheneigenschaften des Lichts und umgekehrt die Interferenz von Elektonenstrahlen<br />
verlangen es, Objekte zu betrachten die sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften<br />
haben. Im Teilchenbild werden dem Objekt eine Energie E und ein Impuls ⃗p<br />
zugeordnet, im Wellenbild die Frequenz ν = ω/2π und der Wellenvektor ⃗ k. Die beiden<br />
Bilder werden verknüpft durch die Beziehungen:<br />
de Broglie:<br />
E = ω = hν, ⃗p = ⃗ k . (5)<br />
Diese Beziehung erklärt den Compton-Effekt für Lichtteilchen. Für langsame, nicht-relativistische<br />
Elektronen mit einer Energie ∼ 1eV ergibt sich eine Wellenlänge λ von<br />
1.2 Wellengleichung für Materie<br />
λ := 2π<br />
p ≃ 1.23 · 10−7 cm .<br />
Wir betrachten noch einmal die Dispersionsrelation (3). Angewandt auf die ebene Welle<br />
A = A 0 e i(⃗ k⃗x−ωt) erhalten wir mit (5):<br />
i ∂ ∂t A = ω · A = E · A, −i⃗ ∇A = ⃗ k · A = ⃗p · A,<br />
d.h. die für die Diffentialoperatoren, angewandt auf die ebene Welle, gelten die<br />
5
Ersetzungsregeln:<br />
i ∂ ∂t ↔ E, −i⃗ ∇ ↔ ⃗p . (6)<br />
Wir wenden nun dieselben Ersetzungsregeln an, um eine Differentialgleichung für die<br />
postulierten Materiewellen zu erhalten. Für nichtrelativistische Teilchen gilt statt (3), oder<br />
mit (5): E = pc, die<br />
Energie-Impuls Relation:<br />
E = ⃗p2<br />
2m = m⃗v2<br />
2<br />
Mit dem Ansatz einer ebenene Welle<br />
↔ ω = 2 ⃗ k<br />
2<br />
2m . (7)<br />
ψ(⃗x, t) = ψ 0 e i(⃗ k⃗x−ωt) (5)<br />
= ψ 0 e i(⃗p⃗x−Et)/ ,<br />
für die Wellenfunktion erhalten wir die nicht-relativistische Schrödingergleichung für ein<br />
freies Teilchen:<br />
Freies, n.r. Teilchen:<br />
i ∂ ∂t<br />
Diese Gleichung ist linear in ψ und erfüllt daher ebenfalls das<br />
Superpositionsprinzip:<br />
ψ 1 + ψ 2 Lösung der Wellengleichung.<br />
−2<br />
ψ(⃗x, t) = ∆ψ(⃗x, t) (8)<br />
2m<br />
Wenn ψ 1 und ψ 2 Lösungen der Wellengleichung sind, ist auch<br />
Eine beliebige Linearkombination von Lösungen der Gleichung ist also ebenfalls eine<br />
Lösung der Gleichung. Eine allgemeine Lösung der Gleichung (8) kann daher als Überlagerung<br />
ebener Wellen mit verschiedenen Wellenvektoren geschrieben werden:<br />
∫<br />
∫<br />
ψ(⃗x, t) = d 3 k ψ 0 ( ⃗ k)e i(⃗k⃗x−ωt) = d 3 p f(⃗p)e i(⃗p⃗x−Et)/ , (9)<br />
wobei die Summen über Wellenvektoren durch Integrale ersetzt wurden und im zweiten<br />
Ausdruck wieder die Beziehung (5) benutzt ist. Die ‘Koeffizienten’ ψ 0 ( ⃗ k) geben den Anteil<br />
der ebenen Welle mit festem ⃗ k an der Wellenfunktion an.<br />
Bisher haben wir lediglich dem Teilchenbild des Objekts ein Wellenbild zugeordnet,<br />
ohne eine Interpretation für die Wellenfunktion ψ zu geben, die mit dem Teilchenbild<br />
verträglich ist. Bereits die Annahme des Wellenbildes führt aber zu weitreichenden Folgerungen<br />
über die qualitativen Eigenschaften einer solchen Theorie:<br />
6
⋄ Energiequantelung: Die Parameter ⃗ k und ω der Welle sind zuächst freie, reelle Größen,<br />
wie in der ED. Die Zuordnung der Welle zu einem Teilchen führt aber schnell zu Bedingungen<br />
an diese Parameter, die eine Diskretisierung der Wellenvektoren ⃗ k und der<br />
Frequenzen ω – und daher der Energien und Impulse des Teilchens – impliziert. Ein<br />
wichtige Illustration liefert das Bohr’sche Atommodell. Nimmt man an, dass die Elektronen<br />
auf einer Kreisbahn um den Atomkern kreisen, wie die Planeten um die Sonne,<br />
erhalt man aus dem Gleichgewicht zwischen Zentrifugalkraft und Coulombkraft die<br />
Bedingung:<br />
m e v 2<br />
r<br />
!<br />
= e2<br />
4πɛ 0 r 2 .<br />
Klassisch sind alle Radien/Energien erlaubt. Im Wellenbild sind dagegen nur solche<br />
Bahnen erlaubt, deren Umfang 2πr ein Vielfaches der Wellenlänge des Teilchens ist:<br />
2πr ! = N · λ = N · 2π<br />
m e v , N ∈ Z.<br />
Die Kombination der Gleichungen ergibt, dass nur diskrete Werte des Radius und der<br />
Energie erlaubt sind<br />
r N = N 2 ·<br />
<br />
αm e c , E N = − 1<br />
N 2 · meα 2 c 2<br />
,<br />
2<br />
wobei α = e 2 /(4πɛ 0 c) ≈ 1/137 die Sommerfeld’sche Feinstrukturkonstante bezeichnet<br />
und N > 0 eine ganze Zahl ist. Der kleinstmögliche Radius für N = 1 ist der Bohr’sche<br />
Radius r B = /(m e αc) ≃ 0, 5 · 10 −10 m. Eine wichtige Konsequenz der Diskretisierung<br />
ist, dass die Elektronbahn niedrigster Energie absolut stabil sein muss, im Einklang<br />
mit der Beobachtung und im Widerspruch zur klassischen Elektrodynamik, in der das<br />
Elektron ständig Energie abstrahlen und in den Kern stürzen müsste.<br />
⋄ Unschärferelation: Eine einzelne ebene Welle breitet sich im gesamten Raum aus und<br />
ist offensichtlich ungeeignet zur Beschreibung eines auf einen bestimmten Raumbereich<br />
lokalisierten Teilchens. Die Wellenfunktion für ein räumlich begrenztes Objekt kann<br />
durch Superposition von ebenen Wellen verschiedener Frequenzen wie folgt konstruiert<br />
werden. Zur Vereinfachung werden wir oft den ein-dimensionalen Fall betrachten, d.h.<br />
eine Wellenfunktion, die nur von einer Koordinate x abhängt.<br />
Da ein Teilchen auch einen ’festen’ Impuls haben soll, betrachten wir den Ansatz<br />
ψ(x, t) =<br />
∫ k0 +∆k<br />
k 0 −∆k<br />
7<br />
dkf(k)e i(kx−ωt) ,
wobei p 0 = k 0 der mittlere Impuls des Teilchens, ∆k eine ’möglichst kleine’ Variation<br />
und f(k) eine langsam variierende Funktion von k sein sollen. Für kleine ∆k kann<br />
die Frequenz ω näherungsweise durch die ersten beiden Terme einer Taylor-Reihe angenähert<br />
werden<br />
ω(k) ≃ ω(k 0 ) + dω<br />
dk | k=k 0 · (k − k 0 ) ,<br />
und f(k) durch f(k 0 ) ersetzt werden. Man erhält dann näherungsweise das<br />
Wellenpaket:<br />
Hier ist v g die sogenannte<br />
ψ(x, t) ≃ 2f(k 0 ) sin(∆k(x − v gt))<br />
x − v g t<br />
· e i(k 0x−ω(k 0 )t) , (10)<br />
Gruppengeschwindigkeit:<br />
v g = dω<br />
dk . (11)<br />
Die Amplitude der Welle für t = 0 ist proportional zu sin(∆kx)/x und hat schematisch<br />
die Form<br />
x<br />
Das Wellenpaket beschreibt eine ’lokalisierte’ Funktion mit folgenden Eigenschaften:<br />
⋆ Das Maximum der Amplitude liegt bei x = v g t.<br />
⋆ Für t = 0 liegt das erste Minimum im Abstand ∆x = |x max − x 1.min | = c min<br />
∆k<br />
Maximum, wobei c min eine positive reelle Konstante.<br />
vom<br />
Mit der Energie-Impuls Relation (7) des klassischen Teilchens erhält man aus (11):<br />
v g = k m = p m = v klassisch ,<br />
d.h. das Maximum der Wellenfunktion breitet sich mit der Geschwindigkeit des klassischen<br />
Teilchens aus (!).<br />
8
Es liegt nahe zu versuchen, ein klassisches Teilchen durch ein möglichst stark lokalisiertes<br />
Wellenpaket darzustellen und das Teilchen selbst als lokalisiertes Wellenpaket<br />
aufzufassen. Dies scheitert u.a. an zwei Eigenschaften des Wellenpakets:<br />
⋆ Nimmt man den Abstand des ersten Minimums vom Maximum als Maß für die<br />
Lokalisierung des Wellenpakets, erhält man<br />
∆x · ∆p = c min .<br />
Eine stärkere Lokalisierung, ∆x → 0 erfordert also immer größere Impulsunschärfe<br />
∆k ∼ c min /∆x, sodass der Impuls des lokalisierten Teilchens nicht mehr wohldefiniert<br />
sein kann. Im Wellenbild kann ein Teilchen, anders als in der klassischen<br />
Mechanik, also nicht gleichzeitig einen wohldefinierten Ort und Impuls haben. Die<br />
dimensionsbehaftete Konstante auf der rechten Seite ist aber eine sehr kleine<br />
Größe. Man erhält die Bestimmtheit des Ortes und Impulses im klassischen Fall<br />
zurück im formalen limes → 0.<br />
⋆ Das zweite Problem, das Maximum der lokalisierte Wellenfunktion direkt mit einem<br />
klassischen Teilchen zu identifizieren, ist das Auseinanderfließen des Wellenpaketes<br />
(→ Übung). Das Wellenpaket ist also nicht stationär!<br />
⋄ Wahrscheinlichkeitsinterpretation: Aus den oben genannten Gründen kann die Wellenfunktion<br />
ψ nicht einfach einem Teilchen zugeordnet werden. Würde man z.B. ψ(x, t)<br />
(oder eine Funktion von ψ(x, t)) als die ’Dichtefunktion’ des Teilchens interpretieren,<br />
so würde das Teilchen nach anfänglicher Lokalisierung zerfließen, im Widerspruch zur<br />
Stabilität der realen Teilchen. Eine Standardinterpretation der Wellenfunktion ist die<br />
folgende Wahrscheinlichkeitsinterpretation:<br />
⋆ In der Q.M. wird ein physikalischer Zustand vollständig durch eine komplexe<br />
Wellenfunktion ψ(⃗x, t) beschrieben (vgl. (8)).<br />
⋆ Die Wellenfunktion ψ(⃗x, t) hat selbst keine direkte physikalische Bedeutung.<br />
⋆ Die Dichtefunktion ρ(⃗x, t) = |ψ(⃗x, t)| 2 der Wellenfunktion ist die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />
für den Nachweis eines Teilchens am Ort ⃗x zur Zeit t.<br />
Die Wahrscheinlichkeit P das Teilchen zur Zeit t im Volumenelement δV am<br />
Ort x zu finden ist dann<br />
P = |ψ(⃗x, t)| 2 δV. (12)<br />
9
⋆ Die Zeitentwicklung der Wellenfunktion ψ(⃗x, t) wird durch die Schrödingergleichung<br />
beschrieben, die wir in der speziellen Form (8) bereits kennengelernt<br />
haben.<br />
Anmerkungen:<br />
- Die obige Interpretation erklärt das für viele (!) Teilchen auftretende Interferenzmuster<br />
bei der Streuung von Teilchenstrahlen;<br />
- Das Zerfliessen des Wellenpaketes hat nun eine anschauliche Interpretation als das<br />
Auseinanderlaufen der Teilchen mit verschiedenen Geschwindigkeiten (Wellenvektoren<br />
im Bereich [k 0 − ∆k, k 0 + ∆k]).<br />
2 Schrödinger Gleichung<br />
2.1 Allgemeine Form der Schrödinger Gleichung<br />
Für das freie Teilchen haben wir aus der Energie-Impulsrelation die Differentialgleichung<br />
(8) erhalten. Wir suchen nun allgemeiner eine Bewegungsgleichung, die die Zeitentwicklung<br />
der Wellenfunktion ψ bestimmt und folgende Eigenschaften aufweist:<br />
1. Die Gleichung enthält nur die erste Zeitableitung von ψ (→ Vollständigkeit der<br />
Beschreibung)<br />
2. Die Gleichung ist linear in ψ (→ Superpositionsprinzip)<br />
Wir betrachten einen Ansatz der allgemeinen Form<br />
Schroedinger-Gleichung:<br />
i ∂ ∂t ψ = Ĥ ψ , (13)<br />
wobei Ĥ den noch zu bestimmenden Hamilton-Operator bezeichnet. Für das freie Teilchen<br />
hatten wir aus (5) folgenden Ausdruck erhalten:<br />
Ĥ = −2 ∆<br />
2m<br />
⇒ Ĥψ = E · ψ ,<br />
d.h. der Hamilton-Operator angewendet auf die Wellenfunktion ψ ergibt die Energie des<br />
Teilchens. Die Verallgemeinerung ergibt sich aus dem Hamilton-Formalismus der klassischen<br />
Mechanik, den wir kurz wiederholen.<br />
10
Wiederholung der klassischen Hamiltonschen Mechanik<br />
Ein klassisches mechanisches System ist durch die Lagrangefunktion L(q i , ˙q i ) gegeben,<br />
die von N verallgemeinerten Koordinaten q i , i = 1, ..., N und den Geschwindigkeiten ˙q i<br />
abhängt (Bsp: ein Punktteilchen im R 3 → N=3, q i = (⃗x) i ). Die Bewegungsgleichungen<br />
sind die Euler-Lagrange-Gleichungen<br />
Euler-Lagrange:<br />
d ∂L<br />
− ∂L = 0 . (14)<br />
dt ∂ ˙q i ∂q i<br />
Der Zusammenhang zur Hamiltonschen Beschreibung ergibt sich aus einer Legendre–<br />
Transformation. Man definiert die zu den q i kanonisch konjugierten Impulse als 3<br />
p i (q, ˙q) = ∂L<br />
∂ ˙q i<br />
, (15)<br />
Wir fassen nun die Geschwindigkeiten ˙q i als Funktionen ˙q i (q, p) auf, die diese Gleichungen<br />
lösen und definieren die Hamiltonfunktion als<br />
H(q, p) = ∑ i<br />
p i ˙q i (p, q) − L(q, ˙q(p, q)) . (16)<br />
Durch die Legendre-Transformation werden die Geschwindigkeiten ˙q i eliminiert und durch<br />
die konjugierten Impulse p i ersetzt, d.h. H(q, p) hängt nicht mehr von den Geschwindigkeiten<br />
ab (!). Die 2N Variablen (q i , p i ) sind Koordinaten auf dem 2N-dimensionalen<br />
Phasenraum des Systems. 4 Jeder Punkt im Phasenraum entspricht einem physikalischen<br />
Zustand.<br />
Die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen ergeben sich dann aus (14) zu<br />
∂H<br />
∂q i<br />
= ∑ j<br />
∂H<br />
∂p i<br />
= ˙q i + ∑ j<br />
p j<br />
∂ ˙q j<br />
∂q i<br />
− ∂L<br />
∂q i<br />
− ∑ j<br />
p j<br />
∂ ˙q j<br />
∂p i<br />
− ∑ j<br />
∂L<br />
∂ ˙q j<br />
∂ ˙q j<br />
∂q i<br />
= − ∂L<br />
∂q i<br />
= −ṗ i ,<br />
∂L<br />
∂ ˙q j<br />
∂ ˙q j<br />
∂p i<br />
= ˙q i .<br />
Die Bewegungsgleichungen im Hamilton-Formalismus lauten also:<br />
Hamilton Gleichungen:<br />
ṗ i = − ∂H<br />
∂q i<br />
,<br />
˙q i = ∂H<br />
∂p i<br />
. (17)<br />
3 Im Folgenden lassen wir zur Vereinfachung der Notation oft den Index i weg und schreiben einfach q<br />
für alle Koordinaten q i und ähnlich für die Geschwindigkeiten und Impulse.<br />
4 Mathematisch sind (q i, p i) Koordinaten auf dem Kotangentialbündel des Ortsraums.<br />
11
Die Hamiltonfunktion ist die Funktion auf dem Phasenraum, die nach (17) die Zeitentwicklung<br />
des klassischen Systems bestimmt. Hängt die Hamiltonfunktion H eines Systems<br />
nicht explizit von der Zeit ab, so ist H eine Erhaltungsgröße. 5 Unter weiteren Bedingungen<br />
6 fällt H mit der Energie des Systems zusammen, d.h. der Erhaltungssatz ist die<br />
Energieerhaltung.<br />
Beispiel:<br />
Die Lagrangefunktion<br />
L(⃗x, ˙⃗x) = m 2 ˙⃗x 2 − V (⃗x) ,<br />
für die Bewegung eines Teilchens im Potential V (⃗x) führt nach Legendretransformation zur<br />
Hamiltonfunktion<br />
H = ⃗p 2<br />
2m + V (⃗x) = E kin + E pot = const. ,<br />
mit ⃗p = m ˙⃗x. Der Wert der Hamiltonfunktion ist konstant auf den Lösungen der Bewegungsgleichung<br />
und gleich der Gesamtenergie des Teilchens.<br />
Allgemeine Ersetzungsregeln<br />
Aus den oben genannten Überlegungen stellen wir nun folgende Erfahrungsregel für die<br />
Herleitung des Hamilton-Operators Ĥ für die Schrödinger-Gleichung (13) auf. Sei H(q, p)<br />
die Hamilton-Funktion des klassischen Systems. Die allgemeine Schrödinger Gleichung im<br />
Ortsraum erhält man, in dem man die Variablen (q i , p i ) des klassischen Systems durch<br />
auf die Wellenfunktion wirkende Operatoren (ˆq i , ˆp i ) ersetzt, q i → ˆq i , p i → ˆp i . Für eine<br />
ortsabhängige Wellenfunktion ψ(q i , t) lauten die einzusetzenden Operatoren:<br />
Ers.Regeln im Ortsraum:<br />
q i → q i· ,<br />
p i → −i ∂<br />
∂q i<br />
, (18)<br />
wie wir in einem Spezialfall bereits in (6) aus dem Wellenbild ’hergeleitet’ hatten. Explizit<br />
wirken die Operatoren also:<br />
ˆq i ψ(q i , t) = q i ψ(q i , t) , ˆp i ψ(q i , t) = −i ∂ψ(q i, t)<br />
∂q i<br />
.<br />
Für eine ortsabhängige Wellenfunktion ist der Ortsoperator also einfach Multiplikation<br />
mit q i , während der Impulsoperator als Ableitung wirkt.<br />
5 Diese folgt aus dem Noether Theorem, angewandt auf Zeitranslationsinvarianz.<br />
6 U.a. Zeitunabhängigkeit der Zwangsbedingungen.<br />
12
Eine naive Vorschrift zum Erhalten des Hamilton-Operators der Q.M. ergibt sich nun<br />
durch Anwendung der Ersetzungsregel auf den Hamilton-Operator des klassischen Systems:<br />
H(q i , p i ) “ → “ Ĥ(ˆq i , ˆp i ) .<br />
Zu beachten ist, dass H(q i , p i ) eine Funktion auf dem Phasenraum ist, während Ĥ ein<br />
Operator ist, der auf die Wellenfunktion ψ wirkt.<br />
Beispiel: Für das vorangegangene Beispiel erhält man aus H = ⃗p 2<br />
2m<br />
+ V (⃗x) den Hamiltonoperator<br />
für ein Teilchen im Potential V (⃗x).<br />
Ĥ = − 2<br />
2m ∆ + V (⃗x)<br />
Vertauschungsrelationen<br />
Bei mehrfacher Anwendung der Operatoren ˆq i und ˆp i auf die Wellenfunktion kommte es<br />
auf die Reihenfolge an, z.B.:<br />
0 ≠ (ˆq i ˆp i − ˆp iˆq i ) ψ(q, t) = q i (−i<br />
∂ψ(q, t)<br />
) − (−i ∂ (q i ψ(q, t))) = i · ψ(q, t) .<br />
∂q i ∂q i<br />
Man sagt ˆq i und ˆp i vertauschen nicht oder kommutieren nicht. Für die Differenz (Â ˆB −<br />
ˆBÂ) ψ von zwei Operatoren  und ˆB, angewendet auf ψ, führt man das allgemeine Symbol<br />
des Kommutators ein:<br />
Kommutator:<br />
[Â, ˆB] ψ := Â ( ˆB ψ) − ˆB (Â ψ). (19)<br />
Die Nicht-Vertauschbarkeit der Operatoren ˆq i und ˆp i lässt sich dann zusammenfassen<br />
durch die<br />
Vertauschungsrelationen:<br />
[q i , p j ] = iδ ij , [q i , q j ] = 0 = [p i , p j ] . (20)<br />
Diese Beziehungen gelten für jede Wellenfunktion ψ! Daher lässt man oft die Wellenfunktion<br />
ψ weg, auf die die Operatoren wirken sollen, und betrachtet die Algebra der Operatoren<br />
für sich.<br />
Die Nicht-Vertauschbarkeit der Ortsoperatoren ˆq i und der Impulsoperatoren ˆp i führt<br />
zu einem radikalen Unterschied zur Beschreibung in der klassischen Mechanik. In der<br />
13
klassischen Mechanik sind q i , p i reelle Zahlen (Koordinaten auf dem Phasenraum) die ’angewandt’,<br />
d.h. multipliziert, auf jede Funktion f(q, p) vertauschen: qpf(q, p) = pqf(q, p).<br />
Da (gewöhnliche) Koordinaten immer vertauschen müssen folgt aus (20), dass die Wellenfunktion<br />
der Q.M. keine Funktion auf dem Phasenraum sein kann, ψ ≠ ψ(q, p)!<br />
Aus (20) folgt aber, dass die Ortsoperatoren noch untereinander vertauschen. Man<br />
kann daher die Ortsoperatoren auf dem Ortsraum immer noch als einfache Multiplikation<br />
mit kommutierenden Koordinaten q i darstellen und die Wellenfunktion als eine Funktion<br />
auf dem Ortsraum definieren, ψ = ψ(q, t). Alternativ kann man wegen [p i , p j ] = 0<br />
auch eine Wellenfunktion ˜ψ = ˜ψ(p, t) auf dem Impulsraum definieren, siehe weiter unten.<br />
Für ein gegebenes System enthalten die Wellenfunktionen ψ(q, t) und ˜ψ(p, t) die gleiche<br />
Information und sind durch eine Fourier-Transformation miteinander verknüpft.<br />
Die Nicht-Vertauschbarkeit der Operatoren führt sofort zu folgendem Problem bei der<br />
Anwendung der Ersetzungsregeln: Ein Term p 2 q 2 in der Hamiltonfunktion kann als<br />
− 2 q 2 ( ∂<br />
∂q<br />
) 2<br />
,<br />
oder als<br />
− 2 q ∂ ∂q q ∂ ∂q<br />
!<br />
≠ − 2 q 2 ( ∂<br />
∂q<br />
) 2<br />
,<br />
übersetzt werden. Die Ersetzungsregeln führen daher nicht zu einem eindeutigen Ergebnis<br />
für Ĥ. Die Wahl der verallgemeinerten Koordinaten ist für ein gegebenes System ebenfalls<br />
nicht eindeutig und dies führt aus dem gleichen Grund zu unterschiedlichen Hamilton-<br />
Operatoren. Ein Beispiel:<br />
Beispiel: 2d freies Teilchen<br />
Es gilt jedoch<br />
Kart. Koord. Polarkoord.<br />
L = 1 2 (ẋ2 + ẏ 2 ) → L = 1 2 (ṙ2 + r 2 ˙ϕ 2 )<br />
p x = ẋ, p y = ẏ p r = ṙ,<br />
(<br />
p ϕ = r<br />
)<br />
2 ˙ϕ<br />
H = 1 2 (p2 x + p 2 y) H = 1 2<br />
p 2 r + p2 ϕ<br />
(<br />
r 2<br />
(<br />
Ĥ = − 2<br />
2 ∆ Ĥ = − 2 ∂<br />
) 2<br />
2 ∂r +<br />
1<br />
(<br />
∂<br />
r 2 ∂ϕ<br />
) 2<br />
)<br />
( ) 2 ∂<br />
∆ = + 2 ∂<br />
∂r r ∂r + 1 ( ) 2 ∂ !<br />
r 2 ≠<br />
∂ϕ<br />
( ∂<br />
∂r<br />
) 2<br />
+ 1 ( ) 2 ∂<br />
r 2 .<br />
∂ϕ<br />
Wie kann man diese Unbestimmtheit auflösen?<br />
⋄ Versuchen so weit wie möglich mit den Ersetzungsregeln in kart. Koordinaten zu<br />
kommen. Dies ist in vielen Beispielen eindeutig.<br />
14
⋄ Der Hamiltonoperator muß bestimmte Bedingungen erfüllen (z.B. muß die Gesamtwahrscheinlichkeit<br />
erhalten bleiben, s.u.), die die Unbestimmtheit zum Teil auflösen.<br />
⋄ Letztendlich legt der Hamiltonoperator Ĥ und nicht die klassische Hamiltonfunktion<br />
H die q.m. Dynamik des Systems fest – der Unterschied ist nur in den Quanteneffekten<br />
erkennbar. Der Operator Ĥ ist ggf. durch Vergleich mit dem Experiment so<br />
zu wählen, dass er die q.m. Effekte richtig beschreibt.<br />
2.2 Normierung und Kontinuitätsgleichung<br />
Ist ψ eine Lösung der Schrödingergleichung, dann ist auch cψ eine Lösung, mit c ∈ C.<br />
Unter Multiplikation mit c ändert sich die Dichtefunktion ρ = |ψ| 2 wie ρ → |c| 2 ρ. Die<br />
Freiheit, ψ mit einer Konstante c zu multiplizieren, kann man benutzen um folgende<br />
Normierungsbedingung zu verlangen:<br />
Normierungsbedingung:<br />
∫<br />
P (V ges ) = dV |ψ| 2 !<br />
= 1 , (21)<br />
V ges<br />
Hier ist V ges das gesamte zur Verfügung stehende Volumen des Ortsraums. Zu beachten ist,<br />
dass die Wellenfunktion auf der rechten Seite von der Zeit t abhängt und die Bedingung<br />
durch Multiplikation von ψ mit einer Konstanten c zunächst nur zu einer festen Zeit t = t 0<br />
erreicht werden kann.<br />
Mit der Normierung (21) ist ρ die Dichte für die absolute Wahrscheinlichkeit, das (oder<br />
die) Teilchen in einem Volumenelement dV zu finden, d.h. P (V ) = ∫ V dV ρ.7 Physikalisch<br />
besagt die Normierungsbedingung, dass die Wahrscheinlichkeit, das System zur Zeit t in<br />
irgendeinem Zustand zu finden, 1 sein muss.<br />
7 Auch ohne Normierung kann man aus ρ relative Wahrscheinlichkeiten berechnen. So ist das Verhältnis<br />
∫<br />
P (V 1 )<br />
= V dV ρ 1<br />
P (V 2 )<br />
∫V dV ρ 2<br />
der Wahrscheinlichkeiten, das Teilchen im Volumen V1 oder V2 zu finden unabhängig von<br />
der Normierung der Wellenfunktion.<br />
15
Beispiel: Für ein 1-dimensionales Teilchen im R 1 ist dV = dx und die Normierungsbedingung<br />
lautet<br />
∫ ∞<br />
−∞<br />
dx |ψ(x, t)| 2 = 1 .<br />
Das Teilchen muss ’irgendwo’ sein. In bestimmten Fällen ist die Wellenfunktion ψ identisch<br />
null ausserhalb eines endlichen Volumens, sodass sich das Integral nur über einen endlichen<br />
Bereich erstreckt (siehe unendliches Kastenpotential).<br />
Für N Teilchen im R 3 ist das Volumenelement dV = ∏ 3,N<br />
i,k=1 dx k,i, mit ⃗x k dem Ortsvektor<br />
des k-ten Teilchens mit Komponenten x k,i , i = 1, 2, 3, und die Normierungsbedingung lautet<br />
entsprechend ∫ R 3N dV |ψ(⃗x 1 , ..., ⃗x N , t)| 2 = 1.<br />
Allgemeiner schreiben wir dV = d f q für das f-dimensionale Volumenelement eines Systems<br />
mit f verallg. Koordinaten q i , i = 1, ..., f und fordern<br />
∫<br />
V ges<br />
d f q|ψ(q, t)| 2 = 1.<br />
Aus der Wahrscheinlichkeitsinterpretation folgt weiter, dass die zur Zeit t = t 0 geforderte<br />
Normierungsbedingung für alle Zeiten t erfüllt sein muss (das Teilchen muss auch zu einem<br />
späteren Zeitpunkt ’irgendwo’ sein). Hierzu zeigen wir, dass die Zeitableitung des Integrals<br />
der Dichtefunktion verschwindet:<br />
∫<br />
d<br />
dV |ψ| 2 !<br />
= 0 . (∗)<br />
dt V ges<br />
Aus der Schroedingergleichung folgt<br />
i ∂ρ<br />
( )<br />
∂t = ψ) ∂ψ<br />
∗<br />
∂ψ<br />
i∂(ψ∗ = i ψ + ψ∗<br />
∂t ∂t ∂t<br />
(13)<br />
= −(Ĥψ)∗ ∗<br />
ψ + ψ (Ĥψ) . (∗∗)<br />
Wir betrachten zunächst den allgemeinen Fall. Integriert man die letzte Gleichung über<br />
das gesamte Volumen, erhält man<br />
i d ∫<br />
∫<br />
dV |ψ| 2 = dV ψ<br />
dt V ges<br />
∫V ∗ (Ĥψ) − dV (Ĥψ)∗ ψ .<br />
ges V ges<br />
Die Zeitableitung des Normierungsintegrals verschwindet also, wenn der Hamilton-Operator<br />
folgende wichtige Bedingung erfüllt:<br />
Hermitizität des Hamilton-Operators:<br />
∫<br />
∫<br />
dV ψ ∗ (Ĥψ) =<br />
! dV (Ĥψ)∗ ψ . (22)<br />
V ges V ges<br />
Ein Operator der diese Eigenschaft erfüllt heißt selbst-adjungiert oder hermitesch;<br />
wir werden diese Eigenschaft unten genauer studieren.<br />
16
Statt über das gesamte Volumen zu integrieren, kann man die Gleichung (**) auch<br />
lokal auswerten. Als konkretes Beispiel betrachten wir hierzu den Fall N unterscheidbarer<br />
Teilchen der Masse m im R 3 mit Potential V (⃗x). Der Hamiltonoperator ist<br />
Ĥ = −<br />
3N∑<br />
i=1<br />
2<br />
2m ∆ i + V (x i ) , (23)<br />
wobei x i die 3 · N Koordinaten der N Teilchen bezeichnen und ∆ i den Laplace-Operator<br />
in x i . Dann ist<br />
i ∂ρ<br />
∂t<br />
=<br />
=<br />
3N∑<br />
i=1<br />
3N∑<br />
i=1<br />
Im letzten Schritt haben wir den Vektor der<br />
Stromdichte:<br />
j k =<br />
2<br />
2m (∆ iψ ∗ ψ − ψ ∗ ∆ i ψ) + V (x i )(−ψ ∗ ψ + ψ ∗ ψ)<br />
2<br />
2m ∂ x i<br />
(∂ xi ψ ∗ ψ − ψ ∗ ∂ xi ψ) := −i ⃗ ∇ · ⃗j .<br />
<br />
2im (ψ∗ ∂ xk ψ − ∂ xk ψ ∗ ψ) , k = 1, ..., 3N , (24)<br />
definiert und den Nabla-Operator in R 3N mit Komponenten ( ⃗ ∇) k = ∂/∂x k , k = 1, ..., 3N<br />
benutzt. Zusammenfassend erhalten wir also die<br />
Kontinuitaetsgleichung:<br />
∂ρ<br />
∂t + ⃗ ∇ · ⃗j = 0 , (25)<br />
Gleichung (25) kann über ein beliebiges (z.B. kleines) 3N dimensionales Volumen V integriert<br />
werden und man erhält:<br />
d<br />
dt P (V ) = d ∫ ∫<br />
dV ρ = −<br />
dt<br />
V<br />
V<br />
dV ⃗ ∇ · ⃗j<br />
∫<br />
Satz von Gauss<br />
= −<br />
∂V<br />
⃗df · ⃗j .<br />
Hier ist ∂V ist die Oberfläche dieses Volumens und ⃗ df das vektorielle, nach außen gerichtete<br />
Flächenelement auf dieser Oberfläche. Das rechte Integral gibt den Fluss der Wahrscheinlichkeitsdichte<br />
aus dem Volumen V an, der zur Änderung der Wahrscheinlichkeit P (V )<br />
führt.<br />
Für geeignetes Verhalten der Wellenfunktion in der Nähe des Randes des Gesamtvolumens<br />
V ges verschwindet ⃗j = 0 an der Oberfläche ∂V ges . Dann verschwindet das Integral<br />
auf der rechten Seite der obigen Gleichung und wir erhalten Gleichung (*) zurück. Der<br />
hier verwendete spezielle Hamiltonoperator Ĥ ist also offenbar hermitesch.<br />
17
Beispiel: Für 1 Teilchen im R 1 ist das Integral<br />
∫<br />
∫<br />
2im<br />
∞<br />
dV ∇<br />
<br />
⃗ · ⃗j = dx ∂ ∂ψ · (ψ∗<br />
∂x ∂x − ∂ψ∗ ∂ψ<br />
ψ) = (ψ∗<br />
∂x ∂x − ∂ψ∗<br />
∂x ψ)|∞ −∞ = 0 .<br />
−∞<br />
Der rechte Ausdruck verschwindet, wenn die Wellenfunktion ψ(x, t) im Unendlichen schnell<br />
genug verschwindet.<br />
Im zweiten Schritt haben wir benutzt, dass der Integrand die Ableitung der Stromdichte ist.<br />
Der (aus der ED bekannte) Satz von Gauss verallgemeinert diesen Schritt für den höherdimensionalen<br />
Fall.<br />
2.3 Erwartungswerte<br />
In der klassischen Mechanik ist ein Zustand eindeutig durch den Punkt mit Koordinaten<br />
(p, q) im Phasenraum festgelegt. (Reelle) Funktionen f(q, p) stellen physikalische Observable<br />
dar. Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Q.M. ordnet diesen Funktionen Erwartungswerte<br />
von Operatoren zu.<br />
Erwartungswerte von Ortsoperatoren<br />
Wenn ρ(⃗x, t) = |ψ(⃗x, t)| 2 die Wahrscheinlichkeitsdichte ist, ein Teilchens im R 3 an einem<br />
bestimmten Ort zu finden, dann ist der Erwartungswert für den Ort definiert als<br />
∫<br />
〈ˆ⃗x〉 =<br />
d 3 x ⃗x |ψ(⃗x, t)| 2 .<br />
Die Definition des Erwartungswertes ist hier wie in der Stochastik: Führt man viele Messungen<br />
an identisch präparierten Systemen, sogenannten Ensembles, durch, dann ist 〈x〉<br />
der Mittelwert der Ergebnisse für die Ortsmessung. 8 Da keine Verwechslungsgefahr besteht,<br />
lassen wir zur Vereinfachung der Notation den Hut auf den Operatoren in der<br />
Klammer 〈...〉 für den Erwartungswert oft weg.<br />
Allgemeiner seien q wieder verallgemeinerte Koordinaten für ein System und f(q) eine<br />
reell-analytische Funktion der Koordinaten, die eine physikalische Observable darstellt.<br />
Dann definiert die Taylor-Entwicklung von f(q) einen Operator ˆf = f(ˆq). Der Erwar-<br />
8 〈x〉 ist nicht der Mittelwert wiederholter Messungen an einem einzelnen Teilchen: für unmittelbar<br />
aufeinanderfolgende Messungen an einem einzelnen Teilchen erhält man natürlich immer fast den Wert der<br />
ersten Messung für x; siehe die Anmerkungen zum Meßprozess weiter unten.<br />
18
tungswert von ˆf ist definiert als<br />
〈 (∧)<br />
f 〉 =<br />
∫<br />
d f q f(q) |ψ(q, t)| 2 .<br />
Erwartungswerte von Impulsobservablen<br />
Der Erwartungswert der Ortsobservablen ist offensichtlich noch eine Funktion der Zeit.<br />
Verlangt man heuristisch, dass die klassische Beziehung ⃗p = m ˙⃗x in der Q.M. noch für die<br />
Erwartungswerte gilt<br />
〈⃗p〉 = m d dt 〈⃗x〉 ,<br />
erhält man nach Anwendung der Schrödinger-Gleichung und partieller Integration die<br />
Gleichung<br />
∫<br />
〈⃗p〉 =<br />
d 3 x ψ ∗ (−i ⃗ ∇ψ) .<br />
Der Erwartungswert des Impulses folgt durch Anwendung des bereits in Gl. (6) aus dem<br />
Ansatz einer ebenen Welle erhaltenen Impulsoperators auf ψ. Zu beachten ist, dass der<br />
Operator nur auf die Wellenfunktion ψ wirkt, nicht gleichzeitig auch auf ψ ∗ .<br />
Allgemeiner sei f(p) eine reell-analytische Funktion der Impulse und ˆf der durch die<br />
Taylor-Entwicklung von f(p) definierte Operator. Dann ist der zugehörige Erwartungswert<br />
definiert als<br />
〈 (∧) ∫<br />
f 〉 =<br />
d f q ψ ∗ (q, t) ( ˆfψ(q, t)) .<br />
Erwartungswerte allgemeiner Operatoren<br />
Sei f(q, p) nun eine reelle Funktion der Orte und Impulse. Wegen der Nicht-Vertauschbarkeit<br />
der Operatoren ˆq, ˆp führen die Ersetzungsregeln angewendet auf die Taylor-Reihe von<br />
f(q, p) nicht zu einem eindeutigen Operator “ ˆf = f(ˆq, ˆp)”. Legt man die Reihenfolge der<br />
Operatoren ˆq, ˆp in diesem Ausdruck aber ein für allemal fest, erhält man einen eindeutigen<br />
Operator Ô. Der diesem Operator zugeordnete Erwartungswert ist definiert als<br />
Erwartungswert:<br />
∫<br />
〈O〉 =<br />
d f q ψ ∗ (q, t) (Ôψ(q, t)) . (26)<br />
Später werden wir auch Erwartungswerte von Operatoren betrachten, die nicht durch<br />
Komposition von ˆq und ˆp entstehen.<br />
19
Orts- und Impulsdarstellung<br />
Wir geben nun ein anderes Argument für die Definition des Erwartungswerts der Impulsobservablen.<br />
Wir nehmen hier und im Folgenden an, dass die Wellenfunktion normierbar<br />
ist, d.h. die Bedingung der Quadrat-Integrabilität erfüllt:<br />
ψ(x, t) ∈ L 2 (R) :<br />
∫ +∞<br />
−∞<br />
dx|ψ(x, t)| 2 < ∞ . (27)<br />
Zur Vereinfachung betrachten wir hier wieder den 1-dim. Fall. Die Funktion ψ(x, t) und<br />
ihre Fouriertransformierte φ(p, t) sind miteinander verbunden durch die Integrale<br />
ψ(x, t) =<br />
φ(p, t) =<br />
∫<br />
1 +∞<br />
√ dp φ(p, t) e ixp/ ,<br />
2π<br />
−∞<br />
∫<br />
1 +∞<br />
√ dx ψ(x, t) e −ixp/ . (28)<br />
2π<br />
−∞<br />
Man kann also ψ(x, t) aus der Kenntnis der Funktion φ(p, t) rekonstruieren und umgekehrt,<br />
wie man mithilfe der Integraldarstellung der delta Funktion<br />
δ(x − x ′ ) = 1<br />
2π<br />
∫ +∞<br />
−∞<br />
dp e i(x−x′ )p/ , δ(p − p ′ ) = 1<br />
2π<br />
∫ +∞<br />
−∞<br />
dx e i(p−p′ )x/ , (29)<br />
überprüfen kann. Die beiden Funktionen ψ(x, t) und φ(p, t) enthalten in diesem Sinn die<br />
gleiche Information. Das Plancherel Theorem besagt ferner, dass gilt:<br />
∫ +∞<br />
−∞<br />
dx |ψ(x, t)| 2 =<br />
∫ +∞<br />
−∞<br />
dp |φ(p, t)| 2 . (30)<br />
D.h. wenn ψ(x, t) im Ortsraum normiert ist, dann ist auch φ(p, t) im Impulsraum normiert.<br />
Wir interpretieren nun φ(p, t) als Wellenfunktion auf dem Impulsraum und ρ = |φ(p, t)| 2 dp<br />
als Wahrscheinlichkeit, das Teilchen mit Impuls im Intervall [p, p + dp] zu finden. Mithilfe<br />
der Fourier-Integrale zeigt man leicht, dass gilt:<br />
〈x〉 =<br />
〈p〉 =<br />
∫ +∞<br />
−∞<br />
∫ +∞<br />
−∞<br />
dx ψ ∗ (x, t)xψ(x, t) =<br />
dp φ ∗ (p, t)pφ(p, t) =<br />
∫ +∞<br />
−∞<br />
∫ +∞<br />
−∞<br />
dp φ ∗ (p, t) (i ∂ )φ(p, t) ,<br />
∂p<br />
dx ψ ∗ (x, t) (−i ∂ )ψ(x, t) .<br />
∂x<br />
Die Interpretation von |φ(p, t)| 2 als Wahrscheinlichkeitsdichte im Impulsraum führt also<br />
wieder auf die Identifizierung ˆp = −i∂/∂x und die vorher beschriebene Definition des<br />
Erwartungswertes für Impulsobservable im Ortsraum.<br />
Wir werden später sehen, dass die Wellenfunktionen im Ortsraum und im Impulsraum<br />
lediglich verschiedene Darstellungen für die Elemente des q.m. Zustandsraums sind. Die<br />
20
Wahl der Darstellung entspricht, grob gesprochen, der Wahl eines ’Koordinatensystems’.<br />
Die gleichwertigen Darstellungen des q.m. Systems in der Orts- und Impulsdarstellung<br />
sind in Tabelle 1 zusammengefasst:<br />
dV Wellenfunkt. Ψ Wahrsch. Ortsop. ˆx Impulsop. ˆp<br />
Ortsraum dx ψ(x, t) |ψ(x, t)| 2 dx x −i d<br />
dx<br />
Impulsraum dp φ(p, t) |φ(p, t)| 2 dp i d dp<br />
p<br />
Tabelle 1: Vergleich der Orts- und Impulsdarstellung<br />
Der Erwartungswert ist dann unabhängig von der Darstellung allgemeiner definiert als<br />
Erwartungswert allg.:<br />
∫<br />
〈O〉 =<br />
∗<br />
dV Ψ (ÔΨ) . (31)<br />
Die Operatoralgebra hängt ebenfalls nicht von der Darstellung ab, z.B. gilt offenbar [ˆx, ˆp] =<br />
i in jeder der beiden Darstellungen.<br />
2.4 Hermitesche Operatoren<br />
In Gleichung (22) hatten wir bereits eine spezielle Eigenschaft des Hamiltonoperators<br />
festgestellt, die allgemeiner von großer Wichtigkeit für die Theorie der Observablen der<br />
Q.M. ist. Sei Ô ein Operator. Wir definieren den zu Ô adjungierten Operator Ô† durch<br />
die Gleichung<br />
Adjungierter Operator: ∫<br />
∫<br />
dV (Ô† ψ) ∗ ψ =<br />
!<br />
∗<br />
dV ψ (Ôψ) ∀ψ . (32)<br />
In (22) hatten wir gesehen, dass der Hamilton-Operator selbst-adjungiert sein muss, d.h.<br />
Ĥ † = Ĥ. Statt selbst-adjungiert sagt man auch hermitesch. Allgemeiner definieren wir<br />
also die Bedingung:<br />
Hermitescher Operator:<br />
Ô † = Ô . (33)<br />
Eine wichtige allgemeine Eigenschaft jedes hermiteschen Operators ist, dass sein Erwartungswert<br />
reell ist:<br />
Ô † = Ô ⇒ 〈O〉 = 〈O〉∗ . (34)<br />
21
Da physikalische Observable reell sein müssen, können nur Erwartungswerte hermitescher<br />
Operatoren direkt zu Messgrößen korrespondieren(!). Die hermiteschen Operatoren sind<br />
also ausgezeichnet.<br />
Beispiel:<br />
Der Ortsoperator ˆx, der Impulsoperator ˆp und der Hamiltonoperator Ĥ für ein<br />
Teilchen im Potential sind hermitesch, unabhängig von der Darstellung.<br />
Stellt man die Bedingung der Selbstadjungiertheit an einen physikalischen Operator, so<br />
kann man einige der Unbestimmtheiten in der Ordnung der Operatoren beim Übergang<br />
von der klassischen Mechanik fixieren. So sollten die reellen Funktionen f(p, q) auf dem<br />
Phasenraum zu hermiteschen Operatoren (mit reellen Erwartungswerten) in der Q.M. korrespondieren.<br />
Beispiel: Sei f(q, p) eine reelle Funktion der klassischen Orte und Impulse, z.B. f(q, p) =<br />
p · q = αpq + (1 − α)qp ∀ α ∈ R. Der durch die Ersetzungsregeln zugeordnete Operator<br />
ˆf α = αˆpˆq + (1 − α)ˆqˆp ist hermitesch (⇒ 〈f〉 ∈ R!) nur für α = 1 2 .<br />
Seien ˆf und ĝ zwei hermitesche Operatoren. Dann gelten für die Komposition dieser Operatoren<br />
folgende, einfach herzuleitende Regeln (→ Übung)<br />
⋄ Falls α, β ∈ R ist auch α ˆf + βĝ selbstadjungiert.<br />
⋄ Der Kommutator i[ ˆf, ĝ] ist selbstadjungiert.<br />
⋄ Das Produkt ˆfĝ ist selbstadjungiert, wenn der Kommutator verschwindet, [ ˆf, ĝ] = 0.<br />
Unschärferelation<br />
Seien ˆf und ĝ zwei hermitesche Operatoren. Wir definieren die ebenfalls hermiteschen<br />
Operatoren ˆf 0 = ˆf − 〈f〉 und ĝ 0 = ĝ − 〈g〉 und betrachten die Wellenfunktion ˜ψ :=<br />
( ˆf 0 + iγĝ 0 )ψ, mit γ ∈ R. Für jede Wellenfunktion gilt ∫ dx| ˜ψ| 2 ≥ 0 und daher<br />
∫ (<br />
∫<br />
dx ( ˆf<br />
∗<br />
0 + iγĝ 0 )ψ)<br />
( ˆf0 + iγĝ 0 )ψ = dx ψ ∗ ( ˆf 0 − iγĝ 0 )( ˆf 0 + iγĝ 0 )ψ<br />
= (∆f) 2 + γ 2 (∆g) 2 + γ〈i[ ˆf, ĝ]〉 ≥ 0 .<br />
Hier haben wir verwendet, dass iĝ 0 ein anti-hermitescher Operator ist, d.h. (iĝ 0 ) † = −iĝ 0 ,<br />
und dass gilt i[ ˆf 0 , ĝ 0 ] = i[ ˆf, ĝ], da die Erwartungswerte 〈f〉 und 〈g〉 Zahlen sind und<br />
22
vertauschen. Die Gleichung gilt für jede Zahl γ, insbesondere auch am Extremum bzgl.<br />
der Variation von λ:<br />
∂ (<br />
(∆f) 2 + γ 2 (∆g) 2 + γ〈i[<br />
∂γ<br />
ˆf, ĝ]〉 ) = 0 ⇒ γ = − 〈i[ ˆf, ĝ]〉<br />
2(∆g) 2 .<br />
Eingesetzt in die erste Gleichung erhalten wir die allgemeine Unschärferelation<br />
Unschaerferelation:<br />
∆f · ∆g ≥ |〈i[ ˆf, ĝ]〉|<br />
2<br />
. (35)<br />
Für ˆf = ˆq j , ĝ = ˆp j folgt aus [ˆq j , ˆp j ] = i die Heisenbergsche Unschärferelation<br />
∆x j · ∆p j ≥ 2<br />
(36)<br />
für die Unbestimmtheit der konjugierten Orts- und Impulskoordinaten.<br />
2.5 Der Messprozess<br />
Wenn ein System durch die Wellenfunktion ψ A beschrieben wird, dann ergibt |ψ A (x, t)| 2<br />
die Wahrscheinlichkeitsverteilung im Ortsraum. Stellt man bei einer Messung das Teilchen<br />
im Bereich I = [x 0 − δx, x 0 + δx] fest, wobei δx die Messungenauigkeit berücksichtigt, so<br />
befindet sich das Teilchen auch unmittelbar danach an diesem Ort. Die Wellenfunktion<br />
ändert sich also durch die Messung des Orts zum Zeitpunkt t = t 0 :<br />
Zeit Wahrscheinlichkeitsdichte Wellenfunktion<br />
t ≤ t 0 ρ = |ψ A (x, t)| 2 ψ A {<br />
t = t 0 + ɛ ρ = |ψ B (x, t)| 2 1/ √ 2δx x ∈ I<br />
ψ B =<br />
0 sonst<br />
Bemerkungen:<br />
⋄ Die Messung ergibt immer einen festen Wert x 0 im erlaubten Wertebereich, bis auf die<br />
Messungenauigkeit ∼ δx.<br />
⋄ Der Messprozess ’zerstört’ die ursprüngliche Wellenfunktion, man spricht auch vom<br />
Kollaps der Wellenfunktion.<br />
⋄ Eine möglichst exakte Ortsmessung führt wegen der Unschärferelation zu einer hohen<br />
Impulsunschärfe ∆p ≥ /δx. Ort und Impuls können gleichzeitig nie genauer als durch<br />
die Unschärferelation begrenzt gemessen werden.<br />
23
⋄ Gleiches gilt nach (35) allgemeiner für Paare von Observablen die zu nicht-kommutierenden<br />
Operatoren gehören. Dagegen können Observable, deren zugehörige Operatoren kommutieren<br />
(z.B. x i und p j für i ≠ j), nach wie vor gleichzeitig beliebig genau gemessen<br />
werden(!).<br />
Deutung<br />
Das Ergebnis der Ortsmessung und der Kollaps der Wellenfunktion führt auf die naheliegende<br />
Frage: wo war das Teilchen unmittelbar vor der Messung? Plausible Antworten<br />
sind:<br />
⋄ Realistische Interpretation: Das Teilchen war bei x = x 0 . Es folgt dass die q.m. Beschreibung<br />
durch die Wellenfunktion ψ A unvollständig wäre und eine vollständige Beschreibung<br />
das Ergebnis vorhersagen könnte.<br />
⋄ Kopenhagener Interpretation: Das Teilchen war nirgends. Erst durch die Messung ändert<br />
sich die Wellenfunktion des Zustandes und das Teilchen lokalisiert im Intervall I. Die<br />
Messung ’erzeugt’ also das Messergebnis und den Zustand; anders als in der klassischen<br />
Mechanik kann der Messprozess nicht unabhängig vom beobachteten System behandelt<br />
werden.<br />
Die beiden Vorschläge können experimentiell mithilfe der Bell’schen Ungleichung unterschieden<br />
werden, die wir später noch diskutieren werden. Ergebnis: das Experiment ist im<br />
Einklang mit der Kopenhagener Interpretation!<br />
Störung durch den Messprozess<br />
Als Beispiel für die Veränderung des Systems durch den Messprozess skizzieren wir kurz<br />
die Ortsmessung eines Elektrons e durch Streuung eines Photons γ. Die Messgenauigkeit<br />
für den Ort des Elektrons ist beschränkt durch die Wellenlänge λ des Photons, ∆x e ≥ λ.<br />
Der Impuls des Photons, p γ = 2π/λ wächst mit höherer Genauigkeit der Ortsmessung.<br />
Durch den Impulsübertrag bei der Streuung (→ Compton-Effekt) ändert sich der Impuls<br />
des Elektrons ∆p e ∼ p γ . Dies ergibt die Abschätzung ∆x e · ∆p e ∼ 2π, im Einklang mit<br />
der Unschärferelation. Nach einer präzisen Messung des Ortes ist der Impuls des Elektrons<br />
in dieser Größenordnung unbestimmt.<br />
24
3 Ein-Dimensionale Anwendungen<br />
Zur Veranschaulichung der vorhergehenden Konzepte lösen wir nun zunächst die Gleichungen<br />
der Q.M. für einige einfache, 1-dimensionale Probleme mit zeitunabhängigem<br />
Hamiltonoperator. Die dabei beobachteten Strukturen werden wir im nächsten Kapitel<br />
verallgemeinern und formalisieren.<br />
3.1 Eigenwert-Probleme hermitescher Operatoren<br />
Eine wichtige Methode zur Lösung der S.G. mit zeitunabhängigem Hamilton-Operator ist<br />
die Bestimmung der sogenannten Eigenfunktionen von Ĥ. Dieser Zugang ist später auch<br />
allgemeiner für höher-dimensionale Probleme und für andere hermitesche Operatoren Ô<br />
wichtig. Wir stellen daher zunächst einige allgemeine Eigenschaften zusammen, die wir in<br />
den Anwendungen wiederholt beobachten werden.<br />
Wir nehmen an, dass ∂Ĥ/∂t = 0, und lösen die Schrödingergleichung durch Separation<br />
in den Variablen q und t. Mit dem Ansatz<br />
erhält man aus (13) für die Funktion ϕ E (q)die<br />
Zeitunabhängige Schroedinger-Gleichung<br />
ψ E (q, t) = ϕ E (q)e − iEt<br />
, (37)<br />
Ĥϕ E (q) = Eϕ E (q) . (38)<br />
Der Operator angewendet auf die Funktion ϕ E (oder auch ψ E ) ergibt also einfach die<br />
gleiche Funktion mal einer Konstanten E. Die möglichen Werte für E hängen von der genauen<br />
Form von Ĥ ab und bilden das Spektrum des hermiteschen Operators Ĥ. E heisst<br />
Eigenwert (EW) von Ĥ, ϕ E (oder ψ E ) heisst die dazugehörige Eigenfunktion (EF) und<br />
der zugehörige q.m. Zustand Eigenzustand (EZ). Die Gleichung (38) nennt man auch<br />
Eigenwertgleichung von Ĥ.9<br />
Wir diskutieren zwei wichtige Eigenschaften dieser Lösungen:<br />
1. Eigenzustand: Der durch die Eigenfunktionen beschriebene q.m. Zustand hat eine<br />
9 Vgl. die Definition des Eigenwerts λ und des Eigenvektors ⃗v einer Matrix ˆM in der linearen Algebra,<br />
ˆM⃗v ! = λ⃗v; wir werden später in der Tat eine Vektordarstellung für die q.m. Zustände und Matrixdarstellungen<br />
für die in der Q.M. auftretenden Operatoren erhalten. Die Ähnlichkeit geht auf die Linearität der<br />
S.G. in der WF (→ Superpositionsprinzip) zurück.<br />
25
feste Energie: Aus<br />
∫<br />
∫<br />
〈H〉 = d f q ψ E (q) ∗ Ĥψ E (q) = d f q ϕ E (q) ∗ Eϕ E (q) = E ,<br />
∫<br />
∫<br />
∫<br />
〈H 2 〉 = d f q ψ E (q) ∗ Ĥ 2 ψ E (q) = d f q ϕ E (q) ∗ ĤEϕ E (q) =<br />
d f q ϕ E (q) ∗ E 2 ϕ E (q) = E 2 ,<br />
folgt, dass die Streuung der Messwerte um den Mittelwert Null ist:<br />
∆H 2 = 〈H 2 〉 − 〈H〉 2 = E 2 − E 2 = 0 .<br />
Allgemeiner sieht man dass 〈H n 〉 = E n für alle n > 0. Es folgt, dass jede Messung der<br />
Energie im Eigenzustand genau den Wert E ergibt.<br />
2. Stationäre Lösung: Die Wellenfunktion ψ E ist zwar zeitabhängig, die Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />
|ψ E (q, t)| 2 = |ϕ E (q)e − iEt<br />
| 2 = |ϕ E (q)| 2 ,<br />
ist aber zeitunabhängig, ebenso die Erwartungswerte aller zeitunabhängigen, hermiteschen<br />
Operatoren ˆf:<br />
∫<br />
〈f〉 =<br />
d f q ϕ E (q) ∗ e iEt<br />
<br />
∫<br />
ˆfϕE (q)e − iEt<br />
=<br />
d f q ϕ E (q) ∗ ˆfϕE (q) .<br />
Die Eigenzustände des zeit-unabhängigen Hamiltonoperators sind also stationär.<br />
Allgemeine Lösung der zeitabhängigen S.G.<br />
Die durch Separationsansatz erhaltenen Wellenfunktionen ψ E sind offensichtlich sehr spezielle<br />
Lösungen der Schrödingergleichung. Wegen des Superpositionsprinzips kann man aber,<br />
ähnlich wie bei der Überlagerung ebener Wellen, eine allgemeine Lösung der zeitabhängigen<br />
Schrödinger-Gleichung aus der Überlagerung der Eigenfunktionen konstruieren. Wir<br />
nehmen an, dass die Energie E nur diskrete Eigenwerte E i annimmt, und nummerieren die<br />
verschiedenen Energien und Eigenfunktionen mit einem Index i. Die allgemeine Linearkombination<br />
ψ(q, t) = ∑ i c iϕ i (q)e − iE i t<br />
, c i ∈ C, ist dann ebenfalls Lösung der Schrödingergleichung.<br />
Obwohl die Wellenfunktion ψ(q, t) eine Linearkombination stationärer Wellenfunktionen<br />
ist, ist sie selbst nicht stationär, da sich die unterschiedlichen Phasenfaktoren<br />
in |ψ(q, t)| 2 nicht mehr wegkürzen.<br />
In speziellen Fällen kann man beweisen, dass sich jede Lösung der Schrödingergleichung<br />
durch eine Linearkombination der Energie-Eigenfunktionen ausdrücken lässt. 10 Wir<br />
formulieren diese Behauptung als Axiom:<br />
10 Diese Eigenschaft verallgemeinert die Fourierentwicklung.<br />
26
Vollständigkeit:<br />
Jede normierbare Wellenfunktion ψ(q, t) kann als Linearkombination<br />
ψ(q, t) = ∑ i<br />
c i ϕ i (q)e − iE i t<br />
, c i ∈ C , (39)<br />
dargestellt werden, mit den Energie-Eigenfunktionen Ĥϕ i = E i ϕ i .<br />
Andere Eigenwertprobleme<br />
Die Idee, eine allgemeine Wellenfunktion als Linearkombination von Eigenfunktionen eines<br />
hermiteschen Operators zu konstruieren, wird allgemeiner von zentraler Bedeutung sein.<br />
Weitere relevante Beispiele für Eigenfunktionen hermitescher Operatoren sind:<br />
⋄ EF des 1-dim. Impulsoperators im Ortsraum R für das freie Teilchen sind die ebenen<br />
Wellen ψ p = e ipx/ mit EW p ∈ R. Sie sind aber nicht normierbar.<br />
⋄ Die EF des 1-dim. Ortsoperators für das gleiche Sytem sind die Delta Distributionen<br />
ψ x0 = δ(x − x 0 ) mit EW x 0 ∈ R.<br />
⋄ Sei ˆP der Paritätsoperator:<br />
ˆP ψ(x) = ψ(−x) . (40)<br />
Die Eigenfunktionen von ˆP sind die geraden Funktionen ψ(−x) = ψ(x) mit EW 1 und<br />
die ungeraden Funktionen ψ(−x) = −ψ(x) mit EW -1.<br />
Wichtige Eigenschaften der EF<br />
Wir stellen noch wichtige allgemeine Eigenschaften der EF eines hermiteschen Operators<br />
Ô zusammen, die wir in den folgenden Anwendungen für Ô = Ĥ laufend beobachten und<br />
benützen werden.<br />
Seien ψ n normierte EF mit EW λ n , d.h.<br />
∫<br />
Ôψ n = λ n ψ n , d f q|ψ n | 2 = 1 . (41)<br />
Dann gilt:<br />
⋄ Die EW sind reell:<br />
λ ∗ n = λ n . (42)<br />
Beweis: λ n = λ n<br />
∫<br />
d f q ψ ∗ nψ n = ∫ d f q ψ ∗ nÔψ n = ∫ d f q (Oψ n ) ∗ ψ n = λ ∗ n.<br />
27
⋄ Orthonormalitaetsrelation: ∫<br />
d f q ψ ∗ mψ n = δ mn . (43)<br />
∫<br />
Beweis: λ n d f q ψmψ ∗ n = ∫ d f q ψ mÔψ ∗ n = ∫ ∫<br />
d f q (Oψ m ) ∗ ψ n = λ m d f q ψmψ ∗ n<br />
⇒ λ m = λ n oder ∫ d f q ψmψ ∗ n = 0.<br />
⋄ Unter der Annahme der Vollständigkeit der EF kann die allgemeine Wellenfunktion ψ<br />
wieder als Linearkombination der EF geschrieben werden:<br />
ψ = ∑ n<br />
c n ψ n , c n ∈ C , (44)<br />
vgl. (39) für Ô = Ĥ. Die Entwicklungskoeffizienten c n sind wegen (43) gegeben durch<br />
die Integrale<br />
∫<br />
c n = d f q ψnψ ∗ . (45)<br />
Genauer gilt dies unter der Annahme dass alle EW unterschiedlich sind, das heisst nicht<br />
entartet sind:<br />
Entartung<br />
Gibt es zum gleichen EW mehrere EF spricht man von der Entartung des EW. Z.B. sind<br />
die EW des Paritätsoperators i.a. stark entartet, da es für ein gegebenes System unendlich<br />
viele gerade und ungerade Lösungen geben kann (→ unendl. Potentialtopf). Seien ψ n,α<br />
eine Basis der EF zum EW λ n die durch einen extra Index α unterschieden werden,<br />
Ôψ n,α = λ n ψ n,α ∀a .<br />
Die Orthonormalitätsrelation (43) sagt in diesem Fall nichts über die Integrale ∫ d f ψ ∗ n,αψ n,α ′<br />
für α ≠ α ′ aus. Durch Bildung geeigneter Linearkombinationen der ψ n,α kann man aber<br />
immer eine neue Basis von EF ˜ψ n,α zum EW λ n definieren (Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren),<br />
für die die erweiterte Orthonormalitätsbedingung gilt<br />
∫<br />
d f q ˜ψ ∗ m,α ˜ψ n,α ′ = δ mn δ αα ′ .<br />
Die Beschreibung der allgemeinen Lösung (44) und die Berechnung der Entwicklungskoeffizienten<br />
(45) ist dann genauso wie im nicht entarteten Fall, abgesehen von der durch den<br />
extra Index α erweiterten Indexmenge.<br />
28
3.2 Stetigkeits- und Randbedingungen<br />
Im Folgenden lösen wir einige 1-dimensionale Probleme mit einem zeitunabhängigen Hamiltonoperator<br />
der Form<br />
Ĥ = − 2 d 2<br />
2m dx 2 + V (x) ,<br />
die sich in den Ansätzen für das Potential V (x) unterscheiden. Die allgemeine Strategie ist,<br />
die Schrödinger-Gleichung zunächst in bestimmten Bereichen zu lösen und die Lösungen<br />
anschliessend an den Rändern der Bereiche zu verknüpfen. Dazu fassen wir zunächst einige<br />
Stetigkeits- und Randbedingungen für die Eigenfunktionen ϕ(x) von Ĥ zusammen:11<br />
1. Es gilt: lim x→±∞ ϕ(x) = 0 für normierbare EF.<br />
2. Ist V (x) endlich in einer Umgebung von x = x 0 , dann sind ϕ und die erste Ableitung<br />
ϕ ′ (x) = dϕ(x)/dx stetig:<br />
Endliches Potential<br />
V (x 0 ) < ∞ ⇒ ϕ(x), ϕ ′ (x) stetig bei x = x 0 . (46)<br />
Beweis: Wir integrieren die zeitunabhängige Schrödingergleichung von x 0 − ɛ bis x 0 + ɛ:<br />
− 2<br />
2m<br />
∫ x0+ɛ<br />
x 0−ɛ<br />
Im limes ɛ → 0 gilt dann:<br />
dx d2 ϕ(x)<br />
dx 2 +<br />
∫ x0+ɛ<br />
x 0−ɛ<br />
(dϕ<br />
lim<br />
ɛ→0 dx | x 0+ɛ − dϕ<br />
dx | ) 2m<br />
x 0−ɛ =<br />
2<br />
dx V (x)ϕ(x) = E<br />
∫ x0+ɛ<br />
lim<br />
ɛ→0<br />
x 0−ɛ<br />
∫ x0+ɛ<br />
x 0−ɛ<br />
dx ϕ(x) .<br />
dx (V (x) − E) ϕ(x) = 0 .<br />
D.h. ϕ ′ ist stetig, ϕ ist stetig und dies gilt wegen (44) dann auch für ϕ(x), ϕ ′ (x).<br />
3. Ist das Potential an einer Stelle x = x 0 unendlich, kann die Ableitung ϕ ′ unstetig<br />
sein. Wir unterscheiden zwei oft auftretende Fälle:<br />
(a) Delta-Funktions Potential<br />
V = V 0 δ(x − x 0 ) ⇒ ϕ(x) stetig bei x 0 , ϕ ′ | x0 +ɛ − ϕ ′ | x0 −ɛ = 2m<br />
2 V 0ϕ(x 0 ) .<br />
(47)<br />
∫ x0+ɛ<br />
Beweis: Folgt aus der vorhergehenden Betrachtung mit lim ɛ→0 x 0−ɛ<br />
dx V (x) ϕ(x) =<br />
V 0 ϕ(x 0 ) .<br />
11 Wegen (39) übertragen sich die Bedingungen an die Eigenfunktion ϕ(x) entsprechend auch auf die<br />
Wellenfunktion ψ(x, t). Die hier für den ein-dimensionalen Fall diskutierten Bedingungen gelten in einem<br />
allgemeineren Kontext.<br />
29
(b) Ist das Potential unendlich in einem Bereich I = [x 1 , x 2 ], dann gilt<br />
Unendliches Potential<br />
V (x) = ∞ , x ∈ I, ⇒ ϕ(x) = 0 , x ∈ I . (48)<br />
Wir wenden diese Überlegungen nun auf einige Beispiele an:<br />
3.3 Beispiele<br />
3.3.1 Unendlicher Potentialtopf<br />
Wir betrachten zuerst ein Potential der Form<br />
{<br />
0 falls 0 < x < L<br />
V (x) =<br />
∞ ansonsten.<br />
(49)<br />
Dies entspricht einem freien Teilchen in einem eindimensionalen Kasten mit harten reflektierenden<br />
Wänden. Dieses Beispiel ist idealisiert, illustriert aber einige der obengenannten<br />
Eigenschaften der Eigenfunktionen und andere wichtige Zusammenhänge.<br />
Im Intervall ]0, L[ ist V (x) = 0 und das Teilchen ist frei. Die zeitunabhängige Schrödingergleichung<br />
in diesem Bereich ist<br />
Eϕ E (x) = − 2<br />
2m ϕ′′ E(x)<br />
oder<br />
ϕ ′′ E(x) + k 2 ϕ E (x) = 0 ,<br />
Die allgemeine Lösung dieser Gleichung ist<br />
k 2 = 2mE<br />
2 . (50)<br />
ϕ E (x) = Ae ikx + Be −ikx ,<br />
wobei A, B ∈ C beliebige Konstanten sind.<br />
Bisher ist E (oder k) eine beliebige (komplexe) Zahl; für 0 < E ∈ R sind die Lösungen<br />
die bekannten ebenen Wellen. Für ein endliches Intervall ]0, L[ werden die erlaubten Werte<br />
von E aber durch die Randbedingungen am Rand des Intervalls eingeschränkt. Ausserhalb<br />
des Intervalls ]0, L[ muss die Wellenfunktion verschwinden, da sich ein Teilchen mit<br />
endlicher Energie nicht im Bereich V (x) = ∞ aufhalten kann. Für die Stetigkeit der WF<br />
am Rand des Intervalls muss also gelten:<br />
ϕ E (0) = ϕ E (L) = 0.<br />
30
Die Ableitung der WF ist wegen der Unendlichkeit des Potentials nicht stetig bei x = 0, L.<br />
Wir werden die Randbedingungen später auch noch als Grenzfall des endlichen Potentialtopfs<br />
erhalten.<br />
Die Randbedingung bei x = 0 ist erfüllt für A = −B. Die Wellenfunktion hat dann<br />
die Form<br />
ϕ E (x) = C sin (k x)<br />
mit C ≠ 0. Die Randbedingung bei x = L impliziert<br />
sin (kL) = 0 , ⇒ k = πn<br />
L , n ∈ Z .<br />
Die (Energie-)Eigenfunktionen und zugehörigen (Energie-)Eigenwerte sind also<br />
ϕ n (x) = C sin<br />
( πnx<br />
)<br />
, E n = n 2 π 2 2<br />
·<br />
L<br />
2mL 2 , n ∈ N . (51)<br />
Wir beschränken uns hier auf n = 1, 2, 3, · · · , weil sich die Lösungen für n < 0 nur durch ein<br />
Vorzeichen (d.h. eine irrelevante Phase der WF) unterscheiden. Die Normierungsbedingung<br />
ergibt<br />
C =<br />
√<br />
2<br />
L ,<br />
für alle n. Im folgenden Bild sind die Eigenfunktionen für kleine n = 1, ..., 4 skizziert:<br />
E<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 x<br />
Die wichtigsten Eigenschaften dieser Eigenfunktionen sind wie folgt:<br />
1. Die erlaubten Energieeigenwerte E n sind reell, positiv und diskret. Es gibt eine minimale<br />
Energie E 1 des sogenannten Grundzustandes mit WF ϕ 1 . 12<br />
12 Die Diskretheit der Energielevel und die minimale Energie sind in deutlichem Unterschied zur klassischen<br />
Beschreibung!<br />
31
2. Die Eigenfunktionen sind alternierend punkt- oder axialsymmetrisch zur Mitte des<br />
Topfes, d.h. Eigenfunktionen des modifizierten Paritätsoperators: 13<br />
ˆP ϕ n (x) := ϕ n (L − x) = (−1) n−1 ϕ n (x) .<br />
3. Die Zahl n − 1 ist die Zahl der Nulldurchgänge oder Knoten von ϕ n im Intervall<br />
]0, L[.<br />
4. Die Grundzustandsenergie ist invers proportional zu L 2 , in Übereinstimmung mit der<br />
Heisenbergschen Unschärferelation: Die Position des Teilchens ist mit der Unschärfe<br />
∆x ≈ L <br />
2<br />
bestimmt und der Impuls mit ∆p ≈<br />
2∆x ≈ L um p 0 = 0. Der Impuls ist<br />
daher ungefähr p ≈ L<br />
und die kinetische Energie<br />
E = p2<br />
2m ≈<br />
2<br />
2mL 2 .<br />
Dies ist von der selben Größenordnung wie das exakte Resultat.<br />
5. Die Eigenfunktionen bilden ein orthonormales System, in Übereinstimmung mit der<br />
allgemeinen Gleichung (43):<br />
∫<br />
dx ϕ m (x) ∗ ϕ n (x) = 2 L<br />
∫ L<br />
0<br />
dx sin<br />
( πmx<br />
) ( πnx<br />
)<br />
sin = δ mn .<br />
L L<br />
6. Das orthonormale System von Eigenfunktionen ist vollständig, d.h. jede normierbare<br />
Funktion f(x) im Intervall [0, L] mit Nullstellen am Rand kann mit Hilfe einer Fourierentwicklung<br />
als Linearkombination dieser Eigenfunktionen dargestellt werden:<br />
√ ∞∑<br />
2<br />
∞∑ ( πnx<br />
)<br />
f(x) = c n ϕ n (x) = c n sin ,<br />
L<br />
L<br />
n=1<br />
mit den Koeffizienten (vgl. (45))<br />
c n =<br />
∫ L<br />
0<br />
n=1<br />
dx ϕ n (x) ∗ f(x) .<br />
Die allgemeine Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung ist dann nach Gl.(44)<br />
13 Vgl. (40); die hier zusätzlich auftretende Verschiebung um L in der Ortskoordinate verschwindet in<br />
der Koordinate ˜x = x + L/2, die in der Mitte des Kastens zentriert ist.<br />
32
ψ(x, t) =<br />
∞∑<br />
n=1<br />
√<br />
2<br />
( πnx<br />
) (<br />
c n<br />
L sin exp − in2 π 2 )<br />
t<br />
L<br />
2mL 2 . (52)<br />
Ein durch ψ(x, t = 0) ! = ϕ 0 (x) definiertes Anfangswertproblem wird dann gelöst durch<br />
(52) mit den Koeffizienten c n = ∫ L<br />
0 dx ϕ n(x) ∗ ϕ 0 (x).<br />
3.3.2 Endlicher Potentialtopf<br />
Als nächstes Beispiel betrachten wir den endlichen Potentialtopf<br />
{<br />
−V<br />
V (x) = 0 < 0 falls 0 < x < L<br />
0 sonst<br />
Aus der zeitunabhängigen Schrödingergleichung erhalten wir für ein stückweise konstantes<br />
Potential allgemein:<br />
ϕ ′′ E(x) + k 2 ϕ E (x) = 0 , k 2 = 2m(E − V )<br />
2 . (53)<br />
Je nachdem ob die freie kinetische Energie E ′ := E − V größer oder kleiner Null ist,<br />
ergeben sich reelle oder komplexe Lösungen für k. Entsprechend gibt es zwei qualitativ<br />
unterschiedliche Lösungen:<br />
⋄ E < 0 : Bindungszustände mit diskretem Spektrum.<br />
⋄ E > 0 : Streuzustände mit kontinuierlichem Spektrum.<br />
Im ersten Fall ist k nur innerhalb des Kastens reell.<br />
Gebundene Zustände (−V 0 ≤ E < 0)<br />
Im Bereich ausserhalb des Topfs ist V = 0 und die Wellenzahl rein imaginär. Mit den<br />
reellen Parametern<br />
√ √<br />
−2mE<br />
2m(E + V0 )<br />
χ = , k =<br />
,<br />
<br />
<br />
lautet die allgemeine Lösung<br />
⎧<br />
⎨ A 1 e −χx + B 1 e χx falls x < 0,<br />
ϕ(x) = A 2 e ikx + B 2 e −ikx falls 0 < x < L .<br />
⎩<br />
A 3 e −χx + B 3 e χx falls x > L<br />
33
Aus der Normierbarkeit der Wellenfunktion folgt A 1 = B 3 = 0. Die Stetigkeit der Wellenfunktion<br />
und ihrer Ableitungen bei x = 0 und x = L impliziert:<br />
B 1 = A 2 + B 2 ,<br />
χB 1 = ik(A 2 − B 2 ),<br />
A 3 e −χL = A 2 e ikL + B 2 e −ikL ,<br />
(<br />
−χA 3 e −χL = ik A 2 e ikL − B 2 e −ikL) .<br />
Das Gleichungssystem hat nur Lösungen für bestimmte Werte von E, die durch die Lösungen<br />
der beiden folgenden Gleichungen gegeben sind (→ Übung):<br />
χ<br />
k = tan z (⇒ ϕ gerade) , χ<br />
= − cot z (⇒ ϕ ungerade) . (54)<br />
k<br />
Die Lösungen der ersten Gleichung führen zu geraden EF ϕ(L−x) = ϕ(x), die der zweiten<br />
zu geraden EF ϕ(L−x) = −ϕ(x) (vgl. Bem. 2. beim unendl. Potentialtopf). Die transzendenten<br />
Gleichungen bestimmen die erlaubten Werte von z bzw. k, und damit das Spektrum<br />
der möglichen Energiewerte E in Abhängigkeit von den Parametern V 0 , m, L. Die<br />
Gleichungen können numerisch oder graphisch gelöst werden; das folgende Bild zeigt die<br />
Lösungen als Schnittpunkte der Graphen für z 0 = 3.1π (blauer Graph: Tangens-Funktion;<br />
obere schwarze Linie: 4 gerade Lösungen, untere schwarze Linie: 3 ungerade Lösungen).<br />
6<br />
4<br />
2<br />
2 4 6 8 10 12<br />
2<br />
4<br />
6<br />
34
Bemerkungen:<br />
1. Das Energiespektrum ist wieder diskret. Es gibt nur endlich viele, genauer N =<br />
]<br />
+ 1 gebundene Zustände mit Energien<br />
[ 2z0<br />
π<br />
π 2 (n − 1) 2 2<br />
2mL 2 < E n + V 0 < π2 (n) 2 2<br />
2mL 2 , 1 ≤ n ≤ N<br />
die abwechselnd geraden und ungeraden Wellenfunktionen entsprechen.<br />
2. Die WF verschwindet nicht ausserhalb des Potentialtopfs, z.B. ϕ(x < 0) ≠ 0, d.h.<br />
im Gegensatz zum klassischen Fall gibt es eine nichtverschwindende Wahrscheinlichkeit,<br />
das Teilchen ausserhalb des Topfs zu finden. Die Amplitude der WF und die<br />
Wahrscheinlichkeitsdichte fallen aber exponentiell mit dem Abstand vom klassisch<br />
erlaubten Bericht 0 ≤ x ≤ L ab.<br />
3. Im limes V 0 → ∞ ⇒ z 0 → ∞ erhält man den unendlichen Potentialtopf zurück: Die<br />
Lösungen der Eigenwertbedingungen werden zu:<br />
z n =<br />
(n + 1)π<br />
2<br />
⇒ E n + V 0 = π2 (n + 1) 2 2<br />
2mL 2 ,<br />
in Übereinstimmung mit (51). Ausserdem verschwindet die Wellenfunktion im Aussenbereich,<br />
da χ = √ 2m(V 0 − E ′ )/ → ∞ für endliche freie Energie E ′ = E + V 0 ,<br />
in Übereinstimmung mit (48).<br />
4. Im limes z 0 → 0 erhält man die Lösungen des → Delta-Funktions Potential.<br />
Streuzustände<br />
Für E > 0 sind die Wellenzahlen überall reell und die Lösung der zeitunabhängigen<br />
Schrödingergleichung ist<br />
⎧<br />
⎨ A 1 e ikx + B 1 e −ikx falls x < 0,<br />
ϕ(x) = A<br />
⎩ 2 e ik′x + B 2 e −ik′ x<br />
falls 0 < x < L,<br />
A 3 e ikx + B 3 e −ikx falls x > L<br />
mit:<br />
k =<br />
√<br />
2mE<br />
<br />
√<br />
2m(E +<br />
und k ′ V0 )<br />
=<br />
.<br />
<br />
Die Wellenfunktion hat nun in allen Bereichen die Form einer ebenen Welle mit jeweils<br />
einem rechts-laufenden (z.B. ∼ e ikx für x < 0) und einem links-laufenden (z.B. ∼ e −ikx<br />
35
für x < 0) Anteil. Die sechs Unbekannten A i , B i werden durch die 4 Randbedingungen<br />
(Stetigkeit von ϕ und ϕ ′ bei x = 0, L) auf zwei freie Parameter reduziert.<br />
Wir betrachten nun das Problem, dass von links eine Welle mit Amplitude A 1 einläuft<br />
und am Potential gestreut wird. Die Amplitude der links-laufenden Welle für x > L ist<br />
dann null zu setzen, B 3 = 0. B 1 ist die Amplitude der reflektierten Welle und A 3 die<br />
Amplitude der durchgehenden Welle. Aus den Randbedingungen folgt:<br />
(<br />
k 2 − k ′2) sin(k ′ L)<br />
B 1 = A 1 ·<br />
2ikk ′ cos(k ′ L) + (k 2 + k ′2 ) sin(k ′ L) ,<br />
A 3 = A 1 ·<br />
e −ikL<br />
cos(k ′ L) − i(k2 +(k ′ ) 2 )<br />
2kk ′ sin(k ′ L) .<br />
Seien j E , j R und j T die Stromdichten (24) der einfallenden, reflektierten und durchlaufenden<br />
Welle. Man definiert den Reflexionskoeffizienent R und den Transmissionskoeffizienten<br />
T zur Beschreibung der Anteile der reflektierten bzw. durchlaufenden Welle:<br />
T = | j ∣<br />
T<br />
| =<br />
A 3 ∣∣∣<br />
2<br />
j E<br />
∣ , und R = | j ∣<br />
R<br />
| =<br />
B 1 ∣∣∣<br />
2<br />
A 1 j E<br />
∣ , (55)<br />
A 1<br />
Wegen der Erhaltung der Wahrscheinlichkeit (→ Kontinuitätsgleichung (25)) gilt<br />
T + R = 1, (56)<br />
wie man leicht überprüft, d.h. ein Teilchen muss entweder transmittiert oder reflektiert<br />
werden. Falls sin(k ′ L) = 0 (oder k = k ′ ), ist R = 0 und das Teilchen läuft mit 100%<br />
Wahrscheinlichkeit durch (B 1 = 0, |A 3 /A 1 | = 1).<br />
3.3.3 Delta-Potential<br />
Wir betrachten nun das Potential<br />
V (x) = Ṽ0δ(x) . (57)<br />
Für Ṽ0 > 0 ist das Potential repulsiv, für Ṽ0 < 0 attraktiv. 14 Man kann sich letzteren Fall<br />
als Grenzfall des vorhergehenden Beispiels vorstellen, in dem die räumliche Ausdehnung<br />
L des Potentials klein wird, L → 0, bei festgehaltenem ∫ dxV (x).<br />
Wir beschränken uns hier auf die Diskussion der Bindungszustände für Ṽ0 < 0 und<br />
E < 0. Mit der Definition κ =<br />
ϕ(x) =<br />
14 Ṽ 0 hat die Einheit Energie · Länge.<br />
√ −2mE<br />
<br />
ist der Ansatz für die Wellenfunktion<br />
{<br />
A1 e −κx + B 1 e κx falls x < 0,<br />
A 2 e −κx + B 2 e κx falls x > 0.<br />
36
Die Endlichkeit der WF im Unendlichen impliziert A 1 = 0 = B 2 und die Stetigkeit bei<br />
x = 0 verlangt A 2 = B 1 . Die Randbedingung (47) gibt:<br />
−2κB 1 = 2m<br />
2 Ṽ0B 1<br />
⇒ κ = − mṼ0<br />
2 .<br />
Es gibt also nur einen einzigen Bindungszustand mit fester Energie<br />
E = − mṼ 0<br />
2<br />
2 2 .<br />
Man kann diese Lösung auch aus dem oben beschriebenen Grenzfall des endlichen Potentialtopfs<br />
erhalten (→ Übung).<br />
3.3.4 Harmonischer Oszillator<br />
Das Potential für den harmonischen Oszillator lautet<br />
V (x) = mω2<br />
2 x2 . (58)<br />
Das Potential V (x) beschreibt näherungsweise ein allgemeines Potential in der Nähe eines<br />
Minimums dV/dx| x ′ =x 0<br />
= 0. Taylorentwicklung um x = x 0 liefert<br />
V (x) = V (x 0 ) + dV<br />
dx | x=x 0<br />
(x − x 0 ) + d2 V<br />
dx 2 | (x − x 0 ) 2<br />
x=x 0<br />
+ ... .<br />
2<br />
Der konstante Term kann in eine Verschiebung des Nullpunkts der Energie E absorbiert<br />
werden, der 2. Term verschwindet am Minimum. Vernachlässigt man die höheren Terme,<br />
die klein sind für kleine Entfernungen x−x 0 , erhält man nach einer Koordinatenredefinition<br />
x → x + x 0 das Potential (58) mit ω 2 = 1 d 2 V<br />
m<br />
|<br />
dx 2 x=x0 .<br />
Nach dem Koordinatenwechsel y = √ mω/ x wird die zeitunabh. S.G. zu<br />
−ϕ ′′ (y) + (y 2 − k)ϕ(y) = 0,<br />
k = 2E<br />
ω ,<br />
wobei die Striche nun ableiten nach y bedeuten. Mit dem Ansatz ϕ = e −y2 /2 H(y) erhält<br />
man für die unbekannte Funktion H(y) die Differentialgleichung<br />
H ′′ (y) − 2yH ′ (y) + (k − 1)H(y) = 0 .<br />
Die Lösung dieser Gleichung kann durch Ansatz einer Potenzreihe in y ermittelt werden<br />
(→ Übung). Für jede ganze Zahl n = 0, 1, 2, ..., gibt es genau eine Lösung mit k = 2n + 1<br />
und den Funktionen:<br />
37
Hermitesche Polynome:<br />
Die normierten Eigenfunktionen und Eigenwerte sind dann<br />
dn<br />
H n (y) = (−1) n e y2<br />
dy n e−y2 . (59)<br />
ϕ n (x) = c n H n (y)e −y2 /2 , E n = (n + 1 2<br />
) ω, n = 0, 1, 2, ... (60)<br />
mit y = x √ mω/ und den Normierungskonstanten c n = ( ) 1<br />
mω 4 √ 1<br />
π<br />
. 2 n n!<br />
Bemerkungen:<br />
⋄ Es gibt einen Grundzustand mit minimaler Energie E 0 = ω/2 > 0 und unendlich viele<br />
angeregte Zustände mit Energie E n − E 0 = ωn über der Grundzustandsenergie.<br />
⋄ Die (Herm. Polynome und daher die) Eigenfunktionen sind gerade/ungerade für gerades/ungerades<br />
n: ϕ n (−x) = (−1) n ϕ(x).<br />
⋄ Die expliziten Ausdrücke für die ersten Hermiteschen Polynome sind:<br />
H 0 (y) = 1, H 1 (y) = 2y, H 2 (y) = 4y 2 − 2 .<br />
⋄ Die Hermiteschen Polynome erfüllen die Rekursionsrelation<br />
H n+1 (y) = 2yH n (y) − 2nH n−1 (y) .<br />
Hieraus findet man z.B. H 3 = 8y 3 − 12y usw.<br />
⋄ Die Orthonormalität (43) der Eigenfunktionen folgt aus der Eigenschaft<br />
∫<br />
dyH n (y)H m (y)e −y2 = 2 n n! √ πδ mn .<br />
⋄ Die Eigenfunktionen ϕ n bilden ein vollständiges Funktionensystem, d.h. eine allgemeine<br />
Lösung kann als komplexe Linearkombination der Eigenfunktionen geschrieben werden,<br />
vgl.(44).<br />
38
3.4 Harmonischer Oszillator: algebraische Methode<br />
Wir haben bereits festgestellt, dass ein q.m. Zustand und die ihm zugeordneten Erwartungswerte<br />
gleichwertig in der Impuls- und Ortsdarstellung der WF beschrieben werden<br />
können. Im folgenden Kapitel werden wir den q.m. Zustandsraum abstrakt formulieren<br />
und die konkrete Darstellung durch Wellenfunktionen wird zunehmend in den Hintergrund<br />
treten. Als Beispiel für die Wichtigkeit und Effizienz der darstellungsunabhängigen<br />
Methoden lösen wir den harmonischen Oszillator noch einmal allein durch Betrachtung<br />
der Operatoralgebra.<br />
Als Ausgangspunkt betrachten den Hamiltonoperator<br />
Ĥ = ˆp2<br />
2m + m 2 ω2ˆx 2 ,<br />
und die abstrakte Operatorgleichung [ˆx, ˆp] = i. Wir definieren die neuen Operatoren<br />
Leiteroperatoren:<br />
â + =<br />
1<br />
√<br />
2mω<br />
(mωˆx − iˆp), â − = (â + ) † =<br />
1<br />
√<br />
2mω<br />
(mωˆx + iˆp) . (61)<br />
Aus der Hermitizität von ˆx und ˆp folgt sofort, dass â − der zu â + adjungierte Operator ist,<br />
und umgekehrt (vgl. (32)). Der Hamiltonoperator kann nun geschrieben werden als:<br />
Harmonischer Oszillator:<br />
(<br />
Ĥ = ω â + â − + 1 )<br />
. (62)<br />
2<br />
Aus dem Kommutator von ˆp und ˆx folgen die wichtigen Relationen<br />
[â + , â − ] = −1 , [Ĥ, â +] = ωâ + , [Ĥ, â −] = −ωâ − . (63)<br />
Dies erklärt die Bezeichnung Leiteroperator: Wir nehmen an, dass ϕ E eine normierte<br />
Eigenfunktion mit Energie E ist und die Funktion ϕ ± E<br />
:= â ±ϕ E ebenfalls normierbar.<br />
Dann ist wegen (63) ϕ ± E<br />
eine stationäre Wellenfunktion mit Energie E ± ω:<br />
Ĥ ϕ ± E = Ĥâ ± ϕ E = â ± (Ĥ ± ω) ϕ E = (E ± ω) ϕ ± E .<br />
Der Aufsteige-Operator â + (Absteige-Operator â − ) erhöht (erniedrigt) die Energie eines<br />
gegebenen Zustands also um ein Energiequant ∆E = ω.<br />
39
Wir haben angenommen, dass die Zustände ϕ ± E<br />
als normierbare Zustände existieren.<br />
Damit das Energiespektrum nach unten beschränkt ist, muß es aber eine Grundzustandswellenfunktion<br />
ϕ 0 geben, dessen Energie nicht erniedrigt werden kann:<br />
â − ϕ 0 = 0 .<br />
Für solch einen Grundzustand gilt:<br />
∫<br />
∫<br />
∫<br />
0 = dx |â − ϕ 0 | 2 = dx (â − ϕ 0 ) ∗ â − ϕ 0 =<br />
= E 0<br />
ω − 1 2 ,<br />
dx ϕ ∗ 0â + â − ϕ 0 = 1 ∫<br />
ω<br />
dx ϕ ∗ 0<br />
(<br />
Ĥ − ω 2<br />
)<br />
ϕ 0<br />
d.h. die Grundzustandsenergie ist<br />
E 0 = ω 2 .<br />
Die Wellenfunktionen aller anderen stationären Zustände können dann durch Anwendung<br />
des Aufsteige-Operators â + vom Grundzustand aus erreicht werden:<br />
ϕ n = 1 √<br />
n!<br />
(â + ) n ϕ 0 (64)<br />
Man überprüft leicht die Orthonormalität der so definierten EF; die richtige Normierung<br />
für höhere n folgt aus der des Grundzustandes:<br />
∫<br />
dx |ϕ n | 2 = 1 ∫<br />
∫<br />
dx ϕ ∗<br />
n!<br />
0â n −â n +ϕ 0 = ... =<br />
Aus der Operatoralgebra folgt weiter<br />
dx |ϕ 0 | 2 = 1.<br />
â − ϕ n = √ n ϕ n−1 , â + ϕ n = √ n + 1 ϕ n+1 , ⇒ â + â − ϕ n = n ϕ n .<br />
Der (Besetzungszahl-)Operator ˆn := â + â − zählt also die Anzahl der Energiequanten über<br />
dem Grundzustand, oder die Anzahl der Aufsteige-Operatoren in (64).<br />
Zusammenfassend sind das Energiespektrum des harmonischen Oszillators und dessen<br />
Eigenfunktionen gegeben durch<br />
ϕ n = √ 1 (â + ) n ϕ 0 , E n = (n + 1 )ω , n = 0, 1, 2, ... (65)<br />
n! 2<br />
Dieses Ergebnis stimmt natürlich mit (60) überein. Hier haben wir das Ergebnis mit rein<br />
algebraischen Methoden hergeleitet und von der Wellenfunktion kaum Gebrauch gemacht<br />
40
– wir haben nur deren Existenz angenommen! 15<br />
Erwartungswerte<br />
Aus der Operatoralgebra können wir auch die Erwartungswerte berechnen. Die zu (61)<br />
inversen Relationen lauten:<br />
√<br />
<br />
ˆx =<br />
2mω (â + + â − ) ,<br />
√<br />
mω<br />
ˆp = i (â + − â − ) .<br />
2<br />
Damit berechnet sich z.B. der Erwartungswert des Ortsoperators zu:<br />
√ ∫<br />
√ ∫<br />
<br />
<br />
〈ˆx〉 = dxϕ ∗<br />
2mω<br />
n(â + + â − )ϕ n = dxϕ ∗<br />
2mω<br />
n( √ n + 1ϕ n+1 + √ nϕ n−1 ) = 0 ,<br />
wobei wir im letzten Schritt die Orthonormalität der EF mit verschiedenem n verwendet<br />
haben. Genauso kann man beliebige Erwartungswerte von (geordneten) Operatoren der<br />
Form “ ˆf = f(ˆx, ˆp)” berechnen (ohne Kenntnis der expliziten Form der WF).<br />
Wellenfunktion<br />
Der Vollständigkeit halber berechnen wir nun auch die explizite Form der Wellenfunktion<br />
aus den Leiteroperatoren in der Ortsdarstellung:<br />
(<br />
1<br />
â ± = √ mωx ∓ ∂ )<br />
2mω ∂x<br />
Die Grundzustandswellenfunktion erfüllt die Bedingung â − ϕ 0 = 0 oder<br />
(<br />
mωx + ∂ )<br />
ϕ 0 (x) = 0 .<br />
∂x<br />
Dies ist, anders als die zeitunabhängige Schrödingergleichung, eine Differentialgleichung<br />
erster Ordnung. Diese Differentialgleichung kann nach einer Umstellung leicht gelöst werden<br />
∂<br />
∂x log ϕ 0 = − mω<br />
x<br />
(<br />
⇒ ϕ 0 = C exp − mω<br />
2 x2) ,<br />
wobei C eine Integrationskonstante ist, die durch die Normierungsbedingung fixiert wird.<br />
Die EF für höhere n ergeben sich diesmal einfach aus den Ableitungen von ϕ 0 :<br />
ϕ n = √ 1 â n +ϕ 0 =<br />
C (<br />
√ mωx − ∂ ) n (<br />
exp − mω<br />
n! n! ∂x 2 x2) .<br />
.<br />
15 Die Leistungsfähigkeit der algebraische Methode wird bei der Betrachtung der Spin 1 2<br />
Spinoperators noch deutlicher werden.<br />
Lösungen des<br />
41
Explizite Rechnung ergibt<br />
(√ ) mω<br />
(<br />
ϕ n (x) = c n H n<br />
x exp − mω<br />
2 x2) ,<br />
wobei H n Polynome n-ter Ordnung sind, die Hermite Polynome, in Übereinstimmung mit<br />
der vorhergehenden (komplizierteren) Berechnung. Das qualitative Verhalten der ersten<br />
vier EF n = 0, 1, 2, 3 ist in der linken Abbildung skizziert, daneben die Wahrscheinlichkeitsdichte.<br />
1.5<br />
1.5<br />
1.0<br />
1.0<br />
0.5<br />
0.5<br />
4 2 2 4<br />
0.5<br />
4 2 2 4<br />
0.5<br />
1.0<br />
1.0<br />
Für n = 50:<br />
1.5<br />
1.5<br />
1.4 10 50<br />
1.2 10 50<br />
1. 10 25 1. 10 50<br />
10 5 5 10<br />
5. 10 26<br />
8. 10 51<br />
10 5 5 10<br />
5. 10 26<br />
6. 10 51<br />
4. 10 51<br />
2. 10 51<br />
Wir fassen die wichtigsten Eigenschaften noch einmal kurz zusammen (vgl. mit dem unendlichen<br />
Potentialtopf)<br />
1. Die Energieeigenwerte sind reell, positiv und diskret. Randbedingung ist hier die<br />
Normierbarkeit der Wellenfunktion im Unendlichen.<br />
2. Die Eigenfunktionen sind alternierend punkt- oder axialsymmetrisch zum Minimum<br />
des Potentials.<br />
3. Mit steigender Energie haben die Eigenfunktionen successiv mehr Nulldurchgänge.<br />
ϕ 0 hat keinen, ϕ 1 hat einen und ϕ n hat n.<br />
4. Die Eigenfunktionen bilden ein orthonormales System, vgl.(43)<br />
∫<br />
dx ϕ m (x) ∗ ϕ n (x) = 1 ∫<br />
dx ϕ ∗<br />
n!<br />
0â m − â n +ϕ 0 = δ mn .<br />
5. Das orthonormale System von Eigenfunktionen ist vollständig, vgl. (44).<br />
42
4 Abstrakte Formulierung der <strong>Quantenmechanik</strong><br />
Die Wellenfunktion ψ liefert eine vollständige Beschreibung des q.m. Zustands. Die Ortsund<br />
Impulsdarstellung liefern zwei unterschiedliche Beschriebungen des gleichen Zustands.<br />
In Ziff. 3.1 hatten wir sogar postuliert, dass das System von EF ’jedes’ hermiteschen<br />
Operators vollständig ist und zu einer bestimmten Darstellung der Wellenfunktion des<br />
Zustandes der Form (44) führt.<br />
Wir entwickeln nun eine darstellungsunabhängige Beschreibung des q.m. Zustandsraums<br />
und dessen Dynamik und Observablen. Die Wellenfunktion tritt als Teil der Darstellung<br />
der Zustände in den Hintergrund (ähnlich wie Koordinaten Teil der ’willkürlichen’<br />
Koordinatendarstellung eines z.B. mechanischen Systems sind). Das allesentscheidende<br />
Merkmal ist die Linearität der Schrödingergleichung (→ Superpositionsprinzip Ziff.<br />
1.2), die dem Zustandsraum die Struktur eines (komplexen, möglicherweise unendlichdimensionalen)<br />
Vektorraums gibt.<br />
Ein kurzer Überblick über die im Folgenden im Detail diskutierten Konzepte ist:<br />
1. Die q.m. Zustände entsprechen normierbaren (Zustands-)Vektoren |ψ〉 in einem<br />
komplexen Vektorraum mit innerem Produkt, dem Hilbertraum H.<br />
2. Physikalische Observable O entsprechen linearen, hermiteschen Operatoren<br />
auf H wirken.<br />
Ô, die<br />
3. Die möglichen Messwerte von O sind die Eigenwerte {λ n } des Operators Ô. Eine<br />
Messung führt zur orthogonalen Projektion |ψ〉 ↦→ ˆP λ |ψ〉 ∈ H λ auf den durch<br />
den Messwert λ bestimmten Unterraum H λ ⊂ H. Die Wahrscheinlichkeit für den<br />
Messwert λ ist das Quadrat der Norm des projezierten Vektors.<br />
4. Die zeitliche Entwicklung des Zustands wird bestimmt durch die Schrödingergleichung.<br />
Symmetrien des Systems entsprechen unitären Operatoren.<br />
4.1 Hilbertraum<br />
Ein Hilbertraum H ist ein vollständiger, separabler Vektorraum über den komplexen Zahlen<br />
mit innerem Produkt. Wir stellen zunächst einige Begriffe und Eigenschaften zusammen:<br />
43
⋆ Zustandsvektor (’Ket’):<br />
|ψ〉 bezeichnet ein Element von H, genannt Zustands-Vektor (oder Ket-Vektor). Die<br />
Überlagerung zweier Zustände |ψ 1 〉, |ψ 2 〉 ist der Vektor |ψ 3 〉 = α|ψ 1 〉 + β|ψ 2 〉 ∈ H mit<br />
α, β ∈ C.<br />
⋆ Inneres Produkt (’Bracket’):<br />
〈ψ 1 |ψ 2 〉 ∈ C mit |ψ 1 〉, |ψ 2 〉 ∈ H bezeichnet das innere Produkt mit den Eigenschaften<br />
Linearität: 〈ψ 3 |αψ 1 + βψ 2 〉 = α〈ψ 3 |ψ 1 〉 + β〈ψ 3 |ψ 2 〉, α, β ∈ C, |ψ i 〉 ∈ H ,<br />
Hermitizität: 〈ψ 2 |ψ 1 〉 = 〈ψ 1 |ψ 2 〉 ∗ ,<br />
Positivität der Norm: ||ψ|| = √ 〈ψ|ψ〉 ≥ 0 , (66)<br />
Schwarzsche Ungl: |〈ψ 1 , ψ 2 〉| ≤ ||ψ 1 || ||ψ 2 || .<br />
Es gilt 0 ≤ ||ψ|| < ∞ mit ||ψ|| = 0 ⇒ |ψ〉 = 0. Zwei Vektoren |ψ 1 〉, |ψ 2 〉 sind orthogonal<br />
wenn gilt 〈ψ 1 |ψ 2 〉 = 0.<br />
⋆ Dualer Zustandsvektor (’Bra’):<br />
Sei H ∗ der zu H duale Vektorraum, d.h. Elemente 〈ψ 1 | ∈ H ∗ definieren eine lineare<br />
Abbildung H ↦→ C. Das innere Product 〈ψ 1 |ψ 2 〉 identifiziert H ∗ mit H durch die<br />
Abbildung<br />
|ψ 1 〉 ↦→ 〈ψ 1 | : H ↦→ C ,<br />
ψ 2 ↦→ 〈ψ 1 |ψ 2 〉 ∈ C ∀ |ψ 2 〉 ∈ H . (67)<br />
Der Ausdruck auf der rechten Seite ordnet also einem Zustandsvektor |ψ 1 〉 die Abbildung<br />
ψ 2 ↦→ 〈ψ 1 |ψ 2 〉 für alle |ψ 2 〉 ∈ H zu, und damit ein Element 〈ψ 1 | ∈ H ∗ des dualen<br />
Vektorraums. 〈ψ 1 | heisst der zu |ψ 1 〉 duale Vektor oder kurz Bra-Vektor (Bra- und<br />
Ket Vektor sind die ’Hälften’ der Bracket).<br />
Basisvektoren und Matrixdarstellung<br />
Eine Menge {|ϕ i 〉} von Vektoren in H heisst orthonormiert wenn gilt<br />
〈ϕ i |ϕ j 〉 = δ ij . (68)<br />
Eine Menge {|ϕ i 〉} heisst orthonormierte, vollständige Basis wenn sie (68) erfüllt<br />
und jeder Vektor |ψ〉 ∈ H als komplexe Linearkombination der Basisvektoren |ϕ i 〉 ge-<br />
44
schrieben werden kann:<br />
|ψ〉 = ∑ i<br />
a i |ϕ i 〉, a i ∈ C . (69)<br />
Die Komponenten a i des Ket-Vektors |ψ〉 in der Basis {|ϕ i 〉} sind<br />
a i = 〈ϕ i |ψ〉 . (70)<br />
Wie aus der linearen Algebra gewohnt, lassen sich die Zustandsvektoren also als Linearkombination<br />
der Basisvektoren |ϕ i 〉 ausdrücken, allerdings kann hier die Anzahl der<br />
notwendigen |ϕ i 〉, die Dimension von H, unendlich sein. Die Wahl der Basisvektoren ist a<br />
priori beliebig; für ein gegebenes System gibt es aber i.d.R. eine bevorzugte Basis, in der<br />
die Beschreibung des Problems besonders einfach wird (z.B. in Systemen mit Symmetrien,<br />
vgl. wieder mit der Wahl der Ortskoordinaten in der Mechanik).<br />
In der gewählten, orthonormierten Basis {|ϕ i 〉} können der Ket(-Vektor) und der Bra(-<br />
Vektor) durch die Vektoren der Komponenten dargestellt werden<br />
⎛ ⎞ ⎛ ⎞<br />
|ψ〉 = ∑ a 1 〈ϕ 1 |ψ〉<br />
i a ⎜<br />
i|ϕ i 〉 → a = ⎝a 2<br />
⎟ ⎜<br />
⎠ = ⎝〈ϕ 2 |ψ〉 ⎟<br />
⎠ , (71)<br />
. .<br />
〈ψ| = ∑ i a∗ i 〈ϕ i| → a † = ( a ∗ 1 , a∗ 2 , . . .) = ( 〈ψ|ϕ 1 〉, 〈ψ|ϕ 2 〉, . . . ) .<br />
Unterstrichene Größen kennzeichnen im Folgenden Vektoren/Matrizen in Komponentenschreibweise.<br />
T bezeichnet das Transponierte einer Matrix, z.B. lässt sich der Ket auch<br />
schreiben als |ψ〉 = (a 1 , ..., a n ) T . Das Symbol † bezeichnet dann allgemeiner die komplex<br />
konjugierte und transponierte der Matrix M:<br />
M † = (M ∗ ) T .<br />
In der Matrixdarstellung wird die Bracket zum ’gewöhnlichen’ Skalarprodukt der Vektoren<br />
der Komponenten; mit |ψ 1 〉 = ∑ i a i|ϕ i 〉, |ψ 2 〉 = ∑ i b i|ϕ i 〉:<br />
〈ψ 1 |ψ 2 〉 = ∑ i,j<br />
〈ψ 1 |ϕ i 〉〈ϕ i |ϕ j 〉〈ϕ j |ψ 2 〉 = ∑ i,j<br />
a ∗ i δ ij b j = ∑ i<br />
a ∗ i b i = a † · b . (72)<br />
45
Beispiel: Ein später wichtiges Beispiel für einen endlich-dimensionalen Hilbertraum ist C 2 .<br />
Dieser Raum beschreibt die beiden möglichen Spin-EZ eines Spin 1 2<br />
Teilchens (z.B. dem<br />
Elektron). In der Darstellung mit Basisvektoren<br />
( (<br />
1 0<br />
|ϕ 1 〉 = , |ϕ<br />
0)<br />
2 〉 = ,<br />
1)<br />
lassen sich zwei beliebige Zustandsvektoren in der Form |ψ 1 〉 = (a 1 , a 2 ) T und |ψ 2 〉 =<br />
(b 1 , b 2 ) T , mit a i , b i ∈ C, schreiben. Das innerem Produkt ist dann 〈ψ 1 |ψ 2 〉 = a ∗ 1b 1 + a ∗ 1b 2 .<br />
Aus der Endlichkeit der Norm folgt ∑ 2<br />
i=1 |a i| 2 < ∞. Eine offensichtliche Verallgemeinerung<br />
ergibt höher-dimensionalen Fälle H ≃ C n für n > 2, die z.B. bei Zustandsräumen von<br />
Teilchen mit höherem Spin eine Rolle spielen.<br />
Beispiel: Ein Beispiel für einen unendlich-dimensionalen Hilbertraum ist der Zustandsraum<br />
des 1-dim. harmonischen Oszillators. Die Zustände |i〉, i = 0, 1, ... mit Energie E i , Gleichung<br />
(60), bilden eine unendliche, abzählbare, orthonormierbare Basis von H. Eine wichtige Frage<br />
ist die Bedeutung der zuvor betrachteten Orts-Wellenfunktionen ϕ i (x). Sie sind die inneren<br />
Produkte<br />
ϕ i (x) = 〈x|i〉 ,<br />
wobei |x〉 einen Eigenzustand des Ortsoperators bezeichnet. Ein genaueres Verständnis dieser<br />
Beziehung erfordert eine nähere Diskussion des unendlich-dim. Falls, insbesondere der<br />
Gl.(68), die wir weiter unten entwickeln.<br />
Konkret werden wir Systeme von Basisvektoren für H aus Eigenzuständen hermitescher<br />
Operatoren konstruieren. Dazu müssen wir zuerst die Operatoren selbst beschreiben und<br />
verstehen:<br />
4.2 Operatoren<br />
Wir stellen zunächst einige Definitionen und Begriffe zu linearen Operatoren zusammen.<br />
Sei {|ϕ i 〉} wieder ein vollständiges System von orthonormierten Basisvektoren für H.<br />
⋆ C−lineare Operatoren wirken auf H wie<br />
ˆM : H ↦→ H, ˆM|ψ〉 = | ˆMψ〉 ∈ H,<br />
ˆM(α|ψ 1 〉 + β|ψ 2 〉) = α ˆM|ψ 1 〉 + β ˆM|ψ 2 〉 , α, β ∈ C .<br />
⋆ Einheitsoperator: Ein einfaches, für Rechnungen wichtiges, Beispiel ist der Einheitsoperator<br />
ˆ1 = ∑ |ϕ i 〉〈ϕ i | , ˆ1|ψ〉 = |ψ〉 (73)<br />
i<br />
Beweis: Geg. sei |ψ〉 = ∑ i a i|ϕ i 〉. Dann ist ˆ1|ψ〉 = ∑ i |ϕ i〉〈ϕ i |ψ〉 = ∑ i a i|ϕ i 〉 = |ψ〉.<br />
46
⋆ Matrixelemente Sei |ψ〉 = ∑ i=1 a i|ϕ i 〉 mit Matrixdarstellung a. Dann ist<br />
ˆM|ψ〉 = ˆM( ∑ j<br />
a j |ϕ j 〉) = ∑ j<br />
a j ˆM|ϕj 〉 = ∑ j<br />
a jˆ1 ˆM|ϕ j 〉 = ∑ i,j<br />
a j |ϕ i 〉〈ϕ i | ˆMϕ j 〉<br />
= ∑ i<br />
a ′ i|ϕ i 〉 = | ˆMψ〉 ,<br />
mit a ′ i = ∑ j m ija j . Hier bezeichnen m ij die<br />
Matrixelemente:<br />
m ij = 〈ϕ i | ˆM|ϕ j 〉 (74)<br />
des Operators<br />
ˆM in der gegebenen Basis {|ϕ i 〉}. In der Matrixdarstellung beschreibt<br />
man den linearen Operator ˆM : H ↦→ H also als Matrix<br />
⎛<br />
⎞<br />
m 11 m 12 · · ·<br />
⎜<br />
M = ⎝ m 21 m 22<br />
⎟<br />
⎠ .<br />
.<br />
. ..<br />
Er wirkt auf den Komponentenvektor a des Kets durch Matrizenmultiplikation<br />
|ψ〉 ≃ a ↦→ M · a = a ′ ≃ | ˆMψ〉 ,<br />
⎛ ⎞ ⎛<br />
⎞ ⎛<br />
a 1<br />
m 11 a 1 + m 12 a 2 + · · · a ′ ⎞<br />
1<br />
⎜<br />
⎝ a 2<br />
⎟ ⎜<br />
⎠ ↦→ ⎝ m 21 a 1 + m 22 a 2 + · · · ⎟ ⎜<br />
⎠ = ⎝ a ′ ⎟<br />
2 ⎠ . (75)<br />
.<br />
.<br />
.<br />
⋆ Adjungierter Operator: Wir definieren den adjungierten Operator durch<br />
〈 ˆM † ψ 1 |ψ 2 〉 ! = 〈ψ 1 | ˆMψ 2 〉 für alle |ψ 1 〉, |ψ 2 〉 ∈ H . (76)<br />
Es folgt, dass 〈ψ 1 | ˆM|ψ 2 〉 ∗ = 〈ψ 2 | ˆM † |ψ 1 〉. Die Matrixelemente des adjungierten Operators<br />
sind die Einträge der Matrix (M ∗ ) T = M † .<br />
⋆ Hermitescher Operator: Ein selbst-adjungierter oder hermitescher Operator erfüllt<br />
ˆM † = ˆM ⇔ M † = (M ∗ ) T . (77)<br />
Die Einträge der Matrixdarstellung eines hermiteschen Operators erfüllen daher m ij =<br />
m ∗ ji , insbesondere sind die Diagonaleinträge reell. Eine Matrix M mit diesen Eigenschaften<br />
heisst ebenfalls hermitesch.<br />
47
⋆ Unitärer Operator: Ein unitärer Operator erfüllt<br />
Û † = Û −1 ⇔ U † = (U) −1 . (78)<br />
Es gilt:<br />
1. Die unitäre Transformation Û : H ↦→ H, |ψ〉 ↦→ |Ûψ〉 ∀ |ψ〉 ∈ H erhält das<br />
innere Produkt,<br />
〈Ûψ1|Ûψ 2〉 = 〈ψ 1 |ψ 2 〉.<br />
2. Ist {|ψ i 〉} eine orthonormierte Basis, so auch {|Ûϕ i〉}. Die unitären Transformationen<br />
generieren also einen Basiswechsel zwischen orthonormierten Systemen,<br />
ähnlich wie die orthogonalen (winkelerhaltenden) Transformationen im R n .<br />
⋆ Projektionsoperator: Ähnlich wie im Reellen definiert man einen Untervektorraum<br />
H ′ ⊂ H der Dimension d ′ ≤ dim(H) . Jeder Vektor in H kann eindeutig zerlegt werden<br />
als<br />
|ψ〉 = |ψ ‖ 〉 + |ψ ⊥ 〉, |ψ ‖ 〉 ∈ H ′ , |ψ ⊥ 〉 ∈ (H ′ ) ⊥ ,<br />
wobei (H ′ ) ⊥ der zu H ′ orthogonale Raum bzgl. des inneren Produkts 〈.|.〉 ist. Es existiert<br />
eine Wahl der Basis {|ϕ i 〉} für H, so dass der Unterraum H ′ durch die Teilmenge der<br />
d ′ Basisvektoren {|ϕ i 〉, 1 ≤ i ≤ d ′ } aufgespannt wird. Der Projektionsoperator<br />
projeziert auf den Unterraum H ′ :<br />
ˆP : H ↦→ H ′ , |ψ〉 ↦→ |ψ ‖ 〉.<br />
ˆP<br />
16<br />
Man zeigt leicht:<br />
1. In der oben beschriebenen Basis hat der Projektionsoperator die Form ˆP =<br />
∑<br />
1≤i≤d ′ |ϕ i〉〈ϕ i | (für H ′ = H erhält man den Einheitsoperator zurück).<br />
2. ˆP ist hermitesch.<br />
3. ˆP 2 = ˆP .<br />
Projektionsoperatoren spielen insbesondere beim Messprozess eine Rolle.<br />
16 Nicht zu verwechseln mit dem Paritätsoperator, der oft mit dem gleichen Buchstaben bezeichnet wird.<br />
48
Beispiel: 1-dim. Harmonischer Oszillator:<br />
⋄ Seien|ϕ i 〉, i = 0, 1, 2, ... die Eigenzustände von H mit EW E i = ω(n + 1 2<br />
). Die Komponentendarstellung<br />
für |ϕ i 〉 ist ein Vektor (0, ...0, 1, 0, ...) mit einer 1 an der (i + 1)-ten Stelle und<br />
Nullen sonst.<br />
⋄ Die Matrixdarstellung für den Hamilton-Operator hat die Form einer unendlich dimensionalen,<br />
diagonalen Matrix<br />
⎛<br />
⎞<br />
ω<br />
2<br />
0 0 · · ·<br />
3ω<br />
0<br />
2<br />
0<br />
H = ⎜<br />
5ω<br />
⎝ 0 0 ⎟<br />
2 ⎠ . (79)<br />
.<br />
.<br />
..<br />
⋄ Die Matrixdarstellungen der Leiteroperatoren haben die Form<br />
⎛<br />
a + =<br />
⎜<br />
⎝<br />
⎞<br />
√<br />
0 0 0 0 · · ·<br />
1<br />
√ 0 0 0<br />
0 2<br />
√ 0 0<br />
, a<br />
0 0 3 0 ⎟ − = a † +. (80)<br />
⎠<br />
.<br />
.<br />
..<br />
⋄ Der Projektionsoperator ˆP i = |ϕ i 〉〈ϕ i | projeziert auf den Unterraum, der durch den Zustand<br />
mit Energie E i aufgespannt wird. Die Matrixdarstellung von ˆP i hat eine 1 im i + 1-ten<br />
Eintrag auf der Diagonalen, und sonst nur Nullen.<br />
4.3 Spektren und Konstruktion vollständiger Basissysteme<br />
Zur Vorbereitung der Berechnung von Observablen beschreiben wir nun das Spektrum<br />
der Eigenwerte hermitescher Operatoren und konstruieren geeignete Basissysteme von<br />
Eigenvektoren, die eine eindeutige Beschreibung der Zustände durch die Angabe von Eigenwerten<br />
erlauben.<br />
Endlich-dimensionaler Hilbertraum<br />
Sei H ein endlich-dimensionaler Hilbert-Raum und Ô ein linearer Operator. Ein Eigenvektor<br />
oder Eigenzustand |λ〉 ∈ H von Ô mit Eigenwert λ erfüllt die Gleichung.<br />
Eigenvektor:<br />
Ô|λ〉 = λ|λ〉 ∈ H . (81)<br />
Für einen hermiteschen Operator ˆM † = ˆM zeigt man, ähnlich wie in der Darstellung<br />
durch Wellenfunktionen,<br />
ˆM hermitesch ⇒ λ ∈ R , λ ≠ λ ′ ⇒ 〈λ|λ ′ 〉 = 0 .<br />
49
Sei ferner M eine Matrixdarstellung von ˆM. Für das Spektrum der EW und die Wirkung<br />
des hermitschen Operators ˆM, bzw. alternativ M, gilt der<br />
Spektralsatz:<br />
1. Es existiert eine unitäre Matrix U (bzw. unitäre Transformation Û) die M (bzw. die<br />
Wirkung von ˆM) diagonalisiert:<br />
M = U † · D · U, (D) ij = λ i δ ij ,<br />
d.h. D ist die diagonale Matrix mit den reellen EW λ i von M auf der Diagonalen<br />
und sonst Nullen.<br />
2. Das Spektrum der Eigenwerte λ n ist reell und diskret.<br />
3. Seien ˆP n die Projektoren auf den Eigenraum E n ⊂ H mit Eigenwert λ n ; d.h. ˆM|ψ〉 =<br />
λ n |ψ〉 ∀ |ψ〉 ∈ E n . Dann gilt die<br />
Spektralzerlegung:<br />
ˆM = ∑ n<br />
λ n ˆPn . (82)<br />
4. Ist d n := dim(E n ) > 1, spricht man wieder von der Entartung des n-ten Eigenwerts.<br />
Es existiert eine orthonormierte Basis {|λ n , α〉} von E n mit ˆM|λn , α〉 = λ n |λ n , α〉<br />
sodass<br />
Bemerkungen:<br />
ˆP n =<br />
d n ∑<br />
α=1<br />
|λ n , α〉〈λ n , α| . (83)<br />
⋄ Der Operator ˆM ist damit eindeutig bestimmt durch seine Eigenvektoren und Eigenwerte.<br />
⋄ Die Entartung bestimmter Eigenwerte kann durch Betrachtung mehrere Operatoren<br />
aufgehoben werden, s.u.<br />
⋄ In der oben beschriebenen Situation bilden die Eigenvektoren von ˆM eine vollständige,<br />
orthonormierbare Basis, d.h. jeder Vektor |ψ〉 kann geschrieben werden als komplexe<br />
Linearkombination der Eigenvektoren<br />
|ψ〉 = ∑ n<br />
c n |λ n 〉 , c n ∈ C .<br />
50
Unendlich-dimensionaler Hilbertraum<br />
Der Fall dim(H) = ∞ führt in der allgemeinen Form zu einer Reihe von mathematischen<br />
Komplikationen. Im Folgenden stellen wir die unter bestimmten (in der Physik oft gegebenen)<br />
Bedingungen geltenden Verallgemeinerungen zusammen, ohne auf die gähnenden<br />
Abgründe neben den angegebenen Formeln hinzuweisen.<br />
Zunächst kann das Spektrum eines hermiteschen Operators nun kontinuierlich sein,<br />
λ ∈ [a, b] ∈ R für ein gegebenes Intervall. Im allgemeinen gibt es sowohl einen diskreten<br />
und einen kontinuierlichen Teil des Spektrums.<br />
Beispiel:<br />
⋄ Rein kontinuierliches Spektrum: freies Teilchen im R 3 ; die EW ⃗x (⃗p = ⃗ k) des Ortsoperators<br />
(Impulsoperators) sind bestimmt durch den Ortsvektor ⃗x ∈ R 3 (Wellenvektor<br />
⃗ k ∈ R 3 ).<br />
⋄ Rein diskretes Spektrum: die Energie-EW der (Bindungs-)Zustände im unendlichen<br />
Potentialtopf und beim harmonischen Oszillator.<br />
⋄ Gemischtes Spektrum: Bindungszustände mit diskreten Energie-EW und Streuzustände<br />
mit kontinuierlichen EW beim endlichen Potentialtopf.<br />
Auch für Zustände im kontinuierlichen Teil gilt die Orthogonalität von Zuständen zu<br />
verschiedenen EW, die Normierungsbedingung für die Zustände im kontinuierlichen Teil<br />
muss aber modifiziert werden:<br />
〈λ n |λ m 〉 = δ mn , 〈λ n |λ〉 = 0 , 〈λ|λ ′ 〉 = δ(λ − λ ′ ) , (84)<br />
wobei λ n und λ einen Wert im diskreten und kontinuierlichen Teil des Spektrums bezeichnen<br />
(vgl. (29)). Unter bestimmten Vorraussetzungen an ˆM verallgemeinern die zuvor<br />
beschriebenen Konzepte: Die Spektralzerlegung verallgemeinert zu<br />
∫<br />
λ n ˆPn + dλ λ |λ〉〈λ| , (85)<br />
ˆM = ∑ n<br />
wobei die Summe über den diskreten und das Integral über den kontinuierlichen Teil des<br />
Spektrums läuft. Der Einheitsoperator verallgemeinert entsprechend zu:<br />
ˆ1 = ∑ ∫<br />
|λ n 〉〈λ n | + dλ |λ〉〈λ| , (86)<br />
n<br />
wobei wir hier zur Vereinfachung nicht-entartete EW angenommen haben. Wir diskutieren<br />
nun, wie man die Entartung der EW durch gleichzeitige Betrachtung mehrerer Operatoren<br />
aufheben kann.<br />
51
Vollständige Sätze von Operatoren<br />
Gegeben seien zwei (hermitesche) Operatoren  und ˆB mit [Â, ˆB] = 0. Sei |a〉 ein EV von<br />
 zum EW a. Dann ist auch |a ′ 〉 := ˆB|a〉 ein EV zum EW a.<br />
Beweis: Â|a ′ 〉 = Â ˆB|a〉 = ˆBÂ|a〉 = a ˆB|a〉 = a|a ′ 〉.<br />
Ist a ein nicht-entarteter EW, so folgt bereits |a〉 ′ = b|a〉 mit b ∈ C. Dann ist |a〉 gleichzeitig<br />
auch EW von ˆB mit EW b. Ist a ein entarteter EW, so folgt lediglich, dass ˆB den Eigenraum<br />
E a : {|ψ〉, Â|ψ〉 = a|ψ〉} auf sich selbst abbildet, ˆB : Ea → E a . Die Matrixelemente von<br />
ˆB beschränkt auf E a sind die Einträge einer hermitische Matrix, die durch eine unitäre<br />
Transformation diagonalisiert werden kann. D.h. für eine geeignete Basis {|a, α〉} für E a<br />
gilt dann:<br />
ˆB|a, α〉 = b(a, α)|a, α〉 .<br />
Im Idealfall sind alle b(a, α) verschieden und die Entartung ist aufgehoben. Dann kann<br />
jeder Zustand eindeutig durch Angabe der Eigenwerte von  und ˆB in einer gemeinsamen<br />
Eigenbasis {|a, b〉} angegeben werden:<br />
|a, b〉 : Â|a, b〉 = a|a, b〉, ˆB|a, b〉 = b|a, b〉 .<br />
Falls die Eigenwerte immer noch entartet sind, können wir einen weiteren Operator Ĉ mit<br />
[Â, Ĉ] = 0 = [ ˆB, Ĉ] betrachten und das Argument wiederholen. Wir erhalten so einen<br />
vollständigen Satz Operatoren, deren Eigenwerte jeden Zustand eindeutig festlegen:<br />
Vollständiger Satz:<br />
Eine Menge {Â1, ..., Ân} von vertauschbaren Operatoren, [Âi, Âj] = 0 ∀i, j, wird als<br />
vollständiger Satz bezeichnet, wenn die Eigenwerte {a i } dieser Operatoren einen (normierten)<br />
Eigenzustand aller Operatoren eindeutig bestimmen.<br />
Wir bezeichnen den gemeinsamen EZ dann durch Angabe aller Eigenwerte als |a 1 , ..., a n 〉.<br />
Für ein diskretes Spektrum gilt dann:<br />
 i |a 1 , ..., a n 〉 = a i |a 1 , ..., a n 〉 ,<br />
〈a 1 , ..., a n |a ′ 1, ..., a ′ n〉 = δ a1 ,a ′ ...δ a 1 n,a ′ , n<br />
∑<br />
ˆ1 = |a 1 , ..., a n 〉〈a 1 , ..., a n | , (87)<br />
a 1 ,...,a n<br />
∑<br />
|ψ〉 = c a1 ,...,a n<br />
|a 1 , ..., a n 〉 mit c a1 ,...,a n<br />
= 〈a 1 , ..., a n |ψ〉 .<br />
a 1 ,...,a n<br />
52
Die Basis {|a 1 , ..., a n 〉} wird gemeinsame Eigenbasis der Operatoren Âi genannt. Für<br />
einen EW a mit kontinuierlichem Spektrum müssen das Delta-Symbol δ a,a ′ durch eine<br />
δ-Funktion δ(a − a ′ ) und die Summe ∑ a durch das Integral ∫ da ersetzt werden, vgl.<br />
(84),(86).<br />
4.4 Postulate der Q.M. und Messung von Observablen<br />
Wir kommen nun zum wichtigsten Punkt für die Definition der Q.M. als physikalische<br />
Theorie, nämlich die Messung physikalischer Größen und deren zeitliche Entwicklung.<br />
Wir stellen dazu zunächst die grundlegenden Postulate der Theorie zusammen:<br />
1. Postulat: Zu einem festem Zeitpunkt t ist der q.m. Zustand eindeutig definiert durch<br />
einen nomierten Ket-Vektor |ψ〉 ∈ H.<br />
2. Postulat: Jede physikalisch messbare Größe (Observable) A wird durch einen hermiteschen<br />
Operator  beschrieben.<br />
3. Postulat: Eine Messung von A liefert immer einen der Eigenwerte λ von Â.<br />
4. Postulat: Die Wahrscheinlichkeit, bei der Messung den Eigenwert λ zu finden ist<br />
p(λ) = 〈ψ| ˆP λ |ψ〉 , (88)<br />
wobei ˆP λ der Projektor auf den Eigenraum E λ : {|ψ〉,<br />
Â|ψ〉 = λ|ψ〉} ist.<br />
5. Postulat: Wird der Eigenwert λ gemessen, dann befindet sich das System unmittelbar<br />
nach der Messung im Zustand<br />
|λ〉 =<br />
ˆP λ |ψ〉<br />
||P λ |ψ〉|| . (89)<br />
6. Postulat: Die Zeitentwicklung eines Zustandes |ψ〉 wird durch die Schrödingergleichung<br />
festgelegt:<br />
i d |ψ(t)〉 = Ĥ(t)|ψ(t)〉 . (90)<br />
dt<br />
53
Bemerkungen:<br />
1. Zu Ziff 2./3.<br />
Eine physikalische Messung misst also den EW eines hermiteschen Operators. Jedem<br />
hermiteschen Operator  ordnen wir so eine physikalische Observable A zu und<br />
umgekehrt.<br />
2. Zu Ziff 4.<br />
(a) Mit (83) kann man auch schreiben:<br />
p(λ) =<br />
d λ ∑<br />
α=1<br />
|〈λ, α|ψ〉| 2 , (91)<br />
wobei |λ, α〉 die orthonormierte Basis des Eigenraums E λ der Dimension d λ<br />
bezeichnet.<br />
(b) Es gilt ∑ i p(λ i) = 〈ψ| ∑ i ˆP λi |ψ〉 = 〈ψ|ˆ1|ψ〉 = 1, wie es sich für eine gute<br />
Wahrscheinlichkeit auch gehört.<br />
(c) Der Erwartungswert von A ist dann wegen Gl.(82)<br />
〈ψ|Â|ψ〉 =<br />
∑<br />
i<br />
p(λ i )λ i . (92)<br />
3. Zu Ziff 5.<br />
Die Messung führt zu einem Kollaps zum Eigenzustand mit dem gemessenen EW λ.<br />
Welcher EW gemessen wird – und damit der Zustand des Systems nach der Messung<br />
(!) – ist nicht vorhersagbar; bekannt ist lediglich die Wahrscheinlichkeit p(λ). Dies<br />
ist die grundsätzliche Undeterminiertheit der Q.M. die zu vielen physikalischen und<br />
philosophischen Diskussionen über die Theorie und zy(a)nischen Gedankenexperimenten<br />
zur Lebenserwartung von Katzen geführt hat.<br />
4. Zu Ziff 6.<br />
Zwischen den Messungen entwickelt sich der Zustand dagegen in einer eindeutig<br />
vorhersagbaren Weise.<br />
Die Postulate geben also zwei unterschiedliche Regeln für die zeitliche Entwicklung des<br />
Zustands – bei der Messung und im Zeitraum zwischen Messungen. 17 Wir diskutieren<br />
zunächst zwei bei der Messung auftretenden, qualitativ unterschiedliche, Fälle genauer:<br />
17 Vgl. mit der Mechanik, bei der eine ideale Messung ohne Störung des Zustands durchgeführt wird.<br />
54
Messprozess<br />
Seien A, B zwei verschiedene Observable. Vom klassischen Standpunkt erwartet man, dass<br />
eine Messung beider Observablen am gleichen System mehr Information liefert, als eine<br />
einzelne Messung. In der Q.M. hängt die Antwort entscheidend von der Operatoralgebra<br />
der Operatoren<br />
entartetes Spektrum an.<br />
 und ˆB ab. Der Einfachheit halber nehmen wir ein diskretes, nicht<br />
Fall 1: [Â, ˆB] = 0 (Kompatible Observable)<br />
Wenn  und ˆB kommutieren, können wir eine gemeinsame Eigenbasis wählen (vgl.(87)):<br />
{|i, j〉}, Â|i, j〉 = a i |i, j〉, ˆB|i, j〉 = bj |i, j〉 .<br />
Das System befinde sich am Anfang im Zustand |ψ〉 = ∑ i,j c i,j|i, j〉. Für eine Messung des<br />
EW a i von A gilt: 18<br />
p(a i ) = ∑ j<br />
|c i,j | 2 , |ψ A 〉 =<br />
∑<br />
j c i,j|i, j〉<br />
√ ∑<br />
j |c i,j| 2 .<br />
|ψ A 〉 bezeichnet hier den normierten Zustand nach der Messung von A. Für eine anschliessende<br />
Messung von B gilt: 19<br />
p ai (b j ) = |c i,j| 2<br />
∑j |c i,j| 2 , |ψ A,B〉 = |i, j〉 ,<br />
wobei p ai (b j ) die bedingte Wahrscheinlichkeit einer Messung b j nach vorhergehender Messung<br />
von a i bezeichnet. Dreht man die Reihenfolge der beiden Messungen um erhält man:<br />
p bj (a i ) = |c i,j| 2<br />
∑i |c i,j| 2 , |ψ B,A〉 = |i, j〉 .<br />
Der Endzustand ist also gleich, |ψ A,B 〉 = |ψ B,A 〉, ebenso dessen Wahrscheinlichkeit:<br />
p(a i , b j ) = p(a i ) · p ai (b j ) = |c i,j | 2 = p(b j ) · p bj (a i ) = p(b j , a i ) .<br />
Hier bezeichnet p(a i , b j ) die Wahrscheinlichkeit dass erst a i und dann b j gemessen wird<br />
und entsprechend p(b j , a i ) die Messung mit A und B vertauscht. Eine kurz nacheinander<br />
ausgeführte, ’gleichzeitige’ Messung der Observablen A und B liefert insofern mehr<br />
18 Mit Gl.(88): ˆPai = ∑ j |i, j〉〈i, j| ⇒ ˆP ai |ψ〉 = ∑ j |i, j〉〈i, j|(∑ i ′ ,j<br />
c ′ i ′ ,j ′|i′ , j ′ 〉) =<br />
∑<br />
∑ j,i′ ,j<br />
c ′ i ′ j ′|i, j〉δ i,i ′δ j,j ′ = ∑ j cij|i, j〉 . Dann ist p(ai) = 〈ψ| ˆP ai |ψ〉 = ( ∑ i ′ j<br />
c ∗ ′ i ′ j ′〈i′ , j ′ |)( ∑ j<br />
cij|i, j〉) =<br />
j,i ′ ,j<br />
c ∗ ′ i ′ j ′cijδ ii ′δ jj ′ = ∑ j |cij|2 .<br />
19 Genau wie oben, diesmal mit ˆP bj = ∑ i<br />
|i, j〉〈i, j|.<br />
55
Information als die Einzelmessung, insbesondere ist der Endzustand eindeutig im gemeinsamen<br />
EZ |i, j〉 präpariert (eine Information, die z.B. für nachfolgende Messungen verwendet<br />
werden kann). Die zu kommutierende Operatoren gehörenden, gleichzeitig messbaren,<br />
Observablen werden als kompatibel bezeichnet.<br />
Fall 2: [Â, ˆB] ≠ 0 (Inkompatible Observable)<br />
In diesem Fall existiert keine gemeinsame Eigenbasis. Wir bezeichnen die EZ von  ( ˆB)<br />
mit |a i 〉 (|b i 〉) und den Anfangszustand mit |ψ〉. Für eine Messung des EW a i von A gilt:<br />
p(a i ) = |〈a i |ψ〉| 2 , |ψ A 〉 = |a i 〉 .<br />
Für eine anschliessende Messung von B gilt:<br />
p ai (b j ) = |〈b j |a i 〉| 2 , |ψ A,B 〉 = |b j 〉 .<br />
Vertauscht man wieder die Reihenfolge der beiden Messungen, erhält man:<br />
p bj (a i ) = |〈a i |b j 〉| 2 = p ai (b j ) , |ψ B,A 〉 = |a i 〉 .<br />
Die beiden Endzustände sind also unterschiedlich, |ψ A,B 〉 ≠ |ψ B,A 〉, ebenso deren Wahrscheinlichkeit:<br />
p(a i , b j ) = |〈a i |ψ〉| 2 |〈b j |a i 〉| 2 ≠ p(b j , a i ) = |〈b j |ψ〉| 2 |〈a i |b j 〉| 2 .<br />
In diesem Fall macht es wegen der Nichtvertauschbarkeit keinen Sinn, von einer ’gleichzeitigen’<br />
Messung zu sprechen. Die zweite Messung zerstört die Information, die die erste<br />
Messung geliefert hat. So ist das System nach einer ersten Messung von A eindeutig im<br />
Zustand |a i 〉 präpariert, nach der (zweiten) Messung von B aber in einem Zustand |b j 〉,<br />
bei dem der Ausgang einer (dritten) Messung von A wieder unbestimmt ist. Die zu nichtkommutierenden<br />
Operatoren gehörenden Observablen nennt man inkompatibel.<br />
56
Beispiel: Idealisierte Stern-Gerlach Anordnung<br />
Zur Veranschaulichung und als Vorbereitung auf die spätere Untersuchung der Drehimpulsobservablen<br />
betrachten wir ein idealisiertes 20 Stern-Gerlach Experiment, bei dem der halbzahlige Spin<br />
eines Elektrons beobachtet werden soll. Man kann sich den Spin grob als intrinsischen Drehimpuls<br />
des Elektrons vorstellen, der klassisch durch einen Vektor ⃗s = s x ⃗e x + s y ⃗e y + s z ⃗e z mit Betrag<br />
|⃗s| = 2 dargestellt werden kann. In einem äußeren Magnetfeld ˆB sind der spin-abhängige Anteil<br />
des Potentials und der Kraft gegeben durch:<br />
V = −γ(⃗s · ⃗B), ⃗ F = γ ⃗ ∇(⃗s · ⃗ B) , (93)<br />
mit einer Konstante γ (das sogenannte gyromagnetische Moment des Elektrons). Wir betrachten<br />
zunächst eine Versuchsanordnung, in der ein in x-Richtung laufender Elektronstrahl durch ein<br />
inhomogenes Magnetfeld B z in z-Richtung abgelenkt wird durch die Kraft F z = αs z , mit einer<br />
Konstanten α. Aus |⃗s| = /2 folgt klassisch s z ∈ [−/2, /2]. Für einen Elektronenstrahl mit<br />
zufällig orientiertem Spinvektor ⃗s erwartet man also klassisch ein kontinuierliches Spektrum der<br />
z-Komponente des Spins, und damit eine kontinuierliche Auffächerung des Orts der Teilchens auf<br />
dem Detektor, zwischen den beiden Extremwerten s z = −/2 und s z = +/2.<br />
Einfallender Strahl<br />
B z<br />
1 2<br />
0<br />
s z<br />
ħ<br />
z<br />
− 1 2<br />
x<br />
Detektor<br />
QM: Hilbertraum und Observable: Quantenmechanisch wird das System durch einen 2-dim. Hilbertraum<br />
beschrieben; eine vollständige Erklärung hierfür können wir erst nach dem Verständnis<br />
der Drehimpulsalgebra geben, aber die Idee wird gleich deutlich werden. Zu den drei klassischen<br />
Komponenten des Spinvektors assoziieren wir drei q.m. Operatoren ŝ i , die in der Matrixdarstellung<br />
gegeben sind durch s i = 2 σ i mit den<br />
Pauli-Matrizen:<br />
σ 1 = σ x =<br />
( 0 1<br />
1 0<br />
)<br />
( 0 −i<br />
, σ 2 = σ y =<br />
i 0<br />
)<br />
( 1 0<br />
, σ 3 = σ z =<br />
0 −1<br />
)<br />
. (94)<br />
Die Pauli Matrizen erfüllen die Algebra:<br />
[σ i , σ j ] = 2i ∑ k<br />
ɛ ijk σ k ,<br />
σ i σ j = δ ij 1 + i ∑ k<br />
ɛ ijk σ k , (95)<br />
mit i, j, k ∈ {1, 2, 3} und dem ɛ-Symbol<br />
⎧<br />
⎪⎨ 1 ijk = Gerade Permutation von 123<br />
ɛ ijk = −1 ijk = ungerade Permutation von 123<br />
⎪⎩<br />
0 sonst<br />
. (96)<br />
20 Tatsächlich wird der Spin eines Valenzelektrons eines Silberatoms gemessen.<br />
57
Sie erfüllen weiter die Vollständigkeitsrelation<br />
∑<br />
(σ i ) ab (σ i ) cd = 2δ ad δ bc − δ ab δ cd , (97)<br />
i<br />
wobei (σ i ) ab die Komponenten der Matrix σ i mit a, b ∈ {1, 2} bezeichnen.<br />
QM: Spektrum und Wahrscheinlichkeit: Die möglichen Messwerte von ŝ z ergeben sich aus den<br />
Eigenwerten der Eigenzustände, in Matrixdarstellung:<br />
ŝ z |s z = ±〉 = ± ( (<br />
1 0<br />
2 |s z = ±〉 , |s z = +〉 = , |s<br />
0)<br />
z = −〉 = .<br />
1)<br />
In der q.m. können also nur die beiden Extremwerte s z = ± 2<br />
(abgekürzt:s z = ±) auftreten, im<br />
Unterschied zum klassischen Fall. D.h. die Messgrößen sind quantisiert und der Strahl wird in zwei<br />
scharfe Einzelstrahlen aufgespalten. Dieses von der klassischen Mechanik abweichende Resultat<br />
wird im Experiment auch beobachtet.<br />
Wegen der Vollständigkeit der EZ von ŝ z kann der Anfangszustand durch die Wellenfunktion<br />
|ψ〉 = c + |s z = +〉 + c − |s z = −〉 , ||ψ|| = √ |c + | 2 + |c − | 2 = 1 ,<br />
dargestellt werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Teilchen im Zustand |s z = ±〉 beobachtet<br />
wird ist dann nach Gl.(88),(91)<br />
p(s z = ±) = |〈s z = ±|ψ〉| 2 = |c ± | 2 .<br />
QM: Weitere Messung kompatibler Observablen: Wir nehmen an, das die ersten Messung s z = +<br />
ergeben hat, d.h. das System ist nach der ersten Messung im Zustand |s z = +〉. Da der Kommutator<br />
von σ z mit σ x und σ y ungleich Null ist, gibt es keine weiteren einfachen kompatiblen Observablen,<br />
ausser s z selbst. Wegen des Kollaps der Wellenfunktion gilt<br />
p sz=+(s z = +) = |〈s z = +|s z = +〉| 2 = 1, p sz=+(s z = −) = |〈s z = +|s z = −〉| 2 = 0 , (∗)<br />
wobei p sz=+(s z = ±) wieder die bedingte Wahrscheinlichkeit für die zweite Messung unter der<br />
Annahme von s z = + bei der ersten Messung bezeichnet. Eine weitere Messung von s z gibt keine<br />
neue Information und verändert auch nicht mehr den Zustand (!).<br />
QM: Weitere Messungen inkompatibler Observablen: Wir nehmen nun an, dass bei der zweiten<br />
Messung die y Komponente des Spins gemessen werden soll, durch Anlegung eines inhomogenen<br />
Magnetfeldes B y in y-Richtung. Die möglichen Messwerte von ŝ y ergeben sich aus den EW der EZ:<br />
ŝ y |s y = ±〉 = ± 2 |s y = ±〉 , |s y = +〉 = 1 √<br />
2<br />
( 1<br />
i<br />
)<br />
, |s y = −〉 = 1 √<br />
2<br />
( 1<br />
−i<br />
Der Erwartungswert ist 〈s y 〉 = 0 und damit die beiden Wahrscheinlichkeiten<br />
p sz=+(s y = +) = |〈s z = +|s y = +〉| 2 = 1 2 , p s z=+(s y = −) = |〈s z = +|s y = −〉| 2 = 1 2 .<br />
Nach der Messung ist das Elektron in einem der EZ |s y = ±〉. Wird nun bei einer dritten Messung<br />
noch einmal die z-Komponente des Spins gemessen, sind die relativen Wahrscheinlichekeiten:<br />
p sz=+,s y=+(s z = +) = |〈s y = +|s z = +〉| 2 = 1 2 , p s z=+,s y=−(s z = +) = |〈s y = −|s z = +〉| 2 = 1 2 .<br />
D.h. die beiden EZ |s z = ±〉 treten nach der zwischenzeitlichen y-Messung wieder mit gleicher<br />
Wahrscheinlichkeit auf; die y Messung hat die Präparation der ersten Messung (siehe Gl. (∗) oben)<br />
perfekt ausgelöscht.<br />
)<br />
.<br />
58
Einfallender<br />
Strahl<br />
1 2<br />
B z<br />
0<br />
B y<br />
1 2<br />
0<br />
− 1 2<br />
1 2<br />
B z<br />
0<br />
− 1 2<br />
1 2<br />
B z<br />
0<br />
− 1 2<br />
Detektor<br />
− 1 2<br />
− 1 2<br />
Detektor<br />
s z<br />
ħ<br />
s y<br />
ħ<br />
Detektor<br />
s z<br />
ħ<br />
Skizze: Bei der ersten Messung von s z wird das System im EZ |s z = +〉 präpariert. Nach einer<br />
Messung von s y treten beide EW s z = ± wieder mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf.<br />
4.5 Unitäre Transformationen<br />
Die physikalisch messbaren Größen eines Systems sind das Eigenwertspektrum von Observablen<br />
und die auftretenden Wahrscheinlichkeiten (und damit der Erwartungswert). Der<br />
Hilbertraum, die Zustände oder Operatoren sind selbst nicht direkt messbar.<br />
Wir hatten bereits gesehen, dass das innere Produkt invariant unter unitären Transformationen<br />
ist. Man kann leicht sehen, dass allgemeiner die physikalischen Observablen<br />
invariant unter der folgenden Transformation sind:<br />
|ψ〉 ↦→ |ψ ′ 〉 := Û|ψ〉 , Â ↦→ Â′ := ÛÂÛ † , ÛÛ† = ˆ1 . (98)<br />
Für die physikalischen Größen gilt dann:<br />
〈A ′ 〉 = 〈ψ ′ |Â′ ψ ′ 〉 = 〈ψ|Âψ〉 = 〈A〉 ,<br />
Â|a〉 = a|a〉 ⇒ Â′ |a ′ 〉 = a|a ′ 〉 , (99)<br />
|〈a ′ |ψ ′ 〉| 2 = |〈a|ψ〉| 2 .<br />
Die unitäre Transformation generiert den Wechsel zwischen zwei orthonormierten Basissystemen<br />
(vgl. die Diskussion unter Gl.(78)). Umgekehrt gilt: Seien {|a i 〉} und {|b j 〉} zwei<br />
orthonormierte Basen (z.B. aus den EZ zweier inkompatibler Operatoren  und ˆB konstruierte).<br />
Es gilt dann<br />
|b j 〉 = ˆ1|b j 〉 = ∑ 〈a i |b j 〉|a i 〉 .<br />
i<br />
59
Die Größen u ij = 〈a i |b j 〉 sind die Komponenten einer unitären Matrix:<br />
∑<br />
u ij u ∗ kj = ∑ 〈a i |b j 〉〈b j |a k 〉 = δ ik ,<br />
j<br />
j<br />
d.h. jeder Wechsel zwischen orthon. Basen wird durch die unitäre Transformation mit<br />
Matrixdarstellung (U) ij = u ij = 〈a i |b j 〉 generiert.<br />
wie:<br />
Die Matrixelemente/-darstellung des Operators  in den beiden Basen transformieren<br />
oder kurz<br />
Basiswechsel/unitäre TF:<br />
(A a ) ij = 〈a i |Â|a j〉 = ∑ m,n<br />
= ∑ mn<br />
(U) im (A b ) mn (U † ) nj ,<br />
〈a i |b m 〉〈b m |Â|b n〉〈b n |a j 〉<br />
A a = U · A b · U † , (100)<br />
wobei A a und A b die Matrixdarstellung von  in der jeweiligen Basis bezeichnen.<br />
Beispiel: Der 1-dim. Translationsoperator<br />
ˆT (a) := exp(iaˆp/) , (101)<br />
ist von der Form exp(i ˆM) mit ˆM hermitesch und daher unitär. Er generiert eine Verschiebung<br />
des Ursprungs der Orts-EW, ˆx|x 0 〉 = x 0 |x 0 〉 ⇒ ˆx ( ˆT (a)|x 0 〉) = (x 0 − a)|x 0 〉 (→<br />
Übung).<br />
Wir betrachten noch eine einfache Größe, die invariant unter unitären Transformationen<br />
ist. Die Spur eines Operators  verallgemeinert die gewöhnliche Spur einer Matrix. Sie ist<br />
in einer beliebigen Basis {|a〉 i } definiert als:<br />
Spur:<br />
Sp = ∑ a i<br />
〈a i |Â|a i〉 = Sp(A a ) . (102)<br />
Obwohl der Ausdruck in einer bestimmten Basis geschrieben ist, ist er in Wirklichkeit<br />
unabhängig von der Basis, d.h. die Spur ist invariant unter einem Basiswechsel der Form<br />
(100).<br />
Beweis: Sp(A a ) = ∑ i 〈ai|Â|a i〉 = ∑ ijk 〈a i|b j 〉〈b j |Â|b′ k 〉〈b′ k |a i〉 = Sp(U A b U † ) = Sp(U † U A b ) =<br />
Sp(A b ) , wobei wir benutzt haben, dass die Matrizen in einer Spur zyklisch vertauscht werden<br />
können.<br />
60
4.6 Zeitentwicklung und Symmetrien<br />
Zeitentwicklung<br />
Wir zeigen nun, dass die Zeitentwicklung eines (unbeobachteten) quantenmechanischen<br />
Systems ebenfalls durch einen unitären Operator generiert wird. Sei |ψ(t 0 )〉 der Zustand<br />
zu einem festen Zeitpunkt t 0 . Da die Schrödingergleichung linear ist, kann die Lösung zum<br />
Zeitpunkt t in der Form<br />
|ψ(t)〉 = Û(t, t 0)|ψ(t 0 )〉 , (103)<br />
geschrieben werden (betrachte die Gleichung in einer Basis), wobei Û(t, t 0 ) ein linearer<br />
Operator ist, der für alle Lösungen gleich ist. Der Operator Û(t, t 0) erfüllt ebenfalls die<br />
Schrödingergleichung<br />
i d dtÛ(t, t 0) = Ĥ(t)Û(t, t 0). (104)<br />
Für t = t 0 gilt Û(t 0, t 0 ) = 1, d.h. Û † (t 0 , t 0 )Û(t 0, t 0 ) = ˆ1 und Û(t 0, t 0 ) ist trivialerweise<br />
unitär. Weiter gilt<br />
i d dt (Û † Û) = i<br />
(<br />
)<br />
dÛ †<br />
dt Û + Û † dÛ = −Û † ĤÛ dt<br />
+ Û † ĤÛ = 0,<br />
d.h. Û(t, t 0) ist ein unitärer Operator für alle Zeiten t.<br />
Warnung: Gleichung (103) ist nicht mit einem Basiswechsel zu verwechseln, der zu einer festen<br />
Zeit t erfolgt und bei dem die Operatoren gemäß (100) transformiert werden. Während der durch<br />
(103) beschriebenen Zeitentwicklung der Zustände transformiert ein zeitunabhängiger Operator<br />
 überhaupt nicht. Die Observablen sind daher zeitabhängig, z.B. 〈A〉(t) = 〈ψ(t)|Â|ψ(t)〉.<br />
Gleichung (104) wird gelöst durch das Integral<br />
Û(t, t 0 ) = ˆ1 − i <br />
∫ t<br />
t 0<br />
dt ′ Ĥ(t ′ )Û(t′ , t 0 ) . (105)<br />
Für einen zeitunabhängigen Hamilton-Operator ist die Lösung einfach<br />
Û(t, t 0 ) = e −i(t−t 0)Ĥ/ . (106)<br />
Schreibt man die Gleichung (103) für die EZ eines zeitunabhängigen Hamilton-Operators<br />
Ĥ aus, erhält man eine Gleichung für die EZ, die die gleiche Form hat wie Gleichung (39),<br />
dort für die Wellenfunktionen in der Ortsdarstellung.<br />
61
Ehrenfest-Theorem<br />
Aus der Schrödingergleichung (90) folgt für den Erwartungswert einer Observablen A das<br />
Ehrenfest-Theorem:<br />
d<br />
dt 〈A〉 = − i 〈[Â, Ĥ]〉 + 〈∂Â<br />
∂t 〉 . (107)<br />
Beispiel: Für den 1-dim. Hamilton-Operator Ĥ = ˆp2<br />
2m<br />
+ V (ˆx) folgt aus (107)<br />
d 〈ˆp〉<br />
〈x〉 =<br />
dt m ,<br />
d<br />
〈p〉 = −〈dV<br />
dt dx 〉 . (108)<br />
Diese Gleichungen haben formal die gleiche Struktur wie die klassischen Gleichungen mẋ = p<br />
und dp/dt = F = −dV/dx.<br />
Symmetrien und Erhaltungsgrößen<br />
Eine Symmetrietransformation ist eine Transformation des Systems, die die Dynamik des<br />
Systems invariant läßt, d.h. sie bildet normierte Lösungen der S.G. (90) auf normierte<br />
Lösungen ab. Wir betrachten nur Transformationen, die durch einen linearen Operator<br />
Ŝ erzeugt werden. Aus der Normierungsbedingung folgt, dass Ŝ unitär ist. Sei |ψ〉 eine<br />
Lösung der S.G. Dann ist der transformierte Zustand |ψ ′ 〉 := Ŝ|ψ〉 für alle Lösungen |ψ〉<br />
ebenfalls eine Lösung, wenn gilt:<br />
i ∂ + [Ŝ, Ĥ] = 0 . (109)<br />
∂tŜ<br />
Wir zeigen nun, dass die zu Ŝ gehörende Observable eine zeitunabhängige Erhaltungsgröße<br />
ist, wenn Ŝ zeitunabhängig ist, d.h. ∂<br />
∂tŜ = 0. Wegen der Unitarität können wir schreiben<br />
Ŝ = e i ˆF , wobei ˆF ein hermitescher Operator ist. Wegen (109) kommutieren Ŝ und Ĥ, und<br />
damit auch ˆF und Ĥ. Sei { ˆF , Â1, ..., Ân} ein vollständiger Satz zeitunabhängiger Operatoren<br />
und {|f, a 1 , ..., a n 〉} := {|f, a i 〉} die zugehörige zeitunabhängige ON Eigenbasis. Sei<br />
|ψ〉 = ∑ f,a i<br />
c f,ai (t)|f, a i 〉 der Zustand des Systems zur Zeit t. Dann ist Wahrscheinlichkeit<br />
für die Messung des EW f nach (88) zur Zeit t gleich p(f) = ∑ a i<br />
|c f,ai (t)| 2 . Aus den<br />
Gleichungen von Ŝ folgt aber sofort, dass p(f) zeitunabhängig ist.<br />
Beweis: Wegen [ ˆF , Ĥ] = 0 hängt die Energie nur von den a i ab aber nicht von f. Aus der S.G.<br />
folgt dann i d dt c f,a i<br />
(t) = c f,ai (t)E(a i ). Kombiniert mit der komplex konjugierten Gleichung, unter<br />
Verwendung dass E(a i ) ∈ R, erhält man d dt |c f,a i<br />
(t)| 2 = 0 und damit auch d dtp(f) = 0.<br />
Zusammenfassend erhalten wir daher eine<br />
62
Erhaltungsgröße<br />
Ŝ = e i ˆF unitär mit ∂ ∂tŜ = 0 = [Ŝ, Ĥ] ⇒ Observable F ist Erhaltungsgröße. (110)<br />
Wegen der Beziehung 〈F 〉 = ∑ f<br />
fp(f) ist dann auch der Erwartungswert eine Erhaltungsgröße,<br />
im Einklang mit (107). Ebenso sind die Matrixelemente von ˆF zeitunabhängig.<br />
4.7 Dichteoperator<br />
Bisher haben wir die Messwahrscheinlichkeiten und die Zeitentwicklung für ein System<br />
betrachtet, das anfangs in einem eindeutigen, sog. reinen Zustand |ψ〉 ist. Im realen Experiment<br />
ist das System aber oft mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit p a in einem<br />
von mehreren möglichen Zuständen |ψ a 〉. Diese Wahrscheinlichkeiten p a haben gar nichts<br />
mit den q.m. Wahrscheinlichkeiten bei einer Messung zu tun. Ein solcher statistischer,<br />
gemischter Zustand kann nicht durch eine Linearkombination |ψ〉 = ∑ a c a|ψ a 〉 dargestellt<br />
werden(!).<br />
Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung der Observablen Ô den Wert λ zu messen, ist<br />
das Produkt der Wahrscheinlichkeit p a , dass das System im normierten Zustand |ψ a 〉 ist,<br />
und der q.m. Wahrscheinlichkeit p |ψa〉(λ), im reinen Zustand |ψ a 〉 den Wert λ zu messen: 21<br />
p(λ) = ∑ a<br />
p a · p |ψa〉(λ) (88)<br />
= ∑ a<br />
p a · 〈ψ a | ˆP λ |ψ a 〉 . (111)<br />
Zur Beschreibung von gemischten Zuständen benötigt man ein neues Konzept, das des<br />
Dichteoperators (bzw. der Dichtematrix in einer Matrixdarstellung):<br />
Dichteoperator:<br />
ˆρ = ∑ a<br />
p a |ψ a 〉〈ψ a | . (112)<br />
Dieser Dichteoperator beschreibt ein System in einem gemischten Zustand. Die notwendigen<br />
Verallgemeinerungen in den Postulaten sind wie folgt:<br />
1. Postulat v2 : Zu einem festem Zeitpunkt t wird der gemischte Zustand eines q.m. System<br />
durch den Dichteoperator ˆρ beschrieben.<br />
21 Die normierten Zustände |ψ a〉 erfüllen ||ψ a|| = 1. Die statistischen und q.m. Wahrscheinlichkeiten<br />
erfüllen jeweils für sich ∑ a pa = 1 und ∑ i p |ψ a〉(λ i) = 1; es folgt dass ∑ i<br />
p(λi) = 1, siehe Beweis weiter<br />
unten.<br />
63
4. Postulat v2 : Die Wahrscheinlichkeit, bei der Messung den Eigenwert λ zu finden ist<br />
p(λ) = Sp(ˆρ ˆP λ ) . (113)<br />
5. Postulat v2 : Wird der Eigenwert λ gemessen, dann befindet sich das System unmittelbar<br />
nach der Messung im gemischten Zustand<br />
ˆρ ′ =<br />
ˆP λ ˆρ ˆP λ<br />
Sp(ˆρP λ ) . (114)<br />
6. Postulat v2 : Die Zeitentwicklung eines gemischten Zustandes ˆρ wird durch die Schrödingergleichung<br />
festgelegt:<br />
i dˆρ(t)<br />
dt<br />
= [Ĥ(t), ˆρ(t)] . (115)<br />
Bemerkungen:<br />
⋄ Setzt man die Definition von ˆρ in Gleichung (113) ein, erhält man das Ergebnis (111)<br />
zurück:<br />
Beweis: In einer vollst. orthonormierten Eigenbasis {|λ i 〉} von Ô gilt:<br />
Sp(ˆρ ˆP λi ) = ∑ k 〈λ k| ( ∑ a p a|ψ a 〉〈ψ a |) (|λ i 〉〈λ i |)|λ k 〉 = ∑ a p ∑<br />
a k 〈λ k|ψ a 〉〈ψ a |λ i 〉δ ik = ∑ a p a p |ψa〉(λ i ) .<br />
⋄ Nach der Messung befindet sich das System mit der statistischen Wahrscheinlichkeit p a<br />
im Zustand ˆP λ |ψ a 〉. Ausdrücken des gemischten Zustands durch einen Dichteoperator<br />
und Normierung auf Sp(ˆρ ′ ) = 1 (siehe unten) liefert den Ausdruck (114).<br />
⋄ Aus der Schrödingergleichung folgt:<br />
i d dt ˆρ = i ∑ a p a( d dt |ψ a〉〈ψ a | + |ψ a 〉 d dt 〈ψ a|) = ∑ a pa(Ĥ|ψ a〉〈ψ a | − |ψ a 〉〈ψ a |Ĥ) = [Ĥ, ˆρ] .<br />
Weitere einfache Eigenschaften des Dichteoperators sind: ˆρ ist hermitesch und es gilt:<br />
Sp(ˆρ) = 1, Sp(ˆρ 2 ) ≤ 1 , 〈ψ|ˆρ|ψ〉 ≥ 0 ∀|ψ〉 ∈ Ĥ . (116)<br />
Beweis:<br />
i) Sp(ˆρ)(= Sp(ˆρ ∑ ˆP i λi ) = ∑ i p(λ i)) = ∑ k 〈λ k|( ∑ a p a|ψ a 〉〈ψ a |)|λ k 〉 = ∑ a p a〈ψ a |( ∑ k |λ k〉〈λ k |)|ψ a 〉 =<br />
∑<br />
a p a〈ψ a |ψ a 〉 = ∑ a p a = 1 .<br />
ii) Sp(ˆρ 2 ) = ∑ k 〈λ k|( ∑ a p a|ψ a 〉〈ψ a |)( ∑ b p b|ψ b 〉〈ψ b |)|λ k 〉 = ∑ a,b p ap b |〈ψ a |ψ b 〉| 2 (66)<br />
≤ ∑ a,b p ap b ||ψ a ||·<br />
||ψ b || = ∑ a,b p ap b = ( ∑ a p a)( ∑ b p b) = 1 .<br />
iii) 〈ψ|ˆρ|ψ〉 = ∑ a p a|〈ψ|ψ a 〉| 2 ≥ 0 .<br />
64
Für ein System in einem reinen Zustand |ψ b 〉 ist p a = 1 für a = b und p a = 0 für a ≠ b.<br />
Der Dichteoperator ˆρ = |ψ b 〉〈ψ b | erfüllt dann<br />
ˆρ = ˆρ 2 ⇒ Sp(ˆρ 2 ) = 1 , für reinen Zustand. (117)<br />
Anhand dieses einfachen Kriteriums kann man also feststellen, ob eine gegebene Dichtematrix<br />
einen gemischten oder einen reinen Zustand beschreibt. Für den Fall eines reinen<br />
Zustands kann sich leicht davon überzeugen, dass die obige Beschreibung dann äquivalent<br />
zu der in den ’alten’ Postulaten wird.<br />
5 Drehimpuls und Rotationen im R 3<br />
Zur Vorbereitung der Behandlung von 3-dim. Problemen, inbesondere der Herleitung des<br />
Spektrums des Wasserstoffatoms, betrachten wir zunächst die wichtigste neue Observable<br />
im Vergleich zum 1-dim. Fall, den Drehimpuls. Die klassischen Observablen der Mechanik<br />
umfassen im R 3 neben dem Impuls-Vektor ⃗p auch den Drehimpuls-Vektor ⃗ l = ⃗x × ⃗p.<br />
Ersetzen wir die Orts- und Impulskoordinaten durch Operatoren wie bei der Konstruktion<br />
des Hamilton-Operators, erhalten wir die hermiteschen<br />
Bahn-Drehimpulsoperatoren:<br />
oder, in Komponenten: 22<br />
ˆli =<br />
3∑<br />
j,k=1<br />
ɛ ijk ˆx j ˆp k (118)<br />
ˆlx = ŷˆp z − ẑ ˆp y , ˆly = ẑ ˆp x − ˆxˆp z , ˆlz = ˆxˆp y − ŷˆp x . (119)<br />
Die Bezeichnung Bahn-Drehimpuls bezieht sich darauf, dass wir gleich eine weitere Realisierung<br />
des Drehimpulses in der Q.M. als intrinsischen Drehimpuls eines Teilchens, dem<br />
Spin, beobachten werden.<br />
5.1 Drehimpulsalgebra<br />
Aus (118) kann man sofort berechnen, dass die Operatoren ˆl i die folgende Kommutatoralgebra<br />
erfüllen:<br />
Drehimpulsalgebra:<br />
[ˆL i , ˆL j ] = i ∑ k<br />
ɛ ijk ˆLk . (120)<br />
22 Für die drei Komponenten eines 3-dim. Vektors in kart. Koordinaten verwenden wir gleichwertig die<br />
Indizes (x, y, z) oder (1, 2, 3), z.B. (⃗p) = (p x, p y, p z) = (p 1, p 2, p 3).<br />
65
Diese Algebra gilt für die Bahn-Drehimpuls-Operatoren ˆL i = ˆl i , hat aber auch weitere Darstellungen,<br />
wie wir gleich sehen werden. Im Fall des harmonischen Oszillators haben wir das<br />
Spektrum des Hamiltonoperators einmal aus der expliziten Darstellung der Zustände als<br />
Wellenfunktion im Ortsraum und einmal aus der Betrachtung der Algebra hergeleitet und<br />
das gleiche Resultat erhalten. Wir leiten unten das Spektrum der Drehimpulsoperatoren<br />
ˆL i direkt aus der Algebra (120) her, mit dem Ergebnis, dass es in diesem Fall zusätzliche<br />
Lösungen ˆL i = ŝ i gibt, die nicht der (Orts-)Darstellung der Bahn-Drehimpulsoperatoren<br />
ˆli entsprechen können. Die q.m. Observable ’Drehimpuls’ beinhaltet also im Vergleich zur<br />
klassischen Theorie eine neue Größe, den Spin. Dieser wird u.a. im Stern-Gerlach Versuch<br />
beobachtet (vgl.(120) und (95)).<br />
Um das Spektrum zu beschreiben, betrachten wir einen vollständigen Satz von Operatoren<br />
(vgl. (87)). Da die ˆL i für verschiedene i nicht vertauschen, kann man nur einen<br />
Operator, z.B. ˆL z verwenden. Als weiteren Operator betrachten wir die skalare Größe<br />
ˆL 2 := ˆL 2 x + ˆL 2 y + ˆL 2 z . (121)<br />
Wie wir sehen werden, stellen die beiden Operatoren {ˆL 2 , ˆL z } einen vollständigen Satz für<br />
die normierten EZ |λ, m〉 der Drehimpulsoperatoren dar, d.h. es gilt<br />
[ˆL 2 , ˆL z ] = 0 , ˆL2 |λ, m〉 = λ |λ, m〉 , ˆLz |λ, m〉 = m |λ, m〉 (122)<br />
mit nicht-entarteten (reellen) EW λ und m. Die Normierungsbedingung ist 〈λ, m|λ ′ , m ′ 〉 =<br />
δ λλ ′δ m,m ′ .<br />
Leiteroperatoren<br />
Um das Spektrum herzuleiten betrachten wir wieder<br />
Leiteroperatoren<br />
ˆL ± = ˆL x ± iˆL y . (123)<br />
Wegen der Selbstadjungiertheit der ˆL i gilt ˆL † + = ˆL − . Der Operator ˆL 2 läßt sich dann<br />
schreiben als:<br />
ˆL 2 = ˆL + ˆL− + ˆL 2 z − ˆL z = ˆL − ˆL+ + ˆL 2 z + ˆL z . (124)<br />
Aus (120) folgen die Vertauschungsrelationen<br />
[ˆL 2 , ˆL ± ] = 0 , [ˆL z , ˆL ± ] = ±ˆL ± , [ˆL + , ˆL − ] = 2ˆL z . (125)<br />
Daraus folgt, dass (wie beim harmonischen Oszillator) Leiteroperatoren die EZ |λ, m〉 auf<br />
EZ abbilden:<br />
ˆL 2 (ˆL ± |λ, m〉) = λ |λ, m〉 , ˆLz (ˆL ± |λ, m〉) = (m ± 1) |λ, m〉 . (126)<br />
66
Die Leiteroperatoren lassen also den EW λ von ˆL 2 unverändert und verändern nur den<br />
EW von ˆL z um ein Quantum . Aus der Algebra folgt weiter:<br />
0 ≤ 2 m 2 ≤ λ , (127)<br />
d.h. das Spektrum der EW von ˆL z ist durch den EW von ˆL 2 nach oben und unten beschränkt.<br />
Daher muss es zwei Zustände geben mit<br />
Mit (124) findet man<br />
ˆL + |λ, m max 〉 = 0 , ˆL− |λ, m min 〉 = 0 .<br />
ˆL 2 |λ, m min 〉 = 2 m min (m min − 1) |λ, m min 〉 ,<br />
ˆL 2 |λ, m max 〉 = 2 m max (m max + 1) |λ, m max 〉 .<br />
Da der EW von ˆL 2 für beide Zustände gleich ist (wg. [ˆL 2 , ˆL ± ] = 0), gilt m min (m min − 1) =<br />
m max (m max + 1). Wegen m max > m min ist die Lösung dieser Gleichung:<br />
0 ≤ l := m max = −m min ⇒ λ = 2 l(l + 1) , (128)<br />
wobei wir den höchsten Wert m max ≥ 0 von m nun kurz mit l bezeichnen. Da der Zustand<br />
mit m = m max vom Zustand m = m min durch eine Anwendung des Leiteroperators ˆL +<br />
in m max − m min = 2l Schritten erreicht werden kann, muss 2l eine ganze (positive) Zahl<br />
sein. Zusammengefasst erhalten wir das<br />
Spektrum der Drehimpulsalgebra:<br />
ˆL 2 |l, m〉 = 2 l(l + 1) |l, m〉 , l = 0, 1 2 , 1, 3 2<br />
, 2, ... , (129)<br />
ˆL z |l, m〉 = m |l, m〉 , m = −l, −l + 1, ..., l − 1, l .<br />
Die Quantenzahlen l und m werden oft Drehimpulsquantenzahl und magnetische Quantenzahl<br />
genannt (wegen der Beziehung (93), die die Messung von m erlaubt). Weitere<br />
Bemerkungen:<br />
⋄ Wir werden gleich sehen, dass nur die ganzzahligen EW 0 ≤ l ∈ Z durch einen Bahn-<br />
Drehimpuls realisiert werden können. Die halb-zahligen EW können nur für Teilchen<br />
mit halb-zahligem Spin auftreten.<br />
⋄ Der EW l von ˆL 2 ist 2l + 1-fach entartet. Die Entartung wird durch den EW m<br />
von ˆL z aufgehoben und {ˆL 2 , ˆL z } bilden ein vollständiges System (nur) für die EZ der<br />
Drehimpulsalgebra. Die Observablen ˆL x , ˆL y haben wegen (120) in den EZ |λ, m〉 keinen<br />
wohldefinierten Wert und sind nicht gleichzeitig messbar.<br />
⋄ Für l = 0 gibt es nur einen Zustand m = 0. Für l = 1 2<br />
ergibt sich ein 2-dim. Hilbertraum<br />
mit Zuständen | 1 2 , ± 1 2<br />
〉, den wir bei der Diskussion des Stern-Gerlach Versuchs<br />
verwendet haben.<br />
67
⋄ Die Normierungsbedingung der EZ liefert die Beziehungen<br />
ˆL + |l, m〉 = √ l(l + 1) − m(m + 1) |l, m + 1〉 ,<br />
ˆL − |l, m〉 = √ l(l + 1) − m(m − 1) |l, m − 1〉 . (130)<br />
5.2 Bahndrehimpuls und Kugelflächenfunktionen<br />
Wendet man die Ersetzungsregel im Ortsraum, Gl. (18), auf die Operatoren (118) an,<br />
erhält man die Differentialoperatoren in kart. Koordinaten:<br />
ˆL i = ˆl i = −i ∑ j,k<br />
∂<br />
ɛ ijk x j .<br />
∂x k<br />
Zur Vereinfachung der Notation – und auf Kosten der Genauigkeit – bezeichnen wir diese<br />
Operatoren in diesem Abschnitt mit dem allgemeinen Symbol ˆL i der Drehimpulsoperatoren,<br />
obwohl es sich hier nur um die ganz spezielle Darstellung ˆL i = ˆl i dieser Operatoren<br />
handelt, die nur den Bahndrehimpuls, aber nicht ein Teilchen mit Spin, beschreibt.<br />
Die zu den oben konstruierten EZ gehörigen Eigenfunktionen im Ortsraum nehmen<br />
eine einfache Form in 3-dim. Kugelkoordinaten an:<br />
x = x 1 = r sin θ cos φ , y = x 2 = r sin θ sin φ , z = x 3 = r cos θ . (131)<br />
Umrechnung von kartesischen in Kugelkoordinaten liefert die Operatoren<br />
(<br />
)<br />
ˆL x (θ, φ) = i sin φ ∂ ∂<br />
∂θ<br />
+ cot θ cos φ<br />
∂φ<br />
,<br />
(<br />
)<br />
ˆL y (θ, φ) = i − cos φ ∂ ∂<br />
∂θ<br />
+ cot θ sin φ<br />
∂φ<br />
,<br />
(132)<br />
ˆL z (θ, φ) = −i ∂<br />
∂φ ,<br />
und damit<br />
)<br />
ˆL ± (θ, φ) = ie<br />
(∓i ±iφ ∂ ∂θ + cot θ ∂<br />
∂φ<br />
,<br />
ˆL 2 (<br />
(θ, φ) = − 2 1<br />
(<br />
∂<br />
sin θ ∂θ sin θ<br />
∂<br />
∂θ<br />
)<br />
+<br />
1<br />
sin 2 θ<br />
)<br />
∂ 2<br />
.<br />
∂φ 2<br />
(133)<br />
Wir bezeichnen die zum EZ |l, m〉 zugehörige Darstellung als Wellenfunktion im Ortsraum<br />
mit Yl<br />
m (θ, φ). Die Eigenwertgleichung für L z ist<br />
und hat die Lösungen<br />
Die Funktion Y l<br />
l<br />
−i ∂<br />
∂φ Y l<br />
m = mYl<br />
m<br />
Y m<br />
l (θ, φ) = f m l (θ)e imφ .<br />
erfüllt des weiteren die Gleichung<br />
ˆL + (θ, φ)Y l<br />
l = 0 ⇒ ∂f l l<br />
∂θ = l cot θ f l l , (134)<br />
68
mit der Lösung<br />
Y l<br />
l (θ, φ) = C l e ilφ sin l θ ,<br />
wobei C l eine Normierungskonstante ist. Die anderen Eigenfunktionen Yl<br />
m (θ, φ) mit m ≠ l<br />
erhält man durch sukzessive Anwendung von ˆL − (θ, φ) auf Yl l (θ, φ) aus (130).<br />
Die oben konstruierten Lösungen existieren aber nur für m, l ∈ Z. Ein einfaches heuristisches<br />
Argument ist, dass der Winkel φ nur bis auf Addition eines ganzen Vielfachen<br />
von 2π definiert ist und daher gelten sollte:<br />
Yl<br />
m (θ, φ + 2π) = ! Yl m (θ, φ) ⇒ m ∈ Z .<br />
Ein substantielleres Argument ist, dass die Konstruktion der Yl<br />
m , m < l durch Anwendung<br />
von ˆL − nur dann bei m = −l abbricht, wenn l ∈ Z.<br />
Das Ergebnis lässt sich in geschlossener Form schreiben als:<br />
Kugelflächenfunktionen<br />
Y m<br />
l (θ, φ) = c m l P m<br />
l (cos θ)e imφ ,<br />
0 ≤ l ∈ Z<br />
Z ∋ m = −l, ..., l<br />
ˆL 2 (θ, φ) Yl m (θ, φ) = 2 l(l + 1) Yl m (θ, φ) , (135)<br />
ˆL z (θ, φ) Yl m (θ, φ) = m Yl m (θ, φ) .<br />
,<br />
Die Normierungskontanten sind<br />
√<br />
{<br />
c m 2l + 1 (l − |m|)!<br />
l = ɛ<br />
4π (l + |m|)! , ɛ = 1 m < 0<br />
(−1) m m ≥ 0 .<br />
Die Funktionen Pl<br />
m (x) mit x = cos θ sind die zugeordneten Legendre Polynome<br />
Pl<br />
m (x) = (1 − x 2 |m|/2 d|m|<br />
)<br />
dx |m| P l(x) , (136)<br />
wobei P l (x) = Pl 0 (x) die gewöhnlichen Legendre-Polynome sind<br />
Bemerkungen:<br />
d l<br />
P l (x) = 1<br />
2 l l! dx l (x2 − 1) l . (137)<br />
⋄ Die Kugelflächenfunktionen geben also eine Ortsdarstellung der EZ des Drehimpulses<br />
nur für ganzzahlige l, m ∈ Z. Sie beschreiben nur den Anteil des Bahn-Drehimpulses<br />
am Gesamt-Drehimpuls eines Teilchens.<br />
⋄ Mit den obigen Definitionen erfüllen die Kugelflächenfunktionen die Orthonormalitätsbedingung<br />
(vgl. (43)):<br />
∫ π<br />
θ=0<br />
∫ 2π<br />
φ=0<br />
sin θdθdφ (Y m<br />
l ) ∗ Y m′<br />
l ′ = δ ll ′δ mm ′ . (138)<br />
69
⋄ Die Kugelflächenfunktionen sind vollständig (vgl.(44)), d.h. jede Funktion auf der Kugeloberfläche<br />
läßt sich schreiben als Linearkombination<br />
u(θ, φ) = ∑ l,m<br />
a l,m Y m<br />
l (θ, φ) . (139)<br />
⋄ Aus (137) folgt, dass die Legendre-Polynome P l (x) Polynome l-ten Grades in x sind,<br />
für kleine Werte von l:<br />
P 0 (x) = 1, P 1 (x) = x, P 2 (x) = 1 2 (3x2 − 1), P 3 (x) = 1 2 (5x3 − 3x) .<br />
Sie erfüllen die Orthogonalitätsrelation:<br />
∫ 1<br />
−1<br />
dx P l (x)P l ′(x) = 2<br />
2l + 1 δ ll ′ . (140)<br />
Aus (136) folgt, dass die assozierten Legendre-Polynome eine wohldefinierter Parität<br />
haben:<br />
Pl<br />
m (−x) = (−) l+m Pl m (x) .<br />
⋄ Die Absolutquadrate der Kugelwellenfunktionen für kleine Werte von l sind im Anhang<br />
A.1 skizziert. Die Kugelflächenfunktionen bestimmen insbesondere die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten<br />
der Elektronen im vereinfachten Modell für das Wasserstoffatom,<br />
das wir später diskutieren.<br />
5.3 Matrixdarstellungen, Spin, Addition<br />
Matrixdarstellungen<br />
Aus der algebraischen Methode können wir sofort Matrixdarstellungen für den Hilbertraum<br />
der Drehimpulsfreiheitsgrade konstruieren. Wir tun dies für kleine Werte der Quantenzahl<br />
l.<br />
⋄ l = 0: Der Hilbert-Raum ist 1-dimensional. |0〉 bezeichne den Zustand mit m = 0. Die<br />
Matrixdarstellung ist eine Zahl. Aus<br />
ˆL ± |0〉 = 0 = ˆL z |0〉 ,<br />
erhalten wir die 1-dim., triviale Darstellung ˆL i = 0 der Drehimpulsalgebra (120).<br />
⋄ l = 1 2 : Wir bezeichnen die beiden Zustände mit m = ± 1 2<br />
mit |±〉. Mit (130) folgt<br />
ˆL ± |∓〉 = |±〉, ˆL± |±〉 = 0, ˆLz |±〉 = ± 2 |±〉 .<br />
( ( 1 0<br />
oder, in einer Matrixdarstellung |+〉 = , |−〉 = :<br />
0)<br />
1)<br />
L + = <br />
( )<br />
( )<br />
( )<br />
0 1<br />
0 0<br />
, L<br />
0 0<br />
− = , L<br />
1 0<br />
z = 1 0<br />
2<br />
. (141)<br />
0 −1<br />
70
Aus der Definition der Leiteroperatoren ˆL ± folgt dann<br />
L x = 2<br />
( ) 0 1<br />
, L<br />
1 0<br />
y = 2<br />
( ) 0 −i<br />
, ˆL2 =<br />
3<br />
i 0<br />
4<br />
( ) 1 0<br />
, (142)<br />
0 1<br />
Dies ist eine 2-dim. Matrix-Darstellung der Drehimpulsalgebra, die wir bereits bei der<br />
Diskussion des Stern-Gerlachs Experiments benutzt haben, vgl. die Definition s i = 2 σ i<br />
und (94).<br />
⋄ l = 1: Ähnlich erhält für l = 1 man eine 3-dim. Darstellung (→ Übung).<br />
Spin<br />
Die halbzahligen Werte des Drehimpulses lassen sich nur durch den intrinsischen Drehimpuls<br />
eines Teilchens, dem Spin, realisieren. Zur Unterscheidung bezeichnet man den EW<br />
des intrinsischen Drehimpulses oft mit s. Den einfachsten Fall, s = 1 2<br />
, haben wir bereits<br />
genauer studiert. Der Spin kann aber auch andere Werte s = N 2<br />
mit 0 ≤ N ∈ Z annehmen.<br />
Den Elementarteilchen werden folgende Spins zugeordnet: 23<br />
s = 0 Higgs-Teilchen (?)<br />
s = 1 2<br />
Elektronen, Neutrinos, Quarks<br />
s = 1 Photonen, Gluonen, WZ-Bosonen<br />
s = 3 2<br />
Gravitinos (??)<br />
s = 2 Gravitonen (?)<br />
Die bekannten Materieteilchen tragen also Spin 1 2<br />
, während die Träger der elektro-magnetischen,<br />
starken und schwachen Wechselwirkung s = 1 haben. Ein Elementarteilchen mit s = 0,<br />
das Higgs-Teilchen, wird sehnlichst gesucht. Für eine q.m. Beschreibung der Gravitation<br />
werden auch Teilchen mit Spin s = 3 2<br />
und s = 2 postuliert.<br />
Addition von Drehimpulsen<br />
Der Gesamtdrehimpuls eines Teilchen setzt sich aus Bahn-Drehimpuls und seinem Spin<br />
zusammen. Ähnlich addieren sich in einem System mit mehreren Teilchen die Einzeldrehimpulse<br />
zu einem Gesamtdrehimpuls (vgl. Mechanik). Wir skizzieren die Addition hier<br />
nur am einfachen Fall eines Spin s = 1 2<br />
Teilchens mit Bahndrehimpuls l = 1.<br />
Die Operatoren ˆl i des Bahn-Drehimpulses und die Spinoperatoren ŝ i erfüllen für sich<br />
die Algebra (120) und kommutieren miteinander, [ˆl i , ŝ j ] = 0 ∀ i, j. Wir bezeichnen die<br />
Komponenten des Gesamt-Drehipulsoperators mit<br />
Sie erfüllen ebenfalls die Algebra (120).<br />
ˆL i = ˆl i + ŝ i .<br />
23 Fragezeichen kennzeichnen vermutete (?) bzw. hypothetische (??) Teilchen, die (noch) nicht im Experiment<br />
beobachtet wurden.<br />
71
Die EZ |l, m〉 des vollständigen Satzes {ˆl z ,ˆl 2 } mit l = 1, m = −1, 0, 1 und |±〉 =<br />
|s = 1 2 , m = ± 1 2 〉 von {ŝ z, ŝ 2 } leben in separaten Hilbert-Räumen. Der Zustandsraum des<br />
Gesamt-Drehimpulses kann als das direkte Produkt oder Tensorprodukt dieser beiden<br />
Räume konstruiert werden. Die Zustände in diesem Raum kann man als direktes Produkt<br />
der EZ der separaten Räume darstellen:<br />
|m, ±〉 := |1, m〉 ⊗ | 1 2 , ± 1 2<br />
〉 , m = −1, 0, 1 .<br />
Der Zustandsraum des Gesamt-Drehimpulses ist also 2×3 = 6-dimensional. Diese Zustände<br />
erfüllen<br />
ˆlz |m, ±〉 = m|m, ±〉 , ŝ z |m, ±〉 = ± 2<br />
|m, ±〉 ,<br />
ˆl2 |m, ±〉 = 2 2 |m, ±〉 , ŝ 2 |m, ±〉 = 3 4 2 |m, ±〉 ,<br />
wobei die Operatoren ˆl z ,ˆl 2 immer nur auf den ersten Teil des direkten Produkts |1, m〉 ⊗<br />
| 1 2 , ± 1 2<br />
〉 wirken und die Spinoperatoren nur auf den zweiten Teil. Es folgt, dass die Zustände<br />
|m, ±〉 EZ des Operators ˆL z sind:<br />
Sie sind aber i.a. keine EZ des Operators<br />
ˆL z |m, ±〉 = (m ± 1 2<br />
)|m, ±〉 .<br />
ˆL 2 = ˆL 2 x + ˆL 2 y + ˆL 2 z = ˆl 2 + ŝ 2 + 2(ŝ xˆlx + ŝ yˆly + ŝ zˆlz ) .<br />
Da die Operatoren ˆL i ebenfalls die Drehimpulsalgebra (120) erfüllen, kann man für den<br />
6-dim. Zustandsraum auch eine VON-Basis aus EZ |L, M〉 zum vollständigen Satz {ˆL z , ˆL 2 }<br />
konstruieren, d.h.<br />
ˆL z |L, M〉 = M|L, M〉 , ˆL2 |L, M〉 = 2 L(L + 1)|L, M〉 .<br />
Die Basiselemente |L, M〉 müssen Linearkombinationen der sechs Zustände |m, ±〉 sein.<br />
Die richtigen Linearkombinationen findet man durch Anwendung der Leiteroperatoren<br />
ˆL ± = ˆl ± + ŝ ± . Der höchste (niedrigste) EW von ˆL z tritt für den Zustand |1, +〉 (| − 1, −〉)<br />
auf. Es muss also gelten<br />
|L = 3 2 , M = 3 2 〉 = |1, +〉 , |L = 3 2 , M = − 3 2<br />
〉 = | − 1, −〉 .<br />
Weitere Zustände erhalten wir durch Anwendung von ˆL ± mit dem Ergebnis (→ Übung):<br />
|L = 3 2 , M = 3 2<br />
〉 = |1, +〉 ,<br />
√ √<br />
|L = 3 2 , M = 1 2 〉 = 2<br />
3 |0, +〉 + 1<br />
3<br />
|1, −〉, ,<br />
√ √<br />
|L = 3 2 , M = − 1 2 〉 = 1<br />
3 | − 1, +〉 + 2<br />
3<br />
|0, −〉 ,<br />
|L = 3 2 , M = − 3 2<br />
〉 = | − 1, −〉 ,<br />
√ √<br />
|L = 1 2 , M = 1 2 〉 = 1<br />
3 |0, +〉 − 2<br />
3<br />
|1, −〉 ,<br />
√ √<br />
|L = 1 2 , M = − 1 2 〉 = 2<br />
3 | − 1, +〉 − 1<br />
3<br />
|0, −〉 .<br />
72
Die sechs Zustände |m, ±〉 kombinieren also zu 4 EZ zum Gesamt-Drehimpuls L = 3 2 und<br />
2 EZ zu L = 1 2<br />
. Allgemeiner kann man leicht zeigen, dass die Addition zweier Drehimpulse<br />
l 1 und l 2 zu Zuständen mit Gesamt-Drehimpuls L im Bereich<br />
|l 1 − l 2 | ≤ L ≤ l 1 + l 2 ,<br />
kombinieren. Die Koeffizienten der Linearkombinationen, die die EZ des Gesamtdrehimpulses<br />
mit denen der Teil-Drehimpulse verbinden (oben: |L, M〉 und |m, ±〉) werden allgemein<br />
Clebsch-Gordan Koeffizienten genannt.<br />
5.4 Rotationen im R 3<br />
Die hermiteschen Operatoren ˆL i = ˆl i definieren unitäre Operatoren<br />
ˆR i (α) = e iα ˆL i / . (143)<br />
Wir zeigen nun, dass diese Operatoren Rotationen um die x i -Achse mit Winkel α generieren.<br />
Wir beschränken uns auf die x = x 1 -Richtung und betrachten einen infinitesimalen<br />
Winkel δα. Seien (x ′ , y ′ , z ′ ) die gedrehten Koordinaten. Dann gilt:<br />
x ′ = x ,<br />
y ′ = cos(δα) y − sin(δα) z = y − δαz + O(δα 2 ) , (144)<br />
z ′ = sin(δα) y + cos(δα) z = z + δαy + O(δα 2 ) ,<br />
wobei im rechten Ausdruck höhere Ordnungen in δα vernachlässigt werden. Auf der anderen<br />
Seite gilt dann für eine beliebige (Wellen-)Funktion ϕ, in erster Ordnung in δα:<br />
ϕ(x ′ , y ′ , z ′ ) =<br />
(<br />
ϕ(x, y, z) + δα −z ∂ ∂y + y ∂ )<br />
ϕ(x, y, z)<br />
∂z<br />
= (ˆ1 + iδα<br />
ˆL x ) ϕ(x, y, z) = ˆR x (δα) ϕ(x, y, z) ,<br />
d.h. die Rotation wird durch Anwendung des Operators ˆR x (δα) erzeugt. Das Argument<br />
lässt sich auf endliche Winkel α erweitern. Allgemeiner erzeugt der<br />
Rotationsoperator:<br />
ˆR(⃗n, α) = e iα ∑ 3<br />
i=1 n i ˆL i / , |⃗n| = 1 , (145)<br />
Rotationen um die durch den Einheitsvektor ⃗n definierte Achse mit Winkel α.<br />
Bemerkungen:<br />
⋄ Wegen (120) kommutieren die Operatoren ˆR i für verschiedene i nicht. Eine beliebige<br />
Kombination von nachfolgenden Drehungen ist aber wieder eine Drehung um eine<br />
allgemeine Achse. Die Rotationen defineren eine Gruppe von Transformationen, die<br />
Drehgruppe mit Bezeichnung SO(3).<br />
73
⋄ Die Operatoren ˆL i in der Definition des Drehoperators ˆR i stellen allgemein die Operatoren<br />
des Gesamt-Drehimpulses dar. Angewendet auf einen Eigenzustand |L, M〉 des<br />
Gesamt-Drehimpulses wirkt der Rotationsoperator ˆR z (α) wie<br />
R z (α) |L, M〉 = e iαLz/ |L, M〉 = e iαM |L, M〉 .<br />
Für einen ganzzahligen (Gesamt-)Drehimpuls ist M ∈ Z und die Drehung um einen<br />
Winkel 2π ergibt die Identität, wie erwartet. Dagegen ergibt eine Drehung um den<br />
Winkel 2π für halb-zahlige EW M den Faktor -1.<br />
⋄ Da die hermiteschen Operatoren ˆL i und damit auch die unitären Operatoren ˆR i zeitunabhängig<br />
sind, generieren die ˆR i Symmetrien des Systems, falls gilt [ˆL i , Ĥ] = 0.<br />
Ein wichtiges Beispiel ist ein Teilchen in einem Zentralpotential, das wir gleich unten<br />
diskutieren. Die zugehörige Erhaltungsgröße (vgl. (110)) ist der Drehimpuls.<br />
6 Drei-dimensionales Zentralpotential<br />
Wir betrachten nun ein drei-dimensionales Teilchen in einem Zentralpotential V (r), das<br />
nur vom Abstand des Teilchens vom Ursprung abhängt. Für einen speziellen Ansatz für das<br />
Potential beschreibt dieser Fall ein vereinfachtes Modell für das Wasserstoffatom, das exakt<br />
lösbar ist. Die Überprüfung der q.m. Vorhersagen für das Wasserstoffatom im Experiment<br />
lieferte einen wichtiger Test für die Theorie. Im realen Wasserstoffatom treten verschiedene<br />
Korrekturen zu diesem vereinfachten Modell auf, die zu einem nicht mehr exakt lösbaren<br />
Problem führen. Eine Methode zur näherungsweise Berechnung dieser Korrekturen werden<br />
wir später kennenlernen.<br />
6.1 Radial-Gleichung<br />
Wir betrachten nun die 3-dimensionale Schrödinger-Gleichung für den Fall eines zeitunabhängigen<br />
Potentials, das in Kugelkoordinaten nur vom Radius r = √ x 2 + y 2 + z 2<br />
abhängt:<br />
Zentralpotential: V (x, y, z, t) = V (r) . (146)<br />
Die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung in der Ortsdarstellung ist (vgl. (23)):<br />
Der Laplace-Operator ∆ = ∑ 3<br />
i=1 d2<br />
dx 2 i<br />
(− 2<br />
2m ∆ + V (r) )<br />
ψ(r, θ, φ) = Eψ(r, θ, φ) . (147)<br />
∆ = 1 r 2 ∂<br />
∂r (r2 ∂ ∂r ) + 1 r 2 ( 1<br />
sin θ<br />
geschrieben in Kugelkoordinaten lautet:<br />
(<br />
∂<br />
sin θ ∂ )<br />
+ 1<br />
∂θ ∂θ sin 2 θ<br />
∂ 2 )<br />
∂φ 2<br />
= 1 r 2 ∂<br />
∂r (r2 ∂ ∂r ) − ˆL 2<br />
2 r 2 , (148)<br />
74
wobei wir im zweiten Schritt Gl. (133) für den Bahn-Drehimpulsoperator ˆL 2 verwendet<br />
haben. 24<br />
Man überprüft leicht, dass der Hamilton-Operator für das Zentralpotential mit den<br />
Drehimpulsoperatoren vertauscht:<br />
[ˆL 2 , Ĥ] = 0 = [ˆL z , Ĥ] .<br />
Daher kann man für den Zustandsraum des 3-dimensionalen Problems eine Basis von<br />
EZ/EF des vollständigen Satzes<br />
{Ĥ, ˆL 2 , ˆL z }<br />
konstruieren. Für die gleichzeitigen Eigenfunktionen machen wir den Separationsansatz 25<br />
ψ(r, θ, φ) = u(r)<br />
r<br />
Y m<br />
l (θ, φ) . (149)<br />
Die Eigenfunktionen der Operatoren ˆL 2 und ˆL z sind die bereits bekannten Kugelflächenfunktionen<br />
Yl<br />
m (θ, φ) mit Eigenwertgleichungen (135). Die zeitunabhängige Schrödingergleichung<br />
(147) wird damit zur folgenden Gleichung für die unbekannte Funktion u(r):<br />
Radialgleichung<br />
− 2 d 2 u(r)<br />
2m dr 2 +<br />
(V (r) + 2<br />
2mr 2 l(l + 1) )<br />
u(r) = E u(r) . (150)<br />
Diese Gleichung hat die Form einer 1-dimensionalen Schrödingergleichung mit effektivem<br />
Potential<br />
V eff (r) = V (r) + l(l + 1) . (151)<br />
2mr2 Diese Vereinfachung für ein Zentralpotential ist im Wesentlichen die Gleiche, wie sie auch<br />
in der klassischen Mechanik auftritt (z.B. beim Keppler-Problem).<br />
2<br />
24 Mit der Definition ˆp r := −i∂/∂r für den radialen Impuls kann man den r-abhängigen Term von Ĥ<br />
1<br />
schreiben als<br />
2m r−1 ˆp 2 rr, wobei die Ortskoordinate r und ˆp r die Relation [r, ˆp r] = i erfüllen.<br />
25 Der extra Faktor r −1 vereinfacht die (Radial-)Gleichung für die unbekannte Funktion u(r).<br />
75
6.2 Wasserstoffatom<br />
Wir betrachten nun das spezielle Zentralpotential<br />
Wasserstoffatom:<br />
V (r) = −<br />
e2<br />
4πɛ 0 r = −<br />
2 1<br />
m e r B r , r B = 4πɛ 0 2<br />
m e e 2 . (152)<br />
Dieses Potential liefert ein vereinfachtes Modell für ein Elektron im Wasserstoffatom, bei<br />
dem der Atomkern als unendlich schwer und punktförmig angenommen wird. r B ≃ 0, 5 ·<br />
10 −10 m ist der Bohr’sche Radius, die charakteristische Länge des Problems, die wir schon<br />
bei der Diskussion des Bohr’schen Atommodells eingeführt hatten. Die Ortsdarstellung<br />
der vollständigen Wellenfunktionen ergibt sich aus der Lösung der Radialgleichung (150)<br />
für den speziellen Fall (152).<br />
Zur Vereinfachung der Gleichung (150) führen wir zunächst die Definitionen ein:<br />
ρ = κr , κ =<br />
√ −2me E<br />
<br />
, ρ 0 = 2<br />
r B κ .<br />
Eine einfache Umformung ergibt dann die Gleichung<br />
d 2 u(ρ)<br />
dρ 2<br />
−<br />
(<br />
1 − ρ )<br />
0 l(l + 1)<br />
+<br />
ρ ρ 2 u(ρ) = 0 . (153)<br />
Wir betrachten die Gl.(153) zuerst im limes großer und kleiner Werte von ρ. Das<br />
asymptotische Verhalten der Funktion u(ρ) ist:<br />
ρ → 0 ⇒ u(ρ) ∝ ρ l+1 , ρ → ∞ ⇒ u(ρ) ∝ e −ρ .<br />
Beweis:<br />
i) Für ρ → 0 ist d2 u(ρ)<br />
dρ<br />
≃ l(l+1)<br />
2 ρ<br />
u(ρ) ⇒ u(ρ) ∼ ρ l+1 oder u(ρ) ∼ ρ −l . Die zweite Lösung divergiert<br />
2<br />
für ρ → 0 und ist daher nicht normierbar.<br />
ii) Für ρ → ∞ ist d2 u(ρ)<br />
dρ<br />
≃ u(ρ) ⇒ u(ρ) ∼ e −ρ oder u(ρ) ∼ e +ρ . Die zweite Lösung divergiert für<br />
2<br />
ρ → ∞ und ist nicht normierbar.<br />
Die Funktion u(ρ) hat daher die Form<br />
u(ρ) = ρ l+1 e −ρ v(ρ) ,<br />
mit einer geeigneten Funktion v(ρ), die per Definition das asymptotische Verhalten bei<br />
ρ = 0 und ρ = ∞ nicht ändert. Einsetzen in (153) liefert die Differentialgleichung für v(ρ):<br />
ρ d2 v(ρ)<br />
dρ 2<br />
+ 2(l + 1 − ρ) dv(ρ)<br />
dρ + (ρ 0 − 2(l + 1)) v(ρ) = 0 . (154)<br />
76
Da die Funktion v(ρ) bei ρ → 0 das asymptotische Verhalten nicht ändert, setzen wir eine<br />
Potenzreihe in ρ (mit c 0 ≠ 0) an, v(ρ) = ∑ ∞<br />
k=0 c kρ k . Einsetzen in (154) und Koeffizientvergleich<br />
der Potenzen von ρ ergibt die Rekursionsformel<br />
c k+1 = 2(l + 1 + k) − ρ 0<br />
(k + 1)(2l + k + 2) c k . (155)<br />
Damit die Funktion v(ρ) das asymptotische Verhalten bei ρ = ∞ nicht ändert, muss es<br />
eine Abbruchbedingung bei endlichem k = k max geben:<br />
Abbruchbedingung: 2(l + 1 + k max ) − ρ 0 = 0 ⇒ c k = 0 ∀ k > k max . (156)<br />
Beweis: Angenommen es gäbe keine Abbruchbedingung. Für große k gilt dann c k+1 ≃ 2k<br />
k<br />
c 2 k<br />
c k ≃ 2k . Dann divergiert v(ρ) wie ∑ k ! k 2k ρ k = e 2ρ im Widerspruch zur Definition von v(ρ).<br />
k !<br />
⇒<br />
Mit der Definition n := l + 1 + k max folgt aus der Gleichung (156) und der Definition<br />
von ρ 0 die zum Wert von 0 ≤ n ∈ Z gehörige Energie:<br />
E n = − 1 2<br />
n 2 2m e rB<br />
2<br />
= 1 n 2 E 1 .<br />
Da die Energie negativ ist, handelt es sich um Bindungszustände. Für den niedrigsten<br />
Wert n = 1 ergibt sich die maximale<br />
Bindungsenergie:<br />
2<br />
E 1 = −<br />
2m e rB<br />
2<br />
≃ −13, 6eV . (157)<br />
Zusammenfassend erhalten wir das<br />
Spektrum des (vereinf.) Wasserstoffatoms:<br />
Ĥψ n,l,m =<br />
1<br />
E<br />
n 2 1 ψ n,l,m , n = 1, 2, 3, ... Hauptquantenzahl<br />
ˆL 2 ψ n,l,m = 2 l(l + 1) ψ n,l,m , l = 0, 1, ..., n − 1, Drehimpulsquantenzahl<br />
ˆL z ψ n,l,m = m ψ n,l,m , m = −l, −l + 1, ..., +l, magnetische Quantenzahl<br />
Bemerkungen:<br />
⋄ Die bisherige Beschreibung ist noch unvollständig, weil das Elektron Spin 1 2<br />
hat. Der<br />
Hilbertraum ist wie im vorhergehenden Beispiel zur Addition von Drehimpulsen um<br />
diesen Freiheitsgrad zu erweitern. Zu jedem der obigen Zustände gehören daher genauer<br />
zwei durch die Spinquantenzahl s z = ± 2<br />
unterscheidbare Zustände.<br />
(158)<br />
77
⋄ Die Drehimpulsquantenzahlen können die Werte l = 0, 1, 2, · · · , n−1 und m = −l, −l +<br />
1, · · · , l − 1, l annehmen, d.h. die Anzahl der Zustände mit Energie E n ist<br />
n−1<br />
∑<br />
2 × (2l + 1) = 2 × n 2 .<br />
l=0<br />
Der extra Faktor 2 kommt vom Spin des Elektrons.<br />
⋄ Eine übliche Klassifizierung der Zustände des Elektrons ist die Einteilung in 1s, 2s,<br />
2p, 3s, 3p, 3d,... Orbitale:<br />
⋆ Die erste Zahl gibt die Hauptquantenzahl n an, d.h. die Energie des Zustands.<br />
⋆ Der folgende Buchstabe gibt die Dreh-Impulsquantenzahl l an und bestimmt die<br />
Form, d.h. die Winkelabhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsverteilung des Elektrons<br />
(vgl. App. A.1). 26 s: l = 0 , p: l = 1 , d: l = 2 .<br />
⋄ Für E > 0 gibt es ein kontinuierliches Spektrum von Streuzuständen. Sie beschreiben ein<br />
ionisiertes Wasserstoffatom und sind aähnlich den hyperbolischen (’Kometen-’)Bahnen<br />
des klassischen Keplerproblems.<br />
Explizite Form der Eigenfunktionen ψ n,l,m<br />
Wegen der Abbruchbedingung (156) sind die Funktionen v(ρ) Polynome vom Grad k max =<br />
n − l − 1 in ρ. Für einen festen Wert n = k max + l + 1 kann man die Energie E n zwischen<br />
einem Anteil für den Drehimpuls mit l = 0, ..., n − 1 und einem Anteil k max = 0, ..., n − 1<br />
für die radiale Richtung aufteilen. Der Grad k max des Polynoms ist also grob gesprochen<br />
ein Maß für die Energie des radialen Anteils der Wellenfunktion.<br />
Mit x = 2ρ lauten die Polynome für niedrige Werte von n in einer bestimmten Normierung<br />
k = 0 k = 1 k = 2<br />
n = 1 1<br />
n = 2 6 4 − 2x<br />
n = 3 120 96 − 24x 18 − 18x + 3x 2<br />
Die Lösungen v(ρ) der Differentialgleichung (154) können in geschlossener Form durch die<br />
zugeordneten Laguerre Polynome ausgedrückt werden:<br />
v(ρ) = L 2l+1<br />
n−l−1<br />
(x) , x = 2ρ ,<br />
L p dp<br />
q−p (x) = (−1)p<br />
dx p L q(x) , (159)<br />
L q (x) = e x dq<br />
dx q (e−x x q ) .<br />
26 Die von lokalen Interessensgruppen verfolgte Umbenennung in c,s,u- Orbitale hat sich nicht durchgesetzt,<br />
trotz warnendem Hinweis, die folgende Konvention, und nicht etwa Versäumnisse, wäre der wahre<br />
Grund für die fortschreitende Verletzung der sogenannten “50+x Regel” und der daraus folgenden apokalyptischen<br />
Konsequenzen (der Verletzung).<br />
78
Damit lassen sich die normierten Wellenfunktionen des vereinfachten Modells für das Wasserstoffatom<br />
schreiben als:<br />
Wellenfunktionen des (vereinf.) Wasserstoffatoms:<br />
√ ( ) 2 3 ( )<br />
(n − l − 1)!<br />
ψ n,l,m =<br />
nr B 2n ((n + l)!) 3 e−r/nr B 2r l<br />
· L 2l+1<br />
nr<br />
n−l−1 ( 2r ) · Yl m (θ, φ) . (160)<br />
B nr B<br />
Bemerkungen:<br />
⋄ Das qualitative Verhalten kann man leicht aus den Quantenzahlen n, l, m ablesen, und<br />
umgekehrt, für gegebene Wellenfunktion:<br />
ψ n,l,m ∼ e −r/nrB · r l · p n−1−l (r) · e imφ<br />
, wobei p k (r) ein Polynom k-ten Grades mit k von 0 verschiedenen Nullstellen ist.<br />
⋄ Die Wellenfunktionen (160) sind orthonormiert:<br />
∫<br />
r 2 sin θ drdθdφ Y ∗ n,l,m Y n ′ ,l ′ ,m ′ = δ n ′ n δ l ′ l δ m ′ m . (161)<br />
⋄ Der r-abhängige Anteil R n,l (r) der Wellenfunktion ist für niedrige Werte von n, l:<br />
R 1,0 ∼ e −r/r B<br />
(<br />
,<br />
)<br />
R 2,0 ∼ 1 − r<br />
2r B<br />
e −r/2r B<br />
,<br />
(<br />
)<br />
R 3,0 ∼ 1 − 2r<br />
3r B<br />
+ 2r2 e −r/3r 27rB<br />
2 B<br />
,<br />
R 2,1 ∼ r<br />
r B<br />
e −r/2r B<br />
,<br />
R 3,1 ∼ (1 −<br />
r<br />
6r B<br />
) r<br />
r B<br />
e −r/3r B<br />
,<br />
(162)<br />
R 3,2 ∼<br />
(<br />
r<br />
r B<br />
) 2<br />
e<br />
−r/3r B<br />
.<br />
Die Anzahl der Nullstellen (Knoten) ist n − 1, die Anzahl der Knoten im Bereich r > 0<br />
ist n − 1 − l. Die Funktionen sind unten für n = 1, 2, 3 in schwarz/blau/rot skizziert,<br />
mit dunkleren Farben für steigendes l.<br />
79
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
2 4 6 8 10 12<br />
0.2<br />
Spektrallinien<br />
Eine einfache Überprüfung der Vorhersagen des Modells liefert die Beobachtung der Spektrallinien<br />
des Wasserstoffatoms, die aus der Emission eines Photons beim Übergang eines Elektrons<br />
von einem Zustand mit Energie E m zu einem Zustand mit niedrigerer Energie E n resultieren.<br />
Aus der Energieerhaltung<br />
E photon = ω = E m − E n ,<br />
folgt mit ω = 2πc/λ die Wellenlänge des emittierten Photons<br />
λ −1 = R ( 1 n 2 − 1 m 2 ) , R = m e<br />
4πc 3 ( e<br />
2<br />
4πɛ 0<br />
) 2<br />
= 1.097 · 10 7 m −1 .<br />
Für Übergänge zum Grundzustand n = 1 sind die Spektrallinien für verschiedene m<br />
Bestandteil der Lyman-Serie und die Wellenlänge liegt im UV Bereich. Für Übergänge<br />
zum ersten angeregten Zustand n = 2 sind die Spektrallinien Bestandteil der Balmer-<br />
Serie und die Wellenlänge liegt im sichtbaren Bereich.<br />
80
6.3 Harmonischer Oszillator<br />
Das Zentralpotential für den 3-dim. harmonische Oszillator lautet<br />
V (r) = m 2 ω2 r 2 = m 2 ω2 (x 2 + y 2 + z 2 ) . (163)<br />
Dieses Problem läßt sich auf zwei bereits bekannte Arten lösen:<br />
Separationsansatz in kart. Koordinaten<br />
In 3-dim. kart. Koordinaten ist das Zentralpotential die Summe von drei Termen in den<br />
Koordinaten x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z. Der Hamiltonoperator ist die Summe<br />
Ĥ =<br />
3∑<br />
Ĥ i ,<br />
i=1<br />
Ĥ i = − 2<br />
2m<br />
∂ 2<br />
∂x 2 i<br />
+ m 2 ω2 x 2 i ,<br />
wobei Ĥ i die Hamiltonoperatoren des 1-dim- harmonischen Oszillators in der jeweiligen<br />
Koordinate sind (vgl. (62)). Da die Ĥi vertauschen,<br />
[Ĥi, Ĥj] = 0 ∀ i, j ,<br />
kann eine Basis von gleichzeitigen EZ der Operatoren Ĥi für den Zustandsraum gewählt<br />
werden. Wir wählen als Basis die direkten Produktzustände<br />
|n 1 , n 2 , n 3 〉 = |n 1 〉 ⊗ |n 2 〉 ⊗ |n 3 〉 ,<br />
wobei |n〉 den Energie-EZ des 1-dim. harmonischen Oszillators mit Energie E n = ω(n+ 1 2 )<br />
bezeichnet. Der Hamilton-Operator wirkt auf diese Zustände wie:<br />
Ĥ |n 1 , n 2 , n 3 〉 = (Ĥ1 |n 1 〉) ⊗ |n 2 〉 ⊗ |n 3 〉 + |n 1 〉 ⊗ (Ĥ2 |n 2 〉) ⊗ |n 3 〉 + |n 1 〉 ⊗ |n 2 〉 ⊗ (Ĥ3 |n 3 〉)<br />
= ∑ i<br />
ω(n i + 1 2 )) = ω(n + 3 2 ) ,<br />
Die Energie-EW sind also:<br />
3-dim. Harmonischer Oszillator:<br />
E n = ω(n + 3 2 ) , n = n 1 + n 2 + n 3 . (164)<br />
Die Wellenfunktionen ergeben sich aus einem Separationsansatz in den Variablen x 1 , x 2 , x 3<br />
und sind die Produkte<br />
ψ n1 ,n 2 ,n 3<br />
(x 1 , x 2 , x 3 ) = ψ n1 (x) · ψ n2 (y) · ψ n3 (z) , (165)<br />
wobei die Funktionen im rechten Ausdruck die Wellenfunktionen des 1-dim. Oszillators in<br />
Gl.(60) sind.<br />
81
Separationsansatz in Kugelkoordinaten<br />
In Kugelkoordinaten mit Separationsansatz ψ(r, θ, φ) = u(r)/r · Yl<br />
m (θ, φ) ist die Radialgleichung<br />
(150) für das Zentralpotential (163) zu lösen. Mit dem dimensionslosen Radius<br />
lautet die Radialgleichung<br />
d 2 u(ρ)<br />
dρ 2 =<br />
ρ = κr , κ = √ mω/ ,<br />
(<br />
ρ 2 l(l + 1)<br />
+<br />
ρ 2 − 2E )<br />
u(ρ) = 0 .<br />
ω<br />
Das asymptotische Verhalten für ρ → 0 wird wieder durch den Zentrifugalterm ∼ ρ −2<br />
bestimmt. Für große ρ ergibt die Differentialgleichung<br />
d 2 u<br />
dρ 2 = ρ2 u ⇒ u(ρ) ∝ e −ρ2 /2 = e − mω<br />
2 (x2 +y 2 +z 2) .<br />
Dies stimmt mit dem asymptotischen Verhalten der 1-dim Wellenfunktionen (60) überein.<br />
Der Ansatz<br />
∞∑<br />
u(ρ) = ρ l+1 · e −ρ2 /2 · v(ρ) , v(ρ) = c k ρ 2k ,<br />
liefert wie im Fall des Coulomb-Potentials eine Abbruchbedingung:<br />
k=0<br />
2k max<br />
!<br />
= E ω − l − 3 2 ⇒ E = ω(2n r + l + 3 2 ) ,<br />
wobei wir die radiale Quantenzahl 0 ≤ n r = k max ∈ Z eingeführt haben. Das Energiespektrum<br />
stimmt offensichtlich mit dem Resultat (164) überein. Die Hauptquantenzahl<br />
n = 2n r + l<br />
setzt sich in diesem Fall aus einem Radialanteil n r und einem Drehimpulsanteil l zusammen.<br />
Vergleich<br />
Die Entartung der Energie-EW für gegebenes n ist:<br />
n∑<br />
n∑<br />
n 1 =0 n 2 =0 n 3 =0<br />
n∑<br />
δ n−n1 −n 2 ,n 3<br />
=<br />
[ n 2 ] ∑<br />
n∑<br />
l∑<br />
n r=0 l=0 m=−l<br />
δ n−2nr,l =<br />
(n + 1)(n + 2)<br />
2<br />
.<br />
Die Entartung wächst also ∼ n 2 /2 für große Werte von n, im Unterschied zum 1-dim. harm.<br />
Oszillator, bei dem alle Energiewerte nur einmal auftreten. Die Entartung der Energie-<br />
EZ ist durch die Angabe der Quantenzahlen n 1 , n 2 bzw. Drehimpulsquantenzahlen l, m<br />
aufgehoben, d.h. ein Zustand ist in beiden Basissystemen durch die Angabe von drei<br />
Quantenzahlen eindeutig bestimmt.<br />
Die Elemente der beiden Basissysteme für die zwei vollständigen Sätze {Ĥ1, Ĥ2, Ĥ3},<br />
und {Ĥ, ˆL 2 , ˆL z } sind für kleine n in folgender Tabelle zusammengestellt:<br />
82
E n 1 n 2 n 3 n r l m<br />
3<br />
n = 1<br />
2 ω 0 0 0 0 0 0<br />
1 0 0 0 1 -1<br />
5<br />
n = 2<br />
2 ω 0 1 0 0 1 0<br />
0 0 1 0 1 1<br />
2 0 0 0 2 -2<br />
0 2 0 0 2 -1<br />
7<br />
n = 3<br />
2 ω 0 0 2 0 2 0<br />
1 1 0 0 2 1<br />
1 0 1 0 2 2<br />
0 1 1 1 0 0<br />
Die Aufstellung gibt nur die jeweils möglichen Zustände für gegebene Quantenzahlen an,<br />
die Zustände in einer Zeile sind aber nicht gleich (ausser für den Grundzustand). 27<br />
7 Störungstheorie<br />
Bisher haben wir sehr spezielle Hamiltonoperatoren betrachtet, für die die Schrödingergleichung<br />
lösbar war. Trotzdem war die explizite Form der Lösungen bereits in diesen<br />
einfachen Fällen nicht trivial (vgl. Definitionen der Kugelflächenfunktionen, Hermite-,<br />
Legendre-, Laguerre-Polynome). Diese exakt lösbaren Fälle sind die Ausnahme und stellen<br />
idealisierte Modelle für reale Systeme dar. Der Hamiltonoperator Ĥ eines realen Systems<br />
ist praktisch immer zu kompliziert, um die (Differential-)Gleichungen geschlossen zu lösen.<br />
In diesem Fall kann man oft Näherungsmethoden verwenden, um die Lösungen zu einer<br />
bestimmten Genauigkeit zu berechnen. Zur Vereinfachung betrachten wir wieder den Fall<br />
eines zeitunabhängigen Hamilton-Operators Ĥ. Die Idee der folgenden Näherungsmethode<br />
ist:<br />
1. Wir definieren den Operator<br />
Ĥ(λ) = Ĥ0 + λ ˆV , Ĥ(1) = Ĥ , (166)<br />
wobei Ĥ 0 ein exakt lösbaren Problems beschreibt. Die nicht lösbaren Terme sind<br />
im zweiten Term, dem Störoperator ˆV zusammengefasst. Für den Wert λ = 0<br />
beschreibt Ĥ(λ) das lösbares System. Die Abänderung des Systems durch den Operator<br />
ˆV wird als kleine Störung des (bekannten) Systems behandelt. Diese Näherung<br />
27 Die Elemente der beiden Basen für gegebene Energie E n sind durch nichttriviale Linearkombination<br />
miteinander verbunden, deren Koeffizienten durch die inneren Produkte 〈n 1, n 2, n 3|n r, l, m〉 bestimmt sind.<br />
Ähnliches hatten wir bereits bei der Addition von Drehimpulsen beobachtet, wo die beiden Basissysteme<br />
|m, ±〉 und |L, M〉 durch Linearkombinationen mit den Clebsch-Gordan Koeffizienten verbunden waren.<br />
83
ist gültig, wenn der Beitrag des Störoperators ˆV zur Energie klein im Vergleich zum<br />
Beitrag von Ĥ0 ist.<br />
2. Für die Energien und Eigenzustände des Operators Ĥ(λ),<br />
Ĥ(λ) |n(λ)〉 = E n (λ) |n(λ)〉 , (167)<br />
setzen wir im nicht-entarteten Fall die folgende Potenzreihen an:<br />
E n (λ) =<br />
|n(λ)〉 =<br />
∞∑<br />
i=0<br />
λ i E (i)<br />
n = E (0)<br />
n + λE (1)<br />
n + . . . ,<br />
∞∑<br />
λ i |n (i) 〉 = |n (0) 〉 + λ|n (1) 〉 + . . . , (168)<br />
i=0<br />
wobei das Superskript i den Term ∼ λ i kennzeichnet.<br />
3. Die führenden Terme ∼ λ 0 beschreiben das lösbare Problem mit Hamilton-Operator<br />
Ĥ 0 und EW E n<br />
(0) und EZ |n (0) 〉. Die höheren Terme in λ erhält man durch Einsetzen<br />
des Ansatzes (168) in (167) und Koeffizientenvergleich.<br />
4. Die Bedeutung des Parameters λ ist, dass die Korrekturterme der Ordnung λ i proportional<br />
zu Produkten von Erwartungswerten sind, die i Potenzen des Störoperators<br />
ˆV enthalten. Wenn der Störoperator ˆV einen kleinen Beitrag zur Energie liefert,<br />
werden diese Korrekturen immer kleiner mit höherer Ordnung in i und der Abbruch<br />
nach einer bestimmten Potenz liefert ein gutes Näherungsergebnis.<br />
7.1 Nichtentarteter Eigenwert<br />
Einsetzen des Ansatzes in (168) in linke bzw. rechte Seite von (167) liefert die Potenzreihen<br />
Ĥ(λ)|n(λ)〉 = Ĥ0|n (0) 〉 + λ(Ĥ0|n (1) 〉 + ˆV |n (0) 〉) + λ 2 (Ĥ0|n (2) 〉 + ˆV |n (1) 〉) + ... (169)<br />
E n (λ)|n(λ)〉 = E 0 |n (0) 〉 + λ(E (0)<br />
n |n (1) 〉 + E (1)<br />
n |n (0) 〉) + λ 2 (E (0)<br />
n |n (2) 〉 + E (1)<br />
n |n (1) 〉 + E (2)<br />
n |n (0) 〉) + ...<br />
Der Koeffizientenvergleich der Terme ∼ λ 0 reproduziert die Eigenwertgleichung des ungestörten<br />
Problems:<br />
λ 0 : Ĥ 0 |n (0) 〉 = E 0 |n (0) 〉 .<br />
Wir nehmen an, dass die EW E (0)<br />
n<br />
Korrekturen 1. und 2. Ordnung<br />
und die (normierten) EZ |n (0) 〉 bekannt sind.<br />
Koeffizientenvergleich der Terme ∼ λ 1 liefert die Gleichung:<br />
λ 1 : Ĥ 0 |n (1) 〉 + ˆV |n (0) 〉 = E (0)<br />
n |n (1) 〉 + E (1)<br />
n |n (0) 〉 . (170)<br />
Bilden des inneren Produkts mit 〈n (0) | ergibt:<br />
E (0)<br />
n 〈n (0) |n (1) 〉 + 〈n (0) | ˆV |n (0) 〉 = E (0)<br />
n 〈n (0) |n (1) 〉 + E (1)<br />
n ,<br />
84
wobei wir verwendet haben, dass Ĥ0 hermitesch ist und die EZ des ungestörten Systems<br />
orthonormiert sind, 〈n (0) |m (0) 〉 = δ nm . Die ersten beiden Terme auf beiden Seite heben<br />
sich auf und wir erhalten das Ergebnis für die Korrektur 1. Ordnung zur Energie:<br />
E (1)<br />
n = 〈n (0) | ˆV |n (0) 〉 = V nn .<br />
Die Verschiebung der Energie E n<br />
(1) ist der Erwartungswert des Störoperators ˆV im n-ten<br />
EZ des ungestörten Systems. Allgemeiner bezeichnet im Folgenden<br />
V mn = 〈m (0) | ˆV |n (0) 〉 (171)<br />
die Matrixelemente des Störoperators im ungestörten System.<br />
Als nächstes berechnen wir die Korrektur |n (1) 〉 zum Eigenzustand. Da die EZ |n (0) 〉<br />
eine Basis des Hilbert-Raums bilden, kann man die Korrektur 1. Ordnung zum EZ als<br />
Linearkombination dieser Vektoren schreiben:<br />
|n (1) 〉 = ∑ m<br />
c nm |m (0) 〉 . (172)<br />
Einsetzen in (170) ergibt die Gleichung<br />
∑<br />
(E m (0) − E n (0) )c nm |m (0) 〉 = (E n (1) − ˆV )|n (0) 〉 .<br />
m≠n<br />
Der Koeffizient c nm für n ≠ m folgt dann aus dem inneren Produkt dieser Gleichung mit<br />
〈m (0) |. Für m = n ist die Gleichung trivial erfüllt und der Koeffizient c nn ist unbestimnt.<br />
Der Zustand |n (0) 〉 + λ|n (1) 〉 ist in 1. Ordnung in λ korrekt normiert für die Wahl c nn = 0.<br />
Zusammenfassend erhalten wir mit der Abkürzung ∆E nm := E n (0) − E m<br />
(0) für die Korrekturterme<br />
in 1. Ordnung in λ:<br />
Korrekturen 1. Ordnung:<br />
Energie-EW: E (1)<br />
n = V nn = 〈n (0) | ˆV |n (0) 〉 ,<br />
Energie-EZ:<br />
|n (1) 〉 = ∑ m≠n<br />
V mn<br />
|m (0) 〉 = ∑ 〈m (0) | ˆV |n (0) 〉<br />
∆E nm<br />
m≠n E n (0) − E m<br />
(0) |m (0) 〉 .<br />
(173)<br />
Die Berechnung der Terme höherer Ordnungen ist ähnlich. Sind die Größen E n<br />
(i) und<br />
|n (i) 〉 für i < j bekannt, liefert der Koeffizientenvergleich der Terme λ j eine Gleichung für<br />
die Terme nächsthöherer Ordnung. Für die Korrekturen 2. Ordnung erhält man:<br />
Korrekturen 2. Ordnung:<br />
Energie-EW: E (2)<br />
n<br />
Energie-EZ:<br />
= ∑ |V mn | 2<br />
,<br />
∆E nm<br />
m≠n ⎛<br />
|n (2) 〉 = ∑ m≠n<br />
⎝− V nnV mn<br />
∆E 2 nm<br />
+ ∑ k≠n<br />
⎞<br />
V mk V kn<br />
⎠ |m (0) 〉 − 1 ∆E nk ∆E nm 2<br />
∑<br />
m≠n<br />
|V mn | 2<br />
∆Enm<br />
2 |n (0) 〉 .<br />
85
Der Korrekturterm ∼ |n (0) 〉 zu |n (2) 〉 folgt wieder aus der Normierung. Die Korrekturen<br />
2. Ordnung sind besonders wichtig, wenn die Korrekturen 1. Ordnung verschwinden, z.B.<br />
aus Symmetriegründen.<br />
Weitere Bemerkungen:<br />
⋄ Wie anfangs erwähnt, sind die Korrekturen i-ter Ordnung proportional zur i-ten Potenz<br />
der Matrixelemente von ˆV im ungestörten System. Die Störungstheorie ist nur dann<br />
gültig, wenn diese Erwartungswerte klein im Vergleich zu den Eigenwerten E n (0) von Ĥ0,<br />
bzw. im Vergleich zu den im Nenner auftauchenden Differenzen ∆E nm = E n (0) − E m<br />
(0)<br />
dieser EW sind.<br />
⋄ Insbesondere gehen die Energiedifferenzen im Nenner für (nahezu) entartete Eigenwerte<br />
gegen Null und der obige Näherungsansatz ist nicht anwendbar. Einen modifizierten<br />
Ansatz für entartete EW diskutieren wir unten.<br />
⋄ Wegen ∆E 1m < 0 und |V mn | 2 > 0 ist die Korrektur 2. Ordnung zur Energie des Grundzustandes<br />
n = 1 immer negativ.<br />
Beispiel: Wir betrachten ein elektrisch geladenes Teilchen im 1-dim. unendlichen Potentialtopf.<br />
Nach Einschalten eines elektrischen Feldes E enthält der Hamilton-Operator einen<br />
weiteren Potentialterm<br />
Ĥ = Ĥ0 + ˆV , ˆV = −qE ˆx ,<br />
wobei Ĥ 0 der in Abschnitt 3.3.1 betrachtete Hamilton-Operator ohne Feld ist. Zur Berechnung<br />
der korrigierten Energie-EW können wir die dortigen Ergebnisse für das Spektrum und<br />
die Wellenfunktionen ϕ n (x) in der Ortsdarstellung verwenden (Gl.(51)). Die Korrektur 1.<br />
Ordnung ergibt sich aus dem Matrixelement<br />
E (1)<br />
n = 〈n (0) | ˆV |n (0) 〉 =<br />
∫<br />
dxϕ ∗ n(x)(−qEx)ϕ n (x) = −qE 2 L<br />
∫<br />
dx sin 2 ( πnx )x = −qEL<br />
L 2 .<br />
Zur 1. Ordnung Störungstheorie sind die Energie-EW im elektrischen Feld daher<br />
E n = n 2 E (0)<br />
1 − qEL = E n (0) (1 − qEL<br />
2<br />
2n 2 E (0)<br />
1<br />
) , E (0)<br />
1 = π2 2<br />
2mL 2 .<br />
Die Korrektur ist proportional zu E und wird damit klein für ein schwaches elektrisches Feld<br />
E. Da die Korrektur i-ter Ordnung proportional zu E i ist (genauer: zur dimensionslosen<br />
Größe (qEL/E (0)<br />
1 )i ), wird die Korrektur mit steigender Ordnung i immer kleiner.<br />
7.2 Entarteter Eigenwert<br />
Wir betrachten nun einen N-fach entarteten Energie-EW E n<br />
(0) des ungestörten Hamilton-<br />
Operators Ĥ0. Der N-dimensionale Unterraum H n ⊂ H des Zustandsraums mit diesem<br />
Eigenwert hat eine ON Basis {|n, α (0) 〉} mit der Eigenschaft:<br />
Ĥ 0 |n, α (0) 〉 = E (0)<br />
n |n, α (0) 〉 ∀ α = 1, . . . , N . (174)<br />
86
Der entartete Fall ist besonders interessant, da das Hinzufügen eines Störterms ˆV zum<br />
Hamilton-Operator in der Regel eine (teilweise) Aufhebung der Entartung bewirkt, d.h.<br />
die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung für das gestörte Problem lautet<br />
Ĥ(λ) |n, α(λ)〉 = E n,α (λ) |n, α(λ)〉 , (175)<br />
mit nicht entarteten EW E n,α (λ) ≠ E n,β (λ) für α ≠ β.<br />
Beispiel: Die Energie-EW E n für das idealisierte Modell des Wasserstoffatoms (Gl.(158))<br />
sind hoch entartet mit N = n 2 . Die verschiedenen Werte für l, m zu gegebener Hauptquantenzahl<br />
n könnten dann nicht durch eine einfache Messung der Spektrallinien unterschieden<br />
werden. Nach Hinzufügen verschiedener Störungen (Korrekturterme im realen Wasserstoffatom,<br />
bzw. Anlegen äußerer elektromagnetischer Felder) wird die Entartung der Energie-EW<br />
aufgehoben.<br />
Der vorhergehende Ansatz ist im Fall eines entarteten Energie-EW E n nicht anwendbar,<br />
wie man bereits daraus sehen kann, dass die berechneten Korrekturen im Nenner<br />
die Energiedifferenzen ∆E nm enthalten, die im Fall der Entartung gegen Null gehen. Das<br />
Problem ist, dass eine gegebene ON Basis {|n, α (0) 〉} für den Untterraum H n nicht eindeutig<br />
ist, da jede Linearkombination dieser EV wieder einen EV mit dem gleichen EW<br />
ergibt. Jede unitäre Transformation mit einer unitären Matrix u α β<br />
erzeugt also eine<br />
weitere ON Basis (siehe Bemerkungen unter Gl.(99)):<br />
E (0)<br />
n<br />
{|n, α (0) 〉} ist ON Basis ⇒ {|n, α (0) 〉 ′ := ∑ β<br />
u α β |n, β(0) 〉} ist ON Basis.<br />
Auf der anderen Seite ist die Basis {|n, α(λ)〉} für das gestörte Problem eindeutig,<br />
wenn die Entartung durch den Störoperator ˆV aufgehoben wird: eine Linearkombination<br />
der Vektoren |n, α(λ)〉 erfüllt nicht mehr die EW-Gleichung (175). Die Beschränkung von<br />
{|n, α(λ)〉} auf den Term ∼ λ 0 gibt nur eine der unendlich vielen Basen von H n :<br />
{|n, α(λ)〉}<br />
λ 0<br />
−→ {|n, α (0) 〉} .<br />
Diese ausgezeichnete Basis {|n, α (0) 〉} bezeichnen wir mit fettgedrucktem α.<br />
Ein geeignet modifizierter Ansatz für die gestörten Energien und Zustände bis zur 1.<br />
Ordnung im Unterraum H n ist dann wie folgt:<br />
E n (λ) = E n + λE (1)<br />
n,α + . . . ,<br />
|n, α(λ)〉 = |n, α (0) 〉 + λ|n, α (1) 〉 + . . . (176)<br />
= ∑ β<br />
u α β |n, α(0) 〉 + λ ∑ n≠l<br />
c nl |l (0) 〉 + . . . .<br />
Bemerkungen:<br />
⋄ Für die Energiekorrekturen E (1)<br />
n,α lassen wir wegen der Aufhebung der Entartung verschiedene<br />
Werte zu, in Übereinstimmung mit (175).<br />
87
⋄ Da wir die spezielle Basis {|n, α (0) 〉} nicht wissen, setzen wir für den λ 0 Term des EZ eine<br />
allgemeine Linearkombination in einer beliebigen Basis {|n, α (0) 〉} für H n an.<br />
⋄ Für den λ 1 Term des Zustands verwenden wir, dass der Zustand |n, α(λ)〉 in 1. Ordung in λ<br />
normiert ist, wenn |n, α (1) 〉 orthogonal zu |n, α (0) 〉 ist; die Summe läuft daher nur über die EZ<br />
l ≠ n zu den EW E (0)<br />
l<br />
≠ E n<br />
(0) (aus dem gleichen Grund hatten wir im nicht-entarteten Fall<br />
den Koeffizienten c nn in (172) null gesetzt. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass die<br />
Energie-EW ausser E n<br />
(0) nicht entartet sind, sonst müssten weitere Summationsindizes für die<br />
entarteten Eigenräume H l mit l ≠ n eingeführt werden.<br />
Die weitere Rechnung ist wie im nicht-entarteten Fall. Einsetzen des Ansatzes in (175)<br />
liefert bei der Ordnung λ 0 die Gleichung (174), in der ausgezeichneten Basis {|n, α (0) 〉}.<br />
In 1. Ordnung erhält man, nach dem Nehmen des inneren Produkts mit dem Bra-Vektor<br />
〈n, γ (0) |:<br />
〈n, γ (0) | ˆV ∑ β<br />
u α β |n, β(0) 〉 = E (1)<br />
n,α<br />
∑<br />
u α β 〈n, γ(0) |n, β (0) 〉 = E n,α u α γ . (177)<br />
Mit den Matrixelementen (V ) γβ = 〈n, γ (0) | ˆV |n, β (0) 〉 auf dem Unterraum H n lässt sich<br />
diese Gleichung schreiben als Matrixgleichung<br />
Korrekturen 1. Ordnung (entarteter Fall)<br />
β<br />
V · u α = E (1)<br />
n,α u α , (178)<br />
wobei u α = (u α 1 , . . . , uα N )T den α-ten Spaltenvektor der Matrix u α β darstellt.<br />
Die Gleichung (178) ist eine Eigenwert-Gleichung für die Matrixelemente V des Operators<br />
ˆV auf dem Unterraum H n und besagt zweierlei:<br />
⋄ Die gesuchten Energiedifferenzen E (1)<br />
n,α sind die Eigenwerte des Störoperators ˆV auf dem<br />
Unterraum H n mit entartetem Eigenwert.<br />
⋄ Die Elemente der zuvor unbekannten speziellen Basis {|n, α (0) 〉} sind nun bestimmt;<br />
sie sind genau die Eigenvektoren von ˆV zu den EW E (1)<br />
n,α im Unterraum H n .<br />
7.3 Anwendungen zum Wasserstoffatom<br />
In Abschnitt 6.2 hatten wir ein vereinfachtes Modell für das Wasserstoffatom mit dem<br />
Hamilton Operator<br />
Ĥ 0 =<br />
ˆp2<br />
2m e<br />
+ V (r), V (r) = − 2<br />
m e r B<br />
1<br />
r ,<br />
gelöst. In diesem Abschnitt wenden wir das Prinzip der Störungstheorie an, um verschiedene<br />
Korrekturen zu diesem Modell zu berechnen, die beim realen Wasserstoffatom auftreten.<br />
Die im vereinfachten Modell für das Wasserstoffatom ermittelten Energien lassen sich<br />
schreiben als<br />
E n (0) = − 1<br />
2n 2 · α2 m e c 2 . (179)<br />
88
Hier ist α eine bereits in Abschnitt 1.2. eingeführte fundamentale, dimensionslose Größe,<br />
die Sommerfeld’sche Feinstrukturkonstante<br />
α =<br />
e2<br />
4πɛ 0 c =<br />
<br />
m e cr B<br />
≈ 0.0073 ≈ 1/137 . (180)<br />
Die Energie-Eigenwerte werden im realen Wasserstoffatom auf Grund verschiedener Wechselwirkungen<br />
korrigiert. Interessant sind u.a. die folgenden, nach absteigender Größe geordneten<br />
Korrekturen:<br />
Relative Größe Bezeichnung Physik<br />
α 2 ∼ 10 −5 Feinstruktur relativistische Korrekturen<br />
Spin-Bahn Kopplung<br />
α 3 ∼ 10 −7 Lamb shift Quantisierung des elektr. Feldes<br />
α 2 me<br />
m K<br />
∼ 10 −8 Hyper-Feinstruktur Spin des Protons<br />
Feinstruktur<br />
Wir skizzieren im Folgenden die Berechnung der Feinstruktur, bei der die folgenden Erwartungswerte<br />
benötigt werden: 28<br />
〈 1 r 〉 n<br />
〈 1 r 2 〉 n<br />
〈 1 r 3 〉 n<br />
=<br />
=<br />
=<br />
1<br />
n 2 ,<br />
r B<br />
1<br />
(l + 1 2 )n3 rB<br />
2 , (181)<br />
1<br />
l(l + 1 2 )(l + 1)n3 rB<br />
3 ,<br />
Das Subskript n in 〈...〉 n<br />
bedeutet, dass diese Erwartungswerte in einem EZ des ungestörten<br />
Problems mit Energie E n<br />
(0) berechnet sind (vgl. Gl.(158)). Man beachte dass die EW für<br />
r −k mit k > 1 auch von der Drehimpuls-QZ l abhängen.<br />
Die Feinstruktur der Energie-EW setzt sich aus zwei unterschiedlichen Termen zusammen:<br />
Relativistische Korrektur<br />
Der Term ˆp2<br />
2m<br />
im Hamilton-Operator ergibt sich aus der klassischen Energie/Impuls-<br />
Beziehung T kin = p 2 /2m und der Ersetzungsregel p → ˆp. Der relativistische Ausdruck<br />
für die kinetische Energie ist aber<br />
T kin = E − mc 2 = mc 2 ( √ 1 + (p/mc) 2 − 1) = p2<br />
2m −<br />
p4<br />
8m 3 c 2 + . . . .<br />
Die rechte Seite ist die Taylor-Entwicklung für kleine Impulse bis zur Ordnung ( p mc )4 .<br />
Mit der Ersetzungsregel kann die führende relativistische Korrektur durch Addition des<br />
28 Diese Erwartungswerte lassen sich mit Hilfe der sogenannten Kramers-Relation berechnen.<br />
89
Störoperator<br />
ˆV 1 = − ˆp4<br />
8m 3 c 2 , (182)<br />
berechnet werden. Die Korrektur 1. Ordnung zur Energie im Zustand |n (0) 〉 ist dann mit<br />
(173)<br />
E n (1) = 〈n (0) | ˆV 1 |n (0) 〉 = − 1<br />
2mc 2 〈n(0) | ˆp2 ˆp 2<br />
2m 2m |n(0) 〉 = − 1<br />
2mc 2 〈n(0) |(E n (0) − V (r)) 2 |n (0) 〉 =<br />
= − 1 (<br />
)<br />
2mc 2 (E n (0) ) 2 − 2E n (0) 〈V (r)〉 + 〈V (r) 2 〉 , (183)<br />
wobei wir die Schrödingergleichung Ĥ0|n (0) 〉 = E n (0) |n (0) 〉 benutzt haben. Mit V (r) =<br />
−cα/r und (181) ergibt sich die Korrektur:<br />
( ) ( )<br />
E n<br />
(1) = − (E(0) n ) 2 4n<br />
2m e c 2 l + 1 − 3 = − 1 4n<br />
8n<br />
2<br />
4 l + 1 − 3 α 4 m e c 2 . (184)<br />
2<br />
Spin-Bahn-Kopplung<br />
Die Spin-Bahn Kopplung kann man sich grob wie folgt vorstellen: im Ruhesystem des<br />
Elektrons kreist der positive geladene Atomkern um das Elektron und erzeugt einen Kreisstrom,<br />
der wiederum ein Magnetfeld am Ort des Elektrons induziert. Die Wechselwirkung<br />
dieses Magnetfeldes mit dem magnetischen Moment des Elektrons ergibt einen weiteren<br />
Potentialterm ∆V ∼ B ⃗ ·⃗s (vgl.(93)). Der genaue Koeffizient kann aus einer relativistischen<br />
Betrachtung des Elektronspins (in der sogenannten Dirac-Gleichung) hergeleitet werden.<br />
Das Ergebnis ist:<br />
ˆV 2 =<br />
α ⃗ˆl · ⃗ŝ<br />
2m 2 ec r 3 , (185)<br />
wobei ˆl i die Komponenten des Bahndrehimpulsoperators sind und wir die Vektorschreibweise<br />
⃗ˆl · ⃗ŝ =<br />
∑ 3<br />
i=1 ˆl i ŝ i verwenden. Mit dem Gesamtdrehimpulsoperator ⃗ˆL =<br />
⃗ˆl + ⃗ŝ kann der<br />
Operator ⃗ˆl · ⃗ŝ umgeschrieben werden als:<br />
⃗ˆl · ⃗ŝ =<br />
1<br />
2 (ˆL 2 − ˆl 2 − ŝ 2 ) .<br />
Die Eigenwerte dieses Operators sind:<br />
2<br />
(L(L + 1) − l(l + 1) − s(s + 1)) ,<br />
2<br />
wobei im letzten Term s = 1 2<br />
zu setzen ist. Mit Gl.(181) ergibt sich für die Korrektur zur<br />
Energie in 1. Ordnung<br />
E (1)<br />
n = 〈n (0) | ˆV 2 |n (0) 〉 = α<br />
2m 2 ec · 2<br />
2 (L(L + 1) − l(l + 1) − 3 4 ) · 1<br />
l(l + 1 2 )(l + 1)n3 r 3 B<br />
= (E(0) n ) 2 n (L(L + 1) − l(l + 1) − 3 4 )<br />
m e c 2 l(l + 1 2 )(l + 1) = α4 m e c 2 (L(L + 1) − l(l + 1) − 3 4 )<br />
4n 3 l(l + 1 2 )(l + 1) (186) .<br />
90
Diese Korrektur ist von der gleichen Größenordnung wie (184)<br />
Gesamtkorrektur<br />
Nach Summation der beiden Termen (184) und (186) ergeben sich die korrigierten Energie-<br />
EW bis zur 1. Ordnung zu:<br />
Feinstruktur<br />
( )<br />
E n,L = E n (0) + E (1)<br />
n,L = ( E E(0) n<br />
(0)<br />
n 1 +<br />
2mc 2 3 − 4n )<br />
L + 1 2<br />
(<br />
= E 1 ( α 2 n<br />
1 +<br />
n 2 n 2 L + 1 − 3 )<br />
. (187)<br />
4)<br />
2<br />
Bemerkungen:<br />
⋄ Die relative Korrektur ist wegen α 2 ≈ 5 · 10 −5 sehr klein. Sie ist immer negativ, da<br />
E 1 ≈ −13, 6 eV negativ ist und wegen L = l ± 1 2 und l ≤ n − 1 gilt n/(L + 1 2 ) ≥ 1.<br />
⋄ Die magnetischen Quantenzahlen l z , s z sind nach Hinzufügen der Störung einzeln keine<br />
guten Quantenzahlen mehr, weil die Operatoren ˆl z , ŝ z nicht mehr mit Ĥ (genauer: ˆV 2 )<br />
vertauschen. Der Hamilton-Operator Ĥ = Ĥ0 + ˆV vertauscht aber mit den Operatoren<br />
ˆL 2 , ˆL z , ˆl 2 , d.h. {Ĥ, ˆL 2 , ˆL z , ˆl 2 } bilden einen vollständigen Satz von Obervablen mit<br />
zugeordneter Eigenbasis |n, L, M z , l〉.<br />
⋄ Da die Feinstrukturkorrektur nur von n und dem Gesamtdrehimpuls L abhängt, sind<br />
die Energie-EW nach wie vor entartet bzgl. der Quantenzahlen M z (EW von ˆL z ) und<br />
l.<br />
Äußere Felder<br />
Die Entartung der magnetischen Quantenzahl M z = m + s z ist eine Folge der Rotationssymmetrie<br />
des Problems: solange die Symmetrie besteht, ist die Wahl der z-Achse beliebig.<br />
Die Symmetrie kann durch das Anlegen externer Felder gebrochen werden. Diese können<br />
in der Störungstheorie durch folgende Operatoren berücksichtigt werden:<br />
Externes Feld Störoperator Bezeichnung<br />
Elektrisch E ⃗ ext<br />
ˆV = eEext ⃗ · ⃗ˆx ”Stark-Effekt”<br />
Magnetisch B ⃗ ext<br />
ˆV =<br />
e<br />
2m (⃗ˆl + 2 ⃗ŝ) · Bext ⃗ ”Zeemann-Effekt”<br />
Die durch die Felder induzierten Kräfte wirken unterschiedlich auf den Kern und das<br />
Elektron und deformieren das Atom. Die Berechnung der Energieverschiebungen erfolgt<br />
wieder ganz genauso wie oben, durch Berechnung der Matrixelemente der Störoperatoren.<br />
91
A<br />
Anhang<br />
A.1 Kugelfächenfunktionen<br />
l = 0, m = 0<br />
l = 1, m = 0, 1<br />
l = 3, m = 0, 1, 2, 3<br />
Der Abstand der ’Schale’ vom Ursprung in eine bestimmte Richtung ist proportional zum<br />
Absolutquadrat |Yl<br />
m | 2 und damit zur Wahrscheinlichkeitsdichte.<br />
92
Index<br />
Adjungierter Operator, 21, 47<br />
Basis<br />
Vollständige, orthonormierte, 44<br />
Basiswechsel, 60<br />
Bindungsenergie, 77<br />
Bindungszustand, 33, 37<br />
Bohrsches Atommodell, 7<br />
Bra, 44<br />
bracket, 44<br />
Clebsch-Gordan, 73<br />
de Broglie, 5<br />
Delta-Funktions Potential, 29, 36<br />
Dichteoperator, 63<br />
Dispersionsrelation, 2, 6<br />
Drehimpuls<br />
Addition, 71<br />
Bahn-, 65, 68<br />
Matrixdarstellung, 70<br />
Spektrum, 67<br />
Spin, 71<br />
Drehimpulsalgebra, 65<br />
Ebene Welle, 2, 5–7, 27, 35<br />
Ehrenfest-Theorem, 62<br />
Eigenbasis, 52<br />
Eigenfunktion, 25<br />
Eigenvektor, 49<br />
Eigenwert<br />
-Gleichung, 25<br />
Reelle, 27<br />
Eigenzustand, 25, 49<br />
Einheitsoperator, 46, 51<br />
Endlicher Potentialtopf, 33<br />
Energie-Impuls Relation, 6<br />
Entartung, 28, 50, 67, 86<br />
Epsilon-Symbol, 57<br />
Erhaltungsgröße, 63<br />
Ers.Regeln im Ortsraum, 12<br />
Ersetzungsregeln, 6, 12<br />
Erwartungswert, 19, 54<br />
Erwartungswert allg., 21<br />
Euler-Lagrange, 11<br />
Feinstrukturkonstante, 89<br />
Fourier-Tranformation, 20<br />
Freies, n.r. Teilchen, 6<br />
Gemischter Zustand, 63<br />
Gruppengeschwindigkeit, 8<br />
Hamilton Gleichungen, 11<br />
Hamilton-Operator, 10, 13, 39<br />
Harmonischer Oszillator, 37, 39<br />
3-dim., 81<br />
Eigenfunktionen, 38, 40<br />
Matrixdarstellung, 49<br />
Hermitesche Polynome, 38<br />
Hermitescher Operator, 21, 47<br />
Hamilton-Operator, 16<br />
Hilbertraum, 43<br />
Inneres Produkt, 44<br />
Interferenz, 3<br />
Ket, 44<br />
Kommutator, 13<br />
Komponentendarstellung, 45<br />
Kontinuitaetsgleichung, 17, 36<br />
Kugelflächenfunktionen, 69<br />
Kugelkoordinaten, 68<br />
Laguerre-Polynome, 78<br />
Laplace-Operator, 74<br />
Legendre-Polynome, 69<br />
Legendre-Tranformation, 11<br />
Leiteroperatoren, 39, 66<br />
Matrixdarstellung, 45, 70<br />
Matrixelemente, 47<br />
Messung, 23<br />
Inkompatible Observable, 56<br />
Kollaps, 53, 64<br />
Kompatible Observable, 55<br />
Wahrscheinlichkeit, 53, 64<br />
Normierungsbedingung, 15<br />
Orthonormalitaetsrelation, 28, 44, 51<br />
Orts- und Impulsdarstellung, 20<br />
Paritaetsoperator, 27, 32<br />
Pauli-Matrizen, 57<br />
Phasenraum, 11<br />
93
Plancherel Theorem, 20<br />
Plancksches Wirkungsquantum, 3<br />
Postulate, 53<br />
Projektionsoperator, 48, 53, 64<br />
Radialgleichung, 75<br />
Randbedingungen, 29<br />
Reflektionskoeffizient, 36<br />
Reiner Zustand, 63<br />
Rotationsoperator, 73<br />
Potential, 76<br />
Spektrum, 77<br />
Wellenfunktion, 79<br />
Welle-Teilchen Dualismus, 2<br />
Wellengleichung, 2<br />
Wellenpaket, 8<br />
Zeitentwicklung, 61<br />
Zentralpotential, 74<br />
Schroedinger-Gleichung, 10<br />
Dichteoperator, 64<br />
im Hilbertraum, 53<br />
Zeitunabhängige, 25<br />
Schwarzsche Ungleichung, 44<br />
Spektrallinien, 80<br />
Spektralsatz, 50<br />
Spektralzerlegung, 50, 51<br />
Spin, 46, 57, 71<br />
Spin-Bahn-Kopplung, 90<br />
Spur, 60<br />
Störoperator, 83<br />
Störungstheorie<br />
entartet, 86<br />
nicht entartet, 84<br />
Stern-Gerlach, 57<br />
Stetigkeitsbedingungen, 29<br />
Streuzustand, 35<br />
Stromdichte, 17<br />
Superpositionsprinzip, 6<br />
Symmetrieoperator, 62<br />
Translationsoperator, 60<br />
Transmissionskoeffizient, 36<br />
Unendl. Potentialtopf, 31, 33<br />
Unendliches Potential, 30<br />
Unitäre Transformation, 48, 59<br />
Unitärer Operator, 48<br />
Unschaerferelation, 7, 23<br />
Vertauschungsrelationen, 13<br />
Vollständiger Satz, 52<br />
Vollständigkeit, 28<br />
Energieeigenfunktionen, 27<br />
Wahrscheinlichkeit, 53, 54, 64<br />
Wahrscheinlichkeitsinterpretation:, 9<br />
Wasserstoffatom<br />
Feinstruktur, 91<br />
94