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4. Mitar<strong>bei</strong>ter/-innen<br />
Konferenz<br />
Eine Dokumentation<br />
zum Thema "Total normal?! Was ist möglich?"<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen
Grußwort<br />
Zum vierten Mal haben wir in diesem Jahr die Mitar<strong>bei</strong>terinnen und Mitar<strong>bei</strong>ter<br />
unseres Kreisverbandes zu einer Konferenz eingeladen, die am<br />
14. November 2003 im Gemeindesaal <strong>der</strong> Phillip-Melanchton Kirchengemeinde<br />
in <strong>der</strong> Kranoldstraße in Neukölln stattfand. Der inhaltliche<br />
Schwerpunkt lag diesmal <strong>bei</strong>m Thema "Lebenswege von Menschen mit<br />
Behin<strong>der</strong>ungen".<br />
Unser Kreisverband ist im Rahmen des Betreuten Einzelwohnens, <strong>der</strong><br />
WGen und des Treffpunktes Thomasstraße schon seit vielen Jahren in<br />
<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe aktiv und wir möchten unser Angebot in Zukunft<br />
noch ausweiten.<br />
Der gesamte Lebenszyklus eines Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung wurde im<br />
Laufe <strong>der</strong> Konferenz von verschiedenen Referenten/-innen übergreifend<br />
vorgestellt. Schwangerschaft und Geburt, Kita- und Vorschulzeit, eine<br />
speziell ausgerichtete Schule, Werkstätten und Berufsleben, betreutes<br />
Wohnen und Freizeitgestaltung und letztendlich Möglichkeiten von tagesstrukturierenden<br />
Angeboten für Senioren mit Behin<strong>der</strong>ung.<br />
Wir bedanken uns <strong>bei</strong> Frau Ruprecht vom "Interdisziplinären Forum Pränataldiagnostik<br />
<strong>Berlin</strong> e.V.", Frau Menzel vom Verein "Eltern helfen Eltern",<br />
Herrn Müller von <strong>der</strong> "Schule am Bienwaldring" und Herrn<br />
Leonhardt von den "Lankwitzer Werkstätten" für ihre eindrucksvollen<br />
Vorträge.<br />
Des weiteren <strong>bei</strong> unseren Mitar<strong>bei</strong>ter/innen: Frau Kalen<strong>der</strong>, Frau Wittkamp,<br />
Frau Mensah, Herrn Villaret, Frau Rempfer, Herrn Erhardt, Herrn<br />
Früh und Frau Brengelmann für ihre sehr anschaulichen Beiträge.<br />
Und natürlich <strong>bei</strong>m "Theater Thikwa" und <strong>der</strong> Musikgruppe "Akona", die<br />
diesen Tag zu einem richtigen Erlebnis machten.<br />
Hans-Joachim Albrecht<br />
Kreisvorsitzen<strong>der</strong><br />
<strong>AWO</strong> <strong>Berlin</strong> Kreisverband Südost e.V.<br />
Kontakt:<br />
Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt <strong>Berlin</strong> Kreisverband Südost e.V.<br />
Sonnenallee 84, 12045 <strong>Berlin</strong>, Tel: 030 / 613 963 0<br />
www.awosuedost.de<br />
Druck: Termindruck, Januar 2004<br />
2
Zur Situation des Kreisverbandes / Bericht 2003<br />
Jens H. Ahrens, Geschäftsführer Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt KV Südost e.V.<br />
Verehrte Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
das abgelaufene Jahr hat eine Vielzahl von Aufgaben an uns gestellt,<br />
von denen ich finde, dass sie wie<strong>der</strong> mit Bravour gemeistert wurden. Ich<br />
möchte deshalb an den Anfang meiner Ausführungen meinen Dank an<br />
alle Beteiligten richten. Sie alle haben mit großem Engagement und hoher<br />
Kompetenz dazu <strong>bei</strong>getragen, dass sich die uns Anbefohlenen wohlfühlen<br />
und gut aufgehoben sind. Sie werden darüber hinaus mit <strong>der</strong><br />
notwendigen Fachlichkeit angeleitet, so dass wir wirklich davon ausgehen<br />
können, je<strong>der</strong>zeit die richtigen Angebote machen zu können. Bevor<br />
ich zu den Einzelheiten komme, möchte ich zwei Bereiche beson<strong>der</strong>s<br />
hervorheben, obwohl ich weiß, dass das allen an<strong>der</strong>en Ar<strong>bei</strong>tsfel<strong>der</strong>n<br />
nicht ausreichend gerecht wird.<br />
Beson<strong>der</strong>s herausheben möchte<br />
ich die Aktivitäten unsere<br />
Kin<strong>der</strong>tagsstätten in Bezug auf<br />
den Qualitätsentwicklungsprozess.<br />
Wir erfüllen damit eine<br />
gemeinsame Aufgabe für die<br />
Zukunft, die uns aus <strong>der</strong> Masse<br />
<strong>der</strong> Träger heraushebt und<br />
damit beson<strong>der</strong>s zukunftsfähig<br />
macht. Dies ist mit viel zusätzlicher<br />
Ar<strong>bei</strong>t verbunden und ich<br />
möchte Ihnen allen meinen<br />
Dank und meinen Respekt<br />
aussprechen für die Bereitwilligkeit,<br />
mit <strong>der</strong> Sie an die Aufgabe<br />
herangehen und sie bis Mitte nächsten Jahres zum Erfolg geführt<br />
haben werden.<br />
Das zweite Ar<strong>bei</strong>tsfeld, das ich nennen will, wird mit den vier Buchstaben<br />
FSTJ nur unzureichend umschrieben. Dass es uns im vergangenen Jahr<br />
gelungen war, ein Bundesmodellprojekt in unseren Träger zu holen, hatte<br />
ich schon berichtet. Daraus aber auch einen Erfolg zu machen, hat in<br />
hohem Maße mit dem Engagement und <strong>der</strong> Beharrlichkeit unserer Kollegin<br />
Angela Brown zu tun. Trotz <strong>der</strong> schwierigen Problemlagen <strong>der</strong> zu<br />
betreuenden Jugendlichen im Reuterkiez – die daneben auch noch zu<br />
einer Personalfluktuation geführt haben, wie man sie nur schwer ertragen<br />
konnte – ist es ihr gelungen, das Projekt fest in <strong>der</strong> Modelllandschaft<br />
3
<strong>der</strong> über 80 Modellprojekte bundesweit zu verankern und schon nach<br />
kaum einem Jahr in mehreren Projektphasen als <strong>bei</strong>spielhafte Einrichtung<br />
angesehen zu werden. Auch Ihnen von dieser Stelle meinen ausdrücklichen<br />
Dank dafür.<br />
Fahrbarer Mittagstisch<br />
Wir waren aber nicht nur erfolgreich. Eines unserer langjährigen Angebote<br />
war <strong>der</strong> Fahrbare Mittagstisch. Er versorgte zuletzt knapp 50 Teilnehmer/-innen<br />
mit warmen o<strong>der</strong> tiefgekühlten Mahlzeiten. Die Versorgung<br />
erfolgte durch Zivildienstleistende und eine festangestellte<br />
Mitar<strong>bei</strong>terin. Die Versorgung konnte lei<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> nicht mehr vorhandenen<br />
Wirtschaftlichkeit nicht weiter aufrecht erhalten werden. Trotzdem<br />
konnte jedoch einer langjährigen Mitar<strong>bei</strong>terin ein an<strong>der</strong>er Ar<strong>bei</strong>tsplatz<br />
angeboten werden.<br />
Betreuung geistig Behin<strong>der</strong>ter in Wohngemeinschaften<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Rahmenvereinbarung gemäß §93 BSHG <strong>der</strong> Wohlfahrtsverbände<br />
betreibt die <strong>AWO</strong> <strong>Berlin</strong> Kreisverband Südost drei Wohngemeinschaften<br />
für geistig Behin<strong>der</strong>te in Neukölln.<br />
Über dieses Angebot und über das<br />
Betreute Einzel- und Paarwohnen<br />
werden wir heute noch mehr hören, deshalb will ich den Kolleginnen und<br />
Kollegen nicht vorgreifen. Nur so viel sei gesagt: Mit dem Aufbau einer<br />
neuen Betreuten-Gruppe, <strong>der</strong>en Stützpunkt in <strong>der</strong> Begegnungsstätte<br />
Weitlingstraße 70 a angesiedelt wurde, gelingt es uns endlich, mit ersten<br />
Angeboten im Bezirk Lichtenberg Fuß zu fassen.<br />
<strong>AWO</strong>-Freizeittreff Thomasstraße 69<br />
Auch <strong>der</strong> Freizeittreff in <strong>der</strong> Thomasstraße, <strong>der</strong> ein seit über zwanzig<br />
Jahren bestehendes Freizeitangebot für Behin<strong>der</strong>te und Nichtbehin<strong>der</strong>te<br />
ist, wird nachher noch mehr Raum zur Darstellung erhalten. Er wird seinen<br />
Versuch darstellen, ein weiteres Angebot für Seniorinnen und Senioren<br />
mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Einrichtung anzusiedeln. Mit welchen<br />
Schwierigkeiten wir es da<strong>bei</strong> zu tun haben, hören wir heute Mittag.<br />
4
Kin<strong>der</strong>tagesstätten<br />
Das größte Ar<strong>bei</strong>tsfeld unseres Vereins ist die Ar<strong>bei</strong>t mit den Kin<strong>der</strong>tagesstätten.<br />
Wir führen zur Zeit sechs Tagesbetreuungseinrichtungen<br />
für Kin<strong>der</strong> im Bezirk Neukölln. Nach unserem Verständnis dieser Ar<strong>bei</strong>t<br />
ist <strong>bei</strong> uns ausschließlich professionelles Fachpersonal beschäftigt. Darauf<br />
und auf das nach wie vor bestehende Tarifsystem können wir mit<br />
Recht stolz sein. Auf die bevorstehende Zertifizierung und dem damit<br />
einhergehenden Quantensprung in <strong>der</strong> Qualitätsentwicklung habe ich<br />
eingangs schon hingewiesen.<br />
Dies ist nicht zuletzt ein wichtiger Grund für die bestehende Akzeptanz<br />
<strong>der</strong> <strong>AWO</strong> als potentieller Träger für weitere Einrichtungen. Wir haben<br />
uns – wie Sie wahrscheinlich wissen – in den Bezirken Neukölln, Treptow-Köpenick,<br />
Lichtenberg, Wilmersdorf und Reinickendorf um die Übertragung<br />
weiterer Kitas beworben. Wir haben aus zur Übertragung anstehenden<br />
Kitas auch Gäste <strong>hier</strong>, die ich heute ebenfalls sehr herzlich<br />
willkommen heißen möchte. Wir hoffen sehr, dass Sie im nächsten Jahr<br />
unser wachsendes Team verstärken und wir damit auch als Träger noch<br />
mehr an Kraft entwickeln werden. Wenn alle Anstrengungen mit Erfolg<br />
zum Abschluss geführt werden, wird unser Verband im nächsten Jahr<br />
ca. 500 Kitaplätze mehr anbieten können. Dies wird auch noch einmal<br />
enorme Anstrengungen erfor<strong>der</strong>n, aber ich bin sicher, dass es uns gelingen<br />
wird, dieses Werk mit vereinten Kräften fort zu setzen.<br />
Noch nicht klar ist allerdings, wie sich die Kitalandschaft insgesamt verän<strong>der</strong>n<br />
wird. Insbeson<strong>der</strong>e die Frage <strong>der</strong> Hortentwicklung ist noch unklar.<br />
Wir wissen zwar jetzt schon, dass wir voraussichtlich zum Ende des<br />
Kitajahres 2003/2004 die Ar<strong>bei</strong>t im Wolkenland einstellen müssen. Dies<br />
ist aber nicht durch die verän<strong>der</strong>ten Rahmenbedingungen verursacht,<br />
son<strong>der</strong>n dadurch, dass <strong>der</strong> Bezirk das Gebäude an<strong>der</strong>weitig nutzen<br />
muss. Wir sind sicher, dass wir für unsere Kolleginnen eine vernünftige<br />
Lösung schon deshalb werden her<strong>bei</strong>führen können, weil die neuen Einrichtungen<br />
mit Sicherheit nicht mit voller Personalausstattung an uns<br />
übertragen werden. So bin ich sicher, allen Betroffenen einen neuen<br />
Ar<strong>bei</strong>tsplatz anbieten zu können.<br />
Schulstationen<br />
Seit September 2001 betreiben wir im Auftrag des Bezirksamtes Neukölln<br />
von <strong>Berlin</strong> – Abt. Jugend – und in Kooperation mit <strong>der</strong> Abteilung<br />
Volksbildung des Bezirks und <strong>der</strong> Senatsverwaltung für Bildung, Schule<br />
und Sport zwei Schulstationen als neues Angebot an den Schulen<br />
5
- Theodor-Storm-Grundschule<br />
- Hermann-San<strong>der</strong>-Grundschule<br />
Die Schulstationen dienen als nie<strong>der</strong>schwelliges sozialpädagogisches<br />
Angebot zur Betreuung und Konfliktbewältigung vor allem für auffällige<br />
Schülerinnen und Schüler und <strong>der</strong>en Familien. Sie sind mit je einer Sozialpädagogin<br />
und einer Erzieherin besetzt.<br />
Das Angebot wird auf Beschluss des Senats von <strong>Berlin</strong> in zunächst dreißig<br />
<strong>Berlin</strong>er Schulen als Regelangebot vorgehalten und durch Zuwendung<br />
des Landes <strong>Berlin</strong> über die zuständigen Bezirksämter finanziert.<br />
Nach jetziger Kenntnis ist dieses Modell auch für die nächsten Jahre als<br />
Angebot gesichert. Dies ist umso erfreulicher – aber vor allem umso<br />
wichtiger – als die wissenschaftliche Evaluation durch die Alice Salomon-<br />
Fachhochschule für Sozialpädagogik die Wirksamkeit und den Erfolg des<br />
Projektes eindrucksvoll nachgewiesen hat.<br />
Jugendfreizeitar<strong>bei</strong>t<br />
Seit 1. September 2002 betreibt <strong>der</strong> Kreisverband im Rahmen eines zunächst<br />
auf drei Jahre befristeten Leistungsvertrages mit dem Jugendamt<br />
den Jugendclub "Alt Buckow". Leiter dieser Einrichtung ist Bernd Kurtzrock,<br />
<strong>der</strong> uns langjährig als Fachmann in <strong>der</strong> offenen Jugendar<strong>bei</strong>t und<br />
früherer Geschäftsführer des <strong>AWO</strong>-Jugendwerkes bekannt ist. Das Konzept<br />
richtet sich an Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Wenige<br />
Besucher sind auch etwas älter. Die Einrichtung bietet mit den vorhandenen<br />
Mitar<strong>bei</strong>terinnen und Mitar<strong>bei</strong>tern aus dem hauptamtlichen Bereich<br />
(0,67 Stelle Leitung und ca. 15 Honorarkräften) sowie ehrenamtlichen<br />
Ergänzungen eine Fülle von Möglichkeiten. Neben dem offenen<br />
Cafébetrieb ist eines <strong>der</strong> Stand<strong>bei</strong>ne das Internet-Café. Darüber hinaus<br />
sind eine Vielzahl von Gruppenangeboten ebenso vorhanden wie die<br />
neue Dimension <strong>der</strong> Jugendwerk-Ar<strong>bei</strong>t. Wir sind auf die Entwicklung<br />
sehr gespannt, die auch noch von <strong>der</strong> internationalen Jugendbegegnung<br />
bis zu Freizeitangeboten für die ganze Familie reichen kann.<br />
Freiwilliges Soziales Trainingsjahr<br />
Das Projekt richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen<br />
16 und 25 Jahren, die<br />
‣ nicht erwerbstätig sind, nicht in Maßnahmen erfasst sind und keine<br />
an<strong>der</strong>en Hilfsangebote nutzen;<br />
6
‣ sich aus Mangel an Motivation o<strong>der</strong> aus sozialisations- bzw. milieubedingten<br />
Gründen den Bildungs-, Qualifizierungs- und Beschäftigungsangeboten<br />
entziehen,<br />
‣ die auf Grund ihrer soziokulturellen Entwicklung keinen Zugang zu<br />
bereits bestehenden Angeboten entwickeln konnten;<br />
‣ schul- und bildungsmüde sind.<br />
Die konzeptionellen Schwerpunkte des Projektes liegen in<br />
‣ <strong>der</strong> Lernwerkstatt<br />
‣ <strong>der</strong> Kompetenzermittlung im Potentialassessmentverfahren und<br />
‣ <strong>der</strong> Kooperation mit beson<strong>der</strong>s geeigneten Trägern nie<strong>der</strong>schwelliger<br />
Angebote <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />
Das Projekt will die Teilnehmer för<strong>der</strong>n und qualifizieren durch<br />
‣ die För<strong>der</strong>ung des Selbstlernens durch die gemeinschaftliche Erar<strong>bei</strong>tung<br />
von Kernkompetenzen im Gruppenrahmen<br />
‣ die Vermittlung von Echterfahrungen in Betrieben und Einrichtungen<br />
des 1. Ar<strong>bei</strong>tsmarktes<br />
‣ Begleitung und Beratung in allen Konfliktsituationen<br />
Eine Nachbegleitung erfolgt durch Einrichtung einer wöchentlichen<br />
Sprechstunde für Absolventen des Projektes für einen definierten Zeitraum.<br />
Wir glauben guten Grund zu <strong>der</strong> Annahme zu haben, dieses Projekt<br />
nach Modellende im November 2004 als Regelangebot fortsetzen zu<br />
können.<br />
Sonstige Projekte<br />
‣ ABM - Einrichtungsgärten<br />
Seit mehreren Jahren haben wir versucht, auch als ABM-Anbieter tätig<br />
werden zu können. Seit den Sommerferien sind wir daher in einer so<br />
genannten "Vergabe-ABM" präsent. Die Maßnahme ist <strong>bei</strong> einem Betrieb<br />
des 1. Ar<strong>bei</strong>tsmarktes angesiedelt. Wir haben die Aufgabe, die finanzielle<br />
Abwicklung durchzuführen und die Sachmittel aufzubringen. Die<br />
Personalkosten trägt das Ar<strong>bei</strong>tsamt. Durch diese Konstruktion konnten<br />
wir <strong>bei</strong> überschaubarem Mitteleinsatz ein Projekt umsetzen, das uns<br />
sonst nicht gelungen wäre. Wir haben – wie manche von Ihnen durch<br />
persönliches Erleben wissen – <strong>bei</strong> sechs unserer Einrichtungen die Gärten<br />
in einen Zustand gebracht, wie es sonst auf absehbare Zeit nicht<br />
gelungen wäre. Baumpflanzungen, Rasenneuanlage, Pflegemaßnah-<br />
7
men, Überar<strong>bei</strong>tung <strong>der</strong> Spielgeräte, Anlage von Pergolen und die Anlage<br />
eines Verkehrsspielplatzes sind nur ein Teil des Projektes. Die ABM<br />
wird am 30.04.2004 beendet sein und dann <strong>der</strong> Öffentlichkeit durch eine<br />
Ausstellung präsentiert werden.<br />
‣ JUPIA<br />
Das Projekt JUPIA wurde von <strong>der</strong> österreichischen Partnerorganisation<br />
"Volkshilfe – Beschäftigungsinitiativen (vh-bi)" erdacht und durchgeführt.<br />
Es handelt sich um ein Modellprojekt im Rahmen <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
zum Transfer von Knowhow und von Fachkräften im Bereich <strong>der</strong> beruflichen<br />
Qualifizierung von ausgegrenzten Jugendlichen. Der Kreisverband<br />
war in mehreren Teilschritten durch seinen Geschäftsführer an<br />
dem Projekt beteiligt und hofft, auch in <strong>der</strong> Phase II ab Ende 2003 wie<strong>der</strong><br />
mitar<strong>bei</strong>ten zu können. Beteiligt sind neben <strong>der</strong> vh-bi Kooperationspartner<br />
in Göttingen und in Rom.<br />
‣ "elterntipps"<br />
Von September bis Dezember 2002 lief in <strong>der</strong> Highdecksiedlung das aus<br />
Mitteln des Bundesprogramms "Kompetenz und Qualifikation für junge<br />
Menschen (KuQ)" finanzierte Projekt "Elterntipps". Es hatte zum Ziel,<br />
insbeson<strong>der</strong>e jungen Familien Qualifikationen in <strong>der</strong> Erziehung ihrer Kin<strong>der</strong><br />
zu vermitteln. Da<strong>bei</strong> richtete es sich beson<strong>der</strong>s an junge Migrantenfamilien,<br />
die es unter an<strong>der</strong>em aus Gründen <strong>der</strong> sprachlichen Kommunikation<br />
schwer haben, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Das Projekt<br />
lief sehr erfolgreich an, musste aber wegen <strong>der</strong> fehlenden Finanzierung<br />
Ende 2002 abgebrochen werden. Zur Zeit hoffen wir, im Rahmen <strong>der</strong><br />
neuen inzwischen bewilligten Bundesmittel aus dem Programm „Lokales<br />
Kapital für Soziale Zwecke (LOS)“ die in Einzelprojekte zerlegten Elterntipps<br />
zumindest teilweise fort setzen zu können.<br />
‣ Stadtmarketing<br />
In Zusammenar<strong>bei</strong>t mit <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung des Bezirks Neukölln ist<br />
ein aus europäischen Mitteln finanziertes Projekt entstanden, das in Verbindung<br />
mit einer <strong>bei</strong> einem an<strong>der</strong>en Beschäftigungsträger (bbs e.v.)<br />
angesiedelten AB-Maßnahme die Entwicklung eines Stadtmarketingkonzeptes<br />
für Nord-Neukölln zum Ziel hat. Mit <strong>der</strong> Leitung und Koordination<br />
ist die <strong>AWO</strong> beauftragt worden, die zu diesem Zweck im Rahmen ihrer<br />
Vermögensverwaltung extra eine eigenständige Gesellschaft gegründet<br />
hat. Die Gesellschaft wird den Versuch unternehmen, mit Hilfe <strong>der</strong> etwa<br />
20 ABM-Kräfte ein Modell zu entwickeln, mit dem die Potenziale des<br />
Bezirkes besser genutzt werden können.<br />
8
Kreisgeschäftsstelle<br />
Die Kreisgeschäftsstelle ist die gemeinsame Verwaltung aller Einrichtungen<br />
und die Koordinationsstelle <strong>der</strong> ehrenamtlichen Mitglie<strong>der</strong>organisation.<br />
Hier wird die gesamte Büroar<strong>bei</strong>t des Kreisverbandes mit <strong>der</strong>zeit<br />
zehn Voll- und Teilzeitkräften durchgeführt. Dazu gehören:<br />
- Leitung und Führung <strong>der</strong> Geschäfte des Kreisverbandes<br />
- Qualitätsmanagement<br />
- Erar<strong>bei</strong>tung und Konzeptionierung neuer Projekte <strong>der</strong> Wohlfahrtspflege<br />
- Angebot und Organisation von Fortbildungsangeboten<br />
- Angebot, Organisation und Durchführung von Seniorenreisen<br />
- Vermittlung kultureller Fortbildungs- und Beratungsangebote<br />
- Übernahme und Ausbildung von Praktikanten und Auszubildenden<br />
- Buchführung des Kreisverbandes<br />
- Abrechnung von Projekten mit Zuwendungsgebern<br />
- Betreuung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>ar<strong>bei</strong>t in den Abteilungen<br />
- Repräsentation und Werbungsar<strong>bei</strong>t<br />
- Verschiedene soziale Dienstleistungen und Beratungen<br />
Wie man an den im vorherigen vorgestellten Projekten und Aktivitäten<br />
ablesen kann, ist <strong>der</strong> Kreisverband in den letzten Jahren stetig und immer<br />
stärker gewachsen. Das Wachstum hat dazu geführt, dass auch die<br />
Geschäftsstelle für die Kolleginnen und Kollegen immer enger wurde.<br />
Inzwischen kann man feststellen, dass auch nach Anmietung von weiteren<br />
Geschäftsräumen in <strong>der</strong> Schönstedtstraße die Räumlichkeiten für die<br />
ordnungsmäßige Bear<strong>bei</strong>tung <strong>der</strong> Aktivitäten nicht mehr ausreichen. Der<br />
Kreisvorstand hat sich deshalb entschlossen, für Abhilfe zu sorgen. Der<br />
Mietvertrag für das Kreisbüro in <strong>der</strong> Sonnenallee läuft im Oktober 2004<br />
aus. Vorstand und Geschäftsführung haben deshalb Verhandlungen mit<br />
dem Eigentümer des Gebäudes n <strong>der</strong> Erkstraße 1 geführt, um dieses zu<br />
übernehmen. Inzwischen ist <strong>der</strong> Vertrag abgeschlossen worden. In <strong>der</strong><br />
nächsten Woche werden wir mit den Planungsar<strong>bei</strong>ten beginnen und<br />
den genauen Raumbedarf ermitteln. Da die über <strong>der</strong> Pizzeria liegenden<br />
Etagen komplett leer stehen, beabsichtigen wir, dort das neue Kreisbüro<br />
anzusiedeln. Wir glauben damit, angesichts des auch weiter bevorstehenden<br />
Wachstums eine gute Option auf die Zukunft zu haben, um für<br />
einen angemessenen Zeitraum mit unseren Aktivitäten in einem sinnvollen<br />
Verwaltungsrahmen ar<strong>bei</strong>ten zu können.<br />
9
Korporative Mitglie<strong>der</strong><br />
Dem Kreisverband sind z.Z. drei weitere Vereine als "Korporative Mitglie<strong>der</strong>"<br />
angeschlossen. Es handelt sich da<strong>bei</strong> um die Vereine "fusion<br />
interkultural projects <strong>Berlin</strong> e.V." und "paraCultura e.V." in Neukölln sowie<br />
„UnerHÖRt e.V.“ in Lichtenberg.<br />
"fusion interkultural projects <strong>Berlin</strong> e.V."<br />
fusion ist seit Jahren im Bezirk als Träger von unkonventioneller Jugendar<strong>bei</strong>t<br />
bekannt. Der Verein hat einen künstlerischen Ansatz und es<br />
gelingt ihm zunehmend – auch in Kooperation mit unserem FSTJ – Jugendliche<br />
im Reuterkiez an sich zu binden. Ein wesentlicher Bestandteil<br />
seiner Ar<strong>bei</strong>t ist da<strong>bei</strong> das Projekt "Jugendstraße", das auch integraler<br />
Bestandteil <strong>der</strong> Projekte des Quartiersmanagements ist.<br />
"UnerHÖRt e.V."<br />
unerHÖRt ist ein Träger von Maßnahmen <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe und insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Bereich <strong>der</strong> Hilfe für Gehörlose und Hörbehin<strong>der</strong>te aktiv.<br />
Schwerpunkt des Vereins ist da<strong>bei</strong> die Beschäftigung mit <strong>der</strong> Gebärdensprache<br />
und die Vermittlung von Kenntnissen <strong>der</strong> Gebärdensprache<br />
auch an Hörende. Es haben bereits mehrere Beschäftigte unseres Vereins<br />
an entsprechenden Kursangeboten teilgenommen.<br />
"paraCultura e.V."<br />
paraCultura beschäftigt sich mit <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t mit Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung.<br />
Beson<strong>der</strong>es Augenmerk will <strong>der</strong> Verein da<strong>bei</strong> auf die Kunst- und<br />
Kulturar<strong>bei</strong>t von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung legen. Den ersten Höhepunkt<br />
seiner Ar<strong>bei</strong>t will <strong>der</strong> Verein mit <strong>der</strong> Veranstaltung eines großen<br />
Kunst- und Musikfestivals von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen erreichen.<br />
Wir sind stolz, dass <strong>der</strong> Verein unseren Verband vor wenigen Wochen<br />
als korporatives Mitglied ausgewählt hat und freuen uns auf die Zusammenar<strong>bei</strong>t.<br />
In seiner letzten Sitzung hat <strong>der</strong> Landesvorstand <strong>der</strong> Aufnahme<br />
zugestimmt, so dass jetzt nur noch die Zustimmung des Bundesverbandes<br />
formal aussteht.<br />
Zusammenar<strong>bei</strong>t mit in unserem Bereich tätigen korporativen Mitglie<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> <strong>AWO</strong><br />
Der Kreisverband hat sich entschlossen, im Sinne von Netzwerkbildung<br />
von <strong>AWO</strong>-nahen Vereinen und Einrichtungen regelmäßig mit den korporativen<br />
Mitglie<strong>der</strong>n des Verbandes in Neukölln und Lichtenberg zusam-<br />
10
men zu kommen. Die ersten <strong>bei</strong>den Veranstaltungen fanden im Mai,<br />
August und Oktober 2003 statt. Die Vertreter/innen <strong>der</strong> Einrichtungen<br />
kamen überein, den regelmäßigen Austausch fortzusetzen und vor allem<br />
den Informationsaustausch zu pflegen. Im ersten Schritt beschäftigten<br />
sich die Runden mit den Angeboten <strong>der</strong> Einrichtungen und den Kooperationsmöglichkeiten.<br />
Gleichzeitig wurden Informationen über den Haushaltsentwurf<br />
des Landes <strong>Berlin</strong> 2004/05 und die Beschlüsse des Senats<br />
über die Einsparungen <strong>bei</strong> freien Trägern ausgetauscht.<br />
Ehrenamtliche Angebote<br />
Die ehrenamtlichen Dienste des Kreisverbandes sind in elf nicht rechtsfähige<br />
Ortvereine, die Abteilungen, geglie<strong>der</strong>t. Zehn Abteilungen befassen<br />
sich aufgrund ihrer Mitglie<strong>der</strong>struktur fast ausschließlich mit <strong>der</strong><br />
Durchführung von Seniorenar<strong>bei</strong>t. Die Angebote reichen von Informationsveranstaltungen<br />
über Beratungsangebote bis zu gemütlichen Seniorennachmittagen<br />
und Senioren-Tagesfahrten. Seit Januar 2001 ist <strong>der</strong><br />
unselbständige Kreis Lichtenberg mit dem Kreisverband Neukölln e.V.<br />
fusioniert. Seitdem führt <strong>der</strong> Verein den Namen <strong>AWO</strong> Kreisverband Neukölln-Lichtenberg<br />
e.V. und führt den Lichtenberger Mitglie<strong>der</strong>bestand als<br />
Abteilung 12 Lichtenberg weiter. Dies hat für den Verein zu einem leichten<br />
Mitglie<strong>der</strong>zuwachs - <strong>bei</strong> ansonsten leichter aber kontinuierlicher Abnahme<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahlen - geführt. Der Kreisverband hatte am Ende<br />
des Berichtszeitraumes ca. 1.200 Mitglie<strong>der</strong>. Die Altersstruktur des Vereins<br />
hat sich durch den Zuwachs in Lichtenberg nicht geän<strong>der</strong>t. Die Mitglie<strong>der</strong><br />
sind zu 80% über 65 Jahre alt.<br />
Im August 2003 hat <strong>der</strong> Kreisverband auf Beschluss des Vorstandes<br />
eine Abteilung ausschließlich für hauptamtliche Mitar<strong>bei</strong>terinnen und<br />
Mitar<strong>bei</strong>ter gegründet. Mit dieser Spartenabteilung soll den im Kreisverband<br />
tätigen Kolleginnen und Kollegen ein Forum angeboten werden,<br />
das insbeson<strong>der</strong>e auch für die Verbesserung <strong>der</strong> Verbindung zwischen<br />
freiwilliger und professioneller Ar<strong>bei</strong>t genutzt werden kann. Sie sind auch<br />
weiterhin eingeladen und aufgefor<strong>der</strong>t, dieser Abteilung und damit dem<br />
Verein <strong>bei</strong>zutreten und Ihren Beitrag zur Entwicklung des Vereins zu<br />
leisten.<br />
Neben den Angeboten <strong>der</strong> Seniorenar<strong>bei</strong>t bemüht sich <strong>der</strong> Kreisverband<br />
zur Zeit um den Aufbau eines Kreisjugendwerkes mit <strong>der</strong> Aufgabenstellung,<br />
ehrenamtliche Jugendar<strong>bei</strong>t im Zuständigkeitsbereich des Vereins<br />
zu initiieren. Dazu gehört auch die Ar<strong>bei</strong>t in den Jugendeinrichtungen,<br />
die teilweise durch die Jugendlichen selbst gestaltet wird.<br />
11
Außerdem gibt es in <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenfreizeiteinrichtung Thomasstraße 69<br />
ehrenamtlich geführte Freizeitgruppen von Behin<strong>der</strong>ten und Nichtbehin<strong>der</strong>ten.<br />
Ausblick auf die Zukunft des Kreisverbandes<br />
Der <strong>AWO</strong> Kreisverband beabsichtigt auch weiterhin, seine Aktivitäten<br />
auszuweiten. Hinter den Überlegungen zur Erweiterung <strong>der</strong> Geschäftstätigkeit<br />
im professionellen Rahmen steht die Überzeugung, dass nur<br />
durch die breite Akzeptanz des Namens und des Rufes <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt<br />
die Möglichkeit besteht, auch die freiwilligen Aktivitäten des<br />
Vereines auszudehnen. Die Festigung des Rufes <strong>der</strong> <strong>AWO</strong> als ausschließlicher<br />
Träger von Seniorenar<strong>bei</strong>t ist daher kontraproduktiv.<br />
Der Kreisverband beabsichtigt deshalb auch weiterhin, Einrichtungen zu<br />
übernehmen o<strong>der</strong> selbst zu entwickeln, die diesem Ruf entgegen laufen.<br />
Über die anstehende Übernahme von Kin<strong>der</strong>tagesstätten habe ich vorhin<br />
schon kurz gesprochen. Lassen Sie mich das <strong>hier</strong> noch einmal präzisieren:<br />
Seit Jahren steht <strong>der</strong> Kreisverband bereit, weitere Kin<strong>der</strong>tagesstätten<br />
zu übernehmen. Seit <strong>der</strong> Senat seine Absicht deutlich gemacht hat,<br />
die Hälfte seiner Kin<strong>der</strong>tagesstätten in frei-gemeinnützige Trägerschaft<br />
zu überführen, haben wir unsere Bemühungen erhöht. Inzwischen<br />
scheint dies erste Erfolge zu bringen. In Lichtenberg entsteht ein zartes<br />
Pflänzchen <strong>der</strong> Akzeptanz, das wir pflegen wollen. Mit viel Mühe ist es<br />
uns gelungen, endlich auf die Liste <strong>der</strong> möglichen Träger zu kommen. In<br />
Gesprächen mit Bezirksamt und Kin<strong>der</strong>tagesstätten zeichnen sich erste<br />
Chancen ab.<br />
In Treptow-Köpenick haben wir uns im vergangenen Jahr um die Übertragung<br />
von Kin<strong>der</strong>tagesstätten bemüht. Die Bewerbung hatte zur Folge,<br />
dass unser Kreisverband unter mehr als dreißig potentiellen Trägern<br />
einen sehr guten dritten Platz in <strong>der</strong> Skala <strong>der</strong> geeigneten Träger errang<br />
und voraussichtlich bald zwei Kitas übernehmen kann. Die auf diesem<br />
Feld mit <strong>der</strong> <strong>AWO</strong> Treptow-Köpenick vereinbarte Zusammenar<strong>bei</strong>t hat<br />
übrigens auch zu dem Beschluss <strong>der</strong> letzten Kreiskonferenz - <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
auch <strong>der</strong> Vorstand wie<strong>der</strong>gewählt wurde - geführt, den Namen unseres<br />
Vereins in <strong>AWO</strong> <strong>Berlin</strong> Kreisverband Südost e.V. umzubenennen. Die<br />
Namensän<strong>der</strong>ung wird mit <strong>der</strong> Eintragung ins Vereinsregister wirksam,<br />
die beantragt, aber noch nicht erfolgt ist.<br />
Auf Wunsch unserer <strong>AWO</strong>-Freunde vom <strong>AWO</strong>-Kreisverband <strong>Berlin</strong><br />
Nordwest e.V. haben wir auch unsere Bereitschaft erklärt im Rahmen<br />
einer "Kooperationsgemeinschaft Jugendhilfe" die Verantwortung zu-<br />
12
nächst für Kitas in Reinickendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf zu<br />
übernehmen. Unsere Bewerbung hat dazu geführt, dass im Rahmen<br />
einer Trägermesse in Reinickendorf erste Kontakte zu einer Kin<strong>der</strong>tagesstätte<br />
geknüpft werden konnten. Wir erwarten nunmehr die Entscheidungen<br />
des Bezirkes, uns diese Kita zum baldmöglichst zu<br />
übertragen.<br />
In Neukölln selbst ist im Oktober <strong>der</strong> Fahrplan für die Übertragung von<br />
Kitas vorgelegt worden. Insgesamt 31 Kin<strong>der</strong>tagesstätten mit ca. 4.500<br />
Plätzen sollen übertragen werden. Dass wir auch <strong>hier</strong> zur Verfügung<br />
stehen, muss nicht beson<strong>der</strong>s betont werden und ist im Bezirk bekannt.<br />
Wir werden jetzt mit den Kitas Kontakt aufnehmen und sondieren, welche<br />
Kitas mit uns zusammen ar<strong>bei</strong>ten wollen. Aus diesen Sondierungen<br />
wird eine Liste entstehen, die wir zur Übertragung anmelden wollen.<br />
Am Ende meiner Ausführungen möchte ich noch einmal zu meinem Ausgangspunkt<br />
zurück kommen: Nach Ablauf eines weiteren Jahres und<br />
kurz vor Ende meines zehnten Beschäftigungsjahres <strong>bei</strong> <strong>der</strong> <strong>AWO</strong> können<br />
wir auf eine sehr erfolgreiche Ar<strong>bei</strong>t zurückschauen. Dies wäre aber<br />
niemals möglich gewesen, wenn Sie alle nicht bereit wären, für die Entwicklung<br />
unseres Vereins einzustehen und Ihren Teil dazu <strong>bei</strong>zutragen.<br />
Dafür möchte ich mich noch einmal ganz persönlich <strong>bei</strong> Ihnen allen bedanken.<br />
Die Geschichte dieses – unseres – Vereins ist und bleibt eine<br />
Erfolgsstory.<br />
13
Pränatale Diagnostik / Eltern helfen Eltern<br />
Frau Ruprecht vom "Interdisziplinären Forum Pränataldiagnostik<br />
<strong>Berlin</strong> e.V." und Frau Menzel vom Verein "Eltern helfen Eltern" berichten<br />
über Vorsorgeuntersuchungen, Untersuchungen während <strong>der</strong><br />
Schwangerschaft sowie über Betreuungskonzepte für Mutter und Kind im<br />
Falle einer Behin<strong>der</strong>ung.<br />
Je<strong>der</strong> Arzt ist nach den Mutterschutzrichtlinien gesetzlich verpflichtet,<br />
eine werdende Mutter aufzuklären und zu beraten, drei Ultraschalluntersuchungen<br />
pro Schwangerschaft, jeweils nach einem Drittel <strong>der</strong> Zeit,<br />
sind vorgeschrieben. Die Entscheidungen über spezielle Untersuchungen,<br />
wenn vermutet o<strong>der</strong> erwartet wird, dass ein Kind mit einer Behin<strong>der</strong>ung<br />
auf die Welt kommt, liegt hingegen allein <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Mutter. Die<br />
Medizin bietet heute in vielen Fällen allerdings auch Behandlungs- und<br />
Heilungsmöglichkeiten schon während <strong>der</strong> Schwangerschaft an. Ob ein<br />
Schwangerschaftsabbruch <strong>bei</strong> einem Verdacht auf Behin<strong>der</strong>ung sinnvoll<br />
ist, ob er aus persönlichen o<strong>der</strong> ethischen Gründen überhaupt in Frage<br />
kommt, welche Faktoren in die Überlegungen einbezogen werden müssen<br />
o<strong>der</strong> sollten, ist jeweils sehr individuell zu betrachten. Hier bietet das<br />
Interdisziplinäre Forum Pränataldiagnostik Hilfe und Beratung an.<br />
Frau Menzel vom Verein "Eltern beraten Eltern" erzählt ihre persönliche<br />
Geschichte. Sie wird mit über 40 Jahren schwanger und entscheidet<br />
sich trotz aller medizinischen Vorbehalte gegen eine Fruchtwasseruntersuchung.<br />
Sie bringt ihr Kind, das ein "Down-Syndrom" hat, zur Welt - und<br />
sie bereut es bis heute nicht. Frau Menzel ar<strong>bei</strong>tet inzwischen für den<br />
Verein "Eltern beraten Eltern" - ein Verein, <strong>der</strong> aus einer Selbsthilfeinitiative<br />
entstand und inzwischen regen und wachsenden Zuspruch<br />
erfährt.<br />
"Total normal" - Wer ist das schon? Was ist das schon?<br />
Ina Kalen<strong>der</strong>, Leiterin <strong>der</strong> <strong>AWO</strong>-Kin<strong>der</strong>tagesstätte "Villa Kunterbunt"<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Vorstand und liebe Gäste,<br />
"total normal" war 1987 in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tagesstätte Villa Kunterbunt die<br />
Aufnahme von Zwillingen in eine Krippengruppe. Schon bald stellte sich<br />
heraus, dass <strong>bei</strong>de Kin<strong>der</strong> für ihre Entwicklung mehr und an<strong>der</strong>e Impulse<br />
brauchten als viele Gleichaltrige. Leitung und Mitar<strong>bei</strong>terinnen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>tagesstätte<br />
fühlten sich den Grundsätzen <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt - die<br />
14
Leitsätze gab es damals noch nicht - eng verbunden und stellten sich<br />
dieser neuen Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
Der Impuls, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> "Villa Kunterbunt" ausging, erreichte auch die<br />
an<strong>der</strong>en Einrichtungen unseres Kreisverbandes. Mit dem stolzen Ergebnis,<br />
dass heute alle 6 Kin<strong>der</strong>tagesstätten die Integration von Kin<strong>der</strong>n mit<br />
Behin<strong>der</strong>ung in ihre Konzepte aufgenommen haben und erfolgreich praktizieren.<br />
Insgesamt nehmen zur Zeit 32 Kin<strong>der</strong> einen Integrationsplatz in<br />
Anspruch.<br />
An dieser Stelle möchte ich nun schließen und einige betroffene Eltern<br />
zu Worte kommen lassen. Der kleine Beitrag ist eine Zusammenfassung<br />
von Wünschen, Hoffnungen und Anregungen.<br />
Brief eines Elternpaares / Villa Kunterbunt<br />
Wir hatten uns von Anfang an gewünscht, dass unser Kind einmal eine<br />
Kita besucht und so "normal" wie nur möglich aufwächst. Lange waren<br />
die Ängste sehr groß, ob man unseren Ansprüchen und denen unseres<br />
Sohnes gerecht werden könnte. Zwischen Optimismus und Zweifeln<br />
begaben wir uns auf die Suche nach ersten Informationen.<br />
Mit Unterstützung <strong>der</strong> Kitaberaterin Frau Herm wurde mit Eltern, Therapeuten<br />
und den Mitar<strong>bei</strong>tern überlegt, wie <strong>der</strong> Alltag <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> gestaltet<br />
werden sollte. Es war unumgänglich, Raum und Materialien den neuen<br />
Bedürfnissen anzupassen. Weiterhin war klar, die an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> und<br />
Eltern mussten in diesen - für sie zumeist unbekannten - Prozess eingebunden<br />
werden. Für die Mitar<strong>bei</strong>terinnen wurde es zwingend notwendig,<br />
durch Fort- und Weiterbildung für die Erfüllung <strong>der</strong> neuen Aufgaben geschult<br />
zu werden. Dies war 1987 noch längst nicht in je<strong>der</strong> Kita üblich.<br />
Die junge Pflanze wurde gehegt und gepflegt und auch an<strong>der</strong>e Familien<br />
nahmen das Angebot gerne an.<br />
Jede Information wurde dankbar "aufgesogen" und geprüft. Einmal wur-<br />
den wir gefragt, ob wir unser Kind in einem Integrationskin<strong>der</strong>garten un-<br />
würden. Bis dahin kannten und wussten wir nichts von dieser<br />
terbringen<br />
Möglichkeit. Wir machten uns schnell sachkundig und haben uns über<br />
den Werdegang und die Bedeutung informiert. Unser Kind hatte nun<br />
einen Anspruch auf einen solchen Integrations-Kin<strong>der</strong>gartenplatz. Mit<br />
etwas mehr Erleichterung und Hoffnung auf Verständnis für unsere Probleme<br />
machten wir uns auf die konkrete Suche.<br />
Es war Ende 2002 und unser Kind war nun 3 Jahre alt. Eine für uns akzeptable<br />
Einrichtung war nicht in Sicht. Wir merkten immer mehr, wie<br />
15
wichtig es für unser Kind sein würde, eine Kita zu besuchen. Wir waren<br />
in einer Kin<strong>der</strong>tagesstätte vorgemerkt, die nur ca. 30 Minuten entfernt<br />
war, doch zur gleichen Zeit erfuhren wir, dass die <strong>AWO</strong> in <strong>der</strong> Gartenwar<br />
sehr positiv. Sehr bald hatten wir<br />
stadt Rudow Integrationsplätze vergab. Ohne lange zu warten sind wir<br />
mit unserem Kind einfach zur <strong>AWO</strong> gegangen und es sprudelte nur so<br />
aus uns heraus. Wir wollten deutlich machen, wie wichtig es für uns ist,<br />
einen passenden Platz für unser Kind zu finden. Es wurde nun kurzfristig<br />
ein Termin zu einem ausführlichen Gespräch vereinbart. Bei diesem<br />
Gespräch hatten wir zum ersten Mal das Gefühl, verstanden und auch<br />
angenommen zu werden. Sollte es doch eine passende Einrichtung geben?<br />
Mit all unseren Vorstellungen stimmten wir überein o<strong>der</strong> konnten<br />
eine Einigung erzielen! Der Eindruck, den die Kita nach einem kurzem<br />
Kennenlernen auf uns machte,<br />
Gelegenheit, die Kita zwanglos genauer kennen zu lernen und es dauerte<br />
nicht lange, da waren wir uns einig, so schnell wie möglich einen<br />
festen Platz zu erwirken.<br />
Die Eingewöhnungsphase gestaltete sich nicht so dramatisch, wie wir es<br />
erwartet hatten. Das Vertrauen wuchs stetig und die Ängste schwanden<br />
in gleichem Maße. Die Sichtweisen und Erfahrungen ausgebildeter Er-<br />
Nach nunmehr 6 Mona-<br />
zieher/innen in gewissen Dingen <strong>der</strong> Erziehung waren uns sehr wichtig,<br />
um davon ebenfalls zu profitieren. Durch häufige Gesprächstermine sind<br />
wir über Alltag und Entwicklungsstand informiert.<br />
ten sind wir uns sicher, das Richtige für Kind und Eltern gefunden zu<br />
haben. Die Kita ist zu einem wichtigen Bestandteil unseres Lebens ge-<br />
uns als Eltern ist es ein schönes Gefühl, einmal etwas mehr Verant-<br />
worden.<br />
Für<br />
wortung für gewisse Zeit abzugeben o<strong>der</strong> zu teilen. Dass unser Kind in<br />
<strong>der</strong> Kita Möglichkeiten hat, die wir ihm zuhause nicht bieten können, ist<br />
eine weitere Bereicherung für uns. Nach bisherigen Erfahrungen wurden<br />
wir von an<strong>der</strong>en Eltern nicht als etwas Beson<strong>der</strong>es behandelt. Wir gehören<br />
einfach dazu! Wir sind vor allem froh, dass auf Begabungen und<br />
eventuelle Defizite des Kindes geachtet wird. Dieses ist natürlich nur mit<br />
entsprechendem Personal möglich. Wir hoffen selbstverständlich, dass<br />
dies trotz aller Sparmaßnahmen des Landes <strong>Berlin</strong> auch weiterhin möglich<br />
sein wird.<br />
Eine betroffene Mutter berichtet:<br />
Im Gegensatz zum gerade geschil<strong>der</strong>ten "Fall", <strong>bei</strong> dem von Geburt an<br />
die Behin<strong>der</strong>ung des Kindes für die Familie feststand, möchte ich nun<br />
von meiner eigenen Tochter berichten, <strong>bei</strong> <strong>der</strong> die Behin<strong>der</strong>ung erst im<br />
Alter von 2,5 Jahren erkannt wurde.<br />
16
Meine Tochter war bereits seit einem Jahr in einer Kita untergebracht. In<br />
diesem ersten Jahr hatten wir ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Mitar<strong>bei</strong>tern<br />
<strong>der</strong> Kita aufgebaut. Nach <strong>der</strong> Diagnose "Rheuma" wurde <strong>der</strong><br />
Kontakt zu den Mitar<strong>bei</strong>tern noch intensiver. Alle Erzieher haben sich viel<br />
Zeit für uns und unsere Belange genommen. Bei Ausflügen wurde berücksichtigt<br />
einen Buggy mitzunehmen o<strong>der</strong> nur solche Routen zu wählen,<br />
die eine Teilnahme meines Kindes gewährleisteten. Die Mitar<strong>bei</strong>ter<br />
gaben meiner Tochter die notwendigen Medikamente o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e orthopädische<br />
Hilfsmittel <strong>bei</strong> Bedarf. Sie machten sich in Eigeninitiative<br />
zum Thema Rheuma sachkundig. Durch die Leitung <strong>der</strong> Kita wurde ich<br />
darauf aufmerksam gemacht, dass meine Tochter zusätzliche För<strong>der</strong>ung<br />
in Anspruch nehmen könne. Bei den ersten Schritten wurden wir begleitet.<br />
Etwa ein halbes Jahr später erhielt meine Tochter den Integrationsstatus.<br />
Das bedeutete, sie erhielt 10 Wochenstunden Unterstützung durch<br />
eine Stützerzieherin. Darüber hinaus erhielt sie im Hause regelmäßig<br />
eine Bewegungstherapie. Alles in allem hat das Engagement <strong>der</strong> Erzieher<br />
dazu geführt, dass meine Tochter an allen Aktivitäten teilnehmen<br />
konnte.<br />
Die Kin<strong>der</strong> und Eltern <strong>der</strong> Gruppe wurden <strong>bei</strong> Bedarf über die Sachlage<br />
informiert. Wir fühlten uns nie ausgegrenzt.<br />
In den ganzen Jahren wurden unsere Befindlichkeit und unsere Trauer<br />
einfühlsam bemerkt und begleitet.<br />
Die Schule am Bienwaldring, Alt-Buckow<br />
Beim Übergang in die Schule wurde ich eingehend über den För<strong>der</strong>aus-<br />
schuss informiert und darauf vorbereitet. Die Vorschulerzieherin und die<br />
Stützerzieherin fertigten einen ausführlichen Bericht an. Der Übergang<br />
gestaltete sich problemlos. Noch heute besucht mein Kind den Hort in<br />
<strong>der</strong> Kita. Nach wie vor finden wir Gehör, Entgegenkommen und Interesse<br />
<strong>bei</strong> allen Mitar<strong>bei</strong>tern.<br />
Herr Müller, Konrektor an <strong>der</strong> "Schule am Bienwaldring", Beiratsmitglied,<br />
Dozent für Dialektik und För<strong>der</strong>diagnostik an <strong>der</strong> Humboldt-Universität<br />
<strong>Berlin</strong><br />
In Neukölln kommen jährlich ca. 3.000 Kin<strong>der</strong> zur Welt, 0,5% von ihnen<br />
haben eine mehr o<strong>der</strong> weniger stark ausgeprägte Behin<strong>der</strong>ung.<br />
Zur Zeit besuchen 173 Schüler/innen die Schule am Bienwaldring. Sie<br />
sind in 27 Klassen bzw. Lerngruppen aufgeteilt und werden von insge-<br />
120 Voll- und Teilzeitkräften unterrichtet, betreut, versorgt und<br />
samt<br />
17
"verwaltet". Lei<strong>der</strong> haben längst nicht alle betroffenen Neuköllner Kin<strong>der</strong><br />
<strong>hier</strong> einen Schulplatz, dazu reicht die Kapazität nicht aus. Die Kin<strong>der</strong>, die<br />
nicht aufgenommen werden können, besuchen alternativ eine <strong>der</strong> Integrationsschulen<br />
im Bezirk o<strong>der</strong> sind in an<strong>der</strong>en Bezirken <strong>der</strong> Stadt untergebracht.<br />
In <strong>der</strong> Schule am Bienwaldring gibt es in <strong>der</strong> Regel Gruppen<br />
von 6 bis 9 Kin<strong>der</strong>n, die bewusst nach Art <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung gemischt<br />
zusammen gesetzt sind. Hier tauchen erste Probleme auf, viele Eltern<br />
und beson<strong>der</strong>s Eltern mit Migrationshintergrund verstehen diese Gruppenaufteilung<br />
nicht. Dazu kommt oftmals <strong>der</strong> "Schock", dass das eigene<br />
Kind wohl niemals "normal" werden wird – eine weitere Lebensabschnittsstufe<br />
ist erreicht. Lei<strong>der</strong> werden sehr viele Kin<strong>der</strong> mit Behin<strong>der</strong>ung<br />
viel zu spät auf solch eine speziell auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete<br />
Schule geschickt. Versäumnisse, die manchmal nicht mehr aufzu-<br />
sind. Die Schulpflicht an <strong>der</strong> Schule am Bienwaldring beläuft sich<br />
holen<br />
auf 10 Jahre, anschließend gibt es ein "praktisches Jahr" und je nach<br />
Bedarf ein freiwilliges 12. Jahr.<br />
Der Unterricht an <strong>der</strong> Schule konzentriert sich sehr auf handwerkliche<br />
und künstlerische Fähig- und Fertigkeiten. Der Werkunterricht, Handar<strong>bei</strong>t<br />
und Handwerk werden geför<strong>der</strong>t. Auch Sport und Musik in Form von<br />
Schwimmen, Fußball, Tanzen, Chor o<strong>der</strong> Theateraufführungen haben<br />
<strong>hier</strong> einen hohen Stellenwert. Oft werden die Eltern in das Geschehen<br />
einbezogen, es finden Wettbewerbe und kulinarische interkulturelle Ver-<br />
18
anstaltungen statt. Beson<strong>der</strong>s stolz ist man auf den Gemüsegarten, betrieben<br />
von <strong>der</strong> Kartoffel-AG, die ihre Ar<strong>bei</strong>t bereits im Roten Rathaus<br />
präsentierte. Sehr viel Bedeutung kommt auch den Ausflügen, Kurzreisen<br />
und Erlebnistouren zu.<br />
Kritisch wie<strong>der</strong>um ist die Schnittstelle Schule / Berufsleben. Der erste<br />
große Schritt erfolgte nach <strong>der</strong> Kita-Zeit mit dem Einstieg eines Kindes<br />
mit Behin<strong>der</strong>ung in den Schulalltag, noch problematischer ist jedoch <strong>der</strong><br />
Wechsel von <strong>der</strong> Schule in das "berufstätige Erwachsenenleben". Hier<br />
muss erneut mit Wi<strong>der</strong>ständen seitens <strong>der</strong> Familienangehörigen gerechnet<br />
werden. Werkstätten, die speziell auf die Gegebenheiten eines Menschen<br />
mit Behin<strong>der</strong>ung ausgerichtet sind, bieten oft optimale Bedingungen<br />
für ein "geschütztes" Erwachsenen- und Erwerbstätigenleben.<br />
Die geschützte Werkstatt<br />
Ein Vortrag von Klaus Leonhardt, Geschäftsführer Lankwitzer Werkstätten<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste und Honoratioren.<br />
Ich möchte mich zunächst vorstellen. Mein Name ist Klaus Leonhardt,<br />
ich bin 53 Jahre alt, von Beruf klinischer Psychologe und Psychotherapeut.<br />
Betrachtet man wie ich die Psychotherapie als verdichtete Wirklichkeit,<br />
Ersatzwirklichkeit, so ist es eigentlich egal, an welcher Stelle dieser Wirklichkeit<br />
die Hilfeleistung für den Einzelnen ansetzt. Dann gewinnt man<br />
die Freiheit, nach Nützlichkeiten für die Menschen zu suchen. Was nützt<br />
uns Psychotherapie, wenn die Lebensumstände eines Einzelnen so verunsichernd<br />
und teilweise so kränkend sind, dass diese Alltagserfahrungen<br />
im Gegensatz zu den psychotherapeutischen Bemühungen<br />
stehen. Ein Mensch, dem <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsplatzverlust droht o<strong>der</strong> <strong>der</strong> seinen<br />
Ar<strong>bei</strong>tsplatz schon verloren hat, <strong>der</strong> sich um die nackte Existenz ängstigen<br />
muss, wird schwerlich in Psychotherapie allein eine Hilfe finden. Er<br />
wird eher eine Hilfe finden, wenn er Rahmenbedingungen vorfindet, die<br />
es ihm erlauben, Selbstbewusstsein zu erwerben, sich auseinan<strong>der</strong> zu<br />
setzen und sich in ein soziales Gefüge zu integrieren.<br />
Das gilt für jeden Menschen, auch für jeden behin<strong>der</strong>ten Menschen mit<br />
dem einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en verän<strong>der</strong>ten Vorzeichen und zwar unabhängig<br />
von Art und Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung. Dieser Satz mag so für Sie banal<br />
klingen, in <strong>der</strong> Praxis einer Werkstatt aber z.B. ist er handlungsleitend.<br />
19
Das Thema Ihrer Tagung ist für einen Werkstattmenschen als provokant<br />
zu erleben. „Total Normal“ und die beson<strong>der</strong>en Hilfen einer Werkstatt für<br />
behin<strong>der</strong>te Menschen, das muss von Ihnen als Gegensatz empfunden<br />
werden. Ich darf Ihnen versichern, nicht nur Sie erleben diesen Gegen-<br />
auch in <strong>der</strong> Sozialpolitik wird er wahrgenommen und in, wie ich<br />
satz,<br />
finde, sehr kritischer Weise umgesetzt. Es fließen <strong>der</strong>zeit nahezu alle<br />
Mittel, die sonst in den Neubau und Ausbau von Werkstätten und Wohnheime<br />
für behin<strong>der</strong>te Menschen geflossen wären, in die Integrationsfachdienste,<br />
Integrationsprojekte und Integrationsfirmen. Ziel dieser<br />
riesigen finanziellen Anstrengung ist die Verbesserung <strong>der</strong> Vermittlungsfähigkeit<br />
behin<strong>der</strong>ter Menschen auf dem allgemeinen Ar<strong>bei</strong>tsmarkt.<br />
Ich bitte Sie da<strong>bei</strong> zu berücksichtigen, dass in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland ca. 220.000 Menschen in anerkannten Werkstätten für be-<br />
hin<strong>der</strong>te Menschen ar<strong>bei</strong>ten, aber nicht einmal 1/10 dieser Zahl in den<br />
oben angeführten Projekten. Ist dieser Wille um Verbesserung <strong>der</strong> Ein-<br />
lobenswert, scheint doch <strong>der</strong> Zeitpunkt<br />
glie<strong>der</strong>ungsmöglichkeiten äußerst<br />
dieser Initiative höchst zweifelhaft. Derzeit haben ca. 5 Millionen Menschen<br />
in <strong>der</strong> Bundesrepublik keinen Ar<strong>bei</strong>tsplatz. Die Produktion wird<br />
rationalisiert, die Dienstleistungen immer ausgefallener und immer häufi-<br />
die Frage erlaubt sein, ist dies <strong>der</strong> richtige Zeitpunkt für eine <strong>der</strong>ar-<br />
ger durch eben die oben genannten Ar<strong>bei</strong>tsuchenden besetzt. Es darf<br />
daher<br />
tige teure und massive Ar<strong>bei</strong>tsmarktoffensive für diesen Personenkreis?<br />
Ich würde sogar noch weiter gehen. Tun wir den behin<strong>der</strong>ten Menschen<br />
einen Gefallen, wenn wir sie in dieser Situation als bezuschussbare Kon-<br />
nicht anerkannt behin<strong>der</strong>ter Ar<strong>bei</strong>tssuchen<strong>der</strong> in den Ring schi-<br />
kurrenz<br />
cken?<br />
Nach landläufigem Vorurteil sind die Werkstätten reich, anspruchsarm<br />
und wenig rehabilitativ. Außerdem halten sie ihre stärksten behin<strong>der</strong>ten<br />
Menschen in <strong>der</strong> Einrichtung fest, weil sie diese für die Sicherstellung<br />
<strong>der</strong> Produktion benötigen. Nach dieser Meinung sind Werkstätten also<br />
kontraindiziert. Sie machen das Gegenteil von dem, was sie machen<br />
sollen. Sie sind keine Rehabilitationseinrichtung, die man nach gelungenem<br />
Prozess verlässt, sie sind eine Einrichtung ohne Ausgang. Jetzt<br />
habe ich, glaube ich, alle gängigen Vorurteile zusammengefasst,<br />
schlimmer kann es nicht kommen.<br />
Natürlich sind einmal etablierte Institutionen mit dem Hang zur Restitu-<br />
ausgestattet. Sie sind darauf bedacht, sich zu erhalten und system-<br />
tion<br />
immanent zu verbessern. Dies ist <strong>der</strong> eine Trend, den jede Institution<br />
hervorbringt und <strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em Vater <strong>der</strong> <strong>bei</strong> uns in Deutschland<br />
perfektionierten Bürokratie ist.<br />
Der an<strong>der</strong>e Trend aber ist <strong>der</strong> des Probierens. Alle Institutionen - und<br />
damit auch die anerkannte Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen - leben in<br />
20
diesem permanenten Wi<strong>der</strong>spruch, <strong>der</strong> gleichzeitig Motor und Herzschlag<br />
einer gut geführten Einrichtung darstellt.<br />
Vom Management dieser Einrichtung, vom aktuellen Willen <strong>der</strong> Politik,<br />
von den vorhandenen Finanzen <strong>der</strong> Kostenträger hängt dann die Güte<br />
dieses Herzschlages, die Geschwindigkeit und Stärke des Pulses ab.<br />
Hier machen wir wie<strong>der</strong> einen großen Schritt hin zu Ihrem Thema, denn<br />
<strong>der</strong> dargestellte Ablauf ist "Total normal" und den älteren unter uns sozial<br />
Ar<strong>bei</strong>tenden aus mehrfacher Erfahrung bekannt.<br />
Heute ist kein Geld da, dann wird weniger aufgewendet, die Vergütungen<br />
gekürzt, nach Möglichkeit ohne dem Träger die Gelegenheit zu bieten,<br />
auch die Leistung anzupassen. Lei<strong>der</strong> nennen sich diese Prozesse<br />
fälschlicher Weise Reform, sind sie doch real die prosaische Einfassung<br />
von Kürzungen. Kürzungen werden immer in Gesetzesän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong><br />
in grundlegenden Reformen <strong>der</strong> Finanzierung gefasst. Sie haben oft –<br />
und das ist das Verhängnisvolle – einen sinnvollen Ausgangspunkt, den<br />
die einen, die Verbände und Träger, als Fortschritt betrachten und den<br />
die an<strong>der</strong>en, die Kostenträger, als Sparinstrument benutzen. Das persönliche<br />
Budget ist so ein Fall. Aber zurück zu unserem Thema, von<br />
dem ich in meiner Erbostheit über die <strong>der</strong>zeitigen Verhältnisse etwas<br />
abgekommen bin.<br />
Die Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen ist total normal, weil sie:<br />
- für den größten Teil <strong>der</strong> behin<strong>der</strong>ten Menschen <strong>der</strong> ideale Ort des<br />
Einstiegs in die berufliche Bildung und Ausbildung darstellt,<br />
- für viele Menschen <strong>der</strong> ideale Ort längerfristigen Ar<strong>bei</strong>tens ist und<br />
- weil sie persönlichkeitsbildend und sozial einbindend wirken kann.<br />
Der allgemeine Ar<strong>bei</strong>tsmarkt ist total normal, weil:<br />
- die meisten Menschen dort eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit<br />
ausüben können,<br />
- dort ausgebildet wird,<br />
- soziale Einbindung stattfindet.<br />
Die Werkstatt für behin<strong>der</strong>te Menschen ist also im Gesamtkonzept gese-<br />
angepassten<br />
hen für eine Schnittmenge aller Menschen <strong>der</strong> Ort "total normalen"<br />
Seins, weil er alles das bietet, was je<strong>der</strong> Mensch als Grundlage eines<br />
erfüllten gesunden Lebens und zwar unabhängig von seinen Stärken<br />
und Schwächen und unabhängig von Art und Schwere <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />
benötigt. Hier nur unter den beson<strong>der</strong>s Bedingungen.<br />
21
Kommen wir zu <strong>der</strong> Frage, was eine Werkstatt eigentlich anbietet. In <strong>der</strong><br />
Werkstatt durchläuft ein Mensch ein Eingangsverfahren. Dieses Ein-<br />
den ersten Teil<br />
gangsverfahren dauert drei Monate und hat zum Ziel, festzustellen, ob<br />
die Werkstatt <strong>der</strong> geeignete Ort für seinen Bildungsanspruch ist. Ist sie<br />
es nicht, muss <strong>der</strong> betreffende Mensch mit Hilfe des Ar<strong>bei</strong>tsamtes weitersuchen,<br />
ist sie es aber, beginnt die Berufsausbildung und es wird ein<br />
För<strong>der</strong>plan mit Zielsetzungen und Prüfzeiträumen sowie beson<strong>der</strong>en<br />
Maßnahmen erstellt. Unser junger Mensch durchschreitet<br />
seiner Berufsbildungsmaßnahme:<br />
- Erlernen allgemeiner Ar<strong>bei</strong>tstugenden<br />
- Umgang mit Ar<strong>bei</strong>tssicherheit<br />
- Feststellen von Neigungen und Schwerpunkten<br />
- Training angemessenen Sozialverhaltens<br />
Diese Phase kann bis zu einem halben Jahr dauern. Danach werden<br />
fachliche Lerninhalte des gewählten Gewerks angeboten und durchgeführt.<br />
Auch die partielle Teilnahme an <strong>der</strong> Abar<strong>bei</strong>tung eines Auftrags<br />
kann Bestandteil dieser Phase, die in <strong>der</strong> Regel ein Jahr dauert, sein. Es<br />
verbleibt dann ein halbes Jahr zur weiteren Zukunftsplanung für unseren<br />
Rehabilitanden. Diese Zukunftsplanung kann vielfältig ausfallen und ist<br />
normalerweise von <strong>der</strong> persönlichen Stabilität und Leistungsfähigkeit des<br />
Maßnahmeteilnehmers abhängig.<br />
- Hat unser Teilnehmer den Berufsbildungsbereich absolviert und<br />
<strong>der</strong>zeit keine an<strong>der</strong>en Möglichkeiten o<strong>der</strong> Pläne, hat er Anspruch<br />
auf einen Ar<strong>bei</strong>tsplatz im Produktionsbereich <strong>der</strong> Werkstatt.<br />
- Hat unser Teilnehmer Stärken bewiesen, die ein Verbleiben in <strong>der</strong><br />
Werkstatt nicht angeraten erscheinen lassen, so muss durch Prak-<br />
extern die Leis-<br />
tika in an<strong>der</strong>en Bereichen <strong>der</strong> Werkstatt o<strong>der</strong><br />
tungsfähigkeit einer Belastungsprobe unterzogen werden. Gleichzu<br />
einer Ausbildung o<strong>der</strong> Umschulung erkenn-<br />
zeitig wird dieser Teilnehmer Mitglied <strong>der</strong> Vermittlungsgruppe <strong>der</strong><br />
Einrichtung.<br />
- Ist die Befähigung<br />
bar, wird über den Fachausschuss diese Maßnahme empfohlen<br />
und mit Hilfe <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tsämter eine geeignete Ausbildungsstätte<br />
gesucht.<br />
Die Werkstatt ist also durchaus keine Einbahnstraße bezüglich einer<br />
Tätigkeit auf dem allgemeinen Ar<strong>bei</strong>tsmarkt. Sie ist es nicht während <strong>der</strong><br />
Berufsbildungsphase und sie ist es nicht im Ar<strong>bei</strong>tsbereich.<br />
Ein Mensch, <strong>der</strong> für den 1. Ar<strong>bei</strong>tsmarkt noch nicht geeignet erscheint,<br />
weil ihm Kompetenzen fehlen o<strong>der</strong> ähnliches, wird nach dem Prinzip des<br />
22
Zum Abschluss gestatten Sie mir noch eine Bemerkung: Jede Institution<br />
entwickelt sich, abhängig von den oben erwähnten Faktoren. Es ist in<br />
diesem Sinne und im Sinne Ihres Tagungsthemas total normal, dass sich<br />
auch die Werkstatt einem Entwicklungsprozess unterworfen sieht.<br />
Können wir den Menschen nicht mehr die Möglichkeit einräumen, auf<br />
dem 1. Ar<strong>bei</strong>tsmarkt tätig zu werden, halte ich es für unsere Verpflich-<br />
tung, mehr Normalität des 1. Ar<strong>bei</strong>tsmarktes in die Werkstatt zu holen.<br />
„learning by doing“ natürlich auch im Ar<strong>bei</strong>tsbereich weiter geför<strong>der</strong>t. Es<br />
werden während aller Phasen För<strong>der</strong>pläne erstellt und diese werden mit<br />
dem behin<strong>der</strong>ten Mitar<strong>bei</strong>ter ausgewertet und fortgeschrieben. Die<br />
Lankwitzer Werkstätten haben zu diesem Zweck betriebseigene Bildungszentren<br />
(z. B. in den Bereichen Metall, Grünbau und Pflanzenzucht,<br />
Küche, Malerei, Verwaltung) errichtet, in denen gezielt nachgelernt<br />
o<strong>der</strong> vorbereitend gelernt werden kann. Es würde an dieser Stelle<br />
zu weit führen, die Einglie<strong>der</strong>ung dieser Bildungszentren in den Ar<strong>bei</strong>tsalltag<br />
zu beschreiben, es muss genügen zu erwähnen, dass je<strong>der</strong> Maß-<br />
diese Bildungszentren über den begleitenden Dienst<br />
nahmeteilnehmer<br />
benutzen kann.<br />
- Praktikum intern und extern<br />
- Vermittlungsgruppe<br />
- eventuell Einschalten des Integrationsfachdienstes<br />
- Ar<strong>bei</strong>tsplatzsuche<br />
H at sich ein Mitar<strong>bei</strong>ter im Rahmen <strong>der</strong> Tätigkeit im Produktionsbereich<br />
so deutlich stabilisiert, dass jetzt die Frage "Tätigkeit im allgemeinen<br />
Ar<strong>bei</strong>tsbereich" erneut gestellt werden kann, dann beginnt <strong>der</strong> oben er-<br />
wähnte Prozess:<br />
Als eine oft genutzte Möglichkeit haben die Lankwitzer Werkstätten 1989<br />
einen Träger gegründet – "Aller Hand Werk e.V." – einen Zweckbetrieb<br />
od er nach neuer Lesart eine Integrationsfirma, in <strong>der</strong> sozialversiche-<br />
Ar<strong>bei</strong>tsverhältnisse von Menschen aufgenommen werden<br />
rungspflichtige<br />
können, die für die Werkstatt zu leistungsstark und stabil sind, aber auf<br />
de m allgemeinen Ar<strong>bei</strong>tsmarkt noch keine Tätigkeit gefunden haben.<br />
Auch Praktika werden sehr häufig durchgeführt. Da dieser Betrieb sein<br />
Geld verdienen muss und keine Zuschüsse in Form von Maßnahmever-<br />
erhält, wird <strong>hier</strong> in ganz an<strong>der</strong>er Weise ein Anspruch an den<br />
gütungen<br />
Ar<strong>bei</strong>tnehmer gestellt als in <strong>der</strong> Werkstatt. Die Nähe zur Realität des<br />
"richtigen Wirtschaftslebens" ist viel deutlicher spürbar und es ist eine<br />
ernsthafte Aufgabe, Jahr für Jahr diesen Betrieb am Rande <strong>der</strong> Wirt-<br />
zu führen und zu schaftlichkeit halten.<br />
23
Die <strong>AWO</strong> WGen und das Betreute Einzelwohnen<br />
Ein Vortrag von Beate Mensah und Kollegen/innen<br />
Ich möchte die Rahmenbedingungen, den Personenkreis und das<br />
Dienstleistungsangebot des Betreuten Einzelwohnens, kurz auch BEW<br />
genannt, darstellen.<br />
Das betreute Einzelwohnen ist ein im Kontext <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe<br />
angesiedeltes ambulantes sozialpädagogisches Betreuungsangebot zum<br />
selbständigen Wohnen und zur Teilnahme am Leben in <strong>der</strong> Gemeinschaft.<br />
Als Dienstleistungsangebot richtet sich das Betreute Einzelwoh-<br />
an Menschen mit leichter bis mittlerer geistiger, körperlicher<br />
nen<br />
und/o<strong>der</strong> mehrfacher Behin<strong>der</strong>ung, die Anspruch auf Maßnahmen <strong>der</strong><br />
Einglie<strong>der</strong>ungshilfe gemäß §§ 39/40 des Bundessozialhilfegesetzes<br />
BSHG haben. Ganz vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies in <strong>der</strong> praktischen<br />
Umsetzung, dass nach Ermittlung des Hilfebedarfs mit dem An-<br />
die darauf abgestimmte wöchentliche Betreu-<br />
spruchsberechtigten<br />
ungszeit durch den sozialpsychiatrischen Dienst (auch kurz SpD<br />
genannt) befürwortet wird und dann in <strong>der</strong> Regel die Kostenübernahme<br />
vo m zuständigen Bezirksamt erfolgt.<br />
Das BEW ist ausgerichtet an den fachpolitischen Leitprinzipien <strong>der</strong> Normalisierung<br />
und Selbstbestimmung und gilt als die <strong>der</strong> "Normalität" am<br />
stärksten angenäherte Wohnform. Generell ist das Betreute Einzelwohnen<br />
die angemessene Hilfe für geistig, körperlich bzw. mehrfach<br />
behin<strong>der</strong>te Menschen, die in gewissem Maße selbständig leben können,<br />
das heißt, über lebenspraktische und soziale Kompetenzen verfügen und<br />
nur in Teilbereichen eine sozialpädagogische Hilfe zur Lebensgestaltung<br />
benötigen. Darüber hinaus ist das BEW vor allen Dingen für Menschen<br />
mit Behin<strong>der</strong>ung geeignet, für die das Leben in einer Wohngemeinschaft<br />
nicht die geeignete Wohnform darstellt, obwohl sie einer intensiven<br />
Betreuung in dieser Form bedürfen. Dies trifft unter an<strong>der</strong>em auf Klienten<br />
zu, die aufgrund ihrer Persönlichkeit nicht in dem relativ engen Gruppenzusammenhalt<br />
einer Wohngemeinschaft leben möchten o<strong>der</strong> können.<br />
Hier kann es auch sinnvoll sein, eine Ko-Betreuung im BEW mit dem<br />
Bewohner zu vereinbaren, d. h. zwei Kollegen teilen sich mit unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten die Betreuung auf. Das Betreute Einzelwohnen<br />
unseres Kreisverbandes wurde 1998 durch einen Bewohner und<br />
eine Bewohnerin aus einer WG in <strong>der</strong> Hermannstraße eröffnet, die sich<br />
verlobten und in eine eigene Wohnung ziehen wollten. Mittels Paarwohnen<br />
im BEW wurde ein adäquates Betreuungsangebot mit ihnen entwickelt<br />
und voraussichtlich wollen <strong>bei</strong>de Betreuten im nächsten Jahr<br />
heiraten.<br />
24
Zur Zeit betreuen wir in einem Team von 8 Sozialar<strong>bei</strong>ter/innen und So-<br />
im Alter von<br />
zialpädagogen/innen 19 Menschen mit einer Behin<strong>der</strong>ung<br />
19 bis 50 Jahren. Davon befinden sich zwei Bewerber/innen im Aufnah-<br />
meverfahren.<br />
Wir haben einen Stützpunkt mit Büro und Gemeinschaftsraum <strong>hier</strong> in<br />
Neukölln in <strong>der</strong> Thomasstraße neben dem Freizeittreff und einen weite-<br />
ren Stützpunkt seit September diesen Jahres in Lichtenberg in <strong>der</strong> Weitlingstraße.<br />
Wir Sozialar<strong>bei</strong>ter/innen / Sozialpädagogen/innen des BEW des Kreisverbandes<br />
<strong>AWO</strong> Südost ar<strong>bei</strong>ten verstärkt daran, uns beson<strong>der</strong>s dem<br />
Klientel zu stellen, das außerordentlich erschwerte Zugangsvoraussetzungen<br />
für die Teilnahme an einem Leben in <strong>der</strong> Gemeinschaft hat. Dies<br />
sind insbeson<strong>der</strong>e Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung und Verhaltensauffälligkeiten<br />
– auch delinquenter Art – sowie Menschen mit Doppeldiagnose,<br />
d. h. diese Menschen haben zusätzlich noch eine<br />
psychische Erkrankung. Psychische Störungen kommen <strong>bei</strong> Menschen<br />
mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung aufgrund ungleich schwieriger Entwicklungsbedingungen<br />
häufiger vor als im allgemeinen Bundesdurchschnitt.<br />
Wie bereits am Anfang erwähnt, sind Normalisierung, Integration und<br />
Selbstbestimmung die Leitprinzipien unserer pädagogischen Ar<strong>bei</strong>t. Um<br />
eine geeignete Abstimmung <strong>der</strong> sozialpädagogischen Betreuung auf die<br />
Wünsche, Bedürfnisse, Kompetenzen und Ziele <strong>der</strong> Bewohner und Bewohnerinnen<br />
sicher zu stellen, erfolgt eine individuelle Betreuungs- und<br />
Hilfeplanung. Unser pädagogisches Konzept ist an <strong>der</strong> "Ganzheitlichkeit"<br />
des Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung orientiert. Das heißt, die emotionalen,<br />
körperlichen und kognitiven Aspekte, wie auch soziale mitmenschliche<br />
und lebensweltliche Systeme werden in <strong>der</strong> Hilfeplanung und Betreuung<br />
reflektiert und berücksichtigt.<br />
Die entwicklungsbegleitende För<strong>der</strong>ung knüpft an Erfahrungen <strong>der</strong> Klienten<br />
an und zwar nicht primär an die defizitären, son<strong>der</strong>n ganz bewusst<br />
an vorhandene Kompetenzen, Fähigkeiten und Interessen. Die Betreu-<br />
ung / Assistenz darf we<strong>der</strong> unter- noch überfor<strong>der</strong>n, die Angebote und<br />
Gestaltung des Lebensalltags müssen <strong>der</strong>art passend sein, dass sich<br />
<strong>der</strong> geistig behin<strong>der</strong>te Mensch mit seinen Möglichkeiten und Bedürfnissen<br />
wie<strong>der</strong>finden kann.<br />
Die individuelle Betreuungs- und Hilfeplanung für die Bewohner und Bewohnerinnen<br />
erfolgt in regelmäßigen Abständen prozesshaft unter Anwendung<br />
vereinbarter interner Vorgabedokumente und entlang einzelner<br />
Schritte, wie zunächst einmal die Ermittlung des individuellen Hilfebe-<br />
25
darfs. Das bedeutet, die Ist-Situation wird gemeinsam mit dem/<strong>der</strong> Bewohner/in<br />
erläutert und im ersten Entwurf des Hilfeplanes festgehalten.<br />
Als nächster Schritt erfolgt eine Teambesprechung im Rahmen einer<br />
kollegialen Beratung, um die Betreuungsangebote zu reflektieren und<br />
geeignete Methoden für die Umsetzung zu ermitteln.<br />
Nach <strong>der</strong> Hilfekonferenz erfolgt die weitere Verschriftlichung des verbindlichen<br />
individuellen Betreuungs- und Hilfeplans, <strong>der</strong> die ausgehandelten<br />
Ziele und die geplanten pädagogischen Betreuungsangebote enthält, die<br />
für den/die Bewohner/-in aktuell bedeutsam sind und <strong>der</strong> Verbesserung<br />
seiner bzw. ihrer Lebensqualität dienen.<br />
Nach dieser Erhebungs- und Durchführungsphase erfolgt die ständige<br />
Auswertung <strong>der</strong> Betreuung auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> monatlichen Verlaufsdokumentation<br />
mittels Überprüfung <strong>der</strong> Ergebnisse und gegebenenfalls<br />
<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung von Zielen und Maßnahmen. Die alltagsnahe, entwicklungsför<strong>der</strong>nde,<br />
auf die Bedürfnisse abgestimmte Lebensbegleitung orientiert<br />
sich an den Grundprinzipien <strong>der</strong> aufsuchenden Sozialar<strong>bei</strong>t und<br />
<strong>der</strong> Hilfe zur Selbsthilfe.<br />
Die darauf folgenden Schritte <strong>bei</strong>nhalten das Aushandeln des verbindlichen<br />
individuellen Betreuungs- und Hilfeplans mittels nochmaliger Besprechung<br />
mit dem/<strong>der</strong> Bewohner/in und anschließend erfolgt durch die<br />
zuständigen Sozialpädagogen eine interne Betreuungs- und Hilfe-<br />
plankonferenz unter Einbeziehung <strong>der</strong> vom Bewohner / von <strong>der</strong> Bewohnerin<br />
gewünschten Person des Vertrauens. Dies sind in <strong>der</strong> Regel<br />
Angehörige und gesetzliche Betreuer o<strong>der</strong> aber auch die Lebenspartnerin<br />
/ <strong>der</strong> Lebenspartner bzw. Freund o<strong>der</strong> Freundin.<br />
Die nachfolgenden Schil<strong>der</strong>ungen stellen nur einen Teil des Basisangebots<br />
des BEW dar. Grundsätzlich erstreckt sich das Betreuungsangebot<br />
auf die Beratung, Begleitung und Assistenz in sämtlichen Bereichen des<br />
täglichen Lebens, z.B.<br />
Unterstützung und Anleitung <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Haushaltsführung<br />
Praktisch von Wäschewaschen, Bedienen von Haushaltsgeräten, Einkaufen<br />
und Mahlzeiten zubereiten, oft auch Haustierversorgung, Post<br />
lesen, Mülleimer rausbringen. In diesen Bereichen bringt je<strong>der</strong> Klient<br />
seine individuellen Kompetenzen mit, die dann ergänzend z. B. nach den<br />
Methoden des Modell- o<strong>der</strong> Imitationslernens erweitert werden.<br />
26
Hilfe <strong>bei</strong> <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung in Ar<strong>bei</strong>t und Beschäftigung<br />
Aufgrund <strong>der</strong> allgemeinen Ar<strong>bei</strong>tsmarktlage und <strong>der</strong> zunehmenden Verän<strong>der</strong>ungen<br />
auf dem Ar<strong>bei</strong>tsmarkt hat sich ein "Wandel <strong>der</strong> Berufsbil<strong>der</strong>"<br />
vollzogen, welcher sich letztendlich auch in unserer Ar<strong>bei</strong>t mit den Be-<br />
nie<strong>der</strong> schlägt. Viele Jugendliche haben Schwierigkeiten, nach<br />
wohnern<br />
Abschluss <strong>der</strong> Schule eine geeignete Ausbildungsstätte zu finden. Beson<strong>der</strong>s<br />
für junge Menschen mit einer eingeschränkten geistigen Leistungsfähigkeit<br />
gestaltet sich die Suche nach einer geeigneten beruflichen<br />
Ausbildung problematisch. Die Anfor<strong>der</strong>ungsprofile <strong>der</strong> einzelnen<br />
Berufsgruppen haben sich nicht nur geän<strong>der</strong>t, sie sind ebenso gewachsen<br />
und die Erwartungshaltung verlangt oft ein lebenslanges Lernen. An<br />
dieser Stelle werden einige Grenzen ersichtlich. Hinzu kommt vor allem<br />
durch den Einsatz von Computer- und Kommunikationstechniken die<br />
Voraussetzung, den steigenden Belastungen auf Dauer gewachsen zu<br />
sein.<br />
Betrachten Sie zum Beispiel den Einsatzbereich eines Produktionshelfers<br />
von heute, ein Berufsbild, das sich grundlegend gewandelt hat. Die<br />
Ar<strong>bei</strong>tsschritte, die früher noch von Hand verrichtet wurden, sind jetzt<br />
weitgehend durch maschinelle Automatisierung ersetzt. Eine Folge ist,<br />
dass Ar<strong>bei</strong>tsplätze – geeignete Ar<strong>bei</strong>tsplätze (mit Blick auf unser Klientel)<br />
– wegfallen. Für die neu entstandenen Ar<strong>bei</strong>tsplätze müssen Qualifikationen<br />
erreicht werden, denen unser Klientel kaum gerecht werden<br />
kann. Durch diese und an<strong>der</strong>e Verän<strong>der</strong>ungen schränken sich die beruflichen<br />
Perspektiven im Moment immer weiter ein.<br />
Bei den Bewohnern im BEW handelt es sich um Menschen mit einer<br />
eingeschränkten Leistungsfähigkeit und <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Lernbehinde-<br />
die För<strong>der</strong>maßnahmen nach eingehen<strong>der</strong> Diag-<br />
rung als solcher wird nicht mehr verwendet, da das Gewicht <strong>der</strong> Leistungsschwäche<br />
eher <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Entwicklungsstörung liegt als <strong>bei</strong> den<br />
Ressourcen (§ 19 SGB III). Eine Differenzierung erscheint an dieser<br />
Stelle notwendig, damit<br />
nose direkt auf die jeweilige Person abgestimmt werden können, beson<strong>der</strong>s<br />
hinsichtlich des Einstiegs in das Ar<strong>bei</strong>tsleben. Der Weg eines<br />
Betroffenen führt meist von <strong>der</strong> Schule über die soziale und berufliche<br />
Rehabilitation ins Ar<strong>bei</strong>tsleben. An diesem Prozess sind sowohl Pädagogen,<br />
Mediziner, Psychologen als auch Verwaltungen und Behörden<br />
und natürlich <strong>der</strong>/die Betroffene und seine/ihre Familie beteiligt. Dies<br />
kann leicht zu Verwirrungen über die Zuständigkeiten führen. Um diesen<br />
Prozess einfacher zu gestalten, übernimmt das BEW die Rolle des Ver-<br />
Einerseits setzt es sich mit den kooperierenden Stellen ausein-<br />
mittlers:<br />
an<strong>der</strong>, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite mit dem Bewohner. Es werden die<br />
erfor<strong>der</strong>lichen Informationen gesammelt, gebündelt und an die entspre-<br />
27
chenden Stellen (z. B. Berufsberater o<strong>der</strong> Integrationsfachdienst) weiter<br />
geleitet. Vor allem muss dieser Weg gegenüber dem Bewohner deutlich<br />
und transparent gemacht werden. So fungiert das BEW als Schnittstelle,<br />
in <strong>der</strong> agiert und reagiert wird, um dem Bewohner / <strong>der</strong> Bewohnerin ein<br />
klareres Bild für die eigene Berufsentscheidung zu ermöglichen.<br />
Beratung und Anleitung <strong>bei</strong> finanziellen und sozialrechtlichen Angelegenheiten<br />
Das BEW ist auch <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Einteilung des verfügbaren Geldes unterstützend<br />
tätig, wir bieten Begleitung zur Erledigung von Bankgeschäften an<br />
und leisten Hilfe <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Beantragung und Durchsetzung von sozialrechtlichen<br />
Ansprüchen und Wohnungsangelegenheiten (oft in Kooperation<br />
mit dem gesetzlichen Betreuer).<br />
Psychosoziale Beratung und Unterstützung <strong>bei</strong> <strong>der</strong> persönlichen<br />
Angelegenheiten<br />
Da <strong>der</strong> Welt- und Lebensbezug von Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung<br />
oft durch ein negatives Selbstbild und vielfältige Ängste und Verunsicherungen<br />
gekennzeichnet ist, bieten wir beson<strong>der</strong>s Unterstützung <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />
Gestaltung sozialer Beziehungen, insbeson<strong>der</strong>e in Konfliktsituationen,<br />
<strong>bei</strong> Diskriminierungserfahrungen, Trennungs- und Verlustsituationen<br />
o<strong>der</strong> Ablösungsproblematiken z.B. vom Elternhaus an. Also Hilfe <strong>bei</strong><br />
allen psychosozialen Belastungen, die die Problemlösungsfähigkeit des<br />
Betreuten überfor<strong>der</strong>n. Die Betreuung bietet Beratung, assistierende<br />
Hilfen und Interventionen an, die speziell für die Ar<strong>bei</strong>t für Menschen mit<br />
geistiger Behin<strong>der</strong>ung bestimmt sind und insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Prävention<br />
und Kompensation psychischer Krisen dienen. Die Interventionen dienen<br />
in <strong>der</strong> Regel dem Abbau von Verhaltensproblemen und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />
eines befriedigenden Sozialverhaltens.<br />
Eine weitere BEW-Leistung und gleichzeitig ein großes Erprobungs- und<br />
Gestaltungsfeld für die Bewohner und Bewohnerinnen stellen die Angebote<br />
und die Beratungsleistungen zur Freizeitgestaltung dar.<br />
Freizeitangebote und Beratung zur Freizeitgestaltung<br />
Im § 39 BSHG "Teilnahme am gesellschaftlichen Leben" ist eine weitere<br />
Leistungsbeschreibung verankert, die das BEW in seine Ar<strong>bei</strong>t einschließt.<br />
Wie weit erstreckt sich diese Ar<strong>bei</strong>t und wie gestaltet sie sich?<br />
Gerade an den Wochenenden, an denen freie Zeit verfügbar ist, bietet<br />
das BEW-Team verschiedene Freizeitaktivitäten an. Angefangen von<br />
Kochen und Backen, Kino, Billard, Besuche von Ausstellungen, Radtou-<br />
28
en bis hin zum Schlittschuhlaufen. Da<strong>bei</strong> dienen zum einen die Aktivitäten<br />
als sozialpädagogische Gruppenar<strong>bei</strong>t mit dem Ziel <strong>der</strong> Stärkung des<br />
Gruppengefühls und zum an<strong>der</strong>en dazu, den Einsamkeits- und Sozialängsten<br />
unserer Klientel entgegen zu wirken. Um das Ganze zu erweitern<br />
und qualitativ aufzuwerten, werden jährlich eine Reise (in diesem<br />
Jahr Rügen) und ein Zeltwochenende in <strong>der</strong> Umgebung von <strong>Berlin</strong><br />
durchgeführt.<br />
Das Anliegen des BEW-Teams ist es, eigene Angebote gemeinsam mit<br />
den Bewohnern zu kreieren sowie externe Angebote zu offerieren mit<br />
<strong>der</strong> Aufgabenstellung:<br />
• die Klientel soll sich wirklich angesprochen fühlen<br />
• möglichst Impulse auszulösen, die <strong>der</strong> eigenen Gestaltung von<br />
Freizeit dienlich sind<br />
• Motivation zu stärken und Interessen zu wecken, etwas zu machen<br />
o<strong>der</strong> zu unternehmen<br />
• Abbau von Hemmschwellen und Berührungsängsten untereinan<strong>der</strong><br />
und an<strong>der</strong>en gegenüber<br />
• Aufbau und Pflege von sozialen Kontakten<br />
• Kompetenzen zu entwickeln und Neigungen zu för<strong>der</strong>n, so dass<br />
Freizeit als genüssliches Vergnügen empfunden wird<br />
Aber es muss auch erwähnt werden, dass in Neukölln und Lichtenberg<br />
ein Mangel an "passgenauen" Freizeitangeboten für unsere Bewohner<br />
und Bewohnerinnen zu verzeichnen ist. Hinzu kommt, dass sich unser<br />
Klientenkreis nicht unbedingt mit den vorhandenen Angeboten für Menschen<br />
mit einer schweren Behin<strong>der</strong>ung identifizieren möchte. Dadurch<br />
wird <strong>der</strong> Leitgedanke des Normalisierungsprinzips erschwert und es birgt<br />
die Gefahr, die Tendenzen einer Isolierung zu beschleunigen. Auch <strong>hier</strong><br />
wird deutlich, dass eine Differenzierung in diesem Bereich genau so<br />
notwendig erscheint. Die meisten unserer Klienten können durch das<br />
fehlende bzw. mangelhafte Netzwerk von Freizeitangeboten selten soziale<br />
Kontakte außerhalb des BEW aufbauen o<strong>der</strong> pflegen.<br />
Neben den Freizeitaktivitäten initiiert das BEW-Team abwechselnd jeden<br />
Montagabend ein Plenum und eine Sprechstunde im Gemeinschafts-<br />
des Stützpunktes Neukölln. Im Plenum werden Themen – auch mit<br />
raum<br />
aktuellem Bezug – erörtert und diskutiert, wie z.B. <strong>der</strong> Irak-Krieg. Aber es<br />
werden auch spezielle Problematiken aufgegriffen, die die Bewohner<br />
betreffen, wie z. B. <strong>der</strong> Umgang in Konfliktsituationen. In <strong>der</strong> Sprechstunde<br />
haben die Klienten gemeinsam mit den Betreuern die Möglichkeit,<br />
schon vorab den Wochenablauf zu planen, um so die Betreuungsstunden<br />
effektiver zu nutzen. Auch für die Gestaltung <strong>der</strong> Wochenend-<br />
29
freizeiten dient <strong>der</strong> Rahmen dieser zwei Veranstaltungsformen. Denn<br />
<strong>hier</strong> wird gemeinsam entschieden, was unternommen wird und in <strong>der</strong><br />
Regel erkannt, welcher Bedarf gerade ansteht. Ein weiterer Gesichtspunkt<br />
ist, ein Gemeinschaftsgefühl unter den Bewohnern zu schaffen,<br />
um die Kontaktpflege zu unterstützen und verstärkte Rückzugstendenzen<br />
<strong>bei</strong> Einzelnen zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
Ich möchte kurz noch auf einige Methoden unserer Betreuungsar<strong>bei</strong>t<br />
eingehen. Die Methoden <strong>der</strong> Betreuungsar<strong>bei</strong>t werden, wie schon in <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>planung erwähnt, in <strong>der</strong> Hilfebedarfplanung festgehalten und weiter<br />
entwickelt. Dies sind verschiedene Techniken <strong>der</strong> Gesprächsführung<br />
(z.B. klientenbezogene Gesprächsführung), Interventionen aus den systemischen,<br />
verhaltens- und gestalttheoretischen pädagogischen Konzepten,<br />
kooperativ-lenkende Begleitung in neuen und entwicklungsför<strong>der</strong>nden<br />
Aktivitäten, Gruppenar<strong>bei</strong>t, erlebnispädagogische Alltagsgestaltung,<br />
übende Verfahren, Motivation z.B. durch Anregungen und<br />
Ermutigungen, situative Einzelbegleitung, adäquater Umgang durch eine<br />
Betreuungshaltung von Offenheit, Konsequenz und Akzeptanz insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>bei</strong> Verhaltensproblematiken im Zusammenhang mit Sucht sowie<br />
präventive Methoden, wie <strong>bei</strong>spielsweise das frühzeitige Erkennen,<br />
wenn Klienten zunehmend in andauernde Überfor<strong>der</strong>ungs- und Unterfor<strong>der</strong>ungssituationen<br />
geraten.<br />
Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die Zusammenhangsar<strong>bei</strong>ten<br />
eingehen, die einen weiteren wesentlichen Schwerpunkt unserer sozialen<br />
Ar<strong>bei</strong>t im BEW darstellen. Die Betreuung umfasst neben <strong>der</strong> direkten<br />
gemeinsamen Betreuungszeit mit den Klienten auch die Zeit für Aufgaben,<br />
die im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Betreuung stehen, ohne dass <strong>der</strong><br />
Klient direkt einbezogen und anwesend ist. Das sind Koordinationsleistungen,<br />
des weiteren Teamsitzungen, Dienstbesprechungen, Fallbe-<br />
kollegiale Beratungen wie z.B. in <strong>der</strong> individuellen Hilfe-<br />
sprechungen,<br />
und Betreuungsplanung schon geschil<strong>der</strong>t, des weiteren Helferkonferenzen,<br />
Supervision, Fort- und Weiterbildungen, Kontakte und Kooperatio-<br />
und mit Angehörigen, gesetzlichen Betreuern, Bewährungshel-<br />
fern und Ärzten. Außerdem gehört zu den Zusammenhangsar<strong>bei</strong>ten<br />
nen zu<br />
auch das Einholen von Informationen zu aktuellen Problem- und Fragestellungen<br />
in <strong>der</strong> Betreuung und auf jeden Fall die nicht zu vernachlässigende<br />
Kooperation mit Behörden sowie das Verfassen von Entwicklungsberichten<br />
für den SpD sowie die umfangreiche Anfor<strong>der</strong>ung, die<br />
erbrachten Betreuungsleistungen zu dokumentieren, um unsere sozialpädagogische<br />
Ar<strong>bei</strong>t transparent und nachvollziehbar zu machen. Dies<br />
ist auch wesentlich für die Reflektion und Weiterführung / Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> individuellen Betreuungs- und Hilfeplanung.<br />
30
"Treffpunkt Thomasstraße"<br />
Ein Vortrag von Mike Früh<br />
Vor diesem Hintergrund leistet <strong>der</strong> Treffpunkt einen Beitrag zur Integra-<br />
da er ermöglicht, dass geistig behin<strong>der</strong>te Menschen <strong>hier</strong> tion, gemein-<br />
Die Freizeiteinrichtung für Menschen mit und ohne Behin<strong>der</strong>ung gehört<br />
schon fast zur Geschichte <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt. Seit 1981 in <strong>der</strong> Trägerschaft<br />
des Landesverbandes <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt wurde die Einrichtung<br />
in Neukölln in <strong>der</strong> Emser Straße aufgebaut. Seit 1999 befindet sich die<br />
Einrichtung in <strong>der</strong> Thomasstrasse 69 in Neukölln. Sie ist seit 2001 in <strong>der</strong><br />
Trägerschaft <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt Neukölln-Lichtenberg e.V., jetzt <strong>AWO</strong><br />
Südost e.V. .<br />
Für Menschen mit geistiger<br />
Behin<strong>der</strong>ung stellen<br />
betreute und angeleitete<br />
Gruppenangebote häufig<br />
die einzige Möglichkeit<br />
dar, unabhängig von<br />
Begleit- o<strong>der</strong> Bezugspersonen<br />
aus dem<br />
Wohnumfeld ihren Freizeitinteressen<br />
nachzugehen.<br />
Von den Besuchern des<br />
Treffpunktes sind viele<br />
kaum in <strong>der</strong> Lage, sich<br />
einen Freundes- o<strong>der</strong><br />
Bekanntenkreis aufzubauen<br />
und aus eigener<br />
Initiative gemeinsamen<br />
Freizeitaktivitäten nachzugehen.<br />
Im Treffpunkt<br />
findet man Menschen in einer ähnlichen Lebenslage und mit ähnlichen<br />
Interessen. Für diese Menschen sind unsere Mitar<strong>bei</strong>ter wichtige Ansprechpartner,<br />
da sie häufig außerhalb des Wohnumfelds die Einzigen<br />
sind, denen die Besucher sich anvertrauen, wenn sie Schwierigkeiten <strong>bei</strong><br />
<strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t o<strong>der</strong> mit Eltern bzw. Betreuern haben. An<strong>der</strong>e Besucher nutzen<br />
die Programme als Ergänzung zu ihrer eigenen Freizeitgestaltung,<br />
indem sie Angebote annehmen, die sie interessieren und die in einer<br />
ihren Kompetenzen und Bedürfnissen angemessenen Form gestaltet<br />
werden.<br />
31
Beim Großteil <strong>der</strong> Besucher liegt eine mittelgradige geistige Behin<strong>der</strong>ung<br />
vor, z.T. verbunden mit körperlichen Beeinträchtigungen. Zusätzlich zu<br />
diesen Behin<strong>der</strong>ungen liegen <strong>bei</strong> fast allen Besuchern unterschiedlich<br />
schwere Problematiken im Verhaltensbereich und im Bereich <strong>der</strong> sozia-<br />
len Kontakte vor. Hinzu kommen (mit steigen<strong>der</strong> Tendenz) Verhaltensproblematiken<br />
in Form von Aggressionen, wenig ausgeprägter Fähigkeit,<br />
sam mit an<strong>der</strong>en ihre Freizeit verbringen und nach ihren Vorstellungen<br />
und im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten gestalten können. Im<br />
Treffpunkt finden die Besucher zudem eine Atmosphäre vor, in <strong>der</strong> sie<br />
mit ihrer Behin<strong>der</strong>ung akzeptiert werden. Sie können <strong>hier</strong> ihren Interessen<br />
nachgehen, ohne Diskriminierungen befürchten zu müssen.<br />
Auch für Bewohner von Wohneinrichtungen stellen die Angebote eine<br />
wichtige Ergänzung zu den Freizeitmöglichkeiten <strong>der</strong> Wohneinrichtung<br />
dar, da sie <strong>hier</strong> mit an<strong>der</strong>en Menschen zusammen sind. Darüber hinaus<br />
sind die Möglichkeiten im Wohnbereich zur individuellen Freizeitgestal-<br />
begrenzt, vor allem wenn mehrere Bewohner unterschiedliche Frei-<br />
tung<br />
zeitinteressen haben und <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Durchführung Begleitung benötigen.<br />
Hier stellt <strong>der</strong> Treffpunkt mit seinen betreuten Angeboten eine wichtige<br />
Ergänzung dar.<br />
Seit 2001 versuchen wir weiterhin in <strong>der</strong> Einrichtung eine Tagesbetreu-<br />
geistigen Behin<strong>der</strong>ung im Ruhestand zu<br />
ung für Menschen mit einer<br />
etablieren. Wesentlichstes Prinzip des Freizeitbereichs und <strong>der</strong> Tages-<br />
betreuung für Senioren ist die Freiwilligkeit.<br />
Die Besucher des Treffpunktes Thomasstraße sind zwischen 15 und 81<br />
Jahre alt, den größten Anteil (75%) <strong>der</strong> ca. 150 Stammbesucher macht<br />
die Altersgruppe 28 bis 59 Jahre aus. Fast alle Besucher stammen aus<br />
einfachen sozialen Verhältnissen. Sie sind in <strong>der</strong> Regel Empfänger von<br />
Sozialhilfeleistungen, <strong>hier</strong><strong>bei</strong> sowohl von Leistungen <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungs-<br />
als auch von (ergänzen<strong>der</strong>) Hilfe zum<br />
hilfe aufgrund <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />
Lebensunterhalt. Bewohner von stationären Behin<strong>der</strong>teneinrichtungen<br />
erhalten ein Taschengeld zur persönlichen Verfügung. Daher sind sie in<br />
ihren Möglichkeiten zur Nutzung kommerzieller Freizeit- und Konsumangebote<br />
stark eingeschränkt.<br />
Neben Besuchern, die in Einrichtungen <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe wohnen,<br />
suchen zahlreiche Personen den Treffpunkt auf, die noch im Elternhaus<br />
o<strong>der</strong> allein in einer eigenen Wohnung leben. Viele Besucher sind sozial<br />
isoliert und haben mit Vereinsamungstendenzen zu kämpfen. Es kommen<br />
Besucher, die in einer Werkstatt für Behin<strong>der</strong>te ar<strong>bei</strong>ten und auch<br />
Personen, die keiner Beschäftigung o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er tagesstrukturieren<strong>der</strong><br />
Tätigkeiten nachgehen.<br />
32
sich zu konzentrieren, hohem Aktivitätsniveau, Nervosität, Reizbarkeit.<br />
Diese Probleme sind zunehmend <strong>bei</strong> den jüngeren Besuchern im Alter<br />
zwischen 16 und 25 Jahren zu beobachten.<br />
Das aktuelle Team besteht aus zwei hauptamtlich Beschäftigten mit jeweils<br />
einer 28,88 Std.-Stelle, 10 Übungsleitern, 2 Praktikanten <strong>der</strong> Heilerziehungspflege<br />
im Anerkennungsjahr und 2 Mitar<strong>bei</strong>tern eines<br />
Mobilitätsdienstes für Senioren, die ausschließlich für den Seniorentreff<br />
zur Verfügung stehen sowie einer ehrenamtlichen Mitar<strong>bei</strong>terin.<br />
Neben <strong>der</strong> Beratung und <strong>der</strong> Einzelbetreuung besteht das Angebot aus<br />
dem offenen Café, dem Samstagsaktionsprogramm und einem vielfältigen,<br />
regelmäßigen Gruppenangebot.<br />
Vielen Besuchern gemeinsam sind Probleme, die eigene Behin<strong>der</strong>ung<br />
zu akzeptieren, verbunden mit Selbstwertproblemen. Hier<strong>bei</strong> ist die zu<br />
beobachtende Palette <strong>der</strong> Bewältigungsversuche vielfältig, sie reicht von<br />
aggressiver Ablehnung und dem Bestreben, "normal" zu sein über Versuche,<br />
sich mit <strong>der</strong> eigenen Situation auseinan<strong>der</strong> zu setzen, bis hin zu<br />
Rückzugstendenzen. Mit <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t im Treffpunkt soll grundsätzlich ein<br />
Beitrag zur Integration und Normalisierung geleistet werden. Dies soll<br />
erfolgen durch die Schaffung von Orten für Entspannung und Geselligkeit,<br />
durch die För<strong>der</strong>ung sozialer Kontakte und Kompetenzen, durch<br />
Anregung zur Freizeitgestaltung sowie zum Erlernen von Freizeitverhal-<br />
ten, durch Erweiterung <strong>der</strong> Fähigkeiten <strong>der</strong> Besucher und Vermittlung<br />
von Information und Wissen und durch Anregung zur und Unterstützung<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Persönlichkeitsentfaltung und <strong>der</strong> Eigeninitiative im Sinne von<br />
Empowerment.<br />
Empowerment steht für einen Prozess, in dem Betroffene ihre Angele-<br />
und lebensqualitätsorientierten Ansatz und<br />
genheiten selbst in die Hand nehmen, sich da<strong>bei</strong> ihrer eigenen Fähigkeiten<br />
bewusst werden, eigene Kräfte entwickeln und soziale Ressourcen<br />
nutzen. Leitperspektive ist die selbstbestimmte Bewältigung und<br />
Gestaltung des eigenen Lebens. Grundsätzlich beruht unser Angebot auf<br />
dem systemischen Ansatz <strong>der</strong> Ganzheitlichkeit. Jede/r Besucher/-in wird<br />
in seiner/ihrer Gesamtpersönlichkeit gesehen und akzeptiert. Unser Angebot<br />
hat einen kompetenzgrenzt<br />
sich zeitlich und räumlich vom Lebensbereich Wohnen und Ar<strong>bei</strong>t<br />
ab. Es ist nach dem lebensgeschichtlichen Prinzip aufgebaut, d.h. die<br />
jeweiligen Biographien, Bedürfnisse und Möglichkeiten <strong>der</strong> Einzelnen<br />
stehen im Vor<strong>der</strong>grund. Der Austausch in einer Gruppe mit Menschen in<br />
ähnlicher Situation erweitert die individuellen Erfahrungshorizonte und<br />
verbessert die Motivation, sich positiv mit <strong>der</strong> eigenen Lebenslage aus-<br />
33
einan<strong>der</strong> zu setzen. Zur För<strong>der</strong>ung sozialer Kompetenzen und des sozialen<br />
Lernens hat sich die Gruppenar<strong>bei</strong>t bewährt.<br />
Einige Beispiele:<br />
Fantasia<br />
Fantasia ist im weitesten Sinne eine Psychomotorikgruppe für Erwachsene<br />
mit einer geistigen Behin<strong>der</strong>ung. Unser Anliegen ist es, sensorische<br />
und motorische Fähigkeiten <strong>bei</strong> den Teilnehmer/innen zu ergänzen.<br />
Das Spiel soll <strong>hier</strong> im Vor<strong>der</strong>grund stehen und als Mittel zum Zweck dienen,<br />
um auch die sozialen Kompetenzen <strong>der</strong> Teilnehmer/innen zu stärken.<br />
Dazu benutzen wir Bewegungs- und Wahrnehmungsspiele, die alle<br />
Sinne, also hören, sehen,<br />
riechen, fühlen und<br />
schmecken, schulen.<br />
Zudem soll in spielerischen<br />
Situationen die<br />
Selbstwahrnehmung, das<br />
Gleichgewicht, das eigene<br />
Körperschema und<br />
die Reaktionsschnelligkeit<br />
erprobt werden.<br />
Hierzu ist es nötig, eine<br />
Atmosphäre zu schaffen,<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Hemmungen,<br />
Ängste, Kommunikati-<br />
etc. abgebaut werden. Das bedeutet, dass eine relativ<br />
onsstörungen<br />
zwangfreie Situation geschaffen werden muss, die soweit als möglich<br />
von Leistungsansprüchen befreit ist.<br />
Die Gruppe findet wöchentlich mit ca. 10 Teilnehmer/innen statt.<br />
Halli-Galli<br />
Halli-Galli ist ebenso wie Fantasia eine Bewegungs-und Spielegruppe.<br />
Im weitesten Sinne hat die Körperar<strong>bei</strong>t, wie in <strong>der</strong> Psychomotorikgruppe,<br />
nicht nur Input-Charakter, son<strong>der</strong>n auch Output-Charakter. Der<br />
Besucher lernt nicht nur seinen Körper kennen und erweitert seine Sinneswahrnehmung,<br />
son<strong>der</strong>n kann das, was er erfährt, auch ausdrücken<br />
und für an<strong>der</strong>e erfahrbar machen.<br />
34
Kochgruppen<br />
Hier werden nicht nur Grundkenntnisse im Kochen vermittelt, son<strong>der</strong>n<br />
auch alle damit im direkten Zusammenhang stehenden Tätigkeiten wie<br />
Rezeptauswahl unter Berücksichtigung des jeweils jahreszeitlich beding-<br />
Mengenberechnungen, Erstellen des Einkaufzettels, das<br />
ten Angebots,<br />
Einkaufen und <strong>der</strong> Umgang mit Geld.<br />
Weiterhin wird auf die<br />
gesundheitlichen Aspekte<br />
<strong>der</strong> Nahrungsmittelauswahl<br />
und <strong>der</strong>en<br />
Zubereitung eingegan-<br />
ist ein Schritt und ein<br />
Übungsfeld in Richtung möglichst selbständiger<br />
gen. Damit einher geht<br />
die Vermittlung von ökologischem<br />
und ökonomischem<br />
Grundwissen<br />
bzgl. des Nahrungsmittelkreislaufes.<br />
Alternativen<br />
zu Fast-Food und<br />
Fertiggerichten werden<br />
vermittelt und alternative<br />
Ernährungsphilosophien erklärt. Dieses Angebot Lebensführung.<br />
"Mal-Atelier"<br />
Nach <strong>der</strong> Aussage von Beuys "Alle Menschen sind Künstler und alle<br />
können in irgendeiner Weise schöpferisch tätig sein" wäre es fatal, gerade<br />
Menschen mit einer geistigen Behin<strong>der</strong>ung diese Eigenschaften ab-<br />
und sozial gestaltungsfähig sind und auch das Bedürfnis haben, ihre<br />
zusprechen. Es ist umgekehrt davon auszugehen, dass sie künstlerisch<br />
Welt zu verbessern.<br />
Der Ausschluss geistig behin<strong>der</strong>ter Menschen von <strong>der</strong> aktiven und pas-<br />
erleben zu<br />
siven Teilnahme am allgemeinen Kulturleben ist Ausdruck ihrer Geringschätzung<br />
und verhin<strong>der</strong>t grundständig die Verwirklichung eines<br />
möglichst weitgehenden selbstbestimmten Lebens.<br />
Wir wollen mit dem Angebot den Teilnehmer/innen die Chance geben,<br />
gestaltend zu sich selbst zu finden, in Einklang mit sich selbst zu kommen<br />
und ihre Gestaltungsfähigkeit befriedigend können.<br />
35
Der Frauentreff<br />
In <strong>Berlin</strong> leben ca. 175.000 Frauen und Mädchen mit einer körperlichen,<br />
geistigen und/o<strong>der</strong> seelischen Beeinträchtigung. Oft fehlt die psychosoziale<br />
Unterstützung und Stärkung <strong>der</strong> Frauen durch eine Betroffenengruppe.<br />
Der Austausch in einer Gruppe mit Menschen in ähnlicher<br />
Situation erweitert die individuellen Erfahrungshorizonte und verbessert<br />
die Motivation, sich positiv mit <strong>der</strong> eigenen Lebenslage auseinan<strong>der</strong> zu<br />
setzen. Der Frauentreff will Anregungen zur positiven weiblichen Identität<br />
geben (Mobilisierung, Aktivierung und Stabilisierung individueller Fertigkeiten,<br />
Fähigkeiten und Kompetenzen), er will Lernfel<strong>der</strong> zur Selb-<br />
weibliche Identifikationsmöglichkeiten<br />
ständigkeitsentwicklung schaffen,<br />
entwickeln und das Selbstbewusstsein zur weiblichen Wahrnehmung<br />
för<strong>der</strong>n.<br />
Musikgruppe Akona<br />
Musik umgibt uns tagtäglich, sie weckt Gefühle und Erinnerungen. Sie<br />
krönt feierliche Anlässe und beschwingt uns im Alltag. Sie hilft uns in<br />
Harmonie stimmig mit unserer Umwelt zu leben. Rhythmus ist Puls, er<br />
hilft uns Abläufe im Großen wie im Kleinen mit ihren Zyklen intuitiv zu<br />
erfassen. Musik ist ein persönliches Ausdrucksmittel und ein Ventil für<br />
Emotionen. Umgekehrt wirkt sie auf unsere Stimmungslagen beruhigend,<br />
harmonisierend o<strong>der</strong> anregend. Musik för<strong>der</strong>t nachweislich die<br />
innere Ausgeglichenheit.<br />
Die Musikgruppe Akona live <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>terkonferenz<br />
36
Entsprechend <strong>der</strong> Fähigkeiten <strong>der</strong> Teilnehmer/-innen kann sich jede/r in<br />
<strong>der</strong> Musikgruppe Akona einbringen und sich gemeinsam als Band auch<br />
nach außen präsentieren.<br />
Grenzen in <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t<br />
Die Bewertung von Freizeit als Möglichkeit zur Kompensierung von Behin<strong>der</strong>ung<br />
ist eher negativ. Die Möglichkeiten von bedarfsgerechten<br />
Freizeitangeboten werden mehr reduziert als ausgebaut, so dass wir<br />
schon potentielle Interessenten abweisen mussten.<br />
Seniorentreff<br />
Alte Menschen mit einer<br />
geistigen<br />
Behin<strong>der</strong>ung<br />
haben aufgrund ihrer<br />
Behin<strong>der</strong>ung und aufsteht<br />
und <strong>der</strong> Bedarf an<br />
grund ihres Alters mit<br />
Ausgrenzung, Isolation<br />
und Marginalisierung zu<br />
kämpfen. Mit dem Eintritt<br />
in den Ruhestand, wenn<br />
das tagesstrukturierende<br />
Angebot <strong>der</strong> Werkstatt<br />
nicht mehr zur Verfügung<br />
altersadäquaten Angeboten,<br />
z.B. die <strong>der</strong> aktivierenden Pflege, steigt, gibt es zur Zeit keine ausreichende<br />
Versorgung, die <strong>der</strong> Ausgrenzung und Isolation entgegenwirkt<br />
und ei nen möglichst langen Verbleib in <strong>der</strong> vertrauten Wohnumgebung<br />
gewährleisten könnte. Beson<strong>der</strong>s betroffen sind Menschen mit geistiger<br />
Behin<strong>der</strong>ung, die allein o<strong>der</strong> mit Angehörigen leben.<br />
Konzepte für alte Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung, die in ambulan-<br />
sind<br />
ten und auch stationären Wohnformen <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe leben,<br />
noch in <strong>der</strong> Entwicklung begriffen, obwohl das Problem immer dringlicher<br />
wird.<br />
Lange Zeit gab es aufgrund des Euthanasieprogrammes während <strong>der</strong><br />
Nazi-Diktatur keine alten Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung. Heutige<br />
Prognosen sprechen von einer 950 %-igen Steigerung <strong>der</strong> Menschen mit<br />
geistiger Behin<strong>der</strong>ung im Alter von über 60 Jahren im Jahr 2009. Schon<br />
1999 gab es eine 350 %-ige Steigerung. In den Prognosen spiegelt sich<br />
auch die erhebliche Steigerung <strong>der</strong> Lebenserwartung von Menschen mit<br />
37
geistiger Behin<strong>der</strong>ung wie<strong>der</strong>. Wir haben uns vor zwei Jahren dieser<br />
Problematik im Rahmen <strong>der</strong> Freizeiteinrichtung gestellt, ein Konzept<br />
entwickelt und eine Seniorengruppe aufgebaut. Das Projekt „Senioren-<br />
bietet eine Tagesbetreuung für Menschen mit geistiger Behinde-<br />
treff“<br />
rung im Ruhestand, die nicht in stationären Wohnformen <strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>tenhilfe leben, an. Die Tagesbetreuung soll zur Teilhabe am<br />
täglichen Leben aktivieren und die Erfahrung ermöglichen, noch einen<br />
Beitrag für das eigene Leben leisten zu können, um die Isolation und<br />
Ausgrenzung, das frühzeitige Altern und den erhöhten Pflegebedarf zu<br />
verhin<strong>der</strong>n.<br />
Das Projekt "Seniorentreff" ist ein notwendiger erster Schritt, um neue<br />
Versorgungsstrukturen für alte Menschen mit geistiger Behin<strong>der</strong>ung mit<br />
all den unterschiedlichen Bedarfen erproben und aufbauen zu können.<br />
Durch die Ar<strong>bei</strong>t mit <strong>der</strong> Seniorengruppe sind methodische Aspekte entwickelt<br />
worden, die die beson<strong>der</strong>e Bedürfnislage von alten Menschen mit<br />
einer geistigen Behin<strong>der</strong>ung spiegeln und die eine Ergänzung zu den<br />
methodisch bewährten Überlegungen in <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t mit Demenzkranken<br />
darstellen.<br />
Trotzdem bestehen große Unterschiede im Bedarf von Senioren mit andenen<br />
mit erworbener geborener Behin<strong>der</strong>ung und<br />
Behin<strong>der</strong>ung.<br />
Lei<strong>der</strong> gibt es <strong>der</strong>zeit noch keine Finanzierungsmöglichkeit für ein um-<br />
Angebot für diese stetig wachsende<br />
fassendes tagesstrukturierendes<br />
Gruppe von Menschen.<br />
Das "Theater Thikwa" <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Aufführung während <strong>der</strong> Konferenz<br />
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Ar<strong>bei</strong>terwohlfahrt <strong>Berlin</strong><br />
Kreisverband Südost e.V.<br />
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